Glossar Achim Rogoss zum Thema Faschismus In Gesprächen und Diskussionen über die Diktatur des Nationalsozialismus wird immer erkennbarer, dass gerade für jüngere Menschen viele Begriffe keine Bedeutung haben, nichts-sagend sind, weil sie mit ihnen keine Bilder, Vorstellungen und Ereignisse verbinden. Und wo dies doch möglich ist, bleibt der Informationsgehalt vielfach formal, spricht emotional nicht an. Aus dieser Erfahrung heraus entstand das Glossar: Es will aufklären über die Ereignisse in jener Zeit und vermittelt deshalb die notwendigen Daten und Fakten. Um diese „nackten Tatsachen“ in ihrer ganzen Bedeutung erfassen zu können, werden sie ergänzt z.B. durch biografisches Material, Erlebnisberichte, Protokolle, Dokumente usw. Das Glossar ist nicht abgeschlossen. Es befindet sich in einem fortlaufenden Arbeitsprozess, in dem neue Stichwörter hinzugefügt werden und bereits vorhandenes Material überarbeitet wird. Ahnungslose Deutsche 1. Kurzfassung Der Holocaust - das größte Verbrechen in der deutschen Geschichte. Doch immer wieder heißt es: „Irgendwann muss mit der Diskussion darüber einmal Schluss sein!“ Dabei sind fast 60 Jahre danach wichtige Daten dieses Massenmordes immer noch ungeklärt: Wieviele Täter gab es? Wieviele Opfer? Und Tatorte? Dieser und anderen Fragen geht der Film „Holocaust - Die ahnungslosen Deutschen“ nach. Die weißen Flecken in der Forschung spiegeln das gesellschaftliche Desinteresse an den NS-Verbrechen in Deutschland seit 1949 wieder. Die junge Bundesrepublik begnadigt die von den Alliierten verurteilten Täter in den ersten Jahren - für den Historiker Prof. Norbert Frei geradezu ein „Gnadenfieber“. Dieses sei eine „Art gesellschaftlicher Selbstentschuldung“ gewesen. Die deutsche Strafjustiz verurteilte - nach 106.496 Ermittlungsverfahren - ganze 6.495 Täter, von denen gerade mal 166 eine lebenslange Strafe bekamen, die fast niemand absaß. Gleichzeitig wurden die Holocaust-Opfer hingehalten, immer wieder hieß es: „Wir haben doch genug gezahlt!“ Dabei begann ihre Entschädigung erst spät und endete 1969 für viele schon wieder. Anspruch hatten nur Bewohner westlicher Länder, auch da mit vielen Ausnahmen. Ein krasser Gegensatz zu den sogenannten „Opferrenten“: Einseitige staatliche Leistungen für eine Kriegsbeschädigung von Wehrmachts- und SS-Männern. Ihr Anspruch gilt bis heute, weltweit und bis vor drei Jahren ohne Ausnahmen: Sogar NS- und Kriegsverbrecher bekamen bis 1998 „Opferrenten“. Das Resultat: Während die tatsächlichen Holocaustopfer bis heute insgesamt 107 Milliarden Mark bekamen - auf die Politiker immer wieder gern hinweisen - , kassierte die Täterseite 422 Milliarden Mark an „Opferrenten“. Auch die Tatorte und das Mitwissen der Bevölkerung sind wenig erforscht: Viele Deutsche waren Nachbarn der 23.600 Lager und müssen etwas mitbekommen haben. Trotzdem beharrt manch einer bis heute darauf, nichts vom Holocaust bemerkt zu haben. Dabei gab es nach Forschungen des Historikers Prof. Robert Gellately Hunderttausende Zeitungsartikel, in denen von „Konzentrationslagern“ und auch Hinrichtungen die Rede war: „Die Deutschen sollten von den KZs wissen. Das Regime erhoffte sich Zustimmung nicht trotz der KZs, sondern gerade wegen der KZs.“ http://www.ndr.de/cgi/r3frame/hf/radio3/programm_neu/index.html 2. Langfassung Manuskript des Films: Holocaust – Die ahnungslosen Deutschen Täter und Opfer im Nachkriegsdeutschland Das Freibad von Hersbruck bei Nürnberg hat Geschichte. Direkt hinter dem Zaun stand ein Konzentrationslager. Alfred Nerlich, KZ-Überlebender: „Ich war im KZ Hersbruck auf Block 20.“ „Und haben Sie da Leute baden sehen hier in dem Freibad?“ „Wenn man rübergeschaut hat, an den Zaun gegangen ist, hat man sie gesehen, reingehen, baden nicht. Da war die Umkleidekabinen waren hier.“ Während die Hersbrucker plantschten, mordeten die Nazis hinter den Umkleidekabinen. Über 4.000 Opfer. Das KZ in der Nachbarschaft – heute wollen viele Hersbrucker davon nichts mehr hören. Eine Anwohnerin: „Das ist ja überhaupt nicht wahr. Also das stimmt einmal überhaupt nicht. Da draußen ist keiner ermordet worden. Aber wirklich nicht.“ Wegschauen und vergessen – da übersieht man leicht mal einen Mörder. Anton ®Malloth war früher SS-Mann, einer der grausamsten Aufseher in Theresienstadt. Fast 60 Jahre lang lebte er unbehelligt – zuletzt in einem Münchner Altersheim. Jetzt wurde der gebrechliche Greis wegen Mordes verurteilt: Lebenslang. Passanten: „Ich finde das Urteil ungerecht. Ich finde es nicht einem Freistaat würdig, einen so alten Mann überhaupt noch zu verurteilen, egal was er gemacht hat.“ „Über 50, wie Sie sagen, 56 Jahre ist das her. Und es muss irgendwann mal Schluss sein. Entweder man schlägt es nieder, oder sagt OK, die Zeit heilt die Wunden.“ „Ich find, dass man mal Ruhe geben sollte. Gerade mit den alten Leuten.“ Kurt Schrimm, NS-Ermittler, Zentrale Stelle Ludwigsburg: „Das sind eben nicht nur arme alte Männer wie Sie sagen, so wie viele. Sondern das sind Männer, die schuldig geworden sind, die selbst einen Mord begangen haben, oftmals mehrere, viele Morde. Ich glaube, man darf die nicht einfach als arme, alte Männer bezeichnen. Das sind Leute, die ihr Schicksal selbst verschuldet haben.“ Malloth ist nicht der einzige NS-Verbrecher, der erst in den letzten Jahren verurteilt wurde. Julius Viel, Josef Schwammberger, Erich Priebke. Warum werden immer noch die alten Nazis gejagt? Warum kommen immer neue Opfer und wollen Entschädigung? Warum ist nicht endlich Schluss, wie viele fordern? „Irgendwann muss einmal Schluss sein!“ Warum eigentlich soll Schluss sein? Wo doch die meisten NS-Täter jahrzehntelang frei herumgelaufen sind, so wie Friedrich Engel, der so genannte „Henker von Genua“. In Deutschland wurde er nie verurteilt. Dabei ist er offensichtlich ordentlich in Hamburg gemeldet. Oder Sören Kam. In der dänischen Öffentlichkeit bekannt als Kriegsverbrecher, in Bayern lebt er weiter unbehelligt von seiner Rente. Oder der Mörder Wolfgang Lehnigk-Emden. Fünfzehn italienische Frauen und Kinder ließ er umbringen. Trotzdem musste er nicht ins Gefängnis. Nicht nur Einzelfälle. Zwar weiß man bis heute nicht, wie viele NS-Täter es gab. Klar ist aber: Gegen 106.496 hat die bundesdeutsche Justiz ermittelt. Doch nur gerade einmal 6.495 davon sind überhaupt verurteilt worden. Davon wiederum bekamen nur 166 eine lebenslange Strafe, die fast keiner von ihnen absaß. Professor Norbert Frei, Historiker: „Dieses Gnadenfieber war natürlich auch ein bewusster oder unbewusster Reflex auf dieses Wissen, wie hoch die Gesellschaft insgesamt in dieses NS-Regime verstrickt gewesen ist, wie hoch die Loyalität mit diesem Regime bis weit in den Krieg hinein gewesen ist. Insofern handelt es sich, wenn Sie so wollen, um eine Art von gesellschaftlicher Selbstentschuldung, die hier stattfindet.“ Millionenfache Schlussstriche: Nach dem Krieg wollten sie plötzlich alle Opfer sein, unter Hitler hatten viele mitgemacht. Ihre Ausrede nun: Hätten sie nicht mitgemordet, wären sie angeblich gefährdet gewesen – Befehlsnotstand. Kurt Schrimm, NS-Ermittler, Zentrale Stelle Ludwigsburg: „Es ist richtig, dass sehr viele der vor Gericht Gestellten so argumentiert haben, und sich darauf berufen haben, ihnen wäre selber Schaden an Leib oder Leben widerfahren, wenn sie den Befehl nicht befolgt hätten. Die Zentrale Stelle ist vor einigen Jahren in jedem Einzelfall diesen Behauptungen nachgegangen. Sie konnte keinen einzigen Fall ermitteln, in dem jemand zum Tode verurteilt wurde, weil er einen entsprechenden Befehl nicht befolgte.“ Dabei haben die Alliierten nach ’45 die Nazi-Verbrecher streng verfolgt – bis hin zu Todesurteilen. Doch die neue Bundesrepublik machte Schluss damit. Viele wurden begnadigt. Etwa der NS-Mörder Franz Six: 1948 zum Tode verurteilt, 1951 ein freier Mann. Der SS-Funktionär Dr. Werner Best: 1946 zum Tode verurteilt, 1951 entlassen. Heinz Lammerding, Chef einer SS-Division, 1947 in Abwesenheit zum Tode verurteilt – als er Jahre später wieder auftaucht, wird er noch nicht einmal eingesperrt. Die SS-Veteranen sind im Nachkriegsdeutschland wieder anerkannte Persönlichkeiten. Die Beerdigung eines NS Verbrechers gerät zum Staatsbegräbnis. Längst hat Adenauer Wehrmachtsangehörige und Kämpfer der Waffen-SS zu Ehrenmännern erklärt. Nicht ohne Grund: Für den Aufbau der neuen Bundeswehr sind die Soldaten des Vernichtungskrieges wieder gefragt. Professor Norbert Frei, Historiker: „Also ganz konkret kann man sagen, dass die militärischen Planer um Adenauer herum, die eine Bundeswehrplanung vorangetrieben haben, sehr deutlich gemacht haben, auch dem Bundeskanzler gegenüber, dass, wie es damals hieß, solange noch einige unserer Kameraden in alliierten Kerkern, also etwa in den alliierten Haftstätten in Deutschland schmachten, solange gibt es keinen deutschen Wehrbeitrag.“ Die Zeit der frühen Schlussstriche. Neue deutsche Wochenschau (1951): „In Landsberg am Lech öffneten sich die Tore des Gefängnisses für 33 ehemalige Häftlinge ...“ Nicht nur Hitlers Krieger – auch die braunen Wirtschaftsbosse kommen frei. Früher finanzierten sie die Naziverbrechen. Jetzt können sie wieder Profite machen. Alfred Krupp wird mit Blumen empfangen. Er hatte das Waffenarsenal für Hitlers Vernichtungskrieg mitproduziert. Oder Friedrich Flick. Unter Hitler bereicherte er sich an jüdischen Unternehmen. Nach dem Krieg ist er keine sechs Jahre in Haft. Und wird dann zum reichsten Mann der Bundesrepublik. Professor Norbert Frei, Historiker: „Von denen, die in den alliierten Militärgerichtsverfahren und vor allem auch im Nürnberger Nachfolgeprozess etwa gegen die Industriellen verurteilt worden sind, ist so gut wie keiner die gesamte Zeit in Haft geblieben.“ Auch nicht die Manager der IG Farben – beim Massenmord ganz vorn dabei. In Auschwitz bauten sie ein Riesenwerk auf. Und sogar die Vergasung ihrer Arbeiter war für die IG Farben lukrativ – Zyklon B ist das Produkt einer Konzerntochter. In der Bundesrepublik geht die Arbeit weiter – unter neuen Namen: Aus der IG Farben gehen Hoechst, Bayer und BASF hervor. Sie kommen an die Weltspitze der Pharmaindustrie – mit den alten, freigelassenen Führungskräften. Die Zeit der Schlussstriche: Passant (1979): „Macht Schluss. Macht Schluss.“ „Wer soll Schluss machen?“ „Mit dem ganzen Judenkram. Einmal muss Ende sein.“ „Also keine Verfolgung mehr von NS-Verbrechen?“ „Einmal muss ein Ende sein.“ Der Schlussstrich für den Holocaust kam schnell, nicht aber für den Nazikult. Der war wieder gesellschaftsfähig. Die berüchtigte SS-Division „Das Reich“ lädt zum Veteranen-Treff – Männer dieser Einheit mordeten Hunderte französischer Zivilisten (®Oradur). Im Nachkriegsdeutschland werden viele solcher SS-Vereine auch noch steuerlich gefördert. SS-Veteranen „Das Reich“ (1971): „Also ich gehe heute abend mit einem stolzen Gefühl über die Vergangenheit zurück.“ „Deswegen glaube ich, dass die Gründung der Truppenkameradschaft „Das Reich“ eine Notwendigkeit ist, und nicht einen Tag zu spät kommt.“ „Dass wir gegenüber allen Anfeindungen und Diffamierungen nicht müde werden, darzulegen, dass der gute Name unserer Division ohne Makel ist.“ Und noch einen Schlussstrich gibt es – für die Politiker. Statt unangenehmer Fragen warteten unter Adenauer hohe Staatsämter auf sie. Etwa Theodor ®Oberländer. Schon 1923 beim Hitlerputsch dabei, bekam er im 2. Weltkrieg ein eigenes Bataillon. Damit marschierte er im ukrainischen Lemberg ein, wo Tausende Juden ermordet wurden – auch von Mitgliedern seiner Einheit. Sein Spezialgebiet: die so genannte „Ostraumforschung“. Unter Adenauer kann er in seinem Fachbereich weiter Karriere machen – als Minister für die Ostvertriebenen. Vereidigung der Minister im Bundestag (1957): „Herr Bundesminister Dr. Oberländer – bereit den Eid zu leisten. Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe.“ Oder Heinrich ®Lübke. In der NS - Raketenschmiede Peenemünde war er für den Arbeitseinsatz von KZ-Häftlingen verantwortlich. In der Bundesrepublik schafft er es nach ganz oben – als Bundespräsident. Vereidigung des Bundespräsidenten (1959): „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen...“ Oder Hans Globke – unter Hitler wirkte er an der Umsetzung der Nürnberger Rassegesetze mit – unter Adenauer wird er Chef des Kanzleramtes. Oder Juristen wie Theodor Maunz. Unter Hitler pflegte er braune Rechtstheorie, erklärte den Willen des Führers zum Gesetz. In der Bundesrepublik prägt er dann das Verfassungsrecht. Der berühmte Grundgesetz-Kommentar von Maunz ist noch heute Standardwerk für deutsche Universitäten und Gerichte – herausgegeben zusammen mit seinem Schüler Dr. Roman Herzog. Roman Herzog (1993): „Maunz war nach 1948/49 mit Sicherheit einer der beherrschenden Verfassungsrechtler der Bundesrepublik Deutschland, man kann auch sagen, er hat das demokratische Verfassungsrecht der Bundesrepublik mitgeprägt.“ Maunz war nicht der einzige Nazi-Jurist, der Karriere nach 45 macht. Der Volksgerichtshof unter Roland Freisler: Todesurteile am Fließband. Keiner dieser Blutrichter wird jemals verurteilt. Stattdessen machen fast alle Karriere – im Nachkriegsdeutschland: Als Oberlandesrichter. Richter am Bundespatentamt.Staatsanwalt. Und so weiter (®Justiz). Professor Norbert Frei, Historiker: „Die allergrößte Zahl derer, die im Nationalsozialismus als Richter oder Staatsanwälte schon tätig gewesen waren, sind auch in der jungen Bundesrepublik, spätestens dann durch das so genannte 131er Gesetz, eine Wiedereingliederungshilfe für Beamte, zu Richtern oder Staatsanwälten geworden, das heißt wir haben hier eine ganz hohe Kontinuität.“ „Gab es auch ®Gestapo-Leute etwa, die später Polizisten wurden?“ „Es gibt Gestapo-Leute in relativ hoher Zahl, die in der bundesrepublikanischen Polizei, im Landespolizeidienst oft sogar an herausgehobenen Stellen aktiv gewesen sind.“ Schluss mit der Strafverfolgung. Braune Richter und Polizisten – da können die NS-Mörder in Ruhe schlafen. Etwa Erich Priebke. Er hat italienische Zivilisten ermordet, die deutsche Nachkriegsjustiz hat ihn trotzdem nicht verfolgt. Zwar flüchtet er nach dem Krieg nach Argentinien, meldet sich dort aber ordnungsgemäß an – bei der deutschen Botschaft. Doch offenbar wollte ihn damals kein deutscher Staatsanwalt vernehmen – peinlich für die Justiz heute: Hermann Weissing, Generalstaatsanwaltschaft Hamm (1996): „Wäre es nicht sinnvoll gewesen, Herrn Priebke selbst dazu zu vernehmen?“ „Ich teile ihre Auffassung.“ „Aber man hat nichts unternommen, um ihn zu finden?“ „Richtig.“ „Würden Sie das als Versäumnis ansehen?“ „Ja.“ Und noch ein Versäumnis: Es gab bereits ein italienisches Urteil gegen Priebkes Mittäter. Da hätten die deutschen Staatsanwälte nachlesen können. Hermann Weissing, Generalstaatsanwaltschaft Hamm (1996): „Man hatte das Urteil aus Italien,...“ „...das man nicht übersetzt hatte...“ „...das in der Tat nicht übersetzt worden ist und das schien ausreichend zu sein.“ „...ohne dass man den Inhalt kannte?“ „Offensichtlich. Ich räume nochmal ein, das war ein eklatanter und verheerender Fehler, der seinerzeit gemacht worden ist.“ Aufgrund dieses Fehlers kann Priebke sogar in aller Ruhe zum Urlaub in die alte Heimat kommen. Zwar spürten ihn amerikanische Journalisten in Argentinien auf, zwar stand er dann in Italien vor Gericht – doch von der deutschen Justiz wurde er bis heute nicht verurteilt. Jahrzehntelanges Versagen – das Ergebnis kann nicht Schlussstrich heißen, sondern Aufarbeitung. Schlussstriche gab es schon zu viele, viel zu viele, viel zu früh. Professor Norbert Frei, Historiker: „Diese Debatten hat es schon 1949 gegeben. Viele haben sich von der Gründung der Bundesrepublik einen Schlussstrich, einen erstmaligen Schlussstrich unter diese Säuberungsbemühungen der unmittelbaren Nachkriegszeit vorgestellt. Und Schlussstrichdebatten führen wir seitdem immer wieder.“ Schlussstrichdebatten – und immer wieder eine weitere Behauptung: „Wir haben genug gezahlt!“ Mai dieses Jahres – 56 Jahre nach Kriegsende: der Bundestag entscheidet über Entschädigungszahlungen an Naziopfer. Diesmal geht es um die Zwangsarbeiter. Zehn Milliarden Mark sollen sie bekommen, die eine Hälfte vom Staat, die andere von der Wirtschaft. Mal wieder die Chance für einen Schlussstrich: Genug gezahlt. Wolfgang Bosbach (CDU), Bundestagsdebatte 30. Mai 01: „Es ist auch ein Ziel der Bundesstiftung für die Entschädigung für Zwangsarbeit das Kapitel ‚finanzielle Entschädigung für NS-Unrecht‘ abzuschließen.“ Passanten: „Man soll das jetzt mal abschließen.“ „Ist das jetzt genug?“ „Ja, aber dann muss Schluss sein.“ „Warum muss Schluss sein?“ „Weil wir schon genug gezahlt haben.“ „Für die, die zahlen müssen, ist es genug. Und die immer etwas haben wollen, die wollen unter Umständen immer etwas mehr haben.“ „Warum kommt das nach 50 Jahren. Warum das nicht früher. Diese Zahlungen sind ja nachweislich zu hoch. Für zu viele Opfer, die es ja gar nicht gegeben hat in dieser Höhe, und das finde ich einfach ungerechtfertigt weil als Steuerzahler muss man das alles mitfinanzieren.“ Martin Hohmann (CDU), Bundestagsdebatte 30. Mai 01: „Die Wahrheit ist, dass neun von zehn, neun von zehn, Zahlungsempfängern bereits Entschädigungsleistungen aus deutschen Kassen erhalten haben.“ Die Fakten: für die Zwangsarbeit wurde bis heute fast niemand entschädigt. Außerdem liegen auf europäischen Friedhöfen Millionen Zwangsarbeiter, die nach dem Krieg verstorben sind – ohne je einen Pfennig Geld bekommen zu haben. Alfred Hausser kämpft seit Jahrzehnten um Entschädigung bei den deutschen Konzernen: Alfred Hausser, ehem. Zwangsarbeiter (1998): „Die ganze Sache ist ein Wettlauf mit dem Tode geworden. Wir wissen, dass zum Beispiel bei VW von etwa 30.000 Zwangsarbeitern nachgewiesenermaßen vielleicht noch 300 leben. Wenn nicht bald etwas geschieht, dann ist der letzte Zwangsarbeiter tot.“ Die biologische Lösung der Zwangsarbeiterentschädigung – von der Industrie jahrzehntelang erfolgreich vorangetrieben. Während immer mehr Zwangsarbeiter ohne Entschädigung sterben, finden die Bosse ständig neue Ausreden, um nicht zahlen zu müssen. Otto Kranzbühler, Krupp-Anwalt (1984): „In einem Masseneinsatz von Menschen – bei Krupp waren also eine halbe Million, glaube ich, Menschen beschäftigt, können Sie nicht vermeiden, besonders wenn Sprachschwierigkeiten und Anstrengungen des Krieges, Luftangriffe usw. dazu kommen, dass einem Meister oder einem Vorarbeiter auch mal die Hand ausrutscht.“ Helmut Eppe, Mauser-Werke (1982): „Ich glaube, die Zeit, Schuldgefühle, Gewissensbisse, das sollte man doch vergessen so langsam.“ Genug gezahlt? Zwangsarbeiter vor drei Jahren in Warschau. Der Saal ist halb leer, viele schon gestorben. Seit Jahren fordern sie ihren ausstehenden Lohn – vergeblich. Konzerne wie Daimler haben es fast schon geschafft, da bekommen sie Ende der 90er Jahre Probleme mit dem Image. Sammelklagen in den USA gefährden den Absatz. Wer will noch so einen Wagen kaufen? Deutsche Wochenschau: „Nun hat der Führer einen der Volkswagen bestiegen. Er fährt mit dem ersten Wagen durch die jubelnde Menge.“ Dreiste Absagen wie bisher erscheinen nun riskant. Die deutschen Konzerne schlagen einen diplomatischeren Ton an. Aber eine umfassende Entschädigung wollen sie immer noch nicht. Stattdessen erstaunliche Angebote an die, die sich für die Zwangsarbeiter einsetzen. Ein nettes Fax, handgeschrieben. Direkt vom VW-Vorstand Klaus Kocks: Fax von Klaus Kocks an Klaus Freiherr von Münchhausen (1998): „Sehr geehrter lieber Herr von Münchhausen, darf ich Ihnen anbieten, Ihre Arbeit, die Sie ja als Privatmann betreiben, gelegentlich zu unterstützen. Wenn Sie zum Beispiel ein Auto brauchen oder ein Flugticket oder ähnliches, sprechen Sie doch bitte ganz offen Herrn Grieger an. Mit besten Grüßen und Glückauf, Ihr Klaus Kocks, 22. September.“ Die Zwangsarbeiter bekommen keine Bestechungsangebote der Industrie. Stattdessen eine Imagekampagne: Es war gar nicht so schlimm. Wolfgang Gibowski, Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft (1999): „Es gibt auch ganz andere Situationen und Fälle. Ich persönlich konnte neulich im ehemaligen KZ Ravensbrück eine frühere polnische Zwangsarbeiterin treffen, die damals im KZ eingesessen war, als junges Mädchen mit 17 Jahren zur Zwangsarbeit verpflichtet war, die heute mit großer Freude an diesen Ort zurückkehrt, dort freiwillig arbeitet, ein gutes Verhältnis zu den Deutschen hat, perfekt Deutsch spricht und sagt: Lieber Gott, die Zeit ist doch vorbei.“ Die Zeit ist vorbei, allerdings. Die Friedhöfe sind voll mit Millionen von Opfern, die nie entschädigt wurden. Bares Geld für die Konzerne. Aber es gibt eine noch größere Gruppe, für die fast keine Entschädigung gezahlt wurde: die im Holocaust Ermordeten. Viel mehr, als die meisten Deutschen denken. Außer rund sechs Millionen ®Juden ermordeten die Nazis drei Millionen Kriegsgefangene aus dem Osten – für sie „Untermenschen“. Anderthalb Millionen ®Zwangsarbeiter, eine halbe Million ®“Sinti und Roma“, 120.000 Behinderte und dann noch Kommunisten, Homosexuelle, ®Deserteure und viele andere. Aber es gibt noch mehr Opfer: In der deutschen Öffentlichkeit vergessen sind mindestens zehn Millionen so genannte „Slawen“ – Zivilisten in Osteuropa, die von den Nazis systematisch vernichtet wurden – als minderwertige Rasse. Die brutale Bilanz des NS-Massenmordes: Über 20 Millionen Ermordete. Nur wer überlebte, hatte eine Chance auf Entschädigung. Ludwig Baumann musste jahrzehntelang warten, bis er überhaupt etwas bekam – ein einmaliges Almosen. Von „genug“ kann keine Rede sein. Baumann gehört zu den vielen vergessenen Opfern. Die Nazis folterten ihn, weil er von der Wehrmacht desertierte. Ihm wurde noch nicht einmal zugestanden, überhaupt Opfer zu sein: Ludwig Baumann, Wehrmachtsdeserteur: „Wir haben doch gehofft, dass unsere Handlung anerkannt werden würde. Aber wie sind weiter nur als Feiglinge, als Dreckschweine, als Vaterlandsverräter beschimpft, bedroht worden, bis wir uns selber schuldig gefühlt haben. Wir sind einfach an diesem Nachkriegsdeutschland verzweifelt.“ Rehabilitiert sind die Deserteure bis heute nicht – von der Anerkennung, die den Wehrmachtssoldaten zuteil wird, können sie nur träumen. Ludwig Baumann, Wehrmachtsdeserteur: „Kein Soldat brauchte sich je amtlich fragen lassen, warum er Hitlers Krieg mitgemacht hat. Und ob er Kriegsverbrechen begangen hat. Nur die Deserteure, die sich Hitlers Krieg verweigert haben, sollen jetzt per Einzelfallprüfung nachweisen, dass sie ehrenwert gehandelt haben.“ Noch eine vergessene Opfergruppe – Juden in Osteuropa, die den ®Holocaust überlebt haben. Sie schrieben nicht an die deutsche Wirtschaft, sondern an die Bundesregierung. Arkadi Gorewitsch, osteuropäischer KZ-Überlebender (1993): „Wir haben geschrieben, aber leider die Antwort war immer negativ. Der Grund war, dass der Gesetz erlaubt nicht, oder es war zu spät oder es war zu früh, oder es war zu lang oder es war zu weit, es waren auch Antworten, dass wir müssen schreiben bis 1961sten Jahr, dann würden wir etwas bekommen, aber jetzt ist schon zu spät.“ Die Blockade kam aus den Finanzministerien. Eine der absurden Begründungen: „Es wäre auch vorrangig Aufgabe der früheren Sowjetunion gewesen“, den Nazi-Opfern „einen Ausgleich zu gewähren“. Also: Keine Entschädigung. Alexander Bergmann, osteuropäischer KZ-Überlebender (1993): „Wenn die Regierung Deutschlands etwas für uns machen will, dann muss sie es schnell machen. Wir haben nicht viel Zeit, wir werden immer weniger. Und – der jüngste von uns ist 65 Jahre alt.“ Aus dem deutschen Finanzministerium ein neuer Einwand – Eine Entschädigung würde „andere Staaten ermuntern“, mit ähnlichen Forderungen an Deutschland heranzutreten, etwa „Griechenland“. Alexander Bergmann, osteuropäischer KZ-Überlebender (1994): „Man wartet einfach, dass mehr kein einziger von uns am Leben ist, dann ist das Problem gelöst.“ Bonn lehnt wieder ab – nach jahrelangen Absagen. „Angesichts der geringen Zahl von Betroffenen seien damit zu hohe Verwaltungskosten verbunden.“ Erst 1998 – kaum einer der osteuropäischen Juden ist noch am Leben – gewährt der Bundestag eine Entschädigung. Hans Koschnick (SPD), Zeitzeuge: „Haben wir nicht genug gezahlt?“ „Diese Frage kann jemand stellen, der auf dem Geldbeutel sitzt, und ungerne etwas rausrückt. Wenn Sie die Opfer selbst fragen, die Erschlagenen, die Ermordeten, die Getöteten, die Verjagten, werden sie die Frage stellen, wie viele Jahre unseres Lebens haben wir aufgegeben, was haben wir an Hoffnungen, an Perspektiven eines Lebens aufgegeben? Und kann man eigentlich ein Leben, das vernichtet worden ist durch staatliche Gewalt oder durch staatlich beeinflusste Gewalt wirklich gegen Geld aufwerten?“ Selbst der Versuch, die NS-Opfer mit Geld zu entschädigen, wurde zunächst nur den Juden im Westen zuteil. Dann passiert jahrzehntelang nichts, bis man sich schließlich an die vergessenen Opfergruppen erinnert – wie zum Beispiel Deserteure. Vor kurzem dann erste Entschädigungen an die Juden im Osten und jetzt an die Zwangsarbeiter. Schockierende Erkenntnis: die Mehrheit der Holocaust-Opfer ist bis heute von Deutschland nicht entschädigt worden. Dazu gehören unter anderen: Kinder von KZ-Insassen, im Osten: die Arisierungsopfer, Kriegsgefangene und die Zivilbevölkerung – verfolgt als „Slawen“. Genug gezahlt? An die Opfer keineswegs. Dafür aber an die Täter. Jedes Jahr verteilt die Bundesregierung weltweit über acht Milliarden Mark, um Kriegsveteranen wie etwa diesen SS-Männern in Lettland eine so genannte Opferrente zu bezahlen. Die angeblichen Opfer waren Hitlers Krieger. Boris Michailow, SS-Opferrentner Lettland (1993): „Wo haben sie gedient?“ „In 50. Division, in 33. Regiment in Stabskompanie auf Fernsprecher.“ „Bekommen Sie jetzt Rente aus Deutschland?“ Ja ich bekomme, nicht lange, aber paar Jahre zurück“ „Wieviel bekommen Sie?“ „220 Mark“. Hier kümmerten sich eifrige deutsche Beamte von Amts wegen jahrzehntelang um den angenehmen Lebensabend von Wehrmachts- und SS-Veteranen in der ganzen Welt, Kriegsverbrecher inklusive. Rudolf Petereit, Versorgungsamt Schleswig-Holstein (1997): „Nach der derzeitigen Gesetzeslage ist die Tatsache, dass jemand Verbrechen begangen hat, kein Grund, ihn von der Kriegsopferversorgung auszuschließen.“ Dieses Gesetz wurde erst vor drei Jahren geändert – weitere Voraussetzung für die Opferrente: irgendeine bleibende Körperverletzung aus der Nazizeit. Weiterer Vorteil für die Opferrentner: Die Antragsfristen für sie laufen nie aus, während für die Holocaust-Opfer schon 1969 Schluss war. Und selbst, wer rechtzeitig einen Antrag stellte, ging oft leer aus. Denn für die wirklichen Opfer gilt ein Gesetz, das viele Möglichkeiten bietet, die Entschädigung zu verweigern. Zum Beispiel Kurt Baumgarte, jahrelang gefoltert im KZ Fuhlsbüttel. Seine Entschädigungsanträge nach dem Krieg wurden immer wieder abgelehnt – mit der gleichen Begründung, bis heute. Kurt Baumgarte, KZ-Überlebender (1997): „Da steht wörtlich folgendes drin: ‚Baumgarte wurde 1935 verhaftet und ’36 zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. Wiedergutmachungsleistungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz stehen ihm aber nicht zu, weil er sofort nach 1945 wieder Funktionär der KPD war.‘“ Für Männer wie Kurt Baumgarte gibt es auch heute keine Entschädigung. Stattdessen klagen die Vergangenheitspolitiker gebetsmühlenartig: Wolfgang Bosbach (CDU), Bundestagsdebatte 30. Mai 01: „Leider gab es in letzter Zeit nur wenige Veröffentlichungen, in denen darauf hingewiesen wurde, dass die Bundesrepublik in den vergangenen Jahrzehnten bereits weit über 100 Milliarden DM an Wiedergutmachungsleistungen erbracht hat.“ Zahlungen an die Opferseite von über 100 Milliarden Mark – da hat der Abgeordnete recht. Was er verschweigt. Die Täterseite hat viel mehr bekommen. Über 400 Milliarden Mark – und das allein für die so genannten Opferrenten an Hitlers Kriegsveteranen. Die haben Grund zur Freude. Boris Michailow, SS-Opferrentner Lettland (1993): „Große Dank an deutsche Regierung, dass uns nicht vergessen, das war so: Wir haben nie gedacht, dass kommt einmal mal solche Zeit. Hier wir waren nichts, ja.“ Und so marschieren sie weiter – großzügig unterstützt vom deutschen Steuerzahler, der sonst mit der Vergangenheit nichts zu tun haben will. „Wir haben von nichts gewusst!“ Wo früher der Galgen stand, kann man heute Tennis spielen. Die Nachbarn des ehemaligen KZ in Hersbruck wollen nichts vom Holocaust wissen – weder hier, noch anderswo. Anwohner: „Was haben Sie denn hier vor? Doch bestimmt nichts Gutes, wie ich Sie so betrachte.“ „Ja, wieso?“ „Ja, wenn ich Sie so beurteilen soll, die ganze Frage und die Formulierung der ganzen Angelegenheit.“ „Wissen Sie, dass hier viele Tausend Menschen gestorben sind?“ „Woanders sind die Menschen auch gestorben. Nicht bloß hier, fragen Sie mal welche, die in Russland waren, die werden Ihnen erzählen, wo die Menschen gestorben sind, und wo die sind, nicht bloß hier.“ „Von dieser Sache will ich nichts wissen.“ „Wieso wollen Sie da nichts wissen von?“ „Weil alles verlogen ist, was geschrieben wurde.“ „Was haben Sie denn gesehen?“ „Das geht Euch einen Scheißdreck an. Abhauen!!!“ Hans Koschnick (SPD), Zeitzeuge: „Wir haben gesehen, wie russische Kriegsgefangene durch die Straßen zu den Werkstätten getrieben worden sind, wie elend sie waren, wie verlumpt sie waren, wie schwierig es war. Wir haben gesehen, dass KZ-Häftlinge nach dem Bombenkrieg 44/45 in unseren Straßen aufräumten. Wir haben die Bewachung, die SS-Bewachung, ob es Frauen waren, dann waren es SS-Frauen, sonst waren es Männer, gesehen. Das ist nicht wahr, dass wir sagen können, wir wussten nicht, was passiert ist?“ Das KZ in Neuengamme bei Hamburg. Vor knapp 60 Jahren der Ort eines bestialischen Verbrechens. Die Nazis ermordeten hier über 50.000 Menschen, direkt neben dem Dorf. Wladimir Ostapenko, Überlebender KZ Neuengamme: „Jede Wolke aus dem Krematorium ein Menschenleben. Rund um die Uhr kam der Rauch da raus, 24 Stunden.“ Wladimir Chartschenko, Überlebender KZ Neuengamme: „Natürlich hat die Bevölkerung von Neuengamme das gesehen. Es kam ja immer ein Bauer, der die Asche aus dem Krematorium abholte – als Dünger.“ Das ehemalige KZ heute: ein Teil Gedenkstätte, der Rest weiter genutzt als Gefängnis. Auch die alten KZ-Pfähle finden die Neuengammer Bauern heute ganz praktisch – als Viehzaun. Was früher hier geschah, wollen viele nicht wissen. Dabei gibt es Fotos, wie die Neuengammer sonntags am KZ spazieren gehen – auch mit Kinderwagen. Sie konnten also sehen, was nach dem Krieg für alle Welt offenbar wurde. Doch das Grauen war nicht nur auf das KZ begrenzt. Jeden Tag liefen Häftlinge durch das Dorf Neuengamme zur Zwangsarbeit an der Elbe. Abends kamen nicht alle lebend zurück. Herbert Schemmel, Überlebender KZ Neuengamme (1988): „Die Bevölkerung von Neuengamme wusste doch ganz genau, wenn abends Elbe 1 einrückte, auf Schubkarren, wieviel Leichen sie reingebracht haben. Oder vorne an den Händen und hinten an den Füßen, zwei Mann trugen den nächsten Toten dann rein, da nicht. In der Kolonne da, nicht. Das haben die doch gesehen, diese enge Durchgangsstraße durch Neuengamme da, diese lange Straße.“ Doch bis heute hält sich die Verdrängung. Anwohner: „Ich wollte Sie fragen, was sie über das KZ Neuengamme wissen? Das war ja direkt hinter ihrem Garten sozusagen?“ „Ja, das stimmt wohl. Aber, ich weiß auch nicht viel davon. Man kam da ja nie vorbei.“ „Ich meine, da wurden ja viele Menschen ermordet in dem KZ.“ „Das haben wir alles nicht gehört damals, da haben wir nichts von gehört, gar nichts.“ „Sie sind da nie über das Gelände des KZ’s gelaufen?“ „Gar nicht, nee.“ „Interessiert Sie das nicht?“ „Nee, das interessiert mich weniger.“ Der Mann war nicht der einzige Nachbar, denn das KZ Neuengamme hatte Außenlager. Überall in Hamburg und in ganz Norddeutschland – insgesamt 80 Lager. Und überall ahnungslose Nachbarn. Auch wer nicht Nachbar war, musste bloß die Zeitung lesen. Hier wurden die KZ nicht etwa verschwiegen, sondern in Fotoreportagen dargestellt. Der amerikanische Historiker Robert Gellately hat die damaligen Zeitungen ausgewertet – das Ergebnis ist erschreckend. Professor Robert Gellately, Historiker: „‘Konzentrationslager‘ – das Wort konnte man in jeder deutschen Zeitung finden. Schon in den ersten Jahren – nehmen Sie jede x beliebige Zeitung. Es gab wirklich hunderttausende von Geschichten, etwa über Zwangssterilisierungen oder Leute, die ins Lager geschickt wurden – einfach nur, weil sie so genannte ‚Zigeuner‘®“Sinti und Roma“ waren.“ Sicher waren die Berichte zunächst geschönt. Dann aber wurden sie immer direkter: Die Zeitungen berichteten bald auch von Hinrichtungen und Toten. Und trotzdem wurden KZs immer populärer – zur Bekämpfung angeblicher Verbrecher. In Dachau gab es sogar einen Tag der offenen Tür. Professor Robert Gellately, Historiker: „Die Anwohner der KZ, etwa in Dachau, waren stolz auf ihr KZ. In der Überschrift einer Lokalzeitung heißt es etwa, das KZ sei der Wendepunkt für die Dachauer Geschäftswelt.“ Auch wer nicht in Dachau wohnte, hatte in Bayern oft eines der über 100 Außenlager in der Nähe. Nichts gewusst? Dabei haben die Nazis die Massentötungen keineswegs verheimlicht. Oft fanden Hinrichtungen sogar mitten im Ort statt, wie hier in Köln, damit mehr Leute zusehen konnten. Professor Robert Gellately, Historiker: „Die Deutschen sollten von den KZ wissen. Das Regime erhoffte sich Zustimmung nicht trotz der KZ, sondern gerade wegen der KZ.“ Und manche Deutsche verlangten nach noch mehr Toten – egal aus welchen Gründen: Professor Robert Gellately, Historiker: „Es gab Forderungen nach der Todesstrafe, einige boten sich sogar als ehrenamtliche Henker an. Im Krieg etwa ging es oft darum: was tun mit Frauen, die Sex mit Polen hatten? Die Einheimischen wollten sie gleich mit hängen, aber Hitler und Himmler wollten davon nichts hören.“ Dafür bauten sie das populäre Lagersystem immer weiter aus. 30 KZ und ®Vernichtungslager gab es in Deutschland, dazu 1.300 Außenlager. Weitere 2.300 Lager, etwa Arbeitserziehungslager und Vernichtungslager für Behinderte. Nicht auf dieser Karte sind die Lager für ®Zwangsarbeiter: weitere 20.000. Insgesamt fast 24.000 Lager. Viele Deutsche waren also Nachbarn und sagen heute: „wir wussten von nichts“. „Wir fahren nach Polen, um Juden zu versohlen“ – Selbst die Soldaten wussten viel mehr, als sie nachher zugaben. Im Verhör mit den Engländern beteuerten sie zwar immer wieder, sie hätten vom Holocaust nichts gewusst. Doch die Engländer verwanzten die Zellen der deutschen Kriegsgefangenen. Peter Maguire, Historiker: „Diese Unterhaltungen zeigen, dass das Wissen über die Gräueltaten weitverbreitet war und nicht etwa begrenzt auf die SS. Alle Teile der Wehrmacht wussten davon, selbst die niedrigsten Dienstgrade.“ Peter Maguire hat jetzt die Abhörprotokolle von damals gefunden. Peter Maguire, Historiker: „Dies sind nicht gerade die Leute, von denen man denkt, dass sie von den KZ wussten: Marineoffiziere! Die haben nichts mitbekommen, hieß es immer. Na gut: hier ist eine Unterhaltung vom 29. April 1945: Utke: Glauben Sie die Geschichten über die Lager? Engel: Na klar! Das wusste ich schon lange, was da los ist. Belsen und Buchenwald sind nichts Neues für mich. Utke: Wo sind die hin? Engel: Wohin? In die Gaskammern wahrscheinlich!“ Auch die Judenverfolgung wurde nicht nur von oben angeordnet. Henny Brenner wuchs hier in Dresden auf und musste damals den Judenstern tragen. Ihr Albtraum waren nicht nur die Nazis, sondern ganz normale Deutsche. Henny Brenner, Holocaust-Überlebende: „Die sind hinterhergelaufen, ganze Schulklassen ‚Judenschwein, Judensau, guck mal‘... Es haben Leute, hat eine Frau in der Bosbergstraße, ich kann Ihnen die Ecke zeigen, immer auf mich gewartet, regelmäßig und mich angespuckt und ‚runter vom Bürgersteig‘.“ Henny Brenner überlebte die Niedertracht ihrer Dresdener Mitbürger nur durch Glück, durch die Bomben der Alliierten. Henny Brenner, Holocaust-Überlebende: „Die Bomben waren unsere Rettung in dieser Nacht.“ Trauriges Fazit: Nur die Bomben auf deutsche Zivilisten konnten den Holocaust bremsen, den viele mitgetragen hatten. Würzburg – hier befindet sich eines der letzten erhaltenen Archive der Geheimen Staatspolizei. Herbert Schott, Staatsarchiv Würzburg: „Die Gestapo hatte einen entscheidenden Anteil am Unterdrückungsapparat. SA, SS haben vor Ort keine große Rolle gespielt. Die Gestapo hatte relativ wenige Mitarbeiter und keine informellen Mitarbeiter wie die Stasi später in der DDR, das heißt ohne Zuträger von außen wäre sie völlig machtlos gewesen, hätte sie nichts machen können.“ Hitlers willige Helfer: Zahllose Denunzianten (®Denunziation) aus der Bevölkerung. Angestellte denunzieren ihre Chefs, Ehemänner ihre Frauen. Und Nachbarn denunzieren alle, die nicht angepasst genug sind. Nur 12% ihrer Opfer hat die Gestapo selbst ermittelt. Ein Fall von vielen: Ilse Sonja Totzke, eine Musikstudentin. Gleich 15 mal wurde sie von Nachbarn denunziert – bei der Geheimen Staatspolizei: Sie sei „...spionageverdächtig...“, weil sie gut französisch spreche. Ein anderer moniert, sie habe „...keine normale Veranlagung (und sei) männerfeindlich“. Noch ein Nachbar bemängelt, dass sie „...bis in die Mittagsstunden schläft.“ Totzke wird von der Gestapo vorgeladen und verwarnt. Aber noch kein Arrest. Da denkt sich eine liebe Nachbarin etwas Neues aus: „Vorausschicken will ich, dass die Totzke den deutschen Gruß niemals erwidert. Dagegen hat sie immer für Frankreich und auch für Juden sympathisiert.“ Herbert Schott, Staatsarchiv Würzburg (liest aus einer Akte vor): „Die Genannte ist mir aufgefallen, weil sie einen jüdischen Einschlag hat. Oder etwa später: Ab und zu kommt eine Dame im Alter von etwa 36 Jahren, die das Aussehen einer Jüdin hat. Solche Vorwürfe wurden auch gemacht, völlig haltloser Art. Frau Totzke war nämlich keine Jüdin.“ „Aber am Ende ist sie im KZ Ravensbrück umgebracht worden.“ „Ja, weil sie Juden geholfen hat.“ Professor Robert Gellately, Historiker: „Manchmal war die Bevölkerung radikaler als die Nazis. Es gab so viele Denunziationen, dass die Gestapo nicht mehr hinterherkam.“ All das lagerte jahrzehntelang in diesem Archiv, ohne dass es einen deutschen Historiker interessierte. Bis der Kanadier Gellately kam. Herbert Schott, Staatsarchiv Würzburg: „Vor dem Kanadier Gellately war kein deutscher Wissenschaftler hier, der konkret nach Denunzianten oder ähnlichem gesucht hat in den Gestapo-Akten.“ „Warum denken Sie ist das Interesse bei den Deutschen so gering.“ „Man ist ja davon ausgegangen, dass es eine geringe Täterschicht war, die im Dritten Reich für die Verbrechen verantwortlich war. Aber die Zuträgerschaft, die wollte man wohl auch nicht sehen. Damit hätte man sich, sein Volk, seine Vorfahren, seine Familien vielleicht auch selbst in eine Mitschuld gebracht.“ Hitlers willige Helfer handelten nicht nur aus politischen Motiven. Viele Deutsche förderten die Vernichtung der Juden aus selbstsüchtigen Interessen. So auch in Hamburg. Tag für Tag liefen hier Schiffe mit so genannten „Judenkisten“ ein, dem geraubten Hausrat der deportierten Juden. Am Hafen brach ein wahrer Kaufrausch aus. Über 100.000 Hamburger beteiligten sich so an dem Raubmord. Jeder hatte Angst, bei der Schnäppchenjagd zu kurz zu kommen (®Arisierung). Ein Hamburger schrieb nach einer Deportationswelle an die Gestapo: „Ich möchte hiermit anfragen, ob man von den Möbeln einige Stücke käuflich erwerben kann.“ Gertrud Seydelmann, Zeitzeugin: „Wenn ich sie etwas besser kannte, und wusste, welche Gesinnung sie hatten, habe ich ihnen gesagt, hören Sie mal, ich gehe da nicht hin, das ist Blutgeld, das ist Hausrat von abtransportierten Juden, das ist blanker Diebstahl unter Gewaltanwendung. Und dann guckten sie etwas verdutzt, aber die Mäntel haben sie weiter getragen.“ Rassenwahn und Massenmord – viele beteuern noch heute: wir wussten von nichts. Die Wahrheit ist eine andere. Hans Koschnick (SPD), Zeitzeuge: „Brennende Synagogen und Gotteshäuser, die brannten, waren doch im Bewusstsein der Bevölkerung. Die Übergriffe gegen jüdische Geschäfte, sie waren doch in Erinnerung. Und dass Schüler erleben mussten, dass Schulkameradinnen und –kameraden nicht mehr kamen, weil sie plötzlich ausgesondert worden sind, hat doch zumindest zur Frage geführt, warum die eine oder der andere nicht mehr in der Schule sein durfte. Unkenntnis über das Unrechtssystem, wenn das behauptet wird, ist die große Lüge.“ Der Schlussstrich wurde in Deutschland früh gezogen. Zu früh. Viele Fragen wurden nie gestellt, viele Verbrechen nie geklärt. Es hat wohl nicht interessiert. http://www.ndrtv.de/cgi/framer/n3reportage/holocaust/index.html Betr.: Aktion 3. Deutsche verwerten jüdische Nachbarn. von Wolfgang Dreßen Preis: € 20,00 (1998) 256 Seiten Mit erschreckender deutscher Gründlichkeit wurde nicht nur die millionenfache Vertreibung und spätere Ermordung europäischer Juden vorbereitet und durchgeführt -- nein, man nahm diesen Menschen während der Naziherrschaft Stück für Stück auch noch ihr Eigentum. Die Nazis bereicherten sich mittels verschiedener Mechanismen an deren Besitz und Vermögen, seien es Juwelen, Möbel oder Sparbücher. Dem Autor dieses Buches gelang ein Blick in eigentlich immer noch gesperrte Akten der Oberfinanzdirektion Köln, wo er einen bisher eher wenig beachteten Aspekt der Judenverfolgung belegen konnte: Unter dem Mantel der vermeintlichen Rechtmäßigkeit erfaßten die zuständigen Verwaltungsbehörden jüdische Besitztümer, beschlagnahmten und verteilten sie neu -- mit einer bürokratischen Seelenlosigkeit gegenüber Verfolgten, die in ihrer Nüchternheit einfach niederschmetternd ist. Man forderte die Juden sogar auf, mitzuarbeiten, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten! Hier wird auch mit der Annahme aufgeräumt, daß keiner der Normalbürger im Dritten Reich etwas gewußt habe, denn viele der Gegenstände jüdischen Ursprungs wurden mit klaren Herkunftsvermerken an die Bevölkerung weiterverkauft, die diese günstigen Angebote gerne wahrnahm -- da halfen auch Decknamen wie "Aktion 3" nichts. Das Buch macht aber nicht beim Kriegsende halt, vielmehr zeigt es auch den nicht sehr rühmlichen Umgang nachkriegsdeutscher Beamten mit dem schweren Erbe. Allzu oft wurde keine wirkliche Wiedergutmachung geleistet. Daß eine Verwaltung hier die Untaten einer früheren Verwaltung bereinigen soll, ist wohl von vielen Beamten schlicht zuviel verlangt und erklärt vielleicht auch, weshalb Unterlagen zu diesen Tatbeständen immer noch unter Verschluß liegen. In Wahrheit jedoch hatten auch die vermeintlich nicht mit der "Judenfrage" befaßten niedrigen Verwaltungsebenen genauso ihre Finger im Spiel wie nahezu alle anderen staatlichen Institutionen Hitler-Deutschlands. Durch die Wiedergabe der Akten und die Erklärung der damit verbundenen Vorgänge verdeutlicht dieses Buch ein trauriges Kapitel Deutschlands sehr eindrücklich. Spätestens die Betrachtung des äußerst ausführlichen Dokumententeils läßt einen erschauern beim Blick auf penible Bestandslisten oder Verkaufsvermerke. Hier zeigt sich Bürokratie fürwahr von ihrer schrecklichsten Seite. --Joachim Hohwieler Kurzbeschreibung Vor der Deportation teilte der zuständige Regierungspräsident jedem Juden, Erwachsenen wie Kindern, mit, daß ihr Besitz legal dem Staat 'verfällt'. Die von den Nazis mit der Verwaltung des jüdischen Vermögens betrauten Ämter haben 'präzise' gearbeitet, wie Tausende Akten der Oberfinanzdirektion Köln belegen, von denen der Historiker Wolfgang Dreßen exemplarische Dokumente für dieses Buch ausgewählt hat. Aus den Quittungen der Finanzbeamten ging eindeutig hervor, daß es sich um 'Eigentum des Juden/der Jüdin/verschiedener Juden' handelte, doch offenbar hatte niemand Skrupel bei den 'legalen Geschäften'. Als wenige Überlebende nach dem 8. Mai 1945 Wiedergutmachung forderten, wiesen oft dieselben Beamten ihre Ansprüche zurück. Diese Publikation erzwingt neues Nachdenken über die Rechtmäßigkeit einer Legalität und eines Profitstrebens, die in Kauf nehmen, daß Menschen restlos verwertet werden. http://images-eu.amazon.com/images/P/3351024878.03.LZZZZZZZ.jpg http://www.stuve.uni-muenchen.de/pe/20010418-aktion3-daten http://www.uni-duisburg.de/SCHULEN/STG/Schulze_Boysen/Festrede.htm Antijüdische Gesetzgebung Während des nationalsozialistischen Regimes wurden in Deutschland mehr als 2.000 antijüdische Rechtsvorschriften erlassen. Durch diese Sonderverordnungen und -gesetze wurden die Juden in Deutschland Schritt für Schritt isoliert, ihrer Freiheiten und politischen Rechte beraubt. ®Arierparagraph ®Blutschutzgesetz ®Nürnberger Gesetze ®Reichsbürgergesetz ®Reichskulturkammergesetz http://shoanet.hbi-stuttgart.de/glossar/A.htm#Antijuedische%20Gesetzgebung http://www.jajz-ed.org.il/100/german/gloss/glosss.html http://www.uni-tuebingen.de/Kirchengeschichte/Gl-28-06-02.doc Antisemitismus Von Wilhelm Marr 1879 geprägter Begriff für die Ablehnung und Bekämpfung der Juden aus rassischen, religiösen oder sozialen Motiven. Der Antisemitismus hat weltweit eine lange und unrühmliche Tradition. Die ersten Judenpogrome in Deutschland wurden Ende des 11. Jh. im Zeichen des Kreuzzugsgedanken verübt. Für die Pest-Epidemie des 14. Jh. mußten die Juden als Sündenböcke herhalten. Der Reformator Martin Luther entwarf in seinen Spätschriften ein Zerrbild der Juden und rief zur Brandschatzung der Synagogen auf. In Spanien und Portugal wurden Juden, die sich nicht zwangstaufen ließen, 1492 aus dem Land vertrieben. Erst die Aufklärung brachte Ansätze zu mehr Toleranz gegenüber jüdischen Minderheiten, ohne daß die Überlegenheit christlichen Glaubens und nichtjüdischer Menschen grundsätzlich angezweifelt wurde. Neuen Auftrieb erhielt der Antisemitismus durch den wirtschaftlichen Konkurrenzneid des aufsteigenden Bürgertums gegenüber den Juden. Der Rassen-Antisemitismus der Neuzeit fand im ®Nationalsozialismus unter ®Hitler seine brutalste Ausprägung in der systematischen Ausrottung der Juden durch Massenmord. Die Taufe, früher oft Rettung von Verfolgung, bot im Deutschland Hitlers keinen Schutz mehr ®Juden oder „jüdisch versippte“ Bürger wurden zunächst aus dem öffentlichen Leben (Arierparagraph), dann aus dem Wirtschaftsleben ausgeschaltet und schließlich massenhaft ermordet. ®Endlösung ®Arisierung. Diese Entwicklung war nur denkbar, aufgrund einer antisemitischen Ideologie, die die Juden als Untermenschen und als „Parasiten“ sowie als die Urheber beider Weltkriege erklärte und so zu einer kollektiven Feindsysmbol machte. Auch nach dem Ende des ®2. Weltkrieges ist ein Antisemitismus als kollektives Vorurteil noch vielfach spürbar. Der Holocaust führte zwar zu einer internationalen Ächtung des Antisemitismus, doch keineswegs zu seinem Erlöschen. http://shoanet.hbi-stuttgart.de/glossar/A.htm#Antisemitismus „Das Interessante an der nachgerade nicht mehr verheimlichten Absicht der Nazis, die Deutschen dazu abzurichten, daß sie die Juden über die ganze Welt hin verfolgen und möglichst ausrotten, ist nicht die Begründung, die sie dafür geben - die ist so unverblümter Nonsens, daß es eine Selbsterniedrigung bedeutet, sie auch nur bekämpfend zu diskutieren - sondern eben diese Absicht selbst. Sie nämlich ist etwas tatsächlich weltgeschichtlich Neues: der Versuch, die Ursolidarität jeder Tiergattung untereinander, die sie allein zum Überleben im Existenzkampf befähigt, innerhalb des Menschengeschlechts außer Kraft zu setzen, die menschlichen Raubtierinstinkte, die sich sonst nur gegen die Tierwelt richten, auf Objekte innerhalb der eigenen Gattung zu lenken, und ein ganzes Volk wie ein Rudel Hunde auf Menschen »scharf zu machen«. Ist erst einmal die grundsätzliche immerwährende Mordbereitschaft gegen Mitmenschen geweckt und sogar zur Pflicht gemacht, so ist es eine Kleinigkeit, die Einzelobjekte zu wechseln. Schon heute (1939) zeigt sich ziemlich deutlich, daß man statt »Juden« auch »Tschechen«, »Polen« oder irgendetwas anderes setzen kann. Worum es sich hier handelt, ist die systematische Impfung eines ganzen Volkes - des deutschen - mit einem Bazillus, der bewirkt, daß die von ihm Befallenen gegen Mitmenschen wölfisch handeln; oder, anders ausgedrückt, die Entfesselung und Hochzüchtung jener sadistischen Instinkte, deren Niederhaltung und Abtötung das Werk eines vieltausendjährigen Zivilisationsprozesses war. ... Sollte dieser Versuch der Nazis - der eigentliche Kern ihrer gesamten Bestrebungen - tatsächlich gelingen, so würde das freilich zu einer Menschheitskrise allerersten Ranges führen, in der die physische Fortexistenz der Gattung Mensch in Frage gestellt werden würde und in der wahrscheinlich nur noch ungeheuerliche Mittel wie die physische Destruktion aller mit dem Wolfsbazillus Behafteten Rettung bringen könnte.“ (Sebastian Haffner, Geschichte eines Deutschen, Die Erinnerungen 1914 – 1933, Büchergilde Gutenberg, 2001) Appeasement (engl.: Beschwichtigung, Beruhigung) Grundsatz der Politik des britischen Premierministers Neville Chamberlain,®Hitler durch Gewährung „berechtigter“ Forderungen zu beschwichtigen, um auf diese Weise den Frieden zu erhalten. Ausdruck dieser Politik ist in erster Linie das Münchener Abkommen. Beeinflußt wurde diese Politik der Beschwichtigung durch die Fehleinschätzung Hitlers. Zusätzlich kam die weitverbreitete Erkenntnis hinzu, daß man den Deutschen aufgrund des in manchen Bereichen sehr harten Versailler Vertrages entgegenkommen müsse. http://www.niester.de/g_neuzeit/wk_ii/muench_abko/muench_abko.html Arbeitsdienst, Reichsarbeitsdienst Allgemeine Dienstpflicht für männliche Arbeitskräfte im Alter von 18 bis 25 Jahren zur Bewältigung gemeinnütziger Aufgaben. Die halbjährige Dienstpflicht im RAD wurde 1934 eingerichtet. Auf diese Weise sollte zunächst die Jugendarbeitslosigkeit bekämpft werden. Später diente der RAD Hitler vor allem der nationalsozialistischen Beeinflussung junger Menschen. Die paramilitärische Ausbildung kam im Krieg vor allem der Wehrmacht zugute. Der weibliche Arbeitdienst wurde 1936 ins Leben gerufen, von 1939 war der Dienst auch für Frauen obligatorisch. Während der männliche Teil des RAD hauptsächlich zu Bodenkulturarbeiten, Autobahnbau und zur Errichtung des Westwalls eingesetzt wurde, betätigten sich die „Arbeitsmaiden“ zumeist in der Landwirtschaft. Am Ende des Krieges wurden Angehörige des RAD im Volkssturm eingesetzt. http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/innenpolitik/arbeitsdienst/ http://www.documentarchiv.de/ns/1934/rad-fr_ges.html http://balsi.de/organrad.htm Arbeitslager Arbeitslager waren meist primitive Barackenlager zur Unterbringung von ®Zwangsarbeitern. Die Lager unterschieden sich nicht von den ®Konzentrationslagern, durften aber - aus ®SS-internen verwaltungstechnischen Gründen - nicht so bezeichnet werden. In den Arbeitslagern herrschten die gleichen tödlichen Bedingungen wie in den Konzentrationslagern. ®Terrormassnahmen http://www.zweitausendeins.de/pdf/ZA.pdf http://www.learn-line.nrw.de/angebote/zeus/thema/rechtegewalt/inhaltnationalsozi.htm Ariernachweis Nach der nationalsozialistischen ®Machtübernahme fand ein staatlich verordneter Antisemitismus durch das ®“Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 Eingang in die Gesetzgebung. Der erstmals im diesem Gesetz formulierte ® Arierparagraph diente hauptsächlich dem Zweck, jüdische Bürger aus dem Berufsleben zu entfernen. Beamte und öffentliche Angestellte mußten „arischer“ Abstammung sein, um weiterhin im Dienst bleiben zu können. Als „nichtarisch“ galt, wer einen jüdischen Eltern- oder Großelternteil besaß. Mit zusätzlichen Verordnungen und Gesetzen waren im Verlauf des Frühlings 1933 unter anderem auch Ärzte und Rechtsanwälte betroffen. Um ihre Berufe weiterhin ausüben zu können, mußten die Betroffenen fortan einen Abstammungsnachweis (Ariernachweis) erbringen. Der Ariernachweis bestand aus Heirats-, Geburts- oder Sterbeurkunden, die von Pastoren, Standesamtbeamte und Archivaren offiziell beglaubigt werden mußten. Zusätzlich zu den Urkunden konnte der Nachweis auch in einem amtlich beglaubigten Ahnenpaß oder in einer Ahnentafel festgelegt werden. Um eine „arische“ Herkunft einwandfrei zu beweisen, mußten die Urkunden bis zu den Großeltern zurückreichen. Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) forderte für ihre Mitglieder einen Beleg, der bis 1800 zurückführte. Mit den ®Nürnberger Gesetzen von 1935 erweiterte sich der Ariernachweis auf alle Bürger des Deutschen Reichs. Der Ariernachweis wurde dadurch ein Bestandteil des Alltags der deutschen Bevölkerung. Die Nürnberger Gesetze bedeuteten nicht nur eine Verstärkung der wirtschaftlichen Ausgrenzung der Juden, sondern auch den Verlust politischer Rechte durch das „Reichsbürgergesetz“ vom 15. September 1935. Mit diesem Gesetz wurden die Juden vom ®NS-Regime zu Bürgern minderen Rechts degradiert. Das zweite auf dem Nürnberger Parteitag von 1935 verkündete Gesetz „Zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ verbot Eheschließungen zwischen Juden und Deutschen auf Grundlage des Ariernachweises. Unter der dringenden Notwendigkeit der Ahnenforschung wuchs die Zahl der Sippenforscher enorm an. Eigens für diese Ahnenangelegenheiten wurde die „Reichsstelle für Sippenforschung“ (ab 1940 „Reichssippenamt“) gegründet, welche die Abstammungsnachweise auf Grund der Urkunden ausstellte. http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/antisemitismus/ariernachweis/index.html http://www.zum.de/Faecher/G/BW/neuzeit/zwanz/ns/arier.htm http://www.buehler-hd.de/gmuseum/ns/arier02.htm http://history.zkm.de/holocaust/g/archiveglossary/?ds=1 Arierparagraph Arierparagraph war die Bezeichnung für Bestimmungen in Gesetzen, Erlässen, Verordnungen und Satzungen, durch die ®Juden die Mitgliedschaft verwehrt, ihre Beschäftigung untersagt und die Ausübung bestimmter Berufe verboten wurde. ® Antijüdische Gesetzgebung Zwei Monate nach der nationalsozialistischen ®Machtübernahme verabschiedete die Reichsregierung am 7. April 1933 das ®“ Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“. Das Gesetz diente als Handhabe zur Gleichschaltung des öffentlichen Diensts und der Entlassung von Gegnern des ®NS-Regimes. Davon betroffen waren auch alle Beamten und Angestellten jüdischen Glaubens. Der in diesem Gesetz erstmals ausformulierte „Arierparagraph“ (Paragraph 3) verbot die Beschäftigung von „Nichtariern“ im öffentlichen Dienst, die in den sofortigen Ruhestand zu versetzen waren. Als „nichtarisch“ galt, wer einen jüdischen Eltern- oder Großelternteil besaß. Von dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vorerst ausgenommen waren jüdische Frontkämpfer des Ersten Weltkriegs und ihre Angehörigen sowie vor dem 1. August 1914 Verbeamtete. Mit Verabschiedung der ®Nürnberger Gesetze im September 1935 entfiel diese Ausnahme. Der von den Nationalsozialisten als „völkische Gesetzgebung“ bezeichnete „Arierparagraph“ verdrängte jüdische Bürger aus allen beruflichen und gesellschaftlichen Bereichen. Auf Druck der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) übernahmen 1933 nahezu sämtliche Organisationen, Verbände und berufsständischen Vereinigungen den „Arierparagraph“. So begrenzte das „Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen“ vom 25. April 1933 die Neuzulassung jüdischer Schüler und Studenten entsprechend dem jüdischen Bevölkerungsanteil auf eineinhalb Prozent. Mit Gründung der ®Reichskulturkammer im September 1933 wurden Juden aus der Presse sowie aus künstlerischen und freien Berufen ausgeschlossen. Nach Verabschiedung des Erbhofgesetzes vom 29. September 1933 war auch der Besitz eines vererbbaren Bauernhofs an die „arische“ Abstammung gebunden. Ab Mai 1935 war diese auch Voraussetzung für den aktiven Wehrdienst in der Wehrmacht. http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/antisemitismus/arierparagraph/index.html http://shoanet.iuk.hdm-stuttgart.de/glossar/A.htm#Ariernachweis http://www.demokratiezentrum.org/search_agent/display_GLOSSAR1.asp?ID=33 Arisch (Sanskrit: Arya der Edle). Der Begriff arisch erhielt in der nationalsozialistischen ®Rassenkunde eine wissenschaftlich unhaltbare Auslegung. Danach ist ein Mensch arischer Abstammung, der frei von anderem (fremdem) Rassenerbgut ist. Als fremd galten außer den ®Juden alle eingeborenen Rassen der nicht-europäischen Erdteile sowie die ®Zigeuner. Auf dieser unsinnigen „Theorie“ beruht die willkürliche Auslegung des Begriffs arisch und die Einteilung der Menschen in Angehörige höher- und minderwertiger Rassen durch die ®Nationalsozialisten. ®Nichtarisch ® Nordische Rasse http://www.unibas.ch/klaphil/idg-ie.html http://shoanet.iuk.hdm-stuttgart.de/glossar/A.htm#Arisch http://www.nrw.de/zivilcourage/dgb_jugend/wettbewerb.html Arisierung Der Begriff „Arisierung“ ist eine nationalsozialistische Wortprägung. Sie bezeichnet die Enteignung der Juden und die Überführung ihres Eigentums in ®arischen, das bedeutet in nicht-jüdischen Besitz. Der Prozeß hatte in Deutschland zwei Phasen: ®Reichspogromnacht ®Nürnberger Gesetzt, ® Entschädigungen http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/beitrag/tagber/ari.htm http://www.bessereweltlinks.de/book34o.htm „Doppelmord“ Einführung Anfang Mai 1995 haben wir uns erinnert, daß der vor 50 Jahren vom deutschen Boden aus ent-fachte Zweite Weltkrieg zu Ende ging. Je nach persönlicher Herkunft, nach Lebensalter und Be-reitschaft, innezuhalten, haben wir uns mit Betroffenheit der unsagbaren Leiden erinnert. Die Veteranen der westlichen Alliierten haben - vermutlich - letztmalig ihres Sieges gedacht. Rußland beging die Gedenkfeiern des vaterländischen Krieges. Im Mittelpunkt all dieser Reflexionen standen allerdings nicht so sehr die bedingungslose Kapitulation und die sich daraus ergebenden völkerrechtlichen Implikationen. Befaßt haben wir uns primär mit den geistigen Strömungen, mit den ökonomischen Rahmenbedingungen, mit den Trends, die in ihrer Vernetzung und Addition auf diesen Tag hinausliefen. Befaßt haben wir uns mit dem Mythos „Adolf Hitler“, dem Synonym für das Abscheuliche schlechthin, mit einer heute noch allgegenwärtigen Figur, die zu keiner historischen werden will. Die seit Kriegsende verflossenen fünf Dezennien sind für einen Menschen eine große Spanne. Zeit genug, zu bedenken, was sich im „Dritten Reich“, das formal gesehen lediglich zwölf Jahre bestand, vollzogen hat. In der Tat ist sehr vieles von diesem Zeitabschnitt strukturiert und analysiert worden. Filme, Fernsehserien, hervorragende wissenschaftliche Werke vermitteln denen, die sich damit auseinandersetzen wollen, einen tiefen Einblick in diese Periode. Aber alle Bilder und Schriftsätze blieben - nach meiner Meinung - in ihrer Wirkung bisher begrenzt. Die „Öffentlichkeit“ hat ihre Vergangenheit nur bedingt aufgearbeitet. Die Geschehnisse wurden noch nicht einmal bewußt tabuisiert; es war vielmehr das Gefühl des Betäubtseins, das zu dieser Paralyse führte. Auch die großen Strafprozesse konnten kaum etwas ändern : - Ich nenne den von den Alliierten angestrengten Nürnberger Kriegsprozeß; vor exakt 50 Jahren - am 18. Oktober 1945 - trat der Internationale Militärgerichtshof im Großen Saal des früheren Volksgerichtshofs in Berlin zusammen, um die Anklage gegen Göring und andere entgegenzunehmen. - Ich erinnere an den Eichmann-Prozeß, der am 16. Dezember 1961 mit der Verkündung des Todesurteils in Jerusalem zu Ende ging. - Ich erinnere an den Auschwitz-Prozeß, der am 20. Dezember 1963 im Stadtverordnetensaal des Frankfurter „Römers“ eröffnet und vor exakt 30 Jahren beendet wurde. Hieran war - ebenfalls zur Erinnerung - der Staatsanwalt Erwin Schüler maßgeblich beteiligt, der erste Leiter der in Ludwigsburg eingerichteten „Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Verfolgung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen“. - Es gab weitere Verfahren; z. B. bestrafte am 25. März 1966 das Oberste Gericht der DDR den Lagerarzt Fischer mit dem Tode. Diese Gerichtsverfahren konfrontierten uns mit unserer Vergangenheit; sie waren ein Stück Geschichtsschreibung. Martin Walser formulierte es 1965 so: „ Der Prozeß gegen die Chargen von Auschwitz ist weit mehr als ein Akt der Rechtsprechung. Geschichtsforschung läuft mit, Enthüllung, moralische und politische Aufklärung einer Bevölkerung, die offenbar auf keinem anderen Wege zur Anerkennung der Geschehen zu bringen war. Trotz dieser Verfahren, der Auschwitz-Prozeß war der größte und bis dahin längste Mordprozeß in der Rechtsgeschichte, trotz der teilweise hervorragenden wissenschaftlichen Begleitungwie z. B. durch die Professoren Buchheim, Broszat, Jacobsen und Krausnick, gibt es 50 Jahre nach der Kapitulation Bereiche, die weitgehend unbeachtet blieben. Dazu zählt u.a. die von der NSDAP gegen die Juden betriebene Vermögens- und Wohnungspolitik. Neben der allgemeinen Politik“ wurden spezielle Gesetze, Erlasse und Verordnungen verabschiedet, mittels derer - als Vorstufe der systematisch geplanten und sukzessiv vollzogenen Vertreibung und physischen Auslöschung der Juden - ihre soziale, wohnliche und ihre wirtschaftliche Vernichtung vorausging. Hierzu dienten Eingriffe in das Mietrecht, Verbot wohnungswirtschaftlicher Betätigung wie Makeln und vor allem dieweitgehend entschädigungslose Enteignung von Vermögen an Haus und Grund einschließlich der mobilen Güter sowie die „Entjudung“ von Wohnungen. Mit dem Aufkommen aus der Reichsfluchtsteuer, der Sühneleistung und der Vermögensverwertung geflohener, deportierter und getöteter Juden sollten Aufrüstung und Kriegsfolgen finanziert werden; Zwangsräumungen und anschließende Einweisung in „Judenhäuser“, Ghettos und Verbringung in Konzentrationslager waren ein Teil der Stigmatisierung von Juden, zugleich aber auch ein Ansatz, ohne Neubau über mehr Wohnraum zu verfügen. 2. NSDAP-Parteiprogramm als Grundlage der Judenvernichtung Grundlage der gesamten, gegen die Juden gerichteten Gesetzgebung waren die Punkte 4 und 5 des Parteiprogramms der NSDAP : „Staatsbürger kann nur sein, wer Volksgenosse ist.Volksgenosse kann nur sein, wer deutschen Blutes ist. Kein Jude kann daher Volksgenosse sein“ (Punkt 4). „Wer nicht Staatsbürger ist, soll nur als Gast in Deutschland leben (...)“ (Punkt 5). Ein Instrument der Vertreibung und Ausrottung - um diesen „Gastzustand“ so rasch wie möglich zu beenden – waren die Enteignungen des Eigentums. „Die Wegnahme von Gütern tritt hier entschädigungslos ein, weil die Erhaltung des Aufgabenkreises eines unwürdigen Eigentümers sich als völkischer Unrechtszustand darstellen würde.“ Bei der wirtschaftlichen Vernichtung - als Vorstufe der „Endlösung“ - sind folgende Zeitabschnitte zu unterscheiden, in denen sich die Maßnahmen kontinuierlich verschärften, die Verantwortlichen immer rücksichtsloser vorgingen : - Machtergreifung“ und Boykottag (1933) - „Nürnberger Gesetze“ (1935) - Vierjahresplan (1936) - November-Pogrom (1938) sowie - Wannsee-Konferenz (1942) Die Abgrenzung nach Zeitabschnitten ist insofern bedeutsam, als das „Dritte Reich“ anfänglich in der Judenfrage nicht ganz stringente Ziele verfolgte. Zahlreiche Funktionäre, hier vor allem wohl Hitler, wollten bei reichen Juden deren Vermögen konfiszieren; Bedürftige dagegen sollten vernichtet werden. „Darum gab Hitler in einem verhältnismäßig frühen Stadium seiner Eroberung alle seine Pläne, die kapitalistische Macht des Weltjudentums zu brechen, zu Gunsten eines Massakers jener europäischen Juden auf, die in seine Netze gerieten. Hitler ließ sich von seinem „Gefühl“ (...) leiten, der leichteren Beute, den proletarischen Juden, nachzugehen und weitgehend gerade jene Art von Juden zu schonen, gegen die er seine schärfsten Angriffe richtete. Es war in jenem Stadium sowohl der Deportierung als auch des Massakers für Juden, die über geheime Kapitalien verfügten, möglich, sich ihr Leben zu erkaufen. Vor Hitlers eigenen Augen vollzogen sich die größten Geschäfte um das Entwischen vor dem den Juden bereiteten Los. Je ärmer die Gemeinschaft der östlichen Juden war, um so grausamer und vollständiger erfolgte ihre Ausrottung, aber in Deutschland waren soziale Stellung und akademische Grade unter Umständen selbst in Konzentrationslagern der Titel für das Überleben eines Juden. Obwohl Hitler während des ganzen Krieges seine Schimpfkanonaden gegen das „Finanzjudentum“ fortsetzte, hatte er trotzdem niemals ernstlich versucht, die Gestapo an dem Schacher um das Leben begüteter Juden zu hindern. 3. Etappen der Enteignung des jüdischen Vermögens Wenden wir uns nunmehr den Etappen der Enteignung des jüdischen Vermögens im einzelnen zu. Eingeleitet wurde die „Verwirkung“ des Eigentums durch drei Gesetze: Das „Gesetz über die Einziehung kommunistischen Vermögens“ vom 26. Mai 1933 und das „Gesetz über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens“ vom 14. Juli 1933 ermöglichten die Wegnahme aller Vermögensgegenstände, die der KPD und der SPD gehört hatten. Da sich die Vorschriften auch auf das Vermögen von Organisationen staatsfeindlichen Bestrebungen erstreckten, war von Anfang an das jüdische Vermögen betroffen. Die erste fiskalisch wirksame Maßnahme war die bereits von der Regierung Brüning 1931 eingeführte „Reichsfluchtsteuer“. Im „Dritten Reich“ wurde sie - bis zum November-Pogrom - zu einem systematischen Instrument des Vermögensentzugs auswandernder Juden ausgebildet, da für Juden eine Steuerbefreiung nicht in Betracht kam. Diese wurde nur solchen Personen gewährt, denen das Finanzamt bescheinigt hatte, daß die Aufgabe des inländischen Wohnsitzes im deutschen Interesse liege. „Ein deutsches Interesse liegt, so der Reichsfinanzhof, nur vor, wenn deutsche Kultur, deutsche Art und deutsches Wesen durch eine planmäßige, hierauf gerichtete Tätigkeit gefördert werden solle“. Insgesamt machte das Aufkommen aus dieser Steuer zwar nur einen verhältnismäßig kleinen Teil des enteigneten jüdischen Vermögens aus. Die Steuer war aber ein wichtiger Entscheidungsgrund für die Juden über ihre Auswanderung. Daß bis zum November-Pogrom viele reiche Juden zögerten, ins Ausland überzusiedeln, lag nicht zuletzt an der Reichsfluchtsteuer. Sie wurde nach dem letzten geschätzten Steuerwert des Vermögensobjekts, d.h. unabhängig von dem tatsächlich erzielten Verkaufspreis, berechnet. Jeder Verkauf unter Wert - und das traf auf fast alle „Notverkäufe“ von Immobilien zu - erhöhte den realen Steuersatz. Hinzu kam, daß emigrierende Juden aufgrund der bestehenden Devisenbestimmungen auch nach der Steuerzahlung ihr Geld nicht ins Ausland transferieren konnten, sondern es auf einem „Auswanderersperrmark-Konto“ im Reich belassen mußten. Der Verkauf von Sperrmark gegen Devisen war mit erheblichen Kursverlusten verbunden. Bis Anfang 1935 zahlte die Reichsbank noch die Hälfte des offiziellen Marktkurses aus, dann setzte sie die Quote bis auf 4 v.H. im September 1939 herab. Reichsfluchtsteuer, Auswanderersperrmark-Konten und willkürliche Wechselkursmanipulationen waren Mittel einer scheinbar legalen Enteignung. Bis zum November-Pogrom mußten Juden mit etwas Vermögen entweder bereits über Geld im Ausland verfügen oder die drohende Entwicklung, d.h. ihre Ausrottung, erkennen, um sich zur Auswanderung zu entschließen. Mit dem „Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit“ vom 13. Juli 1933 konnte das Vermögen von Personen, denen die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt worden war, d.h. insbesondere das der Emigranten, eingezogen werden. Das Vermögen wurde dem Reich dann für verfallen erklärt, wenn der Ausgebürgerte durch sein Verhalten im Ausland, „das gegen die Pflicht zur Treue gegen Reich und Volk verstieß“, die deutschen Belange geschädigt und/oder wenn er einer Rückkehraufforderung des Reichsministeriums des Innern nicht Folge geleistet hatte. Nach den hierzu ergangenen Durchführungs-Verordnungen konnten Grundstücke auf Antrag des zuständigen Finanzamts im Grundbuch auf den Namen des Reiches umgeschrieben werden. Eine Bereinigung solcher Verhältnisse wurde bald als dringend notwendig erachtet, weil „das Bestehenbleiben der Hypotheken an eingezogenen Grundstücken zu unerquicklichen Zuständen geführt hätte. Durch den Reichsparteitag 1935 in Nürnberg, der sich in Überheblichkeit „Reichsparteitag der Freiheit“ nannte, wurde die Garrotte weiter angezogen. Hier erging neben dem ®“Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ am gleichen Tag das ®“Reichsbürger Gesetz“. Mittels dieses Gesetzes - bzw. durch die später ergangenen 13 Durchführungs-Verordnungen - wurden den Juden sämtliche staatsbürgerlichen Rechte genommen. „Reichsbürger“ und damit alleiniger Träger der vollen politischen Rechte waren nur Staatsangehörige deutschen oder artverwandten Blutes, die durch ihr Verhalten bewiesen, daß sie gewillt und geeignet seien, in Treue dem deutschen Volk und Reich zu dienen. Damit war der Jude vogelfrei und im Namen des Gesetzes der Willkür der NS-Machthaber preisgegeben. Bei den „Nürnberger Gesetzen“ handelt es sich um das „teuflischste Gesetzeswerk“, das die Geschichte Europas kennt. Der auf dem Nürnberger Parteitag 1936 verkündete Vierjahresplan, der die Phase der beschleunigten Aufrüstung der deutschen Wehrmacht einleitete, hatte zum Ziel, das gesamte Judentum haftbar zu machen für alle Schäden, „die durch einzelne Exemplare dieses Verbrechertums der deutschen Wirtschaft und damit dem deutschen Volk zugefügt werden“. Die Erhebung einer „Judensondersteuer“ aufgrund des Vierjahresplans verzögerte sich allerdings um zwei Jahre, weil Göring als dessen Beauftragter Besorgnis geäußert haben soll, wonach die nicht auszuschließende Reaktion der Weltöffentlichkeit auf die Verkündung eines solchen Gesetzes hin eine gewisse Gefahr für die Rohstoff- und Devisenlage des Reiches bedeuten würde. Am 26. April 1938 erging dann aber die „Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden“. Jeder Jude hatte danach sein gesamtes in- und ausländisches Vermögen zu deklarieren und zu bewerten. Auf einem viele Seiten umfassenden Fragebogen wurde bis ins kleinste Detail über jede Kapitalanlage inkl. Lebensversicherung, über Luxusartikel und Kunstgegenstände Auskunft verlangt. Außerdem wurden die Juden durch verschiedene vage Hinweise und gezielte Gerüchte veranlaßt, ihr Vermögen nicht unter Wert anzugeben. Auf einer vom Reichswirtschaftsministerium abgehaltenen Pressekonferenz wurde angedeutet, den Juden solle die Bewertung ihres Besitzes selbst überlassen werden, damit der Eigentümer im Falle einer Vermögensübernahme durch den Staat entschädigt werden könne. Der Hinweis, nicht mehr als den deklarierten Wert gegebenenfalls zu vergüten, veranlasste nicht wenige Juden, ihren Grundbesitz mit einem höheren als dem Steuerwert anzugeben. Nach der „Reichskristallnacht“ sollten die Juden eine Kontribution von einer Milliarde Reichsmark gemäß der „Verordnung über eine Sühneleistung der Juden deutscher Staatsangehörigkeit“ vom 12. November 1938 ezahlen. Aufgrund der „Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens“ vom 3. Dezember 1938, konnte den Juden die Veräußerung ihrer Gewerbebetriebe und Grundstücke aufgegeben werden. Ferner durften sie Immobilien nicht mehr erwerben. Bei der Zwangsversteigerung von Grundstücken hatte das Vollstreckungsgericht Gebote zurückzuweisen, wenn Anlaß zu der Annahme bestand, daß der Bieter Jude war. In der Reichshauptstadt Berlin wurde dem Generalbauinspektor ein Vorkaufsrecht eingeräumt, wenn ein Jude ein im Gebiet der Reichshauptstadt gelegenes Grundstück veräußerte. Mit Inkrafttreten dieser Erlasse und Verordnungen wurde der psychische Druck auf jüdische Grundstückseigentümer, zu veräußern, erhöht, „insbesondere, wenn es sich um größere Objekte handelte, auf die einflußreiche Lokalgrößen, führende NSDAP-Funktionäre und Polizei -Angehörige ein Auge geworfen hatten. Der 1939 emigrierte Rechtsanwalt Neumann hat in seinen Aufzeichnungen eine persönliche Schilderung seiner Verhältnisse gegeben. Ich zitiere aus seinem Bericht: „An einem Tag erhielten ich und einige Kameraden den Befehl, uns nach dem Abendappell (Anm.: Neumann saß im KZ Oranienburg ein) in der Schreibstube zu melden. Wir mußten Stunden um Stunden herumstehen ohne zu wissen, was uns erwartete. Schließlich hörten wir, der Notar sei noch nicht da. Wir waren alle Grundstücksbesitzer. Es war ziemlich kalt; vom frühen Morgen an waren wir ohne wesentliche Nahrung auf den Beinen im Freien ohne Mütze, ohne Mantel. An diesem Abend wäre ich auch bald umgekippt, zumal wir stundenlang auf einem Fleck stehen mußten. Wir wurden schließlich einzeln hereingerufen. Die Polizei verlangte den Verkauf unserer Grundstücke. Ich sollte meiner Frau eine notarielle Vollmacht erteilen. Ich wollte etwas über den Kaufpreis in die Verkaufsvollmacht hereinnehmen. Der Notar erklärte: Ich muß es ablehnen, über den Preis irgend etwas aufzunehmen. Den Preis bestimmt die Regierung. Wir unterschrieben natürlich alle. Was hätten wir in unserer Lage auch tun sollen? Da der „Völkische Beobachter“ in den Blocks gehalten wurde, hatten wir ja die Gesetze gelesen, aber Gesetze gaben ja nur den Ton an. Wesentlich war, was das volle Orchester des Parteiapparates daraus machte. Und das konnten wir im KZ nicht wissen ... . Das Haus, um das sich viele Interessenten rissen, mußte meine Frau an einen Kollegen verkaufen, der SA-Führer war. Wie er sagte, sehe es auch der Polizei-Hauptmann gern, wenn er das Haus bekäme. Er bekam es dann auch, 9.000,-- DM billiger, als die anderen boten. Angeblich hätte es sonst das Arbeitsamt für die Hälfte bekommen. Bei einer Weigerung meiner Frau wäre ich wohl nicht so leicht aus dem KZ gekommen“. Nach der „Auswanderer-Abgabe-Verordnung hatten aus Deutschland auswandernde Juden, welche Mitglieder der Reichsvereinigung der Juden waren, dann eine außerordentliche Abgabe zu leisten, wenn sie ein Vermögen von mehr als 10.000 Reichsmark hatten. 4. Vermögensverfall deportierter Juden Mit der ersten Deportation stellte sich die bis dahin dilatorisch behandelte Frage, wie das Vermögen dieser Juden zu behandeln sei. Alle zuvor erwähnten Gesetze, Verordnungen und Erlasse betrafen - streng genommen - nur ausgewanderte, vertriebene, geflohene Juden. Als besonders dringlich erwies sich hierbei die Behandlung des Grundvermögens deportierter Juden. Nach den vorangegangenen Erlassen des Reichsfinanzministeriums an die Oberfinanzdirektionen waren sie nur in Verwahrung zu nehmen. Die Umschreibung im Grundbuch konnte, aber mußte nicht beantragt werden. Im Falle einer Beantragung ersetzte die Einziehungsverfügung mit Zustellung der Urkunde durch den Gerichtsvollzieher die nach den Vorschriften der Grundbuchordnung erforderlichen Erklärungen. Im Sinne der nationalsozialistischen Bestrebung, die Judenvernichtung streng nach Recht und Ordnung abzuwickeln, schuf die „Elfte Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941 endlich Klarheit. Nach dieser Verordnung verloren Juden, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hatten, wozu prinzipiell die Standorte der Konzentrationslager zählten, ihre deutsche Staatsangehörigkeit. Ihr Vermögen verfiel dem Deutschen Reich. Das Reich wiederum haftete für die Schulden eines Juden, dessen Vermögen verfallen war, nur bis zur Höhe des Verkaufswertes derjenigen Sachen und Rechte, die in die Verfügungsgewalt des Reichs gelangten. Grundbücher, soweit sie durch den Verfall unrichtig geworden waren, waren auf Ersuchen des Oberfinanzpräsidenten Berlin - der hierfür reichseinheitlich zuständigen Stelle - gebührenfrei zu berichtigen. Zur Eintragung des Verfalls einer Hypothek - so die Verordnung - bedurfte es der Vorlegung eines Briefes nicht. Nach Auffassung des ®Reichssicherheitshauptamtes war es nun endgültig möglich, legal das Vermögen deportierter Juden zu konfiszieren. Es sollte nicht länger mehr nur „vorsorglich“ beschlagnahmt werden. Mit der ®Wannsee-Konferenz am 20. Januar 1942 begann der letzte Abschnitt der systematischen Judenvernichtung. Ziel war die Aufstellung eines allumfassenden Deportationsplans für die Juden aus dem gesamten europäischen Raum. Die in Kürze danach ergangenen Erlasse enthielten präzise Einzelheiten über die Verwaltung und Verwertung des Vermögens von Reichsfeinden sollte das großdeutsche Reich „judenfrei“ und damit sämtliches jüdisches Vermögen eingezogen sein. 5. Vermögensentzug in toto Welche Vermögen den Juden exakt entzogen wurden, ist unbekannt. Schätzungen belaufen sich auf eine Summe von über 2 Milliarden Reichsmark. Unter Androhung von Gewalt, Erpressungen und falschen Informationen mußten im Durchschnitt Häuser zu ca. 30 v.H. und unbebaute Grundstücke zu 10 v.H. des Verkehrswertes veräußert werden; aufgrund der zuvor beschriebenen Wechselkursmanipulation erhielt der Veräußerer tatsächlich nur Bruchteile der Vermögenswerte. Dabei ist es unerheblich, ob die liquidierten Vermögen Parteifunktionären persönlich, der Gestapo oder der Reichsfinanzverwaltung zuflossen. Entscheidend allein war, daß den Juden, soweit sie fliehen konnten, kaum Vermögen blieb. Wurden sie dagegen deportiert und vernichtet, verloren sie ihr gesamtes Vermögen. Selbst für die Kosten der Deportation mußten sie aufkommen. Die Reichsbahn stellte für die 3. Klasse pro Fahrgast und pro Schienenkilometer den regulären Fahrpreis von 4 Pfennig in Rechnung. Kinder unter 10 Jahren fuhren zum halben Preis. Für Kinder unter 4 Jahren wurde nichts verlangt. Im Fahrpreis enthalten waren auch der Verpflegungsmehraufwand für die begleitenden Reichsbahnbediensteten. 6. Mieterschutz Betrachten wir nunmehr das speziell gegen Juden gerichtete Mietrecht. Interessanterweise enthielten die für alle Reichsdeutschen geltenden Gesetze, Verordnungen und Erlasse kaum bevölkerungsspezifische Einschränkungen. Die Rechtsprechung dagegen hatte immer wieder - entgegen dem Wortlaut des geltenden Rechts - im vorauseilenden Gehorsam Juden diskriminiert, so z. B. beim Mietrecht. Nach einem Urteil des Amtsgerichts Nürnberg war das Mieterschutzgesetz als die Verwirklichung der Volksgemeinschaft auf dem Gebiete des Wohnungswesens zu betrachten, das auf „außerhalb der Gemeinschaft des deutschen Volkes stehenden Personen keine Anwendung finden könne“. Unabhängig von solchen - ich möchte fast sagen : eigenmächtigen - Interpretationen wurde im Laufe der Zeit eine Vielzahl spezieller, antijüdischer Gesetze erlassen; zu erwähnen ist u.a. das „Gesetz über die Mietverhältnisse mit Juden“ vom 30. April 1939, wodurch der Mieterschutzzwang nicht generell aufgehoben, aber in die Mietverhältnisse mit Juden zu deren Ungunsten eingegriffen werden konnte. Der Mieterschutz wurde gelockert, eine vorzeitige Kündigung gegenüber Juden für zulässig erklärt, auch dann, wenn der Vertrag auf bestimmte Zeit geschlossen oder eine längere als die gesetzliche Kündigungsfrist vereinbart worden war. Untermietverträge durften die Juden nur mit Juden abschließen. In Berlin, München und Wien konnte sich der jüdische Mieter auf den Mieterschutz auch dann nicht berufen, wenn der Vermieter Jude war. 7. Judenhäuser als Zwischenstufe der Deportation Nach der Reichskristallnacht wurden die Schikanen verschärft. Im Zusammenhang mit der Arisierung des Grundbesitzes wurde häufig die Unterbringung der Juden in weit auseinanderliegenden Judenhäusern, die jüdischen Eigentümern bzw. Organisationen gehörten, angeordnet. In Österreich wurden alle Juden aus den Provinzen nach Wien verbrach, in Stuttgart wiederum mußten viele Juden auf das Land ziehen, während in anderen Städten - wie z.B. in Berlin - eine Konzentration auf einzelne Stadtteile erfolgte. Mit dem zuvor erwähnten Gesetz über die „Mietverhältnisse mit Juden“ wurde das Zusammenziehen der Juden systematisiert. Nicht-jüdische Eigentümer konnten die Zwangsexmittierung sofort betreiben, wenn ihnen die Gemeindebehörde bescheinigt hatte, daß die anderweitige Unterbringung des jüdischen Mieters gesichert war. Die Interpretation „anderweitige Unterbringung“ wurde unterschiedlich ausgelegt; in einzelnen Fällen reichte auch eine notdürftige Unterbringung im Sinne der Obdachlosen-Fürsorge aus. Die Durchführung solcher Maßnahmen oblag städtischen Verwaltungen; einige Großstädte unterhielten eigene Umsiedlungsabteilungen für Juden. 8. Die „Entjudung“ von Wien Eine der vermutlich umfangreichsten und systematischsten „Entjudungen“ vollzog sich in Wien. Ursächlich hierfür waren einerseits die unzulängliche Bautätigkeit, und zwar bereits vor Anschluß Österreichs an Deutschland, und andererseits die teilweise überdurchschnittlich gute Wohnungsversorgung der Juden im Vergleich zu den „Ariern“. Alle Appelle an die „Kanzlei des Führers der NSD, die Bautätigkeit zu steigern, waren ungehört geblieben; im Juli 1939 wurde seitens der Wiener Stadtverwaltung der Fehlbestand auf ca. 70.000 Wohnungen geschätzt. 15 Monate zuvor, im März 1938, d.h. im zeitlichen Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Machtübernahme in Österreich, setzten die ersten Verdrängungen der Juden ein. Während der Reichskristallnacht publiziert der „Völkische Beobachter“ Artikel, die mit der Überschrift „Hinaus mit den Juden aus guten und billigen Wohnungen“ betitelt waren Die Einweisung der Juden erfolgte häufig in Kellerräume oder „hofseitige Wohnungen“, in leerstehende Geschäftslokale, Magazine etc. Parallel zur Vertreibung jüdischer Mieter aus ihren Wohnungen wurden die Umsiedlungen in Ghettos vorbereitet. Im Mai 1939 wurde eine vollständige Bestandsaufnahme jüdischer Wohnungen Wiens begonnen. Im Sommer wurden erste Pläne, alle österreichischen Juden in Barackenlagern zu internieren, aufgestellt; solche Pläne eilten den Überlegungen des „Altreichs“ voraus. Im Oktober wurden die Gedankengänge konkretisiert und erste Kostenschätzungen vorgelegt; pro Lager wurden die Errichtungskosten auf 3 Millionen Reichsmark beziffert. „Die laufenden Betriebskosten eines solchen Lagers für Unterhaltung der Baracken, Verwaltung und Bewachung, Verpflegung der Lagerinsassen usw. wurden unter Berücksichtigung der bei Judenlagern gegebenen Einsparungsmöglichkeiten mit 1,50 Reichsmark pro Person am Tag vorausgeschätzt. Zur Aufbringung sollte ... das noch vorhandene Judenvermögen herangezogen werden ...“ Die Arisierung jüdischer Wohnungen in Wien erwies sich als eine Ersatzfunktion für eine Sozialpolitik, die vom Nationalsozialismus - nicht zuletzt im Hinblick auf Wiederaufrüstung und Kriegsvorbereitung - nicht erbracht wurde. Insofern kann die Beschaffung von Wohnraum durch Vertreibung der Juden anstelle des Neubaus als ein Musterbeispiel „negativer Sozialpolitik“ gelten. Der relativ hohe Anteil der Wiener Juden war dafür die Voraussetzung. Auf diese Weise wurden mehr Wohnungen freigezogen als innerhalb von 10 Jahren neu gebaut wurden . 9. „Schachtungen“ in Berlin Eine bedingt von anderen Großstädten des Deutschen Reiches abweichende Situation lag in Berlin vor. Wie in Wien bestand auch in der Reichshauptstadt ein eklatantes Mißverhältnis zwischen dem Neubau und der Wohnungsnachfrage; auch hier verfügten die Juden über zahlreiche, teilweise gut ausgestattete Wohnungen. Im Gegensatz zu anderen Regionen benötigte das Reich - vor den ersten Ausfällen aufgrund des alliierten Bombardements - in Berlin zusätzlich eine große Reserve für „Abrißmieter“. Hitler plante eine bis 1950 abzuschließende Neugestaltung der Hauptstadt. Nach dem „Erlaß über einen Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt“ vom 30. Januar 1937 sollte Speers Aufgabe darin bestehen, zur „planvollen Gestaltung ... einen neuen Gesamtbauplan aufzustellen und dafür zu sorgen, daß alle das Stadtbild beeinflussenden Platzanlagen, Straßenzüge und Bauten nach einheitlichen Gesichtspunkten würdig durchgeführt werden. „Voraussetzung waren umfangreiche Abrisse, die wiederum von der Bereitstellung entsprechender Ersatzwohnungen abhingen. Speer entwickelte den Vorschlag, „der darauf abzielte, die erforderlichen Großwohnungen durch zwangsweise Ausmietung von Juden freizumachen. Nach einer Hochrechnung betrug der Ersatzbedarf für „Abrißmieter“ ca. 62.000 Wohneinheiten. An Judenwohnungen waren in Berlin schätzungsweise 40.000 Wohnungen vorhanden, davon allein 25.000 Großwohnungen. Die von den Abrißmietern beanspruchten Judenwohnungen wurden also geräumt und die jüdischen Mieter im jüdischen Wohnraum in jüdischen Grundbesitz „geschachtet“. (Anmerkung: Das Wort „Schachtung, das in keinem Wörterbuch vorkommt, ist kein Schreibfehler. Für die Umquartierung wird tatsächlich dieser Begriff in die Dienstsprache von Speer eingeführt.) Am 3. Dezember 1938, d.h. nach dem Pogrom, waren Berliner Teile mit dem „Judenbann“ belegt worden. Nach den ersten in Berlin einsetzenden Bombenangriffen wurden jüdische Wohnungen auch als „Katastrophenwohnungen“ benötigt. Freigeräumte jüdische Wohnungen, die weder für Abrißmieter noch für Ausgebombte benötigt wurden, dienten der Unterbringung von Beamten, insbesondere des Auswärtigen Amtes, von Wehrmachtsangehörigen und von Mitarbeitern des ®Reichssicherheits-Hauptamtes. Ab Beginn des Jahres 1941 wurden die zwangsgeräumten Familien nicht mehr in Judenhäuser eingewiesen; statt dessen setzte die unmittelbare Vertreibung der jüdischen Bevölkerung aus Berlin ein. 10. Wohnungsauflösungen am Vorabend der Deportation Nach der Wannsee-Konferenz verstärkten sich die Deportationen. Zur „Erleichterung“ ihres Auffindens war im März 1942 angeordnet worden, daß an jüdischen Wohnungen auch ein Judenstern unter der Klingel anzubringen sei. Vor der Deportation war eine Vermögenserklärung auszufüllen, „in der sich die Härte der Verfolger, die voller Eifer bei der Sache waren, mit der Qual der Vertriebenen in einem dokumentarischen Akt vereinte“ Dem Merkblatt der Gestapo Würzburg sind Einzelheiten zu entnehmen: 1. Die Vermögenserklärungs-Vordrucke sind genauestens auszufüllen und eigenhändig zu unterschreiben. 