Pfingsten, das liebliche Fest, war gekommen; es grünten und blühten / Feld und Wald; auf Hügeln und Höhn, in Büschen und Hecken / Übten ein fröhliches Lied die neuermunterten Vögel. (Goethe: Reineke Fuchs, Anfang) Nach Korinthus von Athen gezogen Kam ein Jüngling, dort noch unbekannt. Einen Bürger hofft’ er sich gewogen; (Goethe: Die Braut von Korinth) Und also, fuhr der Richter fort, wenn ihr Nicht meinen Rat, statt meines Spruches, wollt: Geht nur! - Mein Rat ist aber der: ihr nehmt Die Sache völlig wie sie liegt. Hat von Euch jeder seinen Ring von seinem Vater: So glaube jeder sicher seinen Ring Den echten. - Möglich; daß der Vater nun Die Tyrannei des einen Rings nicht länger In seinem Hause dulden willen! - Und gewiß; Daß er euch alle drei geliebt, und gleich Geliebt: indem er zwei nicht drücken mögen, Um einen zu begünstigen. - Wohlan! Es eifre jeder seiner unbestochnen Von Vorurteilen freien Liebe nach! Es strebe von euch jeder um die Wette, Die Kraft des Steins in seinem Ring' an Tag Zu legen! komme dieser Kraft mit Sanftmut, Mit herzlicher Verträglichkeit, mit Wohltun, Mit innigster Ergebenheit in Gott Zu Hilf'! Und wenn sich dann der Steine Kräfte Bei euern Kindes-Kindeskindern äußern: So lad ich über tausend tausend Jahre Sie wiederum vor diesen Stuhl. Da wird Ein weisrer Mann auf diesem Stuhle sitzen Als ich; und sprechen. Geht! - So sagte der Bescheidne Richter. (Lessing: Nathan der Weise) Froh empfind' ich mich nun auf klassischem Boden begeistert, Lauter und reizender spricht Vorwelt und Mitwelt zu mir. Ich befolge den Rath, durchblättere die Werke der Alten Mit geschäftiger Hand täglich mit neuem Genuß. Aber die Nächte hindurch hält Amor mich anders beschäftigt, Werd' ich auch halb nur gelehrt, bin ich doch doppelt vergnügt. Und belehr' ich mich nicht? wenn ich des lieblichen Busens Formen spähe, die Hand leite die Hüften hinab. Dann versteh ich erst recht den Marmor, ich denk' und vergleiche, Sehe mit fühlendem Aug', fühle mit sehender Hand. Raubt die Liebste denn gleich mir einige Stunden des Tages; Gibt sie Stunden der Nacht mir zur Entschädigung hin. Wird doch nicht immer geküßt, es wird vernünftig gesprochen, Überfällt sie der Schlaf, lieg ich und denke mir viel. Oftmals hab' ich auch schon in ihren Armen gedichtet Und des Hexameters Maß, leise, mit fingernder Hand, Ihr auf den Rücken gezählt, sie athmet in lieblichem Schlummer Und es durchglühet ihr Hauch mir bis ins tiefste die Brust. Amor schüret indeß die Lampe und denket der Zeiten, Da er den nämlichen Dienst seinen Triumvirn gethan. (Goethe: Römische …) Goethe: Zueignung Der Morgen kam; es scheuchten seine Tritte Den leisen Schlaf, der mich gelind umfing, Daß ich, erwacht, aus meiner stillen Hütte Den Berg hinauf mit frischer Seele ging; Ich freute mich bei einem jeden Schritte Der neuen Blume, die voll Tropfen hing; Der junge Tag erhob sich mit Entzücken, Und alles war erquickt, mich zu erquicken. Hölderlin: An die Parzen Nur einen Sommer gönnt, ihr Gewaltigen! Und einen Herbst zu reifem Gesange mir, Dass williger mein Herz, vom süßen Spiele gesättigt, dann mir sterbe Die Seele, der im Leben ihr göttlich Recht Nicht ward, sie ruht auch drunten im Orkus nicht; Doch ist mir einst das Heilige, das am Herzen mir liegt, das Gedicht, gelungen, Willkommen dann, o Stille der Schattenwelt! Zufrieden bin ich, wenn auch mein Saitenspiel Mich nicht hinab geleitet; Einmal lebt ich, wie Götter, und mehr bedarfs nicht. Weinheber: An die Parzen Einen Sommer gönnt, ihr Gewaltgen! Einem Herbst mir nur zu reifem Gesange, daß mein Herz, vom süßen Spiele gesättigt, dann mir williger sterbe. Der ihr göttlich Recht nicht im Leben ward, sie ruht, die Seel, auch drunten im Orkus nicht. Doch ist das Heilige einst, mir am Herzen, das Ge- dicht mir gelungen, Dann willkommen, Stille der Schattenwelt! Zu- frieden bin ich, wenn auch mein Saitenspiel mir nicht hinabfolgt. Einmal, wie Götter, lebt ich, und: mehr bedarfs nicht. Der Zürchersee Schön ist, Mutter Natur, deiner Erfindung Pracht Auf die Fluren verstreut, schöner ein froh Gesicht, Das den großen Gedanken Deiner Schöpfung noch einmal denkt. … Süß ist, fröhlicher Lenz, deiner Begeistrung Hauch, Wenn die Flur dich gebiert, wenn sich dein Odem sanft In der Jünglinge Herzen, Und die Herzen der Mädchen gießt. Ach du machst das Gefühl siegend, es steigt durch dich Jede blühende Brust schöner, und bebender, Lauter redet der Liebe Nun entzauberter Mund durch dich! Lieblich winket der Wein, wenn er Empfindungen, Beßre sanftere Lust, wenn er Gedanken winkt, Im sokratischen