Revolution 1848 in Östereich nach http://www.aeiou.at/aeiou.encyclop.r/r560553.htm Die soziale Lage der Bauern, kleinen Handwerker und der entstehenden Industriearbeiterschaft war sehr schwierig. Der Arbeitslohn (bei durchschnittlich 14-stündigem Arbeitstag) war gering, Kinderarbeit weit verbreitet. Die rasch, aber unorganisch durchgeführte Mechanisierung verursachte Massenarbeitslosigkeit und Hungerdemonstrationen. Der Bauernstand war trotz des Untertanenpatents von Joseph II. (1781) durch Zehent und Robot schwer belastet; in Galizien kam es bereits 1846 zu einem blutigen Bauernaufstand. Unzufrieden waren auch das liberale Bürgertum und die Intelligenz, vor allem die Studenten, die gemeinsam mit Buchhändlern, Druckern und Schriftsetzern die eigentlichen Vorkämpfer der bürgerlichen Revolution wurden. Ihre Hauptforderungen waren mehr politischer als sozialer Natur: Sie forderten nie den Sturz der Monarchie, sondern nur die Beseitigung des Absolutismus. Dazu kam der zunehmende Nationalismus. In den Aufständen von 1848 gingen die Forderungen der Italiener und der Ungarn bis zum Sturz des Hauses Habsburg und zur Errichtung selbständiger Nationalstaaten; die Polen dachten ähnlich. Angesichts der Forderung nach einer demokratischen Verfassung war die Erschütterung durch die französische Februarrevolution 1848 in Österreich besonders stark. Schon am 1. und 2. Jänner war es in den italienischen Provinzen zu blutigen Ausschreitungen gekommen ("Zigarrenrummel"), und Österreich verhängte in der Lombardei den Kriegszustand. Am 3. 3. hielt L. Kossuth, Führer der ungarischen Opposition, im ungarischen Reichstag in Preßburg die "Taufrede der österreichischen Revolution", in der er für Ungarn eine moderne Verfassung forderte. Am 13. 3. brach in Wien die Märzrevolution aus, die den Sturz Metternichs erzwang. In Oberösterreich, Steiermark, Tirol und Mähren entwickelten die Landtage eine lebhafte Tätigkeit; neue Gemeindeordnungen und die Ablösung der Grundlasten waren die wichtigsten Punkte; darüber hinaus blieb die Revolution im deutschsprachigen Österreich vor allem auf Wien beschränkt. Einzig in der Steiermark meldeten sich radikale Elemente zu Wort, und im Oktober erhielt Wien aus diesen Kreisen etwas Verstärkung. Am 17. und 18. 3. begannen, unterstützt von Sardinien, Aufstände in Venedig und Mailand, das von J. W. Radetzky[1] geräumt wurde. In Wien traten an die Stelle der Staatskonferenz ein Provisorisches Staatsministerium unter Vorsitz von F. A. Kolowrat-Liebsteinsky und an die Stelle der Hofämter Ministerien. Am 25. 4. wurde die Pillersdorfsche Verfassung erlassen, die aber auf heftige Kritik stieß. Am 23. 3. hatte Ungarn ein liberales Ministerium, am 11. 4. eine eigene Verfassung erhalten. Die auf einem besonderen "Böhmischen Staatsrecht" beruhenden Forderungen tschechischer und adeliger Kreise wurden jedoch nur teilweise bewilligt. Am 26. 4. wurde in Krakau ein polnischer Aufstand unterdrückt. Nach dem Sieg Radetzkys bei Santa Lucia (6. 