2. Für jedes Familienmitglied ist ein Vordruck zu verwenden ... 3. Sämtliche das Vermögen verkörpernde Urkunden ..., sich auf das Vermögen beziehende und sonstwie vermögensrechtliche Fragen regelnde Urkunden ... sind dem Vermögensverzeichnis beizufügen. Hierzu ist ein großer Umschlag vorzubereiten. Der Umschlag ist selbst zu besorgen und mit der genauen Anschrift zu versehen ... 4. Da das Vermögen rückwirkend ab 15.10.1941 staatspolizeilich beschlagnahmt ist, sind die seit diesem Zeitpunkt getroffenen Verfügungen über Vermögensteile wirkungslos ... 5. Das lebende Inventar (Katzen, Hunde, Vögel) ist bis zum Abholungszeitpunkt anderweitig unterzubringen. Sämtliches Eigentum (insbesondere Möbel) ist in den später zu versiegelnden Wohnraum zu verbringen, so daß hinsichtlich des Eigentums an einem Gegenstand kein Zweifel bestehen kann. Innerhalb der Wohnung müssen sämtliche Schränke und andere Behältnisse unversperrt sein, die Schlüssel müssen stecken. 6. Sämtliche Räume sind bis zum Abholungszeitpunkt aufzuräumen und zu reinigen, insbesondere dürfen gebrauchtes Geschirr und Abfälle nicht herumstehen bzw. -liegen. Fensterläden sind bei der Abholung zu schließen. 7. Bei der Abholung müssen sämtliche Licht-, Gas- und Wasserrechnungen beglichen (Anmerkung: Zur Abwehr des Vermieterpfandrechts) und die Haupthähne zu den Licht-, Gas- und Wasserleitungen - soweit nicht Teilwohnung -abgestellt sein. Ferner darf in Öfen und Herden kein Feuer brennen. Sämtliche Haus- und Wohnungsschlüssel sind bereitzuhalten und mit einem Anhänger zu versehen. Auf dem Anhänger ist die genaue Anschrift und Hausnummer anzugeben. Der zuständige Hausverwalter bzw. Hausbesitzer ist von der Evakuierung zu verständigen. 8. Die freigemachten, „entjudeten“ Wohnungen wurden durch städtische Behörden vorübergehend bewirtschaftet, es sei denn, wie beispielsweise für Berlin erwähnt, Beamte, SS- oder Wehrmachtsangehörige mußten unverzüglich versorgt werden. Vorrang hatten auch Mütter mit ihren Kindern aus dem Lebensborn. Für das Reich war von größter Wichtigkeit, daß die Wohnungen - nach ihrer Desinfektion - sofort wieder belegt wurden, damit der Staat „so schnell wie möglich von der Zahlung der Miete für die Wohnung frei wird. 9. Nach dem „Erlaß des Reichsfinanzministers vom 4.November 1941 war u.a. zu prüfen, welche Gegenstände der „entjudeten“ Wohnungen für die Reichsfinanzverwaltung gebraucht werden können“. Es kommen in Betracht für die Ausstattung der Ämter : Schreibtische, Papierschränke, Sessel, Teppiche, Bilder und anderes mehr; für die Ausstattung der Erholungsheime und Schulen der Reichsfinanzverwaltung, Schlafzimmer, Betten, Musikinstrumente und insbesondere Bettwäsche, Tischwäsche, Handtücher etc. 10. Die Gegenstände, die nicht für Zwecke der Reichsfinanzverwaltung gebraucht werden, sind in geeigneter Weise zu veräußern. 11. Versteigerungen in den Wohnungen selbst sind nach den gemachten Erfahrungen unerwünscht. Es besteht die Möglichkeit, daß die Städte, denen die Ausstattung fliegergeschädigter Volksgenossen obliegt, bereit sind, größere Mengen gegen angemessene Bezahlung abzunehmen. Die Veräußerungspreise sind in allen Fällen nach den Schätzungen zuverlässiger Sachverständiger festzusetzen. Soweit ein Liquidationserlös hierdurch anfiel, sollte er nicht zuletzt für die „Finanzierung der Maßnahmen zur Lösung der Judenfrage“ verwandt werden, „war doch die Finanzierung der z.T. außerordentlich kostspieligen Maßnahmen bisher ohne Inanspruchnahme von Haushaltsmitteln. durchgeführt worden. 11. Einschränkung wohnungswirtschaftlicher Tätigkeiten Die Judengesetzgebung, die in dem einleitend erwähnten „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933“ ihren Ursprung hatte, regelte auch die wohnungswirtschaftliche Betätigung von Juden. wurde den Juden der Handel mit Grundstücken, die gewerbsmäßige Vermittlung für Immobiliarverträge und Darlehen sowie das Gewerbe des Haus- und Grundstücksverwalters verboten. Der NS-Kurier begründete das Berufsverbot für Makler lakonisch „Der Jude hat auf deutschem Grund und Boden nun mal nichts zu suchen“. 12. Schlußbemerkung: Die Einschränkung des Mietrechts und die Versagung von Mietbeihilfen, das Verbot wohnungswirtschaftlicher Betätigung, die Wegnahme langlebiger Konsumgüter wie Wohnungseinrichtungen, die „Entjudung“ der Wohnungen sowie die Enteignung jüdischen Immobilienvermögens verlief nahezu lautlos; die Administration - so auch die Finanzverwaltung - hielt sich streng an bestehende Gesetze, Durchführungs-Verordnungen, Richtlinien und Anweisungen. Eine ganz spezielle, nach Kempner, dem stellvertretenden Chef-Ankläger in den Nürnberger Prozessen, der sich vor seiner Emigration als junger Assessor vergeblich in Berlin bemüht hatte, die NSDAP verbieten zu lassen, nach Kempner waren Schöpfer und Exekutiv-Organe besessen „von dem Gedanken der Legitimierung. Sie glaubten, keine Raubmörder zu sein, wenn sie ihren Verbrechen gegen die jüdischen Bürger „gesetzliche Mäntelchen“ umhängten und jede Missetat an Juden in Form von Verfügungen verpackten“. Vertreibung und Vernichtung wurden - nicht zuletzt durch exakte, spezielle wohnungswirtschaftliche Vorschriften - administrativ vorbereitet. „Man hat ihnen die Berufe genommen, das Besitztum gestohlen, sie durften nicht erben oder vererben, sie durften nicht auf Parkbänken sitzen oder einen Kanarienvogel halten, keine öffentlichen Verkehrsmittel benützen, keine Restaurants, keine Konzerte, Theater oder Kinos besuchen, für sie galten bestimmte Rassengesetze, ihnen wurden sämtliche staatsbürgerlichen Rechte entzogen, die Freizügigkeit wurde ihnen genommen, ihre Menschenrechte und ihre Menschenwürde wurden in den Staub getreten, bis sie in Konzentratonslager deportiert wurden und in die Gaskammer kamen“. Eine ganz spezielle, in der Literatur bisher kaum aufgearbeitete antijüdische Vermögens- und Wohnungspolitik waren dabei Instrumente, dem Juden vor seiner physischen Vernichtung, seinen Beruf, seine Heimat zu nehmen. Der administrative Vernichtungsapparat funktionierte reibungslos. Die arbeitsteilig geregelten Aufgaben wurden ordentlich und gründlich wahrgenommen. Man hat dafür Sorge getragen, daß die Gasrechnung bezahlt und das Grundbuch bereinigt wurde. Die Verwaltung hatte ihre Anweisungen dafür. M.E. hat nicht nur der getötet, der zugeschlagen hat, sondern auch der, der zum Ausfüllen von Formularen zwang. Insoweit kann man von Doppelmord sprechen: Vor der physischen Auslöschung lag der ökonomische Mord oder mit Franz Kafka: „Die Fesseln der gequälten Menschen sind aus Kanzleipapier“. Autor: Dr. Rolf Kornemann, Vorstand Wüstenrot Bank AG (http://ourworld.compuserve.com/homepages/kornemann/) „Die Politische Ökonomie des Holocaust“ Im Wintersemester 2000/2001 fand an der Universität Wien eine Ringvorlesung mit dem Titel „Die Politische Ökonomie des Holocaust“ statt. Unter dem Titel „Die Vorgansweise bei der Enteignung“ beschäftigte sich der Wiener Zeithistoriker Gerhard Botz am 16.10. mit jenem organisierten Vermögenstransfer, den die Nazis als „Entjudung“ oder „Arisierung“ bezeichneten. Unter anderem kam Botz auf die gigantischen Dimensionen zu sprechen, welche dieser Transfer im „Lande Österreich“ hatte: nach zeitgenössischen Berechnungen wäre ihr Wert bis 1.10.1939 rund 2,3 Milliarden Reichsmark. Nicht berücksichtigt dabei sind die sogenannten „wilden Arisierungen“ im Zuges des „Anschluss-Pogroms“ 1938 sowie Werte wie Wohnungseinrichtungen oder Mietrechte. In heutige Währung umgerechnet, wären das mindestens 1.000 Milliarden österreichischer Schilling (72,67 Milliarden Euro) http://members.eunet.at/robert.holzbauer/notiz.htm#spiegel http://www.shoah.de/shoah/se/arisierung.html Der britische Historiker Ian Kershaw über das Zusammenspiel zwischen Hitler und den Deutschen sowie den Zusammenhang von Krieg und Holocaust ... SPIEGEL: In welche Kategorie fällt das Scheitern aller Attentate auf Hitler? Kershaw: Das war hauptsächlich Zufall. Anders kann ich nicht erklären, dass im November 1939 der Bombenanschlag des Schreiners Georg Elser in München scheiterte, weil Hitler die vorgesehene Redezeit halbierte und den Saal im Bürgerbräukeller 13 Minuten vor der Explosion verließ. SPIEGEL: Ist Elser Ihr Held in dieser Zeit? Kershaw: Einer von den wenigen sicherlich, vermutlich gerade deshalb, weil er ein Außenseiter war. Elser ist kein politischer Mensch, er will Hitler töten, um den Krieg zu beenden, einfach so. Verglichen mit den Offizieren, die immer wieder zögern, bis sie 1944 endlich einen Anschlag zu Stande bringen, ist Elser eine Lichtgestalt. ... Quelle: DER SPIEGEL, 21. August 2000, ZEITGESCHICHTE, http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,89767,00.html 42. Attentate und Attentatsversuche Will Berthold hat 42 Attentate auf Adolf Hitler nachgewiesen. Viele Einzeltäter versuchten in den Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft (und davor), Deutschland und die Welt von Hitler und seinem Unrechtsregime zu bewahren bzw. zu befreien. Nach seinem Amtsantritt als Reichskanzler stieg die Zahl der Attentatsdrohungen sprunghaft an. Von März 1933 bis Ende des Jahres gab es fast jede Woche eine. Nur selten führten die Ermittlungen der Polizei dabei zum Erfolg. Eine Ausnahme bildete der kommunistische Schiffszimmermann Kurt Lutter. Er hatte im März 1933 mit Gesinnungsgenossen ein Sprengstoffattentat auf Hitler bei einer Wahlveranstaltung vorbereitet. Vor Gericht wurde er mangels Beweisen freigesprochen. Der Widerstand im Nationalsozialismus ist geprägt durch viele, in grundsätzlichen Fragen einander auch ausschließende Perspektiven. Zu keiner Zeit war er mit der Haltung der Mehrheit der deutschen Bevölkerung identisch. Es gab keinen breiten „Volkswiderstand“, Opposition blieb auf Einzelpersonen und relativ kleine Gruppen, oft private Freundeskreise, beschränkt. Quelle: http://ads.fortunecity.com/RealMedia/ads/click_lx.ads/Dhtml/generic/1044805599/x28/default/empty.gif/38363636376235663364303962356630 http://www.fortunecity.de/lindenpark/goldring/267/42att.htm Lexikon des deutschen Widerstandes S. 165-167 http://www.papesch.de/Widerstand/Formen/intro.html Auschwitzlüge Leugnung bzw. Verharmlosung der Ermordung von rd. 5 - 6 Mio Juden durch Nationalsozialisten vor allem in den Konzentrationslagern (®Vernichtungslager) von Auschwitz, Birkenau, Majdanek u.a. in den Jahren 1933 - 1945. Um der Verbreitung der Auschwitzlüge in Deutschland durch Rechtsextremisten Einhalt zu gebieten, verabschiedete der Bundestag im September 1994 im Rahmen des sog. Verbrechensbekämpfungsgesetzes eine Änderung von § 130 StGB und erweiterte die Strafvorschriften für Volksverhetzung. Bis 1994 lag der Straftatbestand der Volksverhetzung erst vor, wenn mit dem Bestreiten des Völkermordes die Menschenwürde der Betroffenen in Zweifel gezogen wurde. Das war vor allem dann der Fall, wenn der Angeklagte sich mit der NS-Rassenideologie identifizierte. Microsoft® Encarta® Online-Enzyklopädie 2001) Das am 1. Dezember 1994 in Kraft getretene Strafrechtsänderungsgesetz brachte folgende Ergänzung des § 130 StGB: Strafverschärfung: „Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 220a Abs. 1 (=Völkermord) bezeichneten Art, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.“ Bereits vor der Gesetzesänderung hatte der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshof mit Urteil vom 18. September 1979 (VI ZR 140/78) festgestellt, daß Menschen jüdischer Abstammung aufgrund ihres Persönlichkeitsrechts in der Bundesrepublik Anspruch auf Anerkennung des Verfolgungsschicksals der Juden unter dem Nationalsozialismus haben. Wer die Judenmorde im Dritten Reich leugnet, so der Bundesgerichtshof, beleidigt jeden von ihnen: „Die historische Tatsache selbst, daß Menschen nach den Abstammungskriterien der sog. Nürnberger Gesetze ausgesondert und mit dem Ziel der Ausrottung ihrer Individualität beraubt wurden, weist den in der Bundesrepublik lebenden Juden ein besonderes personales Verhältnis zu ihren Mitbürgern zu; in diesem Verhältnis ist das Geschehene auch heute gegenwärtig. Es gehört zu ihrem personalen Selbstverständnis, als zugehörig zu einer durch das Schicksal herausgehobenen Personengruppe begriffen zu werden, der gegenüber eine besondere moralische Verantwortung aller anderen besteht, und das Teil ihrer Würde ist. Die Achtung dieses Selbstverständnisses ist für jeden von ihnen geradezu eine der Garantien gegen eine Wiederholung solcher Diskriminierung und eine Grundbedingung für ihr Leben in der Bundesrepublik. Wer jene Vorgänge zu leugnen versucht, spricht jedem einzelnen von ihnen diese persönliche Geltung ab, auf die sie Anspruch haben. Für den Betroffenen bedeutet das die Fortsetzung der Diskriminierung der Menschengruppe, der er zugehört und mit ihr seiner eigenen Person (BGHZ 75, 160 (162 f.)).“ ® Babi Jar ®Bromberger Blutsonntag http://www.idgr.de/texte-1/rechtsextremismus/auschwitzluege/auschwitzluege.html http://www.auschwitzluege.de/ http://www.uni-wuerzburg.de/dfr/bv090241.html Auserwähltes Volk ®Juden Babi Jar, Massaker von Am 27.9.1941 setzte der Ortskommandant von Kiew eine Besprechung an. Zu den Teilnehmern gehörten neben Wehrmachtsoffizieren auch Pionieroffiziere, Angehörige des ®SD, der Polizei, der Geheimen Feldpolizei und der ®Einsatzgruppe C, die für die sogenannten „Exekutivmaßnahmen“ gegen die Zivilbevölkerung zuständig war. In der Besprechung ging es um die „Evakuierung“ der jüdischen Einwohner der Großstadt Kiew. Mit Plakaten wurden die Juden, die sich noch in der Stadt befanden, aufgefordert, sich an bestimmten Stellen zur „Umsiedlung“ zu melden. Die Mörder waren vom Erfolg dieses Aufrufs selbst überrascht: Obwohl man zunächst nur mit einer Beteiligung von etwa 5.000 bis 6.000 Juden gerechnet hatte, fanden sich über 30.000 Juden ein, die infolge einer überaus geschickten Organisation bis unmittelbar vor der Exekution noch an ihre Umsiedlung glaubten. Am 29. und 30. September 1941 wurden die Juden zusammengetrieben und zur Schlucht eskortiert. Sie mussten in der Nähe der Schlucht ihre Wertsachen abgeben und sich ausziehen, dann wurden sie in die eigentliche Schlucht geführt und ermordet. Nach eigenen Berichten erschoss die ®SS 33.771 Juden. Eine Pioniereinheit zerstörte anschließend die Ränder der Schlucht durch eine Sprengung, dann wurde das Massengrab planiert. Babi Jar diente noch bis August 1943 als Mordstätte; dann mussten jüdische KZ-Häftlinge die Leichen exhumieren und verbrennen, um die Spuren der Massenmorde zu verwischen. Doch es blieben genügend Hinweise auf das Massaker zurück, die später von der vorrückenden Roten Armee gefunden wurden. Außerdem sind die Massenmorde durch Aussagen von Tätern, Zuschauern und einigen Überlebenden dokumentiert. Einer der Mörder sagte später aus: „Die Juden mussten sich mit dem Gesicht zur Erde an die Muldenwände hinlegen. In der Mulde befanden sich drei Gruppen mit Schützen, mit insgesamt etwa 12 Schützen. Gleichzeitig sind diesen Erschießungstrupps von oben her laufend Juden zugeführt worden. Die nachfolgenden Juden mussten sich auf die Leichen der zuvor erschossenen Juden legen. Die Schützen standen jeweils hinter den Juden und haben diese mit Genickschüssen getötet. Mir ist heute noch in Erinnerung, in welches Entsetzen die Juden kamen, die oben am Grubenrand zum ersten Mal auf die Leichen in der Grube hinunterblicken konnten.“ ®Terrormassnahmen http://www.h-ref.de/dk/krieg/ussr/babi/babi.shtml http://shoanet.iuk.hdm-stuttgart.de/glossar/B.htm#Babi%20Jar http://www.dhm.de/ausstellungen/holocaust/r4.htm Bartoszewski, Wladyslaw (1922) Polnischer Gegner der Nationalsozialisten, der Juden unterstützte. Bartoszewski wurde von 1940 bis 1941 als Mitglied der Armia Krajowa in Auschwitz interniert. Er war im Untergrund aktiv und übermittelte Berichte über den nationalsozialistischen Terror gegen die Polen und über die Situation der Juden an die Polnische Exilregierung. Nach dem Krieg arbeitete Bartoszewski als freier Journalist und war bis 1964 Mitarbeiter der Untersuchungskommission für NS-Verbrechen in Polen. 1963 zeichnete ihn Yad Vashem als Gerechten der Völker aus. Als vielseitiger Schriftsteller und Historiker hat Bartoszewski eine Reihe von Büchern veröffentlicht. 1986 erhielt er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Rede von Professor Wladyslaw Bartoszewski Träger des Heine-Preises 1996 der Landeshauptstadt Düsseldorf Im Schatten der Diktaturen fing mein bewußtes Leben an und das meiner ganzen Generation. Als Schuljunge habe ich die Machtergreifung in Deutschland 1933 erlebt, die Entwicklung des Italienischen Imperiums inklusive Äthiopienkrieg, den spanischen Bürgerkrieg mit allen politischen Folgen, das Münchener Abkommen, den Anschluß Österreichs, die Liquidierung der Tschechoslowakischen Republik bis zum Molotow-Ribbentrop-Abkommen im August 1939 und den Anfang des Zweiten Weltkrieges am 1. September 1939. Die Presseberichte über Dachau und das November-Pogrom im Jahre 1938, die Kommentare über die Moskauer Schauprozesse begleiteten mich in der Zeit der Vorbereitung zum Abitur. Dann sind die sehr persönlich erfahrenen Geschehnisse gekommen und die ganz persönlichen Erfahrungen des Lebens unter Diktaturen über 5 Kriegsjahre in meinem besetzten und NS-regierten Lande (in dieser Zeit sieben Monate in Auschwitz), lange 45 Jahre ab 1945 bis zur Neugründung der souveränen polnischen Republik, gleichzeitig zum Mauerfall in Berlin und der politischen Wende in Ungarn und in der Tschechoslowakei unter kommunistischer Diktatur in der härtesten Form bis 1953/54. Meine persönliche Geschichte wurde für mich entschieden. Ich habe den Weg nicht gewählt... Am 19. September 1940 bei Tagesgrauen umstellten SS-Leute mit einer dichten Postenkette einige Wohnblocks in verschiedenen Teilen der Stadt Warschau. Man holte mich aus dem Haus. Mein Ausweis eines Angestellten des Polnischen Roten Kreuzes half nichts; nach einer Stunde wurde ich - so wie einige tausend andere Männer im Alter von 16 bis 65 Jahren - auf einen Lastwagen verladen und in die Kasernen des SS-Reiterregiments gebracht. Niemand wurde dort verhört und keiner wurde irgendeines Vergehens beschuldigt. Nach drei Tagen war ich schon in Auschwitz als politischer Häftling Nr. 4427. Von Auschwitz wußten wir damals noch nichts; das Lager Auschwitz I funktionierte erst seit drei Monaten. Außer einigen Dutzend deutscher Krimineller die die Funktionen von Kapos und Blockältesten ausübten, waren damals fast ausschließlich Polen in Auschwitz inhaftiert, und zwar hauptsächlich Intelligenzler. Es gab noch keine Gaskammern, aber der Kamin des Krematoriums qualmte schon: Hunger, Prügel, Arbeit über alle menschlichen Kräfte verschlangen Tag für Tag Dutzende Opfer. Zum ersten Mal in meinem Leben - wenn auch nicht zum letzten Mal - empfand ich damals das Gefühl völliger Hilflosigkeit angesichts der Mißhandlung von Menschen als Opfer und als Zeuge. Mehr als einmal sagte man mir du bist jung, du hast offene Augen, falls du überlebst, mußt du das beschreiben. Man wird dir ohnehin nicht glauben, und falls man dir sogar glauben sollte - wird man es sich doch nicht vorstellen können... Als ich im April 1941 von Auschwitz nach Hause zurückkehrte (einige hundert Personen - vorwiegend Opfer von Razzien, gegen die nichts Konkretes vorlag - wurden im Frühling und Sommer dieses Jahres entlassen, infolge intensiver Bemühungen ihrer Arbeitgeber - mein Arbeitgeber war das Polnische Rote Kreuz -), lebten von den dreizehn Männern, die man zusammen mit mir aus einem einzigen Haus im Stadtviertel Zolibórz geholt hatte, zehn oder elf nicht mehr. Sie hatten den ersten Lagerwinter nicht überstanden ... Bald gelang es mir, einen ziemlich ausführlichen Bericht über die Verhältnisse, die im Konzentrationslager Auschwitz I herrschten, einer Person, die mit der Leitung der polnischen Widerstandsbewegung direkte Verbindung hatte, zuzuleiten. Er wurde zu einer der Quellen, auf Grund derer die ersten Geheimpublikationen über Auschwitz bearbeitet wurden, die Anfang 1942 in Warschau erschienen. Nach der einige Monate währenden >>Quarantäne<<, die damals aus Sicherheitsgründen Pflicht war - begann ich im Untergrund zu arbeiten. Die Lagererfahrungen übten einen bedeutenden Einfluß auf die Wahl meines weiteren Weges aus. Ich war der Meinung, daß die dringendste und wichtigste Aufgabe in jenem Moment darin bestand, leidenden, isolierten, auf irgendeine Weise verfolgten Menschen zu helfen, und das, was ich gesehen hatte und wußte, besonders mir die Pflicht auferlegte, unmittelbar und aktiv zu handeln. Und so entschied das Jahr 1942 über die konkrete Richtung meines Einsatzes im Kampf gegen die Okkupanten. Im Sommer dieses Jahres nahm ich die Verbindung mit der Geheimaktion auf, die sich die Aufgabe stellte, den Juden zu helfen. Diese Aktion führte - anfangs im kleinen Kreis von Freunden und Mitarbeitern - die bekannte katholische Schriftstellerin Zofia Kossak, eine Art polnische Gertrud von Le Fort. Als Ende September 1942 diese Aktion in bestimmte organisatorische Formen gefaßt und das sogenannte Provisorische Hilfskomitee für die Juden gebildet wurde, beteiligte ich mich an seinen Arbeiten, später - Anfang Dezember 1942 - nahm ich an der Organisation des Hilfsrates für Juden teil, der der geheimen Regierungsdelegatur der Londoner Regierung unterstand. 1942 trat ich auch der Heimatarmee bei. Der Informationsabteilung im Informations- und Propagandabüro beim Hauptkommando zugeteilt, erlangte ich bald daraut unter anderem Zutritt zu wertvollem Material über verschiedene Formen der von den Okkupanten angewandten Terrorpolitik. Die Nachrichten und Gerüchte, die über die hohe rote Mauer drangen, welche vom Rest Warschaus das vor zwei Jahren gegründete Ghetto abtrennten (mitsamt dem im Ghettogebiet gelegenen Zentralen Politischen Gefängnis der Sicherheitspolizei - dem Pawiak) weckten in meinen Gedanken und in meiner Phantasie fast automatisch Assoziationen mit den Ertahrungen, die ich aus Auschwitz mitgebracht hatte. Im Juli, August und September 1942 wurden mehr als 310.000 Juden aus der Stadt nach dem Vernichtungslager Treblinka II abtransportiert. Immer mehr Flüchtlinge aus dem Ghetto benötigten sofortige Hilfe; viele von ihnen waren schon auf der >>arischen<< Seite in deutsche Hände gefallen - oftmals gemeinsam mit den polnischen Familien, die ihnen Obdach gewährt hatten. Das bedeutete Folter und Tod. Vom Gefängnis der Sicherheitspolizei gingen unaufhörlich Transporte mit polnischen Gefangenen, Frauen und Männern, ab - nach Konzentrationslagern. Ab Ende 1942 habe ich parallel mit anderen Aktivitäten in einer Abteilung der Vertretung der Londoner Regierung gearbeitet, deren Hauptaufgabe darin bestand, den Häftlingen auf organisierte Weise Hilfe zu leisten, Informationen aus den Gefängnissen und Lagern zu erlangen und Material über die Naziverbrechen an Polen und Juden zu sammeln, um sie - sofort und nach dem Krieg - auf internationalem Forum auszuwerten. Ich verfolgte von da an Tag für Tag viele tragische und verwickelte menschliche Schicksale, wirkte mit als kleines Rädchen der großen Geheimmaschinerie, wenn Personen, denen Verhaftung drohte, gewarnt wurden, wenn von Deutschen gesuchte Polen und Juden falsche Papiere zugestellt bekamen, wenn man eine sichere Unterkunft für die Nacht finden mußte - mit einem Wort, bei vielen anscheinend geringen und unbedeutenden Unternehmen, die aber eine notwendige Bedingung unserer damaligen Existenz waren. Diesen alltäglichen Tagesablauf unterbrach erst der Warschauer Aufstand am 1. August 1944. Während der 63 Tage des Aufstands war ich einfacher Soldat der Heimatarmee, diente in einer der Funkstationen, redigierte eine der hundert Zeitschriften der Aufständischen, die in jenen Teilen Warschaus herausgegeben wurden, aus denen man die Okkupanten vertrieben hatte. Die tragische Einsamkeit und die Unterdrückung des Aufstands, den jähen Untergang der Stadt und der bald zweihunderttausend Einwohner empfanden wir damals als Erschütterung unseres Glaubens an den Sinn des Lebens, als Niederlage jeglicher Hoffnung, als allerpersönlichste Niederlage. Unter den Ruinen ließen wir unsere Nahen und Nächsten zurück, unsere Altersgenossen und Freunde. Angesichts des Todes dieser unzähligen Jungen, Frohen, das Leben Liebenden, schien uns unsere eigene zufällige Errettung fast beschämend. Fünfzig nach dem Zweiten Weltkrieg durchlebte Jahre haben mir neue bittere Erfahrungen nicht erspart. Ich war Zeuge vielfältigen Unrechts, das über edle, aufrechte und opferbereite Menschen hereinbrach, Zeuge von brutaler Gewalt und unverdienten Leiden, von Hilflosigkeit und Resignation, aber auch von Charakterstärke und Mut. In den Jahren 1946-54 brachte ich eine schwere Zeit im kommunistischen Gefängnis hinter mich (sechs Jahre und sieben Monate), um in der Nacht der Einführung des Kriegszustands in Polen am 13. Dezember 1981 die Freiheit erneut für über vier Monate zu verlieren. Das ergab eine runde Summe von acht Jahren hinter Stacheldraht und Gittern. Der beruflichen Möglichkeiten, die meinen Interessen und Fähigkeiten entsprachen, war ich beraubt. Es gab Jahre, in denen ich weder Bücher noch Artikel veröffentlichen durfte, obwohl das Schreiben mein Beruf ist. Dennoch habe ich in meinem Leben einige Dutzend Bücher und ein paar hundert historische Abhandlungen, Beiträge, Essays und Artikel veröffentlicht. Ich bin auf Haß und Zynismus gestoßen, aber auch auf Anerkennung und Freundschaftsbeweise großartiger Menschen, an denen mir gelegen war und liegt. Als Hochschulleher in Polen, danach in der Bundesrepublik Deutschland hatte ich Gelegenheit, mit jungen Menschen zusammenzukommen, deren ganze Lebenseinstellung und Engagement für die humanistischen Grundwerte mich immer wieder Analogien zu den Erfahrungen meiner Generation herstellen ließen. Freunde und das Wohlwollen vieler fremder Menschen habe ich ebenfalls in Israel, Großbritannien und der Schweiz gewonnen. aher auch was ich ja nicht erwarten konnte - in Deutschland. Hätte mich jemand nach den Schwerpunkten in meinem Leben nach dem Zweiten Weltkrieg gefragt, dann würde ich folgende aufreihen - Im Oktober 1963 nach der Entzündung des ewigen Feuers in der Krypta auf dem Berg des Gedenkens (Har Hazikaron) in Jerusalem (Yad Vashem) neben dem symbolischen Grab, in dem die Asche der Opfer des jüdischen Volkes aus sämtlichen Nazikonzentrationslagern bestattet ist, hörte ich die Eidesformel in hebräischer und, nachher wiederholt, in polnischer Sprache, die mit folgenden Worten endet >>Wir gedenken der heldenhaften Taten der Ghettokämpfer, der Untergrundkämpfer, der Partisanen und Soldaten, die den Leitspruch des Kampfes gegen die übermächtigen Kräfte des Feindes zur Rettung der Ehre ihres Volkes folgten. Mit Ehrerbietung gedenken wir jener, die mit Würde und Beharrlichkeit ihr Menschentum verteidigten; jener, die im Namen der heiligsten menschlichen Ideale und unter Lebensgefahr den Juden Hilfe leisteten.<< Ich wurde damals mit dem Titel eines ®“Gerechten unter den Völkern der Welt“ gewürdigt und dachte an alle meine Freunde und Mitarbeiter, Polen und Juden, mit denen ich das Glück hatte, gemeinsam für eine Sache zu arbeiten, in der wir in jenen Tagen nicht nur die Aufgabe der Rettung des Lebens anderer sondern auch die Frage der Rettung der eigenen Menschenwürde erblickten. Am 5. Oktober 1986 bekomme ich in der Pauls-Kirche in Frankfurt am Main den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und sage klar in meiner Dankesrede >>Die Generation, der ich angehöre, hat mit eigenen Augen die Mauern und Drahtverhaue gesehen, welche die Menschen trennten, die Mauern der Ghettos von Warschau und anderswo, die Mauer, die jahrelang quer durch Jerusalem lief, und die Mauer, die bis heute Berlin teilt. Es scheint das wichtigste zu sein, all das zu unterstützen, was die Menschen verbindet, und sich all dem zu widersetzen, was die Menschen gegen ihren Willen trennt. ... Der Aufbau der Demokratie, der Aufbau der Rechtsstaatlichkeit, der Neuanfang in den post-kommunistischen Gesellschaften hängt jetzt weitgehend von den Menschen, von allen Menschen, aber auch von jedem einzelnen Menschen ab. Wie weit sind aber diese Menschen bereit und in der Lage, die neue demokratische Ordnung, die sie ja mehr oder weniger bewußt selbst gewollt haben, konstruktiv mitzugestalten? Es gibt keine optimistische Antwort auf eine solche Frage. Wenn nämlich jemand über viele Monate schwer krank gewesen ist, erwartet niemand, daß er gleich wieder voll mitmachen kann. Wieso erwarten wir dies eigentlich von den Menschen, die über 45 Jahre - im Fall der DDR noch länger (von 1933 bis 1990) und auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion über 70 Jahre lang nicht normal gelebt haben, nicht gesund waren? Normal und gesund bedeutet für mich frei, offen, demokratisch, politisch ausgebildet und so weiter. Woher sollen denn diese Dutzende Millionen Menschen in der mittelost-europäischen Stunde Null plötzlich die Fähigkeit haben, es dem europäischen Westen in dieser Hinsicht gleichzutun? Das war völlig unmöglich. Jahrzehntelang hat man in den kommunistischen Staaten die Menschen absichtlich daran gehindert, miteinander - über die Staats- oder Provinzgrenzen hinweg - den wahren, authentischen, tieferen Kontakt und Dialog aufzunehmen. Die Entfremdung und eine gewisse Ratlosigkeit angesichts der anderen hat man auf diese Weise vorausprogrammiert und gefördert. Es wäre also jetzt mehr als naiv, die allgemeine Fähigkeit der Menschen in den postkommunistischen Staaten zum Dialog mit den anderen zu erwarten, auch wenn/falls guter Wille zu einem solchen Näherkommen vorhanden wäre. Jetzt, in den ersten sechs Jahren der postkommunistischen Zeit in Mittel- und Osteuropa, versagt in vielen Fällen die in dem Prozeß des Aufbaus der demokratischen Ordnung unentbehrliche Toleranz, die Achtung für den andersdenkenden, andersgesinnten, andersglaubenden, andersgläubigen Menschen. Viele Menschen sind nicht daran gewöhnt, ohne politisches Protektorat, sogar ohne Direktiven oder Hinweise zu leben. Sie erwarten alles oder sehr viel vom Staat, sprich von den neuen, postkommunistischen Regierungen, und sind nur selten bereit, jetzt, nach dem Zusammenbruch des autoritären Systems, weiter schmerzliche Opfer zu tragen im Interesse des gemeinsamen Wohls in der Zukunft. Eine bedeutende Rolle spielt hier besonders das Gefühl der sozialen Unsicherheit. Solange der totalitäre oder autoritäre Staat Herrscher war, mußte man sich beugen und anpassen, aber wenn jemand den Mund gehalten hat, konnte er in gewisser Weise sicher auf dem niedrigen Niveau überleben. Und um mehr ging es Millionen Menschen nach der Stalin-Periode nicht. Jetzt ist alles komplizierter geworden. Die eigentlichen Probleme sind aber nicht nur wirtschaftlicher Natur. Es mangelt an moralischen Orientierungen. Eines der möglichen Beispiele wäre hier die um sich greifende Selbstbedienungsmentalität, das Versickern öffentlicher Mittel in dunklen Kanälen der neuen privaten Handelsfirmen und Aktiengesellschaften, sogar gewisser Privatbanken. Die Menschen im ehemaligen Ostblock haben zwar der kommunistischen Nomenklatura die dunklen Machenschaften im wirtschaftlichen Bereich, die auffallende Tendenz der Parteifunktionäre zur persönlichen Bereicherung um jeden Preis, übelgenommen, aber jetzt, im Prozeß des Aufbaus der neuen Gesellschaften in der postkommunistischen Zeit, merkt man viel zu oft, daß die gewissenhafte Pflichterfüllung und absolute Unbestechlichkeit zur Einstellung gehören, die nicht mehr und sicher nicht überall sehr gefragt ist und praktiziert wird. Es scheint vielmehr zunehmend als erstes Bürgerrecht zu gelten, zu konsumieren und sich die Taschen vollzustopfen. Die neuen Gesellschaften in den postkommunistischen Ländern sind viel mehr psychologisch auf den schnellen Genuß programmiert als auf die organische Arbeit ohne Chance auf den schnellen materiellen Erfolg. ... Es besteht eine gewisse Gefahr der neuen Frontenbildung zwischen nationaler chauvinistischer Engstirnigkeit der Menschen einerseits und den Begriffen der Toleranz, des Liberalismus, des Christentums andererseits. Es gibt sicher jene hehren, schönen Motivationen, die wir alle anerkennen, ob wir nun gläubig sind oder nicht. Aber diese positiven Motivationen sind nicht unbedingt verwurzelt im Alltagsdenken jener Millionen von Menschen in den Ländern, die sich jetzt befreit haben. In allen diesen Ländern besteht eine ähnliche Gefahr, wenn sich die Wirtschaftslage verschlechtert. Die Gefahr ... einer totalitären Versuchung, in der trügerischen Hoffnung, die Ruhe und die Zukunftsperspektiven sofort zu erreichen durch irgendwelche Dekrete, harte Maßnahmen, scharfe Entscheidungen. Die demokratische Handlungsweise scheint den Menschen, die autoritär regiert waren, oft zu kompliziert und undurchschaubar. Wir wissen und erfahren immer aufs neue relativ viel über die wirtschaftliche Lage und wirtschaftliche Perspektiven der einzelnen Staaten und Regionen, der Branchen und Industriezweige. Welche Faktoren bestimmen aber die geistige und die intellektuelle Situation der Menschen aus den postkommunistischen Staaten auf den Weg in die Zukunft? Meiner Meinung nach die Gesinnung, die Überzeugung, die politische Kultur wie auch der Glaube, die Religion. Diese Faktoren haben auch eine wesentliche Rolle im Leben der Menschen in kommunistisch regierten Ländern gespielt, obwohl sie nicht in allen Ländern die gleiche Bedeutung gehabt haben. ... Das Hauptproblem für die Menschen im postkommunistischen Teil Europas ist heute, den Mut und die Hoffnung zu haben nämlich den Mut für die Zukunft und die feste Hoffnung auf die Möglichkeit der besseren Zukunft der Menschen an dieser Stelle der Welt. Ich glaube, daß jeder Intellektuelle, der sich im Europa im Jahr 1996 zu Wort meldet, um den Stand der Dinge zu überlegen und über die Hoffnung auf Zukunft Europas, also auf die Zukunft der Menschen in Europa zu reden, moralisch verpflichtet ist, vor dem weiteren Versagen der europäischen Politiker zu warnen. Das, was gerade jetzt, heute, auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien passierte und noch passiert, ist eine bittere Lehre, eine dringende Warnung vor jeder Überheblichkeit bei der Beurteilung der Fähigkeit eines friedlichen Zusammenlebens der Menschen. Es ist auch eine tragische Schau der Kurzsichtigkeit und Ratlosigkeit und der gleichzeitig diese Ratlosigkeit begleitenden Heuchelei mehrerer Politiker aus den Staaten der etablierten Demokratie. Es bleibt uns die Hoffnung auf die gesunden Kräfte in den Menschen, die in Polen, in Ungarn, in Tschechien, aber auch in Slowenien und anderswo ohne Gewaltanwendung und Blutvergießen zu weitgehenden demokratischen Umwandlungen geführt haben. Es bleibt uns die Hoffnung auf Stärke der gemeinsamen kulturgeschichtlichen Werte, die doch von Millionen Menschen in der harten Zeit der Proben in den diktatorisch regierten Staaten vor 1989/90 in vielen Fällen bewahrt worden sind. Mein merkwürdiges Erlebnis in Verbindung mit Heine, eine kleine Szene, fast grotesk: März 1944 im besetzten Warschau. Die Warschauer Juden sind schon umgebracht worden, die polnisch-christlichen Warschauer stehen weiter unter permanentem Druck Verhaftung, KZ-Transporte und Erschießungen in der Stadt gehören zur Tagesordnung. Hausdurchsuchungen sind auch selbstverständlich. Als Berufs-Widerständler war ich damals schon gut vorbereitet, habe entsprechende Papiere und eine gute Legende gehabt. Zwei Schutzpolizisten kommen in meine Wohnung, frühmorgens, noch vor der Polizeistunde. Ich bin dort mit einem Kollegen, dessen Papiere auch in Ordnung waren. Sie gehen durch die Wohnung, prüfen wie üblich Schränke und Schubladen und sehen plötzlich meine Bücherschränke auch mit deutschen Büchern, meistens Klassikern. Eine schön gebundene, alte Heine-Ausgabe. Der Polizist fragt >>Lesen Sie deutsch?<< >>Ja<<, antworte ich ohne große Lust zur Diskussion. Er nimmt einen der Heine-Bände in die Hand und betrachtet ziemlich gleichgültig den Namen >>Wer ist das?<<, fragt er. Da regt sich in mir ein Teufelchen, und ich zitiere ihm aus dem Kopf Die Nacht ist kühl und es dunkelt und ruhig fließet der Rhein, der Gipfel des Berges funkelt im Abendsonnenschein... „Das ist so ein Volkslied“, sagt mir der Polizist. „Aber von Heine“, antworte ich. „Nicht, daß ich wüßte.“ Sie haben sich bei dieser Hausdurchsuchung korrekt benommen, aber für mich war das eine neue Grunderfahrung. Diese Leute, besser ihre Lehrer, gehörten doch nicht zu unserem Europa, zum Europa von Heine und auch nicht zum Europa des jungen polnischen Studenten, der ich damals war. Ein anderes Bild, ein halbes Jahrhundert danach... Im jetzigen Europa hat der damalige junge polnische Student Bartoszewski als Außenminister seines Landes - der freien Republik Polen - von dem deutschen Bundeskanzler ein schönes und fast symbolisches Geschenk bekommen. Helmut Kohl hat mir im Juli 1995, bei seinem offiziellen Besuch in Polen, in Warschau, in Krakau und in Auschwitz, wo ich ihn begleiten konnte - eine wertvolle alte Ausgabe Heines Sämtlicher Werke geschenkt zwölf Bände in Leder verlegt bei Hoffmann und Campe 1876. Ich habe jetzt aufs neue diese alten Bücher durchgeblättert und dort Heines Bemerkungen Über Polen aus dem Jahre 1822, also von vor ungefähr 175 Jahren, gefunden. Es lohnt sich, einige zu zitieren 1. Über den Bauernstand „Viele Edelleute wünschen die Selbständigkeit der Bauern - der größte Mensch, den Polen hervorgebracht hat und dessen Andenken noch in allen Herzen lebt Thaddäus Kosciuszko‘ war eifriger Beförderer der Bauern-Emanzipation, und die Grundsätze eines Lieblings dringen unbemerkt in alle Gemüter. Außerdem ist der Einfluß französischer Lehren, die in Polen leichter als irgendwo Eingang finden, von unberechenbarer Wirkung für den Zustand der Bauern. Sie sehen, daß es mit letzteren nicht mehr so schlimm steht und daß ein ahmähliges Selbständigwerden derselben wohl zu hoffen ist.“ 2. Über die Juden „Zwischen dem Bauer und dem Edelmann stehen in Polen die Juden. Diese betragen fast mehr als den vierten Teil der Bevölkerung, treiben alle Gewerbe, und können füglich der dritte Stand Polens genannt werden. Ihre Sprache ist ein mit Hebräisch durchwirktes, und mit Polnisch faconniertes Deutsch. Sie sind in sehr frühen Zeiten wegen Religionsverfolgung aus Deutschland nach Polen eingewandert, denn die Polen haben sich in solchen Fällen immer durch Toleranz ausgezeichnet Als Frömmlinge einem polnischen Könige rieten, die polnischen Protestanten zum Katholizismus zurück zu zwingen, antwortete derselbe „Sum rex populorum sed non conscientiarum.“ - Die Juden brachten zuerst Gewerbe und Handel nach Polen und wurden unter Kasimir dem Großen mit bedeutenden Privilegien begünstigt. Sie scheinen dem Adel weit näher gestanden zu haben als den Bauern; denn nach einem alten Gesetz wurde der Jude durch seinen Übertritt zum Christentum eo ipso in den Adelsstand erhoben. Ich weiß nicht ob und warum dieses Gesetz untergegangen und was etwa mit Bestimmtheit im Werte gesunken ist. - In jenen früheren Zeiten standen indessen die Juden in Kultur und Geistesausbildung gewiß weit über dem Edelmann, der nur das rauhe Kriegshandwerk trieb und noch den französischen Firnis entbehrte. Jene aber beschäftigen sich wenigstens immer mit ihren hebräischen Wissenschaft- und Religionsbüchern, um derentwillen eben sie Vatedand und Lebensbehaglichkeit velassen. Aber sie sind offenbar mit der europäischen Kultur nicht fortgeschritten, und ihre Geisteswelt versumpfte zu einem unerquicklichen Aberglauben, den eine spitzfindige Scholastik in tausenderlei wunderliche Formen hinein quetscht. Dennoch, trotz der barbarischen Pelzmütze, die seinen Kopf bedeckt und der noch barbarischeren Ideen, die denselben füllen, schätze ich den polnischen Juden weit höher als so manchen deutschen Juden, der seinen Bolivar auf dem Kopf und seinen Jean Paul im Kopfe trägt. In der schroffen Abgeschlossenheit wurde der Charakter des polnischen Juden ein Ganzes; durch das Einatmen toleranter Luft bekam dieser Charakter den Stempel der Freiheit.“ Und zu guter Letzt 3. Über die Gesinnung der Polen von damals „Die Vaterlandsliebe ist bei den Polen das größte Gefühl worin alle anderen Gefühle, wie der Strom in das Weltmeer zusammenfallen (..). Wenn das Vaterland das erste Wort des Polen ist, so ist Freiheit das zweite. Ein schönes Wort! Nächst der Liebe gewiß das schönste. Aber es ist auch nächst der Liebe das Wort, das am meisten mißverstanden wird, und ganz entgegengesetzten Dingen zur Bezeichung dienen muß.“ Meine Damen und Herren! Sie begreifen sicher gut, warum jeder sensible Pole Heinrich Heine lieben muß und warum ich mich besonders durch den Preis seines Namens geehrt fühle. http://shoanet.hbi-stuttgart.de/biogr/B.htm#Bartoszewski,%20Wladyslaw http://www.dhm.de/ausstellungen/holocaust/r4.htm http://www.muenchnerphilharmoniker.de/online/german/werkarchiv.php3?ID=269 Bauer, Fritz Fritz Bauer wurde am 16. Juli 1903 als Kind einer deutsch-jüdischen Familie in Stuttgart geboren. Er studierte Rechtswissenschaft und Volkswirtschaft in München und Tübingen und promovierte 1927 in Heidelberg. Ab 1930 war er am Stuttgarter Amtsgericht der jüngste Hilfsrichter in Deutschland. 1933 musste Fritz Bauer sein Amt als Richter niederlegen und wurde für einige Monate im KZ Heuberg inhaftiert. 1936 emigrierte Bauer nach Dänemark, wo er nach der deutschen Besetzung verhaftet wurde, aber dank Interventionen dänischer Freunde wieder frei kam. Im Oktober 1943, als die Deportation der dänischen Juden begann, gelang Fritz Bauer mit seiner Familie, wie auch 7.000 anderen Juden, mit dänischer Hilfe die Flucht nach Schweden. Nach der Befreiung kehrte Fritz Bauer 1945 nach Dänemark zurück und lebte bis 1949 in Kopenhagen. 1949 remigrierte er mit Unterstützung Kurt Schumachers nach Deutschland. 1956 wurde Fritz Bauer hessischer Generalstaatsanwalt in Frankfurt am Main. Er war einer der bedeutendsten Vorkämpfer für Strafrechts- und Strafvollzugsreformen, für Resozialisierung und für eine gesellschaftliche Verantwortung des Justizwesens beim Wiederaufbau einer demokratischen Gesellschaft. Aufgrund eines entscheidenden Hinweises Fritz Bauers wurde 1960 Adolf ®Eichmann vom israelischen Geheimdienst in Argentinien gefasst und nach Israel gebracht. Damit hatte Bauer wesentlichen Anteil am Zustandekommen des Eichmann-Prozesses in Jerusalem. Als hessischer Generalstaatsanwalt war er unterdessen verantwortlich für die Anklageerhebung im Auschwitz-Prozess, der 1963 bis 1965 in Frankfurt am Main stattfand. Mit diesem Prozess gewann die Auseinandersetzung mit dem Holocaust in Deutschland erstmals eine öffentliche Dimension. 1965 eröffnete Fritz Bauer die Voruntersuchung für einen weiteren Prozess, der sich gegen die Teilnehmer einer reichsweiten Justizkonferenz von 1941, die juristischen Erfüllungsgehilfen der ®„Euthanasie“-Morde, richten sollte. Bauer plante damit einen exemplarischen Prozess gegen die in die Verbrechen verstrickte NS-Justiz. Am 1. Juli 1968 starb Fritz Bauer in seiner Wohnung in Frankfurt am Main. Der noch in der Vorbereitungsphase stehende große Prozess gegen die Schreibtischtäter der „Euthanasie“ fand nie statt. http://shoanet.hbi-stuttgart.de/biogr/B.htm#Bartoszewski,%20Wladyslaw http://www.fritz-bauer-institut.de/ BDM Im BDM (Bund deutscher Mädel) wurden die 14- bis 17-jährigen Mädchen zusammengefasst. Ab 1936 bestand die offizielle Verpflichtung, dem Bund beizutreten. Die Erziehungsarbeit im BDM war zu zwei Dritteln dem Sport, zu einem Drittel der weltanschaulichen Schulung gewidmet. Das Sportprogramm diente neben der körperlichen Ertüchtigung vor allem der Disziplinierung. Die jungen Mädchen sollten zu begeisterten, fleißigen und gehorsamen Verfechterinnen des Nationalsozialismus herangezogen werden. Während des Krieges entwickelte sich der BDM mehr und mehr zu einer Hilfsorganisation, die an der „Heimatfront“ für den Fortgang des Krieges sorgte. http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/organisationen/jugend/ http://www.shoah.de/shoah/se/ns-jugendOrg.htm Bekennende Kirche Die Machtergreifung der Nationalsozialisten konnte nicht ohne Einfluß auf die Kirche bleiben. In der evangelischen Kirche war der Dahlemer Pfarrer Martin Niemöller einer der konsequentesten NS-Gegner. Er rief Am 21. September 1933 seine Amtsbrüder auf, sich in einem Pfarrernotbund zusammenzuschließen. Aus diesem Pfarrernotbund entwickelte sich die „Bekennende Kirche“, die den ®“Deutschen Christen“, die sich als „SA Jesu Christi“ verstanden, immer stärker entgegentrat. Und Anfang 1934 rund 7.000 Mitglieder zählte. Die „Bekennende Kirche“ berief sich in der Auseinandersetzung mit dem NS-Staat und mit den „Deutschen Christenauf ein „Kirchliches Notrecht“, das den religiösen Widerstand legitimierte. Nach der Kanzelankündigung vom 5. März 1935 ,in der die „rassisch-völkische Weltanschauung“ scharf abgelehnt wurde, wurden 700 Pfarrer verhaftet. Amtsbehinderungen, Ausreiseverbote, Redeverbote, Verbannungen, Aufenthaltsverbote, Haft, KZ, Kollektverbot und die Schließung freier Hochschulen kennzeichneten den Kampf der Gestapo gegen die „ Bekennende Kirche“. Widerstand leistete auch auch einzelne Kirchenmänner, so der Bischof von Münster, Clemens August Graf von Galen. In mehreren Predigten verurteilte er die nationalsozialistische Terrorherrschaft und geißelte die als „Euthanasie“ bekannt gewordenen Massentötungen als vorsätzlichen Mord. Mindestens 70.000 „unheilbar Kranke“ wurden im Zuge des ®“Euthanasie-Programms“ ermordet. Als diese Mordaktion Heil- und Pflegeanstalten in Westfalen erreichte, wandte Galen sich in einer stark beachteten Predigt am 3. August 1941 gegen die als „Gewährung des Gnadentods“ verbrämte Massentötung und erstattete Anzeige nach Paragraph 211 des Strafgesetzbuches. Britische Flugzeuge warfen Flugblätter mit Auszügen der „Euthanasie-Predigt“ ab, und auch Mitschriften anderer Predigten Galens gingen von Hand zu Hand. Während die NS-Machthaber vor einer Festnahme des populären Bischofs zurückschreckten, wurde der Berliner Dompropst Bernhard Lichtenberg , der als einer von wenigen auch gegen die Deportation von Juden aufgetreten war, verhaftet. Er verstarb am 5. November 1943 auf dem Weg in das ®Konzentrationslager (KZ) Dachau. Eine christliche Gesinnung führte auch den evangelischen Theologen Dietrich ®Bonhoeffer in den Widerstand. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs unterhielt er enge Kontakte zur militärischen Opposition um Admiral Wilhelm Canaris und Hans Oster und wurde am 9. April 1945 gemeinsam mit diesen im KZ Flossenbürg erschossen. http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/widerstand/index.html http://rskellinghusen.lernnetz.de/projekt1/kirche/deutsche.htm http://www.brg-schoren.ac.at/nationalsozialismus/kirche.html Berufsbeamtentum Die rasante Besetzung von wichtigen Schlüsselpositionen im Staat durch Angehörige der NSDAP förderte das „ Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933, welches die Entlassung aller im Sinne der neuen Machthaber politisch unzuverlässigen oder jüdischen Beamten ermöglichte. Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums. vom 7. April 1933 Die Reichsregierung hat das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird: § 1 (1) Zur Wiederherstellung eines nationalen Berufsbeamtentums und zur Vereinfachung der Verwaltung können Beamte nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen aus dem Amt entlassen werden, auch wenn die nach dem geltenden Recht hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen. (2) Als Beamte im Sinne dieses Gesetzes gelten unmittelbare und mittelbare Beamte des Reichs, unmittelbare und mittelbare Beamte der Länder und Beamte der Gemeinden und Gemeindeverbände, Beamte von Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie diesen gleichgestellten Einrichtungen und Unternehmungen (Dritte Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung der Wirtschaft und Finanzen vom 6. Oktober 1931 - Reichsgesetzblatt I S. 537, Dritter Teil Kapitel V Abschnitt I § 15 Abs. 1). Die Vorschriften finden auch Anwendung auf Bedienstete der Träger der Sozialversicherung, welche die Rechte und Pflichten der Beamten haben. (3) Beamte im Sinne dieses Gesetzes sind auch Beamte im einstweiligen Ruhestand. (4) Die Reichsbank und die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft werden ermächtigt, entsprechende Anordnungen zu treffen. § 2 (1) Beamte, die seit dem 9. November 1918 in das Beamtenverhältnis eingetreten sind, ohne die für ihre Laufbahn vorgeschriebene oder übliche Vorbildung oder sonstige Eignung zu besitzen, sind aus dem Dienste zu entlassen. Auf die Dauer von drei Monaten nach der Entlassung werden ihnen ihre bisherigen Bezüge belassen. (2) Ein Anspruch auf Wartegeld, Ruhegeld oder Hinterbliebenenversorgung und auf Weiterführung der Amtsbezeichnung, des Titels, der Dienstkleidung und der Dienstabzeichen steht ihnen nicht zu. (3) Im Falle der Bedürftigkeit kann ihnen, besonders wenn sie für mittellose Angehörige sorgen, eine jederzeit widerrufliche Rente bis zu einem Drittel des jeweiligen Grundgehalts der von ihnen zuletzt bekleideten Stelle bewilligt werden; eine Nachversicherung nach Maßgabe der reichsgesetzlichen Sozialversicherung findet nicht statt. (4) Die Vorschriften des Abs. 2 und 3 finden auf Personen der im Abs. 1 bezeichneten Art, die bereits vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes in den Ruhestand getreten sind, entsprechende Anwendung. § 3 (1) Beamte, die nicht arischer Abstammung sind, sind in den Ruhestand (§§ 8 ff.) zu versetzen; soweit es sich um Ehrenbeamte handelt, sind sie aus dem Amtsverhältnis zu entlassen. (2) Abs. 1 gilt nicht für Beamte, die bereits seit dem 1. August 1914 Beamte gewesen sind oder die im Weltkrieg an der Front für das Deutsche Reich oder für seine Verbündeten gekämpft haben oder deren Vater oder Söhne im Weltkrieg gefallen sind. Weitere Ausnahmen können der Reichsminister des Innern im Einvernehmen mit dem zuständigen Fachminister oder die obersten Landesbehörden für Beamte im Ausland zulassen. § 4 (1) Beamte, die nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht die Gewähr dafür bieten, daß sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintreten, können aus dem Dienst entlassen werden. Auf die Dauer von drei Monaten nach der Entlassung werden ihnen ihre bisherigen Bezüge belassen. Von dieser Zeit an erhalten sie drei Viertel des Ruhegeldes (§ 8) und entsprechende Hinterbliebenenversorgung. § 5 (1) Jeder Beamte muß sich die Versetzung in ein anderes Amt derselben oder einer gleichwertigen Laufbahn, auch in ein solches von geringerem Rang und planmäßigem Diensteinkommen - unter Vergütung der vorschriftsmäßigen Umzugskosten - gefallen lassen, wenn es das dienstliche Bedürfnis erfordert. Bei Versetzung in ein Amt von geringerem Rang und planmäßigem Diensteinkommen behält der Beamte seine bisherige Amtsbezeichnung und das Diensteinkommen der bisherigen Stelle. (2) Der Beamte kann an Stelle der Versetzung in ein Amt von geringerem Rang und planmäßigem Diensteinkommen (Abs. 1) innerhalb eines Monats die Versetzung in den Ruhestand verlangen. [...] Reichsgesetzblatt I (1933), S. 175 http://www.documentarchiv.de/ns/1933/berufsbeamtentum-kuendigung_ges.html http://www.theo-physik.uni-kiel.de/~starrost/akens/texte/info/33/333412.html http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/innenpolitik/etablierung/index.html Biopolitik und Faschismus Historischer und wissenschaftlicher Rahmen Eugenik und Euthanasie entwickelten sich aus der Mitte instrumenteller Rationalität und der Nationalsozialismus stellte - trotz mörderischster Praxis - weder ihren Ausgangspunkt dar, noch markiert er ihr eindeutiges Ende. Gerade die Humanwissenschaften haben historisch einen zentralen Beitrag zur Etablierung von Euthanasie und Eugenik geleistet. Der Humanmedizin und -biologie kam im Kontext der „Optimierung des Lebens“ und „Industrialisierung des Todes“ vor und in der Zeit des Nationalsozialismus eine zentrale Bedeutung zu und die Praxis der Euthanasie in den NS-Euthanasiean- stalten ist als Vorläufer und als Erprobung der Massenvernichtung von Jüdinnen und Juden analysiert und begriffen worden. Die beiden Phänomene Eugenik und Euthanasie ließen sich auf zwei Achsen anordnen: - einerseits auf der der „Optimierung des Lebens“ durch die „Verhinderung erbkranken Nachwuchses“ und die Errichtung eigener Zuchtanstalten, den Einrichtungen des Lebensborn e.V., - andererseits auf der der „Industrialisierung des Todes“ durch die organisierte Vernichtung sogenannten unwerten Lebens. Nicht nur die theoretischen Grundlagen dafür entstanden im Rahmen herkömmlicher Prozeduren der Wissensbildung: in wissenschaftlichen Gesellschaften, an Universitäten, in Kliniken, auf diversen Kongressen etc., auch die Entwicklung spezifischer Verfahren und Meßtechniken zur Auslese und Ausmerze und zuletzt die technische Konzeption der Mordzentren, die Anleitung und Überwachung der Tötung war von Ärzten und Wissenschaftlern getragen ®Medizin ohne Menschlichkeit Weder eugenisches Denken, noch operationalisierte Umsetzungsvorschläge und Teilpraxen waren genuin nationalsozialistische Erfindungen. Schon 1883 veröffentlicht Francis Galton, ein Vetter Darwins, eine Schrift über die Entwicklung der menschlichen Anlagen, in der er seine Überzeugung offenlegt, daß physische und psychische Merkmale vererbt würden. Da sich die Träger „minderwertigen“ Erbgutes angeblich rascher fortpflanzten als jene „hochwertigen“, hätten die Staaten die Aufgabe, durch eugenische Maßnahmen die Verschlechterung der Erbanlagen zu verhindern. Er fordert die Absonderung von Gewohnheitsverbrechern und Ehebeschränkung für geistig Behinderte und körperlich Kranke. Die Kenntnisse über die Vererbungslehre sollten verbreitet und erweitert werden, und so entstand in London ein erstes „laboratory for national eugenics“, die „eugenic national society“, und 1911 gelang schließlich die Institutionalisierung der Eugenik als Unterrichtsfach an der Universität. Die Vorschläge dieser Einrichtungen wurden in Großbritannien aber niemals in die Praxis umgesetzt. Anders in den USA, wo es zur Erlassung von Sterilisationsgesetzen in 30 Bundesstaaten kam, so daß ca. 60.000 Menschen sterilisiert wurden. Der deutsche Weg Am radikalsten aber wurde die Eugenik von den Protagonisten der deutschen „Rassenhygiene“ vertreten. Um die Jahrhundertwende verbreiteten Naturwissenschafter Ideen zur Verbesserung der rassischen Zusammensetzung der Bevölkerung. Alfred Hoche (1865-1943) war nicht aus Berufung Psychiater, sondern „weil es sich gerade so fügte“. 1920 publizierte er, gemeinsam mit dem Strafrechtsdogmatiker Karl Binding die Broschüre: „Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens“. In dieser Schrift prägt er tabubrechend jene Begriffe, die Jahre später - in der Zeit des Nationalsozialismus - Todesurteile bedeuten werden: „Geistig Tote“, „Ballastexistenzen“, „lebensunwertes Leben“. Hoche begründete die Tötung behinderter, kranker und alter Menschen in erster Linie damit, daß die gebrauchte Menge an Nahrungsmitteln, Kleidung, Heizung und Pflege dem Nationalvermögen ein ungeheures Kapital entzöge. Die deutsche Wirtschaft aber krankte nicht an den Pflege- sondern an den Kriegsfolgekosten deutscher Großmachtpolitik. Obwohl auch andere Mediziner längst über die Sterilisierung und „Ausmerzung“ von „biologisch Minderwertigen“ diskutierten, war Alfred Hoche doch der erste Psychiater mit ordentlichem Lehrstuhl, der ein regelrechtes Vernichtungsverdikt verfaßte. 1926 gelang es in Deutschland erstmals die rassenbiologische Lehre und Forschung in einem vorerst noch außeruniversitären Rahmen zu institutionalisieren und zwar unter dem Dach der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (heute: Geutsche Forschungsgemeinschaft, DFG) in Berlin. Der Leiter Eugen Fischer erläuterte die Aufgaben und Ziele des Rassenhygienischen Institutes wie folgt: „... ein rein theoretisches Institut zur Erforschung der Natur des Menschen, wo die Frage nach den menschlichen Rassen und Rassenunterschieden rein wissenschaftlich, ohne Rücksicht auf politische und andere Strömungen „ betrieben wird. Bereits 4 Jahre später verschiebt sich der Anspruch an die Rassenhygiene über die rein wissenschaftliche Datenerhebung hinaus in Richtung Gesundheitspolitik: „Ein erdrückender und ständig wachsender Ballast von untauglichen, lebensunwerten Menschen wird unterhalten und in Anstalten verpflegt - auf Kosten der Gesunden, von denen Hunderttausende ohne eigene Wohnung sind und Millionen ohne Arbeit darben. Mahnt die Not unserer Zeit nicht laut genug „Planwirtschaft“, d.h. Eugenik auch in der Gesundheitspolitik zu treiben? NS – Zeit Ein Großteil der führenden Rassenhygieniker rechnet schon mit der neuen politischen Kraft der NSDAP, der ersten Partei, welche die Rassenhygiene als zentrale Forderung ihres Programmes vertritt. 1933 wird Rüdin zum Reichskommissar der Deutschen Gesellschaft für Rassenhygiene (DGfRH) ernannt - der alte Vorstand muß zurücktreten. Rüdin tauscht 50% der Vorsitzenden der verschiedenen Ortsgruppen der DGfRH gegen zuverlässige Nationalsozialisten aus. Rüdin selbst gehörte auch dem im Juni 1933 gegründeten Sachverständigenbeirat für Bevölkerungs- und Rassenpolitik an, der an der Gesetzesformulierung zur Verhütung erbkranken Nachwuchses und der Zwangssterilisierung der „Rheinlandbastarde“ beteiligt war, Am 14. Juli 1933 wird das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ erlassen. Antragsberechtigt waren nicht nur der Kranke oder dessen gesetzlicher Stellvertreter, sondern auch Zahnärzte, Dentisten, Gemeindeschwestern, Masseure, „Kurpfuscher“, Heilpraktiker und Hebammen. Antragsverpflichtet waren Amtsärzte und Anstaltsleiter. Opfer der Maßnahmen zur Verhütung erbkranken Nachwuchses waren „Geisteskranke, Krüppel, Fürsorgezöglinge, Arbeitslose, Trinker, Dirnen“ und andere von Wissenschaftlern und Fürsorgepraktikern als „minderwertig“ Bezeichnete (vgl. Ernst Klee, 1995). Nahezu alle namhaften Vertreter der medizinischen Disziplin begrüßten die Sterilisierungen. Genaue Zahlen, wieviele Menschen in der Zeit des Nationalsozialismus unfruchtbar gemacht wurden, größtenteils gegen ihren Willen, beziehungsweise den ihrer Angehörigen, gibt es nicht. Die meisten Schätzungen liegen zwischen 200.000 und 350.000. (Rudolf Forster, Spuren der Vernichtung, 1996, S.8). Eine erste Steigerung ereignete sich nach 5 Jahren. 1939 bereits wurden Hebammen und Ärzte gesetzlich verpflichtet, alle Neugeborenen mit Mißbildungen den Gesundheitsämtern zu melden. Solche Kinder wurden unter dem Vorwand besonderer ärztlicher Betreuung in „Kinderfachabteilungen“ eingewiesen und dort nach einiger Zeit getötet. Dieser „Reichsausschußaktion“ fielen ca. 5.000 behinderte Kinder zum Opfer. http://bidok.uibk.ac.at/texte/ralser-unwert.html http://www.trend.partisan.net/trd0502/t070502.html http://home.snafu.de/bifff/ http://www.shoah.de/shoah/se/eugenik.htm http://www.phil.uni-sb.de/projekte/imprimatur/2001/imp010702.html Aktion T 4 Als „Aktion T 4“ bezeichneten die Nationalsozialisten schließlich ihr Euthanasieprogramm, das zunächst unter strenger Geheimhaltung begann und die Beseitigung aller körperlich und geistig behinderten, als minderwertig betrachteten Menschen im Deutschen Reich vorsah. Zunächst wurden vor allem Geisteskranke aus den Familien abgeholt. Den Angehörigen wurde mitgeteilt, die Kranken würden zu einer speziellen Therapie in Kliniken gebracht. Sie aber kamen in Vernichtungslager, wie Hadamar (bei Koblenz), Bernburg (in Anhalt), Sonnenstein (bei Pirna), Grafeneck (in Württemberg), Brandenburg (bei Berlin) oder Hartheim (bei Linz). Am 18. 10. 1939 wurde erstmals das Vergasen von Menschen am Beispiel von polnischen psychisch Kranken im Fort VII der Befestigungsanlagen von Posen erprobt. Im Reichsgebiet selbst wurden die ersten „Probetötungen“ im Jänner 1940 im Zuchthaus Brandenburg, ebenfalls an psychisch Kranken durchgeführt. (vgl. Hartmann Hinterhuber, ermordet und Vergessen, Verlag Integrative Psychiatrie, Innsbruck, 1995, S.27) Es wurden drei Tarngesellschaften gegründet, die ohne direkte Beteiligung staatlicher Einrichtungen für die illegale Aktion T4 zuständig werden sollten: der „Allgemeinen Stiftung für Anstaltswesen“ war das Personal der Tötungsanstalten unterstellt, die „Reichsgemeinschaft Heil- und Pflegeanstalten“ schickte die Meldebögen aus und veranlaßte die Begutachtungen, die „Gemeinnützige Krankentransportgesellschaft“ übernahm die Überführung der Patienten von den Krankenhäusern und Pflegeheimen in die Tötungsanstalten. (ebd.) Allein in den Jahren 1940/41 wurden 70.273 Menschen in sechs Vergasungsanstalten ermordet. Noch mehr Patienten starben nach Einstellung der Aktion T4 in den Heil- und Pflegeanstalten, viele davon auch in Österreich. Sie verhungerten, wurden zu Tode gespritzt und vergiftet (vgl. Ernst Klee, 1995) 1939 wurde das Schloß Hartheim so umgebaut, daß es die Aufgabe einer Tötungsanstalt übernehmen konnte. Die Anstalt konnte als erklärte „Musteranstalt“ öfters prominente Besucher empfangen, die dort „Demonstrationsvergasungen“ beiwohnten. Obwohl im August 1941 die „Aktion T 4“ auf Grund von Protesten offiziell eingestellt wurde, änderte sich in Hartheim nur wenig. Die errechnete Zahl der Hartheimer Todesopfer liegt zwischen 30.000 und 60.000. Am 11. 12. 1944 erging die Anweisung an Hartheim „den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen Prof. Dr. F. Stumpfl, Facharzt für Psychiatrie, ein beispielhafter Werdegang Was für die NS-Ideologie im allgemeinen gilt, daß keines ihrer Elemente genuin faschistisch ist, sondern diese nur neu gegliedert und angeordnet sind - es also mehr um die faschistische Modifikation des Ideologischen geht -, gilt im wesentlichen auch für die Wissensproduktion der NS-Zeit und ihre spezifische Modifikation als „Erkenntnispolitik des Natürlichen“ und als wissensautoritäres Machtwort der Biologie, hier im Kontext der Disziplinen Psychiatrie, Erbbiologie, Psychopathologie und Konstitutionslehre. Bei der großen Bedeutung, die der Erb- und Rassenlehre im nationalsozialistischen Staate zukommt, ist es eine dringliche Aufgabe, für die Studierenden der medizinischen Fakultät in Innsbruck die Möglichkeit der Ausbildung hierin zu schaffen sowie hiefür eine geeignete Forschungsstätte zu errichten.“ U.a. wird als eine der Aufgaben des geplanten Instituts genannt: „Das Institut wird sich in den Dienst der praktischen Erb- und Rassenpflege und der Bevölkerungspolitik stellen. F. Stumpfl ist Facharzt für Psychiatrie. Sein „freiwillig gewähltes engeres Fachgebiet, die Erforschung der Zusammenhänge zwischen Erbanlage und sozialem Verhalten im allgemeinen, zwischen Erbanlage und Verbrechen im besonderen“ sollte, so Stumpfl „der wissenschaftlichen Unterbauung und der lebendigen Verbreitung des rassenhygienischen Gedankens“ dienen. „Die neue völkische Gesetzgebung bedarf in rassenhygienischer, strafrechtlicher und erbgesundheitlicher Richtung dringend der Ergebnisse dieser Forschungen, somit ist meine gesamte Arbeit, die mir seit 1920 klar vor Augen steht, auch eine politische nationalsozialistische Tätigkeit.“ Kontinuität und Bruch halten sich die Waage und zwar vielfach vor 1933 und nach 1945. Eben dieser Zusammenhang von Kontinuität und Bruch kennzeichnet auch die wissenschaftlichen Arbeiten von Friedrich Stumpfl bis zuletzt. In der Zeit des Faschismus erfolgt eine teilweise semantische Korrektur und Radikalisierung sowie eine eindeutige rassebiologische Akzentuierungen seiner Forschungen. „(Die Probleme zu lösen)... entspricht der Grundforderung unseres Staates, zuerst dem Ganzen zu dienen und ermöglicht es, daß die Pläne der Eindämmung der Kriminalität durch rassehygienische Maßnahmen Schritt für Schritt in die Tat umgesetzt werden. Bezeichnend ist eine in jeweiliger Staatsloyalität organisierte wissenspolitische Haltung. Daraus resultiert auch die spezifische Willfährigkeit seiner Wissenschaft und die spezifische Zuarbeit zu NS-Ideologie und -praxis: „... (eugenische) Maßnahmen sind zuallererst dort notwendig, wo eine Häufung verschiedenartiger Minderwertigkeiten und ein Mangel hochwertiger Eigenschaften in einer Sippe einwandfrei feststehen“. Auch die Gegenstandsbereiche des Psychiaters ändern sich wenig im Laufe der Zeit: Sie kreisen immer wieder um den Zusammenhang zwischen Pathologie und Kriminalität, Gesamtkörperkonstitution und Persönlichkeit, Abnormität/Asozialität und Anlage/Vererbung, sowie um Streuung und Häufung asozialen und kriminellen Verhaltens innerhalb enger und weiter Verwandtschaftsbeziehungen bzw. Bevölkerungsgruppen. Die Bearbeitung dieser Themen ist so neu nicht und selbst in den zwischen 1933 und 1945 verfaßten Publikationen weniger faschismusspezifisch, als sie auf den ersten Blick vermuten ließe. Wenngleich F. Stumpfl auch in den Arbeiten, die während der NS-Zeit verfaßt bzw. publiziert wurden, mit endgültigen Aussagen sparsam umgeht, immer wieder vor voreiligen Schlüssen warnt und es vorzieht, bestimmte Wissensbereiche als noch nicht ausreichend erforscht auszuweisen, operiert er unzweifelhaft mit einem Kategorialsystem, welches die nationalsozialistische Ideologie einer Aussonderungs- und Auslesenotwendigkeit sogenannter „Asozialer“ nicht behindert, sondern entscheidend fördert. Er geht von einem statischen Persönlichkeitsmodell aus, beharrt auf der psychopathischen Minderwertigkeit bestimmter Personengruppen, favorisiert eine „natürliche Auslese“, setzt mit Bezug auf und in Abgrenzung von der Konstitutionslehre die erbliche Gesamtkörperkonstitution als „Unterlage psychischer Erscheinungen“ voraus und bevorzugt Forschungsanordnungen, welche zur empirischen Bestätigung der formulierten Annahmen führen. Selbst noch in der erst 1950 publizierten Kurzmonografie „Über die Herkunft der Landfahrer in Tirol“, welche auf einer mit seinem Assistenten Armand Mergen im Rahmen des Rassehygieneinstituts der Alpenuniversität durchgeführte Forschungsarbeit beruht, erfolgt keine entschiedene Distanzierung von rassebiologischen Positionen. Wenngleich die Entstehung des Landfahrertums beflissen soziographisch und sozioökonomisch erklärt und ein Gutteil des Verhalten dieser Bevölkerungsgruppe auf ihre Lebensverhältnisse zurückgeführt wird, gehören Begriffe und Erklärungsmuster wie „negative Auslese“ durch Heiratsverhalten mit Minderwertigen, „Genverlust“ durch Abtrennung von der Gesamtpopulation, „Sonderartung“ als erbliche Fixierung, charakterliche Einförmigkeit etc. zum selbstverständlichen Repertoire des Psychiaters und Anthropologen. „Wir haben also, wenn wir rein rekonstruierend vorgehen, das Ergebnis, daß bei einer solchen Population eine große Einförmigkeit in psychischer Hinsicht, entsprechend einem Genverlust, und körperlich ein ausgesprochen vigiler Bewegungstypus, auf jeden Fall ein Verlust zahlreicher Differenzierungen zugunsten einer allgemeinen geistigen Primitivität und Triebsicherheit zu erwarten ist“. Noch 1961 stellt Stumpfl in seiner Publikation „Motiv und Schuld. Eine psychiatrische Studie über den Handlungsaufbau bei kriminellem Verhalten die immer gleiche Frage nach den biologischen, sozialen und individuellen Ursachen verbrecherischen Handelns. Neu hinzukommt die Frage der Willensstruktur. Er bearbeitet die Modifikationen und Störungsgrade des Wollens als Maßstab der Schuldfähigkeit und beschreibt akribisch, wie viele verschiedene Einflußkräfte bis zum und im Tatgeschehen wirksam werden. Trotz der Zurkenntisnahme verschiedener aufeinander wirkender Bedingungsfaktoren verschiebt Stumpfl die Problemanordnung aber nicht derart, daß relevante neue Erkenntnisse gewonnen würden. Er beharrt letztlich auf dem Modell der Prädisposition, operiert in seinen Untersuchungen weiter mit klar voneinander abgrenzbaren Personengruppen, verallgemeinert aus der Perspektive der Psychopathologie und verneint letztlich die Existenz einer dynamischen und entwicklungsfähigen Persönlichkeit. Nach Ende des Krieges im Mai 1945, wird das Institut für Erb- und Rassenbiologie in „Institut für Anthropologie und Erbbiologie“ umbenannt. Stumpfl bleibt in seiner Funktion als Leiter am Institut. Im Jänner 1946 stellt Stumpfl einen Antrag auf Einleitung eines Verfahrens nach §§ 13 - 24 der 3. Durchführungsverordnung zum Verbotsgesetz St.G.Bl.Nr. 131/1945 an das Staatsamt für Volksaufklärung, für Unterricht und Erziehung und für Kulturangelegenheiten. In diesem - sowie in späteren Schreiben - stellt er sein Leben und seine wissenschaftliche Tätigkeit als sowohl apolitisch, als auch der nationalsozialistischen Politik diametral entgegenwirkend dar. Beispielhaft führt Stumpfl an, sein „Untersuchungsergebnis für die Karrner (Anmerkung: Tiroler Landfahrer) günstig gestaltet“ zu haben, da er sich „vollkommen im Klaren war, daß eine nur annähernd wahrheitsgemäße Darstellung sofort als Handhabe benutzt worden wäre, um die Karrner (...) als ‚Volksschädlinge‘ zu vergasen. Die soziale Minderwertigkeit der Karrner, besonders ihre allgemeine Neigung zu Diebstahl und Betrug, war allgemein bekannt.“ In dieser Ausführung, die seiner politischen Entlastung dienen soll, wird die „Minderwertigkeit“ der Karrner, die Rechtmäßigkeit einer „wissenschaftlich fundierten“ Diskriminierung keineswegs in Frage gestellt. Diese und andere Zuschreibungen bleiben „wissenschaftlich“ anerkannt. Der eugenische Gedanke erfährt keinen Bruch, lediglich die mörderische Praxis der nationalsozialistischen Politik wird zurückgewiesen. „... Eugenische, (bzw. rassenhygienische) Bestrebungen (seien) keine nationalsozialistischen Erfindungen“ rechtfertigt sich Stumpfl in einem Schreiben an eine Sonderkommission, und die Forderungen der Eugenik seien „von einem hohen Ethos getragen“. Er habe in seinen Vorlesungen nie „nationalsozialistische Rassenlehre“ vorgetragen, sondern nur „wissenschaftliche Ergebnisse aus der Genetik, aus der Erbpathologie, der Konstitutionsforschung und der Kriminalbiologie“ gebracht. „Ich darf wohl hinzufügen, daß ich mich in der Zeit des nationalsozialistischen Staates nicht bereichert habe, sondern im Gegenteil, bei beschränktester Lebensführung nur meiner Wissenschaft und meinem Lehrberuf gelebt habe.“ Mit diesem Satz beschließt Stumpfl das erwähnte Schreiben. Die „politische Überprüfung“ von F. Stumpfl im März 1946 durch die Universität Innsbruck endet mit einer Einstellung des Verfahrens. Obwohl die Dekane der Medizinischen und Juridischen Fakultät an einer Weiterbeschäftigung Stumpfls interessiert sind, und der Dekan der Juridischen Fakultät (Prof. Dr. Rittler) sich für Stumpfl und sein Institut beim BM für Unterricht verwendet, kommt es im Juli 1947 zu einer Liquidierung des Instituts (als einer Einrichtung des Deutschen Reiches) und Stumpfl wird in diesem Zusammenhang seiner Funktionen enthoben. In der Zeit von 1947 bis 1949 ist Stumpfl Leiter der kinderpsychiatrischen Beobachtungsstation am Institut für vergleichende Erziehungswissenschaft in Salzburg, ab 1949 bruchlos Nervenarzt für Gerichtspsychiatrie in Wien. Im April 1953 schlägt ein Professorenkollegium der Medizinischen Fakultät der Universität Innsbruck F. Stumpfl zur Wiederverleihung der Venia legendi für das Fach der Psychiatrie vor. Ab WS 53/54 bis ins hohe Alter hält Stumpfl wieder Vorlesungen zu forensischer Psychiatrie an der Universität Innsbruck. Aufgrund eines Ausschußberichtes wird Stumpfl im Juli 1959 gemäß Kollegiumsbeschluß der Medizinischen Fakultät dem BM für Unterricht zur Verleihung des Titels eines a.o. Professors vorgeschlagen und damit restlos rehabilitiert. Aus der Geschichte lernen Der beinahe bruchlose Karriereverlauf von Friedrich Stumpfl und die vielfache institutionelle Unterstützung, auf die er bei seiner Rehabilitierung traf, zeigt beispielhaft, wie weitreichend die Negierung der politischen Verantwortung wissenschaftlichen Handelns auch vor Ort akzeptiert wurde. Die Rücksichtnahme gegenüber akademischen Kollegen und der Respekt vor männerbündischen Fördersystemen rangierte weit vor offener Kritik an der politischen und wissenschaftlichen Haltung von Universitätsangehörigen. Diese Kritik erst hätte eine Selbstreflexion der eigenen Disziplin, ihrer inneren Strukturen wissenschaftlichen Denkens und wissenschaftlicher Organisation, die sie so offensichtlich zum selbsttätigen Komplizen eines Terrorregimes werden ließ, ermöglicht, und eine weiterreichende Debatte um Wissenschaft und Verantwortung, Moral und Nützlichkeit, Willfährigkeit und Resistenz gegenüber totalitären Strukturen und Politiken forciert. Gerade die Thematisierung der Unmöglichkeit einer „reinen“, von gesellschaftlichen Implikationen losgelösten Wissenschaft, die Diskussion über die Abschottung der Methode vom realen (politischen und sozialen) Leben und eine Debatte um die Legitimation der Wissensproduktion durch weitgehend spontane Konventionen innerhalb der Wissenschaftlergemeinschaft wäre von Nöten gewesen, um zu verhindern, daß uns „rasse“biologische und sozialhygienische Gedanken heute in semantisch korrigierter Fassung und wissenschaftlich modernisiertem Aufputz entgegentreten und als biologische Wissenschaften vom Menschen neurechter Biopolitik brauchbare diskursive Einsätze liefern. http://bidok.uibk.ac.at/texte/ralser-unwert.html http://www.shoa.de/euthanasie.html http://www.friedenskooperative.de/themen/akt99-32.htm http://www.dielebenshilfe.at/Dossier/index.html?/DBPages/00/01/35/55.html http://www.uni-heidelberg.de/institute/fak5/igm/g47/eck_bran.htm http://www.fritz-bauer-institut.de/rezensionen/nl19/reiter.htm http://www.lpb.bwue.de/publikat/euthana/euthana5.htm http://www.stachel.de/97.02/2ingoha.html Blockführer In den ®Konzentrationslagern waren die Baracken der Häftlinge zu Blocks zusammengestellt. Sie unterstanden einem SS-Unteroffizier - dem sogenannten Blockführer - der die fast unumschränkte Gewalt über die Insassen hatte. ... http://shoanet.iuk.hdm-stuttgart.de/glossar/B.htm#Blockfuehrer http://www.fritz-bauer-institut.de/texte/essay/08-00_renz.htm Microsoft® Encarta® Online-Enzyklopädie 2001 http://www.taz.de/pt/2001/10/11/a0188.nf/text Blutschutzgesetz Bezeichnung für das vom Reichstag auf dem Reichsparteitag der ®NSDAP in Nürnberg beschlossene „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ vom 15.9.1935. Das Gesetz verbot die Eheschließung zwischen ®Juden und Nicht-Juden sowie den außerehelichen Geschlechtsverkehr zwischen ihnen. ... http://shoanet.iuk.hdm-stuttgart.de/glossar/B.htm#Blutschutzgesetz http://www.doew.at/thema/thema_alt/wuv/maerz38_2/instiantisem.html Microsoft® Encarta® Online-Enzyklopädie 2001 Bonhoeffer, Dietrich Theologe Protestantischer Theologe und führender Vertreter der ®Bekennenden Kirche. Dietrich Bonhoeffer wird am 04.02.1906 als sechstes Kind der Familie Karl Bonhoeffer in Breslau geboren. Er hat eine Zwillingsschwester, Sabine. Sein Vater Karl, bekannter Psychiater und Neurologe, folgt 1912 einem Ruf für den damals angesehensten Lehrstuhl in Deutschland nach Berlin. In der Familie geht es weltoffen, aber autoritär zu. Hauptziel der Erziehung war es, die Kinder zu christlichen Menschen heranzuziehen. Musikalischer Unterricht für alle Kinder, Dietrich zeichnet sich mit seiner Begabung des Klavierspielens aus. Die Maßstäbe, nach denen er erzogen wurde, bilden den Hintergrund seiner Ethik. Im ersten Weltkrieg fällt einer seiner Brüder und zahlreiche Vettern. Mag sein. daß dies ihn veranlaßt hat, Pfarrer und Theologe zu werden. 1923 Theologiestudium in Tübingen. 1924 Zwischensemester in Rom. Juni 1924 Studium in Berlin. Erste literarische Bekanntschaft mit Karl Barth. Bonhoeffer macht die mehr oder minder, für ihn zuweilen erschreckende Erfahrung, in welcher Art und Weise er Menschen an sich zu binden vermag, er sich seiner Macht über Menschen bewußt wird. 1928 wird er Vikar in Barcelona. 1930 Studienjahr in New York erste Begegnungen mit dem Ökumenischen. In Amerika begann er nun, an der traditionellen lutherischen Trennung der Reiche des Glaubens und des Politischen zu rütteln. Starke Politisierung Bonhoeffers nach der Rückkehr aus Amerika. 1931 wird er Privatdozent - Studentenpfarrer - Hilfsprediger - Dozieren, Vorlesungen konzipieren, predigen, Konfirmanden unterrichten, reisen und internationale Konferenzen organisieren, all dies bestimmt von nun an sein Leben. Theologisch stellt er einen unbedingt herrschenden Christus in den Mittelpunkt allen Tuns und Denkens. Im Juli fährt er zwei Wochen nach Bonn, um Karl Barth zu hören. - weiter wird er Sekretär für die ökumenische Jugendarbeit der „World Alliance“. Ab da an aktive Mitarbeit in der Ökumene. 30. Januar 1933 Adolf Hitler wird Reichskanzler. Zu den ersten Gesetzen des neuen Regimes wie die „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“, der „Verordnung zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ sowie dem „Ermächtigungsgesetz“ gibt es keine offiziellen Stellungnahmen der ev. Kirchen. Bonhoeffer hofft, daß die internationale Ökumene helfen kann, überschätzt diese aber. 1934 Pfarrer zweier Gemeinden in London. 29.-31.Mai tagt die berühmt gewordene Bekenntnisynode von Barmen. International schafft Bonhoeffer es nicht, die Reichskirchenregierung auszuschließen. 1935 Predigerseminar in Finkenwalde Ab 1938 wird die Bekennende Kirche ein Ort der „inneren Emigration“. Bonhoeffer stellt seine ökumenischen Beziehungen dem deutschen militärischen Geheimdienst - in Wirklichkeit dem Widerstand - zur Verfügung. damit war der Schritt vom Mitwisser zum Mittäter getan. Vom gewaltlosen Widerstand führt der Weg in die aktive Verschwörung. Die Schuldverstrickung durch das Nichtübernehmen von Verantwortung wird ihm immer deutlicher und unerträglicher. 1940 Redeverbot - Warnungen, daß er beobachtet und sein Telephon abgehört wird. 1942 Am 17.01. verlobt er sich mit Maria von Wedemeyer, wird am 05. April verhaftet und kommt ins Tegeler Gefängnis. Dort strenge Isolierhaft. 1944 08.Oktober, Überführung in die Gestapokeller der Prinz-Albrecht-Straße 1945 am 09. April wird Bonhoeffer mit Canaris, Oster u. a. gehängt, Hans v. Dohnanyi in Sachsenhausen getötet http://privat.schlund.de/G/Gilde/dietrich.htm Bormann, Martin (1900-1945) Bormann, Martin, Leiter der Kanzlei der NSDAP, enger Vertrauter von Adolf Hitler. Bormann wurde in Wegeleben bei Halberstadt als Sohn eines Postbeamten geboren. Gegen Ende des Ersten Weltkriegs wurde er zu einem Artillerie-Regiment eingezogen, aber der Krieg endete, bevor er an die Front kam. Nach Kriegsende begann er eine Landwirtschaftslehre und wurde anschließend Gutsinspektor in Mecklenburg. Als Mitglied des ®Freikorps Roßbach in rechtsradikale Aktivitäten verwickelt, wurde er 1924 wegen Beteiligung an einem Fememord zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. ... Nach der ®Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde Bormann Stabsleiter von Rudolf Hess, der zu ®Hitlers Stellvertreter in der Partei ernannt worden war. Im Oktober 1933 erhielt er den Titel eines Reichsleiters der NSDAP, im November 1933 wurde er Mitglied des Reichstags. ... Zunehmend gelang es ihm, den Zugang zu Hitler zu kontrollieren und in seinem Namen „Führerentscheidungen“ bekanntzugeben. Hierbei vertrat Bormann jedoch keine eigenständigen Konzeptionen, sondern er identifizierte sich mit Hitlers Vorstellungswelt und vertrat dessen Gedankengänge bürokratisch effizient und mit brutalem Durchsetzungsvermögen. ... Bormann war - neben dem Kampf gegen die Kirchen - besonders aktiv auf dem gesamten Feld der rassistischen Politik: In den besetzten Gebieten Polens und der Sowjetunion trat er dafür ein, die einheimische Bevölkerung mit größter Härte zu behandeln, sie strikt von Deutschen zu trennen und ihre Geburtenrate mit allen nur denkbaren Methoden zu senken. Er trat für eine Ausweitung der ®Zwangsarbeitsprogramme (Zwangsarbeiter) und die rücksichtslose Behandlung der „Fremdarbeiter“ ein. Ebenso führte er einen hartnäckigen Kampf für die Verdrängung der ®Kirchen aus dem öffentlichen Leben. Vor allem war Bormann an jeder Phase der Judenverfolgung aktiv beteiligt ... Am 29. Oktober 1945 wurde Bormann mit den anderen nationalsozialistischen Führern vom internationalen Militärgericht in Nürnberg (®Nürnberger Militärtribunal) in absentia angeklagt, am 1. Oktober 1946 wurde er in Abwesenheit zum Tode verurteilt. ... Anfang 1973 stellte ein westdeutscher gerichtsmedizinischer Experte fest, daß eines von zwei Skeletten, die 1972 bei Ausgrabungen in Westberlin entdeckt worden waren, mit großer Sicherheit das von Bormann war. ... http://www.shoa.de/p_martin_bormann.html Microsoft® Encarta® Online-Enzyklopädie 2001 http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/BormannMartin/ http://www.spiegel.de/sptv/themenabend/0,1518,151224,00.html Bromberger Blutsonntag Am 3. September, zwei Tage nach dem Einmarsch deutscher Truppen nach Polen, zogen sich bespannte Einheiten der polnischen Armee durch Bromberg zurück, zwischen ihnen immer wieder polnische Zivilisten, die vor dem Kriege flohen. Gleichzeitig lief das Gerücht um, die deutschen Truppen stünden unmittelbar vor der Einnahme der Stadt. Als jedoch klar geworden war, dass die deutschen Truppen noch nicht vor Bromberg standen, gingen die Soldaten in kleinen Gruppen auf eigene Faust vor gegen ... Häuser und ihre Bewohner, die überwiegend der deutschen Minderheit angehörten. Major Albrycht, der polnische Befehlshaber, zog seine Soldaten am Abend ab; allerdings hatte er vorher noch eine Bürgerwehr zur Aufrechterhaltung der Ordnung ins Leben gerufen und bewaffnet. Es war eine vom militärischen und zivilen Standpunkt aus unsinnige, ja unglaublich leichtfertige Maßnahme (...) Doch nun ging die Bürgerwehr zusammen mit neuangekommenen Soldaten gegen angebliche Diversanten vor (...) Wer verdächtig erschien, wurde auf der Stelle erschossen. Häuser wurden geplündert, eine Kirche wurde in Brand gesetzt. Am 8. September 1939 prägte die Deutsche Rundschau den Begriff „Bromberger Blutsonntag“. Die nationalsozialistische Propaganda benutzte diesen Begriff und verzehnfachte die Gesamtzahl der Opfer unter den Volksdeutschen in Polen, die noch in einer Dokumentation des Auswärtigen Amtes vom November 1939 mit 5.437 Toten angegeben worden war, Anfang Februar 1940 auf 58.000. Das Reichsinnenministerium verfügte am 7. Februar 1940, dass in Zukunft ausschließlich die (gefälschte) Zahl von 58.000 Opfern zu erwähnen sei: „... diese Zahl ... ist allein als verbindlich anzusehen, und nur von dieser Zahl ist in allen Verlautbarungen, Reden usw. auszugehen.