Vortrag 1896 auf und formuliert mit seinem berühmt gewor- denen Satz, es führe von der Poesie kein direkter Weg ins Leben, aus dem Leben keiner in die Poesie, zugleich sein eigenes Problem und das der Wiener Moderne insgesamt. Es hat sich - mannigfach chiffriert - in den dichterischen Pro- dukten der Wiener niedergeschlagen: in Leopold Andrians Garten der Erkenntnis genauso wie in Richard Beer-Hof- manns Tod Georgs oder Hofmannsthals Märchen der 672. Nacht: [. . .] heute scheinen zwei Dinge modern zu sein: die Analyse des Lebens und die Flucht aus dem Leben, heißt es 1893.8 Ebd. 224 HERMANN BAHR Die Decadence Es ist heute viel von der Decadence die Rede. Zuerst war das ein Spott des lästerzüngigen, hämischen Boulevards, bald s^aben sich die jungen Träumer selber diesen Namen. Heute heißen die Neuen in Frankreich schon allgemein so, die s;anze generation montante, und auch in Deutschland wächst iler Brauch des Wortes. Zwar denkt sich selten einer etwas dabei, aber es ist wenigstens wieder eine Rubrik. Was man nicht versteht, was man sich nicht zu deuten weiß, was unfertig und lange noch nicht ausgemacht ist, alle die Leute von morgen und alle die Werke von morgen werden einfach Ja hinein getan. Freilich, es ist nicht leicht, den Begriff der Decadence zu formulieren. Es ist leicht, das Wesen des Naturalismus auszudrücken: denn der Naturalismus ist eine einfache Idee. Er will den Menschen aus seiner Welt erklären, als ein Ergebnis der Verhältnisse, welche ihn umgeben und seine Art bestimmen. Das wird an allen Naturalisten gefunden. Die Decadents haben keine solche Idee. Sie sind keine Schule, sie folgen keinem gemeinsamen Gesetz. Man kann nicht einmal sagen, daß sie eine Gruppe sind; sie schließen sich nicht zusammen und vertragen sich nicht, |eder hat seine eigene Weise, von -welcher der andere nichts wissen will. Sie sind nur eine Generation. Das Neue an dieser neuen Generation macht die Decadence aus. Es erscheint an jedem in einer besonderen Form, aber von der alten wird es immer gleich seltsam und unheimlich empfunden. Ich will die Merkmale suchen, welche besonders auffallen. Eines haben sie alle gemein: den starken Trieb aus dem flachen und rohen Naturalismus weg nach der Tiefe verfei- nerter Ideale. Sie suchen die Kunst nicht draußen. Sie wollen keine Abschrift der äußeren Natur. Sie wollen modeler notre univers inteneur. Dann sind sie wie neue Romantiker und auch in dem höhnischen Hochmut gegen den gemeinen 225 Geschmack der lauten Menge, in der ehrlichen Verachtung des Geschäftes, in dem zähen Trotze gegen alles ce qui est demande, auch in dieser geraden Ritterlichkeit der reinen Künstlerschaft sind sie Romantiker. Sie haben von der Romantik das ungemessene zügellose Streben in die Wol- ken: n'est ce pas dans le cbimerique et dans l'impossible que reside toute la realite noble de notre bumanite? La satisfac- tion par le fini est l'incontestable signe de l'impuissance* Und sie haben auch den nebeligen Dämmerschein, das vague et obscur, die Rembrandtstimmung der Romantik. Aber sie sind eine Romantik der Nerven. Das ist das Neue an ihnen. Das ist ihr erstes Merkmal. Nicht Gefühle, nur Stimmungen suchen sie auf. Sie verschmähen nicht bloß die äußere Welt, sondern am inneren Menschen selbst ver- schmähen sie allen Rest, der nicht Stimmung ist. Das Den- ken, das Fühlen und das Wollen achten sie gering und nur den Vorrat, welchen sie jeweilig auf ihren Nerven finden, wollen sie ausdrücken und mitteilen. Das ist ihre Neuerung. Sie befremdet die Alten, welche nicht bloß mit den Nerven leben; sie können es nicht begreifen, daß das Nervöse nun auf einmal alle andere Kraft und alle andere Freude aus dem Menschen verdrängt haben soll. Sie können es um so weni- ger begreifen, weil die Nerven, welche die Jungen ausdrük- ken, ganz andere sind, als die Nerven, welche die Alten besitzen. Diese neuen Nerven sind feinfühlig, weithörig und vielfältig und teilen sich untereinander alle Schwingungen mit. Die Töne werden gesehen, Farben singen und Stimmen riechen. Die Alten behaupten, daß das keine Errungen- schaft, sondern bloß eine Krankheit sei, welche die Ärzte l'audition coloree nennen -- das farbige Gehör, sagen die Ärzte, ist eine Erscheinung, die darin besteht, daß auf den Reiz eines einzigen Sinnes hin zwei verschiedene Sinne * Charles Morice, La litterature de tout ä l'heure. Paris, chez Perrin et Cie. Morice: Der Kritiker Charles M. (1860-1919), mit Mallarme und Gauguin befreundeter Vorkämpfer des Symbolismus, gab in La Litterature de tout a,, l'heure (1889) em Panorama des Fm de siecle. 226 zugleich tätig werden oder mit anderen Worten, daß der Ton einer Stimme oder eines Instrumentes sich in eine charakteristische und zwar immer in dieselbe Farbe umsetzt. So geben gewisse Personen eine grüne, rote oder gelbe Farbe iedem Laute, jedem Tone, der an ihr Ohr schlägt.'' Genau ebenso, vollkommen nach der Schilderung der Ärzte, sagt Rene Ghil**, daß jeder Vokal seine Farbe hat, daß das a schwarz, das e weiß, das z rot, das u grün, das o blau ist; daß die Harfen weiß, die Geigen blau, die Flöten gelb und die Orgeln schwarz klingen; daß das o Leidenschaft, das a Größe, das e Schmerz, das i Feinheit und Schärfe, das u Rätsel und Geheimnis und das r Wildheit und Sturm mit- teilt. Das ist die Poetik der Decadence. Es wird gesagt, daß sie pathologisch sei, eine neue Mode des Wahnsinns. Aber so durchaus neu und ohne Vermittlung, wie man gerne tut, ist sie nicht. Baudelaire singt: O metamorphose mystique De tous mes sens fondus en un! Son haieine fait la musique, Comme sa voix fait le parfum. [. . .] Das ist das erste Merkmal der Decadence. Sie sucht wieder den inneren Menschen, wie damals die Romantik. A.ber es ist nicht der Geist, nicht das Gefühl, es sind die Nerven, welche sie ausdrücken will. Und sie entdeckt ner- vöse Künste, welche die Väter nicht kannten, liin anderes Merkmal ist der Hang nach dem Künstlichen. In der Entfernung vom Natürlichen sehen sie die eigentliche Würde des Menschen und um jeden Preis wollen sie die /. BaratoHx, Le Progres medical, 10. Dec. 1887. v Rene Ghil, Tratte du verhe avec avant-dire de Stephane Mallarme. liaratoux: Jean-Mane-Joseph B. (1855-nach 1943), französischer Arzt. Ghil: Rene G. (d.i. Rene Guilbert, 1862-1925), (anfangs) symbolistischer 1 lichter, mit Mallarme befreundet; sein Le Traue du verhe erschien 1886. Baudelaire: s. Anm. S. 181. 