5.) im Sardinischen Krieg wurde auch in Italien die österreichische Hoheit wiederhergestellt. In diesen Tagen erhoben sich Slowaken, Rumänen und Banater Serben gegen die zentralistischen Tendenzen der ungarischen Regierung. Das deutschsprachige Bürgertum sah seine Stellung durch die Freiheitsbestrebungen der anderen Nationen gefährdet, begrüßte daher die Siege der kaiserlichen Armee und suchte Rückhalt in Deutschland, das ebenfalls eine bürgerliche Revolution erlebte (Frankfurter Nationalversammlung). So kämpften die deutschsprachigen Österreicher in der Revolution unter großdeutschen Losungen und schwarzrotgoldenen Fahnen, dem Symbol sowohl der deutschen Einheit als auch von Freiheit und Fortschritt. Das nächste Stadium der Revolution begann mit neuerlichen Unruhen am 15. 5. in Wien. In der "Sturmpetition" von Nationalgarden, Studenten und Arbeitern in der Wiener Hofburg wurden die Zurücknahme der "oktroyierten Verfassung" vom 25. 4. und die Einberufung eines konstituierenden Reichstags mit allgemein, direkt und frei gewählten Abgeordneten gefordert. Nach Straßenkämpfen wurden in der Nacht vom 15. auf den 16. 5. diese Forderungen bewilligt. Kaiser Ferdinand I. und die kaiserliche Familie flohen am 17. 5. nach Innsbruck. Tumulte der Studenten führten am 24. 5. zur Schließung der Universität und am 26. 5. wieder zu Barrikadenkämpfen in Wien, ausgelöst durch den Plan einer Auflösung der Akademischen Legion. Die Regierung musste neben der Legion auch die Bildung eines Sicherheitsausschusses, bestehend aus Bürgern, Nationalgardisten und Studenten, gestatten, der nach Abzug des Militärs für einige Zeit eines der Machtzentren in Wien wurde. Den unter dem Studenten A. Willner gebildeten "Arbeiterkomitees" gelang es, soziale Forderungen durchzusetzen (10-Stunden-Arbeitstag, Lohnerhöhungen, Gründung des "Ersten österreichischen Arbeitervereins" usw.). Auch in Prag spitzte sich die Lage zu: Einerseits versuchten konservative Bürokraten, die Wirren in Wien zur Stärkung der Position Böhmens innerhalb der Monarchie zu nutzen, andererseits griffen im Prager "Pfingstaufstand"tschechische und deutschsprachige Revolutionäre zu den Waffen; ihr Aufstand wurde von der Armee unter A. Windisch-Graetz blutig unterdrückt. In der Rückschau stellt sich diese Aktion des Fürsten als Beginn des Wiedererstarkens der restaurativen Kräfte in Österreich dar. Am 26. 6. kam Erzherzog Johann als Vertreter des Kaisers nach Wien, konnte diese Position wegen seiner Berufung als "Reichsverweser" nach Frankfurt aber nicht in der gewünschten Weise ausfüllen. Er betraute A. Doblhoff-Dier am 8. 7. mit der Bildung eines vorwiegend demokratisch gesinnten Ministeriums und eröffnete am 23. 7. den konstituierenden Reichstag. Dort beantragte H. Kudlich am 26. 7. die schon vorher im Prinzip zugestandene Aufhebung der bäuerlichen Untertanenlasten, die am 7. 9. beschlossen und vom Kaiser sanktioniert wurde. Durch diesen großen sozialen Erfolg wurde die Bauernschaft, die an der Revolution fast gar nicht beteiligt war, für die Krone gewonnen. Auch in Italien bekam nach dem Sieg Radetzkys über die sardinischen Truppen bei Custozza (25. 7.) die österreichische Staatsmacht die Oberhand und gewann die Lombardei zurück. Am 12. 8. kehrte der Hof nach Wien zurück. Die sich krisenhaft zuspitzende Lage in Ungarn wirkte aufÖsterreich zurück, am 6. 