“ http://www.h-ref.de/dk/krieg/polen/bromb/brmb.shtml http://www.vvn-bda.de/stade/blatt.htm Bücherverbrennung Am 10.5.1933, drei Monate nach der ®Machtübernahme der Nazionalsozialisten, fanden in Berlin auf dem Berliner Opernplatz und zahlreichen anderen deutschen Hochschulstädten öffentliche Bücherverbrennungen unter Beteiligung von Rektoren und Professoren statt. SA- und SS-Kapellen spielten vaterländische Weisen und Marschlieder ... Die Bücherverbrennungen inszenierte auf Veranlassung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda der NS-Studentenbund. Diese makabren Veranstaltungen waren Höhepunkt der Kampagne „Wider den undeutschen Geist“, die vom Hauptamt für Presse und Propaganda der Deutschen Studentenschaft vorbereitet worden war. Teil dieser Aktion waren „Schwarze Listen“ für die Säuberung öffentlicher und privater Bibliotheken von „zersetzendem Schrifttum“, aber auch Veröffentlichungen in der Tagespresse mit Namen „nicht tragbarer“ Autoren sowie die Nennung der Plätze für die nächtlichen Verbrennungen. Während ein Sprecher die Namen der unerwünschten Dichter ausrief, warf man ihre Bücher auf riesigen Scheiterhaufen, Fackelträger umsäumten die Szene. Von „Feuersprüchen“ begleitet wurden Werke jüdischer, sozialistischer, pazifistischer, liberaler und humanistisch gesinnter Autoren; unter ihnen befanden sich: die Bücher von Bertolt Brecht, Albert Einstein, Lion Feuchtwanger, Sigmund Freud, Heinrich Heine (1797-1856), Ricarda Huch, Erich Kästner, Alfred Kerr, Thomas Mann, Heinrich Mann, Karl Marx (1818-1883), Carl von ®Ossietzky, Erich Maria Remqrque, Anna Seghers, Kurt Tucholsky, Franz Werfel, Theodor Wolff, Carl Zuckmayer, Stefan Zweig etc. den Flammen übergeben. In Berlin begleitete Propagandaminister ®Goebbels die Bücherverbrennung - die in Deutschland zumeist mit Gleichgültigkeit aufgenommen wurde - mit einer Schmährede gegen die „verfemten“ Autoren und deren „undeutsches Schrifttum“, die in der NS-Kunst und Kultur keinen Platz finden sollten. Goebbels schrieb einen Tag nach den Bücherverbrennungen, in sein Tagebuch: Dann am späten Abend Rede Opernplatz. Vor dem Scheiterhaufen der von Studenten entbrannten Schmutz- und Schundbücher. Ich bin in bester Form. Goebbels-Tagebücher, 11. Mai 1933 Bei der „Säuberung“ öffentlicher Bibliotheken wurden allein in Berlin bis Ende Mai 1933 rund 10.000 Zentner Literatur beschlagnahmt. Ein Jahr später umfaßten die „Schwarzen Listen“ mehr als 3.000 Titel verbotener Bücher und Schriften. http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/innenpolitik/buecher/ http://www.h-ref.de/dk/verf/bverb/bverbr.shtml http://www.buecherverbrennung.de/ Bundeswehr – Liederbuch enthält Spuren und Zeugnisse aus Nazideutschland Die gültige Auflage des Bundeswehrliederbuchs „Kameraden singt“ enthält zahlreiche Lieder und Texte von Komponisten und Dichtern, die in Nazi-Deutschland Wehrmachtsliederbücher wie „Das Lied der Front“ füllten. Das ergab eine Untersuchung im Blick auf Autoren wie Christian Lahusen, die Gaumusikreferenten August Kremser und Gottfried Wolters oder den HJ - Führer Fritz Sotke. Auch wurde versucht, Spuren von NS-Liedern zu verwischen, so beim „Panzer - Lied“, von dem der Musikwissenschaftler Eberhard Frommann behauptet, es gehe in Versform, rhythmischen wie melodischen Perioden und Harmoniefolgen auf das Stammlied des NS-Kraftfahrerkorps, der „mobilisierten Sturmabteilung des Führers“ zurück. Kritiken und Appelle Frommanns an die zuständigen Stellen blieben jahrelang entweder unbeantwortet oder wurden mit dem Hinweis auf eine gebräuchliche „Mehrfachnutzung“ beschieden. Ein Sprecher des Bundesministeriums für Verteidigung war aus Mangel an Unterlagen „nicht in der Lage, Auskunft zu den Sachverhalten zu geben“. Eine Revision der zuletzt 1991 überarbeiteten Auflage von „Kameraden singt“, die in der Regel alle zehn Jahre erfolgt, hat es bislang nicht gegeben. „Ja, wir sind die Herren der Welt“ Deutsche Soldaten singen immer noch Nazi - Lieder. Das aktuelle „Liederbuch der Bundeswehr“ enthält Werke führender NS - Ideologen. Die Herkunft der historisch belasteten Wort-Ton-Gebilde, die Wehrmacht und SS als Begleitmusik für ihre Eroberungskriege dienten, wird jedoch von der militärischen Führung verschwiegen oder verschleiert, Angaben zu Urhebern gefälscht. Kritik wird zurückgewiesen, Widerstand gegen die Traditionspflege des NS - Liedguts sogar bestraft. Getreu dem Adenauerschen Appell („Vergesst mir die Musike nicht, das ist eine wichtige Sache für die Soldaten“) mochte der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Strauß schon bei Einführung der allgemeinen Wehrpflicht nicht mehr auf soldatisches Liedgut verzichten. Das erste „Liederbuch der Bundeswehr“ erschien 1958. „Alte Kameraden“ wie die NS-Barden Hermann Claudius („Herrgott, steh dem Führer bei“) und Hans Baumann („Heiliges Feuer brennt in dem Land“) waren gleich wieder vertreten, diesmal allerdings mit vorwiegend harmloser Feld-Wald-Wiesen-Lyrik. Mit „Kameraden singt!“, so der Titel der vorerst letzten Auflage des Liederbuchs von 1991, wollte die Chorleitung von der Hardthöhe nicht nur die Sangeslust der Truppe wiederbeleben und den frisch rekrutierten Goldkehlchen aus der ehemaliger Volksarmee die „richtige“ Tonart lehren, sondern vor allem der kritischen Öffentlichkeit die musikalische Visitenkarte einer modernen demokratischen Armee vorlegen. Über die Instrumentalisierung der eigentümlichsten deutschen Kulturform für Kriegsverherrlichung und antisemitische Hetze den die Vorgänger begangen hatten zeigte sich das Verteidigungsministerium gut informiert. „In der Zeit des Dritten Reiches und des Zweiten Weltkriegs wurden Soldatenlieder missbraucht als Ausdruck nationalsozialistischer Überhöhung°, heiß es im Vorwort der Liedersammlung. Doch skeptische Liederbuch-Benutzer mögen beruhigt sein, denn „alle Versuche, das Lied der Soldaten als Propagandamittel einzusetzen“ wissen die vermeintlichen Aufklärer, „scheiterten an den Soldaten selbst; sie sangen ihre eigenen Lieder, Lieder, die nicht in der Liederbüchern standen und nur zögernd Eingang fanden.“ Der Musikwissenschaftler Eberhard Fromman widerspricht dieser euphemistischen Darstellung der Wehrmachtsgeschichte: „Die Wehrrnachtsliederbücher wurden fast aus schließlich von Soldaten und Offizieren aus Hitlers Wehrmacht herausgegeben und enthielten auch Lieder führender NS-Ideologen.“ Die Behauptung, der deutsche Soldat habe eine autonome Musikkultur in Kontrast zur nationalsozialistischen Propaganda gepflegt, sei schlichtweg falsch. Fromman, Autor der Studie „Die Lieder der NS-Zeit“, kann zahlreiche Belege vorweisen. Beispielsweise erreichte die Reihe „Liedersammlung des Großdeutschen Rundfunks“, die von Angehörigen der Deutschen Wehrmacht zusammengestellt wurde und ab 1940 unter dem Titel „Das Lied der Front“ erschienen war, Rekordauflagen von mehr als zwei Millionen Exemplaren. Kein Zweifel, Wehrmachtssoldaten haben an der musikalischen Inszenierung von Hitlers Angriffskrieg an den „Fronttheatern“ Europas tatkräftig mitgewirkt. Die Sammlung feldgrauer Poesie nach Noten ist von schwülstigen Glaubensbekenntnissen des deutschen Landsers zum „größten Feldherrn aller Zeiten“ durchzogen, Treueschwüre wie Unteroffizier Hermann Völkers „Soldatenlied“ („Adolf Hitler soll uns führen, wir sind stets zum Kampf bereit“) sind alles andere als eine Seltenheit. Dass auch gängige Nazi-Hymnen - unter anderen Horst Wessels „Die Fahne hoch“ oder „Es zittern die morschen Knochen“, das Pflichtlied des Reichsarbeitsdienstes von Hans Baumann zum Standard-Repertoire der Wehrmacht gehörten, dokumentieren Editionen wie „Das neue Soldaten-Liederbuch - die bekanntesten und meistgesungenen Lieder unserer Wehrmacht“. Das Bundesministerium der Verteidigung verhalf erneut diversen NS-Lyrikern und - Komponisten zu nachträglichem Ruhm, indem sie den Nachdruck einer Auswahl vorwiegend unverfänglicher Elaborate ihres umfangreichen Euvres in „Kameraden singt!“ veranlasste. Dort findet man ebenso Lieder von Christian Lahusen, der schon 1931 antisemitische Kampfparolen in Versform goss („Wir sind bereit, zu schneiden schlimme Saat“) wie von den Gaumusikreferenten August Kremser und Gottfried Wolters. Letzterer schrieb Chorsätze für Nazi-Lieder wie Arno Parduns „Volk ans Gewehr“ („Verräter und Juden hatten Gewinn, sie forderten Opferlegionen“) und trat als Bearbeiter des Liederbuchs der Hitlerjugend „Uns geht die Sonne nicht unter“ in Erscheinung. Sogar der Hindemith-Schüler Georg Blumensaat ist vertreten. Der berühmte Komponist, der 1934 in den Stab der Reichsjugendführung berufen wurde, vertonte damals Baldur von Schirachs Morddrohungen an die Gegner des NS-Staats: „Es dröhnen die Trommeln durch das Land, die Trommeln der HJ. Die Fahne ist das Vaterland, ihr Feind muss aufs Schafott. Heil, Adolf Hitler dir!“ Wie Eberhard Frommann in seiner Abhandlung nachweist, enthält das Liederbuch der Bundeswehr aber auch Liedgut, das eindeutig als Träger der nationalsozialistischen Ideologie zu werten ist. Und noch viel schlimmer: NS-Spuren wurden verwischt, Quellenangaben gefälscht. Immer noch „Wilde Gesellen“ Die Bundeswehr veröffentlichte das Lied ,Wilde Gesellen vom Sturmwind durchweht“ aus dem Jahre 1921 völlig kommentarlos, obwohl bekannt ist, dass der Urheber Fritz Sotke nicht nur eine NS-Karriere als HJ-Führer vorzuweisen, sondern auch den Refrain seines Liedes später als Titel für das berüchtigte Liederbuch der Hitlerjugend zur Verfügung gestellt hat. Ähnliches gilt für das U-Boot-Fahrerlied „Der mächtigste König im Luftrevier“ aus dem Ersten Weltkrieg, das von den Nationalsozialisten vereinnahmt und in den Jahren nach der Machtübernahme umgedichtet wurde. 1933 lautete die zentrale Textzeile des Refrains noch: „Ja, wir sind die Fürsten der Welt.“ Die Bundeswehr hingegen bevorzugte die Nazi-Version von 1939. Und schon herrscht zwischen den arischen „Rassekriegern“ und den Staatsbürgern in Uniform Einstimmigkeit: „Ja, wir sind die Herren der Welt.“ Unsensible Fehltritte oder bedauerliche Irrtümer? Zur Ehrenrettung des mythenumwobenen „Panzer - Lieds“ („Ob‘s stürmt oder schneit“) bemüht das Verteidigungsministerium auch schon einmal verstaubte NS-Legenden. In Anlehnung an eine dümmliche Anekdote aus „Köhlers illustriertem Heereskalender“ von 1939 wird im Liederbuch der Bundeswehr behauptet, die Melodie des „Panzer - Lieds“ sei aus dem „Luiska - Lied“, einer alten Matrosenweise entstanden. Das ist nicht wahr. Der Musikwissenschaftler Frommann fertigte eine Analyse der musikalischen Parameter (Vergleich der Versformen, rhythmischen und melodischen Perioden, Harmoniefolgen) der beiden Kompositionen an. Das Ergebnis: „Nicht eine substanzielle Übereinstimmung.“ Der Schulmusiker a. D. machte sich auf die Suche nach der wahren Ursprungsmelodie des „Panzer-Lieds“ und fand sie im „SS-Liederbuch“, herausgegeben vom „Rasse- und Siedlungsamt“. Die Melodie entstammt dem antisemitischen Kampflied „Es stehet in Deutschland“ („Parole, sie bleibet: Die Juden hinaus!“). Die unbekannte Komponistin Ebenso geschichtsrevisionistisch verfuhr die Bundeswehr mit dem Text der Agressoren-Hymne, von der mindestens zwei sich ähnelnde Versionen existieren. Unliebsame Strophen wurden einfach gestrichen. Kein Wunder, denn sie enthalten Zeilen wie ,Was nützet unser Leben für unseres Reiches Wehr, für‘s Hakenkreuz zu sterben ist unsere höchste Ehr“. Dass es sich bei dem „Panzer - Lied“ um das ehemalige Stammlied des NS - Kraftfahrerkorps (NSKK), der „motorisierten Sturmabteilung des Führers“ handelt, bleibt in „Kameraden singt!“ selbstverständlich unerwähnt. Die Bundeswehr begnügt sich nicht damit, falsche Fährten zu legen und Texte zu frisieren: So wird eine Komponistin und Texterin namens Ute Kraffzig als Urheberin des Liedes „Wir ziehen über die Straßen“ genannt, obwohl nicht der geringste Zweifel daran besteht, dass die Melodie von dem populären NS-Komponisten Robert Götz („Ja beim Jungvolk, da ist‘s lustig“) und der Text von dem Bildhauer Alfred Knott stammt. Abgesehen davon, dass eine Komponistin mit dem Namen Ute Kraffzig wahrscheinlich nie existiert hat, liegt Eberhard Frommann ein Interview mit der ,Westfalenpost“ von 1972 vor, in dem Robert Götz sich ausdrücklich zur Urheberschaft des Kampflieds der NSDAP bekennt. Diese Aussage bestätigt auch der Voggenreiter - Verlag, der 1965 „alte und neue Lieder von Robert Götz“ veröffentlichte - darunter ,Wir ziehen über die Straßen“. Zu dem Buch, das unter dem Titel ,Wir fahren in die Welt“ erschienen ist, merkt der Verlag Folgendes an: „Sämtliche Lieder stammen in ihren Weisen von Robert Götz und sind dem Voggenreiter-Verlag urheberrechtlich geschützt.“ Sogar im Liederbuch der Bundeswehr von 1976 wird noch erwähnt, dass es sich hier um einen „echten Götz“ handelt, ergänzt Fred K. Prieberg, Autor der musikpolitischen Studien „Musik im NS-Staat“ und „Musik und Macht“. Der Musikwissenschaftler kann nicht nachvollziehen, ,weshalb der Rechtsinhaber Voggenreiter-Verlag nicht eingreift“. Der denkt gar nicht daran, denn delikaterweise ist „Kameraden singt!“ bei Voggenreiter erschienen. Verlagsleiter Ernst Voggenreiter höchstpersönlich hat an der Zusammenstellung der Lieder mitgewirkt. Das Unternehmen, das während des Dritten Reiches auch Propaganda-Material der Reichsjugendführung („Pimpf im Dienst“) publizierte, räumt zwar ein, man sei 1991 „etwas sorglos und naiv“ vorgegangen, an dem gefälschten Urhebernamen jedoch nimmt der Bonner Verlag keinen Anstoß: Bei „Kameraden singt!“ handele es sich schließlich „nicht um eine wissenschaftliche Recherche zum deutschen Liedgut“, erklärt Verlagssprecherin Sybille Kollek lapidar. „Dann ist es ein Märchenbuch“, empört sich der Musikpädagoge Frommann. Der 74Jährige findet es unerträglich, dass die Bundeswehr „junge Leute, die ihr Leben einsetzen sollen, mit falschen Angaben in die Welt schickt“. Mehrfachnutzung, unbedenklich Seit Jahren appelliert der streitbare Kritiker an die zuständigen Stellen, eine konsequente Aufarbeitung der klangvollen Nazi - -Relikte im Bundeswehr-Liederbuch vorzunehmen. Vergeblich. Das Streitkräfteamt erklärt das „Panzer-Lied“ für „unbedenklich“ und vermag nichts zu erkennen, „was vordergründig eine Verbindung zu dem NS-Liedergut hergeben könnte“. Auch die Wehrbeauftragte Claire Marienfeld wollte die „grundlegende Ablehnung“ gegenüber dem Aggressorenlied nicht teilen. Die Tatsache, dass es aus einer antisemitischen Propaganda-Hymne hervorgegangen ist, beunruhigte die Wehrbeauftragte nicht weiter, denn hier läge eine „Mehrfachnutzung“ vor, die „häufiger zu beobachten“ sei. Zudem werde das Lied „seit mehr als 40 Jahren von den Soldaten der Bundeswehr gerne gesungen und hat somit seine eigene Tradition in dieser Armee gefunden“. Während die politisch Verantwortlichen beim „Panzer-Lied“ auf dem Credo der Traditionspflege beharren, äußern sie sich zu den anderen NS-Spuren im Liedgut der Bundeswehr gar nicht erst. Zwar versicherte ein Sprecher des Bundesministeriums der Verteidigung gegenüber „Kunst & Kultur“, den Fragen zu den Autoren des Liederbuchs mit „großer Gründlichkeit und Sorgfalt“ nachzugehen, sah sich dann aber aus Mangel an Unterlagen „nicht in der Lage, Auskunft zu den Sachverhalten zu geben“. Zudem kann die Bundeswehr die Bedenken der Kritiker nicht nachvollziehen. „Keines der Lieder“ bringe „Eroberungsgedanken“ zum Ausdruck oder „pflegt ein überhebliches Pathos“, weiß die militärische Führung und plaudert zwanglos weiter: „Jedes dieser Lieder spiegelt immer auch Haltung und Geist der jeweiligen Entstehungszeit wider.“ Aufklärungsmaßnahmen über die tönende NS-Poesie im Bundeswehr-Liederbuch lassen auf sich warten. Eine kritische Überprüfung aller Lieder, die normalerweise alle zehn Jahre vorgenommen wird, ist längst überfällig. Kein Grund zur Hektik für das Verteidigungsministerium: ,Wann eine Überarbeitung stattfinden wird, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht mitgeteilt werden“, bedauert Pressesprecher Hans Peter Buch. Auch nicht vor dem Hintergrund eines Urteils eines Truppendienstgerichts aus den 80er Jahren. Damals war der Rekrut Gerhard Brauer zu Strafarrest verdonnert worden. Er hatte sich geweigert, das „Panzer-Lied“ auswendig zu lernen. Aus seiner Gefängniszelle in der Westerburger Wäller-Kaserne legte Brauer Beschwerde gegen seine Abstrafung als Befehlsverweigerer ein. Die Entscheidung blieb rechtskräftig und der Soldat standhaft: „Ich bin Antifaschist und Demokrat. Das ,Panzer - Lied‘ widerspricht meiner Überzeugung als aktiver Gewerkschafter.“ (uelle: Susann Witt-Stahl in: Kunst & Kultur, 6 / 2001 Denunziantentum und Spitzelwesen Denunziation war im „Dritten Reich“ ein Massenphänomen. Ohne denunziatorische „Hilfe“ – die zahllosen freiwillig erfolgten Anzeigen von mißliebigem Verhalten – hätte es der nationalsozialistische Überwachungsstaat niemals vermocht, die ganze Gesellschaft mit seinem Terror zu durchsetzen. In jeder Behörde, in jedem größeren Betrieb, im Wohnviertel und in jeder Organisation waren „V-Leute“ der Gestapo präsent, die aus politischer Überzeugung oder gegen Bezahlung „Erkenntnisse“ über ihnen verdächtige Mitmenschen sammelten und weitergaben. Ursache für das massenhafte Denunziantentum war aber nicht nur der „berufliche“ Ehrgeiz der V-Leute. Meistens hatten die Denunziationen einen privaten Hintergrund: Der Denunziant wollte seinem Nachbarn, Konkurrenten oder Vorgesetzten schaden, um sich an ihm zu rächen oder um sich selber Vorteile zu verschaffen. Oft waren es aber auch fanatische Nationalsozialisten, die aus ideologischem Eifer denunzierten, oder einfach angepaßte Streber, die sich durch besonderes Wohlverhalten hervortun wollten. In manchen Fällen handelte es sich um ganze Denunziationsketten: Eine erfolgte „staatsfeindliche“ Äußerung wurde von Mund zu Mund überliefert, und erst der Dritte oder Vierte trug sie zur Polizei, die sie bis zu ihrem Ursprung zurückverfolgte. Auch diejenigen, die eigentlich gar nicht denunzieren wollten, mußten dann aussagen, um sich nicht selbst verdächtig zu machen. In der Regel war die Polizei beim Aufrollen solcher Ketten erfolgreich. Die meisten Denunziationen fanden zwischen Nachbarn und Arbeitskollegen statt, doch wurden dadurch auch viele Familien auseinandergerissen. Eltern verrieten ihre Kinder, Schwestern ihre Brüder, Ehemänner ihre Ehefrauen. Eifersucht und enttäuschte Liebe spielten hier eine große Rolle. Immer wieder denunzierten Eltern ihre halbwüchsigen oder erwachsenen Kinder, weil sie offensichtlich Erziehungsschwierigkeiten hatten. Als überzeugte Nationalsozialisten empfanden sie es als Schande und eigenes Versagen, wenn ihre Kinder der nationalsozialistischen Norm nicht entsprachen Obwohl es durchaus vorkam, daß sich ganze Familien oder sogar Hausgemeinschaften zusammentaten, um jemanden zu denunzieren, waren die Denunzianten oft unbeliebte Einzelgänger. Wer an der Arbeitsstelle einen Kollegen wegen einer politischen Bemerkung verriet, hatte in der Regel wenig Freunde. In vielen Fällen versuchten die Kollegen, den Denunzierten zu schützen: Daß sich Denunzianten in ihrer Umgebung nicht unbedingt beliebt machten, zeigt auch die Tatsache, daß die meisten ungenannt bleiben wollten und nur gezwungenermaßen vor Gericht gegen den Denunzierten aussagten. Selbst die NS–Behörden versuchte zeitweilig, die überhand nehmende Denunziationslust wieder einzudämmen, weil sie ihr Ansehen in der Bevölkerung schädigte. Gerade die aus persönlichen Motiven erfolgten Anzeigen, die sich dann als falsch herausstellten, wurden von den Justizbehörden als peinlich empfunden. In manchen Fällen bekamen die fälschlicherweise Denunzierten sogar Entschädigung für die ungerecht erlittene Untersuchungshaft. Letztendlich dienten diese Warnungen dazu, das Spitzelwesen politisch effektiver zu gestalten; nach wie vor war die Gestapo auf „Mithilfe“ der Spitzel und Denunzianten angewiesen. Um nicht nur von den zufälligen und oft unzuverlässigen Denunziationen abhängig zu sein, baute das Regime von Anfang an eigene Spitzel in den als oppositionell bekannten Milieus auf. Vor allem die kommunistischen Kreise waren von Spitzeln regelrecht durchsetzt, die der Polizei regelmäßig Berichte ablieferten. Es war der Polizei dabei weniger an schnellen Verhaftungserfolgen gelegen als an einer langfristigen und gründlichen Beobachtung aller Aktivitäten und Personen. Oft erst nach Jahren erfolgte dann der große Schlag. Auf diese Weise wurden ganze Netzwerke des Widerstands aufgedeckt. Viele Spitzel betrieben ihre Tätigkeit deshalb so erfolgreich, weil sie selber dem kommunistischen Milieu entstammten, zum Teil sogar tatsächlich im Widerstand gearbeitet hatten und erst im Gefängnis oder im KZ vom Oppositionellen zum Spitzel „umgedreht“ wurden. Unter massiven Drohungen und von der Haft zermürbt, erklärten sie sich dazu bereit, nicht nur in der Gegenwart, sondern auch in der Zukunft ihre Genossen zu verraten. Kamen nun noch Geldgier und Geltungsbedürfnis hinzu, wie bei „Theo“, konnte die Spitzeltätigkeit zum Beruf werden. „Theo“ erhielt für seine Arbeit von der Polizei ein festes Gehalt und eine komfortable Wohnung. Gegen Kriegsende waren es nur mehr die unbelehrbaren und fanatischen Nationalsozialisten, die denunzierten und bespitzelten. Vor allem Äußerungen, die sich auf den verlorenen Krieg und den baldigen Untergang des Regimes bezogen, wurden 1944 und 1945 massenhaft zur Anzeige gebracht. Die Denunzianten wollten nicht wahrhaben, daß die „Ideale“, an die sie glaubten, nun in einer schrecklichen Katastrophe endeten. Sie zeigten in einem Akt der Verzweiflung alle diejenigen an, die sie mit dieser Wirklichkeit konfrontierten. Je mehr sich das Regime - besonders in der Kriegszeit - bedroht sah, desto stärker wurde das Spitzelwesen ausgebaut. „... Zur Abwehr dieser landesverräterischen Elemente und zum Schutz unserer Wehrmacht sind alle notwendigen Maßnahmen getroffen. Auch das Landesverratsgesetz, das für den Verräter den Tod durch das Beil des Scharfrichters vorsieht, wird inzwischen jenen verächtlichen Kreaturen bekannt geworden sein, die sich durch Verräterei und Spionage ein schmutziges Judas-Geld verdienen wollen. Niemand braucht daher in Sorge zu sein oder sich besondere Gedanken zu machen. Wer allerdings glaubt, aus verdächtigen Wahrnehmungen, Beobachtungen, Gesprächen usw. schließen zu müssen, daß Staatsfeinde ihr Unwesen treiben oder Spione am Werk sind, der wende sich umgehend vertrauensvoll an den nächsten Polizeibeamten. Es wird selbstverständlich von jedem Volksgenossen, der seine erwünschte Mithilfe zur Verfügung stellt, erwartet, daß er sich der Tragweite seiner Anzeige bewußt wird, damit die Überwachungsorgane nicht durch unbegründete Anzeigen von ihren Aufgaben abgehalten werden.“ Verein Bürger und Polizei und Gesamthochschule Kassel / Universität http://www.widerstand.musin.de/w3-4.html http://www.susas.de/mag/kpd/andere/ns_terror_verfolgungsapparat.htm Deportation ... ®Hitlers Einstellung zur Lösung der Judenfrage zielte von Anfang an auf die physische Entfernung der ®Juden aus Deutschland. Die erste Massendeportation von Juden erfolgte im Herbst 1938. ... Während des Zweiten Weltkriegs wurden über 4,5 Millionen Juden und über 1 Million Polen zunächst in Ghettos, später in Vernichtungslager deportiert. http://shoanet.iuk.hdm-stuttgart.de/glossar/D.htm#Deportation http://shoanet.iuk.hdm-stuttgart.de/glossar/U.htm#Umsiedlung http://members.aol.com/reiner911/myhomepage/6_42.html Deserteure Auf Hitlers Weisung „Der Soldat kann sterben, der Deserteur muss sterben“ wurden die Wehrmachtsdeserteure mit über 30.000 Todesurteilen und mehreren zehntausend Zuchthausurteilen verfolgt. Über 20. 000 Todesurteile wurden vollstreckt. Überlebt haben die Verfolgungen in den Konzentrationslagern und Strafbataillonen keine 4.000. Heute leben vielleicht noch 200 Betroffene. Eindeutig rehabilitiert sind sie bisher nicht. Der Deutsche Bundestag hat mit seinem Beschluss vom 15. Mai 1997 festgestellt: „Der Zweite Weltkrieg war ein Angriffs- und Vernichtungskrieg, ein vom nationalsozialistischen Deutschland verschuldetes Verbrechen“. Die von der Wehrmachtsjustiz verhängten Verurteilungen wegen Kriegsdienstverweigerung, Desertion/Fahnenflucht und Wehrkraftzersetzung wurden mit dem Beschluss zwar für Unrecht erklärt, anderes gilt jedoch, wenn „die der Verurteiltung zu Grunde liegende Handlung auch heute Unrecht ist.“ Mit diesem Bundestagsbeschluss können sich die Wehrmachtsdeserteure nicht rehabilitiert fühlen, denn Fahnenflucht ist auch heute strafbares Unrecht. Auch mit dem „Gesetz zur Aufhebung der NS-Unrechts-urteile“ vom 25. August 1998 sind zwar Millionen NS-Urteile explizit gesetzlich aufgehoben worden, aber nicht die Verurteilungen der Wehrmachtsdeserteure. Dies, obwohl an ihnen die blutigste juristische Verfolgung in der deutschen Geschichte verübt wurde. Nach den Bestimmungen dieses Gesetzes müssten sich die letzten noch lebenden Wehmachtsdeserteure nach einem Leben der Diskriminierung und Erniedrigung - besonders durch bundesdeutsche Gerichte - einer staatsanwaltlichen Einzelfallprüfung unterziehen, um ihre Rehabilitierung zu erreichen. Diesen demütigenden Weg wollen sie nicht mehr gehen. Sie fordern für ihre Toten und für sich die gesetzliche Aufhebung der gegen sie ergangenen Urteile. Vor der deutschen Geschichte ist es ein erschreckendes Zeichen, ausgerechnet denjenigen, die diesen Krieg durch Fahnenflucht verweigerten, 56 Jahre nach Kriegsende eine klare Rehabilitierung zu versagen! Eine eindeutige gesetzliche Rehabilitierung für alle Wehrmachtsdeserteure, für die toten und die wenigen überlebenden . (http://www.uni-kassel.de/fb10/frieden/themen/Pazifismus/denkmal.html) Der Bremer Ludwig Baumann gehört zu den vielen vergessenen Opfern. Die Nazis folterten ihn, weil er von der Wehrmacht desertierte. Ihm wurde nach dem Krieg noch nicht einmal zugestanden, überhaupt Opfer zu sein: Ludwig Baumann, Wehrmachtsdeserteur: „Wir haben doch gehofft, dass unsere Handlung anerkannt werden würde. Aber wir sind weiter nur als Feiglinge, als Drecksschweine, als Vaterlandsverräter beschimpft, bedroht worden, bis wir uns selber schuldig gefühlt haben. Wir sind einfach an diesem Nachkriegsdeutschland verzweifelt.“ Rehabilitiert sind die Deserteure bis heute nicht – von der Anerkennung, die den Wehrmachtssoldaten zuteil wird, können sie nur träumen. Ludwig Baumann, Wehrmachtsdeserteur: „Kein Soldat brauchte sich je amtlich fragen lassen, warum er Hitlers Krieg mitgemacht hat. Und ob er Kriegsverbrechen begangen hat. Nur die Deserteure, die sich Hitlers Krieg verweigert haben, sollen jetzt per Einzelfallprüfung nachweisen, dass sie ehrenwert gehandelt haben.“ ®Widerstand. Zeit heilt nicht alle Wunden Ludwig Baumann ist Deutschlands prominentester Wehrmachtsdeserteur Er wirkt wie ein netter Opi ein bisschen zart gar, aber sehr agil. Zudem merkt man Ludwig Baumann weder sein Alter von 80 Jahren noch sein schweres, entbehrungsreiches Leben an. „Beinah“ hätte der Vater von sechs Kindern, die er allein groß zog, mal den Friedensnobelpreis bekommen - na, zumindest hatte ihn eine Friedensinitiative dafür vorgeschlagen. Und „beinah“ wäre er auch Träger des Bundesverdienstkreuzes geworden, hätte Baumann nicht dankend abgelehnt. Eines ist der Bremer aber zweifellos: ein Medienstar. Ob nun die BBC oder deutsche TV-Anstalten und eine Vielzahl von Printmedien berichteten über den Pazifisten, Wehrmachtsdeserteur und hartnäckigen Kämpfer für Gerechtigkeit. 1990 gründete Ludwig Baumann mit 36 anderen Deserteuren die „Bundesvereinigung Opfer der NS.Militärjustiz“. Seither ist Baumann, der 1941 desertierte und zehn Monate in der Todeszelle saß, auch ein ständiger Gast im Bundestag. Denn sein Anliegen ist die vollständige rechtliche Rehabilitation aller Wehrmachtssoldaten, die desertierten. Denn selbst 56 Jahre nach Kriegsende ist die deutsche Politik nicht in der Lage, sich eindeutig zu positionieren und diese Menschen von ihrem „Verbrecher- und Verräterstatus“, den ihnen das Hitlerregime aufstempelte, vollständig juristisch freizusprechen. „Erst 1997 beschloss der Deutsche Bundestag, dass der z. Weltkrieg ein Angriffs- und Vernichtungskrieg war“, so Baumann, der dann ärgerlich ausführt: „Aber Fahnenflucht gilt weiterhin als Verbrechen.“ Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin gibt in einem schon Jahre dauernden Briefwechsel zu, dass es „noch offene Fragen der Rehabilitierung bei den Opfern der NS - Militärjustiz“ gebe. Dies würde geprüft. Und sie schreibt Anfang August 2001: „Das wird nicht mehr lange dauern aber die nötige Zeit brauchen wir eben.“ Baumann und die noch 200 lebenden Deserteure haben nicht mehr so viel Zeit - sie wollen so schnell wie möglich Gerechtigkeit. (DANIELA Barth, Weser Report, 5.9.2001) http://www.uni-kassel.de/fb10/frieden/themen/Bundeswehr/deserteure.html http://www.friedenskooperative.de/ff/ff02/2-56.htm http://www.volkerbeck.de/pe/020228ns.htm http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,2044,OID771984,00.html Deutsche Arbeitsfront Wenige Tage nach der ®“Zerschlagung der Gewerkschaften“ wurde am 10. Mai 1933 die Deutsche Arbeitsfront (DAF) gegründet. Durch die „freiwillige, aber erwünschte“ Einheitsmitgliedschaft und die von ihr organisierten Aktivitäten ermöglichte es die DAF dem NS-Regime, die arbeitende Bevölkerung sowohl im Beruf als auch in der Freizeit zu kontrollieren und zu indoktrinieren. ... Die DAF war rechtlich ein der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) angeschlossener Verband. ... Mit ihren Aktivitäten unterstützte die DAF den Gedanken der ®Volksgemeinschaft, wobei sie insbesondere auf die Integration der Arbeiterschaft abzielte. So sollte die Einführung von Werkpausenkonzerten den Arbeitern das Gefühl vermitteln, daß sie kein kulturelles Schattendasein führten. Die im November 1933 gegründete DAF-Organisation ®Kraft durch Freude (KdF) organisierte Freizeitaktivitäten und erreichte damit, daß der Zugang zu bisher bürgerlichen Privilegien wie dem Luxus des Reisens nun auch für Arbeiter erschwinglich wurde. Selbst die Anschaffung eines Autos rückte durch das Projekt des mit Anleihen finanzierten Volkswagens (VW), des sogenannten KdF-Wagens, in den Bereich des Möglichen. ... Die DAF finanzierte sich mit dem beschlagnahmten Vermögen der Gewerkschaften, mit den vom Lohn abgezogenen Zwangsbeiträgen, die 1939 etwa 539 Millionen Reichsmark betrugen, und mit Gewinnen aus Wirtschaftsunternehmen, die der DAF gehörten oder an denen sie beteiligt war. ... Dies machte die DAF zu einem wichtigen Faktor des deutschen Wirtschaftslebens, der wesentlich bei der Umstellung der deutschen Wirtschaft auf die Kriegsproduktion im Rahmen des Vierjahresplanes half. http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/organisationen/daf/ http://www.tu-berlin.de/zuv/IIIC/fordat/01/32/7585.htm http://www.bundesarchiv.de/bestaende.php?BestID=1970 http://www.goethe.de/in/d/frames/gaz/didak1934.html „Deutsche Christen“ Die Machtergreifung der Nationalsozialisten blieb nicht ohne Einfluß auf die Kirche. In Punkt 24 des Parteiprogrammes der NSDAP hieß es: „Wir fordern die Freiheit aller religiösen Bekenntnisse im Staat , soweit sie nicht dessen Bestand gefährden oder gegen das Sittlichkeits- und Moralgefühl der germanischen Rasse verstoßen. Die Partei als solche vertritt den Standpunkt eines positiven Christentums, ohne sich konfessionell an ein bestimmtes Bekenntnis zu binden. Sie bekämpft den jüdisch-materialistischen Geist in und außer uns und ist überzeugt, daß eine dauernde Genesung unseres Volkes nur erfolgen kann von innen heraus auf der Grundlage: Gemeinnutz vor Eigennutz.“ Bevor eine nationalsozialistische Kirchenpartei in Erscheinung trat, gab es in Deutschland Menschen und Bewegungen, die durch ihre Veröffentlichungen zu Fragen des Christentums in Verbindung mit einer Rassenlehre und des Deutschtums auf sich aufmerksam machten. ... So behauptet z. B. H. Chamberlain (einem später eingedeutschten Engländer) schon 1903, Christus sei nicht Jude, sondern Angehöriger einer arischen Rasse gewesen und germanischer Volkscharakter und germanische Kraft hätten den Sieg des Christentums entschieden. Auf einer Kundgebung des Königsberger Kirchentages von 1927 wird ein Weltbürgertum abgelehnt und Vaterlandsdienst mit Gottesdienst gleichgesetzt. Ähnlich äußern sich 1932 die „Richtlinien der Christlich-deutschen Bewegung“, einer protestantisch konservativen Vereinigung, der auch der Schweriner Landesbischof Rentdorff angehörte. Dort wurde die Revolution von 1918 für Sünde gehalten, ein christlich-autoritativer Staat und die Christianisierung der Politik gefordert. Zu denjenigen, die wie später die „Deutschen Christen“ Religion, Rassenlehre und Parteipolitik miteinander verbinden, gehören der Schriftsteller Johannes Müller aus Elmau (1864-1949) und Alfred ®Rosenberg. Müller sieht in Adolf Hitler ein deutsches Wunder, Selbstoffenbarung und erlösende Wirkung der Herrschaft Gottes. Alfred Rosenberg, NS-Ideologe und Reichsminister, setzt sich 1930 in seinem zur NS-Zeit weitverbreiteten Buch „Der Mythus des 20. Jahrhunderts“ auch mit Fragen des Christentums auseinander. Er kommt zu Aussagen und Forderungen, die uns heute kaum glaubhaft erscheinen: Die Menschen sollen „dem Nihilismus entrissen und echten Religionsformen zugeführt werden.“ Dann Forderungen nach „Abschaffung des Alten Testamentes, das uns geistig 1 1/2 Jahrtausende zu Juden machte“ und nach „Streichung abergläubischer Berichte (Paulinische Verfälschungen) aus dem Neuen Testament“. Und mit seiner Forderung nach „erwachendem Deutschtum und deutscher Volkskirche“ sind wir bei der NS-Kirchenpartei der „Deutschen Christen“, die 1932 gegründet wurde. Pfarrer J. Hossenfelder trat am 26. Mai 1932 mit einem deutsch-christlichen Programm an die Öffentlichkeit.. Dies forderte ganz im Sinne des erwähnten Artikel 24 des Parteiprogramms der NSDAP: „Positives Christentum, Kampf gegen den Marxismus, gegen Juden, Weltbürgertum und Freimaurerei, Reinerhaltung der Rasse und Schutz des Volkes vor Entartung“. Auf ihrer 1. Reichstagung in Berlin am 3.und 4. April 1933 forderten die Deutschen Christen (DC) die Verknüpfung von religiösen und nationalen Vorstellungen: „Gott hat mich als Deutschen geschaffen, Deutschtum ist Geschenk Gottes. Gott will, daß ich für mein Deutschland kämpfe. Kriegsdienst ist in keinem Fall Vergewaltigung des christlichen Gewissens, sondern Gehorsam gegen Gott... Der Staat Adolf Hitlers ruft nach der Kirche, die Kirche hat den Ruf zu hören.“ Diese Auffassung gipfelte in der Meinung eines deutsch-christlichen Kirchenrates: „Christus ist zu uns gekommen durch Adolf Hitler!“ Ihren ersten Höhepunkt erreichte die Radikalität der „ Deutschen Christen „ auf deren Großkundgebung in Berlin am 13. November 1933! Vor 20 000 Zuhörern äußerte Dr. Reinhold Krause , Gauobmann der „Deutschen Christen von Großberlin „: „Voraussetzung für den Bau der deutschen Volkskirche ist die Befreiung von allem Undeutschen im Gottesdienst und im Bekenntnismäßigen, Befreiung vom Alten Testament mit seiner jüdischen Lernmoral, von dien Viehändler – und Zuhältergeschichten . Mit Recht hat man dieses Buch als eines der fragwürdigsten Bücher der Weltgeschichte bezeichnet.... Es wird aber auch notwendig sein, ... daß alle offenbar entstellten und abergläubischen Berichte des Neuen Testaments entfernt werden und daß ein grundsätzlicher Verzicht auf die ganze Sündenbock- und Minderwertigkeitstheologie des Rabbiners Paulus ausgesprochen wird...“ Aufruf der Deutschen Christen Deutscher! Deine Väter bauten die Kirchen. Trutzburgen des Glaubens waren sie einst. Hort deutscher Frömmigkeit. Hände, die werktags Pflug und Hammer führen, falteten sich sonntags zum Gebet. Herzen, die der Alltag verwundet, wurden am sonntag wieder heil. Was im Kampf um das tägliche Brot an Neid und Haß aufbrach, Vor Gott wurde die Gemeinde der Deutschen immer wieder neu. Deutscher! Heute sind deine Kirchen glaubensarm geworden. Stätten des Unfriedens. Heute wird in den Kirchen über Worte und Formeln gestritten in ehrfurchtslosem rechthaberischem Pharisäergeist. Heute wird von den Kanzeln im Namen der Liebe Haß und Zwietracht gesät. Die Freiheit des Glaubens wird unterdrückt. Im Namen Gottes wird das einige Volk wieder zerissen. Um solche Streites willen haben gläubige deutsche Männer und Frauen der Kirche den Rücken gekehrt Tausende und Hunderttausende drohen zu folgen Deutscher, willst du das? N e i n ! das willst du nicht Du willst, daß deine Kirche wieder werde, was einst die Kirche deiner Väter war: Gemeinde des Glaubens, Gemeinde der Kraft. Stätte des Friedens und der Anbetung. Du willst, daß deine Söhne und Enkel darin innere Heimat finden, daß sie als Glieder eines Volkes in der Kindschaft Gottes gläubig miteinander leben. Deutscher! Laß uns miteinander in Ehrfurcht vor den Allmächtigen treten! Als Retter ist er uns erschienen in unseres Vaterlandes tiefster Not. Er sandte uns den Führer, Er löste uns aus Schmach und Schuld. Er weckte uns zu neuem Leben. Ein Strom von Glaube Liebe und Hoffnung ist aufgebrochen seit diesen Tagen. Wir Deutschen sind Volk geworden. http://www.idgr.de/lexikon/stich/d/deutsche-christen/dc.html http://www.whs.tut.bw.schule.de/hs/reli/dchr.htm http://www.luth-braunschweig.de/luth-bs/themen/kircheimnationalsozialismus/bischofbeye.html http://humanismus.de/hvd/diesseits/artikel/59/Isemeier.htm Deutsche Forschungsgemeinschaft Am 30. Oktober 1920 wird die Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft gegründet. Zwei Jahre nach dem Ersten Weltkrieg soll die Forschung wieder aufgerüstet werden. ... Präsident der Notgemeinschaft wird der Jurist Friedrich Schmidt-Ott, der sich im Preußischen Kultusministerium vom Assessor zum Minister hochgearbeitet hat. Sein Stellvertreter ist der Chemiker Fritz Haber, Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physikalische Chemie. Er hatte im Krieg, völkerrechtswidrig, den deutschen Giftgaseinsatz geleitet. Haber und Schmidt-Ott sind die geistigen Väter der Notgemeinschaft. .. 1933 ... Die Notgemeinschaft nennt sich fortan Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). Ihr Präsident wird Johannes Stark, ein Vertreter der antisemitischen Deutschen Physik. Ihn verdrängt 1936 der Wehrchemiker Rudolf Mentzel, ein Vertrauter des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung Bernhard Rust. Im März 1937 wird innerhalb der DFG ein Forschungsrat gegründet, der sich bald Reichsforschungsrat nennt - sein erster Präsident ist ein Ordinarius für Ballistik an der wehrtechnischen Fakultät der Technischen Hochschule Berlin: Karl Becker, General der Artillerie und Chef des Heereswaffenamts. ... Neben Militärprojekten finanziert die DFG im großen Umfang Geisteswissenschafler, und zwar solche, die deutsche Besitzansprüche im Ausland wissenschaftlich fundieren. ... Fapartenleiter für Medizin; Rassenforschung und -assenbiologie ist der legendäre Chirurg Ferdinand Sauerbruch, Professor an. Berlins berühmtester Klinik, der Charite. Zwar wird er niemals Mitglied der ®NSDAP, gleichwohl sonnen die Nazis sich in seinem Ruhm: Hitler zeichnet ihn 1937 auf dem Nürnrberger Reichsparteitag mit dem ersten „Nationalpreis“ aus, gedacht als nationalsozialistische Gegenauszeichnung zum Nobelpreis. Sauerbruch bewilligt neben den üblichen Forschungsvorhaben auch die Finanzierung von KZ – Versuchen (Hinweise auf Mengeles Auschwitz Projekte finden sich noch heute in Sauerbruchs - gereinigter - DPG-Akte abgeheftet). Besondere: Zuwendung durch den berühmten Arzt erfährt indes der pensionierte Malariaforscher Claus Schilling, ehemals Robert-Koch-Institut. Dieser will einen Impfstoff gegen Malaria entwickeln. Schilling schreibt 1937: „Da die menschliche Malaria nicht auf Tiere übertragbar ist. mussten die Versuche an Menschen angestellt verden.“ Versuchsobjekte sind zunächst Studenten, die Sauerbruch angeworben hatte. Von 1942 an unternimmt Schilling tödliche Versuche an Häftlingen im KZ Dachau - ebenfalls von der DFG, gefördert. ... Gegen Kriegsende werden belastende DFG Unterlagen bewusst vernichtet. Andere gehen irgendwie verloren: ... Wo Belastungsmaterial so auffällig häufig vererschwindet, scheint Aufklärung offensichtlich kaum erwünscht. Dies muss nach dem Krieg auch Alexander Mitscherlich erfahren, der von der DFG kurzerhand zur Persona non grata erklärt wird. Er hatte 1947 Dokumente des Nürnberger Ärzteprozesses über KZ-Versuche unter dem Titel Das Diktat der Menschenverachtung und 1949 eine erweiterte Fassung dieses Buches unter dem Titel Wissenschaft ohne Menschlichkeit veröffentlicht. Am 21. Februar 1950 schreibt er an den Analytiker Felix Schottländerder: „Die Notgemeinschaft Deutscher Wissenschaft hat es abgelehnt, einem unter meiner Leitung stehenden Institut - nicht der psychosomatischen Forschung als solcher - eine finanzielle Unterstützung zu gewähren!“ Mitscherlichs Kommentar: „Endlich, endlich eine Möglichkeit der Herren, sich für (Das) Diktat der Menschenverachtung (und) Wissenschaft ohne Menschlichkeit zu rächen. Alle meine lieben Freunde.... sitzen natürlich im Vorstand.“ Einer der von Mitscherlich genannten „Freunde“: Ferdinand Sauerbruch: Eine Untersuchung, wie viele braune Forscher nach 1945 weiterhin von der DFG gefördert wurden, steht noch aus. Sicher ist: Der Geldsegen für diese Wissenschaftler endete 1945 nicht. ... Straßburg, war eine so genannte Kampfuniversität. In der NS-Zeit hätte sich dort ein Bund der Freunde der Reichsuniversität-Straßburg gegründet, der über ein Millionenvermögen verfügte. Dieser Freundesbund löste sich erst 1960 auf. Das Vermögen vereinnahmte DFG Generalseekretär Kurt Zierold. für die DFG, „mit der Auflage, während der nächsten IO Jahre daraus wissenschaftliche Arbeiten ehemaliger Straßburger Professoren und Dozenten ... zu unterstützen, aber unabhängig davon, ob die betreffenden Herren noch jetzt im Hochschuldienst stehen. Im Klartext: Auch jene Wissenschaftler sollten profitieren, die aufgrund ihrer NS-Vergangenheit im Hochschuldienst nicht mehr tragbar waren. Die Opfer der KZ-Versuche zu entschädigen wurde nicht einmal diskutiert. Forschung als Waffe im Kampf gegen die „Judenpropaganda“ Die DFG hat ihre Vergangenheit zweimal darstellen lassen: 1968 legte DFG –Generalsekretär Zierold das Verharmlosungsopus Forschungsförderung in drei Epochen vor. Im vergangenen Jahr publizierte der Frankfurter Historiker Notker Hammerstein im Münchner Verlag C. H. Beck sein Buch „Die Deutsche Forschungsgemeinschaft in der Weimarer Republik und im Dritten Reich“. Eine DFG - Auftragsarbeit. ... Zwar kommt auch Hammerstein nicht darum herum, 20 Seiten seines 580-Seiten-Opus‘ der „Förderung verbrecherischer Forschung‘ zu widmen. Doch kann man allen Ernstes eine Forschung, die Sinti und Roma zu minderwertigen Bastarden erklärte als allgemeinmedizinisch ausgeben und die Forderungen der wissenschaftlichen Vordenker und Handlanger der Kranken- und Judenvernichtung in die Nähe von Für- und Vorsorge rücken? Es ist absurd: In der Diskussion um Rechtsradikalismus und Neonazis appelliert derzeit wieder einmal alles, die Wurzeln des Nationalsozialismus schonungslos aufzudecken. Zugleich aber werden die Täter nach wie vor weichgezeichnet, geht die Weißwaschung auch im hehren Reich der Wissenschaft weiter. ... Eine bizarre Episode: Und doch nur eine von vielen, die sich in keiner DFG - Chronik finden. Denn noch immer schönt die Deutsche Forschungsgemeinschaft ihre Geschichte, ist sie ihrer Selbstdarstellung nach auch heute noch eher eine Deutsche Vertuschungsgemeinschaft. ) ®Medizin ohne Menschlichkeit. (Quelle; ERNST KLEE, 12. OKTOBER 2000 DIE ZEIT Nr. 42, ZEIT LÄUFTE http://www.antipsychiatrie.berlinet.de/versand/titel/klee_medizin.htm http://userpage.fu-berlin.de/~astafu/nd/nd51/nd51_09.html Dienstpflicht 1938 eingeführte Verordnung ermöglichte die Rekrutierung von Arbeitern und Angestellten für den Diensteinsatz bei besonderen Aufgaben. Vorher bestehende Arbeitsverhältnisse wurden dadurch gelöst. Die Dienstpflicht wurde vom Regime als Instrument zur Lenkung des Arbeitseinsatzes in der Rüstungsindustrie und im Befestigungsbau genutzt. Ab Januar 1943 wurde die Dienstverpflichtung auch auf Frauen zwischen 17 und 45 Jahren ausgedehnt, die zur „Reichsverteidigung“ herangezogen wurden. http://www.documentarchiv.de/ns/1935/rad_ges.html http://www.shoahproject.org/widerstand/kids/shkids2.htm Displaced Persons (DP) ist eine Bezeichnung für vertriebene und entwurzelte Menschen. Am Ende des Zweiten Weltkriegs waren in Europa 7 bis 9 Millionen Menschen heimatlos geworden. Bis Ende 1945 hatten die alliierten Mächte über 6 Millionen in ihre Heimatländer zurückbefördert. Verblieben waren knapp 2 Millionen Displaced Persons (DPs). Am Tag der Kapitulation waren unter den DPs 200.000 ®Juden, die ®Zwangsarbeits-, ®Konzentrations-, ®Vernichtungslager und ®Todesmärsche überlebt hatten. ... Zwischen 1945 und 1952 nahmen die USA etwa 400.000 DPs auf, darunter etwa 20 % Juden. Schätzungsweise 136.000 jüdische DPs gingen nach Israel. http://www.geschichte.schleswig-holstein.de/vonabisz/displaced_persons.htm http://www.rrz.uni-hamburg.de/musik/exil/texte/dp-camps-info.html http://lernen.bildung.hessen.de/geschichtswerkstatt/displaced/print_all Donationen ®Hitler hat seinen Getreuen stattliche Rittergüter, fette Pfründe, insbesondere im Osten des Deutschen Reiches und gewaltige Geldbeträge im Vorgriff auf den „Endsieg“ bis zuletzt gewährt. Diese gigantischen Donationen wurden nicht nur Parteibonzen und Paladinen in seiner unmittelbarer Umgebung zugesprochen, sondern auch prominenten Persönlichkeiten vor allem aus den allerhöchsten Kreisen von Staat und Wehrmacht. Geschenke in großem Umfang gingen ebenso an Künstler, Architekten und Schriftsteller wie auch an ganz gewöhnliche Volksgenossen, die sich bewährt hatten. Der Sinn dieser Dotationen wird klar, wenn man im Tagebuch von Hitlers Heeresadjutanten, Major Engel, nachliest: Die großzügigen Geschenke, die schon Könige und Cäsaren an ihre Günstlinge verteilten, seien „... eine ganz kluge Sache gewesen, denn je mehr man eine Heldentat und Leistung honoriere, um so mehr verpflichte man sich den Betreffenden und binde ihn, ganz unabhängig von dessen Einstellung, doch an seinen Eid und verpflichte ihn demjenigen gegenüber, dem er diese Ehrung zu verdanken habe“. Viele Menschen, die sich dem NS-Staat verpflichtet sahen, haben sich bei Hitler um diese begehrten Gaben bemüht oder geradezu darum gerissen: Nicht alle waren immer mit dem Umfang der Geldgeschenke bzw. mit der Lage und Größenordnung der Güter zufrieden und ersuchten um „Nachbesserungen“ und - was wichtig war in der letzten Phase des Krieges, als die Frontlinien sich mehr und mehr den Reichsgrenzen näherten, alliierte Bombenangriffe sich häuften und sich die Zahl der Kriegstoten dramatisch erhöhte - um ruhiger gelegene und sicherere Vermögenswerte im alten Reichsgebiet. Zahlreiche auf diese Weise erworbenen Vermögenswerte sind heute noch im Besitz der jeweiligen Familie. http://www.boell.de/index01.htm Drittes Reich im allgemeinen Sprachgebrauch die Bezeichnung für die nationalsozialistische Diktatur der Jahre 1933 bis 1945. Der Begriff wurde von den Nationalsozialisten propagandistisch verwendet, um ihr Reich in die Kontinuität des Heiligen Römischen Reiches, des ersten Reiches, und des Deutschen Kaiserreiches, des zweiten Reiches, zu stellen. Die Weimarer Republik galt als „Zwischenreich“. ... http://www.hco.hagen.de/history/ http://shoanet.iuk.hdm-stuttgart.de/links/reich.htm (Umfangreiche Linksammlung) Edelweißpiraten ® Widerstand, Jugendopposition Ehrenburg, Ilja Der russische Propagandist Ehrenburg wird von oft als Beleg für die These genannt, die Juden wären nur darauf aus, Deutschland zu schaden. Als Kommunist, Jude und Schriftsteller von Rang konnte er für die Nazis - schon zu Zeiten des 2. Weltkriegs - nichts anderes als eine Hassfigur sein. Der angebliche Aufruf Ehrenburgs, deutsche Frauen zu vergewaltigen, ist wahrscheinlich im November 1944 vom Reichspropagandaministerium fabriziert und in einem Tagesbefehl des AOK Nord sowie vom Stab Dönitz verbreitet worden, und zwar stets als Zitat, in indirekter Rede und als Berufung auf ein angebliches Flugblatt oder in einigen Versionen als einen angeblichen Artikel in der Prawda oder der Krasnaja Svjesda. Die letzteren Behauptungen werden praktisch nur noch in Nazi- und Vertriebenenverbandskreisen kolportiert. Sie sind nachweisbar falsch. ... Ehrenburg hat übrigens schon 1944 von der Verleumdung erfahren und sie in einem an die Krasnaja Svjesda gerichteten Brief wie folgt kommentiert: „Früher einmal haben die Deutschen Staatsdokumente gefälscht. Jetzt sind sie soweit, meine Artikel zu fälschen. Die Zitate, die der deutsche General mir zuschreibt, verraten den Verfasser nur zu deutlich.“... Ehrenburg schrieb in jenen Jahren des Krieges auch folgendes (auch für die Rote Armee): „Europa träumte von der Stratosphäre - jetzt muss es wie ein Maulwurf in Kellern und Erdlöchern hausen. Nach dem Willen Hitlers und seiner Schergen hat sich das Jahrhundert verfinstert. Wir hassen die Deutschen nicht nur, weil sie niederträchtig und gemein unsere Kinder morden, wir hassen sie auch deshalb, weil uns von allen Worten, die den Menschen zu eigen sind, nur das eine geblieben ist: Töte! Wir hassen die Deutschen deshalb, weil sie das Leben bestohlen haben.“ Und in einem Artikel mit dem Titel „Rechtfertigung des Hasses“ (Krasnaja Svjesda, Sommer 1942): „ .. Unsere Menschen träumen nicht von Rache. Nicht dafür haben wir unsere Jünglinge erzogen, damit sie auf die Ebene Hitlerscher Gewalttaten herabsinken. Niemals werden Rotarmisten deutsche Kinder Töten, das Goethehaus in Weimar anstecken oder die Bibliothek in Marburg zerstören. Rache bedeutet, dass man Gleiches mit Gleichem vergilt, dass man die Sprache des Feindes zu sprechen sich anschickt. Wir aber haben mit den Faschisten keine Sprache gemein. ..“ Das sind die Worte eines beleidigten Humanisten, nicht eines Gewaltpredigers. Das literarische Werk von Ehrenburg ist (jedenfalls in Deutschland) im Moment nur antiquarisch erhältlich. Lesenswert sind seine zahlreichen Romane und Essays - meist in einem distanziert-ironischen Stil gehalten - auf jeden Fall. Ehrenburg hat sich schon als Schüler politisch betätigt, wurde dafür inhaftiert und lebte bis 1917 als Emigrant in Paris. Er hat in seinem Leben eine unglaubliche Zahl der bedeutendsten Gestalten des europäischen Kulturlebens dieses Jahrhunderts kennengelernt. Hiervon legt seine 1962 und 1965 auch in der BRD erschienene Autobiographie „Menschen, Jahre, Leben“ (Ljudi, gody, shisn) Zeugnis ab ebenso wie von den beiden Weltkriegen, dem Spanischen Bürgerkrieg (hier fasziniert Ehrenburgs freundliche Schilderung der katalanischen Anarchisten) und der Epochenwende, die der Sturz Berijas und die Entstalinisierung für die UdSSR bedeuteten. Ehrenburgs Roman „Tauwetter“ markierte diesen Wendepunkt. Seine Autobiographie ist ein einzigartiges Zeugnis unseres Jahrhunderts und jenseits politischer Ablehnung oder Zustimmung mehr als nur lesenswert. Ehrenburg war kein Dissident, wohl aber ein distanziert-kritischer Intellektueller, der seine Freunde Isaak Babel, Boris Pasternak und Vasilij Grossmann auch verteidigte, als sie verfolgt wurden und der während der Kampagne gegen das „Kosmopolitentum“ in grosse Schwierigkeiten geriet. (http://www.h-ref.de/ar/ehrenb/ehrenburg.shtml) Eichmann, Adolf Eichmann, Karl Adolf (1906-1962), SS-Obersturmbannführer. Adolf Eichmann, ... trat 1932 der österreichischen NSDAP bei und kam 1934 nach Berlin in das sogenannte Juden-Referat II 112 des Sicherheitsdienstes (SD). 1938 wurde er Chef der „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ in Wien und 1939 des entsprechenden Amtes in Prag und übernahm die Leitung des Judenreferats im ®Reichssicherheitshauptamt. Er war hier für jüdische Angelegenheiten wie „Auswanderung“ und „Räumung“, also praktisch die ®Deportation und ®Enteignung der ®Juden, zuständig. 1942 nahm er an der ®Wannseekonferenz teil, auf der die „Endlösung der Judenfrage“ beschlossen wurde. In der Folge war Eichmann als Organisator für die ®Deportation von Millionen von Juden in die ®Vernichtungslager verantwortlich. ... Der Prozeß gegen Adolf Eichmann, der 1961/62 in Jerusalem geführt wurde, fand weltweites Interesse. Es war das erste Mal, daß die systematische Ermordung der Juden mit allen Details, in allen Phasen und aus allen Perspektiven vor einem Gerichtshof verhandelt wurden. ... Am 15. Dezember 1961 wurde er wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen das jüdische Volk zum Tod verurteilt und am 1. Juni 1962 hingerichtet. ... Desweiteren verstärkte der Eichmann-Prozeß das Interesse an der Erforschung des Holocausts und führte zu einer Intensivierung der Ermittlungen und Prozesse gegen NS-Verbrecher. http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/EichmannAdolf/ http://www.wsg-hist.uni-linz.ac.at/Auschwitz/HTMLd/Eichmann.html http://www.shoa.de/p_adolf_eichmann.html Einmaligkeit der Shoa ®Shoa Einparteienstaat Erklärtes Ziel der Nationalsozialisten vor und während der Etablierung der NS-Herrschaft war die Beseitigung des verhaßten Mehrparteiensystems, das sie für das „demokratische Chaos“ der Weimarer Republik verantwortlich machten. Ihrer Ansicht nach waren die Parteien und die von ihnen verbreitete politische Meinungsvielfalt ein Haupthindernis für die von den Nationalsozialisten angestrebte ®Volksgemeinschaft. Dem nationalsozialistischen Terror in den Monaten nach dem 30. Januar 1933 waren zunächst vor allem Angehörige der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) ausgesetzt. Zeitungsverbote, Besetzung von Parteihäusern, Repressalien sowie Verfolgung und Ermordung von Funktionären durch die Nationalsozialisten schürten aber auch in den anderen Parteien zunehmend eine Stimmung nackter Angst. Bröckelten die Mitgliederbestände sämtlicher Parteien bereits unmittelbar nach der nationalsozialistischen ®Machtübernahme, so setzten nach der Reichstagswahl vom 5. März 1933 wahre Austrittswellen ein. Politischer Opportunismus oder die vermeintlich notwendige Sicherung der familiären und beruflichen Existenz trieben Hunderttausende „Märzgefallener“ in die „Partei der Sieger“. Die Führung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) sah sich daher gezwungen, am 1. Mai 1933 eine Aufnahmesperre in Kraft zu setzen. Mit der Annahme des Ermächtigungsgesetzes am 23. März 1933 und der Entmachtung des Parlaments verloren die Parteien ihre Funktion als politische Entscheidungsträger. Der Ausschaltung der KPD und der Zerschlagung der Gewerkschaften Anfang Mai folgte am 22. Juni 1933 das Verbot der SPD. Nachdem die Parteileitung von ihrem Prager Exil aus zum Sturz von Adolf Hitler aufgerufen hatte, erklärte Innenminister Wilhelm Frick die SPD zur „volks- und staatsfeindlichen Organisation“. Die Deutsche Staatspartei, Nachfolgerin der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP), und die Deutsche Volkspartei (DVP) waren bereits gegen Ende der Weimarer Republik politisch nahezu bedeutungslos geworden. Sie kamen einem zu erwartenden Verbot zuvor und lösten sich Ende Juni 1933 selbst auf. Deutschnationale Volkspartei (DNVP), Zentrum und Bayerische Volkspartei (BVP) taten es ihnen wenig später gleich. Nach einem halben Jahr hatten die Nationalsozialisten ihr Ziel auf scheinbar legalem Weg erreicht. In Deutschland gab es nur noch eine Partei: die NSDAP. Mit dem „Gesetz gegen die Neubildung von Parteien“ vom 14. Juli 1933 wurde der nationalsozialistische Einparteienstaat endgültig manifestiert. ®Gleichschaltung http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/innenpolitik/einparteienstaat/index.html http://shoanet.iuk.hdm-stuttgart.de/chronik/1933.htm http://archiv.ub.uni-marburg.de/sonst/1998/0003/k10.html Einsatzgruppen Sondereinheiten zur Bekämpfung politischer Gegner wurden im NS - Staat erstmals beim „Anschluß“ Österreichs 1938 und beim Einmarsch in die Tschechoslowakei 1939 eingesetzt. Für den geplanten Vernichtungskrieg im Osten stellten die Sicherheitspolizei (Sipo) und der ®Sicherheitsdienst (SD) dafür spezielle Einsatzgruppen auf. Beim Überfall auf Polen folgten die Einsatzgruppen den vorrückenden Wehrmachtsverbänden und setzten die von Adolf ®Hitler angeordnete „restlose Zertrümmerung Polens“ um. Sie ermordeten tausende Intellektuelle, Angehörige des katholischen Klerus und Juden. Um die Eingliederung der westpolnischen Gebiete ins Deutsche Reich vorzubereiten, organisierten die Einsatzgruppen die systematische Vertreibung der ®Juden aus diesen Gebieten und pferchten sie in den Ghettos des sogenannten Generalgouvernements zusammen. Der von Anfang an als ®Vernichtungskrieg geführte Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 markierte die Umwandlung der Einsatzgruppen in reine Mordkommandos. Jede der vier Heeresgruppen der Wehrmacht erhielt eine Einsatzgruppe (A – D) zugeteilt (insgesamt etwa 3.000 Mann). Die Einsatzgruppen hatten Bataillonsstärke und setzten sich ähnlich zusammen: Männer der Gestapo (9%), des SD (3,5%), der Kriminalpolizei (4,1%), der Ordnungspolizei (13,4%), ausländischer Hilfspolizei (8,8%) und der Waffen-SS (34%). Den Rest bildeten technisches und Schreibpersonal. Jede Einsatzgruppe hatte zwei Abteilungen: Einsatz- und Sonderkommandos mit 70 bis 120 und Teilkommandos mit 20 bis 30 Mann. Aufgabe der Einsatzgruppen war es, hinter der Front vor allem kommunistische Funktionäre, Saboteure, Partisanen, Roma ®(Zigeuner) und ®Juden zu liquidieren. Die Einsatzgruppen folgten direkt der Wehrmacht und nutzten dadurch den Überraschungseffekt. Kaum war eine Stadt erobert, mordeten schon die Verausabteilungen der Einsatzgruppen. In so genannten „Ereignismeldungen“ übermittelten die Einsatzgruppen dem ® Reichssicherheits-hauptamt (RSHA) die Anzahl der von ihnen ermordeten Menschen. Dies waren zwischen Juni 1941 und April 1942 mindestens 560.000. Die Tötung von Frauen und Kindern u.a. durch ®Gaswagen, bedeutete den Übergang zur so genannten ®“Endlösung der Judenfrage“. Später gebildete Einsatzgruppen auf dem Balkan, in der Slowakei und Rumänien organisierten den Transport von Juden ins Vernichtungslager Auschwitz. Zur Verwischung der Mordaktionen vor der anrückenden Sowjetarmee öffnete das Sonderkommando 1005 ab 1943 zahlreiche Massengräber und verbrannte die Leichen. In den ®Nürnberger Prozessen wurden die Einsatzgruppen zusammen mit der ®SS 1946 zu ®verbrecherischen Organisationen erklärt. ® Enterdungsaktion Aktion 1005 http://www.hagalil.com/archiv/98/06/einsatz.htm http://www.shoa.de/einsatzgruppen.html http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/organisationen/einsatzgruppen/ http://www.law.umkc.edu/faculty/projects/ftrials/nuremberg/NurembergEinsatzgruppenTrial.html Einsatzstab Rosenberg eine von Alfred ®Rosenberg gegründete Organisation, um „herrenloses Kulturgut von Juden sicherzustellen“. .... Zum Diebstahl von Kunstwerken kam der groß angelgten Raub von Kultgeräten. In allen besetzten Ländern wurden die jüdischen Bibliotheken geplündert, u.a. die wertvollen alten Bibliotheken in den Niederlanden und in Thessaloniki.®Kunstraub http://shoanet.iuk.hdm-stuttgart.de/glossar/E.htm#Einsatzstab http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,139993,00.html Eizenstat-Bericht Im sogenannten Eizenstat-Bericht zeigt Stuart Eizenstat, Staatssekretär im US-Handelsministeriums, auf über 500 Seiten, welche Geschäfte die Schweiz („Von allen Neutralen hatte die Schweiz die engsten und entscheidendsten Wirtschaftsbeziehungen zu Nazideutschland“) - und andere Neutrale - mit den Nazis gemacht haben. Die Schweizerische Nationalbank kaufte von der Reichsbank Raubgold (®Nazi Gold) für vier Milliarden Dollar nach heutigem Wert. Die Schweiz ließ seine Rüstungsindustrie für das Reich laufen und nach dem Krieg rückte es Teile des Goldes nur widerwillig zurück. Jetzt stehen diese Fakten in einem Bericht, den der Präsident der Vereinigten Staaten angefordert hat. Der Bericht trägt den ominösen Untertitel „Vorstudie“ und verweist damit auf die Dinge, die noch kommen könnten. Eizenstat hat mit seinem Bericht einen Stein zum Rollen gebracht, der zu Nachforderungen, zu peinlichen Konferenzen und zu weiteren Enthüllungen führen wird. http://shoanet.hbi-stuttgart.de/glossar/E.htm#Eizenstat-Bericht Elser, Georg das Attentat vom Bürgerbräukeller 1939 Am 9. November 1939 versammelt sich die NS-Prominenz wie alljährlich im Bürgerbräukeller in München. Gedacht wird der „Alten Kämpfer“, die beim Hitler-Putsch 1923 ums Leben kamen. Seit der ®Machtergreifung hat das Treffen den Charakter eines Staatsaktes. Hitler beginnt gegen 20.00 Uhr mit seiner üblichen. aufputschenden Rede, die sich diesmal vor allem gegen England richtet. Gut 1.500 Anhänger füllen den Saal. Beinahe alle, die Rang und Namen im Regime haben, sind versammelt: Goebbels, Frank, Ribbentropp, Bouhler, Himmler und andere. Vor wenigen Wochen hatte Hitler mit dem Überfall auf Polen den Zweiten Weltkrieg losgebrochen. Angesichts der geringen Popularität des Krieges, kommt des der NS-Führung an diesem Tag besonders darauf an, Geschlossenheit zu demonstrieren. Exakt um 21.20 Uhr explodiert im Pfeiler mit ohrenbetäubendem Lärm hinter Hitlers Rednerpult eine Bombe. Die Decke über dem Saal stürzt ein und erschlägt 7 Menschen sofort. Ein weiterer stirbt später im Krankenhaus. 60 Menschen werden schwerverletzt. Hitler jedoch ist nicht unter ihnen. Völlig unvorhergesehen hat er seine Rede bereits kurz nach 21.00 Uhr beendet und den Saal verlassen. Rasch ist der Polizei klar - nachdem zunächst über einen alliierten Bombenangriff spekuliert wurde - es handelt sich um ein planmäßig vorbereites Attentat. Der Attentäter ist der 36jährige Schreiner Georg Elser aus dem württembergischen Königsbronn. Wochenlang ließ er sich abends heimlich in den Bürgerbräukeller einschließen. Mühsam- immer in der Gefahr entdeckt zu werden - kratzte er exakt in dem Pfeiler, vor dem Hitler bei seiner Rede stand, eine Höhlung für eine Bombe. Die Bombe hatte er eigenhändig gebastelt und den Zünder mit einer mechanischen Uhr selbst konstruiert. Mehr als ein Jahr zuvor war sein Entschluß gefaßt, Hitler zu beseitigen - im Alleingang und ohne jede Unterstützung und ohne jemand einzuweihen. Eigens zum Zweck des Attentats hatte er die körperlich schwere Arbeit in einem Steinbruch angenommen, um über Monate kleinste Mengen für den Sprengstoff abzuzweigen, den er für seine Bombe brauchte. Als die Bombe explodiert, ist Elser bereits auf dem Weg in die Schweiz. Dort wird er durch einen unglücklichen Zufall von der Grenzpolizei gefaßt. Noch vor der Explosion und ohne daß die festnehmenden Beamten ahnen, wenn sie gefaßt haben. Biographisches zu Georg Elser Georg Elser wird am 4. Januar 1903 in Hermaringen in Württemberg geboren. Als Sohn eines Landwirtes und Holzhändlers ist ihm in der damaligen Zeit eine einfache Laufbahn vorgezeichnet. Nach dem Besuch der Volksschule in Königsbronn auf der Schwäbischen Alb in der Nähe der Kleinstadt Heidenheim schlägt er zunächst eine Lehre als Dreher in einem Metallbetrieb ein. Da er diese aus gesundheitlichen Gründen abbrechen muß, wird er schließlich Schreiner. Zunächst arbeitet er vor allem als Möbeltischler. Der Weggang aus der Region, die damals weitgehend Notstandsgebiet war, führt ihn nach Konstanz als Arbeiter in eine Uhrenfabrik, wo er vier Jahre bis 1929 tätig ist. Hier schließt er sich erstmals auch der Arbeiterbewegung an und politisiert sich angesichts der Not der damaligen Zeit. Er wird Mitglied des Rotfrontkämpferbundes, der proletarischen Selbstschutzorganisation der KPD. Die folgenden Jahre zeigen Elser in einem unsteten Wanderleben, das sich weniger durch seinen Charakter als durch die ökonomisch schwierige Situation für Arbeiter ergab. Eine Zeitlang arbeitet er in der Schweiz - wiederum als Schreiner, dann geht er nach Heilbronn in den Betrieb seiner Eltern. Dann wiederum arbeitet er in einer Heidenheimer Metallfabrik, die zu diesem Zeitpunkt - man schreibt die Jahre 1936 bis 1939 - bereits voll in die Hitlersche Rüstungspolitik eingespannt ist. Im Frühjahr 1939 - im Jahr des Attentats also - sieht man ihn wieder in Königsbronn. Jetzt arbeitet er im örtlichen Steinbruch. Hier bekommt er auch Gelegenheit mit Sprengstoff zu hantieren und sich Kenntnisse im Umgang mit Sprengmaterial zu verschaffen. Nicht zuletzt gelingt es ihm hier, sich für das Attentat den nötigen Sprengstoff zu verschaffen. Elsers politische Überzeugungen Elser war kein Theoretiker: Weder hat er sich anhand von Schriften mit Faschismus und Nationalsozialismus intensiv auseinandergesetzt noch selbst irgendwelche Entwürfe für eine künftige Gesellschaftsordnung entworfen. Darin unterscheidet sich Elser fundamental von anderen Widerstandskämpfern, etwa der ®“Weißen Rose“ um die Geschwister Scholl, aber auch von dem Widerstandskreis um das Attentat vom 20. Juli, bei dem theoretische Erörterungen über die Rechtmäßigkeit des Widerstandes überhaupt und über die künftige Gesellschaftsordnung eine zentrale Rolle spielten. Auch Elsers Mitgliedschaft im Rotfrontkämpferbund darf man nicht überbewerten: Sie ist weniger zu verstehen als Ausdruck einer ideologischen Überzeugung denn als Ausdruck der Zugehörigkeit zum Arbeitermilieu und der Kritik daran, daß es den „kleinen Leuten“ schlecht ging. Dennoch hat sich Elser vor allem gegenüber seinem Bruder mehrfach deutlich politisch geäußert. Drei Punkte waren es vor allem, weswegen Elser Hitlers Regime ablehnte: 1. Den Arbeitern ginge es im Dritten Reich nicht besser, wie die offizielle Propaganda behauptet, sondern schlechter. Elser hatte damit zweifelsfrei recht. Zwar war es Hitler gelungen, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren - nicht zuletzt durch Einführung des zwangsweisen Arbeitsdienstes und der Ausweitung der Rüstungsproduktion. Aber die gesamte Ausrichtung des Staates auf die Kriegsvorbereitung bedeutete für die meisten einfachen Leute reale Einkommenseinbußen 2. Die Einschränkung der Religionsfreiheit. Gerade im württembergischen Gebiet, einer Hochburg des innerlichen und privaten Glaubensbekenntnisse wurde der religionsfeindliche und totalitäre Zugriff des Regimes als besonders schmerzhaft empfunden 3. Hitler, das stand für Elser schon Jahre vor dem Attentat fest, wollte den Krieg. Dieser war im Führerstaat letztlich nur durch die Beseitigung des obersten Führers selbst zu verhindern. Nach dem Überfall Hitlers auf Polen mußte sich Elser bestätigt sein. Das Handeln schien jetzt um so dringender. Immerhin hatte er die Hoffnung, wie er in den Verhören der Gestapo unumwunden zugab, weiteres Unheil und Blutvergießen zu verhindern. In den Vernehmungen nach den Gründen seines Handelns gefragt, gibt Elser neben dem Krieg vor allem den Verlust der bürgerlichen Freiheiten im Nazistaat an. „Ferner steht die Arbeiterschaft... unter einem gewissen Zwang. Der Arbeiter kann seinen Arbeitsplatz nicht mehr wechseln, wie er will. Er ist heute durch die HJ nicht mehr Herr über seine Kinder und auch in religiöser Hinsicht kann er sich nicht mehr frei betätigen.“ Die Verhaftung Bei der Verhaftung Elsers finden die Zollbeamten in seinen Taschen noch Schrauben, Federn und Metallteile. Auch eine Postkarte vom Bürgerbräukeller hat er bei sich. Vor allem: In seinem Jackenaufschlag trägt er das Abzeichen des Rotfrontkämpferbundes. Die Grenzbeamten überstellen Elser sofort der Gestapo. Nach Bekanntwerden des Attentats war unschwer eine Verbindung zu Elser herzustellen. Verraten haben ihn schließlich auch seine wunden, eitrigen Knie, die er sich bei den Arbeiten im Bürgerbräukeller zugezogen hatte. Für Elser beginnt ein Leidensweg von pausenlosen Verhören und Folter. Schon am 14. November wird er in das Gestapo-Hauptquartier nach Berlin gebracht. Auch zahlreiche seiner Familienangehörigen werden verhaftet. Obwohl Elser rasch gestand, glaubt ihm die Gestapo nicht. Sie vermuten eine Verschwörung größeren Ausmaßes, vermutlich gesteuert von englischen Agenten. Daß Georg Elser tatsächlich ein Einzeltäter sein könnte, halten sie für ausgeschlossen. „Das Werk des secret service“ notiert Goebbels in sein Tagebuch und gibt damit vermutlich sogar seine ehrliche Überzeugung wieder. Schließlich wird Elser ins KZ Sachsenhausen überstellt und 1944 schließlich nach Dachau. Zwangsarbeiten oder besonderen Qualen wird er nicht ausgesetzt. Hitler plant für die Zeit nach dem Krieg einen großen Schauprozeß gegen Elser, an dessen Ende natürlich das Todesurteil gestanden hätte. Am 9. April 1945 - die Amerikaner stehen nur noch wenige Kilometer vor Dachau, wird Georg Elser auf Betreiben von Himmlers SS hingerichtet. Durch Genickschuß. Ein letzter sinnloser Racheakt eines Regimes, daß gerade einmal noch vier Wochen Bestand haben sollte. Die Folgen des Attentats Es ist müßig zu spekulieren, was geschehen wäre, wenn Elsers Attentat geglückt wäre. Möglicherweise wäre das führerfixierte NS-Regime zusammengebrochen und der Krieg sofort beendet worden. Vielleicht hätten aber auch eine Zeitlang andere NS-Führer mit der Konstruktion einer Dolchstoßlegende das Volk erst recht zusammenschließen können. Zu einem unmittelbarer Übergang zur Demokratie wäre jedenfalls kaum gekommen. Sicher ist aber auch: Ohne Hitler hätte das Regime kaum den Krieg bis hin zur totalen Vernichtung halb Europas auszuweiten können. Auch der Holocaust ist kaum denkbar ohne Hitler. So aber ist Elsers Scheitern in mehrfacher Hinsicht tragisch: Für ihn persönlich, denn er mußte das Attentat mit seinem Leben bezahlen und dies auch noch zu einem Zeitpunkt, als das NS-Regime am Zusammenbruch war. Vor allem aber: Das Scheitern des Attentats diente dem NS-Regime zu einer Propagandakampagne. Der „Führer“ sollte gerade jetzt, als mit Ausbruch des Krieges auch die Zustimmung im Volk gefährdet war, neu im Volk als Erlöser gefeiert werde. Das Scheitern des Attentates, faktisch ein bloßer Zufall, wurde von der ®Propaganda zu einem Werk der Vorsehung erklärt. Die scheinbar wundersame Rettung des „Führers“, sollte seine besondere Auserwähltheit bestätigen. Und dies bedeute auch, daß der von Hitler vom Zaum gebrochene Krieg durch seine Begnadung unter dem Schutz der Vorsehung stehe. Die propagandistische Kampagne machte Elser zum bloßen Werkzeug der Feinde, zumal der Engländer und Juden. Damit konnten sich das NS-Regime abermals als Verteidiger eines angeblich vom Ausland bedrohten Landes präsentieren - so verquer aus heutigem Wissen heraus diese Argumentation auch ist. Das Attentat sollte so Volk und Führer gegen das Ausland enger zusammenschweißen. Propagandaminister ®Goebbels startete eine Offensive in den Medien. Bereits einen Tag nach dem Attentat wurde ein Trauermarsch und am 11. November Totenkult und Staatsakt inszeniert: Die sieben Särge der Attentatsopfer, optisch wirkungsvoll mit Hakenkreuzflaggen drapiert, wurden in der Münchner Residenz aufgebahrt, wohin sie in der Nacht zuvor mit Fackelmarsch gebracht wurden. Jetzt flaggen alle Staatsgebäude Halbmast. Den Staatsakt selbst sollen immerhin 10.000 Menschen besucht haben. Die Trauerfeier wird live von Goebbels-Propagandafunk übertragen, das ganze Volk so miteinbezogen. Rudolf Heß, offizieller „Stellvertreter des Führers“ hält die Traueransprache und verkündet: „Durch das Wunder der Errettung wurde der Glaube unerschütterlich: die Vorsehung hat uns den Führer erhalten, die Vorsehung wird uns den Führer erhalten, denn die Vorsehung hat uns den Führer gesandt.“ Die Bewertung des Attentats aus heutiger Sicht. Georg Elser ragt unter den Widerstandsaktivitäten gegen das Dritte Reich heraus. Ohne Rückhalt in irgendeiner Organisation, buchstäblich auf sich allein gestellt, hat er den größtmöglichen Widerstand gegen das NS-Regime versucht: Die Ausschaltung Hitlers selbst. Daß dieses Attentat ungeachtet der umfassenden Sicherheits- Kontroll- und Überwachungsmechanismen der NS-Diktatur beinahe geglückt wäre, ist eine Leistung von eigener Qualität. Mehr noch: Vergleicht man das Attentat Elsers mit dem ebenfalls mutigen Attentatsversuch vom 20.Juli 1944, dann erscheint Elsers Versuch besonders heldenmütig: Er hat sich zu einem Zeitpunkt gegen das Regime gestellt, als es geradezu unbesiegbar erschien. ®Widerstand http://www.freitag.de/1999/44/99441101.htm http://www.shoa.de/p_georg_elser.html http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/ElserJohannGeorg/ http://www.ghrs-kb.hdh.bw.schule.de/els-aw.htm Emigration Rund 500.000 rassisch, 35.000 politisch und 5.000 kulturell Verfolgte verließen nach 1933 Deutschland. Die jüdische Emigration begann früh, ließ dann nach und erreichte nach der ®Reichspogromnacht ihren Höhepunkt. Ein wichtiges Einwanderungsland wurde naturgemäß Palästina. Von 1933 bis 1941 betrug der Anteil der deutschen Juden mit 55.000 Personen etwa 25 Prozent der gesamten Einwandererzahl. In Europa nahmen neben Frankreich vor allem die Niederlande, Belgien, die Tschechoslowakei, die Schweiz und Dänemark eine größere Zahl von Emigranten auf und verhalfen vielen zur Weiterwanderung. Später wurden vorübergehend Großbritanien und Schweden zu Zentren der Emigration in Europa. Mit insgesamt 132.000 Einwanderern waren die Vereinigten Staaten das wichtigste Emigrationsland. In Lateinamerika zeigten sich hauptsächlich Argentinien, Brasilien, Chile und Bolivien aufnahmebereit. Vielen Verfolgten gelang jedoch gar nicht erst die Emigration, denn die möglichen Zielländer richteten immer höhere Hürden auf, da sie der Flut nicht Herr wurden. Eine Ausnahme bildete Schanghai, wo etwa 13.000 Flüchtlinge ohne Visum einreisen konnten. http://shoanet.hbi-stuttgart.de/glossar/E.htm#Emigration Emslandlager Unmittelbar nach dem Reichstagsbrand erließ Reichspräsident Hindenburg am 28. Februar 1933 die Verordnung „zum Schutz von Volk und Staat“ zur „Abwehr kommunistischer staatsgefährdender Gewaltakte“. Diese Notverordnung ermöglichte es u.a., politische Gegner ohne Angabe von Gründen und unter Ausschaltung der Justiz in Schutzhaft zu nehmen. Bis zum Juni 1933 wurden zwischen 20.000 und 25.000 Personen, überwiegend Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschafter, in bald überfüllte Gefängnisse und andere provisorische Haftstätten gesperrt. Bereits im April erteilte das Preußische Innenministerium dem Regierungspräsidenten in Osnabrück den Auftrag, im Emsland für die Unterbringung von 3.000 bis 5.000 Gefangenen mehrere Lager einzurichten. Im Sommer schließlich wurden die Konzentrationslager Börgermoor, Esterwegen und Neusustrum als „Staatliches Konzentrationslager Papenburg“ fertiggestellt und mit 4.000 Häftlingen belegt, neben politischen Gegnern bald auch u.a. Zeugen Jehovas und sog. ‚Sicherungsverwahrte‘. Die Gefangenen, die sich selbst ‚Moorsoldaten‘ nannten, wurden bei der Kultivierung der emsländischen Moore zur Zwangsarbeit herangezogen. Die Geschichte der unter nationalsozialistischer Herrschaft errichteten Emslandlager ist großen Teilen der Bevölkerung, insbesondere der Jugend, nahezu unbekannt. Dabei bietet die Beschäftigung mit ihr die Möglichkeit, einen differenzierten Einblick in das Herrschaftssystem des NS-Staates zu erhalten. Die insgesamt 15 Emslandlager hatten von 1933 bis 1945 wechselnde Funktionen. Sie dienten den Nationalsozialisten als: Konzentrationslager (1933-1936), Strafgefangenenlager (1934-1945), Militärstrafgefangenenlager (1939-1945), Kriegsgefangenenlager (1939-1945), Außenlager des KZ Neuengamme (1944/45). In vielen Orten Norddeutschlands bestanden außerdem Außenkommandos der Lager, ebenso, im Krieg, in Nordnorwegen und in Westfrankreich. Die unterschiedlichen Funktionen spiegeln die fortschreitende Entwicklung der nationalsozialistischen Herrschaft wider. Zunächst zur Ausschaltung und „Umerziehung“ von tatsächlichen und vermeintlichen Gegnern des NS-Regimes, später auch zur besonders harten Bestrafung von zivil- und militärgerichtlich Verurteilten sollten nicht nur die unmenschlichen Lebensbedingungen in den Lagern beitragen. Gleichzeitig wurden die Gefangenen zu schwerer körperlicher Arbeit bei der Kultivierung der emsländischen Moore und, ab Kriegsbeginn, in kriegswichtigen Bereichen herangezogen. Die Emslandlager verkörpern daher auch ein Stück Regional- und Wirtschaftsgeschichte. ®Konzentrationslager, ®Ossietzky http://www.diz-emslandlager.de/index.html Endlösung der Judenfrage Auf der ®Wannsee-Konferenz gefundene Umschreibung für die von Hitler seit Frühjahr 1941 beabsichtigte physische Vernichtung aller im deutschen Machtbereich lebenden Juden. Die Endlösung war der Höhepunkt der Entwicklung nationalsozialistischer Judenpolitik. Die Leitung der systematischen Durchführung der Endlösung übernahm das ®Reichssicherheitshauptamt. Ab 1942 wurden die Juden mit Massentransporten in die ®Konzentrationslager und Vernichtungslager deportiert und ermordet. ... Die Länder Europas beklagen nach Forschungsergebnissen, die sich fast ausschließlich auf Unterlagen der ®SS stützen, als Opfer der Endlösung 5 – 6 Millionen Juden. ®Deportation ®Shoa ®Einsatzgruppen ®Enterdungsaktion Aktion 1005 Microsoft® Encarta® Online-Enzyklopädie 2001 http://www.endloesung.de/ http://www.dhm.de/lemo/html/wk2/holocaust/ Entartete Kunst Als „Entartete Kunst“ galten im NS-Regime alle Kunstwerke und kulturellen Strömungen, die mit dem Kunstverständnis und dem Schönheitsideal der Nationalsozialisten nicht in Einklang zu bringen waren: Expressionismus, Impressionismus, Dadaismus, Neue Sachlichkeit, Surrealismus, Kubismus oder Fauvismus. Als entartete Kunst verboten wurden die Bilder weltweit berühmter Künstler wie Ernst Barlach, Max Beckmann, Marc Chagall, Otto Dix, Otto Griebel, Max Ernst, George Grosz, Paul Klee, Ernst Ludwig Kirchner, Käthe Kollwitz, Franz Marc, Paula Modersohn-Becker, Max Pechstein, Pablo Picasso, oder, Karl Schmidt-Rottluff. Der Vernichtungsangriff der Nazis auf die Moderne und ihre Protagonisten betraf jedoch alle Sparten der Kultur wie Literatur ®(Bücherverbrennung), Film, Theater, Architektur oder Musik. In der am am 19. Juli 1937 in München eröffneten Ausstellung „Entartete Kunst“ wurden 650 konfiszierte Kunstwerke aus 32 deutschen Museen gezeigt. Diese Präsentation „kranker“, „jüdisch-bolschewistischer“ Kunst diente auch zur Legitimierung der Verfolgung „rassisch Minderwertiger“ und politischer Gegner. Deshalb wurden die Exponate mit Zeichnungen von geistig Behinderten gleichgesetzt und mit Photos verkrüppelter Menschen kombiniert, die bei den Besuchern Abscheu und Beklemmungen erregen sollten. ... Zeitgleich zur Ausstellung „Entartete Kunst“ setzte mit der Beschlagnahme von insgesamt rund 16.000 modernen Kunstwerken, die zum Teil ins Ausland verkauft oder zerstört wurden, die „Säuberung“ der deutschen Kunstsammlungen ein. Berufsverbote für Künstler und Museumsleute, die moderne Kunst angekauft hatten oder Hochschullehrer gab es bereits unmittelbar nach der ®Machtübernahme der Nationalsozialisten seit 1933. ®Kunst und Kultur http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/kunst/entartet/ http://www.kassiber.de/entartete-kunst/ http://www.shoah.de/shoah/se/ent-kunst.html Enteignung®Arisierung Enterdungsaktion Aktion 1005 Deckname für ein Unternehmen, mit dem die Spuren des Mordes an Millionen Menschen im besetzten Europa verwischt werden sollten. Die Entscheidung zur Durchführung fiel Anfang 1942 in Berlin, nachdem die Massenmorde in den alliierten Ländern bekannt geworden waren und im Frühsommer 1942 die schnell vergrabenen Leichen zu einer ernsthaften Gesundheitsgefährdung wurden. .... Das Ausgraben der Leichen, deren Verbrennung, die Zerkleinerung der Knochen und das Verstreuen der Asche wurde hauptsächlich von Juden ausgeführt, die nach getaner Arbeit ermordet wurden. http://shoanet.iuk.hdm-stuttgart.de/glossar/A.htm#Aktion Entjudung Entjudung ist ein in der antijüdischen Gesetzgebung der Nationalsozialisten benutzter Ausdruck. Dieser Ausdruck wurde in wirtschaftlichem Zusammenhang gebraucht und bezeichnete die Ausschaltung der Juden aus dem Wirtschaftsleben. ®Arisierung http://www.jur.uva.nl/junsv/Excerpts/6451409.htm Endlösung Neben den zahlreichen Enteignungen , der Ghettoisierung und den Deportationen wurde 1941 von Himmler ein Auswanderungsverbot erlassen und ebenfalls 1941 mit dem Bau von ®Vernichtungslagern begonnen. 1941 waren auch bereits von den ®Einsatzgruppen in Polen und Russland eine Million Menschen ermordet worden. Mit der ®„Wannseekonferenz“ vom 20. Januar 1942 erreichte die nationalsozialistische Judenpolitik wohl sicherlich einen ihrer grausamen Höhepunkte. Zahlreiche Vertreter der Justiz, des Auswärtigen Amtes, des Innenministeriums und Angehörige der SS legten den Rahmen für die „Endlösung der europäischen Judenfrage “ fest. An die Stelle der „ Vertreibung “ war die „ Endlösung “ getreten. „Endlösung “ ist der Tarnbegriff der Nazis für den millionenfachen Mord an den europäischen Juden. Dafür wurde eine besonders effektive Methode entwickelt: Die Tötung durch das Gas ®Zyklon B, die dann in den ®Vernichtungslagern Belzec, Treblinka, Sobibor, Majdanek, Chelmno, und Auschwitz durchgeführt wurde. Die Maßnahmen, die zur Entrechtung, Ausplünderung, Quälerei und Mord von Millionen von Menschen führten, sind keineswegs nur von fanatischen Nationalsozialisten, sondern auch von pflichttreuen Beamten und Bürokraten erlassen und durchgeführt wurden. http://shoanet.hbi-stuttgart.de/glossar/E.htm#Endloesung Entnazifizierung Prozeß der Säuberungen vom Nationalsozialismus und der Bestrafung seiner aktiven Anhänger. Unmittelbar nach Kriegsende gingen die Siegermächte daran, dieses auf der Jalta-Konferenz im Februar 1945 gefaßte Vorhaben in die Realität umzusetzen. Mit der bedingungslosen Kapitulation im Mai 1945 konnte die Entnazifizierung in Deutschland beginnen. Insgesamt wurden von den drei westlichen Alliierten mehr als 178.000 Personen in „automatische Haft“ genommen und in Internierungslager festgehalten. In der sowjetischen Besatzungszone betrug die Zahl mehr als 67.000. Die Maßnahmen der Entnazifizierung entwickelten sich in den verschiedenen Besatzungszonen unterschiedlich. Sie war abhängig von den politischen Interessen und Zielsetzungen der jeweiligen Besatzungsmacht. Durch die am 12.10.1946 von dem Alliierten Kontrollrat erlassene Direktive wurde angeordnet, ehemalige Nationalsozialisten in fünf Gruppen einzuteilen: 1) Hauptschuldige, 2) Belastete (Aktivisten, Militaristen, Nutznießer), 3) Minderbelastete, 4) Mitläufer, 5) Entlastete Eine Einstufung in die Gruppen 1 bis 5 war mit Strafen oder Sühnemaßnahmen verbunden. Die Verantwortung für die praktische Durchführung der Entnazifizierung wurde 1947 den Deutschen übertragen. Die Entnazifizierung kam 1954 zum Abschluß Potsdamer Konferenz http://shoanet.hbi-stuttgart.de/glossar/E.htm#Entnazifizierung http://www.dhm.de/lemo/html/Nachkriegsjahre/DieAlliierteBesatzung/entnazifizierung.html Entschädigungen Die Millionen von Menschenleben und das von den Nationalsozialisten verursachte Leid ist nie zu sühnen, insofern war die zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Israel vertraglich geregelt Wiedergutmachung, allenfalls finanzieller Ersatz für materielle Schäden. In der Vereinbarung wurde von Deutschland die Zahlung von 3,45 Milliarden DM in Form von Gütern in einer Zeit von 12 bis 14 Jahren übernommen. Israel sollte daraus 450 Millionen an die Claims Conference weiterleiten. Die der Claims Conference zugeteilten Mittel wurden zur Unterstützung des Wiederaufbaus Hunderter jüdischer Gemeinden, Einrichtungen und Organisationen in 39 Ländern verwendet. Die in der Wiedergutmachungsvereinbarung festgelegten Zahlungen endeten 1965 - in dem Jahr in dem Israel und die Bundesrepublik Deutschland erste diplomatische Kontakte knüpften. Auch andere Länder erhielten Entschädigungszahlungen. Rechnet man die Wiedergutmachungszahlungen nach dem am 29.6.1956 erlassenen Bundesentschädigungsgesetz (BEG) für Einzelpersonen hinzu, erreichte der Finanzaufwand über 85 Milliarden DM. Privatunternehmen haben eine Wiedergutmachung für die Ausbeutung von ®Zwangsarbeitern in den meisten Fällen verweigert oder sich mit symbolischen Zahlungen begnügt. ®Wiedergutmachung Selbst der Versuch, die NS-Opfer mit Geld zu entschädigen, wurde zunächst nur den Juden im Westen zuteil. Dann passiert jahrzehntelang nichts, bis man sich schließlich an die vergessenen Opfergruppen erinnert – wie zum Beispiel Deserteure. Vor kurzem dann erste Entschädigungen an die Juden im Osten und jetzt an die Zwangsarbeiter. Schockierende Erkenntnis: die Mehrheit der Holocaust-Opfer ist bis heute von Deutschland nicht entschädigt worden. Dazu gehören unter anderen: Kinder von KZInsassen, im Osten: die Arisierungsopfer, Kriegsgefangene und die Zivilbevölkerung – verfolgt als „Slawen“. Genug gezahlt? An die Opfer keineswegs. Dafür aber an die Täter. Jedes Jahr verteilt die Bundesregierung weltweit über acht Milliarden Mark, um Kriegsveteranen wie etwa diesen SS-Männern in Lettland eine so genannte Opferrente zu bezahlen. Die angeblichen Opfer waren Hitlers Krieger. Boris Michailow, SS-Opferrentner Lettland (1993): „Wo haben sie gedient?