Neues Arbeitsgesetzbuch in Tschechien ab 2007 http://tschechien.ahk.de/index.php?id=land_info Die Deutsch-Tschechische Industrie- und Handelskammer (DTIHK) wurde 1993 in Prag gegründet. Die Kammer ist die Nachfolgeorganisation der Delegation der Deutschen Wirtschaft in Tschechien und Partner des leistungsstarken AHK-Netzwerks[1], das weltweit tätig ist. Das neue Arbeitsgesetzbuch, welches trotz teils massiver Ablehnung durch die Opposition, große Teile der Wirtschaft und gegen viele Stimmen der Fachöffentlichkeit von der Abgeordnetenkammer vor den Parlamentswahlen im Juni verabschiedet wurde, soll zum 1. Januar 2007 in Kraft treten. Es wird das Gesetz Nr. 65/1965 Sb., Arbeitsgesetzbuch, ersetzen, das während seiner Existenz mehr als fünfzig Mal novelliert wurde. Das neue Arbeitsgesetzbuch geht von der Vertragsfreiheit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus. Diese ist jedoch durch einige zwingende Bestimmungen beschränkt, von denen man nicht abweichen kann. Daher ist fraglich, ob die Änderung des Arbeitsgesetzbuches überhaupt spürbar sein wird. Das neue Gesetzbuch enthält 395 Paragraphen. Mit Blick auf die von ihm geregelte Problematik entspricht es oft dem bisherigen Arbeitsgesetzbuch, obwohl es inhaltlich zahlreiche Änderungen erfuhr. Zudem enthält es durch einige Änderungen auch bislang eigenständige Gesetze (z.B. das Gesetz über den Lohn, die Vergütung für Arbeitsbereitschaft und über den Durchschnittsverdienst, das Gesetz über den Reisenkostenersatz). Arbeitsverhältnis Das Arbeitsverhältnis wird weiterhin durch einen Arbeitsvertrag oder durch Ernennung begründet, die Entstehung durch Ernennung gilt nicht mehr im privaten Sektor. Ab Januar 2007 kann jedoch im Arbeitsvertrag mit einem leitenden Arbeitnehmer (dieser nach geltender Rechtslage ernannt werden muss) die Möglichkeit der Abberufung aus der Arbeitsstelle vereinbart werden, wenn zugleich festgelegt wird, dass der Arbeitnehmer auf diese Funktion auch verzichten kann. Arbeitnehmer dürfen nur mit ihrer Zustimmung auf Dienstreisen entseandt werden. Nicht geregelt ist, ob diese Vereinbarung wie bislang Inhalt des Arbeitsvertrages sein muss. Die Probezeit beträgt weiter maximal drei Monate. Neu ist, dass in die Laufzeit nicht die Dauer von Arbeitshindernissen (z.B. Krankheit) eingeschlossen wird. Die Regelungen hinsichtlich Änderung des Arbeitsvertrages, der Überführung in eine andere Arbeit und der Versetzung haben keine großen Veränderungen erfahren. Die Überführung in eine andere Arbeit wegen Produktionsstillstand oder ungünstiger Witterungsbedingungen kann aber nur noch mit Zustimmung des Arbeitnehmers erfolgen. Die Regelungen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses wurden beibehalten. Nun endet das Arbeitsverhältnis auch durch den Tod des Arbeitgebers als natürliche Person, sofern es nicht zur Fortsetzung des Gewerbes gemäß Gewerbegesetz kommt. Die Kündigungsfristen betragen mindestens zwei Monate und ermöglichen die Vereinbarung von längeren Kündigungsfristen. Dies ist gerade mit Blick auf Schlüsselarbeitnehmer eine wichtige Änderung. Die längere Kündigungsfrist von drei Monaten bei betriebsbedingter Kündigung durch den Arbeitgeber ist entfallen, allerdings wurde die Abfindung erhöht. Auch weiterhin kann der Arbeitgeber die Kündigung nur aus den im Arbeitsgesetzbuch abschließend angeführten Gründen aussprechen. Aufgehoben wird allerdings die Angebotspflicht (bislang § 46 Abs. 2 Arbeitsgesetzbuch), nach der das Angebot einer anderen geeigneten Arbeit oder ihre Nichtexistenz bislang Bedingung für die Wirksamkeit der Kündigung war. Der Sonderkündigungsschutz für die bislang in § 47 Arbeitsgesetzbuch angeführten Personen bei betriebsbedingter Kündigung wurde aufgehoben. Die Kündigungsgründe auf Seiten des Arbeitgebers bleiben im Grunde unverändert. Neu ist ein weiterer Kündigungsgrund im Zusammenhang mit der Gesundheit des Arbeitnehmers, wenn dieser die bisherige Arbeit wegen eines Arbeitsunfalls, einer Berufskrankheit oder drohenden Krankheit nicht mehr ausüben kann. Bei Aufhebung (in der deutschen Terminologie der fristlosen Kündigung entsprechend) des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer wird der Grund für die Aufhebung präzisiert, der in der