227 Natur vermeiden. Der Roger de Salins des Maupassant trifft ihre Meinung: Ich behaupte, daß die Natur unsere Feindin ist und daß wir immer gegen die Natur kämpfen müssen: denn sie bringt uns unaufhörlich zum Tiere zurück. Wo immer auf der Erde irgend etwas Reines, Schönes, Vorneh- mes und Ideales ist, das hat nicht Gott, das hat der Mensch geschaffen, das menschliche Gehirn. Und ebenso der des Esseintes des Huysmans: Es kommt vor allem auf das Vermögen an, den Geist auf einen einzigen Punkt zu sam- meln, sich selber zu halluzinieren und den Traum an die Stelle der Wirklichkeit zu setzen. Das Künstliche erschien dem des Esseintes als das eigentliche auszeichnende Merkmal des menschlichen Genies. Wie er zu sagen pflegte: die Zeit der Natur ist vorbei; die ekelhafte Einförmigkeit ihrer Land- schaften und ihrer Himmel hat die aufmerksame Geduld der Raffinierten endlich erschöpft. Dieser des Esseintes ist überhaupt das reichste und deutlichste Beispiel der Deca- dence. Angewidert von der platten, gemeinen und mißge- bornen Welt, jeder Hoffnung entschlagen und krank an der Seele und im Leibe, flieht er in ein durchaus künstliches Leben: ä une tbebaide raffinee, ä un desert comfortable, ä une arche immobile et tiede oü il se refugerait loin de l'incessant deluge de la sottise bumaine. In einem Turm aus Elfenbein vor den Menschen versperrt, schläft er den Tag und wacht er die Nacht. Sein Arbeitszimmer ist in Orange und Indigo. Der Speisesaal gleicht der Kabine eines Schiffes und hinter den Scheiben der Luftporten ist ein kleines Aquarium mit mechanischen Fischen. Das Schlafzimmer stellt aus köstlichen und seltenen Stoffen die kahle Öde einer mönchischen Zelle dar. Hier horcht er einsam nach innen und lauscht allen Launen seiner Träume. Manchmal öffnet er einen Schrank mit Schnäpsen, son orgue ä bauche wie er ihn heißt; er kostet hier und dort einen Tropfen und spielt Roger de Salins: Hauptfigur in Maupassants (s. Anm. S. 210) Novelle L'Inutile beaute (1890). des Esseintes: Jean Floressas des E. ist die Hauptgestalt in Huysmans' (s. Anm., S. 336) Roman ^4 rebours. 228 sich aus ihren Reizen innere Symphonien vor. Jeder Schnaps hat für seinen Geschmack den Ton eines Instrumentes: der Curac.ao klingt wie die Klarinette, der Kümmel wie die Hoboe, Anisette wie die Flöte, Kirsch wie die Trompete. Dann sinnt er vor seinen Bildern: vor der Salome des Gustav Moreau, vor den Stichen des Luyken, welche schmerzver- grimmte Heilige auf der Folter zeigen, vor den Zeichnungen des Odilon Redon. Oder er liest in den alten Römern; aber er mag nur jene, welche die Humanisten die schlechten Schriftsteller heißen: Petronius, Marius Victor, Orientius; er schwelgt in ihrer deliquescence, leur faisandage incomplet et alenti, leur style biet et verdi. Von Rabelais und Moliere, von Voltaire und Rousseau, selbst von Balzac will er nichts wissen. Von Flaubert läßt er die Tentation gelten, von Goncourt die Faustin, von Zola die Faute de l'abbe Mouret. Moreau: Gustave M. (1826-98), Maler; Hauptvertreter des französischen Symbolismus, malte Bilder biblischen und mythologischen Inhaltes. Hier ist wohl das heute in der Musee Gustave Moreau in Paris hängende Bild Das Haupt Johanms des Täufers erscheint der Salome gemeint. Luyken: Jan L. (1649-1712), holländischer Kupferstecher, von dem fast 300 Kupferstiche bekannt sind, die er häufig für seine eigenen Bücher mystischen Inhalts schuf. Redon: Odilon R. (1840-1916), französischer Maler und Graphiker; Haupt- vertreter des Symbolismus, Gestalter von phantastischen Vorstellungen und Visionen; bevorzugte das Pastell; Schöpfer von lithographischen Folgen, so zu Baudelaires Fleurs du mal. Petronius: Gaius P. Arbiter (gest. 66 n. Chr.), berühmt durch sein Satyricon. Marius Victor: Gemeint ist wohl Gaius M. Victorinus, ein grammatischer, rhetorisch-philosophischer und später auch theologischer Schriftsteller des 4.Jh.s n.Chr. Orientius: christlich-lateinischer Dichter des frühen 5.Jh.s; Verfasser eines christlichen Lehrgedichtes in Distichen: Commonltorium. Rabelais: Francois R. (1494-1553), einer der bedeutendsten Schriftsteller der französischen Frührenaissance; Verfasser u. a. des zeitkritischen Romans Vie mestimable du Grand Gargantua, pere de Pantagruel (1534-62). Tentation: Gustave Flauberts La Tentation de Saint-Antoine erschien - 1849 verfaßt- 1856 und 1857 in Teildrucken; die Erstauflage des Buches erst 1874. Faustin: La Faustin, Roman (1881) von Edmond de Goncourt (s. Anm. S. 194); Vorbild für die Hauptperson, Juliette Faustin, war die berühmte französische Tragödin Rachel (1821-58). Zola: Emile Z. (1840-1902), als Erzähler und Theoretiker Haupt der französi- 229 Edgar Poe, Baudelaire, Barbey d'Aurevilly, Villiers de l'Isle Adam, Verlaine, Mallarme sind seine Leute. Er liebt Schu- mann und Schubert. Er treibt fleißig Theologie. Einige Zeit will er nur künstliche Blumen; dann entdeckt er natürliche, welche wie künstliche scheinen. Wie der Chassel des Mau- passant, dieser fou konteusement idealiste, liebt er mit Lei- denschaft und Brunst die perversen Blüten der Orchideen. Man muß zu diesem des Esseintes noch den freien Mann des Barres nehmen, der jetzt Philipp getauft worden ist.'1 " Dann hat man die Quintessenz der Decadence. II faut sentir le plus possible en analysant le plus possible.Je veux accueillir tous les frissons de l'univers; je m'amuserai de tous mes nerfs. Nous anoblissons si bien chacun de nos besoins que le but devient secondaire; c'est dans notre appetit meme que nous nous complaisons; et il devient une ardeur sans objet, car rien ne saurait le satisfaire. La dignite des hommes de notre race est attachee excluswement ä certains frissons, que le monde ne connait ni ne peut voir, et qu'il nous faut * Le jardin de Berenice. Chez Perrin et Cie. sehen naturalistischen Schule; wendet unter dem Einfluß Hippolyte Taines (1828-93) und Claude Bernards (1813-79) die Naturwissenschaften, vor allem Vererbungslehre und Milieutheorie, auf die Ästhetik des Romans an; sein