“ „In 50. Division, in 33. Regiment in Stabskompanie auf Fernsprecher.“ „Bekommen Sie jetzt Rente aus Deutschland?“ Ja ich bekomme, nicht lange, aber paar Jahre zurück“ „Wieviel bekommen Sie?“ „220 Mark“. Hier kümmerten sich eifrige deutsche Beamte von Amts wegen jahrzehntelang um den angenehmen Lebensabend von Wehrmachts- und SS-Veteranen in der ganzen Welt, Kriegsverbrecher inklusive. Rudolf Petereit, Versorgungsamt Schleswig-Holstein (1997): „Nach der derzeitigen Gesetzeslage ist die Tatsache, dass jemand Verbrechen begangen hat, kein Grund, ihn von der Kriegsopferversorgung auszuschließen.“ Dieses Gesetz wurde erst vor drei Jahren geändert – weitere Voraussetzung für die Opferrente: irgendeine bleibende Körperverletzung aus der Nazizeit. Weiterer Vorteil für die Opferrentner: Die Antragsfristen für sie laufen nie aus, während für die Holocaust-Opfer schon 1969 Schluss war (®Widerstand) Quelle: ®Ahnungslose Deutsche. Erbkranker Nachwuchs Mit dem Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933 bestimmten die Nationalsozialisten, daß Menschen in acht Krankheitsfällen: angeborener Schwachsinn, Epilepsie, Veitstanz, Blindheit, Taubheit, Schizophrenie, manische Depression, schwere körperliche Mißbildungen und schwerer Alkoholismus auch gegen ihren Willen sterilisiert werden konnten. In den Jahren 1934 bis 1936 wurden auf Grund des Gesetzes rund 167.000 erbkranke Männer und Frauen sterilisiert. 1935 kamen noch zwei weitere Gesetze hinzu, das eine erlaubte die Schwangerschaftsunterbrechung bei erbkranken Frauen, das andere verbot die Eheschließung in bestimmten Krankheitsfällen. ®Eugenik, ®Euthanasie, ®Terrormassnahmen, ®Medizin ohne Menschlichkeit, ®Zwangssterilisation http://shoanet.hbi-stuttgart.de/glossar/E.htm#Erbkranker%20Nachwuchs http://uni.jandicke.net/pressure.pdf Ermächtigungsgesetz Zwei Tage nach dem von Reichspropagandaminister Joseph ®Goebbels erfolgreich inszenierten „Tag von Potsdam“ stimmte der Reichstag am 23. März 1933 über das von Reichskanzler Adolf ®Hitler vorgelegte „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ ab. Mit dem Gesetz sollte die Regierung die Ermächtigung erlangen, ohne Zustimmung von Reichstag und Reichsrat sowie ohne Gegenzeichnung des Reichspräsidenten Gesetze zu erlassen. Für ein solches, die Weimarer Verfassung änderndes Ermächtigungsgesetz bedurfte es einer Zweidrittelmehrheit des Parlaments. Nach Hitlers taktisch bedingter Zusicherung einer kontrollierten Anwendung des Gesetzes sowie der Zusage, die Rechte der Verfassungsorgane, der Länder und der Kirche bewahren zu wollen, signalisierten die Parteien der bürgerlichen Mitte ihre Zustimmung. Mit 444 Stimmen der Regierungskoalition aus Nationalsozialistischer Deutscher Arbeiterpartei (NSDAP) und Deutschnationaler Volkspartei (DNVP) sowie von Zentrum, Bayerischer Volkspartei (BVP) und Deutscher Staatspartei wurde das Gesetz in namentlicher Abstimmung angenommen. Lediglich die 94 Abgeordneten der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) ließen sich nicht von den Drohgebärden der im Reichstag aufmarschierten Sturmabteilung (SA) einschüchtern und stimmten gegen die Selbstentmachtung des Parlaments. In seiner Reichstagsrede hatte ihr Parteivorsitzender Otto Wels zuvor ein eindrucksvolles Bekenntnis zur parlamentarischen Demokratie abgelegt. An der Abstimmung nicht teilnehmen konnten die 81 Abgeordneten der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Ihre Mandate waren auf Basis der Reichstagsbrandverordnung bereits am 8. März 1933 annulliert worden. Das zunächst auf vier Jahre verabschiedete Ermächtigungsgesetz wurde 1937, 1939 sowie 1943 verlängert und blieb bis zum Ende des NS-Regimes im Mai 1945 rechtliche Grundlage deutscher Gesetzgebung. http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/innenpolitik/ermaechtigungsgesetz/index.html) Ernste Bibelforscher ®Zeugen Jehovas Erntefest Deckname für die Ermordung der meisten Juden im Distrikt Lublin des Generalgouvernements am 3. und 4.11.1943. Das Massaker stand offenbar im Zusammenhang mit der Revolte jüdischer Gefangener im ®Vernichtungslager Sobibor. Heinrich ®Himmler, der weitere Aufstände befürchtete hatte den Befehl gegeben, die meisten im Distrikt Lublin zur ®Zwangsarbeit eingesetzten Juden zu ermorden. Insgesamt wurden bei der Aktion Erntefest 42.000 bis 43.000 Juden ermordet. http://shoanet.hbi-stuttgart.de/glossar/A.htm#Aktion%20erntefest http://www.dhm.de/lemo/html/wk2/holocaust/ http://www.fes.de/culture/galery/schweigen/Schweigen.html Eugenik Teilgebiet der Humangenetik, das sich mit Faktoren beschäftigt, die angeborene Anlagen sowohl günstig als auch ungünstig beeinflussen. Die missbräuchliche und unkritische Anwendung v.a. im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Rassenideologie hat den Begriff belastet. Mit eugenischen Maßnahmen wurde die Vernichtung sog. lebensunwerten Lebens gerechtfertigt und Personen mit Erbschäden zur ®Sterilisation gezwungen oder mit Eheverbot belegt, um deren Fortpflanzung zu verhindern. Die heutige Eugenik ist bestrebt, das Erbgut vor schädlichen Einflüssen, z.B. durch Strahlung oder Chemikalien, zu schützen (Strahlen-, Arbeitsschutz) und Paaren mittels einer genetischen Beratung zu helfen, wenn z.B. das Risiko besteht, eine Erbkrankheit an die Nachkommen weiterzugeben.® Euthanasie http://www.almeda.de/home/brockhaus/1,2785,3575,00.html http://uni.jandicke.net/examenstart.html http://www.shoah.de/shoah/se/eugenik.htm Euthanasie - heute wegen ihres Missbrauchs im Nationalsozialismus nicht mehr übliche Bezeichnung für Sterbehilfe - Das am 1.9.1939 aufgrund eines Geheimbefehls ®Hitlers eingeleitete Euthanasie-Programm sah zur „Verhütung ®erbkranken Nachwuchses“ die Tötung allen ®“lebensunwerten Lebens“ vor. Die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“, schon seit Jahren propagandistisch (z.B. in Schulbüchern) und gesetzlich (Sterilisations- und Ehegesundheitsgesetz vom 14. Juli 1933 bzw. 18. Oktober 1935) vorbereitet, wird im Oktober 1939 von Hitler mit einem rückdatierten Ermächtigungsschreiben (1. Sept. 1939) eingeleitet. Die „Kanzlei des Führers“ (Viktor Brack) und einige „führerunmittelbare“ Personen, darunter Ärzte, organisieren unter Tarnnamen (z.B. „Reichsarbeitsgemeinscheft Heil- und Pflegeanstalten“) die Ermordung von ca. 70.000 Geisteskranken und körperlich Mißgebildeten im Rahmen der „Aktion T4“ (nach dem Sitz der zuständigen Dienststelle in der Berliner Tiergartenstraße 4). Die Tötungen mit Kohlenmonoxid erfolgen in Grafeneck / Württemberg, Brandenburg-Havel, Hartheim / Linz, Sonnenstein / Sachsen, Bernburg und Hadamer / Limburg. Trotz strengster Geheimhaltung werden die Morde bekannt. Angesichts kirchlicher Proteste (und militärischer Notwendigkeiten) wurden die Vernichtungsaktionen am 24. August 1941 eingestellt - dezentral gehen die Morde aber in vielen Anstalten medikamentös oder durch „Hungerkost“ weiter. Eine „Aktion Sonderbehandlung 14 f 13“ beginnt im Frühjahr 1941: Dabei werden etwa 20.000 - „unheilbar Kranke“ - Konzentrationslager-Häftlinge „ausgemustert“ und vergast. ®Biopolitik und Faschismus, ®Eugenik®, Medizin ohne Menschlichkeit, ®Sterilisation. http://www.almeda.de/home/brockhaus/1,2785,3586,00.html Info-Zentrum für Rassismusforschung http://tatblatt.mediaweb.at/99gross.htm Ewige Jude, Der Der sogenannte Dokumentarfilm „Der Ewige Jude“ (Regie: Fritz Hippler, 1940) beschreibt die „schmierigen“ ®Ghettos der ®Juden, den unkreativen „jüdischen Parasiten“, die „jüdische Kontrolle“ der Weltfinanz, der Politik und der Künste, den Juden als heimatlosen, wurzellosen Kosmopoliten, der die ®“arische“ Gesellschaft infiltriert. Die Schlußsequenz zeigt eine rituelle jüdische Schlachtung auf besonders grausame Weise. Sie wurden in Vorstellungen für „empfindsame Gemüter“ und Frauen weggelassen. Der Film diente der Einstimmung auf die tödliche Steigerung der ®Judenverfolgung und zum Abbau von Hemmschwellen. Hilfsmittel für Pädagogen und Pädagoginnen Der berüchtigte NS-Propagandafilm „Der ewige Jude“ ist verboten und darf nur unter bestimmten Umständen vorgeführt werden. Wegen der Freiheit der Lehre und Forschung dürfen Universitätslehrer ihn als Teil ihres Unterrichtes zeigen. Sie können sich den Film vom Institut für den Wissenschaftlichen Film in Göttingen beschaffen: Dr. Stephan Dolezel, Institut für den Wissenschaftlichen Film, Nonnenstieg 72, 37075 Göttingen. Dort kann man sich auch eine quellenkritische Einstellungsanalyse kaufen, die sich allerdings auch kostenlos von der Bundeszentrale für politische Bildung, Postfach 1369, 53 111 Bonn, beschaffen lässt. ®Jud Süß http://shoanet.hbi-stuttgart.de/glossar/E.htm#Ewiger%20Jude Faschismus im engeren Sinn die Eigenbezeichnung der politischen Bewegung, die unter der Führung von Benito Mussolini 1922 in Italien die Macht übernahm, sowie für das von dieser Bewegung bis 1945 aufrechterhaltene Herrschaftssystem; im weiteren Sinne bezeichnet der Begriff Faschismus alle politischen Bewegungen und Herrschaftssysteme mit extrem nationalistischer, antidemokratischer und antikommunistischer Ideologie und autoritären Strukturen, die zwischen den beiden Weltkriegen entstanden, vor allem den deutschen Nationalsozialismus unter Adolf Hitler. Der Begriff leitet sich ab von lateinisch fasces, italienisch fascio, der Bezeichnung für das im antiken Rom von den Liktoren als Symbol der umfassenden Amtsgewalt der römischen Magistrate – dazu gehörten das Recht auf Züchtigung und die Verhängung der Todesstrafe – getragene Rutenbündel mit Beil; ab 1926 war das Rutenbündel in Italien offizielles Staatssymbol. ... Faschistische Bewegungen gab es in nahezu allen europäischen sowie zahlreichen südamerikanischen Staaten. Im Spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) z. B. kam die Falange unter Francisco Franco mit deutscher und italienischer Hilfe an die Macht; sie konnte sich bis 1975 halten. In Portugal schuf António de Oliveira Salazar mit dem Estado Novo ein faschistisch ausgerichtetes Regime, in Österreich entwickelte sich der Austrofaschismus, dessen Anhänger vehement für den Anschluss an das Deutsche Reich eintraten, und während des 2. Weltkrieges verhalf Deutschland mehreren faschistischen Regimen zur Macht, darunter dem der Ustascha in Kroatien. Die Ansätze zur Wiederbelebung des Faschismus nach dem 2. Weltkrieg werden unter dem Begriff Neofaschismus zusammengefasst. Microsoft® Encarta® Online-Enzyklopädie 2001) Flakhelfer Zur „Reichsverteidung“ ab Februar 1943 herangezogene Schüler im Alter von 15 bis 17 Jahren, die vor allem als Lufwaffenhelfer eingesetzt wurden. Ganze Schulklassen wurden für diese Aufgabe eingezogen. An den Flugabwehrkanonen (Flak) wurden sowohl Jungen als auch Mädchen eingesetzt. Freikorps Zu Beginn der Novemberrevolution 1918 verfügte der Rat der Volksbeauftragten über keine zuverlässigen Truppen in Berlin. In Absprache mit der Obersten Heeresleitung (OHL) wurden seit November 1918 aus ehemaligen Frontsoldaten des Ersten Weltkriegs Freikorps aufgestellt. In diesen Freiwilligenverbänden sammelten sich monarchistische und rechtskonservative Kräfte, die durch Kriegsende und revolutionären Umbruch keine Perspektive und gesicherte Zukunft mehr sahen. Die etwa 400.000 Mitglieder der rund 120 namentlich nachweisbaren Freikorps hatten vor allem aber antirevolutionäre und antidemokratische Ansichten. Die Stärke kleinerer Freikorps betrug zumeist zwischen 2.000 und 10.000 Mann. Bewaffnet waren sie mit Karabinern, jedoch verfügten die Infanterie- und Kavallerieeinheiten auch über zahlreiche schwere Maschinengewehre und Minenwerfer. Die Garde-Kavallerie-Schützen-Division gehörte mit bis zu 40.000 Mann zu den größten Freikorps. Während der Niederschlagung des Januaraufstands 1919 waren Angehörige der Division für die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht verantwortlich. Freikorps kämpften 1919 im Baltikum gegen sowjetrussische Truppen, und sie schlugen im Auftrag der Regierung weitere revolutionäre Unruhen und kommunistische Umsturzversuche wie die Münchner Räterepublik oder den Märzaufstand von 1920 nieder, aber sie kämpften nicht für die parlamentarische Demokratie der Weimarer Republik. Bereitwillig beteiligten sich Freikorps im März 1920 am rechtsgerichteten Lüttwitz-Kapp-Putsch. Mitglieder der Marinebrigade von Hermann Ehrhardt, die mit Walther Freiherr von Lüttwitz in Berlin einmarschiert waren und als Zeichen ihrer völkischen Gesinnung ein Hakenkreuz auf dem Stahlhelm trugen, wurden in geringer Zahl von der Reichswehr übernommen. Andere Freikorpsmitglieder fanden Unterschlupf in der von Ehrhardt gegründeten geheimen Organisation Consul (OC), die für die Ermordung führender republikanischer Politiker wie Matthias Erzberger oder Walther Rathenau verantwortich war. Auch der Stahlhelm und die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (®NSDAP) rekrutierten Mitglieder aus Freikorpsverbänden, die gemäß den Bestimmungen des ®Versailler Vertrags im Frühjahr 1920 offiziell aufgelöst werden mußten. Zahlreiche aufgelöste Freikorpseinheiten wurden im Mai 1921 noch einmal reaktiviert, um in den Monaten vor der Teilung Oberschlesiens den Kampf gegen polnische Übergriffe wiederaufzunehmen, für den der aus Freikorps rekrutierte „Grenzschutz Ost“ in Schlesien bereits 1919 mit der Parole „Schützt die Heimat“ geworben hatte. http://www.dhm.de/lemo/html/weimar/gewalt/freikorps/ Fremdarbeiter Fremdarbeiter, offizielle Bezeichnung für die etwa 12 Millionen ausländischen Zivilarbeiter im Dritten Reich, die zwischen 1939 und 1945, während des 2. Weltkrieges, überwiegend in der Landwirtschaft und in der Rüstungsindustrie eingesetzt wurden und aus den besetzten Gebieten, vor allem aus Polen, Belgien, den Niederlanden, Frankreich und der Sowjetunion, seit Sommer 1943 auch aus Italien ins Deutsche Reich kamen bzw. gebracht wurden. Die Fremdarbeiter wurden zunächst angeworben, später zwangsrekrutiert und teilweise in Form von Massendeportationen ins Reich gebracht. Arbeits- und Lebensbedingungen regelte das Referat „Ausländische Arbeiter“ im ®Reichssicherheitshauptamt nach rassistischen Grundsätzen. So entstanden z. B. drakonische Vorschriften für „fremdvölkische“ Zivilarbeiter (vor allem Polen und Russen): Durch Unterbringung in Lagern, Kennzeichnungspflicht und andere Maßnahmen wurden sie von der deutschen Bevölkerung isoliert. Anfangs nur als vorübergehende Notstandsmaßnahme gedacht, entwickelte sich der Einsatz von Fremdarbeitern seit dem Winter 1941/42 zu einer Dauereinrichtung. Am 21. März 1942 ernannte ®Hitler Gauleiter Fritz Sauckel zum „Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz“. Sauckels Hauptaufgabe war es, den ständig wachsenden Bedarf an Arbeitskräften zu befriedigen. Da sich nur wenige Arbeiter freiwillig anwerben ließen, ordnete Sauckel im August 1942 Zwangsverpflichtungen in allen besetzten Gebieten an, und im April 1943 konnte Sauckel in einem Bericht an Hitler stolz vermelden, dass innerhalb der letzten zwölf Monate über 3,5 Millionen Fremdarbeiter der deutschen Kriegswirtschaft „zugeführt“ werden konnten. (Autor: Frank Hethey, Bremen) Führerprinzip Führerprinzip, politisches Organisationsprinzip, das neben Volkstumsideologie und verabsolutiertem Nationalismus zu den zentralen Kennzeichen faschistischer Bewegungen gehörte. Als Gegenentwurf zu liberal-demokratischen Organisationsformen nahm das faschistische Führerprinzip nach dem 1. Weltkrieg Traditionen des Militärs sowie von paramilitärischen Wehrvereinen und Freikorps auf. Es traf sich aber auch mit den Vorstellungen von romantisch bürgerlichen Bünden und Orden sowie der Jugendbewegung, deren elitärer bzw. bündischer Führergedanke dabei jedoch deformiert wurde. An der Spitze der faschistischen Bewegung und des faschistischen Staates stand „der Führer“ (italienisch il duce, spanisch el caudillo). Er hatte die unumschränkte Macht inne. Im Nationalsozialismus war Adolf Hitler als „Führer und Reichskanzler“ Staatsoberhaupt und Leiter der Regierung sowie schließlich auch oberster Gerichtsherr und Oberbefehlshaber der Wehrmacht. Seine Herrschaftslegitimation bezog der Führer nicht aus Wahlen, sondern aus seiner charismatischen Ausstrahlung und der Akklamation durch die Massen. Die Macht des Führers war allein an seine Person gebunden, nicht an Ämter und Entscheidungsstrukturen. Vor dem Hintergrund ihrer Herkunft aus dem Volk entwickelten Hitler wie Benito Mussolini die Ideologie, dass sich im Führer der Wille des Volkes unbeschadet durch Gruppeninteressen manifestiere. Der „Führerwille“ galt als Maß aller Dinge. Der Führerkult, die uneingeschränkte Verehrung und Verklärung des Führers, der von jeder Kritik ausgenommen wurde, war systemstabilisierender Ausfluss des Führerprinzips. Widersprüche innerhalb der Ideologie und Konflikte innerhalb des Systems wurden durch die Person des Führers vermittelt. Das Führerprinzip beschränkte sich jedoch nicht auf „den Führer“, sondern durchdrang alle Ebenen von Partei, Staat und Gesellschaft. Hitler erhob es in seiner Programmschrift Mein Kampf zur Grundlage der „germanischen Demokratie“, die auf „unbedingter Verbindung von absoluter Verantwortlichkeit mit absoluter Autorität“ beruhe. Alle Führer außer dem obersten Führer selbst wurden von der nächsthöheren Instanz eingesetzt. Grundlage der Berufung war eine personale Bindung, unabhängig von Fachkompetenz, Herkunft und Karriere. Die innerhalb seines Kompetenzrahmens liegenden Entscheidungen sollte jeder Führer nach Beratung, aber ohne Abstimmung treffen. Zahllose Unterführer, angefangen von den Gau- und Reichsleitern bis hin zu den Ortsgruppen- und Unterscharführern, schufen ein komplexes System von neben und zum Teil auch gegeneinander arbeitenden Entscheidungsinstanzen, deren Kompetenzen im Nationalsozialismus zu keinem Zeitpunkt durch eine Verfassung abgegrenzt wurden. Folge der doppelten Struktur von absoluter Macht des obersten Führers und in ihrem Bereich nur durch den „Führerwillen“ gebundenen Unterführern, war der „Führerstaat“. In ihm erwuchs die Machtfülle des Führers aus einer Verwaltungsstruktur, in der rationale Organisations- und Verwaltungskriterien zugunsten personaler Bindungen zurücktraten. (Autor: Gabriele Intemann, arbeitet als freiberufliche Autorin, Redakteurin und Lektorin in Bremen. Mitautorin des Buches Der Jugoslawienkrieg, 1995). Führerwille Die Weimarer Verfassung wurde im Dritten Reich nie formal aufgehoben. Seit spätestens 1934 galt jedoch nur noch der Führerwille als Grundlage für die gesamte Staatstätigkeit. Daß selbst für die schwerwiegendsten Entscheidungen wie die Endlösung oft schriftliche Befehle Hitlers fehlen oder wie bei der Euthanasie nur in knappster Briefform vorliegen, ist auf diese Herrschaftstechnik zurückzuführen. http://shoanet.hbi-stuttgart.de/glossar/F.htm#Fuehrerprinzip Galen, Clemens, August, Graf von, Bischof von Münster, ®Bekennende Kirche“ Gaswagen „Seit Dezember 1941[...] beispielsweise mit drei eingesetzten Wagen 97.000 [Menschen] verarbeitet, ohne daß Mängel an den Fahrzeugen auftauchten.“ Vermerk des RSHA am 5. Juni 1942 Bei Kriegsbeginn gegen die Sowjetunion wurden Tausende von Menschen durch Erschießen ermordet. Die Täter klagten über die starke psychische Belastung, die das Vollziehen von Massenerschießungen bei ihnen hervorrufe. Himmler veranlaßte, das ®Reichssicherheitshauptamt (RSHA), nach einer anderen Mordmethode zu suchen, die den seelischen Druck für die Ausführenden verringerte. 1941 entwickelte eine Arbeitsgruppe des Reichssicherheitshauptamtes Kastenwagen mit LKW-Fahrgestell, deren Auspuffgase durch die Ladefläche zur Tötung der Insassen in den luftdicht verschließbaren und mit Blech ausgekleideten Aufbau geleitet werden konnte. Im Spätherbst kamen die ersten dieser Gaswagen zum Einsatz, die je nach Modell ein Fassungsvermögen von 25 bis 60 Menschen hatten. Insgesamt waren mindestens 30 Gaswagen bei den ®Einsatzgruppen und im ®Vernichtungslager Chelmno eingesetzt. Es wurden vermutlich über 500.000 Menschen in Gaswagen ermordet, wobei die eine Hälfte in den besetzten Gebieten der Sowjetunion, die andere Hälfte in Chelmno getötet wurden. Aber auch die Gaswagen waren nur ein Entwicklungsstadium. 1942/43 wurden die stationären Gaskammern eingerichtet (®Zyklon B). (http://shoanet.hbi-stuttgart.de/glossar/G.htm#Gaswagen) Vermerk aus dem Referat 11 D 3 (Kraftfahrwesen) des RSHA über Veränderungen an den Gaswagen II D 3 a (9) Nr. 214/42 g.Ra. Berlin, den 5. Juni 1942 Einzigste Ausfertigung. [Stempel: Geheime Reichssache] I. V e r m e r k : Betrifft: Technische Abänderungen an den im Betrieb eingesetzten und an den sich in Herstellung befindlichen Spezialwagen. Seit Dezember 1941 wurden beispielsweise mit 3 eingesetzten Wagen 97000 verarbeitet, ohne daß Mängel an den Fahrzeugen auftraten. Die bekannte Explosion in Kulmhof ist als Einzelfall zu bewerten. Ihre Ursache ist auf einen Bedienungsfehler zurückzuführen. Zur Vermeidung von derartigen Unfällen ergingen an die betroffenen Dienststellen besondere Anweisungen. Die Anweisungen wurden so gehalten, daß der Sicherheitsgrad erheblich heraufgesetzt wurde. Die sonstigen bisher gemachten Erfahrungen lassen folgende technische Abänderungen zweckmäßig erscheinen: 1.) Um ein schnelles Einströmen des CO unter Vermeidung von Überdrucken zu ermöglichen, sind an der oberen Rückwand zwei offene Schlitze von 10 x 1 cm lichter Weite anzubringen. Dieselben sind außen mit leicht beweglichen Scharnierblechklappen zu versehen, damit ein Ausgleich des evtl. eintretenden Überdruckes selbsttätig erfolgt. 2.) Die Beschickung der Wagen beträgt normalerweise 9 - 10 pro m2. Bei den großräumigenSaurer-Spezialwagen ist eine Ausnutzung indieser Form nicht möglich, weil dadurch zwar keine Überlastung eintritt, jedoch die Geländegängigkeit sehr herabgemindert wird. Eine Verkleinerung der Ladefläche erscheint notwendig. Sie wird erreicht durch Verkürzung des Aufbaues um ca. 1 m. Vorstehende Schwierigkeit ist nicht, wie bisher, dadurch abzustellen, daß man die Stückzahl bei der Beschickung vermindert. Bei einer Verminderung der Stückzahl wird nämlich eine längere Betriebsdauer notwendig, weil die freien Räume auch mit CO angefüllt werden müssen. Dagegen reicht bei einer verkleinerten Ladefläche und vollständig ausgefülltem Laderaum eine erheblich kürzere Betriebsdauer aus, weil freie Räume fehlen. In einer Besprechung mit der Herstellerfirma wurde von dieser Seite darauf hingewiesen, daß eine Verkürzung des Kastenaufbaues eine ungünstige Gewichtsverlagerung nach sich zieht. Es wurde betont, daß eine Überlastung der Vorderachse eintritt. Tatsächlich findet aber ungewollt ein Ausgleich in der Gewichtsverteilung dadurch statt, daß das Ladegut beim Betrieb in dem Streben nach der hinteren Tür immer vorwiegend dort liegt. Hierdurch tritt eine zusätzliche Belastung der Vorderachse nicht ein. 3.) Die Verbindungsschläuche zwischen Auspuff und Wagen rosten des öfteren durch, da sie im Innern durch anfallende Flüssigkeiten zerfressen werden. Um dieses zu vermeiden, ist der Einfüllstutzen nunmehr so zu verlegen, daß eine Einführung von oben nach unten erfolgt. Dadurch wird ein Einfließen von Flüssigkeiten vermieden. 4.) Um eine handliche Säuberung des Fahrzeuges vornehmen zu können, ist der Boden in der Mitte mit einer dicht verschließbaren Abflußöffnung zu versehen. Der Abflußdeckel mit etwa 200 bis 300 mm O/ erhält einen Syphonkrümmer, sodaß dünne Flüssigkeit auch während des Betriebes ablaufen kann. Zur Vermeidung von Verstopfungen ist der Krümmer oben mit einem Sieb zu versehen. Dicker Schmutz kann bei der Reinigung des Wagens durch die große Abflußöffnung fortgespült werden. Der Boden des Fahrzeuges ist zur Abflußöffnung leicht zu neigen. Hierdurch soll erreicht werden, daß alle Flüssigkeiten unmittelbar zur Mitte abfliessen. Ein Eindringen der Flüssigkeiten in die Röhren wird somit weitgehendst unterbunden. 5.) Die bisher angebrachten Beobachtungsfenster können entfallen, da sie praktisch nie benutzt werden. Bei der Fertigung weiterer Fahrzeuge wird durch den Fortfall der Fenster mit Bezug auf die schwierige Anbringung und dichte Abschließung derselben erhebliche Arbeitszeit eingespart. 6.) Die Beleuchtungskörper sind stärker als bisher gegen Zerstörungen zu sichern. Das Eisengitterwerk ist so hoch gewölbt über den Lampen anzubringen, daß eine Beschädigung der Lampenfenster nicht mehr möglich ist. Aus der Praxis wurde vorgeschlagen, die Lampen entfallen zu lassen, da sie angeblich nie gebraucht werden. Es wurde aber in Erfahrung gebracht, daß beim Schließen der hinteren Tür und somit bei eintretender Dunkelheit immer ein starkes Drängen der Ladung nach der Tür erfolgte. Dieses ist darauf zurückzuführen, daß die Ladung bei eintretender Dunkelheit sich nach dem Licht drängt. Es erschwert das Einklinken der Tür. Ferner wurde festgestellt, daß der auftretende Lärm wohl mit Bezug auf die Unheimlichkeit des Dunkels immer dann einsetzt, wenn sich die Türen schließen. Es ist deshalb zweckmäßig, daß die Beleuchtung vor und während der ersten Minuten des Betriebes eingeschaltet wird. Auch ist die Beleuchtung bei Nachtbetrieb und beim Reinigen des Wageninnern von Vorteil. 7.) Um eine schnelle und leichte Entladung des Fahrzeuges zu erreichen, ist ein ausfahrbarer Rost einzubringen. Er ist auf kleinen rädern in U-Eisen-Schienen zu führen. Das Aus- und Einfahren hat mit einer unter dem Wagen angebrachten Drahtseilzugwinde zu geschehen. Die mit der Anbringung beauftragte Firma hält diese Ausführungsart wegen Kräfte- und Materialmangel z.Zt. für undurchführbar. Die Ausführung ist bei einer anderen Firma anzuregen. Vorstehende technische Abänderungen sind an den im Betrieb befindlichen Fahrzeugen nur dann nachträglich auszuführen, wenn jeweils ein Fahrzeug einer anderen größeren Reparatur unterzogen werden muß. An den in Auftrag gegebenen 10 Saurer-Fahrgestellen sind die vorstehenden Abänderungen so weit als möglich zu berücksichtigen. Da die Herstellerfirma gelegentlich einer Rücksprache betonte, daß konstruktive Abänderungen z.Zt. nicht oder nur für kleinste Abänderungen möglich sind, ist bei einer anderen Firma der Versuch zu unternehmen, mindestens eines dieser 10 Fahrzeuge mit allen Neuerungen und Abänderungen, die sich bisher aus der Praxis ergaben, auszustatten. Ich schlage vor, die firma in Hohenmauth mit der Einzelausführung zu beauftragen. Nach den Umständen ist bei diesem Fahrzeug mit einer späteren Fertigstellsung zu rechnen. Es ist dann nicht nur als Muster-, sondern auch als Reserve - Fahrzeug bereitzuhalten bzw. einzusetzen. Bei Bewährung sind die übrigen Fahrzeuge nacheinander aus dem Betrieb zu ziehen und dem Musterfahrzeug ent-sprechend umzubauen. II. Gruppenleiter II D SS-Obersturmführer R a u f f mit der Bitte um Kenntnisnahme und Entscheidung vorgelegt. Quelle: Eugen Kogon u.a. (Hrsg.), Nationalsozialistische Massentötungen durch Giftgas Frankfurt/Main 1995, S. 333ff. http://www.idgr.de/texte-2/ns-verbrechen/gaswagen/gaswagen.html http://www.ns-archiv.de/einsatzgruppen/gaswagen/97000.shtml) „Die Vergasung wird durchweg nicht richtig vorgenommen ...“ Dr. Becker an Rauff Feldpostnummer 32 704 Kiew, den 16. Mai 1942 B. Nr. 40/42 – Geheime Reichssache An SS-Obersturmbannführer Rauff in Berlin, Prinz-Albrecht-Str. 8 Die Überholung der Wagen bei der Gruppe D und C ist beendet. Während die Wagen der ersten Serie auch bei nicht allzuschlechter Wetterlage eingesetzt werden können, liegen die Wagen der zweiten Serie (Saurer) bei Regenwetter vollkommen fest. Wenn es z. B. nur eine halbe Stunde geregnet hat, kann der Wagen nicht eingesetzt werden, weil er glatt wegrutscht. Benutzbar ist er nur bei ganz trockenem Wetter. Es tritt nun die Frage auf, ob man den Wagen nur am Orte der Exekution im Stand benutzen kann. Erstens muß der Wagen an diesen Ort gebracht werden, was nur bei guter Wetterlage möglich ist. Der Ort der Exekution befindet sich aber meistens 10-15 km abseits der Verkehrswege und ist durch seine Lage schon schwer zugänglich, bei feuchtem oder nassen Wetter überhaupt nicht. Fährt oder führt man die zu Exekutierenden an diesen Ort, so merken sie sofort, was los ist und werden unruhig, was nach Möglichkeit vermieden werden soll. Es bleibt nur der eine Weg übrig, sie am Sammelorte einzuladen und dann hinauszufahren. Die Wagen der Gruppe D habe ich als Wohnwagen tarnen lassen, indem ich an den kleinen Wagen auf jeder Seite einen, an den großen auf jeder Seite zwei Fensterläden anbringen ließ, wie man sie oft an den Bauernhäusern auf dem Lande sieht. Die Wagen waren so bekannt geworden, daß nicht nur die Behörden, sondern auch die Zivilbevölkerung den Wagen als „Todeswagen“ bezeichneten, sobald eines dieser Fahrzeuge auftauchte. Nach meiner Meinung kann er auch getarnt nicht auf die Dauer verheimlicht werden. Der Saurerwagen, den ich von Simferopol nach Taganrog überführte, hatte unterwegs Bremsschaden. Beim S. K. in Mariupol wurde festgestellt, daß die Manchete der kombinierten ÖI-Luftdruckbremse an mehreren Stellen gebrochen war. DurchÜberredung und Bestechung beim H. K. P. gelang es, eine Form drehen zu lassen, nach der zwei Mancheten gegossen wurden. Als ich einige Tage später nach Stalino und Gorlowka kam, beklagten sich die Fahrer der Wagen über denselben Schaden. Nach Rücksprache mit den Kommandeuren dieser Kommandos begab ich mich nochmals nach Mariupol, um weitere Mancheten für diese Wagen anfertigen zu lassen. Auf Vereinbarung werden für jeden dieser Wagen zwei Mancheten gegossen, sechs Mancheten bleiben als Reserve in Mariupol für die Gruppe, und 6 Mancheten werden an SS- Untersturmführer Ernst für die Wagen der Gruppe C nach Kiew gesandt. Für die Gruppen B und A könnten die Mancheten von Berlin aus beschafft werden, weil der Transport von Mariupol nach dem Norden zu umständlich ist und zu lange dauern würde. Kleinere Schäden an den Wagen werden von Fachleuten der Kommandos bzw. der Gruppen in einer Werkstatt ausgeführt. Durch das unebene Gelände und die kaum zu beschreibenden Wege- und Straßenverhältnisse lockern sich im Laufe der Zeit die Abdichtungen und Nietstellen. Ich wurde gefragt, ob in solchen Fällen der Wagen zur Reparatur nach Berlin überführt werden soll. Eine Überführung nach Berlin käme viel zu teuer und würde zu viel Betriebsstoff erfordern. Um diese Ausgabe zu sparen gab ich die Anordnung, kleinere undichte Stellen selbst zu löten und wenn das nicht mehr zu machen wäre, sofort Berlin durch Funk zu benachrichtigen, daß der Wagen Pol. Nr. . . . ausgefallen sei. Außerdem ordnete ich an, bei den Vergasungen, alle Männer vom Wagen möglichst fernzuhalten, damit sie durch evtl. ausströmende Gase gesundheitlich nicht geschädigt werden. Bei dieser Gelegenheit möchte ich auf folgendes aufmerksam machen: Verschiedene Kommandos lassen nach der Vergasung durch die eigenen Männer ausladen. Die Kommandeure der betreffenden S. K. habe ich darauf aufmerksam gemacht, welch ungeheure seelische und gesundheitliche Schädigungen diese Arbeit auf die Männer, wenn auch nicht sofort, so doch später haben kann. Die Männer beklagten sich bei mir über Kopfschmerzen, die nach jeder Ausladung auftreten. Trotzdem will man von dieser Anordnung nicht abgeben, weil man befürchtet, daß die für die Arbeit herangezogenen Häftlinge einen günstigen Augenblick zur Flucht benutzen könnten. Um die Männer vor diesen Schäden zu bewahren, bitte ich, dementsprechende Anordnungen herauszugeben. Die Vergasung wird durchweg nicht richtig vorgenommen. Um die Aktion möglichst schnell zu beenden, geben die Fahrer durchweg Vollgas. Durch diese Maßnahme erleiden die zu Exekutierenden den Erstickungstod und nicht wie vorgesehen, den Einschläferungstod. Meine Anleitungen haben nun ergeben, daß bei richtiger Einstellung der Hebel der Tod schneller eintritt und die Häftlinge friedlich einschlafen. Verzerrte Gesichter und Ausscheidungen wie sie seither gesehen wurden, konnten nicht mehr bemerkt werden. Im Laufe des heutigen Tages erfolgt meine Weiterreise nach der Gruppe B, wo mich weitere Nachrichten erreichen können. Dr. Becker, SS-Untersturmführer (http://www.ns-archiv.de/einsatzgruppen/gaswagen/becker/an_rauff.shtml) Frauen in Konzentrationslagern ®Konzentrationslager Geheime Staatspolizei (Gestapo) Gestapo, Abkürzung für Geheime Staatspolizei, gängige Bezeichnung für die politische Polizei im nationalsozialistischen Deutschland zwischen 1933 und 1945. Die Gestapo war ein zentrales Ausführungsorgan der nationalsozialistischen Herrschaft und als solches verantwortlich für den organisierten Terror in Deutschland und in den während des 2. Weltkrieges von Deutschland besetzten Gebieten. Die Geheime Staatspolizei wurde auf Betreiben Hermann ®Görings, dem Chef der preußischen Polizei, 1933 gegründet und von Beginn an mit weitgehenden Kompetenzen ausgestattet. Vorläufer der Gestapo waren die politischen Polizeiorgane der Weimarer Republik, vor allem die preußische Geheime Staatspolizei. Bis 1944 zählte die Gestapo 30.000 Mitglieder. Ab 1936 konnte sie ohne richterlichen Beschluß Durchsuchungen und Verhaftungen durchführen und Personen in Konzentrationslager schicken lassen, sie foltern oder umbringen. Die Leitung der politischen Polizei war in den ersten Monaten der NSDAP-Regierung noch Ländersache. Bis Anfang 1934 unterstand jedoch die Länderpolizei dem Befehl Heinrich ®Himmlers. Ihre vorrangige Aufgabe war die Erforschung und Bekämpfung aller „staatsgefährdenden Bestrebungen“ im gesamten Staatsgebiet. Der Gestapo waren in der Wahl ihrer Mittel keine Grenzen gesetzt. Mit der Ernennung Himmlers zum Chef der gesamten deutschen Polizei im Juni 1936 wurde die Gestapo der SS unterstellt und somit in die ®NSDAP eingegliedert. Seit 1936 waren Gestapo, ®Kriminalpolizei und Grenzpolizei als Sicherheitspolizei zusammengefaßt. Drei Jahre später wurden sie mit dem SD im ®Reichssicherheitshauptamt vereinigt. In den ®Konzentrationslagern unterlagen die Verhöre der Häftlinge dem Aufgabenbereich der Gestapo, die dann auch über weitere Maßnahmen bis hin zur sogenannten „Sonderbehandlung“, d.h. der Exekution ohne richterlichen Beschluß, entschied. Nach Kriegsausbruch begleiteten viele Gestapo-Beamte in den Reihen der ®SS die deutsche Armee bei ihren Eroberungsfeldzügen und organisierten die Verschleppung der dort lebenden Juden in die ®Konzentrationslager. Während des 2. Weltkrieges verstärkte die Gestapo ihren Terror noch, vor allem in den besetzten Gebieten, wo sie den nationalsozialistischen Terror verkörperte und als Teil der ®Einsatzgruppen der ®SS für Misshandlungen und Morde an ®Juden, ®„Zigeunern“, Partisanen, Kommunisten etc. verantwortlich war. Außerdem war die Gestapo für die ®Deportation der Juden aus allen besetzten Gebieten in die ®Vernichtungslager zuständig und hatte somit wesentlichen Anteil am ®Holocaust. In den ®Nürnberger Prozessen wurde die Gestapo 1946 zu einer ®verbrecherischen Organisation erklärt. http://shoanet.hbi-stuttgart.de/glossar/G.htm#Gestapo http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/innenpolitik/gestapo/ http://www.nfhdata.de/premium/datenbasis-materialien/pages/B_cher/Nationalsozialismus/Gestapo/index.shtml Genozid Der Terminus Genozid wurde erstmals 1933 verwendet und steht für Völkermord, Vernichtung eines Volkes. Inzwischen wurde Genozid zu einem gängigen Begriff in der Gesetzgebung, in internationalen Konventionen und in Gerichtsurteilen. Er findet Anwendung bei Mord an Menschen wegen deren Zugehörigkeit zu einer bestimmten rassischen, ethnischen oder religiösen Gruppe. Die Absicht des Mörders oder der Mörder beim Genozid ist, dieser speziellen Gruppe schweren Schaden zuzufügen und sie als Gruppe zu vernichten. Neben dem Judenmord im Dritten Reich handelt es sich auch bei der Ermordung der Armenier im Ersten Weltkrieg, bei den stalinistischen Gewaltverbrechen, und bei den Völkermorden in der Dritten Welt, etwa in Kambotscha, Ost-Timor und Bangladesch, um Genozid. http://shoanet.hbi-stuttgart.de/glossar/G.htm#Genozid Gerechte unter den Völkern Über fünf Millionen ®Juden, darunter 1,5 Millionen Kinder, wurden in den vom nationalsozialistischen Deutschland besetzten Ländern Europas während des Zweiten Weltkrieges (1939-1945) ermordet ®Opfer. Die meisten der mehrere hundert Millionen zählenden Europäer unter NS-Herrschaft schauten schweigend zu oder kollaborierten mit den Mördern. Einige jedoch reichten Juden eine helfende Hand und versuchten, sie vor der Ermordung durch die Nationalsozialisten zu retten. Es gibt keine genauen Angaben, wie viele Juden durch die Hilfe einzelner Nichtjuden gerettet werden konnten. Ihre Zahl mag bei mehreren Zehntausend Menschen liegen. In Frankreich überlebten 200.000 Juden, viele von ihnen dank der Hilfe von Nichtjuden. Die geschätzten Zahlen für einige andere europäische Länder sind: Belgien - 26.000; Niederlande - 16.000; Italien - 35.000; Dänemark - 7.200; Norwegen - 900; Deutschland und Österreich - 5.000; Polen - 25.000-45.000; Litauen - bis zu 1.000; Ungarn - über 200.000, viele von ihnen durch den heldenhaften Einsatz Raoul ®Wallenbergs und Carl Lutz´; Griechenland - 3.000-5.000; Jugoslawien - bis zu 5.000; Albanien - 1.800. Für die Ukraine und Rußland liegen bisher keine Angaben vor. Die Taten der Gerechten zeigen, daß es möglich war, Hilfe zu leisten. Die Ausrede, die nationalsozialistische Terrormaschinerie habe freiwillige Taten ohne Rücksicht auf die offizielle Politik unmöglich gemacht, wird durch das Handeln mehrerer Tausend Personen aus allen Schichten widerlegt, die Juden halfen, die „Endlösung“ zu überleben. Die Taten der Gerechten dienen als Rollenmodell für zukünftige Generationen und als Maßstab für moralisches Verhalten, selbst in erheblichen physischen und seelischen Streßsituationen. Sie beweisen, daß man dem Bösen widerstehen kann und muß, und daß Widerstand auch auf persönlicher Ebene außerhalb einer organisierten Gruppe möglich ist. Die Taten der Gerechten helfen, das schreckliche Erbe des „Dritten Reiches“ auszugleichen. Ihr Beispiel zeigt, daß Leben an sich ein Wert ist. Daher erscheint ein - dem Talmud entnommenes - Motto auf den Medaillen der „Gerechten unter den Völkern“: „Wer auch immer ein einziges Leben rettet, der ist, als ob er die ganze Welt gerettet hätte.“ Die Anerkennung als „Gerechter unter den Völkern“ beruht auf folgenden Kriterien: · Hilfe wurde von Nichtjuden in Fällen gewährt, in denen Juden hilflos und durch Tod oder Deportation in ein Konzentrationslager bedroht waren. · Der Retter war sich bewußt, daß er durch die Gewährung einer derartigen Hilfe sein eigenes Leben, seine Sicherheit und persönliche Freiheit riskierte (die Nationalsozialisten sahen in jeder Hilfeleistung für Juden ein Kapitalverbrechen). · Der Retter verlangte keine materielle Belohnung oder materielle Kompensation von dem Geretteten als Bedingung für die Hilfeleistung, · Rettung und Hilfe werden von der geretteten Person bezeugt oder durch direkte Aussagen von Augenzeugen und, wenn möglich, durch zuverlässiges Archivmaterial bestätigt. · Aufnahme eines Juden im eigenen Haus oder in einer weltlichen oder religiösen Einrichtung, die von der Außenwelt abgeschirmt und den Augen der Öffentlichkeit entzogen war. · Unterstützung eines Juden bei der Erlangung von gefälschten Papieren, die ihn als Nichtjuden ausgaben. · Unterstützung von Juden bei der Flucht an einen sicheren Ort oder über die Grenze in ein sicheres Land. Dazu gehören die Begleitung von Kindern und Erwachsenen auf heimlichen Reisen über große Entfernungen hinweg innerhalb besetzter Gebiete zur Grenze sowie Verhandlungen zum sicheren Überqueren der Grenzen. · Temporäre Adoption jüdischer Kinder (während der Kriegszeit). Seit 1963 erhielten über 18.000 Männer und Frauen - darunter 342 Deutsche - von der israelischen Gedenkstätte Jad Waschem in Jerusalem die höchste jüdische Auszeichnung für Retter von Holocaust-Opfern: den Titel „Gerechte unter den Völkern“. Unter den Deutschen wurden folgende Personen für ihre Taten geehrt: · Feldwebel Hugo Armann, stationiert in Baranowice, Ostpolen, half vielen Juden bei der Flucht aus dem Ghetto. Sie erhielten von ihm Waffen, konnten in die Wälder entkommen und schlossen sich den Partisanen an. · Hauptmann Eberhard Helmrich, Leiter eines Landwirtschaftspostens in Drohobycz, Polen, half Gruppen jüdischer Frauen, indem er sie mit falschen Papieren als polnische oder ukrainische Haushaltsgehilfinnen nach Berlin schickte, wo seine Frau Donata ihre Beschäftigung in deutschen Haushalten organisierte, die nichts von der wahren Herkunft der Mädchen wußten. · In Przemysl, Polen, hinderte Hauptmann Ma Liedtke die SS an einem Überfall auf Juden der Stadt, indem er seinen Soldaten den Befahl gab, die SS vor einem Brückenübergang aufzuhalten. Er wurde seines Postens enthoben und an die Front geschickt. Er starb in russischer Gefangenschaft. · Seit Steven Spielberg dessen Leben verfilmte, ist der deutsche Unternehmer ®Oskar Schindler, Geschäftsmann in Krakau, Polen, wohl der bekannteste deutsche Geehrte. Oskar Schindler rettete zirka 1.200 Juden in einer an Kühnheit und Ausführung unvergleichlichen Rettungsaktion. · Feldwebel Anton Schmid, stationiert in Wilna, Litauen, wurde im April 1942 hingerichtet, weil er Juden innerhalb und außerhalb des Ghettos der Stadt geholfen hatte. Die Namen der Geehrten werden im „Garten der Gerechten“ an einer Mauer angebracht, aus Platzgründen werden für sie inzwischen in der „Allee der Gerechten“ (Yad Vashem) keine Bäume mehr angepflanzt. Über die Ehrung entscheidet eine Kommission, deren Vorsitzender ein Oberster Richter ist. Diejenigen „Gerechten unter den Völkern“, die - wo immer sie leben - in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind, erhalten wirtschaftliche Hilfe von der Jewish Foundation of the Righteous, einer Organisation in New York, die eigens zu diesem Zweck ins Leben gerufen wurde,. Die Anne-Frank-Stiftung im schweizerischen Basel unterstützt den Personenkreis, der medizinische Hilfe benötigt. Die in Israel lebenden Gerechten“ (zirka 45 Personen) erhalten automatisch eine großzügige staatliche Pension. Die „Gerechten unter den Völkern“ retteten durch ihr Verhalten nicht nur Menschen sondern auch die Ehre der Menschheit in der Zeit der Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden. ®Wallenberg, Raoul; ® Bartoszewsky, Wladyslaw. http://www.israel.de/blickpunkt/yadvashem.html http://shoanet.hbi-stuttgart.de/glossar/G.htm#Genozid Gestapo ®Geheime Staatspolizei Gleichschaltung Unmittelbar nach ihrer ®Machtübernahme begann die Führung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) mit der Ausschaltung jener Organisationen, die sich ihrem Totalitätsanspruch zu widersetzen drohten. Eine Anpassung aller staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen an die politisch-ideologischen Ziele der NSDAP sollte die pluralistische Vielfalt der Weimarer Republik ersetzen. Bei der Durchdringung des Staats, der ®Justiz und der Gesellschaft sowie bei der Etablierung ihres Herrschaftssystems bedienten sich die Nationalsozialisten vor allem der Gleichschaltung. Der von Reichsjustizminister Franz Gürtner geprägte Begriff wurde erstmals publik in zwei gleichlautenden Gesetzen über die Gleichschaltung der Länder im März und April 1933. Unter dem Vorwand einer Vereinheitlichung des Reichs erzwang die Reichsregierung unter Adolf ®Hitler die Einsetzung nationalsozialistischer Landesregierungen. Bis in die untersten Verwaltungsebenen der Gemeinden reichten die Auswirkungen des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933. Unter Mißachtung aller verfassungsrechtlichen Bestimmungen erlaubte es die Entlassung von regimekritischen Beamten. Neben Demokraten und Liberalen waren es vor allem Staatsbedienstete jüdischen Glaubens, die durch den erstmals in dem Gesetz eingefügten ®Arierparagraphen ihre Stellungen verloren. Den Arierparagraphen übernahmen bereitwillig nahezu sämtliche Organisationen bis hinunter zu kleinsten Sport- oder Gesangsvereinen, ohne daß es dabei eines staatlichen Zwangs bedurft hätte. Die Gleichschaltung beinhaltete administrative Maßnahmen ebenso wie brutalen Straßenterror. Aufgrund der „Reichstagsbrandverordnung“ hatte das ®NS-Regime bei der Verfolgung von Oppositionellen freie Hand. Verschleppt und inhaftiert wurden vor allem Funktionäre der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Vor der erdrückenden Übermacht und dem Terror der NSDAP resignierend, lösten sich sämtliche Parteien bis Anfang Juli 1933 selbst auf, nachdem die SPD am 22. Juni verboten worden war. Die Errichtung des Einparteienstaats sowie die Verschmelzung der Ämter des Regierungschefs und Reichspräsidenten nach dem Tod Paul von Hindenburgs am 2. August 1934 in der Person Hitlers vollendeten die „Einheit von Partei und Staat“. Mit sofortiger Wirkung leistete die Reichswehr von nun an ihren militärischen Eid auf den „Führer und Reichskanzler“ Hitler. Im Sommer 1934 war der Gleichschaltungsprozeß durch Übernahme der wichtigsten Verbände in die Organisationsstruktur der NSDAP weit fortgeschritten. Die erzwungene und freiwillige Anpassung ermöglichte der Partei eine nahezu vollständige Kontrolle aller gesellschaftlichen Bereiche. Gleichgeschaltet waren neben Vereinen und Organisationen auch Presse, Film und Rundfunk, die als Mittel zur Beeinflussung eingesetzt wurden. Lediglich in den beiden großen Kirchen stieß die rücksichtslose Gleichschaltung mit Beginn des „Kirchenkampfs“ zum Teil auf ein erhebliches Widerstandspotential. Äußeres Symbol nationalsozialistischer Gleichschaltung war das Hakenkreuz. Das Parteiabzeichen der NSDAP war nach dem 30. Januar 1933 aus dem Straßenbild und Alltagsleben der Deutschen nicht wegzudenken. 1935 wurde es zum alleinigen Hoheitszeichen des Deutschen Reichs erklärt. Als Mittel der Gleichschaltung erfolgte zudem eine Ausdehnung der ®Uniformierung, die alle Altersgruppen erfaßte. Uniformiert und militärisch organisiert war auch die ®Hitler-Jugend (HJ), die nach Einführung der Zwangsmitgliedschaft 1936 eine ideologische Schulung und die Einbindung sämtlicher Heranwachsender in den Staat garantieren sollte. (http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/innenpolitik/gleichschaltung/index.html) Glossar unkommentiert, zu Justiz und NS-Verbrechen http://www.jur.uva.nl/junsv/JuNSVEng/Glossary.htm Goebbels, Joseph Minister für Propagande und Volksaufklärung im Dritten Reich Joseph Goebbels wurde am 29.10.1897 in Rheydt geboren. Er stammte aus einem kleinbürgerlichen, katholischen Elternhaus und studierte u.a. Germanistik und Philosophie in Bonn, Berlin und Heidelberg bevor er 1921 promovierte. 1924 wurde er Redakteur bei einer völkisch-nationalistischen Zeitung. Zu dieser Zeit schrieb er seine mit autobiographischen Zügen versehene Tagebuchnovelle Michael Voormann, die erst 1929 veröffentlicht wurde und nur mäßig erfolgreich war. 1925 trat er der ®NSDAP bei. Er schloss sich zunächst dem Flügel um Georg Strasser an, wechselte dann aber im Zuge der innerparteilichen Richtungskämpfe auf die Seite Adolf ®Hitlers über. 1926 wurde Goebbels von Hitler zum Gauleiter der NSDAP von Berlin ernannt, um hier, in der traditionell „roten“ Stadt, der NSDAP zum Durchbruch zu verhelfen. Ab 1927 gab Goebbels in Berlin das nationalsozialistische Propagandablatt Der Angriff heraus. 1928 wurde er in den Reichstag gewählt, und 1929 übernahm er die Funktion des Reichspropagandachefs der ®NSDAP. Mit seiner ®Propagandaarbeit, bei der er sich auch der neuen Medien Film und Rundfunk umfassend bediente, bereitete er den Boden für die nationalsozialistische ®Machtergreifung 1933. Am 13.3.1933 übertrug Hitler Goebbels das neu eingerichtete Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, und im September übernahm Goebbels zusätzlich die Leitung der neu geschaffenen Reichskulturkammer. Von Anfang an inszenierte er einen ausgeprägten Führerkult um Hitler und übte eine strenge Kontrolle über die Presse aus, die er innerhalb kurzer Zeit gleichschaltete und auf die nationalistische und rassistische Ideologie des nationalsozialistischen Regimes verpflichtete. Ebenso verfuhr er auch in allen anderen Bereichen des kulturellen Lebens (Theater, Film, Literatur, bildende Kunst, Musik). Goebbels erkannt schon früh die Möglichkeit das Medium Film für Propagandazwecke auszunutzen. Unter seinem Einfluß entstanden ®antisemitische Propagandafilme wie ®“Jud Süß“ und ®“Der Ewige Jude“. Seine extreme antisemitische Propaganda gipfelte 1938 in der von ihm organisierten ®Reichskristallnacht. Ab 1940 war Goebbels Herausgeber und Leitartikler der Wochenzeitschrift Das Reich, in der er während des 2.Weltkrieges (®Weltkrieg) u.a. den „Endsieg“ beschwor und den Einsatz von „Wunderwaffen“ versprach. Nach der deutschen Niederlage in Stalingrad rief Goebbels die Deutschen im Berliner Sportpalast am 18.2.1943 demagogisch-propagandistisch äußerst wirkungsvoll zum „totalen Krieg“ auf. Noch während des Putschversuchs vom 20.7.1944 gelang es Goebbels, das missglückte Attentat auf Hitler propagandistisch gegen die oppositionellen Offiziere und Zivilisten zu wenden. Als Generalbevollmächtigter für den totalen Kriegseinsatz ab 8.1944 suchte Goebbels bis zum Schluss die Illusion des „Endsieges“ aufrechtzuerhalten und alle noch verfügbaren Reserven zu mobilisieren. Am 29.4.1945 ernannte ®Hitler Goebbels zu seinem Nachfolger als Reichskanzler des Dritten Reiches; angesichts der bereits in Berlin stehenden sowjetischen Roten Armee ermordete Goebbels wenige Stunden nach Hitlers Tod am 1.5.1945 seine sechs Kinder und beging anschließend zusammen mit seiner Frau Selbstmord. Seine Tagebücher aus den Jahren 1942 und 1943 wurden 1948 posthum herausgegeben. ®Gleichschaltung, ®Kunst und Kultur (http://shoanet.hbi-stuttgart.de/biogr/G.htm) Göring, Hermann Januar: 1893 wird Hermann Göring als Sohn des Juristen und hochrangigen Kolonialbeamten Heinrich Göring und dessen Ehefrau Franziska (geb. Tiefenbrunn) in Marienbad (Bayern) geboren. 1945 8. Mai Göring wird durch die amerikanische Armee auf Schloß Fischhorn am Zeller See gefangengenommen. 21. Mai: Internierung im amerikanischen Lager Mondorf nahe der luxemburgischen Grenze. Der über 280 Pfund schwere Göring muß sich einer Entziehungskur und einer Diät unterziehen. September: Nach viermonatigem Verhör Verlegung in das Gefängnis des Nürnberger Justizgebäudes. Oktober: Er wird als ranghöchster Nationalsozialist vor dem Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg angeklagt. 1946 1. Oktober: Göring wird in allen Punkten der Anklage für schuldig befunden und zum Tod durch Erhängen verurteilt. 15. Oktober: Wenige Stunden vor der Urteilsvollstreckung begeht Hermann Göring durch die Einnahme von Zyankali Selbstmord in der Nürnberger Haftanstalt. http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/GoeringHermann/ Goldhagen-Debatte Ein junger amerikanischer Soziologe, Daniel Jonah Goldhagen, schreibt 1997 ein provozierendes Buch „Hitlers willige Vollstrecker“. Er sagt darin, der ®Antisemitismus der Deutschen sei auf die Vernichtung der Juden angelegt gewesen. Goldhagen vertritt die Auffassung, die Nationalsozialisten hätten den Mord an den europäischen Juden im Zweiten Weltkrieg mit Wissen und mit Billigung nahezu aller damals lebenden Deutschen ins Werk gesetzt. Nicht nur, so Goldhagen, hätten Hunderttausende, vielleicht Millionen aktiv am Holocaust mitgewirkt, vielmehr habe praktisch die gesamte deutsche Gesellschaft den Genozid gewollt. Daniel Jonah Goldhagens Studie löste heftige Reaktionen aus - Die Erkenntnis Goldhagens, daß ganz normale Deutsche für den ®Holocaust verantwortlich sind ist eigentlich banal, jedoch zeigt die Resonanz auf sein Buch, daß es sich dabei hierzulande um eine schwer zu akzeptierende Tatsache handelt. Der Autor sowie das Buch zogen noch vor dem Erscheinen der deutschen Ausgabe massive Kritik, Anfeindungen, antisemitische Ausfälle aber auch vehementer Zuspruch auf sich, von der „Zeit“ wurde gar ein neuer Historikerstreit in Aussicht gestellt wurde. (http://shoanet.hbi-stuttgart.de/glossar/G.htm#Goldhagen-Debatte) Halbjuden „Halbjude“ oder „Halbjüdin“ wurden, nach den 1935 erlassenen ®Nürnberger Gesetzen, die Menschen genannt, unter deren vier Großeltern zwei Juden oder Jüdinnen waren. „Volljude“ war nach nationalsozialistischer Auffassung, wer mindestens drei jüdische Großeltern hatte. „Vierteljude“, war derjenige, unter dessen Großeltern ein Jude oder eine Jüdin war. Dabei galt nach dem Gesetz ein Großelternteil ohne weiteres als „volljüdisch“, wenn er der jüdischen Religionsgemeinschaft angehört hat. Auf der ®Wannsee-Konferenz wurde festgelegt, daß die „Halbjuden“ im Hinblick auf die ®Endlösung der Judenfrage den Juden gleichgestellt oder in bestimmten Fällen unfruchtbar gemacht werden sollten. (http://shoanet.hbi-stuttgart.de/glossar/H.htm#Halbjuden) Harlan, Veit Regisseur des antisemitischen Propagandafilmes ®Jud Süß Harlan wurde am 22.9.1899 als Sohn eines Schriftstellers in Berlin geboren und erhielt eine Schauspielausbildung bei Max Reinhardt. Nachdem er zunächst als Schauspieler und Regisseur am Berliner „Theater am Schiffbauerdamm“ gearbeitet hatte, spielte er zwischen 1919 und 1935 an verschiedenen Bühnen, u.a. am Staatstheater in Berlin (1924-1934). 1937 begann er seine Filmkarriere. Mit Filmen wie Jud Süß (1940), Der große König (1941) und Kolberg (1945) stellte er sich in den Dienst der nationalsozialistischen ®Propaganda. Besonders der perfide antisemitische Hetzfilm Jud Süß (mit Ferdinand Marian, Heinrich George, Werner Krauß, Kristina Söderbaum) gilt als folgenreichster Propagandafilm, da er u.a. ®SS-Kommandos vor deren Einsätzen gegen Juden vorgeführt wurde. Aufgrund dieses Films wurde gegen Harlan nach dem 2.Weltkrieg (®Weltkrieg) zweimal Anklage erhoben wegen ®Verbrechens gegen die Menschlichkeit (1949 und 1950). Jedoch wurde er freigesprochen, da man ihm die Verantwortung für die Endfassung des Filmes nicht eindeutig nachweisen konnte. In den fünfziger Jahren konnte er seine Regiekarriere fortsetzen. Es entstanden Filme wie Unsterbliche Geliebte (1950), Verrat an Deutschland (Der Fall Dr.Sorge), (1954), und Anders als du und ich (1957). Am 13.4.1964 starb Veit Harland auf Capri. Weitere seiner Filme sind: Der Herrscher (1937), Jugend (1938), Die Reise nach Tilsit (1938), Das unsterbliche Herz (1939), Die goldene Stadt (1942), Immensee (1943), Opfergang (1944). (http://www.veit-harlan.de/) Hauswirtschaftsjahr Einrichtung für Schulabgängerinnen, wurde unter Aufsicht des BDM zur politischen Schulung genutzt. Die „Hausjahrmädel“ wurden ausgewählten Familien zugeteilt, in den sie auf hauswirtschaftlichem Gebiet ausgebildet werden sollten und Taschengeld erhielten. Heydrich, Reinhard (1904 - 1942) SS-Obergruppenführer, Chef der Sicherheitspolizei und des SD und Stellvertretender Reichsprotektor von Böhmen und Mähren Reinhard Heydrich wurde in Halle als Sohn eines Komponisten und Konservatoriumsdirektors geboren, besuchte ein katholisches Gymnasium und wurde 1920 Freikorpskämpfer. 1922 tritt er in die Reichsmarine, wurde aber als Oberleutnant zur See 1931 wegen eines gebrochenen Eheversprechens in Unehren entlassen. Es folgte sein Eintritt in die NSDAP und die SS. Im Juli 1932 wurde er von Himmler mit dem Aufbau und der Leitung des Sicherheitsdienstes ®(SD) beauftragt. April 1933 wurde er zudem Leiter der Bayerischen Politischen Polizei, im April 1934 Chef des ®Geheimen Staatspolizeiamtes in Berlin, im Juni 1936 Chef der Sicherheitspolizei und im September 1939 Chef des ®Reichssicherheitshauptamtes (RSHA). Am 27. Mai 1942 erfolgte ein Attentat tschechischer Widerstandskämpfer auf Heydrich in Prag, an desssen Folgen er am 4. Juni 1942 verstarb.®Lidice Der radikale Antisemit Heydrich war seit 1938 eine Schlüsselfigur bei der Vertreibung und Vernichtung der Juden in Europa. Seit der Annexion Österreichs hatte sich der SD durch die Organisation der Zwangsauswanderung hervorgetan. Nach dem Novemberpogrom (®Reeichspogromnacht) 1938 ließ Heydrich 26.000 Juden in Deutschland in ®Konzentrationslagern inhaftieren. Mit Beginn des zweiten ®Weltkrieges am 1.9.1939 ordnete Heydrich die Ghettoisierung der ®Juden und die Einrichtung von Ältestenräten in allen jüdischen Gemeinden in Polen an. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion (®Vernichtungskrieg) befahl er zunächst den ®Einsatzgruppen, kommunistische Funktionäre und Juden im wehrfähigen Alter zu exekutieren. Mit seiner Weisung gingen die Einsatzgruppen bald danach zum systematischen Massenmord an der gesamten jüdischen Bevölkerung der besetzten sowjetischen Gebiete über. Ausgestattet mit einem von ®Göring unterzeichneten Ermächtigungsschreiben vom 31.7.1941 zur Durchführung der ®“Endlösung der Judenfrage“ plante Heydrich die Ermordung von 11 Millionen europäischer Juden. (http://shoanet.hbi-stuttgart.de/biogr/H.htm#Hitler,%20Adolf) Himmler, Heinrich Himmler, Heinrich (1900-1945), Reichsführer der ®SS, Chef der Polizei, Reichskommissar für die Festigung des deutschen Volkstums, und einer der Hauptverantwortlichen für den ®Holocaust. Heinrich Himmler wurde am 7. Oktober 1900 in München geboren. Dort nahm er 1923 als Mitglied eines rechtsradikalen Wehrverbandes am gescheiterten Hitler-Putsch teil. Im Jahre 1925 trat er in die NSDAP ein, war von 1926 bis 1930 stellvertretender Propagandachef und wurde im Januar 1929 zum „Reichsführer SS“ ernannt. Himmler baute die SS zu einer effizienten innerparteilichen Polizeitruppe aus. Seine oberste Maxime bei der Personalauswahl und -führung waren stets seine rassistischen Vorstellungen, die bald den Geist der SS bestimmten. 1933 wurde Himmler Polizeipräsident von München und organisierte die Politische Polizei in Bayern. Im April 1934 wurde er von Hermann Göring zum stellvertretenden Leiter der preußischen ®Gestapo ernannt, deren Leiter Reinhard ®Heydrich wurde. Himmler war maßgeblich an der Ermordung prominenter ®SA-Mitglieder nach dem so genannten Röhm-Putsch - am 30. Juni/1. Juli 1934 - beteiligt. Im Anschluss daran erreichte er, dass die SS aus der SA herausgelöst und zu einer selbständigen Organisation innerhalb der ®NSDAP wurde. Die Aufgabe der SS wurde nun u. a. die Organisation und Bewachung der seit 1933 aufgebauten ®Konzentrationslager. 1936 wurde Himmler Reichsführer SS und Chef der Polizei und konnte nun die beiden Sicherheitsapparate, den staatlichen und den der Partei, zusammenführen. Ein umfassendes Überwachungs- und ®Terrorsystem wurde somit geschaffen. 1939 wurde Himmler „Reichskommissar für die Festigung des deutschen Volkstums“ und somit verantwortlich für die „Germanisierung“ der eroberten Gebiete im Osten. Dies beinhaltete die Ansiedelung von „Volksdeutschen“ in diesen Gebieten und die Umsiedlung der ansässigen, nichtdeutschen Bevölkerung sowie für die Errichtung von Konzentrationslagern in den eroberten Gebieten, sowie den Massenmord an den europäischen ®Juden. 1943 wurde er von ®Hitler zum Innenminister und 1944, nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli, zum Oberbefehlshaber des Ersatzheeres und zum Chef der Heeresrüstung ernannt. In der Schlußphase des 2. Weltkrieges mobilisierte Himmler mit dem Volkssturm noch die letzten Reserven des deutschen Reiches. Als sich die Niederlage deutlich abzeichnete, versuchte er seine Mitschuld am Holocaust herunterzuspielen, indem er gegen Kriegsende Judentransporte ins sichere Ausland umleitete. Am 23. April 1945 nahm er mit den Alliierten Kapitulationsverhandlungen auf, wurde von Hilter jedoch deswegen am 29. April aus der Partei aussgeschlossen und aller Ämter enthoben. Kurz nach seiner Verhaftung durch die Briten beging er am 23. Mai 1945 Selbstmord, um sich seiner Bestrafung bei den ®Nürnberger Kriesgsverbrecherprozessen zu entziehen. (http://shoanet.hbi-stuttgart.de/biogr/H.htm#Hitler,%20Adolf) Hitler, Adolf Deutscher Reichskanzler (1933-1945) und Führer der NSDAP Hitlers Jugendjahre (1889-1918) Am 30.4. nahm er sich zusammen mit seiner Frau Eva Braun im Führerbunker der Reichskanzlei in Berlin das Leben. (http://shoanet.hbi-stuttgart.de/biogr/H.htm#Hitler,%20Adolf) Hitlerjugend Die Hitler-Jugend (HJ) war die 1926 gegründete Jugendorganisation der ®NSDAP. 1932 zählte die HJ etwa 100.000 Mitglieder, 1933 waren es bereits ca. 3,5 Millionen. Das Kürzel HJ bezeichnete die Organisation für die 14-18jährigen Jungen innerhalb der gesamten Hitlerjugend. Mitglieder der Hitlerjugend wurden auch „Hitlerjungen“ genannt. Von ihrer Gründung bis zur ®Machtübernahme war die Hitlerjugend eine Art Jugendabteilung der ®SA. Das Schwergewicht der Arbeit der Hitlerjugend lag vor der Machtübernahme in der Unterstützung der Parteiarbeit. Danach stellte der Reichsjugendführer Baldur von Schirach das neue Ziel für die Hitlerjugend auf. Wie die NSDAP nunmehr die einzige Partei ist, so muß die HJ die einzige Jugendorganisation sein. Die Hitlerjugend wurde umorganisiert in Jungvolk, Hitlerjugend, Bund deutscher Mädel (BDM) und Jungmädelbund. 10-14 jährige Jungen gehörten zum Jungvolk .14-18jährige Jungen zur Hitlerjugend. Das Gesetz über die Hitlerjugend (s.u.) vom 1.12 1936 bestimmte, daß die gesamte deutsche Jugend innerhalb des Reichgebietes in der Hitlerjugend zusammengefaßt werden sollte. Damit war die Hitlerjugend für die gesamte Erziehung der Jugend außerhalb von Schule und Elternhaus zuständig. Die Jugenddienstpflicht stand gleichgeordnet neben Arbeitsdienst und Wehrpflicht. Sondereinheiten: Flieger-HJ, Marine - HJ, Motor-HJ, HJ-Streifendienst: Organ der Sicherheitspolizei, das innerhalb der HJ eingesetzt wurde. Erziehungsideale der HJ Die HJ gehörte zu Adolf ®Hitlers Konzept, alle Lebensbereiche ideologisch zu kontrollieren und zu beherrschen; ihr Ziel war dementsprechend die Erziehung der Jugend im Sinne des Nationalsozialismus. Die Erziehung der Jungen wurde am Leitbild des Soldaten orientiert: Er hatte „Soldat und Träger einer Weltanschauung des Kampfes und Forderns zu sein“, wie es hieß. Ein richtiger Junge kannte unbedingten Befehl und Gehorsam, war abgehärtet, sportlich und diszipliniert, wettkampferfahren, war vom Typ des „aufbauenden, stetig einsatzbereiten und höchstleistungsfähigen schaffenden Menschen“. Man war kein „junger Spießer“, der unsportlich rauchte, amerikanische „Negermusik“ hörte, tanzen ging und mit Mädchen schmuste, und man sollte innerhalb der HJ auch keinen Standesdünkel mehr kennen, nur noch den Volksgenossen (®Volksgemeinschaft) wahrnehmen. Das Mädchenideal war nicht so eindeutig, und es wandelte sich während der NS-Zeit. Bestimmt wurde das Frauenbild durch die Rolle der „Mutter“, der Gebärenden. Zum Ziel jeder „Trägerin eines kommenden Geschlechts“ wurde es, „künftig gesunde Kinder zu haben“. Ein deutsches Mädchen sollte kein „Backfisch“ aber auch kein „Gretchen“ sein, kein Eigenleben führen, sondern in der Gemeinschaft des „gesunden, klaren, sauberen Mädeltums“. aufgehen: „Mädel, das war was kerniges, die standen im Leben. Mädchen spielen mit Puppen und sind doof.“, wie sich eine Zeitzeugin Jahrzehnte später erinnerte. Ab 1938 wurden auch Anmut und Schönheit, die „Einheit von Musik und Bewegung“ propagiert. Im selben Jahr enstand die Organisation „Glaube und Schönheit“ für die 18- bis 21jährigen. Hauswirtschaftliche Dienstpflichten sorgten jedoch dafür, daß das Mutterideal nicht vergessen wurde. Und die „Mädel“ würden bereit sein für ihre Bewährungsprobe, wie ein Schulleiter 1937 festhielt: „Sie wollen einst Frauen werden, die dem kämpferischen Mann als treue Kameradin zur Seite stehen, dabei wollen sie immer auf den Führer sehen und ihm folgen.“ HJ - Alltag Die Aufnahme in das Deutsche Jungvolk und den Jungmädelbund stellte ein feierliches Ritual dar, das, obwohl schließlich komplette Jahrgänge aufgenommen wurden, die Besonderheit der vorausgegangenen Bewährung der Kinder demonstrieren sollte. Nach einer „Musterung“ wurden die Jungen und Mädchen am 19. April, am Tag vor ‚Führers-Geburtstag“, aufgenommen; vier Jahre später, am selben Tag, wechselten sie in die Kern-HJ bzw. den BDM. Die Zehnjährigen und noch einmal die Vierzehnjährigen legten den Schwur ab: „Ich verspreche, in der Hitlerjugend allezeit meine Pflicht zu tun und Liebe und Treue zum Führer und zu unserer Fahne. So wahr mir Gott helfe!“ Zielstrebig wurde eine neue politische Führerschicht herauszubildet. Auf allen Organsiationsebenen hatten Führer und Führerinnen für die Einhaltung und Einübung des ®Führerprinzips zu sorgen. Nach der Theorie „Jugend muß durch Jugend geführt werden“, exerzierten zwölfjährige Hordenführer mit zehnjährigen Pimpfen brüllten sie zusammen und jagten sie über den Schulhof, über Wiesen und Äcker. Die kleinsten Aufsässigkeiten, die harmlosesten Mängel an der Uniform oder die geringste Verspätung wurde von ihnen mit Strafexerzieren geahndet. Dieses sinnlose und völlig überzogene Verhalten der Unterführer hatte allerdings auch seinen Zweck: Den Pimpfen wurde von Kindesbeinen an Härte und blinder Gehorsam eingedrillt. Wettkämpfe, Wettstreit und Kampf also, standen im Sport der Jungen im Mittelpunkt, bei den Mädchen Körperschulung. Die Fahrten und Lager lieferten den Jungen - wie den getrennt fahrenden und ab 1937 nicht mehr zeltenden Mädchen - unvergeßliche Erlebnisse in der Natur, beim Gesang am Lagerfeuer, auch beim Geländespiel. Aber die eigentliche Funktion dieser eindringlichen und prägenden Erlebnisse war eine andere: Das Lager war der Ort, an dem die Jugendlichen dem Gedankengut und Lebensstil des Nationalsozialismus am Unmittelbarsten ausgeliefert waren und geprägt wurden und wo am Eindringlichsten geübt wurde, nicht aus der Reihe zu tanzen. Der wöchentliche Heimabend, diente direkt und indirekt der ideologischen und politischen Ausrichtung. So hörten die Jugendlichen gemeinsam die im Rundfunk ausgestrahlte „Stunde der jungen Nation“, meist ein Hörspiel, und gestalteten den Rest des Abends gemeinsam. Hier fanden auch Werkarbeiten statt. Viele der entfalteten Aktivitäten waren ausgerichtet auf das „Wohl der Volksgemeinschaft“, besaßen sozialen Charakter: So sammelte die HJ für die NS-®Volkswohlfahrt, für das ®Winterhilfswerk später im Krieg für die Frontsoldaten. Schließlich war die HJ immer präsent bei den zahlreichen besonderen Festen und Aufmärschen während der NS-Zeit: Am Tag der Nationalen Arbeit, bei Führers Geburtstag, am HJ-Tag, am Tag der Sonnenwende im Sommer wie im Winter, am Tag der Jugend, am Jugendspielfest. Der regelmäßige „HJ-Dienst“ wurde in einem „HJ-Leistungsbuch“ festgehalten. Während des 2.®Weltkrieges wurden alle Jungen und Mädchen zu verschiedenen Hilfsdiensten herangezogen. Weil durch die Einberufung der wehrfähigen Männer viele Arbeitsplätze unbesetzt waren, übernahm die HJ sowie der BDM Aushilfstätigkeiten wie Postzustellung, Telefondienste, die Überwachung der Kinderheime usw.. Ein späterer wichtiger Aufgabenkreis war die Betreuung der ®Kinderlandverschickung (®Propaganda). Bei Beginn der Luftangriffe meldeten viele Eltern ihre Kinder freiwillig zur Evakuierung aufs Land. Sie versprachen sich Sicherheit für die Kinder und bessere Versorgung und Ernährung. Mütter, die keine Kinder zu versorgen hatten, konnten andererseits leichter zur Arbeit für die Kriegswirtschaft mobilisiert werden. Die Lager der Kinderlandverschickung wurden von der HJ betreut. Ab 1942 wurden die Jugendlichen verstärkt in das Kriegsgeschehen eingebunden. Der Erwerb des K-Scheines, der der Verkürzung der Rekrutenausbildung diente, wurde zur Pflicht. 1943 existierten bereits 143 Wehrertüchtigungslager, in denen die Hitlerjungen „geschliffen“ wurden. Seit Anfang 1943 wurden rund 40.000 Oberschüler zu den Flak- und Scheinwerferbatterien eingezogen. Ab Sommer 1943 waren es bis zu 100.000 Luftwaffenhelfer. Ab Sommer 1944 wurden außer Ober- und Mittelschülern auch berufstätige Jugendliche, Lehrlinge und Berufsfachschüler eingezogen. Als am 18. 10. 1944 die Aufstellung zum Volkssturm, der Mobilisierung der letzten Reserve, begann, wurden neben älteren Männern bis etwa 60 Jahre auch 12jährige Jungen eingezogen. Mädchen mußten die Flak bedienen. Fazit Die Mitgliedschaft in der HJ bedeutete für die Jugendlichen ständige Bewegung, immer „Dienst“, autoritären Drill und militärisches Exerzieren. Dabei kreisten die Aktivitäten um das NS-Gedankengut: Die Verherrlichung der „arischen Rasse“ ging einher mit der Verächtlichungmachung der slawischen „Untermenschen“, der „Bolschewisten“, vor allem der Juden. Das intensive Erleben der Natur half, den schwülstigen Blut- und Boden Mythos zu vertiefen. Die „Sondereinheiten der HJ“ mit ihrer vertiefenden Wehrertüchtigung dienten der direkten Kriegsvorbereitung - und führten der Wehrmacht Rekruten zu. In einem NS-Jugendbuch wurde der Besuch (1936) von Schülern bei Adolf Hitler literarisch verarbeitet: „Einen Spruch sagte er uns noch zum Schluß, der war hart, aber herrlich: „Wir sind geboren, um für Deutschland zu sterben“. Die oft als so schön empfundene Gemeinschaft der gesunden, nationalsozialistisch orientierten „Arier“ in der HJ schloß „die Anderen“ gewalttätig aus: die jüdischen Jugendlichen, die ausgegrenzt, verfolgt und schließlich ermordet wurden (®Juden), die oppositionellen Jugendlichen (®Jugendopposition), die das NS-System bekämpften, vielleicht aber auch nur bewußt anders lebten als halbstarke ®“Edelweißpiraten“ oder „Negermusik“-hörende „Swinger“ ®Swingjugend, die polizeilich verfolgt wurden, manchmal im Lager endeten und in großer Zahl ebenfalls ermordet wurden, schließlich die behinderten oder verhaltensauffälligen Jugendlichen, die in der Jugendpsychiatrie nicht geborgen waren, sondern dem NS-Behindertenmord zum Opfer ®Euthanasie fielen. Diese Jugend in der NS-Zeit und ihr Minderheiten - Schicksal gab es auch, sie war die Kehrseite der HJ-Generation. Es gibt wenig Anlaß, von Idealen in der HJ zu schwärmen, die bei genauer Betrachtung die falschen waren. (http://www.shz.de/jhdstory/archiv/folge09.html) Gesetz über die Hitlerjugend Vom 1.Dezember 1936, Reichsgesetzblatt S.1 Von der Jugend hängt die Zukunft des Deutschen Volkes ab. Die Gesamte Deutsche Jugend muß deshalb auf ihre Pflichten vorbereitet werden. Die Reichsregierung hat daher das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird. - § 1. Die gesamte deutsche Jugend innerhalb des Reichsgebietes ist in der HJ zusammengefaßt. - § 2. Die gesamte deutsche Jugend ist außer im Elternhaus und Schule in der HJ körperlich , geistig und sittlich im Geiste des Nationalsozialismus zum Dienst am Volk und zur Volksgemeinschaft zu erziehen. - § 3. Die Aufgabe der Erziehung der gesamten deutschen Jugend in der HJ wird dem Reichsjugendführer der NSDAP ( Nationalsozialistische Deutsche Arbeitspartei ) übertragen. Er ist damit Jugendführer des deutschen Reiches . Er hat die Stellung einer obersten Reichsbehörde mit dem Sitz in Berlin und ist dem Führer und Reichskanzler unmittelbar unterstellt . - § 4. Die zur Durchführung und Ergänzung dieses Gesetzes erforderlichen Reichsverordnungen und allgemeinen Verwaltungsvorschriften erläßt der Führer und Reichskanzler. Berlin , den 1. Dezember 1936 Der Führer und Reichskanzler. Der Staatsvertreter und Chef der Reichskanzlei. (http://www.shoa.de/hitlerjugend.html) Höß, Rudolf SS-Obersturmbannführer, Kommandant des Konzentrationslagers Auschwitz Rudolf Höß wurde 1900 in Baden-Baden geboren und wuchs in einem streng katholischen Elternhaus auf. Sein Vater wünschte, daß sein Sohn Priester werde. Eben fünfzehn Jahre alt meldete er sich als Kriegsfreiwilliger im Ersten Weltkrieg und kam auf den türkischen Kriegsschauplatz, wo er es 1917 zum Unteroffizier und zu mehreren Auszeichnungen brachte. Nach der Niederlage wurde er Freikorpskämpfer (®Freikorps) in Oberschlesien, im Baltikum und im Ruhrgebiet. 1923 beteiligte er sich am sogenannten Parchimer Fememord und wurde dafür zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt, doch bereits 1928 im Zuge einer Amnestie entlassen. 1934 wurde er als Mitglied der ®SS aufgenommen. Rudolf Höß kam noch im selben Jahr kam in das KZ Dachau (®Konzentrationslager), wurde dort 1935 zum Blockführer und wechselte 1938 als Adjutant in das KZ Sachsenhausen. 1940 wurde er zum Kommandanten des KZ Auschwitz ernannt, wo er, später als dienstbeflissener kleinbürgerlicher Exekutor charakterisiert, die Massenmorde der ®Endlösung verwaltungstechnisch organisierte. Am 1.Dezember 1943 übernahm Höß die Funktion als Chef des Amtes D I der Amtsgruppe D des WVHA. Am 8. Mai 1944 kehrte Höß auf Wunsch Heinrich Himmlers nach Auschwitz zurück, um die „Aktion Höß“ durchzuführen - die Vorbereitungen der Vernichtungsanlagen in Birkenau für die Tötung der ungarischen Juden. 1946 wurde er verhaftet und sagte in den ®Nürnberger Prozessen als Zeuge für Kaltenbrunner und in den Prozessen gegen Oswald Pohl und die IG-Farben aus. Er wurde im Mai desselben Jahres an Polen ausgeliefert. Im April 1947 wurde er zum Tode durch den Strang verurteilt und auf dem Lagergelände des KZ Auschwitz hingerichtet. 1958 erscheinen seine autobiographischen Aufzeichnungen unter dem Titel „Rudolf Höß - Kommandant in Auschwitz“. Höß schildert sich darin als einen mit starkem Pflichtbewußtsein aufgewachsen Menschen und bekennt sich zur „hohen Tugend des militärischen Gehorsams“. (http://www.shoa.de/p_rudolf_hoess.html) Holocaust In Israel und in der englischsprachigen Welt ist „Holocaust“ die gebräuchliche Bezeichnung für die Massenvernichtung von Juden durch das nationalsozialistische Regime im 2. Weltkrieg. Der Begriff Holocaust stammt vom griech.-lat. Wort „holocaustum“ ab und bedeutet „ganz verbrannt“, „Brandopfer“. Das Brand- oder Sühneopfer musste völlig verbrannt werden, da von diesem, z.B. bei den Israeliten, nichts gegessen werden durfte. Das Wort stammt aus der Bibel: „Und er [Gott] sprach [zu Abraham]: ‚Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du liebhast, und geh hin in das Land Morija und opfere ihn dort zum Brandopfer [Holocaust] auf einem Berge, den ich dir sagen werde.‘“ 1. Moses, 22, 2 Inzwischen ist das Wort ®„Shoa“ international üblich geworden und löst zunehmend die uneindeutige Bezeichnung „Holocaust“ ab. Die US-amerikanische Fernsehserie „Holocaust“ rief nach ihrer Ausstrahlung im Jahre 1979 eine beispiellose öffentliche Debatte über die Endlösung hervor. Seither hat sich die Bezeichnung „Holocaust“ auch in Deutschland für die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durchgesetzt. ((http://www.hco.hagen.de/history/index.html (http://www.shoa.de/) Chronologie des Nationalsozialismus und des Holocaust „Am Ende bleibt nichts als die Verzweiflung über alles und der Zweifel an allem“ H.G. Adler, Histograph des Lagers Theresienstadt http://shoanet.hbi-stuttgart.de/chronik/1933.htm http://www.zum.de/Faecher/G/BW/abbl/nationalsozialismus/zeittafel.htm Homosexuelle im Dritten Reich Der rosa Winkel war das Zeichen, mit dem Homosexuelle in den Konzentrationslagern gekennzeichnet wurden. Zwischen 1933 und 1945 wurden ungefähr 100.000 Männer wg. Homosexualität verhaftet. 1945 hatten nur ungefähr 4.000 überlebt. Die Tatsache, dass schwule Männer in Konzentrationslagern inhaftiert wurden, geht allmählich ins öffentliche Bewußtsein ein. Weniger bekannt ist die Tatsache, dass schwule Überlebende Opfer weiterer Verfolgung in der Nachkriegszeit waren, dass sie nicht als politische Gefangene anerkannt, sondern als Kriminelle eingestuft wurden, die gegen den bis 1969 gültigen Paragraphen 175 und 175a (Anklage wg. homosexueller Handlungen) verstoßen hatten. Selbstmord, Heirat oder vollständige Isolation waren häufige Reaktionen von Homosexuellen in den 50er und 60er Jahren. Bis heute ist Ausschluss und Nichtanerkennung von homosexuellen Opfern nicht nur in Deutschland , sondern auch in anderen europäischen Ländern gängige Praxis. Film zum Thema: Paragraph 175 Paragraph 175 stellt als Dokumentarfilm die persönlichen Geschichte von Männern vor, die von den Nazis verfolgt wurden. Ihre Berichte sind - oft mit Bitterkeit aber auch mit Ironie und Humor - eindrucksvolle Zeugnisse von Persönlichkeiten, die, verfolgt von ihren Erinnerungen, entschlossen waren zu überleben. Ihre gemeinsame Geschichte füllt eine entscheidende Lücke in der geschichtlichen Darstellung und ist ein Zeugnis für menschliche Anpassung im Angesicht unfassbarer Grausamkeit. A Rob Epstein / Jeffrey Friedman Film, A Telling Pictures Production, Regie und Produktion: Rob Epstein und Jeffrey Friedman (http://www.boell.de/index01.htm) Hoßbach-Niederschrift Bei der „Hoßbach-Niederschrift“ (s. u.) handelt es sich um Aufzeichnungen des Oberst Friedrich Hoßbach, die er über eine am 5. November 1937 von Hitler durchgeführte Konferenz mit hochrangigen Militärs erstellte. Danach erklärte Hitler, die „Raumnot“ des deutschen Volkes müsse in nächster Zeit durch - auch den Krieg als Mittel einschließende - expansive Schritte überwunden werden. Eine Annexion Österreichs und der Tschechoslowakei plane er bei einer außenpolitisch günstigen Lage schon für das Jahr 1938. Hoßbach verfasste seine Niederschrift nicht offiziell, von daher stellte sie auch kein Protokoll der Konferenz dar. Gegen die inhaltliche Richtigkeit der Ausführungen erhoben später im Nürnberger Prozess Beteiligte wie Göring und zwei weitere seinerzeit Anwesende gleichwohl keine Einwände. Eine 1943 von einem Oberst Graf Kirchbach erstellte Abschrift verschwand nach 1945 zunächst spurlos. 1989 fand man diese Abschrift aber in bislang nicht zugänglichen britischen Akten. Ihr Inhalt stimmte genau mit der während des Nürnberger Prozesses verwendeten Kopie überein, so dass damit jeglicher Verdacht einer Fälschung entkräftet werden konnte. Im Übrigen belegten auch nach der erwähnten Konferenz entstandene Dokumente die Richtigkeit des Inhaltes der „Hoßbach-Niederschrift“. So war etwa in dem Hitler noch im Dezember 1937 vorgelegten „1. Nachtrag zur Weisung für die einheitliche Kriegsvorbereitung der Wehrmacht vom 24.6.1937“ direkt von einem geplanten Angriffskrieg gegen die Tschechoslowakei die Rede. 5. November 1937 „Zur Lösung der deutschen Frage könne es nur den Weg der Gewalt geben ...“ Anwesend:[1] Der Führer und Reichskanzler, der Reichskriegsminister Generalfeldmarschall von Blomberg, der Oberbefehlshaber des Heeres Generaloberst Freiherr von Fritsch, der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine Generaladmiral Dr. h. c. Raeder, der Oberbefehlshaber der Luftwaffe Generaloberst Göring, der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath, Oberst Hoßbach. Der Führer stellte einleitend fest, daß der Gegenstand der heutigen Besprechung von derartiger Bedeutung sei, daß dessen Erörterung in anderen Staaten wohl vor das Forum des Regierungskabinetts gehörte, er - der Führer - sähe aber gerade im Hinblick auf die Bedeutung der Materie davon ab, diese in dem großen Kreise des Reichskabinetts zum Gegenstand der Besprechung zu machen. Seine nachfolgenden Ausführungen seien das Ergebnis eingehender Überlegungen und der Erfahrungen seiner viereinhalbjährigen Regierungszeit; er wolle den anwesenden Herren seine grundlegenden Gedanken über die Entwicklungsmöglichkeiten und -notwendigkeiten unserer außenpolitischen Lage auseinandersetzen, wobei er im Interesse einer auf weite Sicht eingestellten deutschen Politik seine Ausführungen als seine testamentarische Hinterlassenschaft für den Fall seines Ablebens anzusehen bitte. Der Führer führte sodann aus: Das Ziel der deutschen Politik sei die Sicherung und die Erhaltung der Volksmasse und deren Vermehrung. Somit handele es sich um das Problem des Raumes. Die deutsche Volksmasse verfüge über 85 Millionen Menschen, die nach der Anzahl der Menschen und der Geschlossenheit des Siedlungsraumes in Europa einen in sich so fest geschlossenen Rassekern darstelle, wie er in keinem anderen Land wieder anzutreffen sei und wie er andererseits das Anrecht auf größeren Lebensraum mehr als bei anderen Völkern in sich schlösse. Wenn kein dem deutschen Rassekern entsprechendespolitisches Ergebnis auf dem Gebiet des Raumes vorläge, so sei das eine Folge mehrhundertjähriger historischer Entwicklung und bei Fortdauer dieses politischen Zustandes die größte Gefahr für die Erhaltung des deutschen Volkstums auf seiner jetzigen Höhe. Ein Aufhalten des Rückganges des Deutschtums in Österreich und in der Tschechoslowakei sei ebenso wenig möglich als die Erhaltung des augenblicklichen Standes in Deutschland selbst. Statt Wachstum setze Sterilisation ein, in deren Folge Spannungen sozialer Art nach einer Reihe von Jahren einsetzen müßten, weil politische und weltanschauliche Ideen nur solange von Bestand seien, als sie die Grundlage zur Verwirklichung der realen Lebensansprüche eines Volkes abzugeben vermöchten. Die deutsche Zukunft sei daher ausschließlich durch die Lösung der Raumnot bedingt, eine solche Lösung könne naturgemäß nur für eine absehbare, etwa 1-3 Generationen umfassende Zeit gesucht werden. Bevor er sich der Frage der Behebung der Raumnot zuwende, sei die Überlegung anzustellen, ob im Wege der Autarkie oder einer gesteigerten Beteiligung an der Weltwirtschaft eine zukunftsreiche Lösung der deutschen Lage zu erreichen sei. Autarkie: Durchführung nur möglich bei straffer nationalsozialistischer Staatsführung, welche die Voraussetzung sei, als Resultat der Verwirklichungsmöglichkeit sei festzustellen: A. Auf dem Gebiet der Rohstoffe nur bedingte, nicht aber totale Autarkie. 1. Soweit Kohle zur Gewinnung von Rohprodukten in Betracht komme, sei Autarkie durchführbar. 2. Schon auf dem Gebiet der Erze Lage viel schwieriger. Eisenbedarf = Selbstdeckung möglich und Leichtmetall, bei anderen Rohstoffen - Kupfer, Zinn dagegen nicht. 3. Faserstoffe - Selbstdeckung, soweit Holzvorkommen reicht. Eine Dauerlösung nicht möglich. 