Nichtauszahlung des Lohns oder Lohnersatzes an den Arbeitnehmer besteht, wobei der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis auch bei Nichtauszahlung nur eines Teils seines Lohns fristlos kündigen kann. Die Verpflichtung zur Zahlung einer Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung seitens des Arbeitgebers oder bei Abschluss einer Vereinbarung über die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses aus betriebsbedingten Gründen bleibt bestehen. Die Abfindung muss mindestens das Dreifache des monatlichen Durchschnittsverdienstes des Arbeitnehmers und im Falle des zuvor genannten neuen Kündigungsgrundes mindestens das Zwölffache des monatlichen Durchschnittsverdienstes betragen. Arbeitszeit Die Dauer der festgelegten Wochenarbeitszeit bleibt unverändert. Einzige Änderung ist die Arbeitszeit derjenigen Arbeitnehmer, die das 18. (früher 16.) Lebensjahr noch nicht erreicht haben. Diese darf 30 Wochenstunden nicht übersteigen, wobei die Dauer einer Schicht an den einzelnen Tagen maximal 6 Stunden betragen darf. Diese Bestimmung dürfte wahrscheinlich die Erfolgsaussichten von Studenten bei der Suche nach kurzfristigen Beschäftigungen (Ferienjobs) verringern. Die Arbeitszeit kann auch künftig gleichmäßig und ungleichmäßig aufgeteilt werden. Bei ungleichmäßig aufgeteilter Arbeitszeit darf die durchschnittliche Wochenarbeitszeit ohne Überstunden im Schichtplan nicht die bestimmte Wochenarbeitszeit für maximal 26 aufeinander folgende Wochen übersteigen. Nur per Tarifvertrag kann dieser Zeitraum auf maximal 52 aufeinander folgende Wochen festgesetzt werden. Eine grundlegende und lange erwartete Änderung in der Arbeitszeitreglung ist die Einführung eines Arbeitszeitkontos im Gesetz als Form der ungleichmäßig aufgeteilten Arbeitszeit. Diese Form der Arbeitszeitaufteilung kann nur durch Tarifvertrag oder in einer vom Arbeitgeber herausgegebenen internen Vorschrift festgelegt werden. Zur Einführung des Arbeitszeitkontos ist die Zustimmung jedes Arbeitnehmers notwendig, der davon betroffen sein wird. Der Ausgleichszeitraum ist in gleicher Weise wie bei der beschriebenen ungleichmäßig aufgeteilten Arbeitszeit bestimmt (26 bzw. 52 Wochen bei Tarifvertrag). Der Arbeitgeber wird verpflichtet, für jeden Arbeitnehmer ein Arbeitszeitkonto und ein Lohnkonto zu führen. Für jede Woche muss der Unterschied zwischen der festgelegten Wochenarbeitszeit und der tatsächlich gearbeiteten Arbeitszeit ausgewiesen werden. Im Ausgleichszeitraum wird der Arbeitnehmer für die einzelnen Kalendermonate den Lohnanspruch in fester monatlicher Höhe haben, die im Tarifvertrag vereinbart oder in einer internen Vorschrift bestimmt wird und nicht geringer als 80 Prozent des Durchschnittsverdienstes des Arbeitnehmers sein darf. Das Lohnkonto weist den Lohn in fester Höhe und den tatsächlich erzielten Lohn für den Kalendermonat aus. Für den Ausgleichszeitraum hat der Arbeitnehmer Anspruch auf den Unterschied zwischen dem tatsächlich erzielten Lohn und dem festen Lohn. Sollte der tatsächliche Lohn geringer sein, erhält der Arbeitnehmer den Lohn in der festen Höhe. Lohn und sonstige Arbeitnehmervergütung Das neue Arbeitsgesetzbuch enthält weiter eine detaillierte Regelung der Vergütung der Arbeitnehmer im unternehmerischen Bereich. Es bestimmt den Mindestlohn (neu auch die Mindestvergütung aus sog. Vereinbarungen über Arbeiten), weiter den sog. garantierten Lohn und die Formen der Lohnvereinbarung (im Arbeitsvertrag, im Tarifvertrag, in einem anderen Vertrag bzw. Lohn aufgrund einer internen Vorschrift oder eines Lohnbescheids). Künftig gibt es nicht mehr die Möglichkeit, den Lohn unter Berücksichtigung etwaiger Überstunden zu vereinbaren. Für Überstunden ist stets ein Zuschlag zu zahlen, sofern Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht die Gewährung von Freizeitausgleich vereinbaren. Die Höhe des Mindestüberstundenzuschlags bleibt unverändert (25 Prozent des Durchschnittsverdienstes des Arbeitnehmers). Das neue Arbeitsgesetzbuch ändert die Bestimmung der Zuschlagshöhe für Nachtarbeit und für Arbeiten in einem erschwerten Arbeitsumfeld durch einen Prozentsatz. Bislang waren diese Zuschläge in einer Sonderrechtsvorschrift durch einen festen Betrag bestimmt. Neu