Roman La Faute de l'abbe Mouret erschien 1875. Poe: s. Anm. S.271. Barbey d'Aurevilly: Jules-Amedee B. d'A. (1808-89), französischer Schriftstel- ler, insbesondere Romancier und Novellist, Journalist und Kritiker; exzentri- scher Dandy; seine Erzählungen stehen zwischen Romantik und Realismus, so Les Dmboliques (1874). Villiers de l'Isle Adam: Jean-Marie Mathias Philippe-Auguste, Comte de V. de PL A. (1838-89), französischer Schriftsteller, insbesondere Novellist; wie Barbey d'Aurevilly überzeugter Katholik, von großem Einfluß auf die symbo- listischen Dichter seiner Zeit. Verlaine: s. Anm. S. 328. Mallarme: Stephane M. (1842-98), französischer Dichter; bedeutender Vertre- ter des Symbolismus, von großem Einfluß u. a. auf Stefan George. Chassel: George. Guy deCh. ist die Hauptfigur in Maupassants (s. Anm. S. 210) Novelle Un Cas de divorce aus der Sammlung L'Inutile beaute (1890). den freien Mann: Un Homme libre (1889), 2. Band von Barres' (s. Anm. S. 322) Trilogie Le Culte du moi. multiplier en nous. J'ai trempe dans l'humanite vulgaire; j'en ai souffert. Fuyons, rentrons dans l'artificiel. Also erstens die Hingabe an das Nervöse. Zweitens die Liebe des Künstlichen, in welchem alle Spur der Natur vertilgt ist. Dazu kommt drittens eine fieberische Sucht nach dem Mystischen. Exprimer l'inexprimable, saisir l'insaisissa- ble - das ist immer und überall ihre Losung. Sie suchen Allegorien und schwüle, dunkle Bilder. Jedes soll einen geheimen zweiten Sinn haben, der sich nur dem Eingeweih- ten ergibt. Die Zaubereien des Mittelalters, die Rätsel der Halluzinierten, die wunderlichen alten Lehren aus der ersten Heimat der Menschheit reizen sie unablässig. Sie folgen einer voix profonde qui conseille au poete, en ce temps, de se ressouvenir des plus anciennes lecons, d'ecouter l'enseigne- ment immemorial des mages primitifs, de se pencher au bord des metaphysiques et des religions antiques.* Josephin Peladan, der sich selbst einen Magier nennt, den souveränen Herrscher über alle Körper, alle Seelen, alle Geister, hat einen okkultistischen Roman geschrieben. Der junge Adar und das herrliche Kind Izel lieben sich. Einsam leben sie in Nürnberg dem Traume. Da, eine Nacht, im Mondenschein, sieht der Doktor Sexthenthal, wie Izel sich schlafen legt, an der Wand den Schatten ihres Beines. Der Meister Sexthen- thal ist ein mächtiger Magier, der seinen Leib verlassen und in astralischem Zustande durch jede Mauer dringen kann. Izel kann sich des unsichtbaren Liebhabers nicht wehren. Wie Adar in den magischen Lehren die Mittel findet, den Astralier zu zwingen, das ist der Vorwurf des Romans. ** Endlich ist an ihnen immer ein unersättlicher Zug ins Unge- heure und Schrankenlose. Sie wollen immer gleich den ''' Charles Morice. ** La victoire du mari, avec commemoration de Jules Barbey d'Aurevilly. (Epopee VI de la decadence latine.) Peladan: Josephin P. (d. i. Joseph P., nannte sich Sär, 1859-1918); Okkul- tist, Großmeister des Ordens der Rosenkreuzer; Verfasser u. a. der Roman- folge La Decadence latine, ethopee (1884-1922); Gegner des Egalitätsprinzips und der Vermischung der Rassen. 230 231 ganzen Menschen ausdrücken: suggerer tont 1'homme par tout l'art* Sie wollen une realisation parfaite de nos reves de bonheur." Sie wollen unir la verite et la beaute, la foi et la joie, la science et l'art.'' Sie sind nicht umsonst Wagneria- ner. Alles Gewöhnliche, Häufige, Alltägliche ist ihnen ver- haßt. Sie suchen die seltsame Ausnahme mit Fleiß. Dans l'exception seule, en effet, pourront les nouveaux poetes realiser les grands reves d'aristocratie savante et de purete belle."" Das sind die auffälligsten Merkmale der Decadence. HERMANN BAHR Colour Music Man konnte in den Zeitungen neulich Notizen über die Colour Music lesen, eine Erfindung des Engländers Wallace Remington, Töne durch Farben darzustellen, also Musik zu malen. Sie sei, hieß es, gar nicht so neu, wie Laien verwun- dert meinen möchten. Schon 1740 habe ein Jesuit, Luigi Betramo Castel, ein Clavicembalo oculare gebaut, welches Töne optisch zeigen konnte, so daß Musik von Tauben gesehen wurde. Übrigens hätten manche so feine und innig verbundene Nerven, daß sie gar nicht erst derlei Instrumente * Charles Morice. ** Le jardin de Berenice. Chez Penin et Cie. Remington: Alexander Wallace Rimington (1854-1918) war der Erfinder einer Colour Organ, die zum ersten Male 1895 in London gezeigt wurde. Er entwickelte auch eine Farben-Tonleiter, die am 20. März 1915 in dem Werk Promethee (1911) des russischen Komponisten Alexander Skrjabin (1872-1915) verwendet wurde. Der Versuch fand in New York (Carnegie Hall) statt, mißlang aber. Luigi Betramo Castel: Louis Bertrand C. (1688-1757), französischer Jesuit, Akustiker, der das Instrument clavecin oculaire baute, das Farbenharmonien für das Auge produzierte (1740). 232 brauchten, sondern nichts hören könnten, ohne von selber |eden Ton immer gleich als Farbe zu schauen. Die Ärzte Nußbaumer und Parville, selber im Besitze dieser Gabe, haben sie beobachtet und geschildert; dieser wußte beson- ders einen Schweizer Studenten zu rühmen, der sie in unge- meiner Schärfe hatte: Hohe Töne brachten ihm die Empfin- dung heller Farben, tiefe Töne das Gefühl dunkler Farben, doch wechselte die Farbe mit dem Instrumente; die Töne des Klaviers sah er blau, die der Flöte rot, schlug man mit einer Gabel an ein Glas, so schien ihm dieses sich zu färben. Im Anhange vergaßen die Zeitungen nicht zu bemerken, daß Liszt als Dirigent gern sagte: Diese Stelle, meine Herren, ist mehr bläulich zu spielen, jene mehr rot. Diese Nachrichten wären leicht zu vermehren. 