4. Ernährungsfette möglich. B. Auf dem Gebiet der Lebensmittel sei die Frage der Autarkie mit einem glatten ‚nein‘ zu beantworten. Mit der allgemeinen Steigerung des Lebensstandards sei gegenüber den Zeiten vor 30-40 Jahren eine Steigerung des Bedarfs und ein gesteigerter Eigenkonsum auch der Produzenten, der Bauern, Hand in Hand gegangen. Die Erlöse der landwirtschaftlichen Produktionssteigerung seien in die Deckung der Bedarfssteigerung übergegangen, stellten daher keine absolute Erzeugungssteigerung dar. Eine weitere Steigerung der Produktion unter Anspannung des Bodens, der infolge der Kunstdüngung bereits Ermüdungserscheinungen aufweise, sei kaum noch möglich und daher sicher, daß selbst bei höchster Produktionssteigerung eine Beteiligung am Weltmarkt nicht zu umgehen sei. Der schon bei guten Ernten nicht unerhebliche Ansatz von Devisen zur Sicherstellung der Ernährung durch Einfuhr steigere sich bei Mißernten zu katastrophalem Ausmaß. Die Möglichkeit der Katastrophe wachse in dem Maße der Bevölkerungszunahme, wobei der Geburtenüberschuß von jährlich 560 000 auch insofern einen erhöhten Brotkonsum im Gefolge habe, da das Kind ein stärkerer Brotesser als der Erwachsenesei. Den Ernährungsschwierigkeiten durch Senkung des Lebensstandards und durch Rationalisierung auf die Dauer zu begegnen, sei in einem Erdteil annäherndgleicher Lebenshaltung unmöglich. Seitdem mit Lösung des Arbeitslosenproblems die volle Konsumkraft in Wirkung getreten sei, wären wohl noch kleine Korrekturen unserer landwirtschaftlichen Eigenproduktion, nicht aber eine tatsächliche Änderung der Ernährungsgrundlage möglich. Damit sei die Autarkie sowohl auf dem Ernährungsgebiet als auch in der Totalität hinfällig. Beteiligung an der Weltwirtschaft: Ihr seien Grenzen gezogen, die wir nicht zu beheben vermöchten. Einer sicheren Fundierung der deutschen Lage ständen die Konjunkturschwankungen entgegen, die Handelsverträge böten keine Gewähr für die praktische Durchführung. insbesondere sei grundsätzlich zu bedenken, daß seit dem Weltkrieg eine Industrialisierung gerade früherer Ernährungsausfuhrländer stattgefunden habe. Wir lebten im Zeitalter wirtschaftlicher Imperien, in welchem der Trieb zur Kolonisierung sich wieder dem Urzustand nähere; bei Japan und Italien lägen dem Ausdehnungsdrang wirtschaftliche Motive zu Grunde ebenso wie auch für Deutschland die wirtschaftliche Not den Antrieb bilden würde. Für Länder außerhalb der großen Wirtschaftsreiche sei die Möglichkeit wirtschaftlicher Expansion besonders erschwert. Der durch die Rüstungskonjunkturen verursachte Auftrieb in der Weltwirtschaft könne niemals die Grundlage zu einer wirtschaftlichen Regelung für einen längeren Zeitraum bilden, welch letzterer vor allem auch die vom Bolschewismus ausgehenden Wirtschaftszerstörungen im Wege stünden. Es sei eine ausgesprochene militärische Schwäche derjenigen Staaten, die ihre Existenz auf dem Außenhandel aufbauten. Da unser Außenhandel über die durch England beherrschten Seegebieteführe, sei es mehr eine Frage der Sicherheit des Transportesals eine solche der Devisen, woraus die große Schwäche unserer Ernährungssituation im Kriege erhelle. Die einzige, uns vielleicht traumhaft erscheinende Abhilfe läge in der Gewinnung eines größeren Lebensraumes, ein Streben, das zu allen Zeiten die Ursache der Staatenbildungen und Völkerbewegungen gewesen sei. Daß dieses Streben in Genf und bei den gesättigten Staaten keinem Interesse begegne, sei erklärlich. Wenn die Sicherheit unserer Ernährungslage im Vordergrund stände, so könne der hierfür notwendige Raum nur in Europa gesucht werden, nicht aber ausgehend von liberalistisch-kapitalistischen Auffassungen in der Ausbeutung von Kolonien. Es handele sich nicht um die Gewinnung von Menschen, sondern von landwirtschaftlich nutzbarem Raum. Auch die Rohstoffgebiete seien zweckmäßiger im unmittelbaren Anschluß an das Reich in Europa und nicht in Übersee zu suchen, wobei die Lösung sich für ein bis zwei Generationen auswirken müsse. Was darüber hinaus in späteren Zeiten notwendig werden sollte, müsse nachfolgenden Geschlechtern überlassen bleiben. Die Entwicklung großer Weltgebilde gehe nun einmal langsam vor sich, das deutsche Volk mit seinem starken Rassekern finde hierfür die günstigsten Voraussetzungen inmitten des europäischen Kontinents. Daß jede Raumerweiterung nur durch Brechen von Widerstand und unter Risiko vor sich gehen könne, habe die Geschichte aller Zeiten - Römisches Weltreich, Englisches Empire - bewiesen. Auch Rückschläge seien unvermeidbar. Weder früher noch heute habe es herrenlosen Raum gegeben, der Angreifer stoße stets auf den Besitzer. Für Deutschland laute die Frage, wo größter Gewinn unter geringstem Einsatz zu erreichen sei. Die deutsche Politik habe mit den beiden Haßgegnern England und Frankreich zu rechnen, denen ein starker deutscher Koloß inmitten Europas ein Dorn im Auge sei, wobei beide Staaten eine weitere deutsche Erstarkung sowohl in Europa als auch in Übersee ablehnten und sich in dieser Ablehnung auf die Zustimmung aller Parteien stützen könnten. In der Errichtung deutscher militärischer Stützpunkte in Übersee sähen beide Länder eine Bedrohung ihrer Überseeverbindungen, eine Sicherung des deutschen Handels und rückwirkend eine Stärkung der deutschen Position in Europa. England könne aus seinem Kolonialbesitz infolge des Widerstandes der Dominien keine Abtretungen an uns vornehmen. Nach dem durch Übergang Abessiniens in italienischen Besitz eingetretenen Prestigeverlust Englands sei mit einer Rückgabe Ostafrikas nicht zu rechnen. Das Entgegenkommen Englands werde sich bestenfalls in dem Anheimstellen äußern, unsere kolonialen Wünsche durch Wegnahme solcher Kolonien zu befriedigen, die sich z.Z. in nicht englischem Besitz befänden z. B. Angola -. In der gleichen Linie werde sich das französische Entgegenkommen bewegen. Eine ernsthafte Diskussion wegen der Rückgabe von Kolonien an uns käme nur zu einem Zeitpunkt in Betracht, in dem England sich in einer Notlage befände und das deutsche Reich stark und gerüstet sei. Die Auffassung, daß das Empire unerschütterlich sei, teile der Führer nicht. Die Widerstände gegen das Empire lägen weniger in den eroberten Ländern als bei den Konkurrenten. Das Empire und das Römische Weltreich seien hinsichtlich der Dauerhaftigkeit nicht vergleichbar; dem letzteren habe seit den punischen Kriegen kein machtpolitischer Gegner ernsthafteren Charakters gegenüber gestanden. Erst die vom Christentum ausgehende auflösende Wirkung und die sich bei jedem Staat einstellenden Alterserscheinungen hätten das alte Rom dem Ansturm der Germanen erliegen lassen. Neben dem englischen Empire ständen schon heute eine Anzahl ihm überlegener Staaten. Das englische Mutterland sei nur im Bunde mit anderen Staaten, nicht aus eigener Kraft in der Lage, seinen Kolonialbesitz zu verteidigen. Wie solle England allein z. B. Kanada gegen einen Angriff Amerikas, seine ostasiatischen Interessen gegen einen solchen Japans verteidigen! Das Herausstellen der englischen Krone als Träger des Zusammenhaltes des Empire sei bereits das Eingeständnis, daß das Weltreich machtpolitisch auf die Dauer nicht zu halten sei. Bedeutungsvolle Hinweise in dieser Richtung seien: a) Das Streben Irlands nach Selbständigkeit. b) Die Verfassungskämpfe in Indien, wo England durch seine halben Maßnahmenden Indern die Möglichkeit eröffnet habe, päterhin die Nichterfüllung der verfassungsrechtlichen Versprechungen als Kampfmittel gegen England zu benutzen. c) Die Schwächung der englischen Position in Ostasien durch Japan. d) Der Gegensatz im Mittelmeer zu Italien, welches - unter Berufung auf seine Geschichte, getrieben aus Not und geführt durch ein Genie - seine Machtstellung ausbaue und sich hierdurch in zunehmendem Maße gegen englische Interessen wenden müsse. Der Ausgang des abessinischen Krieges sei ein Prestigeverlust Englands, den Italien durch Schüren in der mohammedanischen Welt zu vergrößern bestrebt sei. In summa sei festzustellen, daß trotz aller ideeller Festigkeit das Empire machtpolitisch auf die Dauer nicht mit 45 Millionen Engländern zu halten sei.Das Verhältnis der Bevölkerungszahl des Empires zu der des Mutterlandes von 9 : 1 sei eine Warnung für uns, bei Raumerweiterungen nicht die in der eigenen Volkszahl liegende Plattform zu gering werden zu lassen. Die Stellung Frankreichs sei günstiger als die Englands. Das französische Reich sei territorial besser gelagert, die Einwohner seines Kolonialbesitzes stellten einen militärischen Machtzuwachs dar. Aber Frankreich gehe innenpolitischen Schwierigkeiten entgegen. Im Leben der Völker nehmen die parlamentarische Regierungsform etwa 10%, die autoritäre etwa 90% der Zeit ein. Immerhin seien heute in unsere politischen Berechnungen als Machtfaktoren einzusetzen: England, Frankreich, Rußland und die angrenzenden kleineren Staaten. Zur Lösung der deutschen Frage könne es nur den Weg der Gewalt geben, dieser niemals risikolos sein. Die Kämpfe Friedrichs d.Gr. um Schlesien und die Kriege Bismarcks gegen Österreich und Frankreich seien von unerhörtem Risiko gewesen und die Schnelligkeit des preußischen Handelns 1870 habe Österreich vom Eintritt in den Krieg ferngehalten. Stelle man an die Spitze der nachfolgenden Ausführungen den Entschluß zur Anwendung von Gewalt unter Risiko, dann bleibe noch die Beantwortung der Fragen ‚wann‘ und wie. Hierbei seien drei Fälle zu entscheiden: Fall 1: Zeitpunkt 1943-1945. Nach dieser Zeit sei nur noch eine Veränderung zu unseren Ungunsten zu erwarten. Die Aufrüstung der Armee, Kriegsmarine, Luftwaffe sowie die Bildung des Offizierkorps seien annähernd beendet. Die materielle Ausstattung und Bewaffnung seien modern, bei weiterem Zuwarten läge die Gefahr ihrer Veraltung vor. Besonders der Geheimhaltungsschutz der ‚Sonderwaffen‘ ließe sich nicht immer aufrecht erhalten. Die Gewinnung von Reserven beschränke sich auf die laufenden Rekrutenjahrgänge, ein Zusatz aus älteren unausgebildeten Jahrgängen sei nicht mehr verfügbar. Im Verhältnis zu der bis dahin durchgeführten Aufrüstungder Umwelt nähmen wir an relativer Stärke ab. Wenn wir bis 1943/45 nicht handelten, könne infolge des Fehlens von Reserven jedes Jahr die Ernährungskrise bringen, zu deren Behebung ausreichende Devisen nicht verfügbar seien. Hierin sei ein ‚Schwächungsmoment des Regimes‘ zu erblicken. Zudem erwarte die Welt unseren Schlag und treffe ihre Gegenmaßnahmen von Jahr zu Jahr mehr. Während die Umwelt sich abriegele, seien wir zur Offensive gezwungen. Wie die Lage in den Jahren 1943/45 tatsächlich sein würde, wisse heute niemand. Sicher sei nur, daß wir nicht länger warten können. Auf der einen Seite die große Wehrmacht mit der Notwendigkeit der Sicherstellung ihrer Unterhaltung, das Älterwerden der Bewegung und ihrer Führer, auf der anderen Seite die Aussicht auf Senkung des Lebensstandards und auf Geburteneinschränkung ließen keine andere Wahl als zu handeln. Sollte der Führer noch am Leben sein, so sei es sein unabänderlicher Entschluß, spätestens 1943/45 die deutsche Raumfrage zu lösen. Die Notwendigkeit zum Handeln vor 1943/45 käme im Fall 2 und 3 in Betracht. Fall 2: Wenn die sozialen Spannungen in Frankreich sich zu einer derartigen innenpolitischen Krise auswachsen sollten, daß durch letztere die französische Armee absorbiert und für eine Kriegsverwendung gegen Deutschland ausgeschaltet würde, sei der Zeitpunkt zum Handeln gegen die Tschechei gekommen. Fall 3: Wenn Frankreich durch einen Krieg mit einem anderen Staat so gefesselt ist, daß es gegen Deutschland nicht ‚vorgehen‘ kann. Zur Verbesserung unserer militär-politischen Lage müsse in jedem Fall einer kriegerischen Verwicklung unser 1. Ziel sein, die Tschechei und gleichzeitig Österreich niederzuwerfen, um die Flankenbedrohung eines etwaigen Vorgehens nach Westen auszuschalten. Bei einem Konflikt mit Frankreich sei wohl nicht damit zu rechnen, daß die Tschechei am gleichen Tage wie Frankreich uns den Krieg erklären würde. In dem Maße unserer Schwächung würde jedoch der Wille zur Beteiligung am Kriege in der Tschechei zunehmen, wobei ihr Eingreifen sich durch einen Angriff nach Schlesien, nach Norden oder nach Westen bemerkbar machen könne. Sei die Tschechei niedergeworfen, eine gemeinsame Grenze Deutschland-Ungarn gewonnen, so könne eher mit einem neutralen Verhalten Polens in einemdeutsch-französischen Konflikt gerechnet werden. Unsere Abmachungen mit Polen behielten nur solange Geltung als Deutschlands Stärke unerschüttert sei. bei deutschen Rückschlägen müsse ein Vorgehen Polens gegen Ostpreußen, vielleicht auch gegen Pommern und Schlesien in Rechnung gestellt werden. Bei Annahme einer Entwicklung der Situation, die zu einemplanmäßigen Vorgehen unsererseits in den Jahren 1943/45 führe, sei das Verhalten Frankreichs, Englands, Italiens, Polens, Rußlands voraussichtlich folgendermaßen zu beurteilen: An sich glaube der Führer, daß mit hoher Wahrscheinlichkeit England, voraussichtlich aber auch Frankreich die Tschechen bereits im Stillen abgeschrieben und sich damit abgefunden hätten, daß diese Frage eines Tages durch Deutschland bereinigt würde. Die Schwierigkeiten des Empire und die Aussicht in einen lang währenden europäischen Krieg erneut verwickelt zu werden, seien bestimmend für eine Nichtbeteiligung Englands an einem Kriege gegen Deutschland. Die englische Haltung werde gewiß nicht ohne Einfluß auf die Frankreichs sein. Ein Vorgehen Frankreichs ohne die englische Unterstützung und in der Voraussicht, daß seine Offensive an unseren Westbefestigungen sich festlaufe, sei wenig wahrscheinlich. Ohne die Hilfe Englands sei auch nicht mit einem Durchmarsch Frankreichs durch Belgien und Holland zu rechnen, der auch bei einem Konflikt mit Frankreich für uns außer Betracht bleiben müsse, da es in jedem Fall die Feindschaft Englands zur Folge haben müßte. Naturgemäß sei eine Abriegelung im Westen in jedem Fall während der Durchführung unseres Angriffs gegen die Tschechei und Österreich notwendig. Hierbei sei zu berücksichtigen, daß die Verteidigungsmaßnahmen der Tschechei von Jahr zu Jahr an Stärke zunähmen und daß auch eine Konsolidierung der inneren Werte der österreichischen Armee im Laufe der Jahre stattfände. Wenn auch die Besiedelung insbesondere der Tschechei keine dünne sei, so könne die Einverleibung der Tschechei und Österreichs den Gewinn von Nahrungsmitteln für 5-6 Millionen Menschen bedeuten unter Zugrundelegung, daß eine zwangsweise Emigration aus der Tschechei von zwei, aus Österreich von einer Million Menschen zur Durchführung gelange. Die Angliederung der beiden Staaten an Deutschland bedeute militär-politisch eine wesentliche Entlastung infolge kürzerer, besserer Grenzziehung, Freiwerdens von Streitkräften für andere Zwecke und der Möglichkeit der Neuaufstellung von Truppen bis in Höhe von etwa 12 Divisionen, wobei auf 1 Million Einwohner eine neue Division entfalle. Von der Seite Italiens sei[en] gegen die Beseitigung der Tschechei keine Einwendungen zu erwarten, wie dagegen seine Haltung in der österreichischen Frage zu bewerten sei, entziehe sich der heutigen Beurteilung und sei wesentlich davon abhängig, ob der Duce noch am Leben sei. Das Maß der Überraschung und der Schnelligkeit unseres Handelns sei für die Stellungnahme Polens entscheidend. Gegen ein siegreiches Deutschland wird Polen - mit Rußland im Rücken - wenig Neigung haben, in den Krieg einzutreten. Einem militärischen Eingreifen Rußlands müsse durch die Schnelligkeit unserer Operationen begegnet werden; ob ein solches überhaupt in Betracht kommen werde, sei angesichts der Haltung Japans mehr als fraglich. Trete der Fall 2 - Lahmlegung Frankreichs durch einen Bürgerkrieg - ein, so sei infolge Ausfall des gefährlichsten Gegners die Lage jederzeit zum Schlag gegen die Tschechei auszunutzen. In gewissere Nähe sähe der Führer den Fall 3 gerückt, der sich aus den derzeitigen Spannungen im Mittelmeer entwickeln könne und den er eintretendenfalls zu jedem Zeitpunkt, auch bereits im Jahre 1938, auszunutzen entschlossen sei ... Wenn Deutschland diesen Krieg zur Erledigung der tschechischen und österreichischen Frage ausnutze, so sei mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß England - im Kriege mit Italien liegend - sich nicht zu einem Vorgehen gegen Deutschland entschließen würde. Ohne die englische Unterstützung sei eine kriegerische Handlung Frankreichs gegen Deutschland nicht zu erwarten. Der Zeitpunkt unseres Angriffs auf die Tschechei und österreich müsse abhängig von dem Verlauf des italienisch-englischfranzösischen Krieges gemacht werden und läge nicht etwa gleichzeitig mit der Eröffnung der kriegerischen Handlungen dieser drei Staaten. Der Führer denke auch nicht an militärische Abmachungen mit Italien, sondern wolle in eigener Selbständigkeit und unter Ausnutzung dieser sich nur einmal bietenden günstigen Gelegenheit den Feldzug gegen die Tschechei beginnen und durchführen, wobei der Überfall auf die Tschechei ‚blitzartig schnell‘ erfolgen müsse. Feldmarschall von Blomberg und Generaloberst von Fritsch wiesen bei der Beurteilung der Lage wiederholt auf die Notwendigkeit hin, daß England und Frankreich nicht als unsere Gegner auftreten dürften, und stellten fest, daß durch den Krieg gegen Italien das französische Heer nicht in dem Umfange gebunden sei, daß es nicht noch mit Überlegenheit all unserer Westgrenze auf den Plan treten könne. Die mutmaßlich an der Alpengrenze gegenüber Italien zum Einsatz gelangenden fran- zösischen Kräfte veranschlagte Generaloberst von Fritsch auf etwa 20 Divisionen, so daß immer noch eine starke französische Überlegenheit an unserer Westgrenze bliebe, der als Aufgabe nach deutschem Denken der Einmarsch in das Rheinland zu unterstellen sei, wobei noch besonders der Vorsprung Frankreichs in der Mobilmachung in Rechnung zu stellen und zu berücksichtigen sei, daß abgesehen von dem ganz geringen Wert unseres derzeitigen Standes der Befestigungsanlagen - worauf Feldmarschall von Blomberg besonders hinwies - die für den Westen vorgesehenen vier mot[orisierten] Divisionen mehr oder weniger bewegungsunfähig seien. Hinsichtlich unserer Offensive nach Südosten machte Feldmarschall von Blomberg nachdrücklich auf die Stärke der tschechischen Befestigungen aufmerksam, deren Ausbau den Charakter einer Maginot-Linie angenommen hätte und unseren Angriff aufs Äußerste erschwere. Generaloberst von Fritsch erwähnte, daß es gerade Zweck einer durch ihn angeordneten Studie dieses Winters sei, die Möglichkeiten der Führung der Operationen gegen die Tschechei unter besonderer Berücksichtigung der Überwindung des tschechischen Festungssystems zu untersuchen; der Generaloberst brachte ferner zum Ausdruck, daß er unter den obwaltenden Verhältnissen davon absehen müsse, seinen am 10. 11. beginnenden Auslandsurlaub durchzuführen. Diese Absicht lehnte der Führer mit der Begründung ab, daß die Möglichkeit des Konfliktes noch nicht als so nahe bevorstehend anzusehen sei. Gegenüber dem Einwand des Außenministers, daß ein italienisch-englisch-französischer Konflikt noch nicht in so greifbarer Nähe sei als es der Führer anzunehmen schiene, stellte der Führer als den ihm hierfür möglich erscheinenden Zeitpunkt den Sommer 1938 hin. Zu den seitens des Feldmarschalls von Blomberg und des Generalobersten von Fritsch hinsichtlich des Verhaltens Englands und Frankreichs angestellten Überlegungen äußerte der Führer in Wiederholung seiner bisherigen Ausführungen, daß er von der Nichtbeteiligung Englands über zeugt sei und daher an eine kriegerische Aktion Frankreichs gegen Deutschland nicht glaube. Sollte der in Rede stehende Mittelmeerkonflikt zu einer allgemeinen Mobilmachung in Europa fuhren, so sei unsererseits sofort gegen die Tschechei anzutreten, sollten dagegen die am Kriege nicht beteiligten Mächte ihr Desinteressement erklären, so habe sich Deutschland diesem Verhalten zunächst anzuschließen. Generaloberst Göring hielt angesichts der Ausführungen des Führers es für geboten, an einen Abbau unseres militärischen Spanienunternehmens zu denken. Der Führer stimmt dem insoweit zu, als er den Entschluß einem geeigneten Zeitpunkt vorbehalten zu glauben solle. Der zweite Teil der Besprechungen befaßte sich mit materiellen Rüstungsfragen. Für die Richtigkeit: Oberst d. G gez. Hoßbach (http://www.ns-archiv.de/krieg/hossbach.shtml) Israel und der Holocaust http://monde-diplomatique.de/mtpl/2001/04/12./text?Tname=a0007&idx=0 Jacob, Heinrich Eduard einer der großen Schriftsteller und Enzyklopädisten des 20. Jahrhunderts Als Vater des Sachbuchs war er den Feuilletons 1964, zu seinem 75.Geburtstag, immerhin noch eine längere Meldung wert. Danach wurde es still um Heinrich Eduard Jacob, den Journalisten und Lyriker, einen ebenso akribischen Bibliographen wie heiteren Erzähler. Der „Tagesspiegel“ verzeichnete im Oktober 1967 den Tod des gebürtigen Berliners, im „Israelitischen Wochenblatt“ trauerte man um einen „bedeutenden Kulturhistoriker“. Eine Kategorie, die dem Verfasser von „Sage und Siegeszug des Kaffees“ oder „Sechstausend Jahre Brot“ sicherlich eher gerecht wird als die nüchterne Bezeichnung „Sachbuchautor“. Neben Lebensbeschreibungen von Musikern wie Johann Strauss und Joseph Haydn galt Jacobs Aufmerksamkeit Anfang der dreissiger Jahre dem Thema „Kaffee“, zu einer Zeit, da es George Orwell zufolge als unverzeihliche Sünde galt, „ein Buch nach einem Sujet zu beurteilen“. Nichtsdestotrotz wurde „Sage und Siegeszug des Kaffees“ ein großer Erfolg.. In Wien wurde Jacob 1938 als „Schundliterat“ (®Bücherverbrennung, ®Kunst und Kultur) von den Nationalsozialisten eingekerkert, nach einem Jahr KZ-Haft (®Konzentrationslager) gelang ihm die Flucht in die USA, wo er weiter an seinem literarischen Werk arbeitete. Innige Freundschaften verbanden ihn mit anderen Exilaten wie Thomas Mann, Karl Jaspers, Heinrich Marcuse, Stefan Zweig, Kurt Tucholsky und Albert Einstein, mit denen er einen ausgiebigen Briefwechsel pflegte. Als amerikanischer Staatsbürger bereiste er nach 1945 den alten Kontinent und erlebte im Nachkriegsdeutschland seine Renaissance als“Sachbuchautor“. „Blut und Zelluloid“, Jacobs Bestseller aus dem Jahre 1930, geriet derweil wie auch viele andere Werke Jacobs in Vergessenheit. Erst 1986 erschien im Oberon-Verlag eine Neuauflage des rasanten Romans, der mit Tempo und sprachlicher Eleganz die Gefahren eines neuen Mediums beschwört. Ein großer Teil des Nachlasses dieses zu unrecht in Vergessenheit geratenen Autors wird zur Zeit ausgewertet und publiziert. (http://www.heinrich-eduard-jacob.de/) Juden, Die Nach der Halacha, dem Gesetz religiöser Juden, kann als Jude nur geboren werden, wer eine jüdische Mutter hat. Bei den deutschen Nazis galt aber der paternalistische Aspekt. Die nationalsozialistische Definiton des Begriffs „Jude“ lautete: - Eine Person mit zumindest drei jüdischen Großeltern - Eine Person mit zwei jüdischen Großeltern, - die am 15.9.1935 der jüdischen Gemeinde angehört hat oder ihr zu einem späteren Zeitpunkt beigetreten ist, oder - am 15.9.1935 mit einem Dreiviertel- oder Volljuden verheiratet war oder zu einem späteren Zeitpunkt einen solchen geheiratet hat, oder - Abkömmling einer außerehelichen Beziehung mit einem Dreiviertel- oder Volljuden ist und nach dem 31.7.1936 unehelich geboren wurde. Wer zwei jüdische Großeltern hatte, wurde als ®“Mischling“ bezeichnet. Zwischen 1933 und 1945 wurden etwa 2.500 antijüdische Gesetze und Verordnungen (®Holocaust) erlassen, die die Juden zwangen, für das tägliche Überleben zu kämpfen. Die jüdische Katastrophe 1933 bis 1945 hatte gewaltige Ausmaße. Sie begann in Deutschland und erfaßte am Ende nahezu ganz Kontinentaleuropa: 5 - 6 Millionen jüdische Menschen wurden in einer geplanten Unternehmung in dem kurzen Zeitraum von nur wenigen Jahren getötet. Vor dem Beginn der nationalsozialistischen ®Judenverfolgung lebten in Deutschland mehr als eine halbe Million Juden, das waren weniger als 1 % der Gesamtbevölkerung in Deutschland. Zwischen 1933 und 1945 konnten davon 270.000 auswandern. Mehr als 200.000 wurden in die Ghettos und ®Vernichtungslager deportiert. Mindestens 165.000 wurden ermordet. Nur 15.000 deutsche Juden überlebten außerhalb der ®Konzentrationslager; die meisten von ihnen hatten nichtjüdische Partner. Sie blieben jedoch in der Regel nach dem Krieg nicht in Deutschland, sondern wanderten nach Israel, in die Vereinigten Staaten und andere Länder aus. Von den übriggebliebenen deutschen Juden lebten 1990 gerade noch 28.000 in der Bundesrepublik. Das hat sich in den letzten Jahren durch Zuwanderung von zirka 70.000 Juden aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion geändert. In einer Reihe deutscher Dörfer und Städte entstehen wieder jüdische Kulturvereine, in denen Religion und Geschichte des Judentums gepflegt werden. Juden: „Ein auserwähltes Volk“? Die jüdische Religion beansprucht universale Geltung. Der Gott Israels ist kein Stammesgott, der die anderen Völker von sich weist, sondern offenbart sich einem Volk als Träger seines Lichts in der Welt. Will man ein Bild zur Verdeutlichung wählen, so ist das Volk Israel der Kern, um den das Fruchtfleisch der Völker wächst. Gott ist einzig (griech. Monotheismus = Glaube an einen Gott), unsichtbar, gestaltlos und verkörpert weder den Lauf der Natur, noch wohnt er ihren Elementen inne. Das Judentum ist die älteste monotheistische Religion. Die religions- und glaubensgeschichtliche Bedeutung des Judentums ist außerordentlich groß. Das Judentum ist die Mutterreligion des Christentums und des Islams. Die Juden sehen sich aufgrund ihrer historischen Entwicklung als ein von Gott auserwähltes Volk. So feiern sie zum Beispiel den Sabbat, um den siebenten Tag, als Gott sich nach seiner sechstägigen Schöpfung ausruhte, zu verehren. „Der Schöpfung große Gotteswoche ging zur Neige. An sechs Tagen hatte der Ewige die Wunder seiner Allmacht über den Erdball gestreut; nun, da das Morgenrot des Siebenten Tages vom Himmel leuchtete, ruhte sich unser Vater von jeglichem Werke. Er heiligte diesen Tag und segnete ihn und setzte ihn ein zum ewigen Gedächtnis der Gottesruhe nach der Gottesarbeit. Ehre den Sabbat! Denn Gott hat ihn gemacht zum Tage des Herrn.“ Aus diesen Worten wird das Verhältnis der Juden zu Gott und den anderen Religionen klar sichtbar. Diese Konzeption trug einzigartigen Charakter in der Antike. Die Völker des Mittelmeerraumes bewegten sich in religiösen Vorstellungen der Vielgötterei (griech.: Polytheismus). Bildliche Darstellungen irdischer Wesen genossen zum Beispiel bei den Griechen göttliche Ehren. Immer wieder gefährdeten Fruchtbarkeitsmythen die israelitische Religion. Der Monotheismus gab durch die strenge Ablehnung der Götterwelt der anderen Völker Anstoß zum Ärgernis. Besonders in der Epoche des Hellenismus erregten die Juden den Verdacht, dass sie die Kultur anderer Völker verachten. Die These vom „auserwählten Volk“ lässt manche Missdeutung zu. Sie ist primär theologisch zu verstehen und bedeutet für den Gläubigen keine Bevorzugung gegenüber anderen Menschen. Es ist vielmehr eine Verpflichtung zu strengem, gottgewolltem Handeln, eher eine Erschwernis , denn ein Privileg im weltlichen Sinne. http://schule.judentum.de/projekt/auserwahltes%20volk.htm Judenhäuser Mit Gesetz vom 30.4. 39 wurde die Möglichkeit geschaffen, jüdische Mieter unter Aufhebung des Mieterschutzes zwangsweise in Häuser jüdischer Besitzer einzuweisen. Damit wollte man weiteren Druck auf die Juden ausüben, sie zur besseren Überwachung konzentrieren und Wohnraum für „Deutschblütige“ schaffen. http://shoanet.hbi-stuttgart.de/glossar/Ij.htm#Judenhaeuser Judenstern Seit 23.11.1939 mußten alle über 6 Jahre alten Juden im deutsch besetzten Polen und vom 2.9.1941 an auch die im Deutschen Reich als Erkennungszeichen einen gelben , aus zwei schwarzumrandeten Dreiecken bestehenden Stern auf der linken Brustseite tragen. Mit diesem Judenstern knüpften die NS-Behörden an die mittelalterliche Kennzeichnungspflicht für Juden an, wobei als Zeichen absichtlich das nationale und religiöse Symbol des Judentums, das Hexagramm des Davidsterns, gewählt wurde. Er mußte nach Weisung des ®Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) vom 13.3.42 auch die Wohnungstüren jüdischer Besitzer oder Mieter markieren. Pässe von Juden trugen als Merkmal bereits seit 1938 das große „J“ und die Zwangsvornamen „Israel“ oder „Sara“. (http://www.museenkoeln.de/ns-dok/projekte/p01/texte/ju_stern.htm) Der Stern Ich frage mich heute wieder, was ich mich, was ich die verschiedensten anderen schon hunderte von Malen gefragt habe: welches war der schwerste Tag der Juden in den zwölf Höllenjahren? Nie habe ich von mir, nie von anderen eine andere Antwort erhalten als diese: der 19. September 1941. Von da an war der Judenstern zu tragen, der sechszackige Davidsstern, der Lappen in der gelben Farbe, die heute noch Pest und Quarantäne bedeutet, und die im Mittelalter die Kennfarbe der Juden war, die Farbe des Neides und der ins Blut getretenen Galle, die Farbe des zu meidenden Bösen; der gelbe Lappen mit dem schwarzen Aufdruck: „Jude“, das Wort umrahmt von den Linien der ineinander geschobenen beiden Dreiecke, das Wort aus dicken Blockbuchstaben gebildet, die in ihrer Isoliertheit und in der breiten Überbetontheit ihrer Horizontalen hebräische Schriftzeichen vortäuschen. Die Beschreibung ist zu lang? Aber nein, im Gegenteil! mir fehlt nur die Kunst zu genauerer eindringlicherer Beschreibung. Wie oft, wenn ein neuer Stern auf ein neues (vielmehr alt aus der jüdischen Kleiderkammer erworbenes) Stück, eine Jacke oder einen Arbeitsmantel anzunähen war, wie oft habe ich den Lappen unter der Lupe betrachtet, die Einzelparzellen des gelben Gewebes, die Ungleichheiten des schwarzen Aufdrucks - und all diese Einzelfelder hätten nicht ausgereicht, hätte ich an jedes eine der erlebten Sterntorturen knüpfen wollen. Ein bieder und gutmütig aussehender Mann kommt mir entgegen, einen kleinen Jungen sorgsam an der Hand führend. Einen Schritt vor mir bleibt er stehen: „Sieh dir den an, Horstl - der ist an allem schuld!“ ... Ein weißbärtiger, gepflegter Herr überquert die Straße, grüßt tief, reicht mir die Hand: „Sie kennen mich nicht, ich muß Ihnen nur sagen, daß ich diese Methoden verurteile.“ ... Ich will auf die Trambahn steigen, ich darf nur den Vorderperron benutzen, und nur wenn ich zur Fabrik fahre, und nur wenn die Fabrik mehr als sechs Kilometer von meiner Wohnung entfernt ist, und nur wenn der Vorderperron fest abgetrennt ist vom Inneren des Wagens; ich will aufsteigen, es ist spät, und wenn ich nicht pünktlich zur Arbeit erscheine, kann der Meister mich der Gestapo melden. Jemand zerrt mich von hinten zurück: „Lauf doch zu Fuß, ist dir viel gesünder!“ Ein SS-Offizier, grinsend, gar nicht brutal, macht sich bloß einen Spaß, so wie man einen Hund ein bißchen neckt . . . Ein Möbelträger, der mich von zwei Umzügen her kennt - gute Leute alle, riechen sehr nach KPD -, steht in der Freiberger Straße plötzlich vor mir und packt meine Hand mit seinen beiden Tatzen und flüstert, daß man es über den Fahrdamm weg hören muß: „Nu, Herr Professor, lassen Sie bloß den Kopf nicht hängen‘. Nächstens haben sie doch abgewirtschaftet, die verfluchten Brüder!“ Es soll ein Trost sein, es ist auch eine Herzwärmung; aber wenn es drüben der richtige Mann hört, dann kostet es meinen Tröster Gefängnis, und mich via Auschwitz das Leben ... Ein Auto bremst im Vorbeifahren auf leerer Straße, ein fremder Kopf beugt sich heraus: „Lebst du immer noch, du verdammtes Schwein? Totfahren sollte man dich, über den Bauch! . . .“ Nein, alle Einzelfelder reichen nicht aus, die Bitterkeiten des Judensterns zu notieren. Am Georgplatz stand eine Gutzkow-Statuette in der Griinanlage, jetzt ist nur noch der Sockel in dem zerfurchten Erdstreifen vorhanden; zu dieser Büste hatte ich ein besonderes Freundschaftsverhältnis. ... Aber nicht an die „Ritter vom Geist“ denke ich zuerst, wenn ich die Gutzkowbüste passiere. Sondern an den „Uriei Akosta“, den ich als Sechzehnjähriger bei Kroll sah. ... Mich ... erschütterte es, und ein Satz daraus hat mich durchs Leben begleitet, aber wirklich in mein eigenes Leben eingegangen ist er erst an jenem 19. September. Er lautet: „Ins Allgemeine möcht‘ ich gerne tauchen und mit dem großen Strom des Lebens gehn!“ Gewiß, vom Allgemeinen abgeschnitten war ich schon seit 1933, und auch ganz Deutschland war seitdem davon abgeschnitten; aber trotzdem: sobald ich die Wohnung hinter mir hatte und die Straße, in der man mich kannte, war es doch ein Untertauchen im großen allgemeinen Strom, ein angstvolles zwar, denn in jedem Augenblick konnte mich ja ein Böswilliger erkennen und belästigen, doch immerhin ein Untertauchen; nun aber war ich in jedem Augenblick für jeden kenntlich und durch die Kennzeichnung isoliert und vogelfrei; denn die Begründung der Maßnahme hieß, die Juden müßten abgesondert werden, da sich ihre Grausamkeit in Rußland erwiesen habe. Jetzt erst war die Gettoisierung eine vollkommene; vorher tauchte das Wort Getto nur auf, wo auf Briefstempeln etwa „Getto Litzmannstadt“ zu lesen stand, es war dem eroberten Ausland vorbehalten. In Deutschland gab es einzelne Judenhäuser, in die man die Juden zusammendrängte, und die man bisweilen auch mit der Außenanschrift „Judenhaus“ versah. Aber diese Häuser lagen inmitten arischer Wohnviertel, und auch selber waren sie nicht ausschließlich von Juden bewohnt; weswegen man denn an anderen gelegentlich die Mitteilung lesen konnte: „Dies Haus ist judenrein.“ Der Satz blieb dick und schwarz an manchen Mauern haften, bis .sie selber im Bombenkrieg zuschanden gingen, während die Schilder „rein arisches Geschäft“ und die feindseligen Schaufensterbemalungen „Judengeschäft!“ genau so wie das Verbum „arisieren“ und die beschwörenden Worte an der Ladentür: ,;Völlig arisiertes Unternehmen!“ sehr bald verschwanden, weil es keine Judengeschäfte mehr gab, und gar nichts mehr zu arisieren. Jetzt da der Judenstern eingeführt war, tat es nichts mehr zur Sache, ob die Judenhäuser zerstreut lagen oder ein eignes Viertel bildeten, denn jeder Sternjude trug sein Getto mit sich, wie eine Schnecke ihr Haus. Und es war auch. gleichgültig, ob in seinem Hause nur Juden oder auch Arier lebten, denn über seinem Namen wußte der Stern an der Tür kleben. War seine Frau arisch, so hatte sie ihren Namen abseits vom Stern anzuschlagen und das Wort „arisch“ dahinterzusetzen. Und bald tauchten auch da und dort noch andere Zettel an den Korridortüren auf, medusenhafte Zettel: „Hier wohnte der Jude Weil.“ Dann wußte die Briefträgerin, daß sie sich nicht mehr um seine neue Adresse zu bemühen brauchte; der Absender erhielt sein Schreiben zurück mit dem euphemistischen Vermerk: „Adressat abgewandert.“ So daß also „abgewandert“ in grausamer Sonderbedeutung durchaus ins Lexikon der LTI gehört, in die Judensparte. Diese Sparte ist reich an amtlichen Ausdrücken und Wendungen, die allen Betroffenen geläufig waren und ständig in ihren Unterhaltungen auftraten. Das begann natürlich mit „nicht-arisch“ und „arisieren“, dann gab es die „Nürnberger Gesetze zur Reinhaltung des deutschen Blutes“, dann waren ‚da „Volljuden“ und „Halbjuden“ und „Mischlinge ersten Grades“ und anderer Grade und „Judenstämmlinge“. Und vor allem: es gab „Privilegierte“. ... Wiederholt und mit geringen Varianten finde ich in meinem Tagebuch Sätze wie diese: „Alle bösen Eigenschaften der Leute treten hier zutage, man könnte zum Antisemiten werden!“ Vom zweiten Judenhaus an aber - ich habe drei kennengelernt - fehlt solchen Ausbrüchen nie der Zusatz: „Gut, daß ich nun Dwingers ,Hinter Stacheldraht‘ gelesen habe. Was da im sibirischen Compound des ersten Weltkrieges zusammengepfercht ist, hat nichts mit Judentum zu tun, ist reinrassig arisches Volk, ist deutsche Mannschaft, ist deutsches Offizierskorps, und doch geht es in diesem Compound eigentlich genau so zu wie in unseren Judenhäusern. Es ist nicht die Rasse, es ist nicht die Religion, es ist die Pferchung und die Versklavung...“ Das schlimmste Wort der Judensparte meines Lexikons bleibt der Stern. Manchmal betrachtet man ihn mit Galgenhumor: ich trage den Pour le Semite ist ein verbreiteter Witz; manchmal behauptet man, nicht nur vor anderen sondern auch vor sich selber, , man sei stolz auf ihn; erst ganz zuletzt setzt man Hoffnungen auf ihn: er wird unser Alibi sein! Aber die längste Zeit hindurch leuchtet doch sein grelles Gelb durch alle qualvollsten Gedanken. Und am giftigsten phosphoresziert der „verdeckte Stern“. Der Stern, lautet die Gestapovorschrift, muß unverdeckt an der Herzseite getragen werden, auf dem Jackett, auf dem Straßenmantel, auf dem Arbeitsmantel, er muß an jedem Ort getragen werden, wo die Möglichkeit eines Zusammentreffens mit Ariern besteht. Wenn du an schwülen Märztagen den Mantel geöffnet hast, so daß die Rockklappe über die Herzseite zurückgeschlagen ist, wenn du eine Aktenmappe unter den linken Arm geklemmt hältst, wenn du als Frau einen Muff trägst, dann ist dein Stern verdeckt, vielleicht absichtslos und auf Sekunden, vielleicht auch absichtlich, um einmal ohne Brandmal durch die Straßen zu gehen. Ein Gestapobeamter nimmt immer die Absicht des Verdeckens an, und darauf steht das KZ. Und wenn ein Gestapobeamter Pflichteifer beweisen will, und du läufst ihm gerade über den Weg, dann mag der Arm mit der Aktenmappe oder dem Muff bis zum Knie herabhängen, dann kann der Mantel noch so ordentlich zugeknöpft sein: dann hat der Jude Lesser oder die Jüdin Winterstein „den Stern verdeckt“, und spätestens ein Vierteljahr nachher liegt der Gemeinde ein ordnungsmäßiger Totenschein aus Ravensbrück oder Auschwitz vor. Darauf ist die Todesursache präzis und sogar abwechslungsreich oder individuell angegeben; sie heißt umschichtig „Insuffizienz des Herzmuskels“ und „bei Fluchtversuch erschossen“. Aber die wahre Todesursache ist der verdeckte Stern. (Quelle: Victor Klemperer: LTI, Notizbuch eines Philologen, Aufbau – Verlag Berlin, 1947) Judenvernichtung 1. Planmäßige Isolierung der Juden Es gab ca. 2.500 Verordnungen und Verbote die Juden betrafen und das Ziel hatten, sie als Feinde zu stigmatisieren und zu vernichten. Außer den „Nürnberger Gesetzen“ von 1935, wurden diese, die Juden betreffenden Maßnahmen, allgemein nicht bekannt gemacht. Auf diese Weise bekam die Öffentlichkeit kaum mit, wie die Lebensmöglichkeiten der jüdischen Mitbürger immer mehr eingeschränkt wurden. Selbst Juden, die wissen wollten, was sie denn nun schon wieder nicht mehr durften, mußten sich bei einer Zentralstelle, der früheren jüdischen Gemeinde, erkundigen. Die meisten erfuhren allerdings nur indirekt und auf vielen Umwegen von jenen „Maßnahmen“, die ihr Schicksal bestimmten. „Unkenntnis war dennoch keine Entschuldigung“, schrieb ein „Betroffener“, „denn der geringste Verstoß, auch gegen die lächerlichste Verordnung, und war es nur gegen eine Verkehrsvorschrift, hatte die alsbaldige Verhaftung durch die Gestapo zur Folge . . .“ Isolierung, Stigmatisierung, Ermordung - Juden mußten einen „Zusatznamen“ in ihren mit „J“ gekennzeichneten Paß eintragen lassen; die Frauen hießen künftig zusätzlich „Sara“, die Männer „Israel“. ... „Und wenn es einem jüdischen Ehepaar trotz aller Bedrängnis dennoch einfallen sollte, ein Kind in die Welt zu setzen, so dürfen sie ihrem Wurf – ich höre noch, wie der Spucker eine feine alte Dame anbrüllte: „Dein Wurf ist uns entkommen, du Judensau, dafür wollen wir dich fertigmachen!“, und sie machten sie dann auch fertig, am nächsten Morgen ist sie aus ihrem Veronalschlaf nicht mehr aufgewacht -, so dürfen die Eltern ihrer Nachkommenschaft keinen irreführenden deutschen Vornamen geben; die nationalsozialistische Regierung stellt ihnen eine ganze Reihe jüdischer Vornamen zur Auswahl. Seltsam sehen sie aus, die wenigsten unter ihnen haben die volle Würde des Alttestamentarischen. In seinen Studien aus „Halbasien“ erzählt Karl Emil Franzos, wie die galizischen Juden im 18. Jahrhundert zu ihren Namen gekommen sind. Es war eine Maßnahme Josephs II. im Sinne der Aufklärung und Humanität; aber viele Juden sträubten sich aus orthodoxer Abneigung, und höhnische Subalternbeamte zwangen dann den Widerspenstigen lächerlich machende und peinliche Familiennamen auf. Der Hohn, der damals gegen die Absicht des Gesetzgebers wirksam wurde, ist von der nazistischen Regierung absichtlich in Rechnung gestellt worden; sie wollte die Juden nicht bloß absondern, sondern auch „diffamieren“. Als Mittel hierfür bot sich ihr der Jargon dar, der den Deutschen seinen Wortformen nach als eine Verzerrung der deutschen Sprache erscheint, und der ihnen rauh und häßlich klingt. Daß sich gerade im Jargon die durch Jahrhunderte bewahrte Anhänglichkeit der Juden an Deutschland ausdrückt, und daß ihre Aussprache sich weitgehend mit der eines Walter von der Vogelweide und Wolfram von Eschenbach deckt, das weiß natürlich nur der Germanist von Metier, und ich möchte den Professor der Germanistik kennen, der während der Nazizeit in seinem Seminar darauf aufmerksam gemacht hätte! So also kamen auf die Liste der den Juden überlassenen Vornamen die dem deutschen Ohr teils peinlich, teils lächerlich tönenden jiddischen Koseformen, die Vögele, Mendele usw.“ (Quelle: Victor Klemperer: LTI, Notizbuch eines Philologen, Aufbau – Verlag Berlin, 1947) - Ab dem 19.9.1941 war der ®Judenstern zu tragen. - Ihre Kinder durften nur noch jüdische Schulen besuchen. - Der Besuch von Theateraufführungen, Konzerten, Vorträgen und Kinos war Juden verboten, das Betreten von Bibliotheken untersagt. - Parks sowie alle öffentlichen Anlagen und bestimmte Sperrgebiete, wie z.B. das Regierungsviertel, durften von Juden nicht mehr betreten werden. - Juden war es untersagt, Zeitungen zu abonnieren oder am Kiosk zu kaufen, jüdische Zeitungen und Zeitschriften waren verboten. - Sie durften weder Autos noch Fahrräder besitzen. - Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, wie Bus oder Straßenbahn, war ihnen in der Regel verboten. - Sie durften sich nicht mehr beim Friseur die Haare schneiden lassen; keine Wäschereien benutzen. - Ihre Telefonanschlüsse wurden abgeschaltet; öffentliche Telefonzellen durften sie nicht betreten. - Juden mußten in der Rüstungsindustrie Schwerstarbeit leisten oder andere niedrige „Hofarbeit“ verrichten. - Einkaufen durften sie nur in wenigen, besonders gekennzeichneten Geschäften. - An Nahrungsmitteln standen ihnen schließlich nur noch 2 1/2 kg Kartoffeln und 1 kg Kohlrüben pro Person und Woche zu. - Ihren Wohnsitz durften Juden nicht wechseln. - Ihre Wohnungstür mußten sie durch einen Davidsstern markieren. - Für Juden galt eine allgemeine Ausgangssperre: Zwischen Sommers 21 Uhr, Winters 20 Uhr und 5 Uhr morgens durften sie ihre Wohnung nicht verlassen. - Mieterschutz gab es für sie nicht. - Gegebenenfalls mußten sie ihre Wohnung für bombengeschädigte Volksgenossen zur Verfügung stellen und zu anderen Juden ziehen. - Mit Gesetz vom 30.4. 39 wurde die Möglichkeit geschaffen, jüdische Mieter unter Aufhebung des Mieterschutzes zwangsweise in Häuser jüdischer Besitzer einzuweisen. Damit wollte man weiteren Druck auf die Juden ausüben, sie zur besseren Überwachung konzentrieren und Wohnraum für „Arier“ schaffen. - Anspruch auf ein eigenes Zimmer hatten sie nicht. - Juden durften kein Radio besitzen. - Elektrische Apparate, wie Kochplatten, Tauchsieder, Bügeleisen, mußten abgeliefert werden; ebenfalls Fotoapparate und Feldstecher; schließlich auch Woll- und Pelzkleidung. (Quelle: Krakauer, Max, Lichter im Dunkel. Flucht und Rettung eines jüdischen Ehepaares im Dritten Reich, Quell Verlag, Stuttgart 1975, S. 20.) 2. Vernichtung Beim Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozeß gaben enge Mitarbeiter Adolf ®Eichmanns, des für die Deportation der Juden aus ganz Europa in die ®Vernichtungslager zu ständigen Mannes im Berliner ®“Reichssicherheitshauptamt“, zu Protokoll, die Zahl der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus betrage zwischen 5 und 6 Millionen. Forschungen der Historiker und Ermittlungsergebnisse der Juristen aus zahlreichen Prozessen wegen nationalsozialistischer Gewaltverbrechen haben diese Größenordnung des Völkermordes bestätigt. Freilich ist es nicht möglich, eine absolute Zahl mit mathematischer Exaktheit anzugeben. Diese Tatsache benutzen Rechtsextreme und Neonazis seit Jahrzehnten dazu, die Dimension des Holocaust zu verharmlosen, zu verkleinern oder ganz zu leugnen. Tatsächlich liegt das Problem unter anderem darin, daß ein großer Teil der Ermordeten nicht namentlich registriert wurde; das gilt sowohl für die Massaker der ®“Einsatzgruppen“ auf dem Territorium der Sowjetunion (®Babi Jar) als auch für den Massenmord durch Giftgas in den ®Vernichtungslagern Auschwitz, Treblinka, Maidanek, Chelmno usw., ebenso für die Pogrome an rumänischen Juden, denen wie den Massenerschießungen in Serbien Menschen in der Größenordnung von Hunderttausenden zum Opfer fielen. Trotz der teilweise schlechten Quellenlage hat die historische Forschung anhand der Korrespondenz und Berichterstattung der ®SS selbst, mit Hilfe von Deportationslisten und Zeugenberichten zweifelsfreie Beweise erbracht, denen zufolge die Zahl der jüdischen Opfer der nationalsozialistischen Herrschaft weit über 5 Millionen liegt. Rechnet man die in Ghettos und Lagern aufgrund der Verhältnisse (Hunger, sanitäre Zustände, Entbehrung, Verzweiflung usw.) ums Leben Gekommenen, die Selbstmorde, die an den Folgen nach der Befreiung Umgekommenen dazu, so überschreitet die Zahl der Holocaust-Opfer mit Sicherheit die 6-Millionen-Grenze. Gesicherte Minimalzahlen für die einzelnen Länder unter nationalsozialistischer Herrschaft nach neuesten Forschungsergebnissen des Instituts für Zeitgeschichte: - Deutsches Reich 165.000 - Österreich 65.000 - Frankreich und Belgien 32.000 - Niederlande 102.000 - Luxemburg 1200 - Italien 7.600 - Griechenland 60.000 - Jugoslawien 55.000 bis 60.000 - Tschechoslowakei 143.000 - Bulgarien 11000 - Albanien 600 - Norwegen 735 - Dänemark 50 - Ungarn 502.000 - Rumänien 211.000 - Polen 2.700.000 - Sowjetunion 2.100.000 - 2.200.000 ®Holocaust http://www.comlink.de/cl-hh/m.blumentritt/agr257.htm Statistik der Vernichtung Der Korherr-Bericht (Kurzfassung - 19.4.1943: Korherr-Bericht, Kurze Fassung (6 1/2 Seiten)) [Stempel: Geheime Reichssache] DIE ENDLÖSUNG DER EUROPÄISCHEN JUDENFRAGE Statistischer Bericht Notwendige Vorbemerkung. Judenstatistiken sind immer mit Vorbehalt aufzunehmen, da bei der zahlenmäßigen Erfassung des Judentums stets mit besonderen Fehlern zu rechnen ist. Fehlerquellen liegen u.a. in Wesen und Entwicklung des Judentums, seiner Abgrenzung, seiner mehrtausendjährigen ruhelosen Wanderschaft, den zahllosen Aufnahmen und Austritten, den Angleichungsbestrebungen, der Vermischung mit den Wirtsvölkern, vor allem aber im Bemühen der Juden, sich der Erfassung zu entziehen. Schließlich hat die Statistik teils als Notbehelf, teils wegen der weitgehenden Übereinstimmung zwischen jüdischer Rasse und jüdischem Glauben, teils im konfessionellen Denken des letzten Jahrhunderts befangen, bis zuletzt die Juden nicht nach ihrer Rasse, sondern nach ihrem religiösen Bekenntnis erfasst. Die Erfassung der Juden nach der Rasse gestaltet sich auch -vor allem durch die äußerliche Verkleinerung des Judentums infolge Austritt, Übertritt, weiter zurückliegender rassischer Vermischung und durch Tarnung- sehr schwierig, wie die mißlungene Erfassung der Rassejuden in Österreich 1923 und die Erhebung der Voll-, Halb- und Vierteljuden bei der deutschen Volkszählung 1939 zeigen. Jüdische Bestandszahlen sind im allgemeinen nur als Mindestzahlen zu werten, wobei der Fehler mit geringerem jüdischem Blutanteil immer größer wird. Fast unüberwindliche Schwierigkeiten bereitet die Erstellung einer einigermaßen zuverlässigen Statistik über Bestand und Bewegung des Judentums in den gesamten Ostgebieten seit Beginn des zweiten Weltkrieges, der unkontrollierbare Massen von Juden in Bewegung gebracht hat. BILANZ DES JUDENTUMS W e l t . Die Gesamtzahl der Juden auf der Erde schätzte man im letzten Jahrzehnt auf 15 bis 18 Millionen, zuweilen auch auf weit über 20 Millionen. Das Statistische Reichsamt gab für das Jahr 1937 die Zahl mit 17 Millionen an. E u r o p a . Davon leben um 1937 etwa 10,3 Millionen(60 vH) in Europa und 5,1 Millionen(30 vH) in Amerika. Um 1880 hatte der europäische Anteil noch 88 vH, der amerikanische erst gut 3 vH betragen. In Europa häufen bzw. häuften sich die Juden vor allem in den nunmehr von Deutschland besetzten früheren polnisch-russischen und baltischen Gebieten zwischen Ostsee und Finnischem Meerbusen und dem Schwarzen und Asowschen Meer, daneben in den Handelsmittelpunkten Mittel- und Westeuropas, im Rheingebiet und an den Küsten des Mittelmeers. D e u t s c h l a n d . Die Judenbilanz des Reiches ist an die verschiedenen großen Zeiträume seit der jeweiligen Machtübernahme in seinen Teilgebieten gebunden. Erst von diesen Zeitpunkten an beginnt das Abfluten der Juden in großem Stil. Vorher gab es in manchen Gebieten sogar eine Zunahme der Juden als Folge des Abflusses aus Gebieten, die zum Reiche kamen. Zu den Zahlen vor der jeweiligen Machtübernahme ist ergänzend zu bemerken, dass sie z.T. ineinanderfließen. So strömte der Großteil der 30 000 Juden des Sudetenlandes (27 000 Glaubensjuden) vor der Vereinigung mit dem Reich ohne Überschreitung einer Staatsgrenze und ohne Vermögensverluste rasch ins Protektorat ab, ist also in den Zahlen für Böhmen und Mähren von 1939 zu einem Teil wieder enthalten. Das Sudetenland zählte am 17.5.1939 nur mehr 2 649 Juden. Für die Zeit kurz vor dem zweiten Weltkrieg läßt sich die Zahl der Juden im Reichsgebiet mit Protektorat und Generalgouvernement für einen festen Zeitpunkt angeben bzw. abschätzen. Sie beträgt um den 17.5.1939 in Altreich und Ostmark hatten bis zum Kriege weit über die Hälfte ihres - zivilisierten und sterilen – Judenbestandes bereits abgegeben, vor allem durch Auswanderung, während im Osten der Zusammenbruch der für die Zukunft gefährlichen fruchtbaren Judenmassen überwiegend erst im Kriege und besonders seit den Evakuierungsmaßnahmen von 1942 deutlich wird. Das Judentum hat sich damit von 1933 bis 1943 innerhalb des erweiterten Reichsgebietes, also im zeitlich-räumlichen Bereich der nationalsozialistischen Staatsführung, um rund 3,1 Millionen Köpfe vermindert. Im Altreich sank der Bestand auf fast 1/12, in der Ostmark gar 1/27, im Generalgouvernement und in Böhmen und Mähren auf etwa 1/7, in den Ostgebieten auf 1/3 bis 1/4. Auswanderung, Sterbeüberschuß und Evakuierung. Dieser Rückgang ist das Ergebnis des Zusammenwirkens von Auswanderung, Sterbeüberschuß und Evakuierung, wozu noch geringfügige sonstige Veränderungen kommen (z.B. genehmigte Austritte, Anerkennung als Mischling I.Grades, Neuerfassung, Karteibereinigung), worüber die folgende Tabelle Aufschluß gibt: Die Bilanz für Altreich, Ostmark und Böhmen und Mähren zusammen sieht folgendermaßen aus: Anfangsbestand der Juden bei jeweiliger Machtübernahme: 929 000 Veränderungen durch: Auswanderung - 557 357 Sterbeüberschuß - 82 776 Evakuierung - 217 748 Neuerfassung usw. + 3 860 854 021 Bestand am 31.12.1942 74 979 Der außerordentliche Sterbeüberschuß der Juden z.B. im Altreich ist infolge der anormalen Überalterung und Lebensschwäche des Judentums ebenso auf Geburtenarmut wie auf hohe Sterblichkeit zurückzuführen: im 1. Viertel 1943 zählte man 22 Geburten, 1.113 Sterbefälle. Die Zahlen über Auswanderung und Sterbeüberschuß(Kriegswirren!) der Ostgebiete und des Generalgouvernement sind nicht nachprüfbar. Sie sind das berechnete Ergebnis aus Anfangs- und Endbestand und Evakuierungen der Juden. Vom 1.1.1943 bis 31.3.1943 fand aus dem Reichsgebiet mit Böhmen und Mähren, neuen Ostgebieten und Bezirk Bialystok wieder die Evakuierung von 113.015 Juden nach dem Osten statt, ebenso die Wohnsitzverlegung von 8.025 Juden ins Altersghetto Theresienstadt. Die Judenzahl in Deutschland, namentlich in den Ostgebieten, wurde dadurch neuerdings stark herabgesetzt. Mischehen. Die Zahl der Juden im Reichsgebiet enthält am 31. Dezember 1932 einen nicht geringen Teil von Juden in Mischehen: Die Judenzahl des Altreichs hat sich inzwischen weiter von 51 327 am 31.12.1942 auf 31 910 am 1.4.1943 vermindert. Unter diesen 31 910 Juden leben über die Hälfte, nämlich 16 668 in Mischehe, davon 12 117 in privilegierter und 4 551 in nicht privilegierter Mischehe. Außerdem dürfte in der Aufstellung noch eine größere Anzahl von Juden mitgezählt sein, die schließlich als unauffindbar abgeschrieben werden müssen, wie es auch bei jedem Einwohnerkataster immer wieder vorkommt. Der Bestand der Juden im alten Reichsgebiet (ohne Ostgebiete) nähert sich seinem Ende. Arbeitseinsatz. Von den im Reichsgebiet lebenden Juden befanden sich zu Beginn des Jahres 1943 21 659 in kriegswichtigem Arbeitseinsatz. Dazu kommen in kriegswichtigem Arbeitseinsatz 18 435 sowjet-russische Juden im Inspekteur-Bereich Königsberg, 50 570 staatenlose und ausländische Juden im Lagereinsatz Schmelt (Breslau) und 95 112 ehem.polnische Juden im Ghetto- und Lagereinsatz im Inspekteurbereich Posen. Konzentrationslager. In Konzentrationslagern befanden sich am 31.12.1942 insgesamt 9 127 Juden, in Justizvollzugsanstalten 458 Juden. Die Belegstärke der Konzentrationslager mit Juden war folgende: Mauthausen/Gusen 79 Lublin 7 324 ..............Sachsenhausen 46 Auschwitz 1 412 Stutthof 18 Buchenwald 227 Ravensbrück 3. Altersghetto. Im einzigen Altersghetto Theresienstadt gab es Anfang 1943 zusammen 49 392 Juden, die von den Bestandszahlen abgeschrieben sind. Evakuierung aus anderen europäischen Ländern. Im deutschen Macht- und Einflußbereich außerhalb der Reichsgrenzen fanden folgende Evakuierungen von Juden statt: E u r o p ä i s c h e J u d e n b i l a n z . Die Verminderung des Judentums in Europa dürfte damit bereits an 4 Millionen Köpfe betragen. Höhere Judenbestände zählen auf dem europ. Kontinent (neben Rußland mit etwa 4 Mill.) nur noch Ungarn (750 000) und Rumänien (302 000), vielleicht noch Frankreich. Berücksichtigt man neben dem angeführten Rückgang die jüdische Auswanderung und den jüdischen Sterbeüberschuß in den außerdeutschen Staaten Mittel- und Westeuropas, aber auch die unbedingt vorkommenden Doppelzählungen infolge der jüdischen Fluktuation, dann dürfte die Verminderung des Judentums in Europa von 1937 bis Anfang 1943 auf 4 1/2 Millionen zu schätzen sein. Dabei konnte von den Todesfällen der sowjetrussischen Juden in den besetzten Ostgebieten nur ein Teil erfaßt werden, während diejenigen im übrigen europäischen Rußland und an der Front überhaupt nicht enthalten sind. Dazu kommen die Wanderungsströme der Juden innerhalb Russlands in den asiatischen Bereich hinüber. Auch der Wanderungsstrom der Juden aus den europäischen Ländern außerhalb des deutschen Einflußbereichs nach Übersee ist eine weitgehend unbekannte Größe. Insgesamt dürfte das europäische Judentum seit 1933, also im ersten Jahrzehnt der nationalsozialistischen Machtentfaltung, bald die Hälfte seines Bestandes verloren haben. Davon ist wieder nur etwa die Hälfte, also ein Viertel des europäischen Gesamtbestandes von 1937, den anderen Erdteilen zugeflossen.(Quelle: http://www.ns-archiv.de/) Jud Süß Antisemitischer Film „Sie haben meine Herren, aus meinem Roman „Jud Süß“ mit Hinzufügung von ein bißchen Tosca einen wüsten antisemitischen Hetzfilm im Sinne Streichers und seines ‚Stürmer‘ gemacht“ offener Brief Lion Feuchtwangers an den Regieseur Veit Harlan und den Schauspielern Werner Krauß, Heinrich George und Eugen Klöpfer“ Der Film konzentrierte sich auf die Wurzellosigkeit der Juden und ihr angebliches Interesse, sich in die arische Gesellschaft hineinzudrängen. Der Harlan Film hat mit dem Drama und Roman „Jud Süß“von Lion Feuchtwanger nur die historische Vorlage gemeinsam. Der Film „Jud Süß“, uraufgeführt in Venedig, hatte damals einen enormen Erfolg. Im Berliner Ufa-Palast am Zoo zählte man während der ersten vier Wochen, trotz mehrerer Fliegeralarmee während der Vorführungen, 111 677 Besucher. Heinrich ®Himmler befahl allen Angehörigen von ®SS und Polizei, sich den Film anzusehen. Es ist vielfach belegt, daß der Film von da an immer wieder SS-Einheiten gezeigt wurde, bevor sie Aktionen gegen die Juden vorzunehmen hatten Auch Wachpersonal aus den ®Konzentrationslagern sah den Film. Der Film besaß eine indoktrinierende Wirkung. Der Film „Jud Süß“ ist für öffentliche Vorführungen in der Bundesrepublik bis heute verboten Joseph Süß Oppenheimer in der Geschichte Joseph Süß Oppenheimer war ein gegen Ende des 17. Jahrhunderts geborener Bankier, der sich als Privatsekretär und Finanzmanager des Württembergischen Herzogs Karl Alexander betätigte. Sein Lebenslauf sorgte schon zur damaligen Zeit für heftige Kontroversen und schien deshalb als Stoff für einen antisemitischen Film geeignet. Joseph Süß Oppenheimer wurde in den 90er Jahren des 17. Jahrhunderts in Heidelberg als Sohn einer reichen, angesehenen und weitverzweigten Kaufmannsfamilie geboren. Seine Jugend verbrachte er in der Stadt am Neckar, ehe er in den Jahren 1713 bis 1717 lange Reisen nach Amsterdam, Wien und Prag unternahm. Nach seiner Rückkehr betätigte er sich in der Pfalz erfolgreich als Geld- und Warenhändler. 1732 lernte er in dem Kurort Wildbad auf Vermittlung eines Geschäftsfreundes den Prinzen Karl Alexander von Württemberg kennen. Karl Alexander, kaiserlicher Generalfeldmarschall und Generalgouverneur in Serbien, gehörte der Wittenthaler Seitenlinie des Fürstenhauses an und war 1712 zum Katholizismus konvertiert, um die katholische Prinzessin Maria Augusta von Thurn und Taxis heiraten zu können. Noch im selben Jahr ernannte er Süß Oppenheimer zu seinem Hof- und Kriegsfaktor, ein Amt, das sich ausschließlich damit beschäftigte, den Hofstaat des Fürsten zu organisieren und zu finanzieren. 1733 wurde Karl Alexander Herzog von Württemberg, als der regierende Herzog Eberhard Ludwig kinderlos starb. Das neue Amt brachte den katholischen Herzog zwangsläufig in Konflikte mit den protestantischen Landständen, die nicht gewillt waren, die Prunksucht des neuen Herzogs zu finanzieren. Die württembergische Verfassung sicherte ihnen das Recht der Steuerbewilligung, der Mitwirkung bei Gesetzen und die Kontrolle der landschaftlichen Steuerkasse zu. Süß Oppenheimer, anfangs herzoglicher Resident in Frankfurt, konnte seinen Einfluß auf Karl Alexander rasch ausdehnen. Mit der Einrichtung von Monopolen, einer staatlichen Lotterie und der Gründung einer württembergischen Staatsbank gelang es ihm, die Privatschatulle des Herzogs wieder zu füllen. Ein Novum stellte die Ernennung Oppenheimers zum Direktor der staatlichen Münze dar, einer ungewöhnlich exponierten Stellung, die Juden bis dahin verschlossen war. Doch erst seine rigide Steuerpolitik machte Süß Oppenheimer zum Symbol von Geldgier und Machtstreben. Der Herzog, der auf sein Steuererhebungsrecht ohne Mitwirkung der Landstände pochte, führte auf sein Anraten mehrere Steuern ein, die die Bevölkerung verbitterten. Süß Oppenheimers persönlicher Lebenswandel stand dem des Herzogs dabei in nichts nach. Streben nach Luxus und Zurschaustellung von Reichtum brachten ihm Neid und Mißgunst ein. Doch dank seines innigen Freundschaftsverhältnisses verteidigte der Herzog ihn gegen alle Anfeindungen des Hofstaates. Seine Beförderung zum Geheimrat stellte in einem deutschen Land der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts einen bis dahin beispiellosen Vorgang dar. Darüber hinaus sprach ein herzogliches Dekret am 12. Februar 1737 Süß Oppenheimer von jeglicher Verantwortung für alle vergangenen und zukünftigen Handlungen frei. Dennoch galt der Jude nach wie vor in der Öffentlichkeit als der Urheber aller Mißstände, insbesondere, als Pläne bekannt wurden, in Württemberg gewaltsam ein absolutistisches Regime einzuführen und das Land zu katholisieren. Als am 12. März 1737 der Herzog unerwartet einem Schlaganfall erlag, wurde Süß Oppenheimer sofort verhaftet. Die Anklageschrift lautete auf Hochverrat, Majestätsbeleidigung, Beraubung der staatlichen Kassen, Amtshandel, Bestechlichkeit und Schändung der protestantischen Religion. Der Anklagepunkt „fleischlicher Umgang mit Christinnen“ wurde fallengelassen, da das entsprechende Gesetz den Tod beider Beteiligten vorsah und die Geliebten des Juden zum großen Teil der württembergischen Hautevolee angehörten. Die Gerichtskommission, die die Verteidigung Süß Oppenheimers mutwillig behinderte, konnte zwar für keinen der Anklagepunkte einen Beweis finden, aber dennoch wurde am 13. Dezember 1737 das Todesurteil verkündet. Am 4. Februar 1738 wurde Josef Süß Oppenheimer vor den Toren Stuttgarts an einem zehn Meter hohen Galgen in einem eisernen Käfig gehängt. Das Leben Süß Oppenheimers zeigt die vergeblichen Versuche, sich von der vielfältig beschränkten Rolle eines Juden seiner Zeit zu befreien, ohne zum Christentum überzutreten. Durch seinen Aufstieg vom Ghettojuden in die Hofgesellschaft war er sowohl in seiner Herkunftsgruppe als auch als Außenseiter in der höfischen Schicht isoliert. Diese doppelte Ausgrenzung machte sein Leben zum Paradigma für jüdische Intellektuelle späterer Epochen, insbesondere für die assimilierten Juden in der Weimarer Republik. Als frühzeitig assimilierter Jude forderte Süß die judenfeindliche Abwehr gegen die Assimilation der Folgezeit heraus und wurde durch seine politische Verurteilung zum Sinnbild für die jahrhundertealte Sündenbockfunktion des jüdischen Volkes. Diese Gründe machten die historische Figur des Süß Oppenheimer schon ab dem 19. Jahrhundert zum Stoff für zahlreiche Veröffentlichungen. Da die Prozeßakten bis 1919 in ihrer Gesamtheit nicht zugänglich waren, muß die Authentizität der Werke bis zu diesem Zeitpunkt bezweifelt werden. 1827 veröffentlichte Wilhelm Hauff seine Novelle Jud Süß, die zwar die Trennung von Juden und Nichtjuden befürwortete, aber dennoch die Ungerechtigkeit des Urteils anprangerte. Lion Feuchtwangers Roman Jud Süß wurde 1925 mit seiner Veröffentlichung ein Welterfolg. Darin zeichnete er das Bild eines zwischen Assimilation und Emanzipation hin- und hergerissenen jüdischen Intellektuellen. In Anlehnung an diesem Roman erschien die erste Verfilmung von Jud Süß 1934 in England. Jew Suess, unter der Regie von Lothar Mendes mit Conrad Veidt in der Titelrolle, war als eine Warnung der Weltöffentlichkeit vor dem deutschen Antisemitismus gedacht, geriet jedoch bald in Vergessenheit. ®Ewige Jude, ®Propaganda. http://www.propagandafilme.de/antisemitische_propagandafilme.html Jud Süss - Ein Film als Verbrechen?“ - Horst Königstein verfilmt den aufsehenerregenden Prozess gegen den Regisseur Veit Harlan Axel Milberg und Florian Martens spielen die Hauptrollen in dem dokumentarischen NDR-Prozessdrama „Jud Süss - Ein Film als Verbrechen?“ nach dem Buch von Horst Königstein und Joachim Lang. Ein Star des „Dritten Reiches“ steht 1949 in Hamburg vor Gericht: der Regisseur Veit Harlan. Er ist angeklagt, mit einem Film ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben. Im Gewand der historischen Erzählung hetzte „Jud Süss“, die Geschichte eines Finanzberaters im Feudalismus, perfide gegen die Juden. 20 Millionen Deutsche sahen den Film; für SS-Leute, Polizisten, KZ-Schergen gehörte er zum Pflichtprogramm. Harlan machte Karriere. Nun, vor Gericht, lehnt er jede Verantwortung ab und verweist auf die Macht des diabolischen Drahtziehers ®Goebbels, des „Schirmherren des deutschen Films“. Kann man mit einem Spielfilm ein Verbrechen begehen? Wer trägt die Verantwortung für das kollektive Werk? Wo liegt die Grenze zwischen Korruption und legitimer Wahrung des Eigeninteresses, zwischen Feigheit und berechtigter Angst? Wie blind können Menschen sich für die Auswirkungen ihres Tuns stellen, wie gehen sie mit ihrer Schuld um? Mit solchen Fragen setzt sich das Doku-Drama auseinander, indem es durch Filmausschnitte, Interviews und Spielszenen den Prozessverlauf und die Entstehung des Films lebendig werden lässt. Es entsteht ein Mosaik widersprüchlicher Perspektiven und Meinungen; eine vielschichtige Studie über die Biegsamkeit des Rückgrats, über moralische Schizophrenien, selbstgebastelte Halbwahrheiten, Zwang und Schuld. http://www.ndr.de/presse/archiv/200010061.html Jugendopposition ®Widerstand Jungmädel Angehörige des BDM im Alter von 10 bis 14 Jahren. Jungvolk Abteilung der →Hitlerjugend für die 10- bis 14-Jährigen, eingeteilt in Bänne, Stämme, Fähnlein, Jungzug und Jungenschaften. Justiz im Nationalsozialismus „Tausende von vollstreckten Todesurteilen und unzählige hohe Freiheitsstrafen zeugen in erschreckender Weise von der Tätigkeit deutscher Staatsanwälte und Richter“, erklärte Wilfried Knauer vom der Gedenkstätte in der Jstizvollzugsanstalt Wolfenbüttel. Die Verbrechen, die im Gebiet zwischen Lüchow und Emden, zwischen Cuxhaven und Hannoversch - Münden verübt wurden, werden in der Ausstellung konkret benannt: Bis zu 80.000 Menschen wurden zum Tode verurteilt, weil sie homosexuell, andersgläubig oder in der politischen Opposition waren. Aber auch Gastarbeiter - vorwiegend aus. Polen wurden bereits wegen kleinster Delikte, wie etwa dem Erzählen anrüchiger Witze, schwer bestraft. Die NS‑Justiz hat ihre Aufgaben nicht erzwungenermaßen ausgeübt. Sie war überwiegend auf der Seite der Täter und hat aktiv mitgewirkt. Die später oft geäußerte Ausrede, man habe nur so gehandelt, weil es keinen Ausweg gab, ist daher auch nur eine Legende. Doch die Ausstellung bleibt nicht bei der Aufdekkung der Taten stehen, sondern widmet sich auch dem Umgang mit den Verbrechen von NS - Juristen bis in die Gegenwart. Denn für ihre Verbrechen wurde keiner von ihnen durch ein deutsches Gericht angeklagt, im. Gegenteil: Viele machten auch nach dem Krieg Karriere. Ein besonders gutes Beispiel ist der in Oldenburg tätige Richter Dr. Werner Hülle: Der 1903 geborene Hülle wurde 1934 auf eigenem Wunsch zur Heeresjustizverwaltung abgeordnet, 1938 zum Oberregierungsrat im Reichskriegsministerium ernannt und 1942 sogar zum Ministerialrat. Er war in diesen Funktionen maßgeblich daran beteiligt, dass viele unschuldige Menschen zum Tode verurteilt wurden. Doch nach dem Krieg wurde er dafür keineswegs zur Rechenschaft gezogen: Er kam 1946 ans Amtsgericht nach Oldenburg und wurde 1949 Senatspräsident des Oberlandesgerichts Oldenburg. 1950 wurde er gar Richter am Bundesgerichtshof und 1955 Präsident des Oberlandesgerichts Oldenburg. Bis zu seiner Pensionierung 1968 wurde er für seine NS - Verbrechen nicht belangt. Er starb 1992 - ohne sich jemals rechtfertigen zu müssen. Hülle ist kein Einzelfall: „Erst seit den 90er Jahren ist es überhaupt möglich, dieses Thema in den eigenen Reihen zu diskutieren“. Wer vorher Karriere als Jurist machen wollte, hatte sich von diesem Thema fernzuhalten. Gerade deshalb sei es so wichtig, die Forschung auch vor Ort voranzutreiben: „Es gibt Zehntausende von Fällen aufzuarbeiten“. ®Bauer, F. ®Schuld und Verantwortung ® Terrormaßnahmen ®Terror- und Verfolgungsapparat (Kreiszeitung, 4.5.01, von Kirsten Bädeker) Kalavrita, Massaker von 13. Dezember 1943, ein kalter, klarer Wintermorgen. Die 117. deutsche Jägerdivsion war mit der Bergbahn auf dem Weg nach Kalavrita. Der Befehl im Marschgepäck der faschistischen Truppen: das Städtchen dem Erdboden gleichmachen und alle männlichen Bewohner umbringen. Bereits Mitte Oktober 1943 war es griechischen Widerstandskämpfern gelungen, eine Hundertschaft Hitler-Soldaten in der Bergregion von Kalavrita in ihre Gewalt zu bringen. Die 81 Deutschen sollten gegen griechische Freiheitskämpfer ausgetauscht werden. Doch der Plan scheiterte, denn am 8. Dezember schickten sich die Besatzer an, ihre gefangenen Kameraden zu befreien. Aber auch diese Rechnung ging nicht auf. Als die deutschen Truppen anrückten, erschossen die Partisanen ihre Geiseln. Dem ersten Vergeltungsschlag der Deutschen fielen im Kloster Mega Spileon auf dem Weg nach Kalavrita 17 Kinder und Mönche im Alter von 14 bis 88 Jahren zum Opfer. Am 13. Dezember schlugen die Hitler Truppen ein zweites Mal zu: Über 1.900 Menschen, von Kindern bis zu Greisen wurden zusammengetrieben. Fünf Stunden dauerte es, bis alle umgebracht waren. Geschäfte und Wohnungen wurden geplündert, alles Brauchbare mit der Bergbahn weggeschafft. Als die Deutschen abzogen, sangen sie „Lilli Marleen“. Am Tag der sinnlosen Greueltat wurde die Kirchturmuhr angehalten. Sie zeigt bis zum heutigen Tag die Todesstunde an. Ganz anders liest sich die Schilderung der Mörder. Im Tagebuch der 117. Jägerdivision heißt es nüchtern: „13. Dezember 1943: Kalavrita als Bandenunterkunft und Sammelpunkt für deutsche Gefangene völlig zerstört. 511 männliche Einwohner erschossen“. Der Name Kalavrita ist in Deutschland kaum ein Begriff - doch in Griechenland gilt er als ein Symbol des Leides, das nicht vergessen werden kann. Die Bluttat der deutschen Truppen ist bis heute nicht gesühnt. Als die Staatsanwaltschaft Bochum 1972 gegen zwei Wehrmachtsangehörige ermittelte, die an dem Massaker beteiligt waren, kamen die deutschen Richter zu dem schrecklichen Urteil: „ln dieser Situation waren Repressalien notwendig und auch zulässiges völkerrechtliches Mittel (...) Daß die ergriffenen Repressalien damals in einem unangemessenen Verhältnis zu den vorausgegangenen Völkerrechtsverletzungen (Gefangennahme und Erschießung von 81 deutschen Soldaten) standen, haben die Ermittlungen nicht ergeben.“® Terrormassnahmen http://www.vvn-bda.de/nuernberg/kalavrita.htm Kaltenbrunner, Ernst (1903-1946) Kaltenbrunner, Ernst, SS-Führer und Leiter des Reichssicherheitshauptamtes. In Ried im Innkreis (Oberösterreich) geboren, studierte Kaltenbrunner nach seiner Linzer Schulzeit zunächst Chemie, dann Jura in Graz, um sich anschließend als Rechtsanwalt in Linz niederzulassen. Ab 1930 war er NSDAP-Mitglied, 1931 trat er in die SS ein. Nach dem Verbot der NSDAP wurde er 1934 für einige Monate inhaftiert; 1935 verhaftete man ihn erneut und verurteilte ihn wegen Hochverrats zu sechs Monaten Gefängnis. Nach seiner Entlassung setzte Kaltenbrunner seine Tätigkeit für die illegale SS fort und wurde schließlich 1937 Führer der gesamten österreichischen Schutzstaffel. Nach dem Anschluss übernahm Kaltenbrunner das Amt des Staatssekretärs für die öffentliche Sicherheit in der „Ostmark“. 1940 wurde er zum Höheren SS- und Polizeiführer im Wehrkreis XVII ernannt und war damit für das östliche Österreich verantwortlich. Nach dem Tod von →Heydrich im Juni 1942 entschloss sich Himmler im Januar 1943, Kaltenbrunner zum Leiter des Reichssicherheitshauptamts zu berufen. In dieser Funktion war Kaltenbrunner maßgeblich verantwortlich für die Deportation Hunderttausender Juden in die Vernichtungslager. In zahlreichen Fällen schaltete er sich persönlich ein, um die Verfolgung zu intensivieren. So war er namentlich an der Vorbereitung der Deportation der ungarischen Juden in entscheidender Weise beteiligt und drängte noch auf deren Durchführung, als sich die Rote Armee bereits kurz vor Budapest befand; es war Kaltenbrunner, der den Fußmarsch von 35000 ungarischen Juden von Budapest bis zur österreichischen Grenze anordnete, der Tausende das Leben kostete. Nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 wurde Kaltenbrunner mit den Ermittlungen gegen die Verschwörer beauftragt. Hinter den nun einsetzenden umfangreichen Untersuchungen, deren Ergebnisse in den an Bormann gerichteten „Kaltenbrunner-Berichten“ festgehalten wurden, stand das Ziel, durch die Aufdeckung des um die Attentäter bestehenden Netzes von Verbindungen und Beziehungen einen umfassenden Schlag gegen die in Wehrmacht und Staatsapparat noch vorherrschenden konservativen Eliten zu führen. In Nürnberg als einer der Hauptkriegsverbrecher angeklagt, versuchte Kaltenbrunner, durch konsequentes Leugnen seine Mitverantwortung für die Verbrechen des Regimes zu verdunkeln. Angesichts der erdrückenden Last der gegen ihn vorgebrachten Beweise wurde er vom Internationalen Militärgerichtshof am 9. Oktober 1946 zum Tod durch den Strang verurteilt. Das Urteil wurde am 16. Oktober vollstreckt. http://www.shoa.de/p_ernst_kaltenbrunner.html Kastration durch Röntgenstrahlen Das Bemühen der Nationalsozialisten, sich einerseits das Arbeitsvermögen von „Staatsfeinden“ nutzbar zu machen, sich andererseits ihrer zu entledigen, führte zu Überlegungen, Angehörige dieser gruppe zu kastrieren. Hierzu aus Berichten von Viktor Brack, SS-Oberführer, an Reichsführer SS H. Himmler: ... Bei ca. 10 Millionen europäischer Juden sind nach meinem Gefühl mindestens 2-3 Millionen sehr gut arbeitsfähiger Männer und Frauen enthalten. Ich stehe in Anbetracht der außerordentlichen Schwierigkeiten, die uns die Arbeiterfrage bereitet, auf dem Standpunkt, diese 2-3 Millionen auf jeden Fall heranzuziehen und zu erhalten. Allerdings geht das nur, wenn man sie gleichzeitig fortpflanzungsunfähig macht. ... Ein Weg der praktischen Durchführung wäre z. B. die abzufertigenden Personen vor einen Schalter treten zu lassen, an dem sie Fragen gestellt erhalten oder Formulare auszufüllen haben, was ungefähr 2-3 Min. aufhalten soll. Der Beamte, der hinter dem Schalter sitzt, kann die Apparatur bedienen, und zwar dergestalt, daß er einen Schalter bedient, mit dem gleichzeitig beide Röhren (da ja die Bestrahlung von beiden Seiten erfolgen muß) in Tätigkeit gesetzt werden. In einer Anlage mit zwei Röhren könnten also demgemäß pro Tag ca. 150-200 Personen sterilisiert werden, mit 20 Anlagen also bereits 3000 bis 4000 pro Tag. Eine höhere Anzahl von täglichen Verschickungen kommt meiner Schätzung nach sowieso nicht in Frage. Die Kosten einer solchen Anlage kann ich nur grob mit RM 20 000 - 30 000 pro Röhrensystem schätzen. Es kommen jedoch die Kosten der Neuaufführung eines Gebäudes dazu, da ja für die diensttuenden Beamten entsprechend umfangreiche Sicherungen eingebaut werden müssen. Eine Sterilisation, wie sie normalweise bei Erbkranken durchgeführt wird, kommt in diesem Fall nicht in Frage, da sie zu zeitraubend und kostspielig ist. Eine Röntgenkastration jedoch ist nicht nur relativ billig, sondern läßt sich bei vielen Tausenden in kürzester Zeit durchführen. Ich glaube, daß es auch im Augenblick schon unerheblich geworden ist, ob die Betroffenen dann nach einigen Wochen bzw. Monaten an den Auswirkungen merken, daß sie kastriert sind. Sollen irgendwelche Personen für dauernd unfruchtbar gemacht werden, so gelingt dies nur unter Anwendung so hoher Röntgendosen, daß mit ihnen eine Kastration mit allen ihren Folgen eintritt. Die hohen Röntgendosen vernichten nämlich die innere Sekretion des Eierstocks bzw. des Hodens. Geringere Dosen würden nur auf eine gewisse Zeit die Zeugungsfähigkeit unterbinden. Die infragekommenden Folgen sind z. B. das Ausbleiben der Periode, klimakterische Erscheinungen, Veränderung der Behaarung, Änderung des Stoffwechsels usw. Auf diese Nachteile muß auf jeden Fall hingewiesen werden. Die Dosierung selbst kann auf verschiedene Weise gestaltet werden, und die Bestrahlung völlig unmerklich vor sich gehen. Für Männer ist eine Herddosis von 500-600r, für Frauen eine solche von 300-350 notwendig. Grundsätzlich kann man bei stärkster Spannung und dünnem Filter sowie geringem Abstand mit einer Bestrahlungszeit von 2 Min. für Männer bzw. 3 Min. für Frauen auskommen. Dabei muß jedoch der Nachteil in Kauf genommen werden, daß, da eine unmerkliche Abdeckung der übrigen Körperteile mit Blei nicht durchzuführen ist, das übrige Körpergewebe geschädigt wird und dadurch der sogenannte Röntgenkater auftritt. Bei zu großer Strahlenintensität zeigen sich dann in den folgenden Tagen oder Wochen an den von den Strahlen erreichten Hautteilen individuell verschieden starke Verbrennungserscheinungen. Zusammenfassend darf also gesagt werden, daß nach dem augenblicklichen Stand der Röntgentechnik und -forschung es ohne weiteres möglich ist, eine Massensterilisation durch Röntgenstrahlen durchzuführen. Unmöglich erscheint es jedoch, diese Maßnahme durchzuführen, ohne daß die davon Betroffenen über kurz oder lang mit Sicherheit feststellen können, daß sie durchRöntgenstrahlen sterilisiert bzw. kastriert sind. Sollten Sie, Reichsführer, sich im Interesse der Erhaltung von Arbeitermaterial dazu entschließen, diesen Weg zu wählen, so ist Reichsleiter Bouhler bereit, die für die Durchführung dieser Arbeit notwendigen Ärzte und sonstiges Personal Ihnen zur Verfügung zu stellen. Ebenso hat er mich beauftragt, Ihnen zu sagen, daß ich dann auf schnellstem Wege diese so notwendigen Apparaturen in Auftrag geben soll. (®Medizin ohne Menschlichkeit, ® Sterilisationsgesetzgebung) ((http://www.ns-archiv.de/medizin/kastration/brack.shtml) Kinderlandverschickung Organisierte Erholungsaufenthalte von Stadtkindern auf dem Land, die ab 1933 von den Nationalsozialisten durchgeführt wurde. In der „erweiterten Kinderlandverschickung“ wurden ab 1940 Kinder und Jugendliche aus lufkriegsgefährdeten Städten evakuiert. ... Kinderraub ®Lebensborn e.V. Kirchen und Nationalsozialismus I. Vorgeschichte II. Das Verhältnis der Kirchen zur Weimarer Republik III. Das Verhängnis des Taktierens und der inneren Verwandtschaft IV. Hinweise auf mögliche Ursachen dieses Verhaltens V. Offenes Mitläufertum VI. Selbstdarstellung der Kirchen nach 1945 ®Bekennende Christen ®Deutsche Christen http://www.ibka.org/artikel/ag98/1945.html http://www.nadir.org/nadir/periodika/jungle_world/_98/13/19b.htm http://www.rammerstorfer.cc/Rezensionen1.htm Kommissarbefehl Die vor Beginn des Rußlandfeldzuges ergangenen Befehle - der »Gerichtsbarkeitserlaß«, der »Kommissarbefehl« und die »Richtlinien für das Verhalten der Truppe in Rußland« - hatten Teile der Zivilbevölkerung und der Roten Armee als Feinde definiert, die sofort zu töten waren: Freischärler, politische Kommissare, Kommunisten und andere »feindliche Zivilpersonen«, die sich gegen die Wehrmacht stellten oder zum Widerstand aufriefen. Dazu war die Truppe ohne spezielle Befehle pauschal ermächtigt. Bei Zivilisten, die einer feindseligen Handlung nur verdächtig waren, lag die Entscheidung über Leben und Tod beim nächsten Offizier. Die Truppe ging vom ersten Tag ohne Weisungen über den Wortlaut dieser Befehle hinaus. Als Vergeltung für Hinterhalte, unaufgeklärte Sabotagefälle und ähnliches erschoß sie Zivilisten, vorzugsweise Kommunisten und Juden. Bereits Anfang Juli genügte schon der Verdacht einer feindseligen Gesinnung. Rotarmisten, die hinter die unübersichtlichen Fronten geraten waren, wurden nach Gefangennahme als Partisanen erschossen, ebenso jüdische Männer, die als Unterstützer von Freischärlern und Saboteuren galten. http://motlc.wiesenthal.com/exhibits/WoA/6army1_g.html Der Kommissarbefehl Oberkommando der Wehrmacht F.H.Qu., den 6.6.1941 WFST/Abt. L. (IV/Qu) [Stempel:] Chef-Sache! Nr. 44822/41 g.K.Chefs. Nur durch Offizier! Im Nachgang zum Führererlaß vom 14.5. über die Ausübung der Kriegsgerichtsbarkeit im Gebiet „Barbarossa“ (OKW/WFst/Abt. L IV/Qu Nr. 44718/41 g.Kdos.Chefs.) werden anliegend ‚Richtlinien für die Behandlung politischer Kommissare‘ übersandt. Es wird gebeten, die Verteilung nur bis zu den Oberbefehlshabern der Armeen bzw. Luftflottenchefs vorzunehmen und die weitere Bekanntgabe an die Befehlshaber und Kommandeure mündlich erfolgen zu lassen. Der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht I.A. gez. Warlimont Anlage zu OKW/WFSt/Abt. LIV/Qu Nr. 44822 g.k.Chefs. Richtlinien für die Behandlung politischer Kommissare. Im Kampf gegen den Bolschewismus ist mit einem Verhalten des Feindes nach den Grundsätzen der Menschlichkeit oder des Völkerrechts nicht zu rechnen. Insbesondere ist von den politischen Kommissaren aller Art als den eigentlichen Trägern des Widerstandes eine haßerfüllte, grausame und unmenschliche Behandlung unserer Gefangenen zu erwarten. Die Truppe muß sich bewußt sein: 1. In diesem Kampf ist Schonung und völkerrechtliche Rücksichtnahme diesen Elementen gegenüber falsch. Sie sind eine Gefahr für die eigene Sicherheit und die schnelle Befriedung der eroberten Gebiete. 2. Die Urheber barbarisch asiatischer Kampfmethoden sind die politischen Kommissare. Gegen diese muß daher sofort und ohne weiteres mit aller Schärfe vorgegangen werden. Sie sind daher, wenn im Kampf oder Widerstand ergriffen, grundsätzlich sofort mit der Waffe zu erledigen. Im übrigen gelten folgende Bestimmungen: I. Operationsgebiet 1. Politische Kommissare, die sich gegen unsere Truppe wenden, sind entsprechend dem ‚Erlaß über die Ausübung der Gerichtsbarkeit im Gebiet Barbarossa‘ zu behandeln. Dies gilt für Kommissare jeder Art und Stellung, auch wenn sie nur des Widerstandes, der Sabotage oder der Anstiftung hierzu verdächtig sind. Auf die ‚Richtlinien über das Verhalten der Truppe in Rußland‘ wird verwiesen. 2. Politische Kommissare als Organe der feindlichen Truppe sind kenntlich an besonderen Abzeichen - roter Stern mit golden eingewebtem Hammer und Sichel auf den Ärmeln - (Einzelheiten siehe ‚Die Kriegswehrmacht der UdSSR‘, OKH/Gen. StdH. O. Qu IV Abt. Fremde Heere Ost [II] Nr. 100/41 g. vom 15.1.1941 unter Anlage 9d.). Sie sind aus den Kriegsgefangenen sofort, d.h. noch auf dem Gefechtsfelde, abzusondern. Dies ist notwendig, um ihnen jede Einflußmöglichkeit auf die gefangenen Soldaten abzunehmen. Diese Kommissare werden nicht als Soldaten anerkannt; der für die Kriegsgefangenen völkerrechtlich geltende Schutz findet auf sie keine Anwendung. Sie sind nach durchgeführter Absonderung zu erledigen. 3. Politische Kommissare, die sich keiner feindlichen Handlung schuldig machen oder einer solchen verdächtig sind, werden zunächst unbehelligt bleiben. Erst bei der weiteren Durchdringung des Landes wird es möglich sein, zu entscheiden, ob verbliebene Funktionäre an Ort und Stelle belassen werden können oder an die Sonderkommandos abzugeben sind. Es ist anzustreben, daß diese selbst die Überprüfung vornehmen. Bei der Berurteilung der Frage, ob „schuldig oder nicht schuldig“, hat grundsätzlich der persönliche Eindruck von der Gesinnung und Haltung des Kommissars höher zu gelten, als der vielleicht nicht zu beweisende Tatbestand. 4. In den Fällen 1. und 2. ist eine kurze Meldung (Meldezettel) über den Vorfall zu richten: a) von den einer Division unterstellten Truppen an die Division (I c), b) von den Truppen, die einem Korps-, Armeeober- oder Heeresgruppenkommando oder einer Panzertruppe unmittelbar unterstellt sind, an das Korps- usw. Kommando (I c). 5. Alle oben genannten Maßnahmen dürfen die Durchführung der Operationen nicht aufhalten. Planmäßige Such- und Säuberungsaktionen durch die Kampftruppe haben daher zu unterbleiben. II. Im rückwärtigen Heeresgebiet Kommissare, die im rückwärtigen Heeresgebiet wegen zweifelhaften Verhaltens ergriffen werden, sind an die Einsatzgruppe bzw. Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei (SD) abzugeben. III. Beschränkung der Kriegs- und Standgerichte Die Kriegsgerichte und die Standgerichte der Regiments- usw. Kommandeure dürfen mit der Durchführung der Maßnahmen nach I und II nicht betraut werden. http://www.ns-archiv.de/krieg/sowjetunion/kommissar.shtml Konzentrationslager (Abkürzung: KZ oder KL) Politische Internierungslager der Nationalsozialisten, in die „Schutzhäftlinge“, bei denen man „vorbeugende Maßnahmen“ zu ergreifen vorgab eingeliefert wurden. Zunächst handelte es sich um kommunistische und sozialdemokratische Funktionäre und andere Gegner des Nationalsozialismus, für die im Sommer 1933 die ersten größeren Lager in Oranienburg (bei Berlin) und Dachau (bei München) errichtet wurden. Zu den frühesten in Norddeutschland gehörten Wittmoor, Bremen, Moringen und Vechta. Sehr schnell wurde der Kreis derjenigen erweitert, denen man eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit vorwarf. Mitglieder der KPD und SPD stellten 1934 nur noch die Hälfte der neu Eingewiesenen. Zunehmend ergingen auch Schutzhaftbefehle etwa wegen „staatsfeindlicher Äußerungen“ oder „Heimtücke“. Kritische Publizisten, Rechtsanwälte und viele andere, die sich der geistigen ®„Gleichschaltung“ widersetzten, wurden inhaftiert. ®Ossietzky Nach der Ausschaltung der ®SA ®(„Röhm-Putsch“) übernahm die ®SS unter Himmler die Organisation und Bewachung der Konzentrationslager, in die man auch sog. „Volksschädigende Elemente“ (®Homosexuelle, „Asoziale“, „Arbeitsscheue“, „Gewohnheitsverbrecher“, Bibelforscher ®Zeugen Jehovas, kriminelle Straftäter, ®Juden) eingeliefert wurden. Ab 1938 wurde der Zwangsarbeitseinsatz für Projekte der SS und später für die Rüstungsindustrie ein wesentlicher Zweck der KZ.. In den meisten KZs wurden medizinische, nahrungsmittelchemische und andere Versuche an Häftlingen durchgeführt ®Medizin ohne Menschlichkeit. Vor allem ab 1943 kam es zu Massenvernichtungen von ®Juden, Geisteskranken, kranken Häftlingen und Polen ®Vernichtungslager. In den KZs und in den Vernichtungslagern wurden bis 1945 mindestens zwischen 5 und 6 Millionen jüdische und mindestens 500.000 nichtjüdische Häftlinge getötet. In den Jahren von 1933 bis 1945 überzog das nationalsozialistische Regime ganz Europa mit einem komplexen System an Unrechtsstätten. Neben den Konzentrations- und ®Vernichtungslagern wurden unter Bezeichnungen wie „Arbeitserziehungslager“, „Jugendschutzlager“ oder „Polizeihaftlager“ Stätten errichtet, in denen die Lebensbedingungen kaum anders waren als in den Konzentrationslagern. Viele dieser Unrechtsstätten sind heute vergessen, das Ausmaß der Verfolgung nahezu unbekannt. Bis 1945 bestanden auf dem Territorium des Deutschen Reiches und in den besetzten Gebieten insgesamt mindestens 22 Konzentrationslager mit über 1.200 Außenstellen. Alltäglicher Terror Laut Dienstvorschrift hatten sich die SS-Wächter im KZ „wie der Soldat vor dem Feinde“ zu verhalten. Diese Anweisung diente den meisten als Vorwand für individuelle Willkür, die zusammen mit dem befohlenen Terror zu einer allgegenwärtigen Bedrohung für die Häftlinge wurde. Vielfältige Methoden der Strafe und Folter prägten den Lageralltag: Essensentzug, Schläge mit dem Gummirohr, verschärfte Haft im Stehbunker, Ausprügeln auf dem Bock, „Baumhängen“, Ertränken in Regentonnen, tödliche Injektionen. Auspeitschungen und Exekutionen wurden zur Abschreckung vor den auf dem Appellplatz angetretenen Häftlingen ausgeführt. Oft mußte zur Untermalung des grausamen Zeremoniells eine Häftlingskapelle spielen. Zur Ausübung ihrer Herrschaft bediente sich die SS auch einzelner Häftlinge, die zur Verbesserung ihrer eigenen Lage bereit waren, Mithäftlinge zu terrorisieren. Besonders gefürchtet waren viele der „Kapos“, die die Arbeitskommandos beaufsichtigten und oft den SS-Leuten in ihrer Brutalität in nichts nachstanden. (aus: Bergen – Belsen, Begleitheft zur Ausstellung, April 1990) Sehr späte Sühne Das Münchner Landgericht verurteilte gestern den 89-jährigen ehemaligen KZ-Aufseher und SS-Scharführer Anton Malloth zu lebenslanger Haft. Der Vorsitzende Richter Jürgen Hanreich hielt den Angeklagten des Mordes und Mordversuchs für schuldig. ... Von 1940 bis 1945 hatte der gelernte Fleischhauer Anton Malloth im Gestapo-Gefängnis „Kleine Festung“ in Theresienstadt Angst und Schrecken verbreitet. Malloth, der wegen seiner Eitelkeit „schöner Toni“ genannt wurde, hat sich, so bestätigten mehrere Zeugen, durch besonders grausame Aktionen hervorgetan. „Er war wie ein Teufel“, berichtete ein aus Wien angereister ehemaliger Häftling. Zwei Vorkommnisse, an die sich die Zeugen detailliert erinnern konnten, wurden dem SS-Scharführer nun zum Verhängnis. Malloth hatte 1944 auf einen jüdischen Häftling, der sich nach einem Arbeitseinsatz nicht ordnungsgemäß zurückgemeldet hatte, mit einem dicken Haselnussstock „wie von Sinnen“, so ein Zeuge, eingeprügelt. Als der Gefangene zu Boden ging, trat Malloth den Mann mit den Stiefeln in die Rippen. Der 25-minütige Gewaltausbruch endete mit dem Tod des Häftlings. Ein Jahr zuvor hatte Malloth einen jüdischen Gefangenen zusammengeschlagen und mehrere Schüsse auf ihn abgefeuert. Der Mann hatte bei Erntearbeiten versucht, einen Blumenkohl unter seiner Kleidung zu verstecken. Da nicht feststeht, ob dieser zweite Mann auch tatsächlich an den Folgen von Malloths Torturen starb, wurde dieser Fall nur als Mordversuch gewertet. Der Angeklagte habe „nicht aus Gleichgültigkeit“ gehandelt, sondern „den Hass gegen Juden und politische Verfolgte“ verinnerlicht, begründete Richter Hanreich die lebenslange Haftstrafe. Malloth war schon einmal verurteilt worden: Ein tschechisches Gericht hielt 1948 die Todesstrafe für den Aufseher für angemessen. Doch Malloth war zunächst nach Innsbruck und dann nach Meran geflüchtet. Dort lebte er unbehelligt, bis ihn Italien 1988 nach Deutschland abschob. Insgesamt dreimal hat die Staatsanwaltschaft in Dortmund in der Folgezeit das Verfahren gegen ihn eingestellt. 