10. kam es in Wien wieder zu Kämpfen, und mit der Oktoberrevolution in Wien fand die Revolution in Österreich ihren Höhepunkt. Deren Niederschlagung brach jedoch den revolutionären Impetus, auch wenn sich das aus der Revolution entstandene konstitutionelle Element noch einige Zeit hielt. Der Reichstag versammelte sich in Kremsier, wo er im Winter 1848/49 die Verfassungsberatungen weiterführte und nahezu abschloss. Er arbeitete einen Verfassungsentwurf aus, nach dem an die Stelle der Kronländer so genannte Bundesländer der einzelnen Völker der Monarchie getreten wären. Die gemeinsamen Angelegenheiten sollten von einem Reichstag erledigt werden, der aus einer direkt gewählten Volkskammer und einer von den Landtagen beschickten Länderkammer zusammengesetzt sein sollte. Dieser Entwurf, in dem der Kaiser nur ein aufschiebendes Vetorecht besaß, war ein Versuch, die Habsburgermonarchie zu einer Art "Völkerbund" umzugestalten. Damals lagen die Vorstellungen von dem deutschen Sprecher Ludwig von Löhner und von František Palacký nicht so eit ausinander, dass die Kronländer aufgehoben und durch Sprachgebiete ersetzt werden sollten. In den Entwurf des Reichstags wurde aber letztendlich nur nur eine Selbstverwaltung für die Kreise aufgenommen, nicht für größere Verwaltungsinheiten. Die Kronländer wurden nicht abgeschafft. Selbst dieser Entwurf wurde von Kaiser Franz Josef 1848 abgelehnt und damit der nationale Ausgleich verpasst. Am 7. 3. 1849 wurde der Reichstag aufgelöst und von Kaiser Franz Joseph I., der nach dem Rücktritt seines Onkels Ferdinand I. am 2. 12. den Thron bestiegen hatte, eine neue, zentralistische, auf dem Boden des monarchischen Prinzips stehende Verfassung oktroyiert. Der Auflösung des Reichstags folgten keinerlei revolutionäre Aktionen. Zu einer solchen kam es lediglich im Mai 1849 in Prag, sie blieb jedoch isoliert und wurde rasch niedergeschlagen. Mit der Kapitulation in Ungarn und Venedig im August und September 1849 endete dieRevolution in Österreich endgültig. Die bürgerlich-liberalen Kreise und die Bauern distanzierten sich bald von der revolutionären Masse in Wien. Dennoch machte die Revolution den Weg zu einer Verfassungsänderung frei, und nach einer Periode des Neoabsolutismus erhielt in den 60er Jahren die Habsburgermonarchie eine konstitutionelle Verfassung. Das wichtigste unmittelbare Ergebnis der Revolution war die Bauernbefreiung und damit die Schaffung einer einheitlichen, die gesamte Bevölkerung umfassende Staatsbürgergesellschaft, weiters die Auflösung der feudalen Struktur, die mit einer Modernisierung des Verwaltungswesens mit Gemeinden, Bezirksverwaltungen und einemstaatlichen Gerichtswesen verbunden war. ------------------------------- [1] Josef Wenzel Radetzky von Radetz 2. November 1766 in Třebnice, Böhmen; † 5. Januar 1858 in Mailand 1821 kam er als General der Kavallerie und Festungskommandant nach Olmütz. Von 1831 bis 1857 war er Generalkommandant der österreichischen Armee im lombardo-venezianischen Königreich (seit 1836 im Range eines Feldmarschalls). Radetzky wurde vor allem durch seine Siege 1848/1849 gegen Sardinien und die von Sardinien unterstützten nationalitalienischen Aufständischen berühmt, die am 18. März 1848 losbrachen (Schlachten: Schlacht bei Santa Lucia bei Verona am 6. Mai 1848, Schlacht von Vicenza am 10. Juni 1848, Schlacht bei Custoza am 25. Juli 1848, Schlacht bei Mortara am 21. März 1849 und Schlacht bei Novara am 23. März 1849). Grillparzer verfasste ihm zu Ehren das Gedicht "In deinem Lager ist Österreich", und Johann Strauß der Ältere komponierte den "Radetzkymarsch".Sein Denkmal (C. von Zumbusch, 1891) steht in Wien vor dem Regierungsgebäude am Stubenring.