1887 hat J. Baratoux im Progres medical über die audition coloree, wie er es nennt, geschrieben, darstellend, wie da auf den Reiz eines einzigen Sinnes hin zwei verschiedene Sinne zugleich tätig werden, indem der Ton einer Stimme oder eines Instru- mentes sich in eine charakteristische und zwar immer in dieselbe Farbe umsetzt. Der Aufsatz machte Aufsehen, weil ein Mediziner da bestätigte, was man den Poeten nicht glauben wollte. [.. .] Ich habe diese Dinge schon früher einmal notiert; man kann sie im dritten Bande meiner Kritik der Moderne nachle- sen. Sie interessierten mich, weil ich nicht verstand, daß man sie den Leuten erst beweisen mußte. Mir waren sie selbstver- ständlich. Schon der Knabe wurde gescholten, wenn er, Skalen zu üben gezwungen, behauptete, sehr bunte Streifen vor sich flimmern zu sehen; aber es geht mir noch heute so. Man lachte den Jüngling aus, der erzählte, Czernowitz sei eine unangenehme, gelb riechende Stadt; ich kann aber auch Nußbaumer: möglicherweise der Wiener Chirurg Johann Nepomuk von Nuß- baum (1829-90). Parville: Henri de P. (1838-1909), französischer Arzt, der u, a. über Elektrizi- tät schrieb. Baratoux: s. Anm. S. 227. Kritik der Moderne: Studien zur Kritik der Moderne (1894). 233 überschäumend, was jedoch Dörmann bietet: ist greisenhaft empfunden und greisenhaft wiedergegeben, teils wirklich krank, teils affektiert und mit dem Siechtum kokettierend. HERMANN BAHR Symbolisten51 " Die Kunst will jetzt aus dem Naturalismus fort und sucht Neues. Niemand weiß noch, was es werden möchte; der Drang ist ungestalt und wirr; er tastet ohne Rat nach vielen Dingen und findet sich nirgends. Nur fort, um jeden Preis fort aus der deutlichen Wirklichkeit, ins Dunkle, Fremde und Versteckte - das ist heute die eingestandene Losung für zahlreiche Künstler. Man hat manchen Namen. Die einen nennen es Decadence, als ob es die letzte Flucht der Wünsche aus einer sterbenden Kultur und das Gefühl des Todes wäre. Die anderen nennen es Symbolismus. Das hat in vielen eine schlimme Verwir- rung angerichtet. Sie reden, ohne die Sache zu kennen, aus dem bloßen Worte heraus, das ihnen einen schwanken und falschen Begriff gibt. Es ist an der Zeit, deutlich und wirksam zu erklären, daß der neue Symbolismus von heute und der überlieferte Symbolis- mus von einst nichts miteinander zu schaffen haben. Sie brauchen beide Symbole; das ist ihnen gemein. Aber gerade in der Verwendung der Symbole, woher sie sie nehmen und * Anm. der Redaktion. Dieser Aufsatz wird unseren Lesern einen Einblick in jene Absichten gewähren, welche die Künstiergruppe der Symbolisten verfolgt. Herr Hermann Bahr, der selbst dieser Bewegung sehr nahe steht, ist besonders kompetent, Aufschluß zu geben. Ausschließlich um die Ziele der Symbolisten klarzustellen, veröffentlichen wir diese Darlegungen, nicht aber weil wir glaubten, daß der Symbolismus selbst als eine verheißungsvolle und innerlich gesunde Phase der Kunstentwicklung zu betrachten sei. Er ist eine künstleri- sche Erscheinung, die von symptomatischer Bedeutung ist, und darum beach- tet werden will; eine erfreuliche Erscheinung ist er nicht. 248 wohin sie mit ihnen trachten, trennen und entfremden sie sich gleich wieder. Das muß gezeigt werden. Sonst geht der ganze Streit wieder bloß um ein Wort, das jeder anders deutet und meint, und ist nicht zu versöhnen. Es wäre ja nicht das erste Mal. Der überlieferte Symbolismus des zweiten Faust, des zwei- ten Wilhelm Meister, der Novelle, des Märchens oder Byrons, Richard Wagners und Victor Hugos, suchte den Ausdruck unsinnlicher Dinge durch sinnliche Zeichen. Das hinter den Erscheinungen Unzugängliche, der den Sinnen entrückte Kern und Ausbund aller Wesen, der nur in unse- rem Gefühle lebt, die ewige Wahrheit im letzten Grunde der zufälligen Wirklichkeit ist sein Gegenstand. Das will er, wie er es aus heimlichen Ahnungen zuversichtlich erlauscht, gestalten und formen, aus sich und in andere bringen, ausdrücken und mitteilen; er will den inneren Sinn des Lebens sagen, von dem die äußeren Sinne nichts wissen. Aber er muß es, weil alles Denken, alles Reden an die Hilfe der Sinne und ihren Vorrat gebunden und außer den Sinnen kein Verkehr mit Menschen ist, in sinnlichen Zeichen sagen, die freilich an das Unsägliche nicht langen und nur schwank und zage dahin winken. Er muß aus dem Sinnlichen die Gleichnisse des Unsinnlichen nehmen. Der neue Symbolismus braucht die Symbole ganz anders. Er will auch ins Unsinnhche, aber er "will es durch ein anderes Mittel. Er schickt nicht dürftige Boten aus, von seinen unsinnlichen Freuden zu stammeln, bis ihre Ahnungen erwachen. Sondern er will die Nerven in jene Stimmungen zwingen, wo sie von selber nach dem Unsinnlichen greifen, und will das durch sinnliche Mittel. Und er verwendet die Symbole als Stellvertreter und Zeichen nicht des Unsinnli- chen, sondern von anderen ebenso sinnlichen Dingen. Byrons: George Gordon Noel, Baron Byron (1788-1824), Dichter der engli- schen Romantik; von großem Einfluß auf die Literatur des 19. Jh.s. Hugos: Victor Hugo (1802-85), Wortführer der französischen romantischen Schule; Erneuerer der französischen Literatur; sein Werk umfaßt alle literari- schen Gattungen. Das Symbol gilt dem neuen Symbolismus sehr viel, aber es gilt ihm nur als eine Bereicherung des Handwerks. Er hat aus den Symbolen eine neue Technik gewonnen, ein vorher unbekanntes, lyrisches Verfahren, eine besondere Methode der Lyrik. Es gab vor ihm das rhetorische und das realisti- sche Verfahren; er hat ein Neues geschaffen. Die Absicht aller Lyrik ist immer die gleiche: Ein Gefühl, eine Stimmung, ein Zustand des Gemütes soll ausgedrückt und mitgeteilt, soll suggeriert werden. Was kann der Künst- ler tun? Das nächste ist wohl, es zu verkünden, sein inneres Schicksal zu erzählen, zu beschreiben, was und wie er es empfindet, in recht nahen und ansteckenden Worten. Das ist die rhetorische Technik. Oder der Künstler kann die Ursa- che, das äußere Ereignis seiner Stimmung, seines Gefühls, seines Zustandes suchen, um, indem er sie mitteilt, auch ihre Folge, seinen Zustand mitzuteilen. Das ist die realistische Technik. Und endlich, was früher noch keiner versucht hat: der Künstler kann eine ganz andere Ursache, ein anderes äußeres Ereignis finden, welche seinem Zustande ganz fremd sind, aber welche das nämliche Gefühl, die nämliche Stimmung erwecken und den nämlichen Erfolg im Gemüte bewirken würden. Das ist die Technik der Symbolisten. Ein Beispiel wird es gleich noch deutlicher erklären. Einem Vater stirbt sein Kind. Dieser wilde Schmerz, die ratlose Verzweiflung sei das Thema. Der rhetorische Dichter wird jammern und klagen und stöhnen: Ach, wie elend und verlassen und ohne Trost ich bin! Nichts kann meinem Leide gleichen. Die Welt ist dunkel