1999 meldete sich ein neuer tschechischer Zeuge. Die Dortmunder Anklagebehörde zeigte kein Interesse und gab das Verfahren nach dem Wohnortprinzip nach München ab, wo Malloth in einem Altenheim lebte. ... Malloth wurde im vergangenen Mai verhaftet, im Dezember stand die Anklageschrift wegen Mordes in drei Fällen und Mordversuches. Da ein weiterer zur Anklage gebrachter zweifacher Mord dem SS-Aufseher nicht eindeutig zugeordnet werden konnte, stellte die Staatsanwaltschaft dieses Verfahren ein. (taz Nr. 6459 vom 31.5.2001, Seite 11, 103 TAZ-Bericht, BERND SIEGLER) Solidarität und Widerstand Die Häftlinge versuchten auf unterschiedliche Weise, dem Unterdrückungssystem zu widerstehen. Selbst scheinbar Alltägliches wie Tagebuchschreiben oder Zeichnen konnte unter solchen Bedingungen zu Verweigerung und Widerstand werden. Nur so konnten die Häftlinge ihre Würde und Identität wahren. Besonders die politischen Häftlinge hielten zusammen und konnten durch die Übernahme von Funktionen - besonders als Krankenschreiber oder Lagerältester - das Los ihrer Mithäftlinge mildern. Durch Manipulationen der Lagerkartei retteten sie Mithäftlingen nicht selten das Leben. Offener Widerstand war seltener. Die Frauen des KZ Hannover-Limmer verhinderten durch ihre Solidarität die Einführung eines Prämiensystems, das sie zu Akkordleistungen zwingen sollte. Im KZ Buchenwald sammelte das Internationale Lagerkomitee sogar Waffen für den Versuch einer Selbstbefreiung. Es gab auch Verzweiflungstaten. Frauen, die von Bergen-Belsen nach Auschwitz deportiert worden waren, entwanden auf der Rampe einem SS - Mann die Waffe und erschossen ihn. (aus: Bergen – Belsen, Begleitheft zur Ausstellung, April 1990) ®Todesmärsche Das System der Konzentrationslager Im Zuge dieser frühen Verhaftungswellen nach dem Reichstagsbrand - sie überstiegen die Aufnahmekapazitäten der vorhandenen Justiz- und Polizeigefängnisse - entstanden die ersten „wilden“ Konzentrationslager in SA-Lokalen oder anderen requirierten Räumlichkeiten. Am 21.März 1933 wurden die ersten „Schutzhäftlinge“ (®Schutzhaft) in einer ehemaligen Pulverfabrik in Dachau interniert. Daraus entwickelte sich quasi der „Prototyp“ nationalsozialistischer Konzentrationslager. Ursprünglich als Muster- und Ausbildungslager für SS-Wachmannschaften konzipiert, formten sich im Dachauer Lager Organisations- und Repressionstrukturen unter dem Lagerleiter Theodor Eicke zu einem Vorbild für das entstehende System der Konzentrationslager. In der Folgezeit entwickelte sich ein weit verzweigtes Netz von Außenstellen und Nebenlagern, die organisatorisch je einem Hauptlager zugeordnet waren. Einige wichtige Hauptlager waren Dachau (errichtet 1933), Sachsenhausen (1936), Buchenwald (1938), Mauthausen (1939), das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück (1940), Auschwitz (1941) und Bergen-Belsen (1943). Die Lager waren einer zentralen Verwaltung, dem SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt unter Oswald ®Pohl und dem Reichsführer SS Heinrich ®Himmler unterstellt. Die Nationalsozialisten verschleppten Sozialdemokraten, Kommunisten, Bürgerliche, Angehörige von Religionsgemeinschaften und religiöser Gruppen, Zuhörige sogenannter „artfremder Rassen“: Menschen jüdischen Glaubens oder slawischer Muttersprache, Sinti und Roma, Homosexuelle oder Personen, deren Kultur und Lebensweisen der nationalsozialistischen Doktrin nicht entsprachen. Weiterhin inhaftierte man sogenannte „Berufsverbrecher“, die mitunter eine grausame Funktion als Handlanger der SS als „Kapos“ ausübten. Ausgehend vom Modell Dachau entwickelte sich in kürzester Zeit über das ganze Reich und in den besetzten Gebieten ein Netz von Konzentrationslagern. (Quelle: Microsoft Encarta) Mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges expandierte das KZ-System räumlich, veränderte sich aber auch strukturell. Die ökonomische Verwertbarkeit der Häftlingsarbeit trat in den Vordergrund. Bis 1937 war Arbeit genauso wie Sport in den Konzentrationslagern nur Strafe. Häftlinge mußten z.B. Steine von einer Seite auf die andere und wieder zurück tragen. Dann aber entschied sich die SS, Häftlinge für die Produktion einzusetzen. Das Budget der SS war begrenzt, Staatsgelder konnten nur für die staatlichen Aufgaben der SS (z.B. Konzentrationslager und Sicherheitspolizei) herangezogen werden, und viele SS-Formationen (z.B. der Sicherheitsdienst) mußten aus Parteifonds bezahlt werden. Da die SS Geld brauchte, wollte sie solches mit KZ-Häftlingen verdienen und richtete in den Konzentrationslagern SS-eigene Firmen ein. Das KZ Ravensbrück war Eigentümer einer Spielzeugfabrik. Im KZ Sachsenhausen hat man Schuhe ausprobiert; dort kann man noch immer die berüchtigte Laufbahn am Appellplatz sehen. Verschiedene KZ hatten angeschlossene Fabriken wie z.B. die Gustloffwerke im KZ Buchenwald und die Klinkerwerke im KZ Neuengamme. Aber mit Steinbrüchen konnte man am besten Geld verdienen, da ja das Bauen ein Hauptanliegen des Großdeutschen Reiches Adolf Hitlers war. Die SS gründete die »Deutsche Erd- und Steinwerke GmbH« (DEST) und errichtete die KZ Flossenbürg und Mauthausen, um die in der nächsten Nähe gelegenen Steinbrüche auszunutzen. Parallel dazu entwickelten sich Lager mit dem Ziel Menschen nicht mehr allein durch Arbeit und Haftbedingungen physisch und psychisch zu zerstören, sondern in industriellem Maßstab zu morden ®Vernichtungslager. Gegen Ende des 2. Weltkrieges spitzte sich die Lage zu, als die Zahl der Häftlinge nochmals stark anstieg. Schätzungsweise 700.000 bis 800.000 von circa 1,6 Millionen Gefangenen starben in den Konzentrationslagern (ohne Vernichtungslager; diese miteingerechnet starb eine mindestens viermal höhere Anzahl von Menschen, ®Holocaust), vor allem an Hunger, Seuchen, Überanstrengung und den Misshandlungen durch das Wachpersonal, viele auch an den Folgen von medizinischen Versuchen. Am grausamsten behandelte man die sowjetischen und polnischen Kriegsgefangenen und besonders die Juden. ®Emslandlager Frauen in Konzentrationslagern Das Frauenlager in Auschwitz Zum Thema Frauen in Konzentrationslagern, speziell in Auschwitz, fallen mir Bilder ein, die vielen bekannt sein dürften: Zuerst drängt sich mir die Erinnerung an die Berge von Frauenhaaren auf, die wir trotz Vorwissen nur fassungslos „bestarren“ konnten. Eine schier unendliche Menge von Zöpfen - mit der Zeit schon verblichen und unwirklich erscheinend - türmt sich hinter Glas auf. Sie dienten als Rohmaterial für Webstoffe, die zur Veranschaulichung gleich daneben gelegt wurden. Was bei uns Betroffenheit und Gänsehaut hervorruft, war für die Frauen damals meist erst der Anfang einer langen Tortur. Nach der Rasur, die ihnen ein weiteres Stück Identität raubte, wartete auf sie ein langsamer, grausamer Tod; präzise kallkuliert durch unmenschliche Anstrengungen und Arbeiten, die von ihnen ausgeführt werden mußten. Weiter fällt mir ein Wandbild ein, das wir in einem „Frauenblock“ in Birkenau gesehen haben. Frauen der Strafkompanie heben einen riesigen Graben aus und entwässern dadurch ein ganzes Moor. Kamen sie abends in ihre Behausungen zurück spielte ihnen das Mädchenorchster auf, während sie den Geruch der anliegenden Krematorien in der Nase hatten... In Auschwitz entstand im März 1942 ein Frauenlager. Dazu wurden im Stammlager zehn Blöcke durch eine hohe Betonmauer vom übrigen Lager abgetrennt. Am 19.März 1942 wurden die ersten 144 Frauen, die aus Gefängnissen in das Frauenlager überstellt wurden, erschossen. Die Lagerleitung war für ihre Aufnahme noch nicht genügend vorbereitet. Die Verlegung nach Birkenau bedeutete eine weitere Verschlechterung der Unterbringung: „...Für die Frauen war alles viel erschwerlicher, viel drückender und fühlbarer, weil die allgemeinen Lebensbedingungen im Frauenlager ungleich schwerer waren. Sie waren noch viel mehr zusammengepfercht, die sanitären, hygienischen Verhältnisse waren bedeutend schlechter. Auch war in das Frauenlager nie eine richtige Ordnung hinein zu bringen, durch die verheerende Überbelegung und deren Folge von Anfang an. Es war alles viel mehr Masse als bei den Männern. Wenn die Frauen einmal einen gewissen Nullpunkt erreicht hatten, ließen sie sich vollkommen gehen. Als vollkommen willenlose Gespenster wankten sie durch die Gegend, mußten von den anderen überall hingeschoben werden - bis sie dann eines Tages still hinüber gingen. Diese wandelnden Leichen waren ein fürchterlicher Anblick...“ Besonders hart traf die Umquartierung die Patientinnen aus dem Schonungsblock. Sie wurden aus Bequemlichkeit kurzerhand ins Gas geschickt. Während der gesamten Lagerzeit erschwerten Krankheiten und Epidemien das Leben der Frauen. Besonders zu schaffen machte ihnen Typhus (durch Läuse übertragen), Lungenentzündung, Hautinfektionen und Darmkrankheiten (wie z. B. Ruhr). Durch die schlechten Bedingungen (manche Blocks waren z.B. den ganzen Winter hindurch nicht beheizbar) und geschwächt von den zahlreichen Krankheiten überlebten von den 36.000 Frauen nur 13.000 den ersten Winter in Birkenau. Durch die Kennzeichnungen der Gefangenen mit verschiedenfarbenen Winkeln manifestierte sich unter ihnen bald eine Hierachie. Zur Häftlingsaufsicht wurden meist die mit grünem Winkel herangezogen (Funktionshäftlinge). Den grünen Winkel trugen oft sogenannte „Kriminelle“ und teilweise Prostituierte mit erheblichen Vorstrafen. Durch ihre Vormachtstellung unter den übrigen Frauen, gehörten sie schnell weder zur einen noch zur anderen Seite, denn sie wurden sowohl von ihren Mitgefangenen als auch von der SS-Lagerführung scharf und überaus kritisch beobachtet. Um zu überleben, arbeiteten sie den SS-Aufseherinnen meist in die Hände. Von außen betrachtet wurden sie so zu Mittäterinnen. Manche von ihnen nutzten jedoch auch ihre Vorrangstellung aus, um die Lage ihrer Mitgefangenen wenigstens teilweise zu verbessern. Wenn es in ihrer Möglichkeit stand, organisierten sie unter Einsatz ihres Lebens zusätzliche Nahrungsmittel, Kleidung oder Medikamente. In einzelnen Fällen wurde durch ihr Engagement sogar Menschenleben gerettet. (s. o. ®Alltäglicher Terror und ®Solidarität und Widerstand. Die Rekrutierung der SS-Aufseherinnen sollte sich für die Nazis komplizierter darstellen als angenommen. In den patriachalen und hierachischen Strukturen der SS, sollte es sich für die Männer als sehr schwer herausstellen, Frauen in ihnen gleichgestellten Positionen zu akzeptieren. Für die Aufgabe als SS-Aufseherinnen meldeten sich außerdem nur wenige: Festzuhalten ist auf alle Fälle, daß die weiblichen SS-Aufseherinnen ihren männlichen „Kollegen“ in puncto Grausamkeiten, Sadismus und Menschenverachtung in nichts nachstanden. Auch unter ihnen gab es berühmt-berüchtigte Persönlichkeiten, denen nach dem Krieg der Prozeß gemacht wurde. Lesben in Konzentrationslagern „... Ähnlich der Homosexualität in Männerlagern, grassierte im Frauenlager die Seuche der lesbischen Liebe. Auch die härtesten Strafen, auch die Einweisung in die Strafkompanie tat dem nicht Einhalt...“ Viele lesbische Frauen wurden als „Assoziale“, oft unter dem Vorwurf der Prostitution, eingeliefert und mit dem schwarzen Winkel gekennzeichnet oder als „Kriminelle“, zum Beispiel wegen „Nötigung zur Unzucht“. In diesem Umgang mit lesbischen Frauen spiegelen sich die ganzen chauvinistischen und patriachalen Denkweisen des Nationalsozialismus wieder. Außerdem ist somit Mutterschaft, ein „Heiliges Kind“ des Nationalsozialismus, ausgeschlossen. Dennoch stellten Lesben im 3.Reich keine Gefahr für den „Volkskörper“ dar und wurden aus diesem Grund nicht explizit wegen ihrer sexuellen Neigung strafrechtlich verfolgt. Durch den schwarzen Winkel, den die meisten von ihnen zu tragen hatten, standen sie in der Lagerhierachie ganz unten. Bordelle in Konzentrationslagern Durch eine „Reichsanordnung“ von Himmler wurden ab dem Sommer 1943 in einigen Konzentrationslagern Bordelle errichtet. In Buchenwald erhielt es sogar den keuschen Namen „Sonderbau“. Von dort wird auch berichtet, daß eine dringlich geplante „Reviererweiterung“ zugunsten des Baus eines Puffs zurückgestellt wurde. Mit dem Versprechen, nach sechs Monaten frei zu kommen, wurden im KZ Ravensbrück „Freiwilige“ für die Bordells gefunden. Bis auf wenige Ausnahmen fügten sie sich in ihr Schiksal. Die NS-Schergen hofften so die politischen Häftlinge, die den Vortritt in diesem Millieu hatten, zu korrumpieren, zu bespitzeln und von der Politik abzulenken. Der Zutritt in die Bordelle war für die Männer der SS strengstens verboten. Sie waren für die „privilegierteren“ Lagerinsassen gedacht. Die hygienischen Voraussetzungen waren verglichen mit den übrigen Lagerbedingungen relativ sauber. Immerhin durften sich die Frauen einmal am Tag waschen und wurden, bevor sie ins Bordell kamen, medizinischen Untersuchungen unterzogen. Dabei ist jedoch nicht zu vergessen, daß ein Menschenleben herzlich wenig wert war. Die Besuchszeit betrug für Leute ohne Beziehungen zwanzig Minuten nach vorheriger Untersuchung im Häftlingskrankenbau mit anschließender Sanierung. Hier wird einmal mehr deutlich, daß Leben und Gesundheit der Frauen weitaus weniger wert war, als das der Männer. http://www.dir-info.de/ Kollektivschuld Das unfaßbare Ausmaß der NS-Verbrechen schien durch die Schuld einzelner nicht erklärbar. Nach 1945 kam daher der Vorwurf auf, das ganze deutsche Volk sei mitschuldig. Der Begriff der Kollektivschuld jedoch widerspricht modernem Rechtsdenken, das nur die Rechtsschuld des einzelnen Täters kennt. Eli Wiesel: Erinnerung und Schuld (1987) Aber ich muß auch sagen, und zwar aus tiefster Überzeugung, daß nicht alle Bürger, die damals lebten, schuldig geworden sind. Als Jude, der seine Identität immer noch in der Tradition findet, glaube ich, daß es eine Kollektivschuld nicht gibt. Nur die Schuldigen waren schuldig. Kinder von Mördern sind keine Mörder, sondern Kinder. Schuld wie Unschuld ist persönlich. Deshalb habe ich weder die Absicht noch das Recht, die junge Generation von heute für die unaussprechlichen Verbrechen zu verurteilen, die eine frühere, die Hitler-Generation begangen hat. Aber ich glaube auch, daß wir das Recht und die Pflicht haben, die junge Generation verantwortlich zu machen - nicht für die Vergangenheit aber dafür, wie sie mit ihr umgeht, was sie mit den Erinnerungen tut, die ihr Erbteil sind. Sie ist verantwortlich zu machen für die Art und Weise, wie sie sich erinnert. Erinnerung ist also das Schlüsselwort. Sie verbindet Vergangenheit und Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft. Erinnnern heißt, den Glauben an die Menschheit erneuern, der Menschheit zum Trotz, und unserer schwachen Anstrengung Sinn zu verleihen. Das Erinnern gibt der Gerechtigkeit ihre Würde zurück. Gerechtigkeit ohne Erinnerung ist wie Schweigen ohne Worte. [...] Wenn wir die Herausforderung der Erinnerung annehmen, können wir gemeinsam vorwärts schreiten, etwas aufbauen auf allem Schmerz und Zorn. Ich glaube, eine große Botschaft der Menschlichkeit könnte so Gestalt annehmen.[...] Erinnern heißt daher, in mehr als einer Welt leben, einander tolerant, verständnisvoll und mitfühlend gegenübertreten. Es bedeutet Offenheit für das den Fragen innewohnend Geheimnis und ein waches Mißtrauen gegen absolute, definitive Antworten. http://shoanet.iuk.hdm-stuttgart.de/glossar/K.htm Korczak, Janusz Arzt - Schriftsteller – Pädagoge, * 1878 in Warschau, + 5.8. 1942 in Treblinka. Sein eigentlicher Name war Henryk Goldszmit. Er begann das Studium der Medizin und begann schon sehr früh, für die Rechte der Kinder zu kämpfen. Sein Ziel war es, die Schülerselbstverwaltung und die Abschaffung der Prügelstrafe zu erreichen. Nach dem Ersten Weltkriege gab er seine Praxis auf und übernahm die Leitung eines Waisenhauses. Als im Jahre 1939 die Deutschen Polen besetzten, war er Leiter des großen jüdischen Waisenhauses in Warschau. In einem schier unmenschlichen Einsatz versuchte er, den Kindern inmitten des nationalsozialisten Terrors ein halbwegs kindgerechtes Leben zu erhalten. 1942 wurden die 200 Waisenkinder nach Treblinka deportiert. Er ging mit ihnen in die Gaskammern. Zuvor hatten ihm die Wachen angeboten, als Arzt im Lager zu arbeiten, was er jedoch ablehnte, »um seine Kinder auch auf ihrem letzten Wege zu begleiten und ihnen die Angst zu nehmen.« (http://www.bautz.de/bbkl/k/korczak.shtml Korruption im Nationalsozialismus Korherr-Bericht ®Juden Korruption, ein Sumpf aus Bestechlichkeit, Unterschlagung, Patronage und Nepotismus im NS-Staat war ein „Strukturmerkmal“ der nationalsozialistischen Herrschaftspraxis, mehr noch: Korruption war eine „soziale Praxis“. Dabei sind drei, durch fließende Übergänge miteinander verbundene Varianten der Korruption zu unterscheiden: die institutionalisierte Korruption, die für die Stabilisierung des Regimes von tragender Bedeutung war und von ®Hitler verkörpert wurde, der sich durch großzügige ®Dotationen die Loyalität seiner Untergebenen sicherte. Ferner die tolerierte Korruption, worunter die Sonderfonds und schwarzen Kassen fielen, die nicht nur beinahe jeder Gauleiter, sondern auch die subalternen Funktionäre im zweiten und dritten Glied der NS-Hierarchie - ebenfalls fern jeder Kontrolle - unterhielten. Schließlich die bekämpfte Korruption, wobei mit „Bekämpfung“ die spärlichen, nicht etwa von Kriterien objektiven Rechts, sondern von politischer Opportunität geleiteten Maßnahmen der Strafverfolgung gemeint sind, die freilich allenfalls Bauernopfer forderten. Kameraderie hielt die NS-Bewegung zusammen, und wer schon vor der ®Machtergreifung Gefolgschaftstreue demonstrierte, durfte danach auf materielle Gefälligkeiten und zugeschanzte Posten, kurz: auf Macht und raschen sozialen Aufstieg hoffen. Der organisatorische Unterbau von Cliquenbildung und Patronage bildete die strukturelle Voraussetzung der Korruption. Die Doppelgesichtigkeit der Repräsentanten ist ein typisches Kennzeichen der NS-Bewegung. War sie angetreten, um der politischen Sauberkeit zum Erfolg zu verhelfen und das „Bonzentum der Systemzeit“ auszurotten, wurden die selbst gesetzten Regeln de facto nicht befolgt. ®Görings pompöser Lebensstil, finanziert aus öffentlichen Mitteln, ist bekannt, ebenso Hans Franks Vorliebe für Königsschlösser, Pelze und Juwelen. Dass auch Speer, ®Goebbels und Ley, der Propagator des Eintopfsonntags, vor Prunksucht strotzten, schon weniger. Und neu ist, dass selbst Provinzherrscher Landgüter besaßen, wie Erich Koch, Gauleiter von Ostpreußen und alleiniges Aufsichtsratsmitglied einer nach ihm benannten und einzig von ihm kontrollierten „Stiftung“, die über ein Gesamtvermögen von mehreren hundert Millionen Reichsmark verfügte. Mit dem Geld warf Koch nur so um sich; den Festsaal seines Herrensitzes beispielsweise ließ er abreißen und neu bauen, damit der Teppich, den er von Göring bekommen hatte, hineinpasste. Überhaupt war der Osten das Eldorado derer, die gewieft und skrupellos genug waren, um binnen kurzem sehr reich zu werden. Galizien hieß „Skandalizien“, und das Generalgouvernement wurde auch „Gangster-Gau“ genannt. Von Normen nicht gebunden und im Dickicht der Kompetenzverhältnisse keiner institutionalisierten Kontrolle ausgesetzt, häuften deutsche Verwaltungsleute, SS-Angehörige und Zivilisten durch Raub, Lebensmittelschiebereien und so genannte treuhänderische Verwaltung von Unternehmen enorme Vermögenswerte an. Die Rassenideologie tat das Ihre, um die Herrenmenschenattitüde zu rechtfertigen; der Befehlshaber der ®Einsatzgruppe C beispielsweise, dessen Aufgabe es war, hinter der Front den Judenmord zu organisieren, zögerte nicht lange, ehe er in Tirol eine Badezimmereinrichtung orderte und in Shitomir installieren ließ. Korruption war eine Begleiterscheinung der Vernichtungspolitik und die moralische Destruktivität kein „isoliertes Randphänomen“, sondern vielmehr eine „systemimmanente Massenerscheinung“. Habgier bildete folglich ein Motiv für den Massenmord und trug zur Radikalisierung der antijüdischen Politik ebenso bei wie Fanatismus aus Rassenhass und die Einübung arbeitsteiliger bürokratischer Prozesse. Auf öffentlichen Versteigerungen erwarben Zivilisten im „Altreich“ zu Hunderttausenden das Hab und Gut ermordeter Juden. Die NS-Volksgemeinschaft trug Züge einer „Beutegemeinschaft“. Korruption gehörte zum Wesen des Dritten Reiches, und: Im Verfall moralischer Werte standen Herrschaft und Gesellschaft einander kaum nach.®Kunstraub http://www.f-r.de/fr/spezial/literatur/t2048021.htm Kraft durch Freude (KdF) Die am 27. November 1933 gegründete NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ (KdF) war die populärste Organisation im ®NS-Regime. Das Volkswagen-Projekt sowie Nah- und Fernreisen gehörten zu den wichtigsten Aktivitäten der Freizeitorganisation KdF, einer Unterorganisation der ®Deutschen Arbeitsfront (DAF). Mit dem umfassenden Wirken dieser Organisation sollte vorrangig die Arbeiterschaft in die ®Volksgemein- schaft integriert werden. Zugleich sollten so die im Zuge der Aufrüstung notwendigen Produktionssteigerungen ohne nennenswerte Lohnerhöhungen durchgesetzt werden. KdF-Veranstaltun gen sollten der Entspannung und der Regeneration zur Erhöhung der Arbeitsleistung dienen, wozu auch die Verbesserung und Verschönerung der Arbeitsplätze mit Kantinen, Sportstätten oder Grünanlagen gehörte. Die Organisation KdF, die den Zugang zu bisher bürgerlichen Privilegien anbot, diente letztlich der Vorstellung einer klassenlosen Gesellschaft im Sinne der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft. Die vielfältigen Aktivitäten von KdF boten ein umfangreiches kulturelles und touristisches Freizeitprogramm. Theateraufführungen, Konzerte, Kunstausstellungen oder Vorträge wurden bis 1938 von über 38 Millionen Menschen besucht. In Berlin sollte die „KdF-Stadt“ 1936 jedem „deutschen Volksgenossen“ die Teilnahme an den Olympischen Spielen ermöglichen. In den eigens erbauten Häusern in der Nähe des Berliner Olympiastadions wurden günstige Unterkünfte und Verpflegung angeboten. Das von der NS-Propaganda stark herausgestellte „Prunkstück“ von KdF war ihr Reisepragramm. 43 Millionen Reisen verkaufte KdF bis 1939, überwiegend Tagesausflüge. Von den sieben Millionen Urlaubsreisen waren 690.000 Hochseefahrten nach Norwegen, Madeira oder Italien. Die Preise lagen zwischen einer und fünf Reichsmark für Kurzreisen und 120 Reichsmark für eine Schiffsreise nach Madeira, die jedoch für einen Arbeiter mit einem Monatseinkommen von rund 150 Reichsmark nahezu unerschwinglich war. Ähnlich dem „Reisesparen“ war ab 1938 auch der Erwerb des KdF-Wagens von Volkswagen (VW) geregelt. Der Interessent erwarb Woche für Woche Sparmarken, bis die Kaufsumme von 990 Reichsmark erreicht war. Zwei Jahre später hatten bereits 300.000 potentielle Käufer über 280 Millionen Reichsmark angespart, für die sie niemals ein Auto erhielten: Das neu errichtete Werk bei Fallersleben produzierte nur noch für den Zweiten ®Weltkrieg - den bekannten „Kübelwagen“. (http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/innenpolitik/etablierung/index.html) Kreisauer Kreis Kreisauer Kreis, eine Gruppe des deutschen ®Widerstandes gegen Adolf ®Hitler und das nationalsozialitische Regime. Benannt wurde der Kreisauer Kreis nach dem Hauptort ihrer Zusammenkünfte, dem Gut Kreisau in Niederschlesien des Grafen Helmuth James von Moltke. Die Gruppe, deren Mitglieder sowohl ihrer sozialer Herkunft nach, als auch in ihren politischen und ideologischen Einstellung ein breites Spektrum vertraten, begann sich 1940 zu formieren. Seit Pfingsten 1942 galt der Kreisauer Kreis als weitgehend gefestigt. Die einflussreichsten Mitglieder waren: der Jurist Peter Graf York von Wartenburg, der schwäbische Theologe Eugen Gerstenmaier, der Jurist Adam von Trott zu Solz, die Jesuitenpatres Alfred Delp und August Rösch, der Pädagoge und Sozialdemokrat Adolf Reichwein, der Jurist und engagierte Katholik Hans Peters, der evangelische Geistliche Harald Poelchau und die sozialdemokratischen Politiker Theodor Haubach, Julius Leber und Carlo Mierendorff. ... Die Verhaftung Moltkes im Januar 1944 ließ die Arbeit des Kreisauer Kreises stagnieren. Einige seiner Mitglieder schlossen sich der Widerstandsgruppe um Carl Friedrich Goerdeler an, einige näherten sich dem militärischen Widerstand an. Nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 wurden auch zahlreiche Mitglieder des Kreisauer Kreises verhaftet und hingerichtet. (Encarta® Online-Enzyklopädie 2001) s.a.: - Kreisau Initiative Berlin, http://www.kreisau.de/ - Stiftung Kreisau - Europäische Verständigung http://de.geocities.com/cvboxburlage01/kreisau/index_kreisau.html - Die Internationale Jugendbegegnungsstaette Kreisau/ Krzyzowa http://www.dpjw.org/deutsch/aktuelles/kreisau.doc - Internationale Jugendbegegnungsstätte http://www.krzyzowa.org.pl/de/popups/goscie.html Kriegsgefangenschaft Grundlage für die Behandlung von Kriegsgefangenen sollte die „Haager Landkriegsordnung“ von 1907 bilden, wonach Gefangene mit Menschlichkeit und „in Beziehung auf Nahrung, Unterkunft und Kleidung auf demselben Fuße zu behandeln [seien] wie die Truppen der Regierung, die sie gefangengenommen hat“. Die Genfer Kriegsgefangenen-Konvention von 1929 beinhaltete weitere Bestimmungen über einen humanen Umgang mit Gefangenen einschließlich des Verbots, sie zu „unzuträglichen und gefährlichen Arbeiten zu verwenden“. Ausgenommen in Japan und der Sowjetunion besaßen die Konventionen Gültigkeit in allen am Zweiten Weltkrieg beteiligten Staaten. Allerdings erkannte die deutsche Führung den Schutz des Kriegsvölkerrechts für die nach dem Überfall auf Polen in deutsche Kriegsgefangenschaft geratenen 400.000 polnischen Soldaten nicht an. Sie aberkannte den Soldaten das Statut als Kriegsgefangene mit der Begründung, daß ein nicht mehr existenter polnischer Staat über keine bewaffneten Organe verfügen könnte. Die Gefangenen konnten zu Zivilisten erklärt und als Zwangsarbeiter in der deutschen Industrie oder Landwirtschaft eingesetzt werden. Für sie galten strengste Bestimmungen; Vergehen wurden zumeist mit Ermordung oder Einlieferung in Konzentrationslager (KZ) geahndet. Ähnlich erging es rund 100.000 serbischen Gefangenen nach Abschluß des Balkanfeldzugs im April 1941, die als sogenannte Südostgefangene ebenfalls unter schlechtesten Bedingungen in der deutschen Wirtschaft eingesetzt wurden. Weitgehende Einhaltung fanden die Konventionen auf den westlichen Kriegsschauplätzen. Norwegische, dänische, belgische, niederländische und griechische Soldaten erhielten bald nach Beendigung der Kämpfe ihre Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft. Rund 15.000 schwerverwundete alliierte Soldaten wurden über Schweden, Spanien oder die Schweiz gegen eine gleich hohe Anzahl deutscher Schwerverwundeter ausgetauscht. Etwa 1,6 Millionen der im Rahmen der deutschen Westoffensive 1940 gefangengenommenen französischen Soldaten mußten entlohnte Arbeitseinsätze im Deutschen Reich leisten. Nach Beginn des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 nahm die Wehrmacht bis Jahresende in gewaltigen Kesselschlachten rund 3,35 Millionen sowjetische Soldaten gefangen. Insgesamt gerieten bis Kriegsende etwa 5,7 Millionen Rotarmisten in deutsche Kriegsgefangenschaft, die 3,3 Millionen von ihnen nicht überlebten. In dem Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion glaubte die deutsche Führung, auf sowjetische Gefangene keine Rücksicht nehmen zu müssen. Gezielt wurden Juden oder durch den „Kommissarbefehl“ kommunistische Funktionäre ausgesondert und ermordet. Mit dem Einbruch der Kälte im Herbst 1941 starben bis Februar 1942 insgesamt rund zwei Millionen sowjetische Kriegsgefangene an Erfrierungen in improvisierten Lagern ohne Behausung oder an unmenschlicher Behandlung. Der vom NS-Regime einkalkulierte „Tod durch Hunger“ war allgegenwärtig, viele Gefangene versuchten ihm durch Kannibalismus zu entgehen. Hunderttausende entkräfteter Sowjets verloren ihr Leben auf den Transporten zur Zwangsarbeit nach Deutschland oder an Epidemien in den Sammellagern. Rund 930.000 sowjetische Kriegsgefangene überlebten das Kriegsende in Deutschland. Eine Million Mann hatten die Deutschen zuvor entlassen, viele von ihnen als „Hilfswillige“ zum Dienst in der Wehrmacht, die ab 1943 selbst gewaltige Zahlen an deutschen Gefangenen verkraften mußte. Über die meisten sowjetische Kriegsgefangene gibt es in deutschen Archiven keine personenbezogenen Unterlagen, ihre individuellen Schicksale liessen sich daher nur schwer klaeren. Im Rahmen eines gemeinsamen deutsch-russischen Forschungsvorhabens werden gegenwaertig Daten sowjetischer Kriegsgefangener im Deutschen Reich auf der Grundlage von Unterlagen der ehemaligen Wehrmachtauskunftstelle, die 1945 von der Roten Armee in die Sowjetunion verbracht worden sind und bis vor kurzem unzugaenglich waren, verzeichnet. Aufgrund dieser Bestaende wird es nun moeglich werden, neue wissenschaftliche Erkenntnisse zum Schicksal von Kriegsgefangenen und zur Wirklichkeit des deutschen Kriegsgefangenenwesens anhand detailliert zu dokumentierender Einzelschicksale zu gewinnen. Große humanitaere Bedeutung hat gleichzeitig, dass zum ersten Mal umfassend für eine bestimmte sowjetische Gefangenengruppe den Hinterbliebenen genaue Sterbedaten und Grablagen ihrer verstorbenen Angehoerigen mitgeteilt werden koennen http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/2001/pabe0301.htm Mit den Kapitulationen von 91.000 Soldaten der deutschen 6. Armee in Stalingrad im Februar 1943 sowie von rund 130.000 Angehörigen des Deutschen Afrikakorps in Tunis drei Monate später gerieten zum ersten Mal im Zweiten Weltkrieg große Wehrmachtsverbände in Kriegsgefangenschaft. Bis dahin befanden sich rund 100.000 Soldaten in sowjetischer und wenige tausend Mann in britischer Gefangenschaft, zumeist Marineangehörige und abgeschossene Piloten. Ende Juli 1943 gründete sich in der Nähe von Moskau das Nationalkomitee Freies Deutschland (NKFD) als anti-nationalsozialistische Organisation aus deutschen Exil-Kommunisten und kriegsgefangenen Wehrmachtsangehörigen. Ihre in Lautsprecherdurchsagen und Flugblättern verbreiteten Aufrufe an die deutschen Frontsoldaten, sich in Gefangenschaft zu begeben, stießen allerdings auf wenig Resonanz. Auch millionenfach abgeworfene rote Passierscheine der Westmächte mit der Zusage, nach den Grundsätzen der Haager und Genfer Konventionen behandelt zu werden, sollten die deutschen Soldaten nach der alliierten Invasion in der Normandie im Juni 1944 zum Gang in die Gefangenschaft ermutigen. Mit der Befreiung Frankreichs durch die Westmächte stieg die Zahl der in anglo-amerikanische Kriegsgefangenschaft geratenen Deutschen von Sommer 1944 bis Frühjahr 1945 schlagartig von 200.000 auf über eine Million Mann an. Bei Kriegsende waren über 11 Millionen deutsche Soldaten in Kriegsgefangenschaft. Dank Lebensmittelpaketen des Amerikanischen und des Internationalen Roten Kreuzes waren die deutschen „Prisoners of War“ (PW) in westeuropäischen und nordamerikanischen Gefangenenlagern mit ausreichend Lebensmitteln und dem Notwendigsten versorgt. Erst die Masse von rund 7,5 Millionen deutschen Kapitulationsgefangenen warf ab Mai 1945 gravierende Versorgungsengpässe auf. Vor allem in den „Rheinwiesenlagern“ wie Remagen starben tausende deutsche Kriegsgefangene an Hunger und Erschöpfung in notdürftigen Erdlöchern oder auf freiem Feld. Weitaus schlimmer erging es den insgesamt 3,3 Millionen deutschen Soldaten in sowjetischer Gefangenschaft. Die von den Sowjets massenhaft abgeworfenen illustrierten Flugblätter mit den Bildern zufriedener Wehrmachtssoldaten spiegelten nicht annähernd die Zustände in den sibirischen Gefangenenlagern wider, in denen bis 1944 nur etwa jeder zehnte Kriegsgefangene überlebte. Nach Zwangsarbeit, Hunger und Krankheit kehrten knapp zwei Millionen Gefangene aus der Sowjetunion nach Deutschland zurück, die letzten im Januar 1956. http://www.dhm.de/lemo/html/wk2/kriegsverlauf/gefangenschaft/ Kripo Die Kriminalisten der Weimarer Republik hatten eine beispiellose Modernisierung ihres Apparates erlebt und daraus das Selbstbewußtsein abgeleitet, die Kripo sei fähig, Kriminalität auf eine Randgröße zu reduzieren. Im Jahre 1926 veröffentlichte der Berliner Kriminalwissenschaftler Dr. Robert Heindl ein Buch mit dem Titel „Der Berufsverbrecher“, das innerhalb von drei Jahren sieben Auflagen erlebte und über Jahrzehnte hinweg großen Einfluß auf die Praxis der deutschen Kriminalpolizei ausüben sollte. Die allenthalben beklagte Kriminalität in der modernen Gesellschaft, führte Heindl darin aus, sei nahezu allein das Werk einer relativ kleinen Gruppe von „Berufsverbrechern“. Gestützt auf Statistiken über rückfällige Straftäter versuchte er zu zeigen, daß nicht mehr als etwa acht- bis neuntausend solcher Verbrecher den überwiegenden Teil aller kriminellen Delikte (und damit meinte er fast ausschließlich Eigentumsdelikte) in Deutschland begingen - und zwar nahezu zünftlerisch eingeteilt in Spezialisten für Raub, Einbruch, Taschendiebstahl, Tresoraufbruch und so weiter. Dieses Modell sollte sich für die Theorie und Praxis der Kriminalpolizei in den dreißiger und vierziger Jahren als ungewöhnlich einfluß- und folgenreich erweisen. Die Wirklichkeit freilich sah ganz anders aus, als Heindl sie beschrieben hatte. Der „Berufsverbrecher“ war ein Schreibtischgeschöpf, ersonnen von Kriminalisten, welche die sie umgebende Welt alltäglicher Delinquenz für sich erklärbar und bekämpfbar machen wollten. Wenn nämlich nur eine so kleine Gruppe für die Kriminalität verantwortlich war, dann müßte, wenn man diese 8.000 Berufsverbrecher unschädlich machen würde, auch die Kriminalität weitgehend beseitigt sein. Vorbeugehaft und Sicherungsverwahrung derer, die man als „Berufsverbrecher“ ansah, hießen die daraus abzuleitenden und von seiten der Kriminalpolizei auch lautstark geforderten Konsequenzen; und es blieb bis 1933 ihre dauernde Beschwerde, daß die Politiker der Weimarer Republik sich diesen Forderungen mit Hinweisen auf rechtsstaatliche Prinzipien verweigerten. Ab 1933 wurden Vorbeugehaft und Sicherungsverwahrung in breitem Ausmaß ermöglicht, der Ansatz Heindls wurde auch erheblich erweitert und radikalisiert. Denn die Disziplin der „Kriminalbiologie“ erklärte den Hang zur Kriminalität als ererbte, mithin unabänderliche Eigenschaft definierbarer Gruppen. Die „Berufsverbrecher“, so erklärte der Psychiater Robert Ritter, seien die Abkömmlinge eines geschlossenen „Menschenschlags“, die er als „Asoziale“ klassifizierte. Wolle man daher die Kriminalität wirksam bekämpfen, so müsse man, unabhängig von der bereits begangenen Tat, die Angehörigen dieses Menschenschlags komplett und präventiv ausschalten. Das war der Weg zu der von den Kriminalisten erträumten Gesellschaft ohne Kriminalität, der „Volksgemeinschaft ohne Verbrecher. Demgemäß hat sich die Kriminalpolizei – zumindest was einen großen Teil ihrer Beamten betrifft – voller Überzeugung von der Richtigkeit ihres Tuns an den Gewaltverbrechen des Nationalsozialismus‘ beteiligt. Bei der Kriminalpolizei des „Dritten Reiches“ lagen zum einen erhebliche Zuständigkeiten, was die Verfolgung von Gruppen anging, die nicht in die „Volksgemeinschaft“ paßten. Zum zweiten nahm die „klassische“ Verbrechensbekämpfung im „Dritten Reich“ Formen an, die jegliche Rechtsstaatlichkeit oder Gewaltenteilung leugneten. Für die Kriminalisten begann die Ära als „Ärzte am Volkskörper: Was da faul ist, muß erbarmungslos herausgeschnitten werden“. Durch die Verschmelzung von Kriminalpolizei und Gestapo zur „Sicherheitspolizei“ im Jahre 1936 erhielten diese theoretischen Erkenntnisse ihren organisatorischen Ausdruck. Die von den Kriminalpolizeistellen nun in die Konzentrationslager eingewiesenen „Asozialen“ und „Berufsverbrecher“ übertrafen an Zahl die „politischen Häftlinge“ bei weitem; wobei sich die eskalierende Gewalt der NS-Behörden gegen „Arbeitsverweigerer“ und „Arbeitsscheue“ ebenso richtete wie gegen mehrfach wegen desselben Delikts Bestrafte - vom Einbrecher bis zum Fahrraddieb, gegen Trinker und Kleptomanen, gegen Prostituierte ebenso wie gegen „liederliche Hausfrauen“. Die Ausschaltung, schließlich die „Ausmerze“ der „Asozialen“ sollte nicht nur die Kriminalität ausmerzen, sondern sie war allgemeiner Teil eines umfassenden gesellschaftsbiologischen Programms, das in dieser Zuspitzung ohne historische Vorbilder war und auf die Vision einer Gesellschaft abzielte, die keine Konflikte mehr kannte. Allerdings mußten die deutschen Kriminalisten schon nach kurzer Zeit erkennen, daß dieses kriminalbiologische Modell nicht aufging. Denn obwohl die Kripo allein in Deutschland etwa 80.000 Menschen in die Konzentrationslager verschleppt hatte, sank die Kriminalitätsrate nicht, sondern stieg in den letzten Kriegsjahren vielmehr steil an - was die Abhängigkeit der Entwicklung der Kriminalität von gesellschaftlichen Krisen und Spannungen anschaulich belegt. Aber die Vision eines siegreichen bereinigten Nachkriegsdeutschlands blieb gleichwohl bestehen und schlug sich in dem Entwurf des „Gemeinschaftsfremdengesetzes“ von 1944 nieder, wonach schätzungsweise 1,6 Millionen Deutsche abzusondern und gegebenenfalls auch auszumerzen waren. Aus den 8.000 „Berufsverbrechern“ war eine nach Millionen zählende Gruppe von potentiellen Delinquenten geworden. Nicht einmal nach dem Zusammenbruch der NS-Diktatur hat die Vorstellung vom „Berufsverbrecher“ für die deutschen Kriminalisten ihre Faszination verloren. 1955 hob das Bundeskriminalamt unter ausdrücklichem Bezug auf die Erfahrungen mit der „Verbrechensbekämpfung“ im NS-Staat hervor, daß die Kriminellen sich nicht durch „Nachsicht und Güte“, sondern allein durch „die Einweisung auf unbestimmte Zeit in Vorbeugehaft“ hätten abschrecken lassen. So erklärte sich auch die „wieder“ stark ansteigende Kriminalitätsrate seit Kriegsende: „Man sollte nicht vergessen, daß die Alliierten im Jahre 1945 ca. 6.000 Berufsverbrecher ,befreit‘ haben und daß heute in der Bundesrepublik noch keine 400 Berufsverbrecher in Sicherungsverwahrung sind. Diese Zahlen beweisen in Verbindung mit den steigenden Kriminalitätsziffern , daß wir die vorbeugende Verbrechensbekämpfung stark vernachlässigt haben.“ Daß an den „Asozialen“ und „Berufsverbrechern“ während der NS-Zeit durch das Einsperren in die Konzentrationslager ein Unrecht begangen worden war, daß es sich gar um ein spezifisch nationalsozialistisches Unrecht handelte, war nach dem Krieg die Meinung unbedeutender Minderheiten - nicht zuletzt deshalb, weil die politischen Häftlinge der NS-Zeit die „Berufsverbrecher“ oftmals in den Konzentrationslagern als Kollaborateure der SS erlebt oder wahrgenommen hatten. http://www.uni-hamburg.de/PSV/PR/Presse/Mitteilu/krimi.html http://www.berlinonline.de/wissen/berliner_zeitung/archiv/1997/0419/reporter/0010/ Kristallnacht ®Reichspogromnacht Kunst und Kultur Nach der gewaltsamen „Entfernung“ jüdischer, kommunistischer und „unerwünschter“ Künstler aus öffentlichen Ämtern (®Arierparafraph, ®Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums) und der ®Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 auf dem Berliner Opernplatz, wurde bereits in den ersten Monaten nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten deutlich, daß die Vielfalt der Kunst und Kultur der Weimarer Republik unwiderruflich zu Ende war. Abgelehnt und verfolgt wurde die avantgardistische, großstädtische Kunst- und Kulturszene, die als „undeutsch“ und „artfremd“ galt. Die am 22. September 1933 gegründete „Reichskulturkammer“ hatte unter dem Vorsitz von Reichspropagandaminister Joseph ®Goebbels für die Neuordnung des künstlerischen Schaffens zu sorgen. Nur wer arischer Abstammung (®Ariernachweis, ®Arierparagraph, ®arisch) und nicht durch „kulturbolschewistische“ Arbeiten stigmatisiert war, durfte seinen Beruf weiter ausüben. Kunst und Kultur waren nicht mehr autonom, sondern in den Dienst des NS-Regimes und seiner Rassenideologie (®Rassenkunde) zu stellen. Die neue, nationalsozialistische deutsche Kunst sollte eine Kunst des nordisch-arischen Volks sein. „Kunst ist immer die Schöpfung eines bestimmten Blutes, und das formgebundene Wesen einer Kunst wird nur von Geschöpfen des gleichen Blutes verstanden“, schrieb Alfred Rosenberg in seinem 1930 erschienenen Buch „Der Mythus des 20. Jahrhunderts“. Eine in der ganzen Welt beheimatete „Kunst an sich“ lehnte er strikt ab. Als Führer des 1929 gegründeten „Kampfbund für deutsche Kultur“ hetzte er gegen die abstrakte, experimentierfreudige Moderne und amerikanische Kultureinflüsse wie den „Niggerjazz“. Rosenberg propagierte die von Adolf Hitler 1924 in seinem Buch „Mein Kampf“ beschworene „sittliche Staats- und Kulturidee“, die sich auf die „rassische Substanz“ des Volks und auf ein die Bildhauerei, Malerei, Architektur, Literatur, Musik und Film umfassendes, ästhetisch gestaltendes Schaffen gründen sollte. Idealisierte weibliche Aktbilder wie Ivo Saligers (1894-?) „Die Rast der Diana“ oder Adolf Zieglers (1892-1959) „Die vier Elemente“ standen im Mittelpunkt der NS-Malerei. Wohlgeformte Körper dienten den Nationalsozialisten als Propaganda für die Ästhetik des nordischen Menschen, die Schönheit, Reinheit und Anmut symbolisieren sollte. Auch die Plastiken und Monumentalfiguren der beiden prominentesten NS-Bildhauer Arno Breker und Josef Thorak (1889-1952) sollten mit heroisierendem Pathos die Überlegenheit des „arischen Herrenvolks“ demonstrieren. Ganz im Sinne des nationalsozialistischen Kunstideals formten sie muskulöse Männergestalten oder kämpfende „Kameraden“ nach Vorbild der klassischen Antike, die auf Stolz und Stärke des NS-Regimes verwiesen. Zu den von der NS-Kunstpolitik bevorzugten Motiven gehörten auch Landschaften, Stilleben, mythologische Szenen und - ganz im Sinn der NS-Frauenpolitik - stillende Mütter sowie vor allem das harte Leben von Arbeitern und Bauern. Maler wie Leopold Schmutzler (1864-1940), Thomas Baumgartner (1882-1962), Adolf Wissel (1894-1973), Sepp Hilz (1906-1967) oder Paul Junghanns (1876-1958) mystifizierten in ihren Gemälden eine auf unvergängliche Werte, Tradition und vorindustrielles Kleinbauerntum gründende Blut- und Bodenideologie. Alles in allem hat die NS-Zeit jedoch kaum originäre Werke hervorgebracht. Die von den Nationalsozialisten propagierte neue Kunst knüpfte in allen Bereichen der Bildende Kunst im wesentlichen an die Heimatkunst des Kaiserreichs an. Charismatisch erhöht und unnahbar wirkten wie bei der Hitler-Büste von Bernhard Bleeker, einem der bedeutensten Bildnisplastiker der Zeit, stets die Darstellungen von Adolf Hitler. Viele Bilder von Hitler sind um ihn als Parteiführer oder Teilnehmer von nationalsozialistischen Kundgebungen oder Feierlichkeiten aufgebaut, die einen erheblichen Anteil an der NS-Kunst einnahmen. So fing der Maler Ernst Vollbehr (1876-1960) in seinen Bildern von den Reichsparteitagen mit üppigen Farben die Atmosphäre der Massenformationen und Aufmärsche ein. Eine nationalsozialistische Kundgebung ganz anderer Art stellte Karl Hubbuch (1891-1979) kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in seinem Bild „Aufmarsch II“ dar. Während Hubbuch trotz der düsteren Szenerie seines Bildes ein Vorüberziehen der nationalsozialistischen Gefahr noch möglich erschien, stellten das Ehepaar Hans Grundig und Lea Grundig in ihren Zyklen „Untern Hakenkreuz“ und „Tiere und Menschen“ 1936/37 gleichermaßen eindrucksvolle wie pessimistische Werke über die politische Situation in Deutschland her. Auch Käthe Kollwitz drückte mit ihrer Plastik „Turm der Mütter“ 1938 die Bedrohung aus, die vom NS-Regime für die Bürger ausging. 1936 erging ein totales Verbot jeglicher Kunst der Moderne. Hunderte Kunstwerke, vor allem aus dem Bereich der Malerei, wurden aus den Museen entfernt und entweder für die am 19. Juli 1937 in München eröffnete Ausstellung ®“Entartete Kunst“ konfisziert, ins Ausland verkauft oder zerstört. Maler, Schriftsteller und Komponisten erhielten - soweit sie nicht emigriert waren - Arbeits- und Ausstellungsverbot. Das bereits seit 1933 bestehende Ankaufsverbot für nicht-arische und moderne Kunstwerke wurde verschärft. 1937 öffnete die „Große Deutsche Kunstausstellung“ im neugebauten Haus der Kunst in München. Die abstrakten und gegenstandslosen Produkte der Avantgardekunst hatten in der Weimarer Republik stets nur das Interesse weniger, zumeist intellektueller Menschen geweckt. In weiten Bevölkerungskreisen herrschten Unverständnis und Ablehung gegenüber modernen Kunstrichtungen vor. Das Ziel der „Großen Deutschen Kunstausstellung“ lag daher nicht nur in der Präsentation deutscher Kunst, sondern auch im Versuch, dem einfachen Volk „seine“ Kunst näherzubringen. Ein offizieller Wettbewerb lud alle deutschen Künstler im In- und Ausland ein, daran teilzunehmen. Von den 16.000 eingesandten Werken wurden gut 600 ausgestellt und zum Verkauf angeboten. Auffallend war jedoch das Fehlen junger Talente. Die meisten der ausgestellten Künstler, wie Fritz Erler (1868-1940) oder Ferdinand Spiegel (1879-1950), hatten ihre Werke bereits vor dem Machtantritt der Nationalsozialisten an anderen Orten ausgestellt. Zu den wertvollsten Stücken in den „Großen Deutschen Kunstausstellungen“ der folgenden Jahre gehörten die Skulpturen von Fritz Koelle, ein zuvor von den Nationalsozialisten verfemter Bildhauer, der sich mit dem NS-Regime arrangierte und sich dessen Kunsterwartung wie mit dem 1937 entstandenen „Bergmann“ anpaßte. Auch die Photographie beschwor die Ideale der Stärke, der Schönheit, der Reinheit und der Volksgemeinschaft. Technisch perfekte Photos installierten ästhetische „Leitbilder“ des arischen Menschen oder der Heimat, die mythisch verklärt Faszination und Verführungskraft ausübten. Durch zahlreiche Ausstellungen oder durch Zeitschriften wie „Volk und Welt“ erreichten die Bilder ein Massenpublikum. Photographen und offizielle NS-Bildberichterstatter wie Liselotte Orgel-Köhne (geb. 1918), Erna Lendvai-Dircksen (1883-1962), Erich Retzlaff (1899-1993), Hans Retzlaff (1902-1965), Wolf Strache (geb. 1910) oder August Rumbucher (1905-1990) hielten mit ihren Kameras im Sinne der NS-Propaganda heroisierte „deutsche Volksgesichter“, eine vorindustrielle bäuerliche Kultur oder ab 1939 die Feldzüge der Wehrmacht fest. Der in der Weimarer Republik begonnene Trend zur Massenkultur und Massenunterhaltung setzte sich nach 1933 unvermindert fort und umfaßte alle Formen kulturellen oder sportlichen Lebens. Durch den Rundfunk oder die Wochenschau erfuhr der Sport eine Popularisierung. Der berühmteste deutsche Sportler Max Schmeling genoß weltweite Popularität und in Deutschland den Status einer nationalen Identifikationsfigur. Millionen Menschen verfolgten an den Radiogeräten seine Kämpfe oder jede Woche die Fußballspiele in den verschiedenen Gauligen. Der Fußball mobilisierte Massen, vor allem im Ruhrgebiet. Populärste Mannschaft in Deutschland war die traditionsreiche „Arbeiterelf“ von FC Schalke 04, sechs ihrer sieben Deutschen Meisterschaften fielen in die Zeit des NS-Regimes. Die intellektuellenfeindlichen Nationalsozialisten feierten die Erfolge von Schalke mit seinen Idolen Ernst Kuzorra (1905-1990) und Fritz Szepan (1907-1974) stets propagandistisch als „Sieg der Arbeiterklasse“. Der „Alltagsverschönerung“ sollten im NS-Regime vor allem der Rundfunk und der Film dienen. Gleichzeitig setzte Goebbels beide Medien gezielt zur Verbreitung von Massenpropaganda (®Propaganda) ein. Zwischen 1932 und 1939 verdreifachte sich die Zahl der Rundfunkteilnehmer - besonders durch den massenhaften Verkauf des kostengünstigen Volksempfängers - von vier auf zwölf Millionen. Vor allem der Film war nach Ansicht von Goebbels „eines der modernsten und weitreichendsten Mittel zur Beeinflussung der Masse“. In der Saison 1934/35 gingen rund 250 Millionen Menschen in die Kinos, fünf Jahre später waren es eine Milliarde Kinobesucher jährlich. War der erste von den Nationalsozialisten nach ihrer Machtübernahme gedrehte Propagandafilm „Hitlerjunge Quex“ (1933) trotz Mitwirkens des beliebten Schauspielers Heinrich George nicht unbedingt ein Publikumsmagnet, so waren die Massen fasziniert von den Parteitagsfilmen „Sieg des Glaubens“ (1933) und „Triumph des Willens“ (1934) von der jungen Regisseurin Leni ®Riefenstahl. Wie auch mit ihren international gefeierten Olympia-Filmen „Fest der Völker“ und „Fest der Schönheit“ von 1938 verstand es Riefenstahl, ästhetische Maßstäbe im Sinne der Nationalsozialisten zu setzen und ein Millionenpublikum zu beeinflussen. Politische Propagandafilme oder propagandistische Rundfunksendungen waren jedoch eindeutig in der Minderheit. Dem verbreiteten Unterhaltungsbedürfnis wurde von den Nationalsozialisten in beiden Medien bereitwillig Rechnung getragen. Um einer aus Überdruß von der Propaganda resultierenden Abwendung der Hörer entgegenzuwirken, boten die Rundfunkprogramme überwigend Unterhaltungsmusik und Tanzschlager. Auch Swing und Jazz wurden geduldet, wenn die Herkunft als „artfremde Niggermusik“ verleugnet wurde und sie „deutsch verpackt“ als „stark rhythmische Musik“ liefen. Für die Radiosendungen und besonders für das ab 1935 gesendete „Wunschkonzert für das Winterhilfswerk“ wurden berühmte Solisten wie Heinz Rühmann oder Marika Rökk (geb. 1913) aus Unterhaltungsfilmen verpflichtet. Das filmbegeisterte Publikum konnte im Jahr zwischen rund hundert Unterhaltungs-, Liebes- oder Abenteuerfilmen auswählen und neben George, Rühmann und Rökk weitere beliebte Stars der 30er Jahre wie Hans Albers, Zarah Leander, Emil Jannings, Lil Dagover (1897-1980), Werner Krauss (1884-1959), Otto Gebühr (1877-1954), Willy Birgel (1891-1973), Willy Fritsch (1901-1973), Hans Söhnker (1903-1981) oder Erich Ponto (1884-1957) erleben. Andere berühmte Schauspieler und Regisseure wie Marlene Dietrich oder Fritz Lang hatten es vorgezogen, aus Deutschland zu emigrieren. Zahlreiche deutsche Intellektuelle, Künstler oder Literaten wie Thomas Mann, sein Bruder Heinrich Mann, Lion Feuchtwanger oder Arnold Zweig mußten das Land verlassen, vielen von ihnen bot Paris einen ersten Zufluchtsort. Ihre für die Nationalsozialisten „staatsgefährdenden“ oder mit der nationalsozialistischen Weltanschauung unvereinbaren Werke wurden von der Zensur verboten. Andere Autoren wie Hans Fallada oder Ricarda Huch blieben in Deutschland und durften weiter veröffentlichen, obwohl sie dem NS-Regime distanziert gegenüberstanden. Sie suchten wie andere daheimgebliebene Schriftsteller wie Werner Bergengruen, Elisabeth Langgässer (1899-1950), Marie Luise Kaschnitz (1901-1974), Reinhold Schneider (1903-1958) oder Frank Thieß (1896-1977) einen Rückzug ins Private und - wie es Thieß 1933 für die in Deutschland verbliebenen Literaten und Künstler ausdrückte - die „innere Emigration“. Nach 1945 führte dieser Begriff zu heftigen Auseinandersetzungen mit den Exilierten, die für sich in Anspruch nahmen, das „wahre Deutschland“ repräsentiert zu haben. Bei den führenden Nationalsozialisten gingen Barbarei und Kunstinteresse im Verhalten der meisten eine charakteristische Synthese ein. Auf der einen Seite wurden moderne Kunstwerke systematisch aus den Museen entfernt, zu tausenden im Hof der Berliner Hauptfeuerwache verbrannt oder im Ausland zu Spottpreisen verramscht. Auf der anderen Seite zeigten sich die führenden Nationalsozialisten „von Kunst besessen“, stifteten Kulturpreise in großer Zahl, betätigten sich als Kunstmäzene und legten mit großem Eifer persönliche Kunstsammlungen an. Trotz bestehender Devisenknappheit wandten allein ®Hitler und ®Göring mehr als 200 Millionen Reichsmark zum Aufbau ihrer Sammlungen auf. Dabei kam die Vorrangstellung Hitlers im nationalsozialistischen Herrschaftssystem in besonderer Weise zum Ausdruck: Seinem antimodernen Kunstgeschmack passten sich fast alle führenden Nationalsozialisten willfährig an, beim alljährlichen „Einkaufsbummel“ auf der „Großen Deutschen Kunstausstellung“ genoss der Führer ein Erstzugriffsrecht, und die Verwendung so genannter „Beutekunst“ stand unter ausdrücklichem „Führervorbehalt“. Allein die Gemäldesammlung Hitlers umfasste mehr als 5.000 so genannte alte Meister. Der Sammelleidenschaft Hitlers eiferten viele Nationalsozialisten nach, kauften in großem Umfang Gemälde, Wandteppiche und Skulpturen und statteten ihre Dienst- und Privatsitze aufwändig damit aus ®Donationen. Sie wurden dabei nicht von originärem Kunstinteresse angetrieben. Den führenden Nationalsozialisten ging es vielmehr darum, mit opulentem Kunstbesitz ihren Status in der NS-Machthierarchie zu akzentuieren. Während sie der Öffentlichkeit eine volkstümlich-joviale Seite vorspiegelten, pflegten die NS-Größen privat einen aufwändigen Lebensstil. Villen und Herrenhäuser, die mit Kunstwerken üppig dekoriert waren, gehörten zu den zentralen Insignien dieser narzissstischen Selbstinszenierung, mit der die nationalsozialistischen Parvenüs zunächst aristokratisches Gebaren imitierten, dann aber immer unverhohlener beanspruchten, eine Art „neuen Adel“ der deutschen Nation zu repräsentieren. Nicht wenige der Kunstwerke stammten aus konfisziertem jüdischem oder beschlagnahmtem „Feindbesitz“. In den besetzten Gebieten wüteten professionelle Kunstplünderorganisationen wie der ®“Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg“ oder das Sonderkommando Künsberg, deren Beute auf verschlungenen Wegen auch in die Sammlungen von Nationalsozialisten gelangte. Zur illegalen Aneignungspraxis passt der unklare Status der meisten Kunstsammlungen, die sowohl Dienstsitze wie Privaträume zierten. Mittel zum Ankauf stammten häufig sowohl aus öffentlichen Haushalten wie von privaten Konten, aus Spenden oder dubiosen persönlichen Verfügungsfonds. Mit öffentlichen Mitteln angekaufte Gemälde wurden zu Geburtstagen bedenkenlos verschenkt und gingen auf diese Weise in Privatbesitz über. Solche Geschenke sollten Macht und kultivierte Lebensart demonstrieren, vor allem aber die Bande innerhalb der nationalsozialistischen Herrschaftsclique festigen. Deshalb verwundert es nicht, dass Hitler nicht nur Kunstpräsente seiner Untergebenen empfing, sondern die Korruption zielgerichtet für eigene Zwecke instrumentalisierte, um durch hohe ®Dotationen und Kunstgeschenke politische Loyalität zu erkaufen. Ein anderer, interessanter Aspekt ist, ob der Kunstraub als Beitrag zur kulturellen Zerstörung der jüdischen Bevölkerung, als ein Schritt oder eine Stufe in der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik betrachtet werden muß. Der nationalsozialistische Kunstraub innerhalb des “allgemeinen” Arisierungs- und Enteignungskomplexes eine ganz spezielle Rolle einnahm, die mit der Bedeutungszuschreibung von Kunst in Zusammenhang steht. Ein Gemälde, eine Zeichnung, ein Kunstgegenstand hat für die BesitzerInnen oftmals einen wesentlich höheren persönlichen und emotionalen Wert als andere Gegenstände des Alltags und trägt damit wesentlich zu einem Bewusstsein kultureller Identität bei. Es stellt sich hier die Frage, inwieweit diese Überlegung von nationalsozialistischer Seite bewusst eingesetzt wurde, das heißt, welche Rolle die Idee der Zerstörung der kulturellen Identität “des Feindes” in bezug auf den Kunstraub einnahm. Dominierte das “Nehmen-wollen” vor dem “Haben-wollen”? (®Bücherverbrennung, ® Kunstraub) http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/kunst/index.html, http://www.dir-info.de/nachrichten/infolinks/99/10/9910091065eaeb.htm http://www.zeitgeschichte2001.at/download/paneleinreichung-026.pdf Kunstraub Gleich nach Kriegsende richteten die Alliierten in München eine Sammelstelle für die Raubkunst der Nationalsozialisten ein. Bis März 1949 wurden rund 250.000 Objekte gezählt, die meisten davon aus Österreich (136.000), der Sowjetunion (50.000) und Frankreich (30.000). Wie viele Kunstwerke insgesamt gestohlen wurden, ist schwer zu ermitteln, die Schätzungen reichen bis 400.000. Zweifellos war es der größte Kunstraub der Geschichte. Doch tatsächlich waren nicht alle dieser sicher gestellten Werke gestohlen oder konfisziert. Die NS-Größen hatten auch ungeheure Geldsummen ausgegeben, um ihre Gier nach wertvoller Kunst zu befriedigen. Insbesondere die Plünderung jüdischen Eigentums war eine, wenn nicht die wichtigste Quelle des NS-Besitzes. Aber es war eben nicht die einzige, sondern es bestand ein Geflecht von regulären Ankäufen, von eher durch Gefügigmachen erreichten oder gar erpressten Erwerbungen und schließlich unverhüllten Räubereien. Doch selbst diese Unterscheidung reicht nicht aus: Denn mochte der Erwerb im Einzelfall auch „rechtmäßig“ nach einem herkömmlichen Rechtsbegriff sein, den die Nazis ansonsten zur bloßen Hülse entleert hatten, so kamen doch die Mittel, solche Käufe zu tätigen, aus der schrankenlosen Ausschöpfung staatlicher Ressourcen. Auch hier verschwimmen die Abgrenzungskriterien. Allerdings suchte der NS-Staat die Fassade der Rechtmäßigkeit auch gegenüber seinen größten Nutznießern insofern aufrecht zu erhalten, als ®Korruption und Diebstahl fallweise verfolgt und gemaßregelt wurden, im Einzelfall sogar bis zur Hinrichtung. Der ®„Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg“ (ERR), der im Hotel Commodore am Boulevard Haussmann 12 residierte, führte genau Buch. Nach seinen Aufzeichnungen plünderten ERR-Kommissare vom Sommer 1940 bis zum August 1944 in Frankreich 71.619 jüdische Wohnungen. Dabei erbeuteten sie über eine Million Kubikmeter Kunst- und Wertgegenstände, die in 29.436 Eisenbahnwaggons abtransportiert wurden. Das Recht des ersten Zugriffs hatte Hitler. Er soll allein in den Ankauf von 6.755 Gemälden 164 Millionen Reichsmark für den Aufbau seines Weltmuseums für arische Kunst in seiner Heimatstadt Linz an der Donau investiert haben. Ihm folgte Hermann Göring, der 100 Millionen für seine gewaltige Sammlung in seinem Landsitz „Carinhall“ mit vermutlich bis zu 2.000 Kunstwerken aufwendete, während die rangnächsten Amtsinhaber in gemessenem Abstand folgten. Göring kam mindestens einmal im Vierteljahr zum Einkaufen in den Jeu de Paume in den Pariser Tuilerien, wo der ERR seine Kollektionen präsentierte. Er bezog über die Jahre vom ERR etwa 700 Kunstwerke. Wechselseitige Geschenke zu Geburtstagen und anderen Anlässen unterstreichen diesen Aspekt der zielstrebigen Feudalisierung der Herrschaftsformen. Die zweite und dritte Wahl waren für die Museen im Reich bestimmt. Wie aus den Unterlagen der Pariser Filiale der deutschen Speditionsfirma Schenker hervorgeht, holten die Direktoren der großen Museen an Rhein und Ruhr sich die besten Stücke aus den jüdischen Sammlungen. Besonders privilegiert war das Folkwang-Museum in Essen. Das lag an seinen guten Beziehungen zum Essener Krupp - Rüstungskonzern, der wichtigsten Stütze der großdeutschen Kriegsmaschinerie. Auch einige französische Museen durften sich im Jeu de Paume bedienen. Der Louvre erhielt Tausende Kunstwerke, die die Nazis bei Juden beschlagnahmt hatten. Nur einen Teil davon gab er nach dem Krieg zurück. Im Krieg nahm der NS-Kunstraub im Gleichtakt mit der Radikalisierung der Machtausübung zu. Mit dem nunmehr offenen und jeder Scheinlegalisierung spottenden Terror gingen entsprechende Plünderungsaktionen der konkurrierenden Funktionäre einher. Der organisierte Kunstdiebstahl war im Osten zügelloser als in den besetzten Ländern Westeuropas. Polen und die Sowjetunion sollten nicht nur militärisch, sondern auch kulturell zerschlagen werden. Nur Juden durften uneingeschränkt enteignet werden. Nach gültiger NS-Doktrin hatten sie keinen Anspruch auf den Schutz durch die Haager Landkriegsordnung von 1907, die die Beschlagnahme von Kunst ächtete. Kunst aus jüdischem Besitz galt als „herrenlos“. Kunst von nichtjüdischen Sammlern musste vom Erwerber bezahlt werden. Wobei sich die deutschen Besatzer vorbehielten, die Zahlungsbedingungen selbst zu bestimmen. In Frankreich zahlten sie zum Teil mit „Reichskassascheinen“, die zu einem absurden Wechselkurs von 1:20 gegen Francs getauscht wurden. In Paris stammte der größte Teil der Ware aus jüdischem Besitz. Die Familien Levy, Rothschild, Wildenstein, Rosenberg und Kann besaßen mehr alte Meister und große Impressionisten als alle übrigen Händler und Privatsammler zusammen. Nur 37 von 300 während der Besatzungszeit registrierten Pariser Kunsthändlern trieben keinen Handel mit den Deutschen. Bis auf 2.200 unanbringbare Objekte - „Ufos“ im Museumsleiterjargon - haben die Deutschen die von den Nazis erbeutete Kunst zurückgegeben. Für den Rest hat die Bundesregierung im April vergangenen Jahres eine Datenbank namens „Lost Art Internet Database“ (www.lostart.de) mit „Verlustkatalogen“ ins World Wide Web gestellt. Mehrere große Museen beschäftigen Kunsthistoriker, die die Aufgabe haben, die gesamten Bestände auf ihre Herkunft zu überprüfen. Dem Bankenausschuss des US-Kongresses lag im Juni 1997 ein Bericht vor, in dem nachgewiesen wurde, dass über die Schweiz und von da über Spanien und Portugal viele verschleppte Kunstwerke nach Übersee geschmuggelt worden waren, vor allem nach Argentinien, wo alte Nazis Unterschlupf gefunden hatten, und in die Vereinigten Staaten, wo nach dem Krieg Raubkunst im großen Stil gehandelt wurde. Die Regierung in Washington bildete 1998 eine Kommission, die US-Museen nach illegitimem Besitz durchkämmen soll. Holocaust-Opfer sollen zurückerhalten, was ihnen in der Nazi-Zeit abhanden gekommen ist. Doch der politisch begründete Anspruch ist juristisch selten zu verwirklichen. Amerikanische Museumsdirektoren räumen ein, dass die Herkunft vieler Top-Exponate, die während der braunen Diktatur Deutschland verließen, ungeklärt ist. Im New Yorker Metropolitan Museum hängen 393 davon, im Chicagoer Art Institute 548, im Cleveland Museum of Art 370, in der Washingtoner National Gallery 350 und im Bostoner Museum of Fine Arts gut 200. http://www.lostart.de/hinweise.php3?lang=german http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,139993,00.html http://www.spiegel.de/RealMedia/ads/click_lx.ads/www.spiegel.de/spiegel/19087/Middle2/default/empty.gif/3132372e302e302e31?) http://www2.tagesspiegel.de/archiv/1999/10/03/ak-li-po-l1999.html http://www.berlinonline.de/wissen/berliner_zeitung/archiv/1999/1012/magazin/0025/ Landjahr Ableistung eines achtmonatigen Lageraufenthaltes auf dem Land für Volksschulabsolventen. Im Mittelpunkt stand die Lagererziehung und Schulung in landwirtschaftlichen Aufgaben und nationalsozialistischer Weltanschauung. Die Lager wurden als „volkstumspolitische Waffe“ nahe oder auch jenseits der Reichsgrenzen eingerichtet. Lebensborn e.V. Die Organisation „Lebensborn e.V.“ wurde von zehn namentlich nicht bekannten SS-Führern am 12. Dezember 1935 in Berlin gegründet. Als Spiritus rector gilt Heinrich ®Himmler, der die Führungsrolle der ®SS auch auf dem Sektor der nationalsozialistischen Rassenpolitik beanspruchte. Lebensborn entstand in Konkurrenz zur ®“Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt“ (NSV), der Dachorganisation der staatlichen Sozialpolitik, die sich seit 1933 besonders in der Schwangeren- und Mutterbetreuung hervortat. Als eingetragener Verein konnte Lebensborn selbständig Immobilien und Land erwerben. Insgesamt gab es auf dem Gebiet des Deutschen Reiches neun Heime der Organisation. Ihr Ziel war die Beförderung der Kinderproduktion nach deutschem Reinheitsgebot. Frauen und Männer „guten Blutes“ sollten sich zum Wohle der „nordischen Rasse“ und des deutschen „Übermenschen“ rege vermehren und eine „erbgesunde“, „arisch“ einwandfreie Nachkommenschaft bzw. SS-Elite heranzüchten. In einer Rede wies Himmler 1937 der ®NSDAP die politische Führungsrolle zu, der SS die „menschenzüchterische“. Dabei ging die Rasse über die Nation. In den eroberten Ländern entstanden dreizehn weitere Lebensborn-Heime, davon allein acht in Norwegen - wegen seiner „rassisch hochwertigen“ (blonden, blauäugigen) Bevölkerung. Viele dieser Kollaborationskinder wurden zur Adoption freigegeben, andere, zum Beispiel aus Ost- und Südeuropa, einfach ins „Altreich“ verschleppt und „eingedeutscht“. Schon 1938, also noch vor Kriegsbeginn, hatte Himmler seine Absicht betont, „germanisches Blut in der ganzen Welt zu holen, zu rauben und zu stehlen.“ Die Anziehungskraft von Lebensborn beruhte vor allem auf den Angeboten, die es unverheirateten Müttern machte, indem es sie vor der gesellschaftlichen Diskriminierung bewahrte. Diese praktizierte die katholische Kirche ebenso wie Nationalsozialisten unterschiedlicher Couleur. Uneheliche Schwangerschaft galt als „Sünde“ bzw. als Beschmutzung des „sauberen“ Familienideals, die per Gesetz bestraft wurde. So wurden unverheiratete Beamtinnen, die ein Kind erwarteten, entlassen. Der Lebensborn reagierte auf derlei Probleme, jedoch nicht unter sozialen, sondern unter „rassenpolitischen“ Vorzeichen, deren Gesichtspunkte streng kontrolliert wurden. So wurden von 100 Gesuchen nur ca. 40 angenommen. Waren Mutter und Vater gesund und nachgewiesen „arisch“, bot die Organisation „frühzeitige Heimunterkunft, Geheimhaltung der Geburt, Übernahme der Vormundschaft, wenn das Kind den ‚Elite‘-Anforderungen entsprach, Heranziehung der Väter zur Alimentenzahlung, längerfristige Unterbringung des Kindes, Hilfe bei der Suche nach einer Arbeitsstelle, manchmal sogar eine Anstellung beim Lebensborn selbst und Vermittlung von Pflegeeltern und Adoptivfamilien.“ Insofern konnte eine Frau, die „alle Auslesekriterien“ erfüllte, „Schwangerschaft, Geburt und Mutterschaft vollständig verbergen.“ Das drückt natürlich auch die Doppelmoral der Herrenmenschen aus, die sich mit ihrer Rassenpolitik gegen die Institution Familie wandten, auf die sie sich andererseits stützten. Daß der Lebensborn - auch unter SS-Mitgliedern und Nazianhängern - nicht den besten Ruf hatte, hängt vorwiegend mit dieser offenen Amoral zusammen. Obwohl die „tausendjährigen“ moralischen und „rassischen“ Aufnahmekriterien für die Lebensborn-Heime im Zuge verstärkter Geburtenförderung aufgrund steigender Kriegsverluste gelockert wurden, kam der Service nach wie vor nur dem „gesunden“ und „arischen“ Teil der Bevölkerung zugute. Geburtenfördernde und geburtenverhindernde Maßnahmen sowie Gesetze verliefen im braunen Deutschland von Anfang an parallel. Im Mai 1933 wurde das Abtreibungsverbot verschärft (1943 bis zur Todesstrafe), im Juli 1933 das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ beschlossen. Im Jahr 1935 wurde der Lebensborn gegründet und es wurden die „Nürnberger Gesetze“ erlassen. Die Vernichtung jeder Abweichung betraf Eltern wie Kinder. Bei der Geburt „lebensunwerten“ Lebens wurden der Mutter, gegebenenfalls den Eltern, die Heim-Privilegien entzogen, die Kinder in Tötungsanstalten ermordet. Was „Sonderbehandlung“ in einer „Kinder-Fachabteilung“ hieß, war nichts anderes als das Todesurteil. Einer der wenigen Beweise für die vom Lebensborn veranlaßten Kindermorde ist der Brief, den der Leiter von „Heim Wienerwald“ an den Arzt und Lebensborn-Co-Geschäftsführer Gregor Ebner schrieb. Darin regt er die Verlegung eines „geistig zurückgebliebenen Säuglings“ in die Wiener Städtische Fürsorge-Anstalt am Spiegelgrund an, die „im Sinne der Ausmerze“ tätig sei. Mit Realitäten wie etwa dem Euthanasieprogramm zur Vernichtung „lebensunwerten Lebens“ (unter anderem von Menschen mit geistiger oder körperlicher Behinderung) haben all die schlüpfrigen Legenden nichts zu tun, die aus den Lebensborn-Heimen pervers schicke „Edelbordelle“ machen, in denen stramme „Zuchtbullen der SS“ - übrigens zeitgenössische Ausdrücke - mit ausgesuchten deutschen Mädels Nachwuchs für den „arischen Adel“ zeugten. Daß der Lebenborn keine derartige Praxis betrieben hat, ist längst nachgewiesen. Ursachen des zählebigen Klischees: scheint die Konstellation: Die Schöne und das Biest zu sein. Eine Allegorie, die hier für das deutsche Volk und den Faschismus steht? Oder die unterstellte Verbindung von ‚sex and crime‘?“ Nach Ende des Krieges wurde der Fall „Lebensborn“ zwischen Oktober 1947 und März 1948 vor dem Amerikanischen Militärgerichtshof 1 in Nürnberg verhandelt. 14 Funktionäre des Rassen- und Siedlungshauptamts, der Volksdeutschen Mittelstelle und des Lebensborn waren angeklagt, ,,wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit; wegen Entführung von Kinder in den besetzten Ländern, wenn diese als rassisch wertvoll angesehen und für eine Eindeutschung ausgewählt wurden; wegen der Wegnahme von Kindern zum Zwecke der Ausrottung oder Eindeutschung von Ostarbeiterinnen sowie wegen der Plünderung öffentlichen und privaten Eigentums in Deutschland und in den eingegliederten und besetzten Gebieten“. Nach einer 6 Monatigen Prozessdauer fällte man das Urteil und sprach alle Angeklagten frei. Begründet wurde das Urteil mit der Aussage: „Aus dem Beweismaterial geht klar hervor, dass der Verein Lebensborn, der bereits lange vor dem Krieg bestand, eine Wohlfahrtseinrichtung und in erster Linie ein Entbindungsheim war. Von Anfang an galt seine Fürsorge den Müttern, den verheirateten sowohl wie den unverheirateten, sowie den ehelichen und unehelichen Kindern. Der Anklagevertretung ist es nicht gelungen, mit der erforderlichen Gewissheit die Teilnahme des Lebensborn und der mit ihm in Verbindung stehenden Angeklagten an dem von den Nationalsozialisten durchgeführten Programm der Entführung zu beweisen. Der Lebensborn hat im allgemeinen keine ausländischen Kinder ausgewählt und überprüft. In allen Fällen, in denen ausländische Kinder von anderen Organisationen nach einer Auswahl und Überprüfung an den Lebensborn überstellt worden waren, wurden die Kinder bestens versorgt und niemals in irgendeiner Weise schlecht behandelt. Aus dem Beweismaterial geht klar hervor, dass der Lebensborn unter den zahlreichen Organisationen in Deutschland, die sich mit ausländischen nach Deutschland verbrachten Kindern befassten, die einzige Stelle war, die alles tat, was in ihrer Macht stand, um den Kindern eine angemessene Fürsorge zuteil werden zu lassen und die rechtlichen Interessen der unter seine Obhut gestellten Kinder zu wahren.“ Was die Lebensborn-Heime mit ihren Säuglingsställen im kollektiven Gedächtnis bis heute so lebendig hält, ist jedoch wohl auch die Sehnsucht nach dem „fehlerfreien“ Menschen aus lauter „guten Genen“. Die Idee vom DIN-gerechten, störungsfrei funktionierenden Nachwuchs ist - von Schaf Dolly bis zur künstlichen Befruchtung mit Augenfarbengarantie - längst wieder en vogue. Eine diktatorische Institution wie der Lebensborn erscheint gegen die Erfindungen ihrer bürgerlich-demokratischen (und gentechnischen) Verbesserungsenkel merkwürdig veraltet. http://www.nadir.org/nadir/periodika/jungle_world/42/22a.htm http://www.tu-bs.de/institute/didaktikbio/Maps/Projekt-1/K3-Familie/Lebensborn.pdf http://www.hausarbeiten.de/rd/archiv/geschichte/gesch-text463.shtml http://www.zdf.de/wissen/37grad/36161/index.html Kinderraub Durch die von staat und Partei ergriffenen und von der bevölkerung aufgegriffenen massnahmen stieg die Geburtenrate zwar, aber der begonnene Krieg „fraß seine Kinder“ und die „arische Elite“ wuchs nur mäßig. So griff Himmler zu drastischeren Mitteln und befahl seinen Soldaten „arisch“ aussehende Kind zur „Eindeutschung“ in den besetzten Ländern, wie Polen, Frankreich, Jugoslawien „mitzunehmen“. Sie entführten blonde, blauäugige Kinder einfach von der Straße oder nahmen sie den Eltern, unter falschen Versprechungen, weg. In den Nachkriegswirren, im „kalten Krieg“ fanden die wenigsten Eltern ihre Kinder wieder. Sie gingen als Kleinkind, wurden vom Lebensborn an verschiedenen Pflegestellen vermittelt, adoptiert und konnten sich später kaum noch an ihre richtigen Eltern erinnern. Ein entführtes Kind, bekam einen neuen Namen, musste unter Strafe nur noch deutsch sprechen, wurde vermessen und in „arische Klassen“ eingestuft. Wichtigstes Kriterium war die Distanz zwischen Stirn und Hinterkopf. Diese sogenannte „Ariertabellen“ entschieden über das Schicksal des Kindes. Oberste Klasse: Adoption durch eine SS- Familie, unterste Klasse Abschiebung in ein KZ. Die Ausnahme waren Norwegerkinder, die Himmler als direkte Nachfahren der Wikinger ansah, und deshalb die deutschen Soldaten bei der Besetzung Norwegens aufforderte, möglichst viele Affären mit Norwegerinnen einzugehen. Die eigenen Landleute misshandelten diese Norwegerinnen, die ein Kind mit einem Deutschen hatten, als „Deutschenhuren“. In Steinhöring, ein Kinderheim bei München, wo alles begann, endete auch der Lebensborn. Die Lebensbornangestellten verbrannten die Originalpapiere und ließen die aus allen Lebensbornheimen evakuierten und nach Steinhöring gebrachten Kinder zurück als die amerikanischen Truppen anrückten. Von vielen Kindern konnte die Identität nicht geklärt werden. Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Kinderheim weitergeführt. Der Leiter, der Arzt Gregor Ebner, unter der Naziherrschaft verantwortlich für die „Eindeutschung“ entführter Kinder und die Ermordung behinderter Kinder, wurde am 10. März 1948 bei den Nürnberger Prozessen zu zwei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt. Er starb 1974. Heute ist der Verwaltungssitz des Lebensbornvereines in München ein großes Kaufhaus und anstelle des Kinderheimes in Steinhöring befindet sich eine Behindertenwohnanlage. Die große Bronzefigur eines Nazikünstlers „Mutter stillt ihr Kind“, die im Garten unter Buchen versteckt, steht, erinnert noch an den Lebensborn. Viele Lebensborn-Kinder suchen noch heute nach den Wurzeln ihrer Herkunft. http://www.shoa.de/lebensborn.html Lebensunwertes Leben Die Nationalsozialisten erklärten das Leben geistig oder körperlich kranker Menschen, die von ihnen als unheilbar angesehen wurden, zum „lebensunwerten“ Leben. Nach nationalsozialistischer Auffassung galten Menschen, die z.B, an Schizophrenie, an erblicher Blindheit oder Taubheit oder an schwerem Alkoholismus litten, als Träger minderwertigen Erbguts. Die von den Nationalsozialisten durchgeführten Maßnahmen reichten von der zwangsweisen Sterilisation bis zu Tötungsaktionen. http://shoanet.iuk.hdm-stuttgart.de/glossar/L.htm#Lebensunwertes%20Leben Lichtenberg, Bernhard, Berliner Dompropst, ®Bekennende Kirche Lidice Lidice, ein Dorf in Böhmen, wurde am 10.6.1942 von der SS in einer grausamen Vergeltungsaktion für die Ermordung Reinhard ®Heydrichs dem Erdboden gleichgemacht. Alle Männer des Dorfes (192) und 71 Frauen wurden erschossen. 19 aus Lidice stammende Männer wurden einige Tage später in Prag ermordet. Mindestens 198 Frauen wurden in das KZ Ravensbrück transportiert. Etwa 98 Kinder wurden ihren Müttern fortgenommen, nur 16 davon überlebten. Von deutscher Seite wurde erklärt, Lidice sei als Ort der Vergeltung bestimmt worden, weil Dorfbewohner die Attentäter beherbergt hätten. Diese Behauptung stellte sich später als falsch heraus. Nach dem Krieg wurde das wiederaufgebaute Lidice zu einem Symbol für die nationalsozialistische Gewaltherrschaft ebenso wie für die tschechische Widerstandsbewegung. ®Terrormassnahmen http://shoanet.hbi-stuttgart.de/glossar/L.htm#Lidice s.a.: - Lidice Haus Bremen http://www.jugendinfo.de/lidice/ - Das Massaker von Lidice http://www.hagalil.com/czech/theresienstadt/lidice.htm Lübke, Heinrich Ehem. Dt. Bundespräsident Der Historiker Jens-Christian Wagner, Leiter der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora, hat den ehemaligen Bundespräsidenten Heinrich Lübke schwer belastet und erklärt, Lübke habe in der Forschungsanstalt Peenemünde „zwischen 1943 bis 1945 die Verantwortung für den Einsatz von KZ-Häftlingen gehabt.“ Lübke ... war zeitweilig der oberste Bauleiter des Raketenzentrum auf Usedom gewesen, wo die Terrorwaffe V2 getestet wurde. Dort lebten etwa 1.400 KZ-Häftlinge. Zumindest ein Teil dieser Entrechteten sei direkt der Baugruppe Schlempp zugewiesen gewesen. ... Bereits in den sechziger Jahren hatte die DDR den Ex-Bundespräsidenten in der so genannten „KZ-Baumeister-Kampagne“ seine Verstrickung mit dem Nationalsozialismus vorgeworfen. Lübke bestritt damals die Vorwürfe http://www.spiegel.de/spiegel/vorab/0,1518,136304,00.html Machtergreifung Am 30. Januar 1933 ernannte Reichspräsident Paul von Hindenburg den Führer der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), Adolf ®Hitler, zum Reichskanzler. Der Regierung Hitler gehörten nur noch zwei weitere Nationalsozialisten an: Dr. Wilhelm Frick als Innenminister und Hermann ®Göring als Reichsminister ohne Geschäftsbereich. Unmittelbar nach seiner Ernennung wurde Göring zum kommissarischen Innenminister in Preußen ernannt und war damit Chef der preußischen Polizei. Hitlers Kabinett war keine nationalsozialistische Regierung, sondern eine Regierung der nationalen Konzentration. Das Kabinett hatte keine parlamentarische Mehrheit. Die Regierung löste den Reichstag auf und schrieb Neuwahlen für den 5. März 1933 aus. Die NSDAP, der jetzt die staatlichen Hilfsmittel zur Verfügung stehen, entfaltet eine gewaltige ®Propaganda. Doch war das Ergebnis ungewiß. Am Abend des 27. Februar brannte der Reichstag. Hitler erklärte sofort, der Reichstag sei von den Kommunisten angezündet worden, als allgemeines Signal für einen kommunistischen Aufstand. Schon am nächsten Tage unterzeichnete Hindenburg eine ihm von Hitler vorgelegte Notverordnung zum Schutze von Volk und Staat, die zur Abwehr kommunistischer staatsgefährdender Gewaltakte die wichtigsten Grundrechte der Weimaer Verfassung außer Kraft setzte. „Es sind daher Beschränkungen der persönlichen Freiheit, des Rechts der freien Meinungsäußerung einschließlich der Pressefreiheit, des Vereins- und Versammlungsrechts, Eingriffe in das Brief,- Post-, Telegraphen und Fernsprechgeheimnis, Anordnungen von Haussuchungen und von Beschlagnahmen sowie Beschränkungen des Eigentums auch außerhalb der sonst hierfür bestimmten gsetzlichen Grenzen zulässig.“ Die Reichsregierung erhielt umfassende Vollmachten zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Diese Verordnung ist bis 1945 nicht aufgehoben worden und wurde bald nicht nur gegen Kommunisten, sondern gegen alle Gegner des Nationalsozialismus angewandt. Mit den Grundrechten wurden der Rechtsstaat und die Demokratie auf „legalem“ Wege abgeschafft. Man kann die Verordnung vom 28.2.1933 als die Verfassungsurkunde des Dritten Reiches bezeichnen. Diese »Verordnung zum Schutz von Volk und Staat« hob die als Grundrecht im Artikel 114 verankerte »Unverletzlichkeit der persönlichen Freiheit« auf und schuf somit für das NS-Regime die Basis zur Anwendung der gegen die politischen Gegner gerichteten sog. ®Schutzhaft. Bei den Wahlen am 5. März gewann die NSDAP nur zusammen mit den Deutschnationalen eine knappe Mehrheit. Am 21. März wurde der neue Reichtag in der Potsdamer Garnisonskirche feierlich eröffnet. Die Kommunisten waren ausgeschlossen, die Sozialdemokraten nicht erschienen. Hier traf sich das alte und das neue Deutschland. Generale des I. Weltkrieges, an ihrer Spitze der ehemalige Kronprinz, waren die Gäste, Hindenburg in der Uniform eines kaiserlichen Feldmarschalls. Zwei Tage später trat der Reichstag in Berlin in der Krolloper zusammen. Den kommunistischen Abgeordneten waren inzwischen ihre Sitze aberkannt, mehrere sozialdemokratische Abgeordnete verhaftet. Auf der Tagesordnung stand „das Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“, das Ermächtigungsgesetz Das Gesetz ermächtigte die Reichsregierung auf dem Verordnungswege für vier Jahre Gesetze zu beschließen. Das Gesetz wurde mit 441 Stimmen der NSDAP, der DNVP, des Zentrums und der kleineren Mittelparteien gegen 94 Stimmen der SPD angenommen. Damit machte sich der Reichstag selbst überflüssig. In der Begründung des Gesetzes hatte Hitler in der Sitzung u.a. erklärt: „Die Regierung beabsichtigt dabei, von diesem Gesetz nur insoweit Gebrauch zu machen, als es zur Durchführung der lebensnotwendigen Maßnahmen erforderlich ist.Weder die Existenz des Reichtags noch des Reichsrats soll dadurch bedroht sein. Die Stellung und die Rechte des Herrn Reichspräsidenten bleiben unberührt; die innere Übereinstimmung mit seinen Willen herbeizuführen, wird stets die oberste Aufgabe der Regierung sein. Der Bestand der Länder wird nicht beseitigt, die Rechte der Kirchen werden nicht geschmälert, ihre Stellung zum Staat nicht geändert... Die Regierung bietet den Parteien des Reichstages die Möglichkeit einer ruhigen deutschen Entwicklung und einer sich daraus in der Zukunft anbahnenden Verständigung; sie ist aber ebenso entschlossen und bereit, die Bekundung der Ablehnung und damit die Ansage des Widerstandes entgegenzunehmen. Mögen Sie, meine Herren, nunmehr selbst die Entscheidung treffen über Frieden oder Krieg.“ Mit der Annahme des Ermächtigungsgesetzes war die nationalsozialistische Machtergreifung keineswegs beendet. Diese Regierung erließ wenige Tage nach ihrem Amtsantritt mehrere Verordnungen, die die Presse- und die Versammlungsfreiheit einschränkten. Zahlreiche Beamte in wichtigen Positionen wurden abgelöst und durch Anhänger der NSDAP ersetzt. Göring machte die preußische Polizei zu einem willfährigen Instrument und setzte sie rücksichtslos ein. In einer seinen Anordnungen heißt es: „Polizeibeamte, die in Ausübung dieser Pflichten von der Schußwaffe Gebrauch machen, werden ohne Rücksicht auf die Folgen des Schußwaffengebrauchs von mir gedeckt; wer jedoch in falscher Rücksichtnahme versagt, hat dienststrafrechtliche Folgen zu gewärtigen.“ In einer Ansprache erklärte er: „...hier habe ich keine Gerechtigkeit zu üben, hier habe ich nur zu vernichten und auszurotten, weiter nichts.