eingeführt wird ein Zuschlag für Arbeiten an Samstagen und Sonntagen. Arbeitshindernisse, Lohnfortzahlung Die rechtliche Regelung dieser Problematik ist im neuen Arbeitsgesetzbuch sehr detailliert geregelt und umfasst auch die bisherigen Durchführungsvorschriften. Bei den sog. wichtigen persönlichen Arbeitshindernissen (v.a. bei Krankheit) besteht eine grundlegende und heftig diskutierte Änderung darin, dass in den ersten 14 Kalendertagen der Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitnehmer für die Arbeitstage Lohnersatz direkt vom Arbeitgeber in der bestimmten Höhe zustehen wird. Der Arbeitgeber kann bei Nichteinhaltung des verschriebenen Genesungsplans den Lohnersatz an den Arbeitnehmer mindern oder ganz streichen. Da es sich aber um keine Arbeitsverrichtung in der Arbeitszeit handelt, kann der Arbeitnehmer bei Nichteinhaltung des verschriebenen Genesungsplans nicht wegen Verletzung der „Arbeitsdisziplin“ abgemahnt oder gekündigt werden. Bei Arbeitshindernissen auf Seiten des Arbeitgebers wurde neu bei einem anderen Hindernis auf Seiten des Arbeitgebers eine Art Kurzarbeiterregelung eingeführt. Im Fall, dass beim Arbeitgeber keine Gewerkschaften tätig sind, kann er das Arbeitsamt auffordern zu entscheiden, dass der Arbeitnehmer bei diesem Arbeitshindernis über die Dauer von maximal einem Jahr Lohnersatz nur in Höhe von 60 Prozent des Durchschnittsverdienstes erhält (bislang ist eine solche Regelung nur durch eine Vereinbarung zwischen der Gewerkschaft und dem Arbeitgeber möglich). Schadenersatz Das neue Arbeitsgesetzbuch unterscheidet auch weiterhin die Haftung für einen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber zugefügten Schaden. Neben der allgemeinen Schadenshaftung, bei der auch die Höhe des Ersatzes für einen fahrlässig verursachten Schaden unverändert bleibt (maximal das 4,5-fache des monatlichen Durchschnittsverdienstes des Arbeitnehmers), kennt das neue Arbeitsgesetzbuch auch weiterhin die Haftung für ein Manko an zur Abrechnung anvertrauten Werten (die sog. Vereinbarung über die materielle Haftung heißt neu Haftungsvereinbarung) und die Haftung für einen Verlust von anvertrauten Sachen. Bei dieser letzten Art der Schadenshaftung ist neu geregelt, dass Gegenstände im Wert von über 50.000,- CZK den Arbeitnehmern nicht mehr nur gegen schriftliche Übernahmebestätigung anvertraut werden können. Mit dem Arbeitnehmer wird eine schriftliche Vereinbarung über die Haftung für einen Verlust von anvertrauten Sachen abgeschlossen. Wichtig ist, dass bei einem leitenden Arbeitnehmer, der Geschäftsführungsorgan oder sein Vertreter ist und einen Schaden verursacht, die Höhe dieses Schadens von demjenigen bestimmt wird, der ihn in diese Funktion bestellt hat. Die Haftung des Arbeitgebers für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten ist zukünftig in einem gesonderten Gesetz geregelt. Mehr Rechtsunsicherheit Das neue Arbeitsgesetzbuch stellt die größte Änderung im Arbeitsrecht seit mehr als 40 Jahren dar. Das bedeutet eine Herausforderung für alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die sich dem Inhalt dieser umfangreichen Rechtsvorschriften rechtzeitig vertraut machen müssen. Änderungsbedarf besteht sowohl bei Individualarbeitsverträgen als auch bei Kollektivarbeitsverträgen. In der Praxis wird sich zeigen, wie die einzelnen Bestimmungen ausgelegt werden. Es wird Jahre dauern, bis relevante Gerichtsurteile zu den neuen Bestimmungen vorliegen. Daher wird im Arbeiitsrecht eine noch größere Rechtsunsicherheit bestehen als dies bereits jetzt der Fall ist. Die Fachöffentlichkeit ist sich bewusst, dass das neue Arbeitsgesetzbuch auf keinem guten Niveau fußt. Es wird sogar eine Novellierung noch vor dem Inkrafttreten des Gesetzes erwartet. Ob es dazu kommt, hängt allerdings von der politischen Kräfteverteilung im neu gebildeten Parlament ab. Von Arthur Braun, M.A., Rechtsanwalt und Advokát JUDr. Štěpánka Wiesnerová, Advokát bpv Braun Haskovcova "Bude chybět 2000 doktorů. Bude je nahrazovat černá práce. To je vám jedno?" Podle nového zákoníku se pohotovost zahrnuje do pracovní doby. Nyní se do ní počítá jen tehdy, pokud v ní zaměstnanec pracoval. ------------------------------- [1] Die Auslandshandelskammern (AHKs)