Becher Von der thauenden Ros' umkränzt; Wenn er dringt bis ins Herz, und zu Entschließungen, Die der Säufer verkennt, jeden Gedanken weckt, Wenn er lehret verachten, Was nicht würdig des Weisen ist. (Klopstock) Menons Klagen um Diotima Täglich geh ich heraus und such ein Anderes immer, Habe längst sie befragt, alle die Pfade des Lands; Droben die kühlenden Höhn, die Schatten alle besuch ich, Und die Quellen; hinauf irret der Geist und hinab, Ruh’ erbittend; so flieht das getroffene Wild in die Wälder, Wo es Mittag sonst sicher im Dunkel geruht; ... (Hölderlin) Du siehst, wohin du siehst, nur Eitelkeit auf Erden. Was dieser heute baut, reißt jener morgen ein; Wo jetzund Städte stehn, wird eine Wiese sein, Auf der ein Schäferskind wird spielen mit den Herden. Was jetzund prächtig blüht, soll bald zertreten werden; Was jetzt so pocht und trotzt, ist morgen Asch und Bein; Nichts ist, das ewig ist, kein Erz, kein Marmorstein. Jetzt lacht das Glück uns an, bald donnern die Beschwerden. Der hohen Taten Ruhm muß wie ein Traum vergehn. Soll denn das Spiel der Zeit, der leichte Mensch, besteh? Ach, wie ist alles dies, was wir vor köstlich achten, Als schlechte Nichtigkeit, als Schatten, Staub und Wind, Als eine Wiesenblum, die man nicht wieder findt! Noch will, was ewig ist, kein einig Mensch betrachten. (Gryphius Ganymed[1] Wie im Morgenglanze Du rings mich anglühst, Frühling, Geliebter! Mit tausendfacher Liebeswonne sich an mein Herz drängt Deiner ewigen Wärme Heilig Gefühl, Unendliche Schöne! Joseph von Eichendorff (1809/1810): Das zerbrochene Ringlein In einem kühlen Grunde Da geht ein Mühlenrad, Mein' Liebste ist verschwunden, Die dort gewohnt hat. Sie hat mir Treu' versprochen, Gab mir ein'n Ring dabei, Sie hat die Treu' gebrochen, Mein Ringlein sprang entzwei. Ich möcht' als Spielmann reisen Weit in die Welt hinaus, Und singen meine Weisen, Und gehn von Haus zu Haus. Ich möcht' als Reiter fliegen Wohl in die blut'ge Schlacht, Um stille Feuer liegen Im Feld bei dunkler Nacht. Hör' ich das Mühlrad gehen: Ich weiß nicht, was ich will - Ich möcht' am liebsten sterben, Da wär's auf einmal still! Theodor Fontane – Publikum Das Publikum ist eine einfache Frau, Bourgeoishaft eitel und wichtig, Und folgt man, wenn sie spricht, genau, So spricht sie nicht mal richtig. Eine einfache Frau, doch rosig und frisch, Und ihre Juwelen blitzen, Und sie lacht und führt einen guten Tisch, Und es möchte sie jeder besitzen. Rainer Maria Rilke - Der Panther Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe so müd geworden, daß er nichts mehr hält. Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt. Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte, der sich im allerkleinsten Kreise dreht, ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte, in der betäubt ein großer Wille steht. Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein, geht durch der Glieder angespannte Stille - und hört im Herzen auf zu sein. Eduard Mörike - Auf eine Lampe Noch unverrückt, o schöne Lampe, schmückest du, an leichten Ketten zierlich aufgehangen hier, die Decke des nun fast vergeßnen Lustgemachs. Auf deiner weißen Marmorschale, deren Rand der Efeukranz von goldengrünem Erz umflicht, schlingt fröhlich eine Kinderschar den Ringelreih'n. Wie reizend alles! lachend, und ein sanfter Geist des Ernstes doch ergossen um die ganze Form - ein Kunstgebild' der echten Art. Wer achtet sein? Was aber schön ist, selig scheint es in ihm selbst. August Stramm, Sturmangriff Aus allen Winkeln gellen Fürchte Wollen kreisch peitscht das Leben vor sich her den keuchen Tod die Himmel fetzen blind schlächtert wildum das Entsetzen · · Ich weiß doch: nur der Glückliche Ist beliebt. Seine Stimme Hört man gern. Sein Gesicht ist schön. Der verkrüppelte Baum im Hof Zeigt auf den schlechten Boden, aber Die Vorübergehenden schimpfen ihn einen Krüppel Doch mit Recht. Die grünen Boote und die lustigen Segel des Sundes Sehe ich nicht. Von allem Sehe ich nur der Fischer rissiges Garnnetz. Warum rede ich nur davon, Daß die vierzigjährige Häuslerin gekrümmt geht? Die Brüste der Mädchen Sind warm wie ehedem. In meinem Lied ein Reim Käme mir fast vor wie Übermut. In mir streiten sich Die Begeisterung über den blühenden Apfelbaum Und das Entsetzen über die Reden des Anstreichers. Aber nur das zweite Drängt mich zu Schreibtisch. (Bertolt Brecht: Schlechte Zeit für Lyrik,1939) ------------------------------- [1] der schöne Mundschenk des Zeus; trojan. Prinz, der, von Zeus entführt, in ewiger Jugend seinen Dienst an der Göttertafel versieht