“ Am 22. Februar machte Göring 40.000 SA- und SS-Leute und 10.000 ®Stahlhelmleute zu Hilfspolizisten. Der Terror traf zuerst die Kommunisten, deren Mandate kassiert, deren Funktionäre verhaftet und deren Konten beschlagnahmt wurden. Ähnlich erging es dem Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, gegründet 1924 zur Verteidigung der Republik, das sich 1931 mit Organisationen ähnlicher Zielsetzung in der „Eisernen Front“ zusammengeschlossen hatte. Gleich nach dem 5. März wurde die Eiserne Front und das Reichsbanner verboten, ihre Funktionäre verhaftet. Am 31. Juli 1933 befanden sich 26 789 Personen allein in Preußen in Schutzhaft. Nachdem die Parteien durch den Terror gelähmt waren, blieben als einzige ernstzunehmende oppositionelle Organisation die Gewerkschaften übrig. Bei den Betriebsratswahlen im März 1933 waren die ersten Ergebnisse so schlecht ( 25% für die „Nationalsozialistische Betriebsorganisation“ ), daß die Wahlen abgebrochen und ausgesetzt wurden. Die Reichsregierung erklärte den 1. Mai zum „Tag der nationalen Arbeit“ und - erstmalig in Deutschland - zum bezahlten Feiertag. Am Vormittag des 2. Mai besetzten in ganz Deutschland SA und SS die Häuser der Freien Gewerkschaften, ihre Büros, Banken und Zeitungen. Die leitenden Funktionäre wurden verhaftet und ins KZ (®Konzentrationslager) eingeliefert, das Vermögen beschlagnahmt, die Verbände aufgelöst. Die Christlichen Gewerkschaften unterstellten sich Reichsarbeitsführer Ley in der Hoffnung, damit ihren Verband zu retten. Aber am 24. Juni wurden auch die Christlichen Gewerkschaften aufgelöst und ihre Mitglieder in die Deutsche Arbeitsfront (DAF) übernommen. Der nächste Schritt war die Auflösung der Parteien und der politischen Organisationen außerhalb der NSDAP. Die KPD war bereits nach dem Reichtagsbrand illegal. Die SPD schickte einen Teil ihres Vorstandes ins Ausland. Die Mehrheit der in Deutschland verbliebenen Vorstandsmitglieder klammerte sich an den Legalitätskurs, und die geschrumpfte Reichstagsfraktion stimmte am 17. Mai 1933 einer von Hitler eingebrachten außenpolitischen Erklärung der Reichsregierung zu. Der Exilvorstand rief am 18. Mai zum Widerstand und am 18. Juni 1933 in seinem Manifest „Zerbrecht die Ketten“ zum Sturz Hitlers auf. Das nahm die Reichsregierung zum Anlaß, am 22. Juni die SPD zu verbieten, ihr Vermögen einzuziehen und fast 3.000 Funktionäre zu verhaften. Einen Tag vorher waren die jüngeren Jahrgänge des Stahlhelm in die SA Übernommen. Die übrigen Parteien lösten sich zwischen dem 27. Juni und dem 5. Juli 1933 selbst auf. Hugenberg versuchte vergeblich sich der Auflösung seiner Partei zu widersetzen und trat als Minister zurück. Bereits am 22. April hatte ®Goebbels in seinem Tagebuch notiert: „Im Kabinett ist die Autorität des Führers jetzt ganz durchgesetzt. Abgestimmt wird nicht mehr. Der Führer entscheidet. Alles das geht viel schneller, als wir zu hoffen gewagt hatten.“ Im Gegensatz zu Preußen, das seit dem 20. Juli 1932 durch einen Reichskommissar regiert wurde, blieben die Regierungen der anderen deutschen Länder nach dem 30. Januar 1933 im Amt. Gleich nach der Reichstagwahl, am 9. März, wurde ein Reichskommissar für Bayern ernannt, die bayrische Regierung unter dem Druck der demonstrierenden SA zum Nachgeben gezwungen und eine nationalsozialistische Regierung gebildet. Zwei Gesetze zur „Gleichschaltung der Länder mit dem Reich“ vom 31. März und 7. April 1933 bestimmten, daß die Landtage nach den Ergebnissen der Reichstagswahl neu zusammengesetzt wurden, wobei die Sitze der KPD wegfielen. Für die Länder wurden Reichsstatthalter ernannt, die für die Beobachtung der vom Reichskanzler aufgestellten Richtlinien der Politik zu sorgen hatten und das Recht erhielten, die Länderregierungen zu ernennen und abzusetzen. Schließlich wurde der Einheitsstaat durch das „Gesetz über den Neuaufbau des Reiches“ vom 30. Januar 1934 besiegelt: 1. Die Volksvertretungen der Länder werden aufgehoben. 2. Die Hoheitsrechte der Länder gehen auf das Reich über. Die Landesregierungen unterstehen der Reichsregierung. 3. Die Reichsstatthalter unterstehen der Dienstaufsicht des Reichsministers des Inneren. 4. Die Reichsregierung kann neues Verfassungsrecht setzen... Das wichtigste innenpolitische Machtinstrument war die Polizei, insbesondere die politische Polizei Ihr galt der erste Zugriff der neuen Machthaber. Göring unterstellte sich in Preußen die politische Abteilung der ®Kriminalpolizei direkt und schuf aus ihr im April die „Geheime Staatspolizei“ ((®Gestapo). (®Himmler wurde Ende 1933 Anfang 1934 Chef der politischen Polizei in allen Ländern und ab April 1934 auch in Preußen. Er begann eine reichseinheitliche Gestapo aufzubauen, die nicht an die Gesetze, z.B. über die richterliche Nachprüfung von Verhaftungen, gebunden war, sondern nur an ihre Aufträge. ((®Justiz) Dem Einheitsstaat und der Einheitspolizei entsprach im Dritten Reich der Einparteienstaat. Nach dem Verbot oder der Selbstauflösung der Parteien erließ die Reichsregierung am 14. Juli 1933 das „Gesetz gegen die Neubildung von Parteien“: „In Deutschland besteht als einzige politische Partei die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei.“ Die Aufrechterhaltung oder Neubildung anderer Parteien wurde unter Strafe gestellt. In der staatlichen Verwaltung legalisierte das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 die bisher willkürlich gehandhabte Entlassung nichtnationalsozialistischer Beamter. Der ®“Arierparagraph“ sah die Entlassung jüdischer Beamter vor. Außerdem sollten diejenigen entlassen werden, „die nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht die Gewähr dafür bieten, daß sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintreten“. Jeder Beamte mußte sich die Versetzung in ein anderes Amt, auch von geringerem Rang, gefallen lassen. Der Angriff auf die Unabhängigkeit des geistigen Lebens wurde von (®Goebbels geführt, der seit dem 13. März 1933 Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda war. Den staatlichen Rundfunk brachte er schnell, personell gesäubert und straff zentralisiert, unter seine Kontrolle. Schwieriger war es bei der Presse. Mit den Parteien verschwanden die Parteizeitungen. Die meisten Zeitungen blieben bestehen und erhielten Vorschriften darüber, was gebracht werden durfte und was nicht (®Propaganda . Im Oktober 1933 wurde das „Schriftleitergesetz“ erlassen: Schriftleiter durfte nur sein, wer arischer Abstammung war und die Eigenschaft hat, die die Aufgabe der geistigen Einwirkung auf die Öffentlichkeit erfordert. Literatur, Kunst und Wissenschaft wurden staatlicher Kontrolle unterworfen. Die nationalsozialistische „Revolution“ schien gelungen und im wesentlichen abgeschlossen. Gleichzeitig setzte eine gewisse Ernüchterung ein. Der nationale Rausch begann zu verfliegen. Auch in der SA gärte es. Es ging um die Frage, soll die Revolution sich konsolidieren oder sollte sie weitergetrieben werden. Das Weitertreiben wurde vor allem von der SA gefordert. Hitler hatte bereits im Juli 1933 vor Reichsstatthaltern erklärt: „Die Revolution ist kein permanenter Zustand, sie darf sich nicht zu einem Dauerzustand ausbilden. Man muß den freigewordenen Strom der Revolution in das sichere Bett der Evolution hinüberleiten.“ Röhm wollte Reichswehr und SA zu einem großen Milizheer unter seiner Führung verschmelzen, wobei die in seinen Augen reaktionäre Generalität ausgeschaltet werden mußte. Die Reichswehrführung wußte von Röhms Plänen und wehrte sich. Hitler mußte sich zwischen Röhm und der Reichswehr entscheiden. Er entschied sich für die Reichswehr, und entschloß sich, gleichzeitig mit der SA die konservative Opposition zu zerschlagen. Am 30. Juni 1934 ließ Hitler Röhm, eine Reihe höherer SA-Führer und weitere erschiessen. Die Reichsregierung erließ danach ein „Gesetz über Maßnahmen der Staatsnotwehr“. Einziger Paragraph: „Die zur Niederschlagung hoch- und landesverräterischer Angriffe am 30. Juni, 1. und 2. Juli 1934 vollzogenen Maßnahmen sind als Staatsnotwehr rechtens.“ ... Der wahre Sieger war die ®SS. Hitler hob das Unterstellungsverhältnis zur ®SA auf und machte sie zur sebständigen Organisation im Rahmen der ®NSDAP. In dieser Zeit lag Hindenburg, der Oberbefehlshaber der Reichswehr, im Sterben. Um die letzte, noch nicht eroberte Machtposition in seine Hand zu bekommen, brauchte Hitler die Loyalität der Reichswehr. Kurz vor Hindenburgs Tod beschloß die Reichsregierung das „Gesetz über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reiches“ vom 1. August 1934: 1. Das Amt des Reichspräsidenten wird mit dem des Reichskanzlers vereinigt. Infolgedessen gehen die bisherigen Befugnisse des Reichspräsidenten auf den Führer und Reichskanzler Adolf HItler über. Er bestimmt seinen Stellvertreter. 2. Dieses Gesetz tritt mit Wirkung von dem Zeitpunkt des Ablebens des Reichspräsidenten von Hindenburg in Kraft. ... Mit der Erhebung Hitlers zum Staatsoberhaupt und mit der Vereidigung der Reichswehr auf seine Person war der innere Aufbau des Dritten Reiches abgeschlossen. Die denkbar größte Machtfülle war in seiner diktatorischen Hand vereinigt. Was ist eine Revolution? Staatsrechtler sagen: Die Änderung einer Verfassung mit anderen als den in ihr vorgesehenen Mitteln. Akzeptiert man diese dürre Definition, dann war die Nazi-«Revolution« vom März 1933 keine Revolution. Denn alles ging streng »legal« vor sich, mit Mitteln, die durchaus in der Verfassung vorgesehen waren, »Notverordnungen« des Reichspräsidenten zunächst und schließlich einem Beschluß, die unbeschränkte Gesetzgebungsgewalt auf die Regierung zu übertragen, gefaßt von einer Zweidrittelmehrheit des Reichstages, wie sie für Verfassungsänderungen vorgesehen war. Nun, das ist offensichtliche Spiegelfechterei. Aber wenn man die Sache sieht, wie sie wirklich war, bleiben immer noch Zweifel genug, ob das, was sich da im März abspielte, wirklich den Namen »Revolution« verdient. Einfach vom Standpunkt des common sense aus scheint das Wesentliche an einer Revolution doch zu sein, daß Leute mit Gewalt die bestehende Ordnung und ihre Vertreter: Polizei, Militär usw. angreifen und besiegen. Das braucht nichts durchweg Begeisterndes und Herrliches zu sein, es kann mit Ausschreitung, Gewalttat, Pöbelbrutalität, Plünderung, Mord und Brand einhergehen. Was man von Leuten, die »Revolutionäre« sein wollen, immerhin erwarten muß, ist, daß sie angreifen, Mut zeigen, ihr Leben riskieren. Barrikaden sind vielleicht etwas Veraltetes, aber irgendeine Form von Spontaneität, Erhebung, Einsatz und Aufstand scheint doch wohl essentiell zu einer echten Revolution zu gehören. Der März 1933 enthielt nichts davon. Sein Geschehen war aus den seltsamsten Elementen zusammengebraut, aber das einzige, was völlig darin fehlte, war irgendeine Tat des Muts, der Tapferkeit und Hochherzigkeit von irgendeiner Seite. Vier Dinge brachte dieser März, als deren Ergebnis schließlich die unangreifbare Nazi-Herrschaft dastand: Terror; Feste und Deklamationen; Verrat; und schließlich einen kollektiven Kollaps - einen millionenfachen simultanen individuellen Nervenzusammenbruch. Viele, ja die meisten europäischen Staatswesen sind blutiger geboren worden. Aber es gibt keins, dessen Entstehung in diesem Maße ekelhaft war. Die europäische Geschichte kennt zwei Formen von Terror: Die eine ist der zügellose Blutrausch einer losgelassenen, siegestrunkenen revolutionären Masse; die andere ist die kalte, überlegte Grausamkeit eines siegreichen, auf Abschreckung und Machtdemonstration bedachten Staatsapparats. Die beiden Formen sind, normalerweise, aufRevolution und Repression verteilt. Die erste ist die revolutionäre; sie nimmt ihre Entschuldigung aus der Erregung und der Wut des Augenblicks, aus dein Außersichsein. Die zweite ist die repressive; sie nimmt ihre Entschuldigung aus der Vergeltung der vorangegangenen revolutionären Greuel. Den Nazis ist es vorbehalten geblieben, beides zu kombinieren in einer Weise, für die beide Entschuldigungen nicht gelten. Der Terror von 1933 wurde geübt von echtem, blutberauschtem Pöbel (nämlich der SA - die SS spielte damals noch nicht die Rolle wie später) - aber die SA trat dabei als »Hilfspolizei« auf, sie handelte ohne jede Erregung und Spontaneität und insbesondere ohne jede eigene Gefahr; vielmehr aus völliger Sicherheit heraus, befehlsgemäß und in strikter Disziplin. Das äußere Bild war revolutionärer Terror: Wilder unrasierter Mob, nächtlich in Wohnungen einbrechend und Wehrlose in irgendwelche Folterkeller schleppend. Der innere Vorgang war repressiver Terror: Kalte, genau berechnete, staatliche Anordnung und Lenkung und volle polizeiliche und militärische Deckung. Das Ganze geschah nicht aus dem Erregungszustand, der einem siegreichen Kampf folgt, einer großen überstandenen Gefahr - nichts dergleichen hatte stattgefunden; es geschah auch nicht zur Vergeltung irgendwelcher vorher von der Gegenseite verübter Greuel - es hatte keine gegeben. Was stattfand, war vielmehr einfach die albtraumhafte Umkehrung der normalen Begriffe: Räuber und Mörder als Polizei auftretend, bekleidet mit der vollen Staatsgewalt; ihre Opfer als Verbrecher behandelt, geächtet und im Voraus zum Tode verurteilt. Ein Beispielfall, der wegen der Ausmaße, die er annahm, in die Öffentlichkeit drang: Ein Cöpenicker sozialdemokratischer Gewerkschaftsfunktionär setzte sich mit seinen Söhnen gegen eine SA-Patrouille, die nachts in sein Haus einbrach, um ihn zu »verhaften«, zur Wehr, und erschoß in offensichtlicher Notwehr zwei SA-Leute. Darauf wurden zunächst, noch in der gleichen Nacht, er und seine Söhne von einer zweiten, stärkeren SA-Gruppe überwältigt und im Schuppen seines Hauses aufgehängt. Am nächsten Tag aber erschienen, befehlsgemäß und diszipliniert, SAPatrouillen in Cöpenick in den Wohnungen aller Einwohner, die als Sozialdemokraten bekannt waren, und erschlugen sie an Ort und Stelle. Die Zahl der Toten ist nie bekannt geworden. Diese Art von Terror hatte den Vorteil, daß man je nachdem bedauernd die Achseln zucken und von »unvermeidlichen traurigen Begleitumständen jeder Revolution« sprechen konnte - also die Entschuldigung des revolutionären Terrors - oder auch auf die strikte Disziplin hinweisen konnte und darlegen, daß vollkommene Ruhe und Ordnung herrschte, daß ausschließlich gewisse notwendige Polizeiaktionen stattfanden und daß revolutionäre Unordnung gerade dadurch von Deutschland ferngehalten würde - die Entschuldigung des repressiven Terrors. Beides geschah denn auch abwechselnd, je nach der Art des Publikums. Diese Art der publicity trug und trägt freilich weiter dazu bei, den Nazi-Terror abstoßender zu machen als irgendeinen sonst in der europäischen Geschichte bekannten. Selbst Grausamkeit kann einen Zug von Größe haben, wenn sie mit dem Pathos höchster offener Entschlossenheit geübt wird; wenn die, die sie verüben, lodernd zu ihren Taten stehen - wie es in der französischen Revolution, in den russischen und spanischen Bürgerkriegen der Fall war. Die Nazis, im Gegensatz dazu, zeigten nie etwas anderes als die scheue, feige und bleiche Fratze des leugnenden Mörders. Während sie systematisch Wehrlose folterten und mordeten, versicherten sie täglich in edlen und weichen Tönen, daß niemandem ein Haar gekrümmt würde, und daß nie eine Revolution so human und so unblutig vonstatten gegangen sei. Ja, wenige Wochen nach dem Einsetzen der Greuel wurde durch ein Gesetz jedem, der auch nur in seinen vier Wänden die Behauptung aufstellte, daß Greuel geschähen, strenge Strafe angedroht. Selbstverständlich bezweckte das nicht, die Greuel wirklich geheimzuhalten. Dann hätten sie ja ihren Zweck, allgemein Furcht, Schrecken und Unterwerfung hervorzubringen, nicht erreichen können. Vielmehr sollte die Terrorwirkung gerade durch das Geheimnis gesteigert werden und durch die Gefahr, die darin lag, auch nur darüber zu reden. Die offene Darstellung dessen, was in den SA-Kellern und Konzentrationslagern geschah - etwa von der Rednertribüne herab oder in den Zeitungen -, hätte möglicherweise selbst in Deutschland verzweifelte Gegenwehr hervorgerufen. Die heimlich herumgeflüsterten schaudervollen Geschichten - »Seien Sie nur vorsichtig, Herr Nachbar! Wissen Sie, was dem X passiert ist?« - brachen viel sicherer jedes Rückgrat. . Umso mehr, als man gleichzeitig vollkommen beschäftigt und abgelenkt wurde durch eine nicht abreißende Folge von Festen, Feiern und nationalen Weihestunden. Das begann bereits mit einer riesigen Siegesfeier vor den Wahlen, dem »Tag der nationalen Erhebung« am 4. März: Massenaufmärsche und Feuerwerke, Trommeln, Kapellen und Fahnen über ganz Deutschland, Hitler aus Tausenden von Lautsprechern tönend, Schwüre und Gelöbnisse alles, obwohl ja noch gar nicht feststand, ob nicht die Wahlen den Nazis vielleicht eine Schlappe bringen würden. Tatsächlich taten sie das: Diese Wahlen, die letzten, die je in Deutschland abgehalten wurden, brachten den Nazis nur 44 Prozent der Stimmen (vorher hatten sie 37 gehabt) - die Mehrheit wählte immer noch gegen sie. Wenn man bedenkt, daß der Terror schon in vollem Gange, daß den Linksparteien in der letzten entscheidenden Woche vor der Wahl bereits der Mund verboten war, muß man sagen, daß sich das deutsche Volk in seiner Masse noch ganz anständig gehalten hatte. Das war aber gar keine Störung. Die Niederlage wurde einfach wie ein Sieg gefeiert, der Terror verstärkt, die Feste verzehnfacht. Die Fahnen verschwanden jetzt für vierzehn Tage überhaupt nicht mehr aus den Fenstern, eine Woche später schaffte Hindenburg die alten Reichsfarben ab, und die Hakenkreuzfahne wurde zusammen mit der schwarzweißroten »vorläufige Reichsflagge«. Und zugleich täglich Umzüge, Massenweihestunden, Dankkundgebungen für die nationale Befreiung, Militärmusik von früh bis spät, Heldenehrungen, Fahnenweihen, schließlich, als Höhepunkt, die bombastische Schmierenvorstellung des »Tages von Potsdam«, mit dem alten Verräter Hindenburg am Grabe Friedrichs des Großen, Hitler zum x-ten Male Treue zu irgendetwas gelobend, Glockengeläute, feierlicher Zug der Abgeordneten zur Kirche, Militärparade, gesenkte Degen, fähnchenschwenkende Kinder, Fackelzüge. Die ungeheuerliche Leere und Sinnentblößtheit dieser nicht abreißenden Veranstaltungen dürfte wiederum keineswegs unabsichtlich gewesen sein. Die Bevölkerung sollte eben daran gewöhnt werden, zu jubeln und sich zu erheben, auch ohne daß sie einen eigentlichen Grund dazu sah. Grund genug, daß Leute, die allzudeutlich nicht mitmachten - psst! - alltäglich und allnächtlich mit Stahlpeitschen und Drillbohrern zu Tode gebracht wurden. Jubeln wir also und heulen wir mit den Wölfen, heil, heil! Außerdem kam man auf den Geschmack dabei. Der März 1933 brachte wundervolles Wetter. War es nicht wirklich schön, festlich im Frühlingssonnenschein auf beflaggten Plätzen in hochgestimmten Mengen unterzutauchen und hehren Worten zu lauschen von Vaterland und Freiheit, Erhebung und heiligem Gelöbnis? (Besser jedenfalls, als unter Ausschluß der Öffentlichkeit in einer SA-Kaserne mit einem Wasserschlauch den Darm aufgepumpt zu bekommen.) Man begann mitzumachen - zunächst aus Furcht. Nachdem man aber einmal mitmachte, wollte man es nicht mehr aus Furcht tun - das wäre ja gemein und verächtlich gewesen. So lieferte man die zugehörige Gesinnung nach. Dies ist die seelische Grundfigur des Sieges der nationalsozialistischen Revolution. (Sebastian Haffner, Geschichte eines deutschen, Die Erinnerungen 1914 – 1933, Büchergilde Gutenberg, 2001) Freilich mußte noch etwas anderes hinzukommen, um ihn zu vollenden: das war der feige Verrat aller Partei- und Organisationsführer, denen sich die 56 Prozent Deutsche, die noch am 5. März 1933 gegen die Nazis wählten, anvertraut hatten. Dieser furchtbare und entscheidende Vorgang ist wenig ins historische Bewußtsein der Welt getreten: Die Nazis hatten kein besonderes Interesse daran, ihn hervorzuheben, weil er den Wert ihres »Sieges« beträchtlich herabmindern muß; und die Verräter selber - nun, sie hatten erst recht kein Interesse daran. Dennoch liefert nur dieser Verrat die letzte Erklärung für die zunächst unerklärlich scheinende Tatsache, daß ein großes Volk, das immerhin nicht nur aus Feiglingen besteht, widerstandslos der Schande verfallen konnte. Der Verrat war durchgehend, allgemein und ausnahmslos, von links bis rechts. Daß die Kommunisten, hinter einer prahlerischen FaVade von »Bereitschaft« und Bürgerkriegsvorbereitung, in Wahrheit nur die rechtzeitige Flucht ihrer höheren Funktionäre ins Ausland vorbereiteten, habe ich schon erzählt. Was die sozialdemokratische Führung betrifft, so hatte ihr Verrat an ihrer treuen und blind-loyalen Millionengefolgschaft von anständigen kleinen Leuten bereits am 20. Juli 1932 begonnen, als Severing und Grzesinski »der Gewalt wichen«. Den Wahlkampf von 1933 führten die Sozialdemokraten bereits auf eine entsetzlich demütigende Weise, indem sie hinter den Parolen der Nazis herliefen und ihr »Auch-national-sein« betonten. Am 4. März, einen Tag vor der Wahl, fuhr ihr »starker Mann«, der preußische Ministerpräsident Otto Braun, im Auto über die Schweizer Grenze; er hatte sich vorsorglich im Tessin ein Häuschen gekauft. Im Mai, einen Monat vor ihrer Auflösung, waren die Sozialdemokraten dann so weit, daß sie im Reichstag geschlossen der Regierung Hitler das Vertrauen aussprachen und das Horst-Wessel-Lied mitsangen. (Der Parlamentsbericht bemerkte: »Nichtendenwollender Beifall und Händeklatschen im Haus und auf den Tribünen. Auch der Reichskanzler, zu den Sozialdemokraten gewendet, klatscht.«) Das Zentrum, die große bürgerlich-katholische Partei, die in den letzten Jahren mehr und mehr auch das protestantische Bürgertum hinter sich gesammelt hatte, war bereits im März soweit. Es schuf durch seine Stimmen die Zweidrittelmehrheit, die der Regierung Hitler »legal« die Diktatur übertrug. Es handelte dabei unter Führung des einstigen Reichskanzlers Brüning. Dies ist im Ausland heute vielfach vergessen, und Brüning gilt dort vielfach noch als eine mögliche künftige Ablösung für Hitler. Aber man glaube mir: In Deutschland ist es unvergessen, und ein Mann, der noch am 23. März 1933 glaubte, aus taktischen Gründen die ihm anvertraute Partei in einer vitalen Abstimmung Hitler zuführen zu dürfen, ist dort für immer unmöglich geworden. Die Deutschnationalen schließlich, die konservativen Rechtskreise, die »Ehre« und »Heroismus« geradezu als ihr Parteiprogramm vindizierten - o Gott, wie überaus ehrlos und feige war das Schauspiel, das ihre Führer ihren Anhängern im Jahre 1933 und seither vorführten! Nachdem sich die Erwartung des 30. Januar, daß sie die Nazis »eingefangen« hätten und »unschädlich machen« würden, enttäuscht hatten, erwartete man wenigstens von ihnen, daß sie »bremsen« und »das Schlimmste verhüten« würden. Nichts da; sie machten alles mit, den Terror, die Judenverfolgungen, die Christenverfolgungen, ja sie ließen sich nicht dadurch stören, daß man ihre Partei verbot, ihre Anhänger verhaftete. Sozialistische Funktionäre, die ihre Wähler und Anhänger im Stich lassen und fliehen, sind, als Erscheinung, trübselig genug. Was aber soll man zu adligen Offizieren sagen, die zusehen, wie ihre nächsten Freunde und Mitarbeiter erschossen werden - wie der Herr von Papen und weiter im Amt bleiben und »Heil Hitler« rufen?! Wie die Parteien, so die Bünde. Es gab einen »Kommunistischen Frontkämpferbund«, es gab ein »Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold«, militärisch organisiert, nicht ganz waffenlos, mit Millionen Angehöriger, ausdrücklich dazu bestimmt, im Notfall die SA in Schach zu halten. Man bemerkte die ganze Zeit über nichts von diesem »Reichsbanner«, überhaupt nichts, nicht das Geringste. Es verschwand spurlos, als wäre es nie dagewesen. Widerstand gab es in ganz Deutschland höchstens als individuelle Verzweiflungstat - wie bei jenem Gewerkschaftsmann aus Cöpenick. Die Reichsbanneroffiziere schwangen sich nirgends auch nur zu einer Spur von Gegenwehr auf, wenn ihre Verbandshäuser von der SA »übernommen« wurden. Der »Stahlhelm«, die Armee der Deutschnationalen, ließ sich gleichschalten und später stückweise auflösen, murrend aber widerstandslos. Es gab nicht ein Beispiel von Verteidigungsenergie, Mannhaftigkeit, Haltung. Es gab nur Panik, Flucht und Überläuferei. Millionen waren im März 1933 noch kampfbereit. Sie fanden sich über Nacht führerlos, waffenlos und verraten. Ein Teil von ihnen suchte noch, verzweifelt, Anschluß beim »Stahlhelm« und bei den Deutschnationalen, als sich zeigte, daß die andern nicht kämpften. Deren Mitgliederzahlen schwollen ein paar Wochen lang unheimlich an. Dann wurden auch sie aufgelöst - und kapitulierten kampflos. Dieses furchtbare moralische Versagen der gegnerischen Führung ist ein Grundzug der »Revolution« vom März 1933. Es machte den Nazis den Sieg sehr leicht. Es stellt freilich auch den Wert und die Dauerhaftigkeit dieses Sieges in Frage. Das Hakenkreuz ist in die deutsche Masse nicht hineingeprägt worden wie in eine widerstrebende, aber dafür auch formfähige, feste Substanz, sondern wie in einen formlos-nachgiebigen, breiigen Teig. Der Teig mag ebenso leicht und widerstandslos eine andere Form annehmen, wenn der Tag kommt. Freilich besteht seit März 1933 die unbeantwortete Frage, ob es überhaupt lohnt, ihn zu formen. Denn die moralische Wesensschwäche Deutschlands, die damals zutagegetreten ist, ist zu ungeheuerlich, als daß nicht die Geschichte eines Tages Konsequenzen aus ihr ziehen sollte. Jede Revolution bei anderen Völkern hat, wieviel Blutverlust und momentane Schwächung sie immer mit sich bringen mochte, zu einer ungeheuren Steigerung aller moralischen Energien auf beiden kämpfenden Seiten geführt - und damit, auf lange Sicht, zu einer ungeheuren Stärkung der Nation. Man betrachte die ungeheure Menge von Heldenmut, Todesverachtung und menschlicher Größe, die - gewiß neben Ausschreitung, Grausamkeit und Gewalt - von Jakobinern wie Royalisten im revolutionären Frankreich, von Francoleuten wie von Republikanern im heutigen Spanien entfaltet worden ist! Wie immer der Ausgang sein mag - die Tapferkeit, mit der um ihn gerungen wurde, bleibt als unerschöpflicher Kraftquell im Bewußtsein der Nation. Die heutigen Deutschen haben an der Stelle, wo dieser Kraftquell entspringen müßte, nur die Erinnerung an Schande, Feigheit und Schwäche. Das wird unfehlbar eines Tages seine Wirkungen zeigen; sehr möglicherweise in der Auflösung der deutschen Nation und ihrer staatlichen Form. · Aus diesem Verrat der Gegner und dem Gefühl der Hilflosigkeit, der Schwäche und des Ekels, das er erzeugte, wurde das Dritte Reich geboren. Am 5. März waren die Nazis noch in der Minderheit geblieben. Drei Wochen später hätten sie, wäre noch einmal gewählt worden, wahrscheinlich wirklich die Mehrheit gehabt. Nicht nur der Terror hatte inzwischen seine Wirkung getan, nicht nur die Feste hatten viele berauscht (die Deutschen berauschen sich so gern an patriotischen Festen). Entscheidend war, daß die Wut und der Ekel gegen die eigene feig-verräterische Führung im Augenblick stärker wurde als die Wut und der Haß gegen den eigentlichen Feind. Zu Hunderttausenden traten auf einmal während des März 1933 Leute der Nazipartei bei, die bis dahin gegen sie gestanden hatten - die sogenannten »Märzgefallenen«, beargwöhnt und verachtet von den Nazis selbst. Zu Hunderttausenden gingen, jetzt zu allererst, auch Arbeiter aus ihren sozialdemokratischen oder kommunistischen Organisationen hinüber in die nazistischen »Betriebszellen« oder in die SA. Die Gründe, aus denen sie es taten, waren verschieden, und oft war es ein ganzer Knäuel von Gründen. Aber wie lange man auch sucht, man wird nicht einen starken, stichfesten, haltbaren und positiven darunter finden - nicht einen, der sich sehen lassen kann. Der Vorgang trug, in jedem Einzelfall, unverkennbar alle Merkmale eines Nervenzusammenbruchs. Der einfachste Grund, und fast überall, wenn man bohrte, der innerste, war: Angst. Mitprügeln, um nicht zu den Geprügelten zu gehören. Sodann: ein wenig unklarer Rausch, Einigkeitsrausch, Magnetismus der Masse. Ferner bei vielen: Ekel und Rachsucht gegenüber denen, die sie im Stich gelassen hatten. Ferner, eine seltsam deutsche Figur, dieser Gedankengang: »Alle Voraussagen der Gegner der Nazis sind nicht eingetroffen. Sie haben behauptet, die Nazis würden nicht siegen. Nun haben sie doch gesiegt. Also hatten ihre Gegner Unrecht. Also haben die Nazis Recht.« Ferner bei einigen (namentlich Intellekuellen) der Glaube, jetzt noch das Gesicht der Nazipartei ändern und ihre Richtung abbiegen zu können, indem man selbst hineinging. Sodann, selbstverständlich, auch echte gewöhnliche Mitläuferei und Konjunkturgesinnung. Bei den primitiver und massenartiger Empfindenden, Einfacheren schließlich ein Vorgang, wie er sich in mythischen Zeiten abgespielt haben mag, wenn ein geschlagener Stamm seinem offenbar ungetreuen Stammesgott abschwor und den Gott des siegreichen Feindesstamms zum Schutzherrn wählte. St. Marx, an den man immer geglaubt hatte, hatte nicht geholfen. St. Hitler war offenbar stärker. Zerstören wir also St. Marx‘ Bilder auf den Altären und weihen wir sie St. Hitler. Lernen wir beten: Die Juden sind schuld, anstatt: Der Kapitalismus ist schuld. Vielleicht wird uns das erlösen. Alles dies ist, wie man sieht, als Vorgang gar nicht so unnatürlich, es liegt durchaus innerhalb des normalen psychologischen Funktionierens, und es erklärt das scheinbar Unerklärliche fast vollkommen. Der einzige Rest, der bei alledern bleibt, ist die völlige Abwesenheit von dem, was man, an einem Volk wie an einem Menschen, »Rasse« nennt: also eines festen, durch Druck und Zug von außen nicht zu erschütternden Kerns, einer gewissen adligen Härte, einer allerinnersten, gerade erst in der Stunde der Prüfung mobilisierbaren Reserve an Stolz, Gesinnung, Selbstgewißheit, Würde. Das haben die Deutschen nicht. Sie sind als Nation unzuverlässig, weich, kernlos. Der März 1933 hat es bewiesen. Im Augenblick der Herausforderung, wo bei Völkern von Rasse wie auf Verabredung ein allgemeiner spontaner Aufschwung erfolgt, erfolgte in Deutschland wie auf Verabredung ein allgemeines Auslassen und Schlappmachen, ein Nachgeben und Kapitulieren kurz und gut: ein Nervenzusammenbruch. Das Ergebnis dieses millionenfachen Nervenzusammenbruchs war das geeinte, zu allem bereite Volk, das heute den Albdruck der ganzen Welt bildet. (Quelle: Sebastian Haffner, Geschichte eines Deutschen, Die Erinnerungen 1914 – 1933, Büchergilde Gutenberg, 2001) Marzabotto, SS-Massakern in „Am 28. und 29. September sowie am 1. Oktober 1944 massakrierten und vernichteten die Nazis des 16. Bataillons der 16. SS-Division „Reichsführer“ unter dem Kommando des Majors Walter ®Reder, von (italienischen) Faschisten auf diese Bergpfade geführt, Menschen, Tiere und Objekte, um die Bevölkerung, die das harte Los des Partisanenkrieges in den Reihen der Stella Rossa im Namen der politischen Freiheit und sozialen Gerechtigkeit gewählt hatten, zu bestrafen“, lautet eine Inschrift, die an die Massaker von Marzabotto erinnert. 29. September 1944, Marzabotto, südlich Bologna. An diesem dunklen und kalten Morgen kamen die Mörder in der schwarzen Uniform, geführt vom Österreicher Walter Reder und metzelten über 1.800 Menschen - mehrheitlich Frauen, Kinder und alte Leute - bei ihrer „Vergeltungsaktion“ gegen die Partisanengruppe „Stella Rossa“, nieder: Danach „kamen die Nazis um zu kontrollieren, ob alle tot seien, und um die Leichen zu plündern. Sie fühlten meine Hand, die zum Glück kalt war, und entrissen mir die Handtasche. Dabei war auch der einarmige Major Reder, ich erinnere mich gut an ihn“ ,so die Kindergärtnerin Antonietta Benni, die nur durch Zufall überlebte. Auf dem Monte Sole bei Marzabotto liegt, dicht bei Cerpiano - besser gesagt, den Ruinen des ehemaligen Dorfes gleichen Namens-, Casaglia. Dort drängten sich Frauen, Kinder und alte Menschen in der Kirche zusammen. Der Priester, Don Ubaldo Marchioni sprach Deutsch und war der irrigen Hoffnung, mit den Mördern ließe sich in der Sprache Goethes und Schillers reden. Sie erschossen ihn vor dem Altar. Danach trieben sie die Menschen in den nahegelegenen Friedhof von Casaglia. Auch San Martino wurde vom „Orden unter dem Totenkopf„ fast ausgerottet. „Sie schossen tief, um auch die Kinder zu treffen“, gab eine der wenigen Überlebenden später zu Protokoll. Die Gedenktafel an der Mauer des Friedhofes zitiert Adolf Hitler: „Wir müssen grausam sein, wir müssen es mit ruhigem Gewissen sein, wir müssen auf technische, wissenschaftliche Weise zerstören.“ Weiter unten auf der Tafel heisst es „Wie Hyänen durchstöberten sie die Büsche und Höhlen, um alle Spuren menschlichen Lebens auszulöschen.„ Es gibt noch mehrere solche Gedenktafeln auf dem Monte Sole bei Marzabotto. Im Februar 1983 gratuliert der ÖTB in der Bundesturnzeitung dem „Turnbruder Walter Reder“ zu seinem 68. Geburtstag. „Wenn wir auch aus verschiedenen Gründen nicht mehr so oft von ihm sprechen: Wir haben ihn nicht vergessen.“ Im Jahre 1985 kam Reder aus italienischer Haft frei. Und der damalige österreichische Verteidigungsminister, begrüsste ihn per Handschlag in der Heimat. Zum Ableben Walter Reders schrieb die Bundesturnzeitung: „Am 26. April 1991 verstarb unser langjähriger Turnbruder Walter Reder in Wien.(...) Walter Reder wurde am 26. Jänner 1985 aus der Kriegsgefangenschaft entlassen und durfte nach Österreich heimkehren.(...) Er war stets ein Kriegsgefangener und kein ‚Kriegsverbrecher‘, wie manche fälschlicherweise behaupten.(...) Walter Reder war und blieb immer ein Turnbruder für uns. Wir werden ihm stets ein ehrendes Angedenken bewahren“.→Terrormassnahmen http://www.swe.uni-linz.ac.at/staff/bob/VWM/betrifft/42/marza.htm Malloth - Der alte Mann und die Justiz Das Münchner Landgericht verurteilte gestern den 89-jährigen ehemaligen KZ-Aufseher und SS-Scharführer Anton Malloth zu lebenslanger Haft. Der Vorsitzende Richter Jürgen Hanreich hielt den Angeklagten des Mordes und Mordversuchs für schuldig. Von 1940 bis 1945 hatte der gelernte Fleischhauer Anton Malloth im Gestapo-Gefängnis „Kleine Festung“ in Theresienstadt Angst und Schrecken verbreitet. Malloth, der wegen seiner Eitelkeit „schöner Toni“ genannt wurde, hat sich, so bestätigten mehrere Zeugen, durch besonders grausame Aktionen hervorgetan. „Er war wie ein Teufel“, berichtete ein aus Wien angereister ehemaliger Häftling. Zwei Vorkommnisse, an die sich die Zeugen detailliert erinnern konnten, wurden dem SS-Scharführer nun zum Verhängnis. Malloth hatte 1944 auf einen jüdischen Häftling, der sich nach einem Arbeitseinsatz nicht ordnungsgemäß zurückgemeldet hatte, mit einem dicken Haselnussstock „wie von Sinnen“ eingeprügelt. Als der Gefangene zu Boden ging, trat Malloth den Mann mit den Stiefeln in die Rippen. Der 25-minütige Gewaltausbruch endete mit dem Tod des Häftlings. Ein Jahr zuvor hatte Malloth einen jüdischen Gefangenen zusammengeschlagen und mehrere Schüsse auf ihn abgefeuert. Der Mann hatte bei Erntearbeiten versucht, einen Blumenkohl unter seiner Kleidung zu verstecken. Da nicht feststeht, ob dieser zweite Mann auch tatsächlich an den Folgen von Malloths Torturen starb, wurde dieser Fall nur als Mordversuch gewertet. Der Angeklagte habe „nicht aus Gleichgültigkeit“ gehandelt, sondern „den Hass gegen Juden und politische Verfolgte“ verinnerlicht, begründete Richter Hanreich die lebenslange Haftstrafe. Einen 89-jährigen Mann vor Gericht zu stellen und ihn zu lebenslanger Haft zu verurteilen, das ist ein Vorgang, der keine Freude aufkommen lässt. Welchen Sinn, könnte man sich fragen, soll es haben, einen kranken Greis, der sich ohne Rollstuhl kaum noch fortbewegen kann, für den kurzen Rest seines Lebens ins Gefängnis zu sperren? Wer den Prozess gegen Anton Malloth verfolgt hat, wer die Zeugen gehört hat, die noch nach mehr als einem halben Jahrhundert von der Erinnerung an die Zeit verfolgt werden, in der sie unter Malloth und seinen Kumpanen gelitten haben, der wird diese Frage nicht mehr stellen. Malloth hat zahlreiche Menschen gequält und etliche getötet. Für die wenigen noch lebenden Opfer ist es eine Erleichterung, dass dieser Prozess stattfinden konnte und dass er mit einer Verurteilung endete. Anton Malloths Schweigen, das starre Gesicht, mit dem er der Verhandlung folgte, lassen keine Vermutung zu, ob er sich seiner Schuld bewusst geworden ist. Dass er zumindest gezwungen war, sich die Berichte derer anzuhören, die ihm einmal ausgeliefert waren, gibt diesem späten Prozess doch noch einen Sinn. Malloth war schon einmal verurteilt worden: Ein tschechisches Gericht hielt 1948 die Todesstrafe für den Aufseher für angemessen. Doch Malloth war zunächst nach Innsbruck und dann nach Meran geflüchtet. Dort lebte er unbehelligt, bis ihn Italien 1988 nach Deutschland abschob. Der Skandal im Fall Malloth ist, dass dieser Mann 89 Jahre alt werden konnte, bis er sich für seine Verbrechen vor einem deutschen Gericht verantworten musste. Dass eine deutsche Staatsanwaltschaft 30 Jahre lang Dutzende von Zeugen anhörte, die Malloths Untaten in allen Details schilderten, und doch keine Anklage erhob. Insgesamt dreimal hat die Staatsanwaltschaft in Dortmund in der Folgezeit das Verfahren gegen ihn eingestellt. 1999 meldete sich ein neuer tschechischer Zeuge. Die Dortmunder Anklagebehörde zeigte kein Interesse und gab das Verfahren nach dem Wohnortprinzip nach München ab, wo Malloth in einem Altenheim lebte. Die Ermittlungsbehörde in Dortmund hat sich die Rolle des Richters angemaßt und hat damit de facto Strafvereitelung im Amt betrieben, auch wenn das nie justiziabel sein wird, weil der Ermessensspielraum eines Staatsanwalts nahezu grenzenlos ist. Was die Dortmunder Behörde jahrelang nicht schaffte, erreichten deren Münchner Kollegen in wenigen Monaten. Malloth wurde im vergangenen Mai verhaftet, im Dezember stand die Anklageschrift wegen Mordes in drei Fällen und Mordversuches. Da ein weiterer zur Anklage gebrachter zweifacher Mord dem SS-Aufseher nicht eindeutig zugeordnet werden konnte, stellte die Staatsanwaltschaft dieses Verfahren ein Quellen: SZ Homepage, 31.5.01, hh, taz Nr. 6459 vom 31.5.2001 Medizin ohne Menschlichkeit: Die Aufgaben der SS-Ärzte des Stammlagers Auschwitz beschreibt der Lagerkommandant Rudolf Höß in einer Tagebucheintragung: „Neben ihren gewöhnlichen, üblichen ärztlichen Aufgaben übten die SS-Ärzte in Auschwitz noch folgende Tätigkeit aus: 1. Bei den ankommmenden Juden-Transporten hatten sie die arbeitsfähigen männlichen sowie weiblichen ®Juden nach den vom RASS gegebenen Richtlinien auszusuchen. 2. Bei dem Vernichtungsvorgang an den Gaskammern hatten sie anwesend zu sein, um die vorgeschriebene Anwendung des Giftgases ®Cyklon B durch die Desinfektoren SDG’ s zu überwachen. Weiters hatten sie sich nach der Öffnung der Gaskammern zu überzeugen, daß die Vernichtung vollständig war. Ein Arzt hatte laut Heeresdienstvorschrift zum Schutze des SS-Personals bei Vergasungen anwesend zu sein: „Der Angeklagte Dr... hat während der Tötung der in der Gaskammer eingeschlossenen Menschen Dienst gemacht, d. h. er hat den Desinfektoren das Zeichen zum Einwerfen des Gases gegeben, nachdem die Gaskammer verriegelt worden war. Dann hat er nach dem Einschütten des Zyklon B den Todeskampf der in der Gaskammer eingeschlossenenen Opfer beobachtet und schließlich das Zeichen zum Öffnen der Gaskammer gegeben. Nach der Öffnung der Gaskammer hat er sich von dem Tod der Opfer überzeugt und ihre Leichen zur Verbrennung freigegeben.“ 3. Die Zahnärzte hatten sich durch fortgesetzte Stichproben davon zu überzeugen, daß die Häftlingszahnärzte der Sonderkommandos bei allen Vergasten die Goldzähne auszogen und in die bereitstehenden, gesicherten Behältnisse warfen. Weiter hatten sie die Einschmelzung des Zahngoldes und die sichere Aufbewahrung bis zur Ablieferung zu überwachen. 4. Die SS-Ärzte hatten laufend in Auschwitz, in Birkenau sowie in den Arbeitslagern die arbeitsunfähig gewordenen Juden, die voraussichtlich innerhalb von vier Wochen nicht wieder arbeitsfähig werden konnten, auszumustern und der Vernichtung zuzuführen. Auch seuchenverdächtige Juden waren zu vernichten. Bettlägerige sollten durch Injektionen getötet, die anderen in den Krematorien bzw. im Bunker durch Gas vernichtet werden. Zu den Injektionen werden m. Wissens Phenol, Evipan und Blausäure verwendet. 4.1. Selektionen im Krankenrevier: „Bei diesen Selektionen ging der Arzt durch die Krankensäle und legte bei den Kranken, die für die Tötung bestimmt wurden, die Krankenblätter beiseite und ließ die Namen aufschreiben. Nunmehr wußten diese Kranken, daß sie in Kürze zur Vergasung abgeholt werden würden.“ 4.2. Selektionen im Lager: Die Selektionen im Lager dienten dazu, sog. „Muselmänner“ ausfindig zu machen. Sie wurden nackt vor dem Krankenbau oder an anderer Stelle einem SS-Arzt vorgeführt, der dann darüber entschied, ob sie noch „arbeitsverwendungsfähig“ waren. Waren sie dies nicht und bestand auch keine baldige Aussicht auf Verbesserung des Zustandes bzw. Wiedererlangung der Arbeitskraft, so wurden sie in die Gaskammern geschickt. Derartige Selektionen durch Ärzte sind aus Auschwitz, Mauthausen und anderen Lagern bekannt. 4.3. „Die große Selektion“: Bei diesen Selektionen mußten alle kranken Häftlinge des Krankenbaus dem Lagerarzt nackt vorgeführt werden, der darüber entschied, ob ein Häftling im Krankenbau bleiben könne oder in die Gaskammer geschickt würde. Die Fieberkurven der zur Tötung bestimmten Menschen wurde zur Schreibstube gebracht, wo eine Liste mit den Nummern der für den Tod bestimmten Häftlinge erstellt wurde. Ein Paar Tage später wurden diese dann aufgerufen und in die Gaskammern, wo sie durch Zyklon B getötet wurden, gebracht. Eine andere Form der Selektion war die sogenannte „Arztvorstellung“, die an allen Werktagen morgens gegen 9 Uhr im Ambulanzraum des Blockes 28 stattfand. Die Häftlinge hatten sich in einer Reihe aufzustellen und nacheinander einen Durchgang von zwei gegenüberstehenden Tischen zu passieren. Während sie sich in diesem Durchgang befanden, wurde ihre Krankengeschichte von einem anwesenden Häftlingsarzt vorgestellt, der eine Diagnose stellte und Behandlungsvorschläge machte. Ein SS-Arzt entschied dann über das weitere Schicksal des Häftlings. Dabei gab es drei verschiedene Möglichkeiten: Diejenigen, die - entsprechend den in Auschwitz herrschenden Wertungsmaßstäben -nur geringfügig erkrankt waren, wurden als Simulanten zum Arbeitseinsatz zurückgeschickt. Andere, die schwerer erkrankt waren und deren Wiederherstellung (d. h. Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit) innerhalb der nächsten 4-6 Wochen zu erwarten war, wurden ins Krankenrevier zur Behandlung aufgenommen. Diejenigen, deren Wiederherstellung länger als die anberaumten 4-6 Wochen in Anspruch nehmen würde, wurden zur Liquidierung bestimmt. Zumeist wurden sie dann im sogenannten ”Operationszimmer” durch Phenoleinspritzungen ins Herz getötet, was SS-Ärzte unter sich verächtlich „Abspritzen“ nannten und ansonsten unter der verschlüsselten Bezeichnung 14 f 13 - Methode lief. 5. Sie hatten die sogenannten verschleierten Exekutionen durchzuführen. Es handelt sich dabei um polnische Häftlinge, deren Exekution vom ®RSHA bzw. vom BdS des General-Gouvernements angeordent war. Da die Exekution aus politischen bzw. sicherheitspolizeilichen Gründen nicht bekannt werden durfte, sollte als Todesursache eine im Lager übliche angegeben werden. Die so zum Tode verurteilten gesunden Häftlinge wurden von der politischen Abteilung in den Arrest-Bl-11 gebracht und dort von einem SS-Arzt durch Injektion liquidiert. Kranke wurden im Krankenbau ebenfalls durch Injektion unauffällig getötet. Der betr. Arzt hatte dann auf der Todesbescheinigung eine rasch zum Tode führende Krankheit anzugeben. 6. Die SS-Ärzte hatten bei den Exekutionen der von den Standgerichten zum Tode verurteilten zugegen zu sein und den Tod festzustellen. Ebenso bei den Exekutionen, die vom RFSS oder vom RSHA, oder vom BdS d. G.G befohlen waren. 7. Sie hatten bei Anträgen auf körperliche Züchtigung die zu bestrafenden Häftlinge auf Hinderungsgründe zu untersuchen und beim Vollzug dieser Strafe anwesend zu sein. 8. Sie hatten an fremdvölkischen Frauen - bis zum fünften Schwangerschaftsmonat - Schwangerschaftsunterbrechungen vorzunehmen. Neben den erwähnten Schwangerschaftsunterbrechungen forschten SS-Ärzte noch nach geeigneten und einfachen Methoden, wie man Frauen möglichst ohne Aufwand sterilisieren könne. In diesem Zusammenhang ist der Gynäkologe Dr. Carl Clauberg zu nennen, dem 1942 in einem Block des Stammlagers Auschwitz ein ”Reichsforschungsinstitut für Fortpflanzungsbiologie” eingerichtet wurde, wo er Versuche an Zwangsarbeiterinnen und sogenannten ”fremdvölkischen Frauen in den zur Germanisierung vorgesehenen Ostgebieten” vornahm. Beispielsweise spritzte er ihnen Gips oder Formalin in die Eileiter, um diese zu verkleben und die Frauen so unfruchtbar zu machen. Horst Schumann, der 1941 nach Auschwitz kam, nahm Sterilisationen und ®Kastrationen vor, indem er die Betroffenen mit Röntgenstrahlen bestrahlte. Nicht nur die Eierstöcke verbrannten, sondern auch andere lebenswichtige Organe wurden in Mitleidenschaft gezogen. Höß unterscheidet zunächst zwischen ”üblichen ärztlichen Aufgaben” und ”nichtärztlichen Tätigkeiten”. Das medizinische System in Konzentrationslagern war also zweigeteilt, wobei SS-Lagermannschaften in den Genuß wirklicher medizinischer Versorgung kamen, die Häftlinge jedoch aufs äußerste vernachlässigt wurden, bzw. unter schrecklichen Qualen pseudowissenschaftliche Versuche und Experimente mit zumeist tödlichem Ausgang über sich ergehen lassen mußten. Ein Geheimbefehl Himmlers besagte, daß auf Anordnung des Lagerkommandanten oder Lagerarztes bestimmte Häftlinge, darunter auch Schwerkranke oder Schwerverletzte, durch Einspritzen von Blauäure oder Wasserstoffsuperoxid ins Herz zu töten seien. Im Lager Struthof hatte der verantwortliche SS-Arzt Dr. Heidel einen allgemeinen Befehl F2 oder F4, wonach Häftlinge, von denen keine Arbeitsleistung mehr zu erwarten sei, zu töten seien. Aufgrund dieses Befehls wurden im KZ Oranienburg Sanitätslehrgänge für Sanitätsdienstgrade, die in Konzentrationslagern eingesetzt wurden, abgehalten, in denen Dr. Lolling, oberster SS-Arzt für alle Konzentrationslager, Teilnehmern beibrachte, wie man Menschen „abspritzt“. Wiederum Frauen wurden Opfer von Dr. Eduard Wirths, der operative Eingriffe an krebsverdächtigen oder krebskranken Jüdinnen vornahm. Der Widerstandskämpfer Hermann Langbein (‘Nicht wie die Schafe zur Schlachtbank’), der in seiner Schreibstube tätig war, konnte ihn allerdings schließlich davon überzeugen, diese menschenverachtenden Versuche zu unterlassen. Versuche anderer Art unternahm Josef ®Mengele, der berühmt-berüchtigte „Dr. Auschwitz“. Er experimentierte an Zwillingen und kleinwüchsigen Menschen herum und versuchte so rassenspezifische Merkmale festzustellen sowie angeblich rassisch bedingte Reaktionen auf Infektionskrankheiten nachzuweisen. So infizierte er eineiige und zweieiige Zwillinge jüdischer Herkunft und aus Sinti- und Romafamilien und ließ ihr Blut , das in verschiedenen Stadien des Krankheitsverlaufs entnommen wurde, in Berlin serologisch untersuchen. Nach Beendigung der <> ließ er seine zu Versuchskaninchen degradierten Opfer durch Phenoleinspritzung oder Vergasung töten. Auch Dr. Johann Paul Kremer bediente sich des im Überfluß zur Verfügung stehenden menschlichen Versuchsmaterials. In Auschwitz ließ er sich zur Tötung selektierte Häftlinge - Diagnose Körperschwäche -, die für ihn von besonderem Interesse waren, reservieren. Die betreffenden Häftlinge wurden dann Kremer vorgeführt, der sie, schon auf dem Sektionstisch liegend, nach Alter, Körpergewicht und Krankengeschichte befragte und sie sodann von einem Sanitätsdienstgrad durch Phenolinjektion töten ließ, so daß er „lebendfrisches Material von Leber, Milz und Pankreas“ entnehmen und fixieren konnte, wie er in einer Tasgebucheintragung vom 10. Oktober 1942 befriedigt konstatiert. Motivation für die SS-Ärzte war, neben einer gehörigen Portion an Sadismus, ein ins Perverse übersteigerter Forschungsdrang. Hinzu kam meistens noch ein rücksichtsloses Karrierestreben. So dienten die Versuche Raschers (s. u.) und Mengeles dazu, ihre Habilitation voranzutreiben. Nutznießerin dieser verbrecherischen Versuche war die Deutsche Pharmaindustrie, die sich Auschwitz als Großlaboratorium zunutze machte. Häftlinge wurden beispielsweise von Bayer zu Versuchszwecken regelrecht auf Bestellung gekauft, 700 RM pro weiblicher Häftling, Nachschub bei Tod garantiert. An erster Stelle ist hier die IG-Farben zu nennen. Abgesehen davon, daß sie über ihre Tochtergesellschaft DEGESCH das zur Vernichtung von Millionen von Menschen vorgesehene Gas Zyklon B lieferte und in ihrer Produktionsstätte für synthetischen Treibstoff bzw. den synthetischen Kautschuk Buna in Monowitz Menschen zu Tode verschleißte (”Vernichtung durch Arbeit”) bzw. es zuließ, daß Menschen in ihrem „Privat-KZ“ Monowitz daran starben, dass das als Waffe vorgesehene Nervengas Tabun und noch nicht klinisch erprobte Medikamente an ihnen getestet wurden. Weiterhin wurden Häftlinge mit Fleckfieber infiziert, um einen Impfstoff der Behring-Werke zu prüfen. Die meisten der entkräfteten Menschen starben an den Versuchen. Zur Erprobung des Gelbsucht-Medikaments Acridin wurde die Gelbsucht künstlich hervorgerufen. Dem Chemiekonzern Schering kamen die Sterilisationsversuche Dr. Claubergs im Rahmen ihrer Hormonforschung zugute. Aber auch die Wehrmacht profitierte von den Versuchen. So wurde beispielsweise an ”Zigeunern” in Dachau sogenannte „Durstversuche“ durchgeführt. Es handelte sich darum, ein wehrtechnisches Problem (das der Trinkbarmachung von Meerwasser) zu lösen und festzustellen, ob ein von Dr. Konrad Schäfer, Unterarzt im Forschungsinstitut für Luftfahrtmedizin, entwickeltes und für die IG-Farben zur Großproduktion vorgesehens Entsalzungsmittel oder das auf der Basis von Traubenzucker hergestellte Berkatit zur Entsalzung geeigneter wäre. In diesem Kontext sind auch die Unterdruck- und Unterkühlungsexperimente zu sehen, die Dr. Sigismund Rascher im KZ Dachau durchführte, um das Verhalten des menschlichen Organismus in Höhen bis zu 12 000 m und bei plötzlich einsetzendem Druckabfall in beschädigten Flugzeugen zu studieren. Im Genehmigungsantrag an Himmler weist er ausdrücklich auf das mit der Versuchsdurchführung verbundene Todesrisiko hin. Daß Wehrmacht und SS bei diesen Versuchen eng zusammenarbeiteten, zeigt sich auch darin, daß gemeinsame Besuche des Beratenden Internisten des Heeres mit dem Reichsarzt SS in Auschwitz stattfanden, wo die Fortschritte begutachtet wurden. Finanziert wurden diese Versuche von der „Forschungs- und Lehrgemeinschaft das Ahnenerbe“, die wiederum von folgenden Firmen und Insitutionen unterstützt wurde: „Reichsforschungsrat, Deutsche Forschungsgemeinschaft, Merck, Siemens, IG-Farben und Daimler-Benz sowie vom „Freundeskreis Himmler“, zu dem einflußreiche Persönlichkeiten aus der deutschen Industrie und Hochfinanz zählten, z.B. die Vorsitzenden der Dresdner Bank, die Chefs der Braunkohle-Benzin AG und der Siemens-Schuckert AG. ”Das Geld und auch die Anregungen zu all diesen tausend Versuchen, die Himmler auf allen Gebieten durchführte, hatte er von Einzelpersönlichkeiten und Industrie erhalten.” Hinter diesen verbrecherischen Menschenversuchen standen also rücksichtslose, weitreichende, ineinander verquickte wirtschaftliche, kriegstechnische und machtpolitische Interessen, denen unschuldige Menschen zum Opfer fielen. Diese Experimente stellten in vielen Fällen die Basis zur heutigen Weltraum- und Raumfahrtforschung dar. Nazi-Wissenschaftler wanderten nach dem Krieg in die USA aus, wo sie sich an Raumfahrtforschungsprogrammen wie der „Aktion Paperclip“ beteiligten. Dabei wurden Erkenntnisse, die durch die Menschenexperimente gewonnen wurden, insbesondere die Ergebnisse der Unterdruckversuche, weiterverwertet. http://www.uni-marburg.de/dir/MATERIAL/DOKU/DIV/AUSCH4.HTML Mengele, Josef SS Arzt im Konzentrationslager Auschwitz Dr. phil. Dr. med. Josef Mengele, geboren 1911 in Günzburg (Bayern), stammte aus einer ortsansässigen Industriellenfamilie und trat als Zwanzigjähriger dem Stahlhelm bei, einer militanten nationalistischen Organisation, in der sich Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg gesammelt hatten. 1934 wechselte er zur ®SA und bewarb sich 1937 um die Mitgliedschaft in der ®NSDAP sowie später in der ®SS. Schon auf der Universität war er ein überzeugter Vertreter der nationalsozialistischen Weltanschauung. Er studierte in München, Bonn, Frankfurt und Wien. 1935 beendete er am Anthropologischen Institut der philosophischen Fakultät der Universität München seine Dissertation mit dem Titel: „Rassenmorphologische Untersuchung des vorderen Unterkieferabschnitts bei vier rassischen Gruppen“. 1938 folgte seine medizinische Doktorarbeit über „Sippenuntersuchungen bei Lippen-Kiefer-Gaumenspalte“, die wie eine Vorläuferin seiner späteren Arbeiten in Auschwitz klingt, und in der Mengele schon auf die Bedeutung der Zwillingsforschung hinwies. Als Mitglied des von den Nationalsozialisten gegründeten Instituts für Erbbiologie und Rassenhygiene meldete sich Mengele bei Beginn des Zweiten Weltkrieges freiwillig zur Waffen-SS und war als Sanitätsoffizier in Frankreich und in der Sowjetunion eingesetzt, wo er hohe Auszeichnungen erhielt, bevor er wegen einer Verwundung für frontdienstuntauglich erklärt wurde. 1943 ging er, wiederum freiwillig, nach Auschwitz, um dort, durch Gelder der späteren Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt, medizinische und anthropologische Untersuchungen durchzuführen. Mengeles „Forschungsschwerpunkt“ bestand in einer fanatisch geführten Zwillingsforschung, durch die er wahrscheinlich eine vollständige und verläßliche Bestimmung der Vererbung beim Menschen und das Ausmaß des Schadens durch ungünstige Erbeinflüsse nachweisen wollte. Jedes Zwillingspaar konnte unter den gleichen Lebensbedingungen beobachtet und bei bester Gesundheit in den Tod geschickt werden - eine ideale Voraussetzung für vergleichende Post-mortem-Untersuchungen. Andere „Forschungsgebiete“ Mengeles waren die Untersuchung Zwergwüchsiger als exemplarischer Ausdruck des „Abnormen“ und ein durch völlige körperliche und seelische Erschöpfung entstehendes brandiges Absterben der Wangen (Noma), das er aus einer Anlage der Rasse zu begründen suchte. Bis kurz vor der Evakuierung von Auschwitz im Lager tätig, kehrte Mengele danach nach Günzburg in Bayern zurück, wo er sich ungehindert von der Justiz mit dem Wideraufbau der Landmaschinenfabrik Carl Mengele und Söhne beschäftigte, dem größten Arbeitgeber am Ort. Erst Mitte der fünfziger Jahre machte der Schriftsteller Ernst Schnabel durch seine Veröffentlichungen zu Anne Frank auf Josef Mengele aufmerksam, der sich aber bereits nach Südamerika abgesetzt hatte. Bis zum Ende der siebziger Jahre konnte sich Mengele allen Auslieferungsbegehren entziehen und starb vermutlich1979 in Brasilien bei einem Badeunfall. http://www.shoa.de/p_josef_mengele.html Mischlinge „Mischlinge“ sind nach nationalsozialistischer Definition Personen von „teilweise jüdischer Abstammung“. Hitler war der Überzeugung, daß sämtliche Mischlinge eine Bedrohung darstellten und die völlige Assimilation „fremden Blutes“ unmöglich sei. Im Reichsbürgergesetz von 1935, in dem der Begriff „Jude“ definiert wurde, tauchte als dritte Kategorie die der „Mischlinge“ auf. Laut Ergebnis von 1939 lebten 72.000 „Mischlinge ersten Grades“ (Halbjuden) und 39.000 „Mischlinge zweiten Grades“ (Vierteljuden, Personen, die in Mischehen lebten) in Deutschland. Grundsätzlich war beabsichtigt, „Mischlinge zweiten Grades“ in die deutsche Nation zu integrieren, während „Mischlinge ersten Grades“ mit Juden gleichgesetzt wurden. (http://shoanet.hbi-stuttgart.de/glossar/M.htm#Mischlinge) Morgenthau-Plan Der amerikanische Finanzminister Henry Morgenthau jr. stand 1944 unter dem Eindruck, sowohl die in den USA für die Deutschlandpolitik zuständigen Stellen als auch die maßgeblichen britischen Politiker verfolgten gegen das besiegte Deutschland eine zu wenig harte Linie. In einer Denkschrift, die Morgenthau Anfang September 1944 vorlegte, wurde die Zerstückelung Deutschlands propagiert. Nach umfangreichen Gebietsabtretungen sollten drei deutsche Staaten entstehen, die Wirtschaftsregionen an Rhein und Ruhr sowie die Nordseeküste internationalisiert werden. Außer der völligen Entwaffnung und Abrüstung Deutschlands und großen Reparationsleistungen (auch durch Zwangsarbeit) sollten nach dem Morgenthau-Plan die Industriebetriebe völlig demontiert, die Bergwerke stillgelegt und zerstört werden. Bei Kontrolle der ganzen Wirtschaft auf 20 Jahre würde Deutschland ein Agrarstaat sein, der keine Möglichkeit zu aggressiver Politik mehr haben würde. Der Plan enthielt, in der jeweils radikalsten Form, alle Vorschläge und Maßnahmen, die in der Kriegszieldebatte der Alliierten bis dahin schon einmal aufgetaucht waren. Morgenthaus Vorschläge sollten die gemäßigten Deutschlandpläne des alliierten Oberkommandos unter Eisenhower, der interalliierten European Advisory Commission und der Fachressorts in Washington und London korrigieren. Morgenthau, mit dem US-Präsidenten Roosevelt befreundet, schien Erfolg zu haben, als bei der britisch-amerikanischen Konferenz in Quebec am 15. September 1944 Premierminister Churchill und Präsident Roosevelt eine (schon abgemilderte) Version des Morgenthau-Plans paraphierten. Cordell Hull, der amerikanische Außenminister, protestierte ebenso wie sein britischer Kollege Anthony Eden aber bereits am folgenden Tag gegen den Plan, der amerikanische Kriegsminister Stimson nannte das Programm „ein Verbrechen gegen die Zivilisation“. Als der Morgenthau-Plan durch eine gezielte Indiskretion am 21. September 1944 in die Öffentlichkeit kam, war die Reaktion so negativ, daß auch Präsident Roosevelt sich distanzierte. Der Morgenthau-Plan verschwand bereits Ende September 1944 in der Versenkung, ohne von den zuständigen Gremien jemals formell diskutiert worden zu sein. Für die spätere Besatzungs- und Deutschlandpolitik blieb der Morgenthau-Plan ohne jede Bedeutung. Aber Goebbels und Hitler hatten den „jüdischen Mordplan“ zur „Versklavung Deutschlands“ mit so großem Erfolg für ihre Durchhaltepropaganda benutzt, daß bei vielen der Glaube entstand, das Programm sei 1945 realisiert worden. In der rechtsextremen Publizistik spielt der Morgenthau-Plan diese Rolle bis zum heutigen Tag. (http://www.comlink.de/cl-hh/m.blumentritt/agr239.htm) Nacht der langen Messer ®Röhm-Putsch National befreite Zone Die Begründung der Jury, die aus rund 450 Vorschlägen den Begriff „national befreite Zone“ zum Unwort des Jahres 2000 erklärte, lautet: „Damit werden auf zynische Weise Gebiete und Orte umschrieben, aus denen durch terroristische Übergriffe Ausländer und Angehörige anderer Minderheiten vertrieben wurden und die Einwohner durch Einschüchterung daran gehindert werden, sich noch offen gegen diesen Terror zu wehren,“ In den östlichen Bundesländern erfährt dieser Begriff eine erschreckende Präsenz. Über Überfälle auf Campingplätze und die Einschüchterung ganzer Gemeinden durch Rechtsradikale wurde in den Medien ausführlich berichtet. Die Hintergründe der Übergriffe bleiben zumeist außen vor. Dabei ist die Botschaft nicht geheim. Seit Jahren stehen entsprechende Texte und Anleitungen auf diversen Sites im Internet bereit zur Ausführung. Unter „Schafft befreite Zonen!“ wird nicht nur das Aktionsfeld der Handlungen definiert: „Wenn also im folgenden von befreiten Zonen die Rede ist, so wird automatisch vorausgesetzt, daß diese Zonen in erster Linie in Mitteldeutschland zu schaffen sind.“ Auch über die Form werden keine Zweifel gelassen: „Wir betrachten die befreiten Zonen aus militanter Sicht, also aus der Sicht des politischen Aktivisten. (...) Wir müssen Freiräume schaffen, in denen wir faktisch die Macht ausüben, in denen wir sanktionsfähig sind, d.h. wir bestrafen Abweichler und Feinde...“ http://www.dir-info.de/themen/unwort2000.shtml Nationalsozialismus Politische Bewegung in Deutschland geführt von Adolf ®Hitler und organisiert in der 1919 gegründeten ®NSDAP und Bezeichnung für das zwischen 1933 und 1945 in Deutschland errichtete Herrschaftssystem. Die Ideenwelt des Nationalsozialismus stammte aus dem 19. Jh. Zu ihr gehörten außer einem gesteuerten Nationalismus der ®Rassismus (Glaube an die Herrenrasse der Arier), ®Antisemitismus, Sozialdarwinismus und Imperialismus (Lebensraumideologie). Militanter Nationalismus, Antiliberalismus und Antikommunismus machen den deutschen Nationalsozialismus vergleichbar mit dem italienischen Faschismus. Nazi-Gold „Ich mag keine Fonds, denn ich mag die Wahrheit.“ Abraham Hirchson, Abgeordneter der israelischen Knesset Raubgold, das die Nazis während des Krieges den Banken der besetzten Länder Europas abgenommen oder verfolgten Privatleuten, meist Juden, entrissen hatten: Goldbarren der Staatsbanken ebenso wie Schmuck und sogar Zahngold der Opfer der ®Konzentrationslager. Am 23. Juli veröffentlichte die Schweizer Bankvereinigung weltweit eine Liste der nachrichtenlosen Konti. Aufgeführt wurden dort 1872 Namen von Inhabern sogenannter nachrichtenloser Konten. Nicht nur die Schweiz, auch andere neutrale Länder wie Schweden, Portugal oder Spanien haben gleichfalls mit Nazigold gehandelt. Selbst die Briten sind keineswegs frei von Schuld. http://www.stud.fernuni-hagen.de/q5242118/hist/ns.html Neonazismus Rechtsextreme werden vor allem in Deutschland vereinfachend als „neonazistisch“ bezeichnet. ... Tatsächlich neonazistisch sind hingegen die Ziele vieler im Untergrund tätiger Wehrsportgruppen. Nach der deutschen Wiedervereinigung bildeten Neonazis zahlreiche neue Gruppen in den neuen Ländern. Daß in Deutschland nur noch wenige Juden leben, hat zwar den Antisemitismus nicht ausgerottet, aber neue Feindbilder werden heute von „Ausländern“ und vor allem „Asylanten“ abgedeckt. s.a.: - Angriff übers Netz http://www.akdh.ch/ps/02tachles.htm - Arbeitslosigkeit, Rechtsradikalismus, Vollbeschäftigung http://www.gmh.dgb.de/main/jahresin/1998/Leseproben/leseprobe_Kurz-Scherf_9806-07.html - Meldestellen für Nazi Websites http://www.shoa.de/kommunikation/sites_melden.html Nichtarisch Als „nichtarisch“ galt, wer von jüdischen Eltern oder Großeltern abstammte. Es genügte, wenn ein Eltern- oder Großelternteil „nichtarisch“ war. Nichtarier waren also: ®Mischlinge 2. Grades:Personen mit einem jüdischen Großelternteil Mischlinge 1. Grades:Personen mit zwei jüdischen Großeltern, die am 15. September 1935 weder der jüdischen Religion angehörten noch mit einem Juden verheiratet waren. ®Juden:Personen mit zwei jüdischen Großeltern, die am 15. September 1935 der jüdischen Religion angehörten oder mit einem Juden verheiratet waren, sowie Personen mit drei oder vier jüdischen Großeltern. Nordische Rasse Die nordische Rasse sollte nach nationalsozialistischer Auffassung Schöpferin aller großen Kulturen gewesen sein. Die Angehörigen dieser Rasse galten in der nationalsozialistischen Lehre nach Körperbau (hoher, schlanker Wuchs, langschädelig, schmalgesichtig, blonde Haare, blaue Augen, helle Haut), Charakter und geistigen Fähigkeiten als allen anderen Menschen überlegen. Die Gegenkraft zum nordisch-germanischen Menschen war der ®Untermensch. Als Untermenschen wurden vor allem die ®Juden bezeichnet. NPEA (Nationalsozialistische Politische Erziehungsanstalt, auch NAPOLA) Höhere vom Staat getragene Schulen in Internatsform. Ursprünglich nach dem Vorbild der englischen Public Schools geplant, bekamen diese Elite-Anstalten zunehmend eher einen militärischen Charakter. Sie hatten als so genannte Ausleseschulen gegenüber anderen Schulen politischen Sonderstatus mit einem besonderem Lehrplan (Wehrsport, musische Aubildung und außerschulische Einsätze), durch den eine nationalsozialistische Elite herangebildet werden sollte. 1944 gab es in Preußen 13, in den anderen Ländern 9 und außerhalb des Altreichs 13 NPEA, davon eine für Mädchen. http://www.jugendheime.de/news/Diplomarbeiten/Neidlein/1.5.htm Nürnberger Prozesse „Wir werden Ihnen unwiderlegbare Beweise für unglaubliche Vorfälle unterbreiten“, kündigte US-Ankläger Robert Jackson an. „In der Liste der Verbrechen wird nichts fehlen, was krankhafte Überhebung, Grausamkeit und Machtlust nur ersinnen konnten“. Mit der Verlesung von Jacksons Anklageschrift begannen die Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozesse. 21 prominente Nazis, unter ihnen Reichsmarschall Hermann Göring, saßen auf der Anklagebank. 218 Tage dauerte dieser erste Prozeß gegen Kriegsverbrecher. 240 Zeugen wurden gehört, 16.000 Protokoll-Seiten gefüllt. Nach fast einem Jahr wurden zwölf Todesurteile verkündet. Die in Ausmaß und Art beispiellosen Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands gerichtlich zu verfolgen und zu ahnden, war eines der wichtigsten Kriegsziele der Alliierten. In der Moskauer Erklärung vom 30. November 1943 beschlossen die Alliierten, alle an den Kriegsverbrechen des 2. Weltkrieges Beteiligten und hierfür Verantwortlichen zu verfolgen, festzunehmen und vor Gericht zu stellen. Die Prozesse sollten jeweils in den Ländern stattfinden, in denen diese Verbrechen verübt worden waren; die Verfahren gegen die deutschen Hauptkriegsverbrecher wollten die Alliierten selbst und gemeinsam durchführen. Nach der Kapitulation Deutschlands einigten sich die vier Alliierten - USA, UdSSR, Großbritannien und Frankreich - am 8. August 1945 im Londoner Abkommen auf die juristischen und organisatorischen Grundlagen und schufen den Internationalen Militärgerichtshof zur Durchführung der Prozesse. Mit der gerichtlichen Strafverfolgung der NS-Verbrechen wollte man nicht nur die Täter zur Rechenschaft ziehen, sondern auch neue Maßstäbe setzen für das Zusammenleben der Völker; man wollte verhindern, dass sich Ähnliches je wiederholen könnte. Entsprechende Prozesse fanden auch gegen japanische Kriegsverbrecher in Tokyo statt. Die 24 als Hauptkriegsverbrecher Angeklagten 1. Verschwörung gegen den Weltfrieden 2. Planung, Entfesselung und Durchführung eines Angriffskrieges 3. Verbrechen und Verstöße gegen das Kriegsrecht 4. Verbrechen gegen die Menschlichkeit Bormann, Martin, geb. 1900. Landwirt. Seit 1933 Stabsleiter bei Rudolf Heß; während des 2. Weltkrieges engster Mitarbeiter Hitlers im Führerhauptquartier. Sein Schicksal war bei Kriegsende ungewiss (inzwischen dürfte erwiesen sein, dass er - wohl schon Anfang Mai 1945 - in Berlin ums Leben gekommen war). Angeklagt in Abwesenheit wegen 1, 3 und 4; verurteilt wegen 3 und 4 zum Tod. ®Bormann Dönitz, Karl, geb. 1891. Großadmiral. Er bildete nach Hitlers Tod am 2. 5. 1945 eine „Geschäftsführende Reichsregierung“. Angeklagt wegen 1, 2 und 3; verurteilt wegen 2 und 3 zu 10 Jahren Haft. Entlassen 1956. Gestorben 1980. ® Dönitz Frank, Hans, geb. 1900. Rechtsanwalt. Seit 1939 Generalgouverneur in Polen. Angeklagt wegen 1, 3 und 4; verurteilt wegen 3 und 4 zum Tod. Frick, Wilhelm, geb. 1877. Reichsinnenminister. Angeklagt wegen 1, 2, 3 und 4; verurteilt wegen 2, 3 und 4 zum Tod. Fritzsche, Hans, geb. 1900. Journalist. Seit Mai 1933 Leiter des Nachrichtenwesens in der Presseabteilung des Propagandaministeriums. Gewissermaßen Ersatzangeklagter an Stelle von Goebbels, der Selbstmord begangen hatte. Angeklagt wegen 1, 3 und 4; Freispruch. Sodann im Entnazifizierungsverfahren zu 9 Jahren Arbeitslager verurteilt. Entlassen im Herbst 1950, Gestorben 1953. Funk Walter, geb. 1890. Wirtschaftsjournalist. Reichswirtschaftsminister und ab 1939 Präsident der Deutschen Reichsbank. Angeklagt wegen 1, 2, 3 und 4; verurteilt wegen 2, 3 und 4 zu lebenslanger Haft.1957 wegen Krankheit entlassen. Gestorben 1960. Göring, Hermann, geb. 1893. Schuf als preußischer Innenminister das „Geheime Staatspolizeiamt“, das sich später zur Geheimen Staatspolizei (GeStaPo) entwickelte. Mobilisierte ab 1936 die Wirtschaftskräfte des Reiches für die Wiederaufrüstung. Angeklagt wegen 1, 2, 3 und 4; verurteilt wegen 1, 2, 3 und 4 zum Tod. Beging am Vorabend der Hinrichtung Selbstmord durch Einnahme von Zyankali. Die Herkunft der Giftkapsel ist nicht eindeutig geklärt. ®Göring Heß, Rudolf, geb. 1894. Seit 1933 Hitlers Stellvertreter in der NSDAP. Flog in nicht geklärter Mission am 10. Mai 1941 nach Schottland. Wurde dort interniert. Angeklagt wegen 1, 2, 3 und 4; verurteilt wegen 1 und 2 zu lebenslanger Haft. Beging im Alliierten Kriegsverbrechergefängnis in Berlin-Spandau 1987 Selbstmord. ®Heß Jodl, Alfred, geb. 1890. Generaloberst. Chef des Wehrmachtführungsamtes und Berater Hitlers in strategischen und operativen Angelegenheiten. Angeklagt wegen 1, 2, 3 und 4; verurteilt wegen 1, 2, 3 und 4 zum Tod. Kaltenbrunner, Ernst, geb. 1903. Rechtsanwalt. Chef der Sicherheitspolizei und des Reichssicherheitshauptamtes. Angeklagt wegen 1, 3 und 4; verurteilt wegen 3 und 4 zum Tod. ®® Keitel, Wihelm, geb. 1882. Chef des Oberkommandos der Wehrmacht. Angeklagt wegen 1, 2, 3 und 4; verurteilt wegen 1, 2, 3 und 4 zum Tod. Krupp von BohIen und Halbach, Gustav, geb. 1870. Angeklagt als Repräsentant der Deutschen Schwer- und Rüstungsindustrie wegen 1, 2, 3 und 4. Im Hinblick auf eine durch einen Verkehrsunfall im Jahre 1944 verursachte Verfahrensunfähigkeit wurde das Verfahren gegen ihn 1945 eingestellt. Gestorben 1950. Der sog. Krupp-Prozess fand 1948 vor einem US-Militärgericht in Nürnberg statt. Krupps Sohn Alfried wurde dabei zu 12 Jahren Haft und Einziehung des Gesamtvermögens verurteilt. Ley, Robert, geb. 1890. Chemiker. Beseitigte im Jahre 1933 die freien Gewerkschaften und führte seither - streng ideologisch ausgerichtet - die Deutsche Arbeitsfront. Angeklagt wegen 1, 2, 3 und 4. Beging im Nürnberger Gefängnis am 26.10.1945 Selbstmord. Neurath, Konstantin von, geb. 1873. Seit 1908 im diplomatischen Dienst. Von März 1939 bis 1943 (ab 1941 beurlaubt) Reichsprotektor von Böhmen und Mähren. Angeklagt wegen 1, 2, 3 und 4; verurteilt wegen 1, 2, 3 und 4 zu 15 Jahren Haft. 1954 wegen Krankheit entlassen. Gestorben 1956. Papen, Franz von, geb. 1879. Vizekanzler im ersten Kabinett Hitlers 1933. Später Botschafter in Wien und Ankara. Angeklagt wegen 1 und 2. Freigesprochen. Im anschließenden Entnazifizierungsverfahren zu 8 Jahren Arbeitslager verurteilt. 1949 entlassen. Gestorben 1969. Raeder, Erich, geb. 1876. Seit 1943 Oberbefehlshaber der Kriegsmarine. Angeklagt wegen 1, 2 und 3; verurteilt wegen 1, 2 und 3 zu lebenslanger Haft. 1955 wegen Krankheit entlassen. Gestorben 1960. Ribbentrop, Joachim von, geb. 1893. Kaufmann. 1938 - 1945 Reichsaußenminister. Angeklagt wegen 1, 2, 3 und 4; verurteilt wegen 1, 2, 3 und 4 zum Tod. Rosenberg, Alfred, geb. 1893. Seit 1941 Reichsminister für die besetzten Ostgebiete. Angeklagt wegen 1, 2, 3 und 4; verurteilt wegen 1, 2, 3 und 4 zum Tod. ® Rosenberg Sauckel, Fritz, geb. 1894. Seit 1942 Generalbevollmächtigter Hitlers „für den Arbeitseinsatz“ und als solcher verantwortlich für die Zwangsarbeit von über 5 Millionen Männern und Frauen aus allen besetzten Gebieten Europas in Deutschland. Angeklagt wegen 1, 2, 3 und 4; verurteilt wegen 3 und 4 zum Tod. Schacht, Horace Greely Hjalmar, geb. 1877. Bankier. Präsident der Reichsbank und Wirtschaftsminister. Seit 1944 im KZ Flossenbürg. Angeklagt wegen 1 und 2; freigesprochen. Von deutschen Behörden inhaftiert bis 1948. Gestorben 1970. Schirach, Baldur von, geb. 1907. Reichsjugendführer und (ab 1940) Gauleiter von Wien. Angeklagt wegen 1 und 4; verurteilt wegen 4 zu 20 Jahren Haft. 1966 entlassen. Gestorben 1974. Seyß-Inquart, Arthur, geb. 1892. Rechtsanwalt. 1940-1945 „Reichskommissar für die besetzten niederländischen Gebiete“. Angeklagt wegen 1, 2, 3 und 4; verurteilt wegen 2, 3 und 4 zum Tod. Speer, Albert, geb. 1905. Architekt. Seit 1937 Generalbauinspekteur für Berlin. 1942-1945 Reichsminister für Bewaffnung und Munition. Angeklagt wegen 1, 2, 3 und 4; verurteilt wegen 3 und 4 zu 20 Jahren Haft. 1966 entlassen. Gestorben 1981. Streicher, Julius, geb. 1885. Volksschullehrer. Als publizistisches Organ der von ihm betriebenen Judenhetze gründete er 1923 das Wochenblatt „Der Stürmer“, dessen Eigentümer und Herausgeber er bis 1945 – auch nach seiner Absetzung als Gauleiter von Franken im Jahr 1940 – blieb. Angeklagt wegen 1 und 4; verurteilt wegen 4 zum Tod. Die Nürnberger Prozesse dauerten nahezu ein Jahr; am 30. September und am 1. Oktober 1946 verkündete das Gericht die Urteile. Es ergingen zwölf Todesurteile (gegen Bormann in Abwesenheit, Frank, Frick, Göring, Jodl, Kaltenbrunner, Keitel, von Ribbentrop, Rosenberg, Sauckel, Seyß-Inquart und Streicher), die am 16. Oktober 1946 vollstreckt wurden (Göring hatte sich der Hinrichtung durch Selbstmord entzogen); drei Angeklagte erhielten lebenslängliche Freiheitsstrafen (Funk, Heß, Raeder), vier wurden zu Haftstrafen von unterschiedlicher Dauer verurteilt (Dönitz, von Neurath, von Schirach, Speer), drei wurden freigesprochen (Fritzsche, von Papen, Schacht). Die ®Gestapo, die ®SS einschließlich Sicherheitsdienst und die politische Leitung der ®NSDAP wurden zu verbrecherischen Organisationen erklärt; keine verbrecherischen Organisationen waren laut dem Nürnberger Urteil die SA, die Reichsregierung sowie Oberkommando und Generalstab der Wehrmacht. http://www.nachkriegsdeutschland.de/nuernberger_prozesse.html http://www.br-online.de/bayern2/collegeradio/medien/geschichte/prozess/fragen_antworten/ueberblick.html NSDAP „NSDAP“ ist die Abkürzung für „Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei“. Diese rechtsextremistische Partei war am 5. Januar 1919 von A. Drexler als „Deutsche Arbeiterpartei“ gegründet worden. Sie wurde einer größeren Öffentlichkeit erst durch die Mitarbeit des berufslosen Gefreiten Adolf ®Hitler (seit September 1919) bekannt. Am 24. Februar 1920 wurde das von Drexler und Hitler zusammengestellte 25-Punkte Programm der in NSDAP umbenannten Partei veröffentlicht. Der Werbeobmann der Partei, Hitler, übernahm ab Juli 1921 deren Vorsitz. Unterstützt durch gegenrevolutionäre und antisozialistische Kräfte aus Militär, Bürokratie und Wirtschaft, machte „der Führer“ die Partei 1923 zu einer der lautstärksten antirepublikanischen Agitationsgruppen im süddeutschen Raum. Bei der Reichstagswahl vom 31. Juli 1932 erhielt die NSDAP 37,7 Prozent der abgegebenen Stimmen. Mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 hatten die NSDAP und ihre „Führer“ die angestrebte Machtposition (®Machtergreifung) erreicht, um den demokratischen Rechtsstaat aus den Angeln zu heben. http://www.moerike-g.es.bw.schule.de/omo06.htm http://www.shoa.de/nationalsozialismus.html NS-Deutsch ®Sprachregelung ®Propaganda und Sprachregelung Nürnberger Gesetze Der ideologisch verbrämte ®Antisemitismus, abgeleitet aus den ®Rassentheorien des 19. Jahrhunderts, war ein grundlegendes Element nationalsozialistischer Weltanschauung. Pogromartige Exzesse gegen ®Juden und jüdische Geschäfte waren Folge der antisemitischen Hetze. Die systematische Politik der NSDAP-Führung, die Juden durch Verordnungen zu entrechten und zur Emigration zu treiben, konnte den antisemitischen Terror nicht aufhalten. Um diesen Terror zu kanalisieren, ließ Adolf Hitler 1935 auf dem „Reichsparteitag der Freiheit“ eine gesetzliche Regelung zum Verhältnis von „Ariern“ und „Nichtariern“ ausarbeiten. Die „Nürnberger Gesetze“ dienen der „rechtlichen“ Untermauerung: relativ allgemein gehalten, werden sie Basis aller folgenden Ausnahmeregelungen gegen Juden. Am 15. September wurden das „Reichsbürgergesetz“ und das „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ verabschiedet. Beide „Nürnberger Gesetze“ stempelten die jüdischen Mitbürger zu Menschen minderen Rechts. Im Gegensatz zu den mit vollen Rechten versehenen „Reichsbürgern“, die „deutschen oder artverwandten Blutes“ sein mußten, konnten Juden fortan nur noch „Staatsangehörige“ des Deutschen Reichs ohne politische Rechte sein. „Volljude“ war, wer von mindestens drei jüdischen Großeltern abstammte. Als Bürger minderen Rechts galten auch „Mischlinge“ mit einem oder zwei jüdischen Großeltern, die der jüdischen Reliogionsgemeinschaft angehörten oder mit einem „Volljuden“ verheiratet waren. Alle anderen „jüdischen Mischlinge“ erhielten das „vorläufige Reichsbürgerrecht“. Das „Blutschutzgesetz“ verbot Eheschließungen zwischen Nichtjuden und Juden und stellte auch deren als „Rassenschande“ bewerteten Geschlechtsverkehr unter Strafe. Strafbar war nun auch die Beschäftigung „arischer“ Dienstmädchen unter 45 Jahren in jüdischen Haushalten oder das Hissen der Hakenkreuzfahne - die ebenfalls auf dem Parteitag 1935 zur Reichsflagge erklärt wurde - durch Juden. Wer nicht den Diskriminierungen der „Nürnberger Gesetze“ zum Opfer fallen wollte, mußte einen ® Ariernachweis erbringen Die Folgen 1935 Die beiden ersten Durchführungsverordnungen aberkennen den Juden das Wahlrecht und schließen sie aus öffentlichen Ämtern aus (14. Nov. 1935) bzw. entfernen jüdische Ärzte, Lehrer und Professoren aus dem Staatsdienst (21. Dez. 1935). Bis 1938 zielt die Gesetzgebung auf die Verdrängung der Juden aus dem Wirtschaftsleben: Zulassungsverbot für „nichtarische „ Ärzte /13. Dez. 1935) 1936 Zulassungsverbot für jüdische Steuerberater (11. Jan. 1936); Verbot für Juden, Apotheken zu pachten (daraus folgt „Arisierung“ ohne Kapitalaufwand, 26. März); Zulassungsverbot für jüdische Tierärzte (3. April); 1937 Zulassungsverbot für jüdische Devisenberater (29. Juni), Zulassungsverbot für Viehhändler (25. Jan. 1937), Zulassungsverbot für Notare (13. Febr.). 1938 Nach dem Tod von Legationssekretär Ernst von Rath organisiert Goebbels sofort ein Massenprogrom („Reichskristallnacht“, 9./10. Nov.), bei dessen „spontanem“ Ablauf die Polizei nicht einschreiten darf. Die Bilanz der Gewalttätigkeiten der NSDAP und der SA: 91 Ermordete, zahlreiche Verletzte, Mißhandelte und Vergewaltigte; 191 durch Brandstiftung zerstörte Synagogen; rund 7.500 zerstörte (und geplünderte) jüdische Geschäfte; Verwüstung vieler jüdischer Wohnungen und fast aller Friedhöfe.. Sachschaden mindestens 25 Mill. Reichsmark. 30.000 Juden werden in Konzentrationslager-Haft genommen. Am 12. Nov. wird den deutschen Juden eine Sondersteuer über 1,25 Mrd. Reichsmark auferlegt. Außerdem beschlagnahmt der Staat die Versicherungsleistungen für die Schäden. Beispiellose Diskriminierung und Ausgrenzung der Juden aus der Öffentlichkeit u.a. Teilnahmeverbot an kulturellen Veranstaltungen am 12. Nov.; Verbot des Besuchs öffentlicher Schulen am 15. Nov., Verbot des Besuchs von Hochschulen am 8. Dez.; „Judenbann“ am 28 Nov.) Ausschaltung aus der Wirtschaft (entschädigungslose Zwangs-„Arisierung“ jüdischer Betriebe bzw. Einsetzung „arischer“ Treuhänder ab 3. bzw. 14. Dez.). Von 39.532 jüdischen Betrieben (1. April) sind nach einem Jahr 14.803 „arisiert“ (®Arisierung) und 5.976 liquidiert. Am 5. Dez. wird den entlassenen jüdischen Beamten die Pension gekürzt. Die Folge ist eine verstärkte Auswanderung reichsdeutscher Juden (1937: rund 23.000; 1938: rund 40.000; 1939: rund 80.000 jüdische Emigranten). 1939 21. Febr.: Juden müssen Schmuck und Edelmetalle abliefern. 30. April: Juden müssen „arische „ Wohnhäuser räumen und werden in „Judenhäuser“ eingewiesen. 20. Sept.: Juden müssen Radios abliefern. 1940 23. Jan.: Juden erhalten keine Reichskleiderkarte. 29. Juli: Juden werden Telefonanschlüsse gekündigt. 1941 4. März: Juden werden zum Arbeitseinsatz herangezogen. 1. Sept.: Juden ab sechs Jahre müssen den gelben Stern tragen (im „Generalgouvernement“ seit 23. Nov. 1939). 18. Sept.: Juden brauchen Genehmigung für Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln. 12. Dez.: Juden dürfen öffentliche Telefone nicht benutzen. ·1942 15. Febr.: Juden dürfen keine Haustiere halten. 17. Febr.: Juden dürfen keine Zeitungen und Zeitschriften halten. 13. März: Juden müssen ihre Wohnungen kennzeichnen. 12. Mai: Juden dürfen keine „arischen“ Friseure aufsuchen. 11./22. Juni: Juden erhalten keine Rauch- und Eierkarten. 12. Juni: Juden müssen alle optischen und elektrischen Geräte, Fahrräder und Schreibmaschinen abliefern. 1. Juli: Jüdische Schülerinnen und Schüler dürfen nicht mehr unterrichtet werden. 30. Juli: Jüdische Gemeinden müssen Kultgegenstände aus Edelmetall abliefern. 19. Sept.: Juden erhalten keine Fleisch- und Milchmarken. 