und verhüllt für mich - kurz, einen genauen und deutlichen Bericht seiner inneren Tatsa- chen. Der realistische Dichter wird einfach erzählen: Es war ein kalter Morgen, mit Frost und Nebel. Den Pfarrer fror. Wir gingen hinter dem kleinen Sarg, die schluchzende Mutter und ich -- kurz einen genauen und deutlichen Be- richt aller äußeren Tatsachen. Aber der symbolische Dich- ter wird von einer kleinen Tanne erzählen, wie sie gerade und stolz im Walde wuchs, die großen Bäume freuten sich, weil niemals eine den jungen Gipfel verwegener nach dem 25ü Himmel gestreckt: Da kam ein hagerer, wilder Mann und hatte ein kaltes Beil und schnitt die kleine Tanne fort, weil es Weihnachten war - er wird ganz andere und entfernte Tatsachen berichten, aber welche fähig sind, das gleiche Gefühl, die nämliche Stimmung, den gleichen Zustand, wie in dem Vater der Tod des Kindes, zu wecken. Das ist der Unterschied, das ist das Neue. Die alte Technik nimmt das Gefühl selbst oder seinen äußeren Grund und Gegenstand zu ihrem Vorwurfe - die Technik der Symbolisten nimmt einen anderen und entlegenen Gegenstand, aber der von dem nämlichen Gefühle begleitet sein müßte. Das ist das ganze Geheimnis, das den Symbolismus freilich der Menge verschlossen und zu einer unverständlichen und wirren lit- terature ä rebus macht. Man muß nämlich empfängliche und empfindliche Nerven haben, die leisen Winken gleich gehorchen; sonst kann diese Kunst nicht wirken. Und noch mehr, was seltener und schwieriger ist: Man muß die Gewohnheit der eigenen Ana- lyse haben, welche jeden Vorgang im Verstande auf den Nerven zu verfolgen, wie er dort begleitet wird, und umge- kehrt jedes nervöse Ereignis in den Verstand zu übertragen geübt ist. Andere können sonst aus diesen Symbolen die natürlichen Begebenheiten nicht verstehen. Das ist vielleicht eine Gefahr für den Symbolismus und kann ihm schaden. Die Gegner werden ihn darum eine Spielerei für hysterische Sonderlinge nennen und in die Irrenhäuser verweisen. Nur was auf die breite Masse des Volkes wirkt, lassen sie gelten. Und sie werden es sicherlich auch ein erkünsteltes und gemachtes Verfahren nennen, einen schola- stischen Witz der dumpfen Schule, den das helle Leben verachtet. Aber da irren sie: die Natur selber, wo sie unum- wunden zu den Menschen redet, braucht gern die symboli- stische Technik. Die Natur verfährt symbolistisch, ganz pünktlich und genau nach dem Rezept der neuen Schule, gerade wo sie sich frei und ungebunden eingestehen darf: Im Traume. Jemand, dem man einige Tropfen Wasser auf den Mund 251 träufelte, träumte so lebhaft zu schwimmen, daß er sogar mit den Händen die üblichen Bewegungen machte. . . Man berichtet von einem Träumer, der einst seinen Hemdkragen etwas zu fest geknüpft hatte und einen ängstlichen Traum erfuhr, worin er gehängt wurde. Ein anderer träumte von einer Reise in der amerikanischen Wildnis und einem Über- fall der Indianer, die ihn skalpierten; er hatte seine Nacht- haube zu fest zusammengezogen. Wieder ein anderer träumte, er sei von Räubern überfallen, welche ihn der Länge nach niederlegten und zwischen seiner großen und der nächsten Zehe einen Pfahl in die Erde trieben; beim Erwachen fand er einen Strohhalm zwischen den Zehen. . . Einer nahm eine Wärmflasche ins Bett und träumte, den Ätna zu besteigen, wo er die Hitze des Bodens fast unerträg- lich fand.* So spricht der Traum und noch viel mehr der Rausch von Morphium, Chloral und Haschisch immer in Symbolen, und das scheint geradezu, wie der Mensch über das tägliche Gemeine hinausgetrieben und erhöht wird, seine natürliche Wahrheit. Aber es gibt auch triftige Einwände gegen den Symbolismus, die nicht so leicht abzufertigen sind. Er scheint manches Mal die Form über das Wesen, die Technik über die Kunst zu stellen. Die Mache, die sich doch schließlich jeder anlernen kann, überschätzt er vielleicht. Es ist die Gefahr, daß er den Virtuosen verfällt. Das würde dann bloß ein ausgedachtes, kaltes Nervenzupfen um die Wette werden, das schwächt und lähmt. Und so mächtig und tief seine Weise wirkt, wo sie sich ungesucht dem Künstler bietet, so müßte sie bald ermüden und verdrießen, wenn sie geflissentlich mit Zwang geübt wird. Das wird wohl sein Schicksal entscheiden. Es wird wieder die alte Geschichte sein! Die Großen, in wel- chen seine Methode ein unwiderstehlicher Drang der Natur :; " Du Prel, Philosophie der Mystik, Seite 83, Leipzig, Ernst Günther. Cbloral: Ausgangsstoff für das älteste künstlich hergestellte Schlafmittel Chlo- ralhydrat. 252 ist, werden siegen; aber die Kleinen, die bloß wieder mit der Mode laufen, richten mit aller Mühe und aller Qual nichts aus. Ich möchte an diese Bemerkungen, welche das Wesentliche der Symbolisten zeigen, zwei Gedichte fügen, gleichsam als handliche Schulbeispiele, an welchen jeder das Gesagte noch einmal prüfen, mit sich überlegen und entscheiden kann. Sie sind von Lons. Besonders das zweite scheint mir vortreff- lich. Es enthält, rein und deutlich, den ganzen Symbolismus und es enthält nichts, das nicht Symbolismus wäre. Die Töchter der Gärtnerin. Die eine füllt die großen Delfter Krüge, Auf denen blaue Drachen sind und Vögel, Mit einer lockern Garbe lichter Blüten: Da ist Jasmin, da quellen reife Rosen Und Dahlien und Nelken und Narzissen .. Darüber tanzen hohe Margeriten Und Fliederdolden wiegen sich und Schneeball Und Halme nicken, Silberflaum und Rispen .. Und duftend Bacchanal. . . Die andre bricht mit blassen feinen Fingern Langstielige und starre Orchideen, Zwei oder drei, für eine enge Vase. . Aufragend, mit den Farben die verklingen, Mit langen Griffeln, seltsam und gewunden, Mit Purpurfäden und mit grellen Tupfen Mit violetten, braunen Pantherflecken Und lauernden verführerischen Kelchen, Die töten wollen . . Loris: s. Anm. S. 242. 253 Mein Garten. Schön ist mein Garten mit den gold'nen Bäumen, Den Blättern, die mit Silbersäuseln zittern, Dem Diamantentau, den Wappengittern, Dem Klang des Gong, bei dem die Löwen träumen, Die ehernen, und den Topasmäandern Und der Voliere, wo die Reiher blinken, Die niemals aus den Silberbrunnen trinken. . . So schön, ich sehn' mich kaum nach jenem anderen, Dem andern Garten, wo ich früher war. Ich weiß nicht wo. . . Ich rieche nur den Tau, Den Tau, der früh an meinen Haaren hing, Den Duft der Erde weiß ich, feucht und lau, Wenn ich die weichen Beeren suchen ging.. . In jenem Garten, wo ich früher war. . . HANS SITTENBERGER Renaissance Auffallend, aber sehr erklärlich ist die Vorliebe der Wiener Modernen für die Renaissance. Renaissancestoffe und Renaissanceformen werden von ihnen besonders im Drama gerne verwendet. Selbst unfertig in ihrem Wollen und Kön- nen, mögen sie wohl beflissen zu einer unfertigen, aber bequemen Form greifen. Zweifellos aber reizt sie auch der geistige Inhalt, die eigentümliche Lebensauffassung einer großen Zeit. Sie wittern bedeutsame Ähnlichkeiten und fühlen sich geschmeichelt durch die Parallele. Trotzdem mischt sich in ihre kongenial tuende Bewunderung ein leises Gefühl des Neides, wie das der Schwäche gegenüber titani- scher Kraft ganz natürlich ist. Denn was die Modernen von den Renaissancemenschen vor allem unterscheidet, ist, daß ihnen die Kraft, ja die Fähigkeit wahren Lebensgenusses 254 vollständig mangelt. Dort schrankenloses Begehren und Aneignen, hier Stumpfheit der Seele und des Körpers. Die modernen Wiener bewundern in den Geschöpfen der Renaissance den Übermenschen, sie möchten es ihm mit allen Mitteln gleichtun. Es fehlt ihnen aber die psychische Energie, sich über das gewöhnliche Niveau zu erheben, und so begnügen sie sich damit, Untermenschen zu sein. Sie gefallen sich dann, ihren oft hochentwickelten Intellekt in den Dienst tierischer Triebe zu stellen. Ihr Geist eignet sich alle die spitzigsten Feinheiten der Kultur an, nur um der Bestie im Menschen das Fell zu streicheln. Mit einer gewis- sen wollüstigen Begeisterung verkünden sie den Triumph der Immoral. Ich liebe Schurken, ich kann sie verstehen, hört man da sagen. Ein anderer erklärt, nur die Sünde throne in der Seelen Schoß, und das einzige Glück, das er gelten läßt, ist das Sündenglück. Und ein dritter findet die Formel: die halbe Sünde sei verwerflich, der ganzen, vollen aber juble man zu. Merkwürdig nur, daß sie allesamt den Begriff der Sünde nicht loswerden. Sünde oder noch lieber Laster ist jedes dritte Wort, das sie sagen. Darin prägt sich so recht die Schwächlichkeit ihrer Naturen aus. Lebens- künstler wollen sie sein, wie die Renaissancemenschen. Aber sie kommen damit nicht zustande, denn es mangelt ihnen der Schwung der Seele. Alles, was sie erreichen, ist, Genuß- menschen zu sein. Sie tun sich was darauf zugute, als Lästerlinge zu gelten, als Künstler auf dem Gebiete sittlicher Verirrungen. In Wirklichkeit mag die Sache nicht gar so arg sein; aber die Herren brüsten sich wenigstens damit. Sie kokettieren manchmal noch stark mit der Dummen-Jungen- Poesie und halten Cochonnerie für eine Heldentat. Die Kühnheit, mit der sie den wahren Menschen enthüllen und den Schleier von ihrem angefaulten Selbst abziehen, entspringt zum großen Teil ihrer Eitelkeit. Es ist so unbe- schreiblich nett, ein bißchen vermodert zu sein. Man macht großen Eindruck damit bei Cocotten und müßigen Frauen- Cochonnerie: (frz.) Schweinerei. 255 zimmern, bei Pflastertretern und Gehirnschwächlingen. Auch hier ist also neben Echtem viel Pose. Die Herren glauben offenbar, es sei eine höchst interessante Beschäfti- gung, in den Fäkalien der Renaissance zu stöbern; denn weiter sind sie in jene große Zeit nicht eingedrungen. Ihnen allen gemein ist die große Schwäche des Willens. Natürlich kommt diese auch in ihren Werken zum Aus- drucke. Ihre Personen können sich nie entschließen, sie können höchstens sich selber beschauen, sie kommentieren sich gerne, und zu empfinden gilt ihnen als die einzige des Menschen würdige Aufgabe. Bezeichnend ist, daß in den Dichtungen der Modernen der Mann neben dem Weibe fast durchwegs verblaßt. Die Helden leiden fast alle an gelin- dem Masochismus. Den Anforderungen der Gesellschaft haben sie nichts entgegenzusetzen als kindisches Klagen oder müdes Witzeln. Und dieses Witzeln vor allem verletzt. Die stürmische Lebenskraft der Renaissance erzeugte einen quellenden, derben Humor, die Lebensschwäche der Modernen kränkelt auch ihn an; was dort witzig war, wird hier kynisch und widerlich. [. . .] Es gärt in ihnen das ganze, unbändige Verlangen der Renais- sancemenschen, aber sie sind schlaff und verlebt, blutarme Geschöpfe, die es über das bloße Wollen nicht hinausbrin- gen. Sie möchten gern und können nicht. Das ist die Mischung. Daher der kindische Weltschmerz, das eitle Kokettieren mit dem tiefen Weh, der im Bordell geborene Pessimismus, den man mit Parfüm besprengt, mit Cham- pagner und Absynth traktiert, um ihn zu betäuben. So wird das Liebäugeln der Modernen mit der Renaissance verständlich. Man könnte sagen: die Dekadence ist der Renaissancetraum der psychisch und physisch Ge- knickten. 256 HERMANN BAHR Impressionismus Gewiß: der Impressionismus ist zunächst nur eine Technik. Statt unmittelbar die Farbe aufzutragen, welche erblickt werden soll, teilt sie der Impressionist und löst die Erschei- nung, die er darstellen will, in viele bunte Flecken oder Punkte auf, die in einer gewissen Entfernung erst auf einmal seltsam zusammenschießen und, eben noch wirr, flackernd, unförmlich, sich nun plötzlich zur schönsten Gestalt gefun- den haben. Ist man nahe, so weiß man's nicht zu deuten. Tritt man zurück, ordnet es sich von selbst. Dies hat noch den besonderen Reiz, daß man das Bild, indem man sich ihm nähert oder von ihm entfernt, nach Beheben verwischen und wieder hervorzaubern kann. Es verschwindet, es entsteht, wie ich will, unter meinen Augen. Bin ich da, sehe ich es; bin ich dort, ist es weg. Indem es mich so gleichsam mitzu- tun, an ihm mitzuarbeiten zwingt, wird es ganz eigen leben- dig. Es hängt nicht fertig und starr an der Wand. Es regt sich wunderbar, von meinem Auge berührt. . . Aber schließlich ist es doch nur jene Technik, die dies alles vermag. [. . .] Ich will sagen: die Technik des Impressionismus bringt eine Anschauung der Welt mit oder setzt sie vielleicht sogar voraus, die in den letzten hundert Jahren allmählich erst möglich geworden ist. Menschen, welche glauben, daß wir erfahren können, wie die Welt wirklich ist, werden eine Malerei absurd finden müssen, die sich an den unmittelbaren Eindruck, an den Moment, an die Illusion hält. Menschen, denen es nicht geläufig ist, sich vorzustellen, daß was wir sehen oder hören oder fühlen mögen, immer nur Erscheinung ist, hinter welcher vielleicht eine Wahrheit hegt, die wir aber, in unsere Sinne eingeklemmt, niemals erkennen können, daß, was uns davon erscheint, indem es durch unsere Sinne gehen muß, von ihnen verändert wird, und daß also unsere Welt in der Tat, wenn nicht aus uns erschaffen, so doch von uns mitbestimmt wird und darum wirklich, so wie sie uns 257 erscheint, durch uns erst entsteht und mit uns wieder ver- geht -- Menschen, welchen der Zweifel an der ewigen Wahr- heit ihrer Erscheinungen nicht geläufig geworden ist, wer- den eine Malerei nicht genießen können, deren stärkster Reiz es ist, das Bild unter unseren Augen erst aufflammen und wieder verrauchen zu lassen, Menschen, welche noch meinen, daß, was wir in Gedanken, um die Welt unserer Erscheinungen zu ordnen, damit wir mit ihr operieren kön- nen, abtrennen und abgrenzen, wirklich getrennt und begrenzt sei, und welche nicht fühlen, daß alles ewig fließt, eines in das andere verrinnt und in unablässiger Verwand- lung nur immer wird, niemals ist, werden eine Malerei verwünschen, die mit einem Behagen, das ihnen teuflisch scheinen muß, alle Grenzen verwischt und alles nur in ein tanzendes Flirren und Flimmern auflöst. Wem es nicht bei sich gewiß geworden ist, daß wir gar kein Recht haben, die Meldungen unserer Sinne in richtige und falsche abzuteilen, daß alles unaufhaltsam fließt, daß es überall nur Bewegung, nur ewige Verwandlung, nirgend eine Grenze gibt, der wird den Impressionismus nicht empfinden können. Ich meine nun nicht, wie man mir vielleicht nachspotten wird, es sei notwendig, bevor man an das Bild eines Impres- sionisten tritt, erst einen Kurs bei Heraklit, Kant und Mach durchzumachen. Aber es ist bei mir entschieden, daß der Impressionismus auf uns nicht nur durch seine Technik, sondern noch vielmehr als Ausdruck jener Anschauungen wirkt; und jetzt kann ich mir auch erst den Zorn der frommen Leute erklären, welchen er ihre behagliche feste sichere Welt nimmt, um sie in den Taumel kreisender Ver- wandlungen hinauszuschleudern. Ich habe in den letzten Monaten viel Mach gelesen. Seine Analyse der Empfindun- gen, die erst fünfzehn Jahre lang unbemerkt gelegen ist, in den letzten zwei Jahren aber plötzlich drei neue Auflagen Heraklit: vorsokratischer griechischer Philosoph (um 500 v. Chr.); Bahr wen- det hier die auf ihn zurückgeführten Worte alles fließt erkenntnistheoretisch und stellt sowohl Kants erkenntniskritischen Relativismus als auch Machs Philosophie des Impressionismus mit ihm in eine Linie. 258 erfahren hat, ist wohl das Buch, das unser Gefühl der Welt, die Lebensstimmung der neuen Generation auf das größte ausspricht. Alle Trennungen sind hier aufgehoben, das Phy- sikalische und das Psychologische rinnt zusammen, Element und Empfindung sind eins, das Ich löst sich auf und alles ist nur eine ewige Flut, die hier zu stocken scheint, dort eiliger fließt, alles ist nur Bewegung von Farben, Tönen, Wärmen, Drücken, Räumen und Zeiten, die auf der anderen Seite, bei uns herüben, als Stimmungen, Gefühle und Willen erschei- nen. Ich bin nicht fähig, der Darstellung überall ins Detail zu folgen, und ich weiß also nicht, ob sie wohl auch, wie die Gelehrten verlangen, durchaus wissenschaftlich bewiesen ist. Ich habe aber seit Jahren nichts gelesen, dem ich sogleich leidenschaftlicher zugestimmt hätte, wahrhaft aufatmend und mit dem Gefühl, daß hier endlich offenbar wird, was wir alle längst dunkel bei uns geahnt haben. Und ich habe dabei von Kapitel zu Kapitel im Geiste immer Bilder von Manet, Degas, Renoir vor mir gesehen und was ich im Buche nicht gleich auffassen konnte, ist mir durch die Erinnerung an sie klar geworden. Manet hätte wohl gelacht bei der Zumutung, daß er eine Philosophie gemalt haben soll; und es ist sehr leicht möglich, daß sich Mach, ein österreichischer Professor, durch die Beziehung auf den Impressionismus beleidigt fühlt. Ich zweifle aber nicht, daß man schon nach und nach ihre geistige Einheit herausspüren wird, und es dauert vielleicht gar nicht lange und man nennt die Weltanschauung Machs einfach die Philosophie des Impressionismus. Manet: Edouard M. (1832-83), französischer Maler; Hauptvertreter des Impressionismus; vor allem Figurenmaler (Frühstück im Freien 1861 usw.). Oegas: s. Anm. S, 205. Renoir: Auguste R. (1841-1919), französischer Maler; Hauptvertreter des Impressionismus. 259 HUGO VON HOFMANNSTHAL Gabriele d'Annunzio Man hat manchmal die Empfindung, als hätten uns uni.rn Väter, die Zeitgenossen des jüngeren Offenbach, und utiMii Großväter, die Zeitgenossen Leopardis, und alle die un/.il' ligen Generationen vor ihnen, als hatten sie uns, den Späh;' borenen, nur zwei Dinge hinterlassen: hübsche Möbel um überfeine Nerven. Die Poesie dieser Möbel erscheint uns J das Vergangene, das Spiel dieser Nerven als das Gegen\n tige. Von den verblaßten Gobelins nieder winkt es im schmalen weißen Händen und lächelt mit altklugen QU.H trocento-Gesichtchen; aus den weißlackierten Sänften yy Marly und Trianon, aus den prunkenden Betten der Bot; und der Vendramin hebt sichs uns entgegen und ruft: M hatten die stolze Liebe, die funkelnde Liebe; wir hatten I wundervolle Schwelgerei und den tiefen Schlaf; wir hatl das heiße Leben; wir hatten die süßen Früchte und Trunkenheit, die ihr nicht kennt. Es ist, als hätte die gan'/l Arbeit dieses feinfühligen, eklektischen Jahrhunderts dm bestanden, den vergangenen Dingen ein unheimlich Eigenleben einzuflößen. Jetzt umflattern sie uns, Vampi lebendige Leichen, beseelte Besen des unglücklichen Za berlehrlings! Wir haben aus den Toten unsere Abgötf d'Annunzio: Gabriele d'A. (1863-1938), italienischer Dichter; Hauptven der symbolistisch-dekadenten Richtung, die den Verismus, den italieniscl Naturalismus, ablöste. Offenbach: Jacques O. (d.i. Jacques Eberst, 1819-90), Schöpfer und Mcili der französischen Operette (opera comique). Leopardis: Giacoma Graf Leopardi (1798-1837), bedeutendster Lyriker IM liens seit Petrarca; Grundthemen: Weltschmerz, Todessehnsucht; Hmi|'i werke: Canti (1831); Pennen (1845). Quattrocento: s. Anm. S. 332. Marly: M.-le-Roi, Lustschloß Ludwigs XIV. * 1 \ Trianon: Name zweier Lustschlösser im Park von Versailles. 'ˇ '' T Borgia ... Vendramin: s. Anm. S. 301. ^ ^ ' 340 p.i-iiucht; alles, was sie haben, haben sie von uns; wir haben lluirii unser bestes Blut in die Adern geleitet; wir haben diese 'H li.mcn umgürtet mit höherer Schönheit und wundervolle- M'i Kraft als das Leben erträgt; mit der Schönheit unserer '(ihnsucht und der Kraft unserer Träume. Ja alle unsere Silnmlieits- und Glücksgedanken liefen fort von uns, fort ir. dem Alltag, und halten Haus mit den schöneren hi-,i höpfen eines künstlichen Daseins, mit den schlanken |-ni;eln und Pagen des Fiesole, mit den Gassenbuben des Mnnllo und den mondänen Schäferinnen des Watteau. Bei Uli-, .iber ist nichts zurückgeblieben als frierendes Leben, Ii li.ile, öde Wirklichkeit, flügellahme Entsagung. Wir haben 4lii Ins als ein sentimentales Gedächtnis, einen gelähmten Willen und die unheimliche Gabe der Selbstverdoppelung. %'\t M hauen unserem Leben zu; wir leeren den Pokal vor- 11*111)', und bleiben doch unendlich durstig: denn, wie neulich Juniget schön und traurig gesagt hat, der Becher, den uns dir. I eben hinhält, hat einen Sprung, und während uns der |; Vollr Trunk vielleicht berauscht hätte, muß ewig fehlen, was ˇ iilnend des Trinkens unten rieselnd verlorengeht; so emp- Iniilen wir im Besitz den Verlust, im Erleben das stete V>'i'..iumen. Wir haben gleichsam keine Wurzeln im Leben IIuI streichen, hellsichtige und doch tagblinde Schatten, itt-r.i lien den Kindern des Lebens umher. %'u ! Wir! Ich weiß ganz gut, daß ich nicht von der ganzen ghilsrn Generation rede. Ich rede von ein paar tausend Wli'n sehen, in den großen europäischen Städten verstreut. Km paar davon sind berühmt; ein paar schreiben seltsam Hm kene, gewissermaßen grausame und doch eigentümlich iiilnende und ergreifende Bücher; einige, schüchtern und l'i'i lunütig, schreiben wohl nur Briefe, die man fünfzig, /.ˇ v Anm. S.238. ''- "/Ai Ijartolome Esteban M. (1618-82), spanischer Maler; Hauptvertreter i ' '.. liulc von Sevilla; vor allem religiöse Darstellungen und Genrebilder. " ,iir,m: i.Anm. S. 177. -.'ˇ.H'i'C s. Anm. S.318. 34! sechzig Jahre später zu finden und als moralische und ps_ chologische Dokumente aufzubewahren pflegt; von einigi wird gar keine Spur übrigbleiben, nicht einmal ein traurig boshaftes Aphorisma oder eine individuelle Bleistiftnotiz, f den Rand eines vergilbten Buches gekritzelt. Trotzdem haben diese zwei- bis dreitausend Menschen cir gewisse Bedeutung: es brauchen keineswegs die Genies, nicht einmal die großen Talente der Epoche unter ihnen i sein; sie sind nicht notwendigerweise der Kopf oder d Herz der Generation: sie sind nur ihr Bewußtsein. Sie fühlt, sich mit schmerzlicher Deutlichkeit als Menschen von heutl sie verstehen sich untereinander, und das Pnvilegium die! geistigen Freimaurerei ist fast das einzige, was sie im gut Sinne vor den übrigen voraushaben. Aber aus dem Kofl welsch, in dem sie einander ihre Seltsamkeiten, ihre besoÄ dere Sehnsucht und ihre besondere Empfindsamkeit erzälH len, entnimmt die Geschichte das Merkwort der Epoche. I Was von Periode zu Periode in diesem geistigen SiflH modern ist, läßt sich leichter fühlen als definieren; erst atH der Perspektive des Nachlebenden ergibt sich das GrundmjMI tiv der verworrenen Bestrebungen. So war es zu Anfang dfl Jahrhunderts modern, in der Malerei einen falsch verstaB denen Nazarenismus zu vergöttern, in der Poesie, Musik nachzuahmen, und im allgemeinen, sich nach dem Naivei^B zu sehnen: Brandes hat diesen Symptomen den Begriff dfl Romantik abdestilliert. Heute scheinen zwei Dinge modern zu sein: die Analyse des Lebens und die Flucht aus defl Leben. Gering ist die Freude an Handlung, am Zusammfl^J spiel der äußeren und inneren Lebensmächte, am WilheljH Nazarenismus: Nazarener: urspr. Spottname für eine Gruppe von Malern, ^H sich 1809 in Wien als Lukasbund zusammenfand und die eine Erneuerl^M der Kunst auf religiöser Grundlage nach mittelalterlichem Vorbild anstrcb^H zu ihr gehörten u. a. Friedrich Overbeck, Peter Cornelius, Schadow, m Brüder Veit, Schnorr von Carolsfeld. In Rom, wohin die Lukasbrüder IHlÖ übergesiedelt waren, bewohnten sie das Kloster San Isidoro am Pincio. ' Brandes: s. Anm. S. 151; gemeint ist hier wohl sein Werk Hauptströmunj^M der europäischen Literatur des 19. Jahrhunderts (1872-90), Bd. 2: Die rorrtJH tische Schule in Deutschland. 342 li isicrhchen Lebenlernen und am Shakespearischen Welt- Inii Man treibt Anatomie des eigenen Seelenlebens, oder i räumt. Reflexion oder Phantasie, Spiegelbild oder ii nimbild. Modern sind alte Möbel und junge Nervositä- ii ii Modern ist das psychologische Graswachsenhören und In l'lätschern in der reinphantastischen Wunderwelt. Mildern ist Paul Bourget und Buddha; das Zerschneiden von I Ai.niu'n und das Ballspielen mit dem All; modern ist die '/i i cjicderung einer Laune, eines Seufzers, eines Skrupels; ˇiil modern ist die instinktmäßige, fast somnambule Hin- hr ui |ede Offenbarung des Schönen, an einen Farbenak- iJ, eine funkelnde Metapher, eine wundervolle Allegorie, n geistreicher Franzose schreibt die Monographie eines orders, der ein experimentierender Psychologe ist. Ein MM reicher Engländer schreibt die Monographie eines Gift- -.i licrs und Urkundenfälschers, der ein feinfühliger ui: ikntiker und leidenschaftlicher Kupferstichsammler H II I )ie landläufige Moral wird von zwei Trieben verdun- k'-li dem Experimentiertrieb und dem Schönheitstrieb, dem 'I i n l> nach Verstehen und dem nach Vergessen. In den Werken des originellsten Künstlers, den Italien mi|,< nblicklich besitzt, des Herrn Gabriele d'Annunzio, kri- i illisieren sich diese beiden Tendenzen mit einer merkwür- llp n Schärfe und Deutlichkeit: seine Novellen sindpsycho- ˇmliische Protokolle, seine Gedichtbücher sind Schmuck- lüsii lien; in den einen waltet die strenge nüchterne Termi- Inlngie wissenschaftlicher Dokumente, in den andern eine i" nuhe fieberhafte Farben- und Stimmungstrunkenheit. *> '.nticher Franzose: nicht ermittelt. ^ i iwicher Engländer: nicht ermittelt. 343