9. Okt.: Juden dürfen in „arischen“ Buchhandlungen nicht einkaufen. Wegen Verstoßes gegen die Nürnberger Gesetze werden bis 1940 offiziell insgesamt 2.090 Personen verurteilt http://www.dir-info.de/ (http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/antisemitismus/nuernberg/index.html) NS-Herrschaft Am 30. Januar 1933 ernannte Reichspräsident Paul von Hindenburg den Vorsitzenden der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), Adolf ®Hitler, zum neuen Reichskanzler. Hitlers Absicht, eine von jeder Kontrolle durch den Reichstag befreite, autoritäre Regierung zu etablieren, die das von vielen Deutschen empfundene „demokratische Chaos“ der Weimarer Jahre überwinden sollte, verwirklichten die Nationalsozialisten innerhalb kürzester Zeit. Unter Wahrung des Anscheins verfassungsmäßiger Legitimität verstanden sie es, politische Gegner auszuschalten und sich der staatlichen Machtinstrumente zu bemächtigen. Als diese „nationale Erhebung“ im Sommer 1934 ihren Abschluß fand, waren Demokratie und Pluralismus in Deutschland zerstört, ohne daß es zu nennenswerter Gegenwehr gekommen wäre. In Hitlers Kabinett der „nationalen Konzentration“ waren mit Reichsinnenminister Wilhelm Frick und Hermann ®Göring als Minister ohne Geschäftsbereich zunächst nur zwei weitere Nationalsozialisten vertreten. Acht deutschnational-konservative Regierungsvertreter besaßen das Übergewicht, durch die sich Vizekanzler Franz von Papen eine „Zähmung“ der Nationalsozialisten versprach. Dem illusorischen Zähmungskonzept wurden bereits mit der von Hitler geforderten Reichstagsauflösung am 1. Februar 1933 sowie mit der notwendigen Neuwahl des Reichstags die Grundlagen entzogen. Nunmehr vom Regierungsbonus begünstigt, begann die NSDAP unter der Parole „Kampf dem Marxismus“ einen Wahlkampf staatlich sanktionierten Terrors gegen die Opposition, allen voran gegen die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) und die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) ®Widerstand. Mit Reichsinnenminister Frick und Göring als kommissarischem preußischem Innenminister waren zwei Schaltstellen der Macht mit Nationalsozialisten besetzt, die über die Polizeigewalt verfügten. Der preußischen Polizei verordnete Göring sogleich in einem „Schießerlaß“ vom 17. Februar den rücksichtslosen Gebrauch der Schußwaffe gegen alle politischen Gegner. Von ihm fünf Tage später in Preußen aufgestellte Hilfspolizeiverbände aus 50.000 Angehörigen der Sturmabteilung ®(SA), der Schutzstaffel ®(SS) sowie des „Stahlhelms“, die ihre Uniformen mit einer „amtlichen“ weißen Armbinde versahen, nahmen bis Ende April 1933 ca. 25.000 Regimegegner in „Schutzhaft“. Noch im Frühjahr 1933 begannen SA und SS mit der Errichtung erster Konzentrationslager (KZ) in Dachau und Oranienburg. Den entscheidenden gesetzlichen Rahmen für die Verfolgung politischer Gegner und die gleichzeitige Festigung uneingeschränkter Machtverhältnisse bildete für die Nationalsozialisten die Reichstagsbrandverordnung vom 28. Februar 1933. Die einen Tag nach dem ®Reichstagsbrand vom Reichspräsidenten unterzeichnete Notverordnung setzte die verfassungsmäßigen Grundrechte der persönlichen Freiheit, der Meinungs-, Vereins- und Versammlungsfreiheit außer Kraft. Über das Deutsche Reich wurde auf scheinbar legalem Weg ein permanenter, während des NS-Regimes nie aufgehobener Ausnahmezustand verhängt. In diesem Klima der Rechtsunsicherheit besaß die Reichstagswahl vom 5. März 1933 keinerlei freien Charakter. Gemessen an dem hohen Maß an Einschüchterung und propagandistischer Beeinflussung waren die 43,9 Prozent für die NSDAP eine tiefe Enttäuschung. Nur zusammen mit den acht Prozent der „Kampffront Schwarz-Weiß-Rot“ aus Deutschnationaler Volkspartei (DNVP) und „Stahlhelm“ erreichte die NSDAP eine parlamentarische Regierungsmehrheit im Reichstag. Die Nationalsozialisten bauten bei der Etablierung des NS-Regimes neben dem allgegenwärtigen Terror vor allem auf ihre ®Propaganda, die Emotionen befriedigte und eine verführerische Faszination ausübte. Hakenkreuzfahnen prägten nach dem 30. Januar 1933 das öffentliche Straßenbild. Riesige Parteiaufzüge und Aufmärsche sollten Zustimmung für die von der NSDAP propagierte „nationalsozialistische Revolution“ entfachen. Broschüren, Postkarten und Plakate mit dem Konterfei Hitlers begründeten einen Personenkult bisher unbekannten Ausmaßes. In Huldigungen wurde er als „Retter des Vaterlands“ gefeiert. Immer wieder beschwor der am 13. März 1933 zum Reichspropagandaminister ernannte Joseph Goebbels zudem öffentlich das „Dritte Reich“, das Tradition und Machtanspruch des untergegangenen Kaiserreichs fortsetzen und die Demütigungen des Versailler Vertrags von 1919 revidieren würde. Symbolisch reichte das neue, das nationalsozialistische Deutschland dem Kaiserreich beim von Goebbels äußerst erfolgreich inszenierten „ Tag von Potsdam“ am 21. März 1933 die Hand, als sich Hitler in dunkler Zivilkleidung ehrfurchtsvoll vor Reichspräsident von Hindenburg in kaiserlicher Uniform verneigte. Im In- und Ausland verfehlte diese Geste nicht ihre Wirkung. Auf den Wogen nationaler Euphorie vollendete Hitler zwei Tage später sein nächstes Vorhaben. Mit 444 zu 94 Stimmen nahm der Reichstag inmitten drohender SA-Verbände das „ Ermächtigungsgesetz“ an, mit dem die Regierung Gesetze ohne Reichstag und Reichsrat verabschieden konnte. Alle anwesenden SPD-Abgeordneten hatten die Selbstentmachtung des Parlaments abgelehnt, die Abgeordneten der KPD waren verhaftet oder bereits im Untergrund. Die Ablehnung des Gesetzes durch die SPD bestätigte die konservativen Parteien in ihrer Auffassung, auf der richtigen, auf der „antibolschewistischen“ Seite unter Führung der NSDAP zu stehen. Viele Deutsche glaubten ernsthaft an die Gefahr eines sozialistischen Aufstands. Daß mit der Ausschaltung organisatorischer Strukturen der Linken durch die ®Zerschlagung der Gewerkschaften und durch die Errichtung des Einparteienstaats im Sommer 1933 eine vermeintlich feste „nationale Ordnung“ herrschte, entsprach grundsätzlich auch ihren Wünschen. Die rasante Besetzung von wichtigen Schlüsselpositionen im Staat durch Angehörige der NSDAP förderte das „ Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933, welches die Entlassung aller im Sinne der neuen Machthaber politisch unzuverlässigen oder jüdischen Beamten ermöglichte. Die staatlich sanktionierte Verfolgung der als rassisch minderwertig diffamierten Juden hatte unmittelbar mit Beginn der Machtübernahme eingesetzt. Mit dem ®“Arierparagraph“ erhielt zum ersten Mal ein verordneter Antisemitismus Eingang in Gesetze. Bereits Anfang April 1933 kam es zu ersten Boykottmaßnahmen gegen jüdische Geschäfte und Einrichtungen. Bis Frühjahr 1934 verließen rund 37.000 Juden das Land, die meisten blieben jedoch trotz Verfolgung und Repressalien in Deutschland. Ab Frühjahr 1933 waren nahezu alle Lebensbereiche einer erzwungenen ® Gleichschaltung unterworfen. Die Gleichschaltung der Länder sowie die ideologische und organisatorische Ausrichtung aller politischen und gesellschaftlichen Institutionen, Verbände und schließlich jedes einzelnen Bürgers auf die Weltanschauung und Ziele des Nationalsozialismus sollte die Meinungsvielfalt rigoros beseitigen. Eine von nationalsozialistischen Studenten und Professoren initiierte Kampagne „gegen den undeutschen Geist“ gipfelte in der ®Bücherverbrennung am 10. Mai 1933. Mit der Durchdringung und Kontrolle der Bevölkerung forcierte die NSDAP ihren Drang nach totaler Macht. Zwangsweise überführt wurden die gleichgeschalteten Verbände in riesige, der NSDAP angeschlossene Einheitsorganisationen wie die ®Deutsche Arbeitsfront (DAF) oder NS-Volkswohlfahrt (NSV). Die von den Nationalsozialisten als „undeutsch“ empfundene pluralistische Gesellschaft sollte durch eine solidarische ®Volksgemeinschaft ersetzt werden, die durch das ®Winterhilfswerk (WHW) oder ®Kraft durch Freude (KdF) massenwirksam inszeniert wurde. Für Behinderte oder „Asoziale“ gab es in der Volksgemeinschaft keinen Platz. Das am 14. Juli 1933 beschlossene „ Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ erlaubte die ®Zwangssterilisation, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit Nachkommen mit schweren körperlichen oder geistigen Schäden zu erwarten waren. Ihr charakteristisches Strukturelement erhielt die Volksgemeinschaft durch das „Führerprinzip“, das die Einheit von Volk und Führer postulierte sowie unbedingte Treue und Gehorsam forderte. Von Teilen der auf knapp vier Millionen Mitglieder angeschwollenen SA wurde die Gefolgschaft im Frühjahr 1934 allerdings in Frage gestellt. Die SA hatte für die NSDAP bei der Festigung der politischen Macht unverzichtbare Dienste geleistet. Doch die Erwartung der SA-Führung, durch die „nationalsozialistische Revolution“ in führende Stellungen des neuen Staats zu gelangen, erfüllte sich nicht. Exponent der Unzufriedenheit war der Stabschef der SA, Ernst ®Röhm. Mit der Parteiarmee im Rücken forderte er eine „Zweite Revolution“, um die SA zur dominierenden Kraft in Staat und Gesellschaft zu machen. Seine Vorstellung von der SA als Kern der bewaffneten Macht in Deutschland bedrohte die von Hitler im Februar 1933 zugesicherte Unabhängigkeit der Reichswehr. Als die internen Machtkonflikte eskalierten, nutzte Hitler im Bündnis mit der Reichswehrführung und der SS einen angeblich geplanten Röhm-Putsch, um die SA-Führung sowie konservative Opponenten wie den letzten Reichskanzler der Weimarer Republik, Kurt von Schleicher, am 30. Juni 1934 ermorden zu lassen. Mit seinem entschlossenen Vorgehen besänftigte Hitler nicht nur eine durch Übergriffe und Machtmißbrauch der SA verbreitete Mißstimmung in der Bevölkerung. Der Reichswehr versicherte er sich als eines zuverlässigen Verbündeten. Nach dem Tod Hindenburgs und der Auflösung des Reichspräsidentenamts am 2. August 1934 bot die Armeeführung Hitler an, den Schwur auf ihn persönlich als „Führer und Reichskanzler“ zu leisten. Die weitreichende Bedeutung des Treueids im Zweiten Weltkrieg, als er Offiziere davon abhielt, gegen Hitler aktiv zu werden, war 1934 noch nicht abzusehen. Der Schwur festigte Hitlers totalitäre Führerdiktatur endgültig. Potentielle Gegner waren verhaftet, ermordet oder in der Emigration. Seinen „Führerwillen“ gedachte Hitler nicht durch geschriebene Normen einer neuen, wenn auch nationalsozialistisch ausgerichteten Verfassung binden zu lassen. Das „Führerwort“ besaß Gesetzeskraft. Institutionell zwar völlig irrelevant, existierte die Weimarer Verfassung bis zur deutschen Kapitulation im Zweiten Weltkrieg formal weiter. (http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/innenpolitik/etablierung/index.html) Quelle des Nationalsozialismus Was zählte, war die Faszination des kriegerischen Spiels (1914 1918): eines Spiels, in dem nach geheimnisvollen Regeln Gefangenenzahlen, Geländegewinne, eroberte Festungen und versenkte Schiffe ungefähr die Rolle spielten wie Torschüsse beim Fußball oder »Punkte« beim Boxen. Ich wurde nicht müde, innerlich Punktetabellen zu führen. Ich war ein eifriger Leser der Heeresberichte, die ich nach einer Art »umrechnete«, nach wiederum sehr geheimnisvollen, irrationalen Regeln, in denen beispielsweise zehn gefangene Russen einen gefangenen Franzosen oder Engländer wert waren, oder 50 Flugzeuge einen Panzerkreuzer. Hätte es Gefallenenstatistiken gegeben, ich würde sicher auch unbedenklich die Toten »umgerechnet« haben, ohne mir vorzustellen, wie das in der Wirklichkeit aussah, womit ich da rechnete. Es war ein dunkles, geheimnisvolles Spiel, von einem nie endenden, lasterhaften Reiz, der alles auslöschte, das wirkliche Leben nichtig machte, narkotisierend wie Roulette oder Opiumrauchen. Ich und meine Kameraden spielten es den ganzen Krieg hindurch, vier Jahre lang, ungestraft und ungestört ‑ und dieses Spiel, nicht die harmlosen »Kriegsspiele«, die wir nebenbei auf Straßen und Spielplätzen aufführten, war es, was seine gefährlichen Marken in uns allen hinterlassen hat. Vielleicht findet man es nicht der Mühe wert, daß ich die offensichtlich unadäquaten Reaktionen eines Kindes auf den Weltkrieg so ausführlich darstelle. Gewiß wäre es nicht der Mühe wert, wenn es sich dabei um einen Einzelfall handelte. Es ist aber kein Einzelfall. So oder so ähnlich hat eine ganze deutsche Generation in ihrer Kindheit oder frühen Jugend den Krieg erlebt ‑ und zwar sehr bezeichnenderweise die Generation, die heute (1939) seine Wiederholung vorbereitet. Es schwächt die Kraft und Nachwirkung dieses Erlebnisses keineswegs ab, daß die, die es erfuhren, Kinder oder junge Burschen waren; im Gegenteil! Die Massenseele und die kindliche Seele sind sehr ähnlich in ihren Reaktionen. Man kann sich die Konzeptionen, mit denen Massen gefüttert und bewegt werden, gar nicht kindlich genug vorstellen. Echte Ideen müssen, um massenbewegende historische Kräfte zu werden, im allgemeinen erst bis auf die Fassungskraft eines Kindes heruntersimplifiziert werden. Und eine kindische Wahnvorstellung, gebildet in den Köpfen von zehn Kinderjahrgängen und vier Jahre hindurch in ihnen festgenagelt, kann sehr wohl zwanzig Jahre später als tödlich ernsthafte »Weltanschauung« ihren Einzug in die große Politik halten. Der Krieg als ein großes, aufregend‑begeisterndes Spiel der Nationen, das tiefere Unterhaltung und lustvollere Emotionen beschert als irgendetwas, was der Frieden zu bieten hat; das war 1914 bis 1918 die tägliche Erfahrung von zehn Jahrgängen deutscher Schuljungen; und das ist die positive Grundvision des Nazitums geworden. Von dieser Vision her bezieht es seine Werbekraft, seine Simplizität, seinen Appell an Phantasie und Aktionslust; und von ihr bezieht es ebenso seine Intoleranz und Grausamkeit gegen den innerpolitischen Gegner: weil der, der dieses Spiel nicht mitmachen will, gar nicht als »Gegner« anerkannt, sondern einfach als Spielverderber empfunden wird. Und schließlich bezieht es von ihr seine selbstverständlich kriegsmäßige Einstellung gegen den Nachbarstaat: weil jeder andere Staat wiederum nicht als »Nachbar« anerkannt wird, sondern nolens volens Gegner zu sein hat ‑ sonst könnte ja das ganze Spiel nicht stattfinden! Vieles hat dem Nazismus später geholfen und sein Wesen modifiziert. Aber hier liegt seine Wurzel: nicht etwa im »Fronterlebnis«, sondern im Kriegserlebnis des deutschen Schuljungen. Die Frontgeneration hat ja im ganzen wenig echte Nazis geliefert und liefert heute noch im wesentlichen die »Nörgler und Meckerer«; sehr verständlich, denn wer den Krieg als Wirklichkeit erlebt hat, bewertet ihn meistens anders. (Ausnahmen zugegeben: die ewigen Krieger, die in der Wirklichkeit des Krieges mit allen Schrecken dennoch ihre Lebensform fanden und immer wieder finden ‑ und die ewigen »gescheiterten Existenzen«, die gerade die Schrecken und Zerstörungen des Krieges mit Jubel erlebten und erleben, als eine Rache an dem Leben, dem sie nicht gewachsen sind. Zum ersten Typ gehört vielleicht Göring; zum zweiten bestimmt Hitler.) Die eigentliche Generation des Nazismus aber sind die in der Dekade 1900 bis 1910 Geborenen, die den Krieg, ganz ungestört von seiner Tatsächlichkeit, als großes Spiel erlebt haben. · Ganz ungestört! Man wird einwenden, daß sie immerhin gehungert haben. Das ist richtig; aber ich habe schon erzählt, wie wenig der Hunger das Spiel störte. Vielleicht begünstigte er es sogar. Satte und gutgenährte Menschen neigen nicht zu Visionen und Phantasien ... auf jeden Fall: Der Hunger allein desillusionierte nicht. Es wurde, sozusagen, verdaut. Was übrig geblieben ist, ist sogar eine. gewisse Abhärtung gegen Unterernährung ‑ vielleicht einer der sympathischeren Züge dieser Generation. Wir sind sehr früh daran gewöhnt worden, mit einem Minimum von Essen auszukommen. Die meisten jetzt lebenden Deutschen haben dreimal eine unterdurchschnittliche Ernährung gehabt: das erste Mal im Kriege, das zweite Mal in der Hochinflation, das dritte Mal jetzt, unter dem Motto »Kanonen statt Butter«. Sie sind in dieser Hinsicht, sozusagen, trainiert, und nicht besonders anspruchsvoll. Es ist mir sehr zweifelhaft, ob die weitverbreitete Ansicht stimmt, daß die Deutschen den Weltkrieg aus Hunger abgebrochen hätten. Sie hungerten, 1918 schon drei Jahre lang, und 1917 war ein schlimmeres Hungerjahr gewesen als 1918. Meiner Meinung nach brachen die Deutschen den Krieg ab, nicht weil sie hungerten, sondern weil sie ihn als militärisch verloren und aussichtslos ansahen. Wie dem auch sei ‑ die Deutschen werden jedenfalls kaum den Nazismus oder den zweiten Weltkrieg aus Hunger abbrechen. Sie finden heute, daß Hungern halb und halb eine sittliche Pflicht und jedenfalls nicht so schlimm ist. Sie sind nachgerade ein Volk geworden, das sich seiner natürlichen Eßbedürfnisse geradezu geniert, und paradoxerweise gewinnen die Nazis aus der Tatsache, daß sie dem Volk nichts zu essen geben, nebenbei sogar noch ein indirektes Propagandamittel. Sie schieben nämlich jedem, der »schimpft«, öffentlich als Motiv unter, er schimpfe, weil er keine Butter und keinen Kaffee bekomme. Nun wird zwar sehr viel in Deutschland »geschimpft«, aber die meisten schimpfen aus ganz anderen - und tatsächlich meist weit ehrenvolleren Gründen als wegen der schlechten Ernährung, und sie würden sich schämen, wegen der schlechten Ernährung zu schimpfen. Es wird weit weniger in Deutschland gerade über die Nahrungsmittelknappheit geschimpft, als man nach der Lektüre der Naziblätter glauben sollte. Die Naziblätter wissen aber recht gut, was sie tun, wenn sie das Gegenteil glauben machen: Denn ehe der unzufriedene Deutsche in den Ruf kommen will, er sei aus niederer Eßgier unzufrieden, verstummt er ganz. Ich verlor während der vier Kriegsjahre allmählich das Gefühl dafür, wie und was der Frieden sein könne. Meine Erinnerung an die Zeit vor dem Kriege verblaßte allmählich. Ich konnte mir einen Tag ohne Heeresbericht nicht mehr vorstellen. Ein solcher Tag hätte auch seinen Hauptreiz entbehrt. Was bot denn der Tag sonst schon? Man ging zur Schule, man lernte Schreiben und Rechnen und später Latein und Geschichte, man spielte mit Freunden, man ging mit seinen Eltern spazieren, aber war das ein Lebensinhalt? Was dem Leben Spannung und dem Tag seine Farbe gab, waren die jeweiligen militärischen Ereignisse; War eine große Offensive im Gange, mit fünfstelligen Gefangenenzahlen und gefallenen Festungen und »unermeßlicher Ausbeute an Kriegsmaterial«, dann war Festzeit, man hatte unendlichen Stoff für die Phantasie, und das Leben ging hoch, ganz ähnlich, wie später, wenn man verliebt war. Waren nur langweilige Abwehrkämpfe, »im Westen nichts Neues«, oder gar »planmäßig durchgeführter strategischer Rückzug«, dann war das ganze Leben angegraut, die Kriegsspiele mit den Kameraden ohne Reiz und die Schularbeiten doppelt langweilig. Jeden Tag ging ich zu einem Polizeirevier, ein paar Straßenecken von unserer Wohnung: Dort war an einem schwarzen Brett der Heeresbericht angeschlagen, schon mehrere Stunden, ehe er in der Zeitung stand. Ein schmales weißes Blatt, manchmal länger, manchmal kürzer, mit tanzenden Majuskeln besät, die aus einer offenbar reichlich abgenutzten Vervielfältigungsmaschine stammten. Ich mußte mich etwas auf die Zehenspitzen stellen und den Kopf in den Nacken legen, um alles zu entziffern. Ich tat es geduldig und voll Hingabe, jeden Tag. Wie gesagt, ich hatte keine rechte Vorstellung mehr vom Frieden, wohl aber hatte ich eine Vorstellung vom »Endsieg«. Der Endsieg, die große Summe, zu der sich alle die vielen Teilsiege, die der Heeresbericht enthielt, unvermeidlich einmal zusammenaddieren mußten, war für mich damals ungefähr das, was für den frommen Christen das Jüngste Gericht und die Auferstehung des Fleisches ist, oder für den frommen Juden die Ankunft des Messias. Es war eine unvorstellbare Steigerung aller Siegesnachrichten, in der die Gefangenenzahlen, Landeroberungen und Beuteziffern vor Ungeheuerlichkeit sich selber aufhoben. Danach war nichts mehr vorzustellen. Ich wartete mit einer gewissen wilden und doch zagen Spannung auf den Endsieg; daß er einmal kam, war unvermeidlich. Fraglich war nur, was das Leben danach noch zu bieten haben konnte. (Sebastian Haffner, Geschichte eines deutschen, Die Erinnerungen 1914 – 1933, Büchergilde Gutenberg, 2001) Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und des Zweiten Weltkriegs Eine genaue Statistik der Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Europa läßt sich mangels vollständiger Unterlagen ebenso wenig erstellen wie eine Gesamtbilanz der Verluste durch Kriegshandlungen und deren Folgen während der Jahre 1939 bis 1946. 1. Hinsichtlich der Opfer der NS-Herrschaft gilt auch heute noch, was Reinhard Henkys 1964 schrieb: „Eine annähernd genaue, von allen Fachleuten akzeptierte Statistik der Todesopfer nationalsozialistischer Verbrechen gibt es nicht. Die Gründe dafür liegen in dem unvorstellbaren Ausmaß dieser Taten. in der strikten Geheimhaltungspolitik des Staates, der Vernichtung der meisten einschlägigen Akten, der Verquickung von Ausrottungsaktionen mit Kriegshandlungen und in der Unvollkommenheit der demographischen Unterlagen, die aus den osteuropäischen Staaten, vor allem aus Sowjetrußland zur Verfügung stehen.“ Nach den derzeitigen Ermittlungen sind dem nationalsozialistischen Regime in Europa durch verbrecherische Maßnahmen (also ohne Einbeziehung der Kriegshandlungen) insgesamt mindestens 13 Millionen Menschen zum Opfer gefallen. Diese Gesamtzahl setzt sich im einzelnen zusammen aus: - etwa 6 Millionen Juden - etwa 3,3 Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen (die man mehr oder weniger absichtlich umkommen ließ) - etwa 2,5 Millionen christlichen Polen - mindestens 1,5 Millionen Zwangsarbeitern - mindestens 500.000 in deutschen Arbeitslagern und Konzentrationslagern umgekommenen Jugoslawen - mindestens 100.000 tschechoslowakischen Zivilisten - mindestens 84.000 ums Leben gekommenen nichtjüdischen Deportierten aus den nord- und westeuropäischen Staaten (einschließlich Italien) - etwa 500.000 Zigeunern verschiedener Nationalität - etwa 100.000 vorwiegend deutschen Geisteskranken und Behinderten (sogenannten Euthanasie-Opfern) - etwa 130.000 nichtjüdischen Personen deutscher Staatsangehörigkeit, die aus politischen oder religiösen Motiven aktiven oder passiven Widerstand gegen das Regime leisteten. 2. Die Zahl der während und infolge des Krieges ums Leben gekommenen - Militärpersonen nicht deutscher Nationalität wird auf 17,2 Millionen geschätzt - die der Zivilpersonen nichtdeutscher Herkunft auf mehr als 15,8 Millionen. (In diesen Zahlen sind die oben genannten nicht deutschen Opfer der NS-Gewaltherrschaft inbegriffen). 3. Auf deutscher Seite werden die Toten und Vermißten der Wehrmacht und der paramilitärischen Verbände (Waffen-SS, Organisation Todt, Reichsarbeitsdienst, Polizeieinheiten, Volkssturm und anderer) mit etwa - 4,2 Millionen angegeben - die Zahl der zivilen Luftkriegstoten mit über 500.000. Die Vertreibungsverluste unter der deutschen Zivilbevölkerung aus den - Ostgebieten innerhalb des ehemaligen Deutschen Reiches (in den Grenzen von 1937) betrugen etwa 1,39 Millionen, aus den - deutschen Siedlungsgebieten im Ausland 886.300, insgesamt also etwa 2,27 Millionen Menschen. Auch die deutschen Statistiken differieren beträchtlich: Ein Mitarbeiter des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes, Major Overmans, stellt in einer 1989 veröffentlichten Studie mit Recht fest, es gebe keine zuverlässigen Zahlen über die deutschen Verluste im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg. Als Gründe nennt er die kriegsbedingten Beeinträchtigungen des Meldewesens, Gebiets- und Bevölkerungsverschiebungen, Verlust von Akten während und nach dem Krieg. Darüber hinaus müsse man die Nachkriegssituation berücksichtigen: „Die Organisationen, die sich mit den Verlusten befaßten, hatten das Ziel, individuelle Schicksale zu klären. Sie gingen daher pragmatisch vor, exakte Definitionen und statistische Erhebungen waren weniger relevant, weil sie zur Schicksalsklärung nichts beitrugen.“ Diese Feststellung gilt wohl für alle Staaten und Nationen. ®Ahnungslose Deutsche). (http://www.comlink.de/cl-hh/m.blumentritt/agr259.htm) Oradour, Massaker von Am 10. Juni 1944 besetzten deutsche Truppen, die der SS-Panzer-Division „Das Reich“ angehörten, den kleinen Ort Oradour-sur-Glane in der Nähe von Limoges in Frankreich. Die Einwohner wurden zusammengetrieben, Männer und Frauen wurden voneinander getrennt. Die Männer wurden in Scheunen erschossen, die Scheunen wurden danach niedergebrannt. Frauen und Kinder wurden in der Kirche eingesperrt. Auch dieses Gebäude haben die SS-Soldaten angezündet. Wer zu fliehen versuchte, wurde erschossen. Anschließend zogen die SS-Soldaten plündernd durch den Ort und brannten alle Gebäude nieder. Bei diesem Massaker fanden 642 Menschen den Tod, nur 36 konnten entkommen. In der deutschen Propaganda hieß es, man habe Partisanen bekämpfen wollen. Die Ruinen des Ortes blieben als Mahnmal erhalten, der Ort selbst wurde in der Nähe wiederaufgebaut. Der Name des Ortes gilt als Symbol für die Brutalität, mit der die Truppen der Nazis in Frankreich vorgegangen sind.®Terrormassnahmen http://www.h-ref.de/dk/krieg/frankr/oradour/oradour.shtml) Ossietzky, Carl von Publizist 1889 3. Oktober: Carl von Ossietzky wird in Hamburg als Sohn eines aus Schlesien eingewanderten Stenographen und einer Geschäftsfrau geboren. 1904 Ossietzky verläßt die Mittelschule, ohne die Mittlere Reife erlangt zu haben. 1907-1914 Er arbeitet als Hilfsschreiber beim Hamburger Amtsgericht. 1908 Mitglied in der Demokratischen Vereinigung und in der Deutschen Friedensgesellschaft. 1911 Ossietzky wird Mitarbeiter der Zeitschrift „Das freie Volk“. 1913 In diesen Jahren machte er die Bekanntschaft der Engländerin Maud Hester Lichfield-Woods. Sie war Anhängerin der radikalen Frauenrechtsbewegung. 1913 heirateten Carl und Maud in England. 1919 wurde Rosalinda, ihr einziges Kind, geboren. 1914 Aufgrund eines Artikels wird Ossietzky wegen „Beleidigung der Militärgerichtsbarkeit“ zu einer Geldstrafe von 200 Reichsmark verurteilt. 1916-1918 Im Ersten Weltkrieg dient er als Infanterist an der Westfront. Nach der Teilnahme an der Schlacht von Verdun schreibt er Artikel gegen die Romantisierung und die Fortsetzung des Krieges. 1919 Während der Novemberrevolution arbeitet Ossietzky nach seiner Demobilisierung für den Hamburger Arbeiter- und Soldatenrat. Juli: Er zieht nach Berlin um und wird dort Generalsekretär der Deutschen Friedensgesellschaft, der ältesten und bedeutendsten pazifistischen Organisation in Deutschland. Veröffentlichung seiner einzigen selbständig erschienenen Schrift „Der Anmarsch der neuen Reformation“, in der er die Bedeutung eines zivilen und demokratischen Staatsbewußtseins für die Weimarer Republik betont. 1920 Ossietzky arbeitet hauptamtlich als Redakteur für die sozialdemokratische „Volks-Zeitung“. Als Mitinitiator der Friedensbewegung „Nie wieder Krieg!“ lernt er Kurt Tucholsky kennen. 1922-1924 Verantwortlicher Redakteur der „Volks-Zeitung“. 1924 Ossietzky ist Mitbegründer der kurzlebigen Republikanischen Partei. Pazifistische Massenaktionen schienen für Ossietzky der einzige Weg, um einen neuen Krieg zu vermeiden. In den Folgejahren – die Friedensbewegung war heillos zerstritten und verlor an Einfluß,– entwickelte sich Ossietzky zum radikal-demokratischen Antimilitaristen. Er wandte sich vor allem gegen die immer noch führende Position des Militärs in Staat und Gesellschaft. 1924-1926 Er arbeitet in der Redaktion der linksliberalen Wochenzeitung „Das Tage-Buch“ und beim „Montag-Morgen“. 1927 Ossietzky wird Chefredakteur der „Weltbühne“, eine Theater- und Kulturzeitschrift, die zunehmend auch politische Beiträge enthielt, für die auch Tucholsky arbeitet. Als Herausgeber der „Weltbühne“ wird Ossietzky einer der bedeutendsten Publizisten der Weimarer Republik. In seinen Leitartikeln wendet er sich gegen die Aushöhlung der Verfassung und kritisiert die Parteienpolitik. Wegen seiner Kritik an der Wiederaufrüstung wird er mehrmals vor Gericht verurteilt. 1931 wurde er in einem aufsehenerregenden Prozeß wegen »Landesverrats« zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt. Anlaß dafür war ein 1929 in der »Weltbühne« erschienener Artikel über Aufrüstungspläne im Luftfahrtbereich. Der Verfasser des Artikels floh vor Beginn des Prozesses; Ossietzky blieb, da er Anklage und Gefängnishaft als Disziplinierungsmaßnahme, sein eigenes Verhalten als Demonstration gegen das Unrechtsurteil und die Verletzung demokratischer Rechte schlechthin begriff. Weihnachten 1932 konnte er durch eine Amnestie vorzeitig entlassen werden. 1932 Mai: Ossietzky tritt im Berliner Gefängnis Tegel seine Haftstrafe an. Dezember: Aufgrund einer Weihnachtsamnestie wird er vorzeitig freigelassen. 1933 Januar: Nach der Machtübernahme der Nazis lehnt Ossietzky die Flucht ins Ausland ab. 28. Februar: In der Nacht des Reichstagsbrands wird er von der Gestapo festgenommen und gefoltert. März: Verbot der „Weltbühne“. April: Ossietzky wird in dem KZ Sonnenburg, bei Küstrin, inhaftiert. Bereits nach einigen Wochen war er körperlich so ruiniert, daß er in der Krankenabteilung untergebracht werden mußte. 1934 Überführung in das KZ Papenburg (®Emslandlager). 1935 wird Ossietzky für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Es entstand eine internationale antifaschistische Kampagne unter der Leitung der »Deutschen Liga für Menschenrechte« und des »Schutzverbandes deutscher Schriftsteller« im Pariser Exil. Die deutsche Regierung sah sich durch das weltweite Engagement unter Druck gesetzt und versuchte, Ossietzky mit dem Versprechen, er werde in die Freiheit entlassen, von der Annahme des Preises abzubringen. Ossietzky lehnte dieses Ansinnen ab. 1936 Mai: Mit einer schweren Tuberkulose wird er in das Staatskrankenhaus der Polizei in Berlin eingeliefert. Er bleibt dort weiterhin unter Bewachung. November: wurde ihm rückwirkend der Friedensnobelpreis für 1935 zuerkannt. Die Annahme des Nobelpreises wird ihm von Adolf Hitler verboten, seine Ausreise wird abgelehnt. Die Preisverleihung findet ohne Ossietzky statt. Die letzten Monate seines Lebens verbrachte Ossietzky in einem Berliner Krankenhaus gemeinsam mit seiner Frau, isoliert von der Außenwelt und unter Polizeibewachung. 1938 4. Mai: Carl von Ossietzky stirbt im Berliner Krankenhaus Nordend, noch immer unter Polizeiaufsicht, an den Folgen seiner KZ-Haft, der schweren Mißhandlungen und der Tuberkulose. http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/OssietzkyCarl/ KZ - Esterwegen Die Zustände in den Konzentrationslagern wurden auch im Ausland bekannt. Emigranten enthüllten die furchtbare Wahrheit. 1935 veröffentlichte der ehemalige Häftling des KZ Börgermoor, der Schauspieler Wolfgang Langhoff, in Zürich das Buch „Die Moorsoldaten 13 Monate KZ‑Haft“, und in Moskau erschien anonym die Schrift „Als sozialdemokratischer Arbeiter im KZ Pagenburg“. Das hinderte die SS jedoch nicht, den Terror fortzusetzen. ®Emslandlager http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/OssietzkyCarl/ http://www.sub.uni-hamburg.de/cgi-bin/sub?ossietz.html Carl J. Burckhardt Besuch im KZ Esterwegen. Im Oktober 1935 gelang es dem Präsidiumsmitglied des Internationalen Roten Kreuzes, Carl Jacob Burckhardt offiziell Zugang zu Ossietzky zu erlangen. Auszug aus dem Besuchsbericht (zitiert nach: Carl J. Burckhardt Meine Danziger Mission 19371939, München 1960): „Mit 24 Häftlingen habe ich an dem Vormittag ohne Zeugen gesprochen. Ich wollte Zeit gewinnen, möglichst viele Eindrücke sammeln, die Arbeitsgruppen sehen, die aus dem Moor zurückkehrten. Der Lagerkommandant sagte: ,Der Führer will keine Arbeitskraft ungenützt lassen, in allen Gefängnissen der Systemzeit verschimmelten alte Verbrecher, lebenslängliche, die mußten herangeholt, einsatzbereit gemacht werden.‘ Der kritische Augenblick meines Besuches trat um 3 Uhr nachmittags ein. Wir hatten auf mein Begehren in der Kantine der Sträflinge etwas zu uns genommen, dann haben wir weiter besichtigt. Um 3 Uhr nachmittags, mitten auf dem großen Freiplatz zwischen den Barakken, sagte ich zu dem Kommandanten, Standartenführer Loritz ,Jetzt wünsche ich Herrn von Ossietzky zu sehen und zeugenlos mit ihm zu sprechen, den Hamburger Pazifisten und Schriftsteller Ossietzky, den Nobelpreisträger.‘ Nach zehn Minuten kamen zwei SS‑Leute, die einen kleinen Mann mehr schleppten und trugen als heranführten. Ein zitterndes, totenblasses Etwas, ein Wesen, das gefühllos zu sein schien, ein Auge geschwollen, die Zähne anscheinend eingeschlagen, er schleppte ein gebrochenes, schlecht ausgeheiltes Bein. Ich ging ihm entgegen, reichte ihm die Hand, die er nicht ergriff. ,Melden!‘ schrie Loritz. Ein unartikulierter, leiser Laut kam aus der Kehle des Gemarterten. Ich zu Loritz: ,Zurück!‘ ,Herr von Ossietzky‘, sprach ich ihn an, ,ich bringe Ihnen die Grüße Ihrer Freunde, ich bin der Vertreter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, ich bin hier, um Ihnen, soweit uns dies möglich ist, zu helfen.‘ Nichts. Vor mir, gerade noch lebend, stand ein Mensch, der an der äußersten Grenze des Tragbaren angelangt war. Kein Wort der Erwiderung. Ich trat näher. Jetzt füllte sich das noch sehende Auge mit Tränen, lispelnd unter Schluchzen sagte er: Danke, sagen Sie den Freunden, ich sei am Ende, es ist bald vorüber, bald aus, das ist gut.‘ Und dann noch ganz leise: ,Danke, ich habe einmal Nachrichten erhalten, meine Frau war einmal hier; ich wollte den Frieden: Dann kam wieder das Zittern. Ossietzky verneigte sich leicht in der Mitte des weiten, leeren Lagerplatzes und machte eine Bewegung, als wolle er militärische Stellung annehmen, um sich abzumelden. Dann ging er, das eine Bein nachschleppend, mühsam Schritt vor Schritt zu seiner Baracke zurück. Es war inzwischen 51/2 Uhr geworden, ich mußte Zeit gewinnen, um die Moorarbeiter bei ihrer Rückkehr zu sehen. So sprach ich weiter viele Häftlinge an. Die meisten hatten Angst, sie meldeten sich und antworteten dann kurz und ausweichend, Essen gut, Behandlung nicht zu klagen. Loritz und der Arzt versuchten zum Aufbruch zu mahnen. Und nun kamen endlich diejenigen, die ich erwartet hatte: dreißig Mann etwa, wie eine Gruppe von lauter Ossietzkys, Krüppel aus dem Dunkel auftauchend im Licht der Bogenlampen, ein fast unglaublicher Regiefehler. Ich nehme an, es handelte sich um Kommunisten.“ (aus: Bergen–Belsen, Begleitheft zur Ausstellung, April 1990) Pflichtjahr Eine Dienstpflicht für alle weiblichen Jugendlichen unter 25. Vom Pflichtjahr waren alle Frauen ausgenommen, die ohnehin einen landwirtschaftlichen Beruf anstrebten oder ausübten. Eine Bescheinigung im Arbeitsbuch war Vorraussetzung für den späteren beruflichen Werdegang. Der Dienst im Landjahr oder im Arbeitsdienst wurde mit sechs Monaten angerechnet. Pohl, Oswald Leiter des SS- Wirtschaftsverwaltungshauptamtes Der SS-Obergruppenführer Oswald Pohl wurde am 30.6.1892 in Duisburg geboren und legte 1912 erfolgreich am Realgymnasium in Hamborn sein Abitur ab. Im April 1918 schloß er seine Fachausbildung mit der Beförderung zum Marine-Zahlmeister ab. Im Jahr 1926 trat er der NSDAP bei. Heinrich ®Himmler förderte seine Karriere. 1934 wurde er zum SS- Standartenführer und Chef der Verwaltung im SS-Hauptamt ernannt. Ab 1942 übernahm er als SS-Obergruppenführer die Leitung des SS - Wirtschaftsverwaltungshauptamtes. Zu den von Pohl vertretenen ökonomischen Interessen im Zusammenhang mit der „Endlösung der Judenfrage“ gehörten auch die Wertsachen, die den Häftlingen abgenommen wurden. Dazu zählten Haare, Kleider, Uhren, Brillen, Schmuckstücke, Devisen sowie Zahngold. Diese Beutestücke schrieb die Deutsche Bank dem Sonderkonto „Max Heiliger“ gut. Im Mai 1945 wurde Pohl verhaftet und in Nürnberg angeklagt. Während des Prozesses sagte er aus, daß die „Endlösung der Judenfrage“ der deutschen Bevölkerung bekannt und keineswegs ein Geheimnis gewesen sei. Als einer der hauptverantwortlichen Massenmörder wurde er im November 1947 im Zuge der ®Nürnberger Prozesse zum Tode verurteilt, aber erst im Juni 1951 hingerichtet. Bis zu diesem Zeitpunkt saß er im Gefängnis in Landsberg am Lech und war die Person, der die meisten Gnadengesuche galten, bis hin zu Interventionen von Vertretern des Deutschen Bundestages. http://www.shoa.de/p_oswald_pohl.html Pogromnacht In der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 brannten jüdische Synagogen in ganz Deutschland. Angehörige von Sturmabteilung ®(SA) und Schutzstaffel ®(SS) zertrümmerten die Schaufenster jüdischer Geschäfte, demolierten die Wohnungen jüdischer Bürger und mißhandelten ihre Bewohner. 91 Tote, 2.676 zerstörte Gottes- und Gemeindehäuser und 7.500 verwüstete Geschäfte - das war die „offizielle“ Bilanz des Terrors. Die Weisung zu dem Pogrom war von München ausgegangen, wo sich die Führung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei ®(NSDAP) zum Gedenken an den 15. Jahrestag des Hitler-Putsches versammelt hatte. Am 10. November wurden mehr als 30.000 männliche Juden in ®Konzentrationslager (KZ) verschleppt. Als Vorwand des von ihnen als angeblich spontanen Akt des „Volkszorns“ deklarierten Terrors nutzten die Nationalsozialisten die Ermordung des Legationssekretärs an der deutschen Botschaft in Paris, Ernst vom Rath, durch den erst siebzehnjährigen Herschel Grynszpan. Er wollte so auf die Abschiebung von 17.000 polnischen ®Juden, zu denen auch seine Eltern zählten, nach Polen aufmerksam machen. Die aufgrund der zerstörten Schaufensterscheiben bald als „Reichskristallnacht“ bekannt gewordenen Ausschreitungen waren bis dahin der Höhepunkt eines staatlichen ®Antisemitismus, der mit der ®Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begonnen hatte. Die Reaktionen der Bevökerung während des Pogroms waren zumeist von eingeschüchterter Reserviertheit und einem schockierten Schweigen geprägt. Nur wenige Menschen, die nicht der SA oder SS angehörten, beteiligten sich aktiv an den Zerstörungen und den Brandschatzungen, auch nur wenige allerdings tätigten Hilfe für ihre jüdischen Nachbarn. Das NS-Regime deklarierte den von der NSDAP gesteuerten Pogrom als „berechtigte und verständliche Empörung des deutschen Volkes“, die nach der weiteren Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben rief. Zunehmende Entrechtung, Einteignungen und „Zwangsarisierungen“ (®Arisierung) sollten die Juden zur Auswanderung zwingen. Nach dem „öffentlichen“ Novemberpogrom 1938 erhielt die Verfolgung einen neuen Charakter: Nun begann die „stille“ Eliminierung der Juden. Auch die Zeugnisse ihrer religiösen Kultur fielen der Vernichtung zum Opfer. (http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/antisemitismus/kristallnacht/index.html) Reinhard Heydrich: Fernschreiben 10.11.1938 „... Synagogenbrände nur, wenn keine Brandgefahr für die Umgebung ist ...“ Abschrift F e r n s c h r e i b e n Blitz München 47 767 10.11.38 0120 - Chu -. An alle Stapoleit- und Stapostellen, an alle SD.OA. und alle UA. • Blitz, dringend, sofort vorlegen! - Dringend sofort dem Leiter oder seinem Stellvertreter vorlegen. Betrifft: Maßnahmen gegen Juden in der heutigen Nacht. Auf Grund des Attentats gegen den Leg. Sekr. v.Rath in Paris sind im Laufe der heutigen Nacht - 9./10.11.38 - im ganzen Reich Demonstrationen gegen die Juden zu erwarten. Für die Behandlung dieser Vorgänge ergehen folgende Anordnungen 1.) Die Leiter der Staatspolizeistellen oder ihre Stellvertreter haben sofort nach Eingang dieses Fernschreibens mit den für ihren Bezirk zuständigen Politischen Leitungen - Gauleitung oder Kreisleitung - fernmündlich Verbindung aufzunehmen und eine Besprechung über die Durchführung der Demonstrationen zu vereinbaren, zu der der zuständige Inspekteur oder Kommandeur der Ordnungspolizei zuzuziehen ist. In dieser Besprechung ist der Politischen Leitung mitzuteilen, daß die Deutsche Polizei vom Reichsführer der SS. und Chef der Polizei die folgenden Weisungen erhalten hat, denen die Maßnahmen der Politischen Leitungen zweckmäßig anzupassen wären: a) Es dürfen nur solche Maßnahmen getroffen werden, die keine Gefährdung deutschen Lebens oder Eigentums mit sich bringen (zB. Synagogenbrände nur, wenn keine Brandgefahr für die Umgebung ist). b) Geschäfte und Wohnungen von Juden dürfen nur zerstört, nicht geplündert werden. Die Polizei ist angewiesen, die Durchführung dieser Anordnung zu überwachen und Plünderer festzunehmen. c) In Geschäftstraßen ist besonders darauf zu achten, daß nicht jüdische Geschäfte unbedingt gegen Schäden gesichert werden. d) Ausländische Staatsangehörige dürfen - auch wenn sie Juden sind - nicht belästigt werden. 2.) Unter der Voraussetzung, daß die unter 1) angegebenen Richtlinien eingehalten werden, sind die stattfindenden Demonstrationen von der Polizei nicht zu verhindern, sondern nur auf die Einhaltung der Richtlinien zu überwachen. - 3.) Sofort nach Eingang dieses Fernschreibens ist in allen Synagogen und Geschäftsräumen der jüdischen Kultusgemeinden das vorhandene Archivmaterial polizeilich zu beschlagnahmen, damit es nicht im Zuge der Demonstrationen zerstört wird. Es kommt dabei auf das historisch wertvollere Material an, nicht auf neuere Steuerlisten usw. Das Archivmaterial ist an die zuständigen SD-Dienststellen abzugeben. 4.) Die Leitung der sicherheitspolizeilichen Maßnahmen hinsichtlich der Demonstrationen gegen Juden liegt bei den Staatspolizeistellen, soweit nicht die Inspekteure der Sicherheitspolizei Weisungen erteilen. Zur Durchführung der sicherheitpolizeilichen Maßnahmen können Beamten der Kriminalpolizei sowie Angehörige de SD., der Verfügungstruppe und der allgemeinen SS. zugezogen werden. 5.) Sobald der Ablauf der Ereignisse dieser Nacht die Verwendung der eingesetzten Beamten hierfür zuläßt, sind in allen Bezirken so viele Juden - insbesondere wohlhabende - festzunehmen, als in den vorhandenen Hafträumen untergebracht werden können. Es sind zunächst nur gesunde, männliche Juden nicht zu hohen Alters festzunehmen. Nach Durchführung der Festnahme ist unverzüglich mit den zuständigen Konzentrationslagern wegen schnellster Unterbringung der Juden in den Lagern Verbindung aufzunehmen. Es ist besonders darauf zu achten, daß die auf Grund dieser Weisung festgenommenen Juden nicht mißhandelt werden. 6.) Der Inhalt dieses Befehls ist an die zuständigen Inspekteure und Kommandeure der Ordnungspolizei und an die SD-Ober- und Unterabschnitte weiterzugeben mit dem Zusatz, daß der Reichsführer SS. und Chef der Deutschen Polizei diese polizeilichen Maßnahmen angeordnet hat. Der Chef der Ordnungspolizei hat für die Ordnungspolizei einschließlich der Feuerlöschpolizei entspr. Weisungen erteilt. In der Durchführung der angeordneten Massnahmen ist engstes Einvernehmen zwischen der Sicherheitspolizei und der Ordnungspolizei zu wahren. Der Empfang dieses Fernschreibens ist von den Stapoleitern oder seinen Vertretern durch FS. an das Geheime Staatspolizeiamt - z.Hd. SS- Standartenführer M ü l l e r zu bestätigen. gez. H e y d r i c h SS-Gruppenführer http://www.ns-archiv.de/verfolgung/pogrom/heydrich.shtml Priebke , Erich Am 24. März 1944 war SS-Hauptsturmführer Erich Priebke, engster Mitarbeiter des Gestapochefs Herbert Kappler in Rom, an der Erschießung von 335 Zivilisten in den Ardeatinischen Höhlen bei Rom beteiligt. Als Racheakt wegen eines Partisanenangriffs, bei dem 32 Soldaten getötet wurden, werden auf Befehl Kapplers willkürlich Menschen in dem jüdischen Getto, teilweise auch in Krankenhäusern verhaftet und in den Steinbrüchen exekutiert. Priebke entzieht sich mit Hilfe der Nazi-Fluchtorganisation, die ihre Schützlinge über die „Rattenlinie“ schleust, der alliierten Strafverfolgung. Zuvor konnte er aus einem Kriegsgefangenenlager bei Rimini fliehen. An der Organisation seiner Flucht war auch der Mitarbeiter der von Wilhelm Canaris geleiteten deutschen Abwehr, Reinhard Kopps, beteiligt, der nach 1945 im Büro von Bischof Hudal in Rom Beschäftigung fand. In Argentinien legte dieser sich später den „Künstlernamen“ Juan Maler zu. 1994 wird er in dem vornehmen argentinischen Kurort Bariloche aufgespürt und am 10. Mai verhaftet. Am 21. November 1994 wird er an Italien ausgeliefert. Sein langjähriger Anwalt in Argentinien ist Pedro Bianchi, der nicht nur viele deutsche Immigranten mit NS-Vergangenheit juristisch vertritt, sondern auch argentinische Faschisten und Schergen der Militärjunta. Von bundesdeutscher Seite steht ihm der Szeneanwalt Günther Herzogenrath-Amelung, Regensburg, juristisch zur Seite. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit findet am 3. April 1996 eine erste Anhörung vor einem Militärgericht in Rom statt, im darauffolgenden Monat wird der Prozess gegen ihn wegen des Massakers von 1944 eröffnet. In dem Verfahren bennennt Priebke den ehemaligen SS-Offizier Karl Hass, wohnhaft in Rom und Tatbeteiligter, als Zeugen. Dieser flüchtet in die Schweiz, kehrt dann aber freiwillig mit Polizeibegleitung zurück nach Italien. Italienische Belastungszeugen und der Nebenkläger Ricardo Mancini erhalten Drohbriefe und Drohanrufe. Am 1. August 1996 erklärt das Gericht die Tat für verjährt. Priebke kehrt nach Argentinien zurück. Wegen vorliegender Indizien für die Vorbereitung seiner Flucht aus Argentinien wird Priebke unter Hausarrest gestellt. Das argentinische Bundesgericht beschließt im November seine Auslieferung an Italien, wo ihn ein Berufungsverfahren vor einem Militärtribunal sowie weitere Verfahren wegen der Erschießung von Gestapo-Gefangenen erwartet. In dem Revisionsverfahren gegen Priebke, das im April 1997 beginnt, wird gleichzeitig gegen Karl Hass verhandelt. Im Oktober 1997 wird durch das Urteil aus dem Jahre 1996 wegen Befangenheit des Richters aufgehoben. In einem Interview mit der Tageszeitung Il Messagero vom Mai 1997 sagt Priebke, die Erschießung von 335 Geiseln im Zweiten Weltkrieg sei für ihn „eine Kleinigkeit“ gewesen, vor Gericht jedoch macht er „Befehlsnotstand“ geltend. Erich Priebke wird zu 15 Jahren Haft verurteilt, Hass zu zehn Jahren und acht Monaten, wobei jeweils zehn Jahre angerechnet wurden. Aus gesundheitlichen Gründen verbüßt Priebke die Strafe in Hausarrest. Seit der Verurteilung wird er von der braunen Knasthilfe HNG betreut. Der umstrittene Berliner Historiker Ernst Nolte kritisiert die Entscheidung des römischen Gerichts gegenüber der Tageszeitung La Republicca. Nolte: „Daß im Klima jener Tage fünf Geiseln zuviel erschossen wurden als befohlen, stellt meiner Ansicht nach kein Kriegsverbrechen dar.“ Nolte plädiert ausserdem dafür, dass Kriegsverbrecher in hohem Alter gar nicht mehr angeklagt werden sollten. Wie im April 2001 durch dpa-Meldung bekannt wird, prozessiert Priebke gegen zwei italienische Journalisten, die ihn in einem Artikel in La Stampa einen „Henker“ genannt hatten. Priebke fühle sich dadurch verunglimpft und fordert Schadensersatz in Höhe von umgerechnet einer Million Mark. Priebke erklärte: „Henker?“ Ich habe nur meine Pflicht getan.“ La Stampa lehnte bei dem ersten Gerichtstermin einen Vergleich ab, weshalb für den 24. Mai 2001 ein Prozesstermin anberaumt wurde. Priebkes Prozessierfreudigkeit richtet sich nun auch gegen den 82-jährigen Filmproduzenten Artur Brauner, der selbst Überlebender des Holocaust ist. In einem Interview hatte Brauner ihn als „Massenmörder“ bezeichnet. Priebkes Anwalt hat Klage auf Unterlassung vor dem Landgericht München-Fürth eingereicht. Begründung: Die Erschießung sei ein militärischer Akt gewesen. Schon im Jahr zuvor wollte Priebke vergeblich einen italienischen Journalisten auf Schadensersatz in Höhe von mehreren hunderttausend Mark wegen Verunglimpfung verklagen. In dem aktuellen Verfahren wird er von dem Hersbrucker Rechtsanwalt Richard Pemsel vertreten, der selbst mehrfach als Autor in rechtsextremen Publikationsorganen hervorgetreten ist. Mit der Entscheidung vom 31. Mai 2001 wies das Landgericht Nürnberg-Fürth die Klage Priebkes zurück. Priebke darf auch weiterhin als «Kriegsverbrecher» mit «Zigtausenden auf dem Gewissen» bezeichnet werden. Brauner habe damit nicht die Grenze einer zulässigen Meinungsäußerung überschritten. Die Richter verwiesen darauf, dass Priebke 1998 in Italien als «Kriegsverbrecher» zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Schon zuvor war Priebke mit der Verleumdungsklage in Italien gescheitert. Anwalt Pemsel hat allerdings angekündigt, sein Mandant wolle wegen der Nürnberger Entscheidung in Revision gehen. http://www.idgr.de/lexikon/bio/pq/priebke/priebke.html Propaganda und Sprachlenkung im Nationalsozialismus „Unser Beitrag zur nationalen Moral besteht in der Wahrheitsvermittlung. Zum Patriotismus sind wir nicht verpflichtet.“ BBC-Hörfunkchef, als nach Ende des Falkland-Krieges die Berichterstattung des britischen Vorbilds für Radiojournalismus öffentlich kritisiert wurde. Was ist Wahrheit? Propaganda bedeutet das bewußte Einspannen und Ausnützen von Gefühlen und Gedanken für bestimmte politische Zwecke. Im Dritten Reich war Propaganda eine perfekt funktionierende Maschinerie aus Aufmärschen, Fackelzügen, Presse, Film und Radio. Abermillionen Menschen wurden in ihren Sehnsüchten, Hoffnungen und Ängsten gleichgeschaltet. Primitive Feindbilder funktionierten und wirken heute noch in vielen Köpfen nach: Der Jude, Der Russe, Der Kommunist, Der Neger, Der Ausländer. Bereits vor der sogenannten Machtergreifung 1933 inszenierten die Nazis ihre Propaganda professionell. So folgten die großen Auftritte Hitlers einer ausgeklügelten Dramaturgie. Der Führer erschien immer erst nach Stunden des Wartens, meist kreiste sein Flugzeug noch in der Dunkelheit über der bereits aufgeputschten Masse und landete unmittelbar neben den Kundgebungsplätzen. Der Schein der Fackeln, Fahnenaufzüge, Uniformen, Marschrhythmen und ekstatisch angestimmte Heilrufe erzeugten eine Atmosphäre, der sich kaum jemand entziehen konnte. Hitler betrat die Veranstaltungen immer von hinten, ging langsam, in sich gekehrt durch die Reihen, verharrte, schüttelte ein paar Hände. Auf dem Podium begann er leise, eintönig, trivial; erst nach zehn bis 15 Minuten trat ein, was ein zeitgenössischer Beobachter wie folgt beschrieben hat: „Der Geist fährt in ihn.“ Hitler tobte, schrie, ballte die Fäuste und feuerte seine Hasstiraden ab. (...) Nach der Machtergreifung begann die Gleichschaltung aller Bereiche des öffentlichen Lebens: Presse, Rundfunk und Film, Wissenschaft und Literatur, Musik und bildende Kunst. Wer sich dem widersetzte, dem drohte das ®Konzentrationslager. Eine Folge war, dass die bedeutendsten Köpfe dieser Zeit, aus einer Vielzahl sollen stellvertretend nur Albert Einstein, Bertolt Brecht, Thomas und Heinrich Mann, Ernst Bloch, Theodor Adorno und Max Horkheimer genannt werden, in die Emigration gingen, andere, wie Carl von ®Ossietzky, wurden ermordet. Deutschland, das in der Weimarer Republik eine kulturelle Blütezeit erlebt hatte, verarmte geistig und künstlerisch. Die „Verordnung zum Schutz von Volk und Staat“ setzte am 28. Februar 1933 die Presse- und Meinungsfreiheit außer Kraft. Zunächst zerschlug man die linke, später auch die bürglich-liberale und die konservative Presse. Unter der Regie von Joseph Goebbels als Propagandaminister wurde das gesamte Pressewesen zu einem zentral gelenkten Propagandaapparat umfunktioniert. Alle anderen Blätter wurden gleichgeschaltet. Sprachlenkung im Nationalsozialismus In der »Reichspressekonferenz« wurden die politischen Berichterstatter auf den jeweiligen Kurs des Regimes eingeschworen. Am 15. März 1933, einen Tag nach seiner Vereidigung als Reichspropagandaminister, erklärte Goebbels den dort versammelten Journalisten: „Selbstverständlich sollen Sie hier Informationen bekommen, aber auch Instruktionen. Sie sollen nicht nur wissen, was geschieht, sondern sollen auch wissen, wie die Regierung darüber denkt und wie Sie das am zweckmäßigsten dem Volk klarmachen können.“ Nach dem Kulturkammergesetz vom 22.09.1933 wurde eine Dachorganisation, die sogenannte Reichspressekammer, geschaffen. Es folgte an 04.10.1933 das Schriftleitergesetz. Durch diese beiden Gesetze war sichergestellt, daß niemand als JournalistIn tätig sein konnte, der / die Jude /Jüdin, mit einem Juden /einer Jüdin verheiratet, bzw. aus sonstigen Gründen politisch nicht zuverlässig war. Was in Zeitungen veröffentlicht werden durfte bzw. mußte, wurde durch tägliche Anweisungen aus dem Propagandaministerium vorgeschrieben. Abweichungen von dieser Linie wurden als Landesverrat eingestuft. Hier ein Auszug aus dem Schriftleitergesetz vom 04. Oktober 1933: Schriftleiter sind in Sonderheit verpflichtet, aus den Zeitungen alles fernzuhalten, 1. was eigennützige Zwecke mit gemeinnützigen in einer die Öffentlichkeit irreführenden Weise vermengt, 2. was geeignet ist, die Kraft des Deutschen Reiches nach außen oder im Innern, den Gemeinschaftswillen des deutschen Volkes, die deutsche Wehrhaftigkeit, Kultur oder Wirtschaft zu schwächen oder die religiösen Empfindungen anderer zu verletzen, 3. was gegen die Ehre und Würde eines Deutschen verstößt, 4. was die Ehre oder das Wohl eines anderen widerrechtlich verletzt, seinem Rufe schadet, ihn lächerlich oder verächtlich macht, 5. was aus anderen Gründen sittenwidrig ist. Zusätzlich zu diesen Vorschriften wurden ständig „Vertrauliche Informationen“ und „Tagesparolen“ ausgegeben, an die sich die JournalistInnen ebenfalls zu halten hatten. Der Begriff „Sprachregelung“ war sogar die offizielle Bezeichnung für die Anweisungen über die Wortwahl, die Themen und die Inhalte... Hier als Beispiel ein Auszug aus der „Vertraulichen Information Nr. 117 (1940)“: 1. Es wird darum gebeten, den Ausdruck Besetzungsheer für die in besetzten Gebieten stehenden deutschen Truppen nicht zu gebrauchen, da er absolut irreführend ist. 2. Es ist schon mehrfach darauf hingewiesen worden, daß der Ausdruck „Evakuierung“ in der deutschen Presse nicht mehr gebraucht werden soll. Trotzdem sind aber wieder Verstöße gegen die Anordnung vorgekommen. Es wird nochmals darauf hingewiesen, daß für die Bezeichnung das Wort „Kinderlandverschickung“ angewendet werden muß. (...) 7. Es wird nochmals darauf hingewiesen, daß in den Zeitschriften die Bezeichnung „Führer und Reichskanzler“ nicht gebraucht werden darf. Die Bezeichnung lautet ein für allemal „Der Führer“. Und die Journalisten funktionierten. Darunter später Prominente wie der spätere Frühschoppen-Moderator Werner Höfer, der die Hinrichtung des jungen Pianisten Karlrobert Kreiten wegen Wehrkraftzersetzung im Berliner »12 Uhr Blatt« rechtfertigte. Im November 1943 notierte Josef Goebbels in seinem Tagebuch: „Jedenfalls glaube ich, daß wir von der moralischen Haltung des deutschen Volkes keine Schwierigkeiten zu erwarten brauchen. Unser Volk befindet sich heute in ausgezeichneter Verfassung. Das ist auf unsere gute Propaganda, zum Teil aber auch auf die harten Maßnahmen zurückzuführen, die wir gegen Defaitisten treffen.“ Das Volk wurde zu einem kollektiven Volksempfänger gleichgeschaltet. 10. November 1933. Mittag. Überall in Deutschland heulten die Fabriksirenen, ruhte die Arbeit. In allen Betrieben mußten die Radiogeräte eingeschaltet werden: Der Führer spricht. Verordneter »Gemeinschaftsempfang« von Rundfunksendungen gehörten bald zum festen Repertoire der nationalsozialistischen Propaganda. Die Sprachlenkung der Journalisten durch die Nationalsozialisten ist Propaganda. Durch die gezielte Anweisung, wie einzelne Worts zu verwenden sind, in welchem Kontext wiederum andere Bezeichnungen für dieselben Dinge zu gebrauchen sind, welche Worte ganz zu vermeiden sind, durch welche Neuschöpfungen, beschönigenden Umbenennungen (Euphemismen) oder auch veralteten, in Vergessenheit geratenen Begriffe (Archaismen) diese zu ersetzten sind, etc. Hier gibt es Beispiele en masse, die Begriffe „Selektion“ oder „Endlösung“ dürften allen als Euphemismen bekannt sein, ebenso wie der Begriff „Sonderbehandlung“, der Wohl die Krönung der nationalsozialistischen Wortkreationen sein dürfte. Der Sinn bei der Verwendung liegt natürlich in der Verschleierung des wirklichen Wortinhalts bzw. seiner tatsächlichen Bedeutung. Erzählt man dem Volk etwas von einer „Sonderbehandlung“ ruft das auf jeden Fall eher eine positive Assoziation hervor, als wenn man vom Vergasen Tausender von Menschen berichtet. Beispiele für die Verwendung von Archaismen sind die von den Nazis wiederbelebten Begriffe „Scholle“ oder „Gau“. Die Verwendung sollte an die Bewahrung alter Traditionen und Bräuche appellieren, Emotionen erwecken und die Bindung zum „Deutschtum“ und zur deutschen Sprache bekräftigen. In der Praxis viel weiter verbreitet war die Technik des Umbewertens von alltäglichen Ausdrücken oder auch von Fachbegriffen. Hier werden nur einige Beispiele vorgestellt: Abstammungsnachweis: 1924 als Begriff aus der Viehzucht angeführt, 1936 als genealogischer Nachweis deutscher oder artverwandter Abstammung. Blutschande: 1924: Inzest, 1936 lautet die Definition „intime Beziehungen zu einem Nicht-Arier.“ fanatisch, hart: 1924 Adjektive mit negativen Konnotationen, 1936 jedoch mit positiven Konnotationen. rücksichtslos: 1924 lautet die einfache Definition „ohne Rücksicht“ (also negativ), 1936 wird deutlich, daß das Adjektiv in der Sprache des Nationalsozialismus vielfach einen positiven Sinn erhalten hat und soviel wie „zielstrebig, energisch...“ bedeutet, auf die Gegner bezogen behält das Wort jedoch nach wie vor negative Bedeutung. Haß: 1936 kann dieses Wort eine positive Bedeutung haben, wenn es auf die richtige Seite bezogen ist. „Der heldische Haß der nordischen Rasse“ steht im stärksten Gegensatz zum „feigen Haß des Judentums“ (BERNING, C.). Eine ebenfalls wichtige Stellung hat die Neubildung von Begriffen und die Übertragung von Begriffen aus anderen Bereichen in die Politik. Hier sind Begriffe wie Arbeitsrasse (Rasse, die von Natur aus hart arbeitet), Blitzkrieg (schneller Bewegungskrieg), Euthanasie (wörtl.: schöner, guter Tod; bei den Nazis die Tötung von Geisteskranken, die Auslöschung von „lebensunwertem Leben“) und Volksschädling (jemand, der den Interessen des Volkes schadet) einzuordnen. Auch hier gibt es noch viele weitere Beispiele. Diese Begriffe wurden von den Nazis gezielt eingesetzt und häufig verwendet, so daß sie, oft unbewußt, in das Alltgsvokabular der Bevölkerung übergingen. Dies war die eigentliche Technik der Propaganda: das Wiederholen von gewünschtem Vokabular, das Einsetzen von Schlagworten, das Hervorrufen von Emotionen, etc. Hitler sah in der Propaganda ein sehr wichtiges Mittel, das Volk zu beeinflussen, er benutzte sie als Mittel zur Lenkung geistig Beschränkter im Sinne des eigenen sozialdarwinistischen Weltbildes. Die Gestaltung sollte seiner Auffassung nach einfach sein, vielfach auf Reduktion der Inhalte und Wiederholungen der Kernaussage ausgelegt. Humanitäre und ästhetische Aspekte sind ihm unwichtig, da die Adressaten unfähig zu einem selbständigem Urteil sind und nur über einen sehr niedrigen Intellekt verfügen. Hitler sieht das Volk als dumm an, er sieht es als Masse, entmenschlicht. In „Mein Kampf“ stellt er im Kapitel „Kriegspropaganda“ klar heraus, wie Propaganda seiner Meinung nach beschaffen sein sollte, um das Volk am effektivsten zu beeinflussen: „Jede Propaganda hat volkstümlich zu sein und ihr geistiges Niveau einzustellen nach der Aufnahmefähigkeit des Beschränktesten unter denen, an die sie sich zu richten gedenkt. Damit wird ihre rein geistige Höhe um so tiefer zu stellen sein, je größer die zu erfassende Menge der Menschen sein soll.“ „Je bescheidener dann ihr wissenschaftlicher Ballast ist, und je mehr sie ausschließlich auf das Fühlen der Masse Rücksicht nimmt, um so durchschlagender der Erfolg.“ „Die Aufnahmefähigkeit der großen Masse ist nur sehr beschränkt, das Verständnis klein, dafür jedoch die Vergeßlichkeit groß. Aus diesen Tatsachen heraus hat sich jede wirkungsvolle Propaganda auf nur sehr wenige Punkte zu beschränken und diese schlagwortartig so lange zu verwerten, bis auch bestimmt der Letzte unter einem solchen Wort das Gewollte sich vorzustellen vermag.“ „(...) Die breite Masse eines Volkes besteht nicht aus Diplomaten oder auch nur Staatsrechtslehrern, ja nicht einmal aus lauter vernünftig Urteilsfähigen, sondern aus ebenso schwankenden wie zu Zweifel und Unsicherheit geneigten Menschenkindern.“ Diese Textauszüge zeigen wohl sehr deutlich, für wie dumm und geistig unterbemittelt Hitler sein Volk gehalten hat. Und die Erfolge, die er bei seinen Reden und denen von Joseph Goebbels erreichen konnte, geben ihm da wohl recht. Das Radio und die Radio-Reportage Josef Goebbels im März 1933: „Der Rundfunk muß der Regierung die fehlenden 48 Prozent zusammentrommeln, und haben wir sie dann, muß der Rundfunk die 100 Prozent halten, muß sie verteidigen, muß sie innerlich so durchtränken mit den geistigen Inhalten unserer Zeit, daß niemand mehr ausbrechen kann.“ Anfang 1933 gab es in Deutschland vier Millionen Radiogeräte. 1939 waren es neun, 1941 16 Millionen. Ganze 35 Mark kostete der »Deutsche Kleinempfänger. Das Radio wurde zum wichtigsten Propaganda-Medium der Nazis. Ab 1938 wurden 6.000 Lautsprechersäulen in fast allen deutschen Städten aufgestellt, zur Berieselung derjenigen, die keinen Volksempfänger besaßen. Das Medium Radio: Nicht nur plumpe Holzhammer-Propaganda, sondern Live-Übertragungen, Kriegsreportagen und Musik- und Unterhaltungsprogramme. Letztere waren für Goebbels besonders wichtig: „Es ist ein Unterschied, ob ein Volk mit Freude und Optimismus seiner schweren Lebensaufgabe dient, oder ob es kopfhängerisch und pessimistisch den Sorgen des Alltags entgegentritt.“ Der sogenannte Unterhaltungsauftrag des Rundfunks war bis ins Detail festgelegt. Wenig Militärmärsche, dafür viele blut- und bodenorientierte Volkslieder. Wenig Moderation in Musikprogrammen, keine fröhlichen Rhein-Lieder wegen der Luftangriffe auf die Städte dort. Dafür „Freunde, das Leben ist lebenswert“, „Nur nicht nervös werden“ und „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen“, so der Programmzettel einer Sendung vom Oktober 1942. Mit dem Kriegsbeginn wird das Abhören von Auslandssendern unter Strafe gestellt. Beginn des Zweiten Weltkrieges Die deutsche Propaganda hatte im Zweiten Weltkrieg drei Aufgaben: Zersetzung des »Wehrwillens« gegnerischer Soldaten auf den Schlachtfeldern, Beeinflussung der Zivilbevölkerung in besetzten Gebieten, Stärkung des »Durchhaltewillens« in der deutschen Bevölkerung. Flugblätter, Broschüren, Lautsprecherdurchsagen und Rundfunk waren die Mittel der Propaganda. Eine neue Form des Radiojournalismus wurde perfektioniert, die Frontreportage. Reality-Radio mit Wirkung: „Sie hören Frontberichte der Propagandakompanien: Kameramann beim Stuka-Angriff. Bildbericht von einem Infanterie-Gefecht. Mikrofon im angreifenden Bomber. Wird es gelingen, den Bericht trotz starken Beschusses zu Ende zu führen? Wird die Aufnahme-Apparatur vielleicht getroffen? Oder gar der Berichter selbst verletzt? Hören Sie unseren Berichter aus der angreifenden Maschine selbst: ,Und schon befinden wir uns über Feindesland. Unser Kampfflugzeug braust dem Ziel zu. Unter uns zerstörte Brücken und Eisenbahnen…‘“ In den „Grundsätzen für die Führung der Propaganda im Krieg“ vom 27. September 1938 heißt es: „Im Dienst der Wehrmacht wird die Propaganda eingesetzt: Erstens zur Erhaltung der Opferfreudigkeit und der geschlossenen Wehrwilligkeit des eigenen Volkes. Zweitens zur Aufklärung über die das Leben des eigenen Volkes beeinflussenden militärischen Maßnahmen. Drittens zur Überwindung von Unruhe und Erregung im Volke, die durch feindliche Einwirkung auf das Heimatgebiet hervorgerufen werden. Viertens zur Tarnung, Verschleierung und Irreführungen eigener militärischer Absichten dem Auslande gegenüber.“ Die Journalisten wurden zu Kriegsberichterstattern. Im Juni 1941 begann der Krieg gegen die Sowjetunion. Die Propaganda in der Heimat und an der Front wird so total wie der Krieg. Eingesetzt werden 11 Propagandakompanien mit insgesamt 2.244 Mann. Beispiel: Eine Radio-Reportage über die Bombardierung Moskaus, gesprochen von einem unbekannten Journalisten, der in der Bomberstaffel mitflog. Sprachbilder, die an Fernsehbilder im Golfkrieg erinnern. „Großangriff auf Moskau: Wie ein zündender Funke ist gestern Abend dieser Befehl unter die Besatzungen der Kampftruppe gesprungen. Und nun waren wir über Moskau. Und wir haben es brennen sehen wie wir London, Birmingham, Hull und die englischen Industriezentren brennen sahen. Es war ein Bild, das wir nie vergessen werden (…) Und dann fielen unsere Brandbomben. Das ist ein eigenartiges Gefühl, wenn man es nicht erlebt hat kann man es sich kaum vorstellen. Wie tausend kleine Feuerpilze schießt es unten auf, zuerst gelb, das ist das Feuer der Brandbomben, und dann beginnt der Brand rot, mit einer großen Qualmwolke und vor und neben und hinter uns, überall warfen die anderen Maschinen ihre Bomben. Und ein Brand stand neben dem anderen.“ Die »Abteilung Ost« im Reichspropagandaministerium leitet ein Mann, der nach dem Krieg auch weiterhin der »Psychologischen Kampfführung« verbunden bleiben wird: Dr. Eberhard Taubert, Autor des furchtbaren NS-Propagandafilms »Der ewige Jude«. Bereits 1933 gründete Taubert die »Antikomintern«, die antibolschewistische Informationszentrale im Propagandaministerium. ... Propaganda-Unternehmen »Skorpion« Mitte 1944. Die Überlegenheit der Allierten ist drückend. Die deutsche Durchhalte-Propaganda verfängt nicht mehr. Deshalb wird im Juli 1944 das Propaganda-Unternehmen »Skorpion« gegründet. Die »Skorpion«-Flugblätter, aufgebaut als Frage und Antwort-Spiel unter dem Titel: „Willst Du die Wahrheit wissen, Kamerad, frage den Skorpion!“, legen schonungslos die Realitäten des Krieges offen: „Wie steht der Krieg? Wir liegen in einem sehr schweren Abwehrkampf gegen die Engländer und Amerikaner. Der Feind hat heute noch die absolute Luftüberlegenheit. Er hat mehr Panzer und Artillerie als wir.“ Ausgehend von Wahrheiten, die jedem deutschen Soldaten aus eigenem Erleben bekannt waren, erweckte »Skorpion« subtil Hoffnungen auf die Genialität der deutschen Generalität und – vor allem – auf die Entwicklung neuartiger »Wunderwaffen«, die das Blatt auf geheimnisvolle Art und Weise wenden würden. ... Erkannt und gelernt hatten die Propaganda-Fachleute eines: Die beste Propaganda, weil glaubwürdig, ist die Verbreitung nachprüfbarer Wahrheiten, freilich durch Auslassung und Kommentierung auf den jeweiligen politischen Zweck hin zugespitzt. ®Sprache des 3. Reiches (Info-Zentrum für Rassismusforschung) (http://www.inter-nationes.de/d/gaz/didak1936-f.html) Günter Hack 10.03.2001 Propaganda und Populärkultur - Konstruierte Erlebniswelten im Nationalsozialismus - Ein neuer Ansatz in der Propagandaforschung - Thymian Bussemer, freier Journalist und Kommunikationswissenschaftler aus Berlin, hat mit Propaganda und Populärkultur - Konstruierte Erlebniswelten im Nationalsozialismus eine Arbeit vorgelegt, die für einen Perspektivwechsel in der Analyse der Propaganda im sogenannten Dritten Reich plädiert. Bussemers zentrales Argument: Die bisherige Forschung sei selbst auf die Mythen von der Perfektion und Durchschlagskraft der nationalsozialistischen Propagandamaschinerie hereingefallen, hätte sich zu stark auf die Propagandisten selbst konzentriert und dabei vernachlässigt nachzusehen, wie die Rezipienten denn mit den angebotenen Medieninhalten umgegangen seien. Die Propagandaforschung, eine starke Strömung in der kommunikationswissenschaftlichen Tradition, habe in den 1930er und 1940er Jahren noch zu simple unidirektionale Modelle verwendet, in denen von starken Kommunikatoren und schwachen Rezipienten ausgegangen worden sei. Stichworte: „Magic Bullet“ und Behaviourismus. Auch in demokratischen Ländern wie den Vereinigten Staaten habe man die Masse der Bevölkerung als amorphes Etwas angesehen, das von geschickten Eliten nach deren Wünschen geformt werden könne. ... Hier ortet Bussemer behavioristische und damit zu simple Denkweisen. ... Bussemer beschreibt Mechanismen, wie sie auch die zeitgenössische Soziologie mit ihrem Konzept der reflexiven Modernisierung zu fassen versucht. So sei Adolf Hitler ein Anhänger der massenpsychologischen Theorien des Gustave Le Bon gewesen, der auch genau jene Kommunikationswissenschaftler beeinflusst hätte, die dann mit den entsprechenden Denkwerkzeugen versuchten, den Erfolgen der NS-Propaganda auf die Schliche zu kommen. Ebenso hätte das braune Regime selbst seine spezielle Art von Meinungsforschung betrieben und zu diesem Zweck unter anderem den Sicherheitsdienst (SD) mit einer Personalstärke von 3.000 hauptamtlichen und 30.000 ehrenamtlichen Mitarbeitern herangezogen, der dann aus seiner Spitzeltätigkeit die „Meldungen aus dem Reich“ kondensiert und an die Führung weitergegeben habe. Das NS-System hatte also unter ähnlichen Prämissen gearbeitet wie diejenigen, die es untersuchen wollten, und die Erkenntnisse aus der Wissenschaft hatten Eingang in die Methoden der Täter gefunden. Als Ausweg und neue Perspektive schlägt Bussemer daher vor, mit dem Instrumentarium der anglo-amerikanischen Cultural Studies an das Problem der Propagandawirkung im „Dritten Reich“ heranzugehen. Dabei greift er vor allem auf Stuart Halls Modell des Encoding/Decoding zurück. Hier wird die Kommunikation vom Sender in einem bestimmten kulturellen Code verschlüsselt und dann von den Rezipienten wieder entschlüsselt, wobei die Rezipienten einen Text durchaus so uminterpretieren können, dass er das genaue Gegenteil der vom Sender intendierten Wirkung aussagt. Dies, so Bussemer, sei besonders häufig in den letzten Jahren des „Dritten Reiches“ vorgekommen, als die Propaganda des Regimes und die Lebenwirklichkeit der Menschen immer weiter auseinandergetrieben seien. Bussemer schlägt vor, die nationalsozialistische Propagandatätigkeit in drei zeitliche Abschnitte aufzuteilen: „Politische Agitation und Parteienwerbung“ (1929 - 1933), „Integrationspropaganda“ (1934 - 1938/39) und „Kriegspropaganda“ (1939 - 1945). Er hält dabei vor allem die Phase der Integrationspropaganda für interessant. Der Autor macht plausibel, dass während dieser Zeit die NS-Propaganda am wirkungsvollsten funktioniert hätte, da sie es verstanden hätte, den Menschen im Tausch für deren Zustimmung und Gehorsam gewisse Gegenwerte wie Unterhaltung, Selbstwertsteigerung und Sicherheit anzubieten. Das macht deutlich, dass es besonders wichtig ist, die Propaganda nie isoliert von, sondern stets im Kontext mit der Lebenswirklichkeit der Menschen zu betrachten. Nach der Machtergreifung 1933, so Bussemer, hätte die NS-Regierung sich von zentralen sozialutopischen und revolutionären Topoi in ihrer Propaganda verabschieden müssen. Es sei nun darum gegangen, Integrationspropaganda zu betreiben und die Macht zu stützen. Als Gratifikationen für den entgangenen Umsturz der bisherigen Sozialordnung wurden den NSDAP-Wählerschichten nun wohlorganisierte Freizeitprogramme garniert mit harmlosen Unterhaltungsfilmen angeboten. Auch die Parteitage und Parteiorganisationen hätten zahlreiche Möglichkeiten zur Partizipation geboten, es sei gelungen, die Leute zu beschäftigen, ohne sie an den eigentlichen Entscheidungsprozessen teilnehmen zu lassen. Aber das Regime sei zu keinem Zeitpunkt in der Lage gewesen, dem deutschen Volk widerstandslos seinen Willen aufzuzwingen und es gleichsam zu hypnotisieren, wie es nur allzuoft vor allem in der Geschichtsschreibung nach dem Zweiten Weltkrieg dargestellt worden sei. Diese Mär von der allmächtigen Propagandamaschinerie, welche die Deutschen quasi willenlos gemacht und dann zu Mordmaschinen umfunktioniert habe, müsse als Versuch einer Apologie verworfen werden. Bussemer meint, dass Propaganda nur dann wirklich funktionieren könne, wenn sie den Rezipienten ein attraktives Angebot mache: „Das Publikum im Nationalsozialismus griff die populären Formen und Inhalte der Propaganda bereitwillig auf, benutzte sie als kommunikatives Rohmaterial und rezipierte sie auf eigene Art und Weise. Die positive Resonanz auf die Propaganda wurde dadurch begünstigt, dass die Propaganda formal in Traditionen stand, die von den ‚kleinen Leuten‘ entwickelt worden waren Popular-Culture-Angebote von oben wurden vielfach als attraktiv befunden, aber keineswegs durchgehend dominant decodiert. Viel häufiger war es der Fall, dass die Rezipienten die populären Formen der Propaganda aufgriffen, die Rezeption der dort angebotenen politischen Inhalte aber verweigerten. Insofern scheint es durchaus berechtigt, davon zu sprechen, dass die Rezipienten im Rahmen ihrer kommunikativen Alltagspraxis die nationalsozialistische Propaganda ausbeuteten.“ Bussemers Argumentationskette ist mit zahlreichen Zitaten und Belegen aus aktueller und vergangener Forschung in Kommunikations- und Geschichtswissenschaft unterfüttert. Es ist plausibel, dass erfolgreiche Kommunikation auch in einem diktatorischen Regime nicht verordnet werden kann, sondern zwischen den Akteuren immer wieder neu ausgehandelt werden muss. Wo sich der Propagandist in die Ideologie flüchtet, wird er nicht mehr wahrgenommen werden. Popkultur schlägt Alfred Rosenberg: „[Und] die typische Dichtung des Dritten Reichs ist wohl weder durch Knut Hamsun, Ernst Jünger noch Werner Beumelburg repräsentiert, sondern durch Bücher wie Rudolf G. Bindings Moselfahrt aus Liebeskummer (1944: 367. Tausend), Heinrich Spoerls Wenn wir alle Engel wären (1944: 325. Tausend) und Hans Carossas Das Jahr der schönen Enttäuschungen (1943: 128. Tausend)“ (Bussemer, S. 93). ... Zum Abschluss noch Gedanken, die mir bei der Lektüre dieses Buchs in den Sinn gekommen sind. Sich die Rezipienten nationalsozialistischer Propaganda nicht als hypnotisierte Massenmenschen, sondern als aktive Rezipienten vorzustellen, die sich auf die Kommunikationsversuche des Regimes ihre eigenen Reime machten, mag sie zunächst plastischer, begreifbarer, lebendiger und gar sympathischer erscheinen lassen. Am Ende lauert in Thymian Bussemers Argumentationskette jedoch ein Vorwurf an die damaligen Deutschen, der mir noch wesentlich dunkler und gewichtiger erscheint als beispielsweise jene der Vertreter verworfener „Magic-Bullet“-Theorien: Mögen die Aspekte, welche die Rezipienten der Nazi-Propaganda aus dem vorhandenen Angebot herausgegriffen und für sich produktiv gemacht haben, isoliert betrachtet eher harmloser Natur gewesen sein, so greift es meiner Ansicht nach zu kurz, darin nur einen von vielen systemstabilisierenden Faktoren zu sehen. Wenn der Propaganda-Rezipient als aktives Subjekt wahrgenommen werden muss, gilt er dann nicht auch gleichzeitig als Mitmacher im mörderischen System? Quelle: Thymian Bussemer: Propaganda und Populärkultur. Konstruierte Erlebniswelten im Nationalsozialismus. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag, 2000. 161 Seiten, Preis: DM 58,-. ISBN: 3-8244-4414-3. http://www.google.de/ http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/buch/7079/1.html+Faschismus&hl=de&lr=lang_de Rasse „...gibt es kein gleiches Recht für alle. Der Hochwertige hat das Recht, gefördert zu werden, der Minderwertige hat es nicht“ A. Hitler „Mein Kampf“ Im Mittelpunkt der von den Nationalsozialisten verbreiteten, wissenschaftlich unsinnigen „Rassenkunde“ oder „Rassenlehre“ stand die Behauptung, daß es eine hochstehende nordische Rasse und andere unterschiedlich minderwertige menschliche Rassen gäbe. Diese Vorstellungen waren aufgebaut auf den Gedanken unklarer, wissenschaftlich nicht haltbarer und schon damals widerlegter Rassenlehren verschiedener wissenschaftlicher Außenseiter wie J.A. Gobineau und H. St. Chamberlain. Adolf Hitler behauptete, Träger der Rasseneigenschaften sei das Blut. Hitler erhob es zur „heiligsten Verpflichtung“ dafür zu sorgen, daß das Blut rein gehalten bliebe. (http://shoanet.hbi-stuttgart.de/glossar/R.htm#Rassenlehre/Rassenkunde) Der Publizist S. Haffner spricht in seinen „Erinnerungen“ den Deutschen und namentlich den Nazis jegliche Rasse ab: „Der einzige Rest, der bei alledem bleibt, ist die völlige Abwesenheit von dem, was man, an einem Volk wie an einem Menschen, »Rasse« nennt: also eines festen, durch Druck und Zug von außen nicht zu erschütternden Kerns, einer gewissen adligen Härte, einer allerinnersten, gerade erst in der Stunde der Prüfung mobilisierbaren Reserve an Stolz, Gesinnung, Selbstgewißheit, Würde. Das haben die Deutschen nicht. Sie sind als Nation unzuverlässig, weich, kernlos. Der März 1933 hat es bewiesen. Im Augenblick der Herausforderung, wo bei Völkern von Rasse wie auf Verabredung ein allgemeiner spontaner Aufschwung erfolgt, erfolgte in Deutschland wie auf Verabredung ein allgemeines Auslassen und Schlappmachen, ein Nachgeben und Kapitulieren - kurz und gut: ein Nervenzusammenbruch. Das Ergebnis dieses millionenfachen Nervenzusammenbruchs war das geeinte, zu allein bereite Volk, das heute den Albdruck der ganzen Welt bildet.“ (Sebastian Haffner, Geschichte eines deutschen, Die Erinnerungen 1914 – 1933, Büchergilde Gutenberg, 2001) Rassenwahn im NS-Staat Mindestens fünf Millionen ®Juden fielen dem Nationalsozialismus zum ®Opfer. Von Anfang bis Ende war die Nazi-®Propaganda unzweideutig auf fanatischen und kompromisslosen ®Antisemitismus ausgerichtet. Dabei war ®Hitler „kein Betriebsunfall“ (...), denn im gesamten 19. Jahrhundert gab es in Deutschland eine Gegenbewegung gegen die Emanzipation der ®Juden . Die Schriften französischer konservativer Emigranten waren eine Triebkraft. Sie führten die französische Revolution auf eine „Verschwörung“ von Philosophen, Freimaurern, Juden, Liberalen und Sozialisten zurück. Hitler glaubte leidenschaftlich an die These einer jüdisch-freimaurerischen Weltverschwörung. Marxismus und Sozialismus waren danach nur eine Erscheinungsform jener finsteren Verschwörung. Diese Ideen mischten sich mit jahrhundertealten kirchlichen antijüdischen Traditionen. Auch Kaiser Wilhelm II. war begeistert von dem Rassenideologen H. St. Chamberlain. Kurz nach dem Ersten Weltkrieg erklärte er, die Juden müssten ausgerottet werden wie „Ungeziefer“. (...) Aus NS-Sicht ging es bei der Rassenpolitik darum, alles auszugrenzen und zu beseitigen, was den germanischen „Volkskörper“ und „Rassekern“ und die „Blut-und-Boden“-Ideologie schädigen konnte: zuerst die Juden, dann Polen, andere Slawen, Geisteskranke, Sinti und Roma, „unheilbar Kranke“, „Asoziale“, „nutzlose Esser“ und Homosexuelle. In den ersten Jahren des NS-Regimes gab es noch ein scheinbar zufriedenstellendes Übereinkommen zwischen Nazibehörden und Zionisten, die glaubten, dass „Dissimilation“, verbunden mit der ®Emigration nach Palästina, eine für beide Teile tragbare Lösung sein werde. (...) Seit der ®Machtergreifung Anfang 1933 wurden die Juden planmäßig aus deutschen Universitäten (®Berufsbeamte) verdrängt. Es wurde zum Boykott jüdischer Geschäfte aufgerufen. Am 15. September 1935 wurden die ®“Nürnberger Gesetze“ verkündet. Die bürgerlichen Rechte waren aberkannt, die Juden durch das „Blutschutzgesetz“ aus der deutschen Gesellschaft ausgegrenzt. Als in der sogenannten „Reichskristallnacht“ (®Pogromnacht) am 9./10. November 1938 die Synagogen brannten und Tausende von Juden misshandelt und mehr als 30 000 verhaftet und in ®Konzentrationslager verschleppt wurden, schwiegen die Öffentlichkeit und die ®Kirchen. Die Juden hatten in Europa wenig Verbündete.(...) Schon am 30. Januar 1939 hatte Hitler vor dem Reichstag „prophezeit“, dass der Krieg zur „Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa“ führen werde. Im September 1939 begann Deutschland den 2. ®Weltkrieg. Schon 1939 wurden die ersten Gaskammern konstruiert, denn Hitler war der Ansicht, dass ein Tötungs-Programm im Krieg glatter und leichter durchzuführen sei. Nach der Eroberung und Teilung Polens und vor dem deutschen Angriff auf Russland näherte man sich dem selbstgesteckten Ziel, Deutschland „judenrein“ zu machen, noch mit „forcierter Auswanderung“. Zunächst war das NS-Regime willens, Juden ausreisen zu lassen, etwa nach Palästina. Allerdings wurden die Juden im Osten auch damals schon von den ®Einsatzgruppen liquidiert und in Gettos konzentriert. Am 21. September 1939 hatte Reinhard ®Heydrich, Chef der Sicherheitspolizei (SD), die Konzentration der Juden in Gettos und Deportation aller Juden in das sogenannte „Generalgouvernement“ festgelegt. Daraufhin wurden Tausende von Menschen, vor allem aus Österreich, in diese Gegend deportiert. Im Herbst 1941 kam der Befehl, durch den alle jüdische Auswanderung verboten wurde. (...) Im August 1941 erklärte SD - Chef Heydrich gegenüber Adolf ®Eichmann, dem Sonderreferenten für Deportationen: „Der Führer hat die physische Vernichtung der Juden befohlen.“ Am 20. Januar 1942 fand auf Einladung von Heydrich in Berlin im Gästehaus der ®SS die ®“Wannsee-Konferenz“ statt. Ziel des Treffens war, alle Maßnahmen zur Durchführung der ®“Endlösung“ zu koordinieren. Was das bedeutete, wusste jeder: Offen diskutierte man über die verschiedenen Tötungsmethoden, mit denen elf Millionen Juden ermordet werden sollten. Dabei herrschte, wie Eichmann später aussagte, „freudige Zustimmung allseits“. Hitler sah sich selbst als „Robert Koch in der Politik“. So wie jener den Tuberkulose-Bazillus entdeckt habe, habe er „den Juden als den Bazillus aller gesellschaftlichen Dekomposition“ ausgemacht. Dass er Juden und Slawen als „Krankheitserreger“ und als ®“Untermenschen“ definierte, führte dazu, dass sie nicht als Menschen betrachtet wurden. Sie sollten zur Ermordung freigegeben werden. Dabei war die Sprache der Mörder extrem schönfärbend: Für die ®Konzentrationslager war das „Wirtschafts-Verwaltungs-Hauptamt (WVHA)“ der SS zuständig. Die Vernichtung lief ganz „sachlich“ ab, Mord wurde zur „medizinischen Angelegenheit“. Erschießen oder Vergasen nannte man „Gnadentod“. Statt Mord sprach man von „Endlösung“, „Maßnahmen“ oder „Sonderbehandlung“. Verschleppung ins Getto hieß „Verlegung des Wohnsitzes“, „Umsiedlung“ oder „Arbeitseinsatz im Osten“. Der Mord an den Juden lief preußisch korrekt, bürokratisch und geradezu industriell ab. Jeder Judentransport wurde berechnet nach der „Aufnahmekapazität“ der einzelnen Tötungsanlagen („Zugladungen pro Woche“) und danach, wie viele Anträge auf Sklavenarbeiter seitens der zahlreichen deutschen Industrieunternehmen vorlagen, die in der Nachbarschaft der Todeslager Zweigstellen ihrer Werke eingerichtet hatten. Etwa 25 Prozent jedes Transports ließ man als Sklaven in Fabriken oder Steinbrüchen arbeiten. Die Arbeitsbedingungen waren so schlecht, dass die Absicht, durch Arbeit zu töten, klar zu erkennen war. (...) (http://www.inter-nationes.de/d/gaz/didak1935-f.html) Rassismus Genetischen Rassismus Rassismus liegt immer dann vor, wenn bestimmte Merkmale von Menschen (z.B. Hautfarbe, Geschlecht usw.) mit bestimmten Eigenschaften gekoppelt werden (z.B. wenn von der Hautfarbe oder Herkunft auf die geistige, kriminelle oder sexuelle Energie o.ae. geschlossen wird) und durch diese Konstruktion eine Bewertung entsteht. Des weiteren liegt Rassismus dann vor, wenn gelerntes Verhalten, z.B. Intelligenz, naturalisiert, d.h. als angeboren unterstellt oder wenn behauptet wird, dass Frauen per se weniger Rationalität, dafür von Geburt an aber mehr Gefühl zukomme als Männern usw. Kulturellen Rassismus Er liegt immer dann vor, wenn bestimmte Lebensgewohnheiten, Sitten und Gebräuche anderer als negativ abweichend deklariert werden. Dieser kulturelle Rassismus scheint auf dem Vormarsch zu sein. Auch diese Form des Rassismus dient der Praxis der Ausschliessung anderer, die man benötigt, um ihnen den umkämpften Platz an der Sonne streitig zu machen. Der Rassismus des sogenannten „Ethnopluralismus“ liegt darin, dass er eine Vermischung von Menschen, die unterschiedlichen Kulturen angehören, nicht zulassen will. Darin geht die Vorstellung ein, dass bestimmte vorhandene genetisch bedingte und/oder historisch-kulturell tradierte Eigenschaften und Lebensgewohnheiten dieser Völker sich nicht nur mit den unseren nicht vertragen, sondern dass Rassen- und Völkermischung zur Degeneration der Menschheit, insbesondere zum Untergang der deutschen Menschheit, der deutschen Nation führe. Der Rassismus der Rechtsextremen äußert sich heute also in der Tat meist nicht mehr in Form von Antisemitismus. Er geht darüber hinaus: Man will die Trennung aller sogenannter Menschen-„ Rassen“ und Völker oder, wie man auch sagt: Ethnien. Den breiten Wählermassen wird dies dann mit Parolen wie „Deutschland den Deutschen!, Die Türkei den Türken!“, „Asylanten ausweisen!“ oder aber auch „Ausländer raus!“ nahezubringen versucht! Rechtsextreme versteigen sich immer wieder zu der Annahme, dass Rassismus selbst eine angeborene Eigenschaft aller Menschen und deshalb niemals vermeidbar sei. Hier wird deutlich, dass die Rede von der Ausländerfeindlichkeit eigentlich bereits eine Verharmlosung darstellt, denn in den allermeisten Fällen liegt hier blanker Rassismus vor. Dieses Wort „Rassismus“ - in den anderen europäischen Ländern und den USA (s.u.) gang und gäbe - ist in unseren Landen aber total verpönt. Er erinnert die Deutschen wohl zu sehr an die Verbrechen des Dritten Reiches. Ethnopluralismus bedeutet also keineswegs ein gleichberechtigtes Nebeneinander von Völkern und Kulturen. Zusammen mit dem Anspruch auf Herstellung bzw. Bewahrung der „nationalen Identität“ des deutschen Volkes wird gleichzeitig immer auch der Besitzanspruch auf Gebiete Polens formuliert, so dass von dem Ziel eines friedlichen, gleichberechtigten Nebeneinanderlebens verschiedener Völker nicht die Rede sein kann. Die von den Rechtsextremisten behauptete Ungleichheit der Menschen, die nach ihrem rassistischen Konzept gleichbedeutend mit einer Ungleichwertigkeit der Menschen ist, durchzieht mehr oder minder verdeckt die gesamte ideologische Ansprache der heutigen Rechtsextremen. Körperliche Ungleichheiten von Menschen geraten den Rechtsextremen zu angeborenen Wesensunterschieden; kulturell erworbene Unterschiede werden weder toleriert, noch gelten sie als veränderbar. Sie werden immer als etwas Negatives, von der Norm Abweichendes, ja, als etwas Abartiges angesehen. (nach Prof. Dr. S. Jaeger, DISS, Duisburg, 1990) (Arbeitsgruppe - SOS - Rassismus) Sind Weiße klüger als Schwarze? · Der rassistische Streit um den Intelligenzquotienten in den USA - Levin lehrt an dem überwiegend von Schwarzen und Latinos besuchten College im New Yorker Stadtteil Harlem Philosophie - und gefällt sich als Provokateur. Für Aufregung sorgte ein Leserbrief von ihm, den die „New York Times“ veröffentlicht hatte: Weiße Ladenbesitzer dürften Schwarzen den Zutritt verbieten, um sie am Diebstahl zu hindern. Und in einem Vortrag hat er empfohlen: „Weiße sollten Schwarze wegen deren hoher Kriminalität meiden. Schwarz signalisiert Gefahr.“ Deshalb seien „gewisse Formen des Rassismus berechtigt“. Zuhörer stürmten daraufhin das Podium; Levin floh durch die Hintertür. Der größte Tumult brach los, als Studenten Kopien eines Fachartikels verteilten, in dem Levin geschrieben hatte, Schwarze litten an angeborener Intelligenzschwäche. Immer offener wird in den USA gegen die Schwarzen zu Felde gezogen, um ihnen bestimmte, in den fünfziger und sechziger Jahren erkämpfte Rechte wieder streitig zu machen. 1994 forderten der Politologe Charles Murray und der (mittlerweile verstorbene) Harvard-Psychologe Richard Herrnstein in ihrem Bestseller „The Bell Curve“, Sozialhilfezahlungen an ledige Mütter einzustellen. Außerdem empfahlen sie, die „Affirmative Action“ abzuschaffen, eine Quotenregelung, die vor allem den bislang unterrepräsentierten Schwarzen den Zugang zu Universitäten erleichtern und ihnen zu Jobs verhelfen soll. Begründung: Der durchschnittliche Intelligenz-Quotient (IQ) der Schwarzen liege 15 Punkte unter dem der Weißen - und das sei weithin genetisch bedingt. Levin, Murray und Herrnstein stehen mit ihrer Meinung nicht allein. In ihrem Fahrwasser agiert eine medienbewußte Gruppe von Forschern, die sich gern wechselseitig zitieren - und allesamt (wie Levin auch) vom Pioneer Fund unterstützt werden, einer 1937 von dem Nazi-Sympathisanten Wickliffe Draper gegründeten Stiftung. Deren Programm fördert laut Satzung „Rassenverbesserung, speziell in den USA.“ Mit Zuschüssen in Höhe von mindestens 125.000 Dollar ist Michael Levin ein eher kleiner Fisch. Das City College wollte ihn nach den eingangs geschilderten Vorfällen entlassen. Doch der Philosoph zog vor Gericht, berief sich auf die Freiheit der Wissenschaft - und gewann. In Turnschuhen und abgetragenem Hemd sitzt der 53jährige in seinem winzigen Büro. Seit seine beiden Söhne auf eine teure Privatschule gehen, reicht es für ihn kaum zum Nötigsten: „New Yorks Eliteschulen erhalten nicht annähernd soviel Geld wie die Schulen für schwarze Kinder, die kaum buchstabieren können“, klagt er. „Ein Irrsinn.“ Nun will Levin „mehr Gerechtigkeit“: „Mit welchem Recht soll jemand, der für seinen Lebensunterhalt und seine Familie hart arbeitet, gezwungen werden, andere zu unterstützen - am Ende noch die unehelichen Kinder irgendwelcher Leute? Das ist moralisch falsch. Wir dürfen den Schwarzen keine Sozialhilfe mehr zahlen.“ Levin und seinen Mitstreitern geht es um mehr als nur um Geld. Hinter der Forderung „Stop welfare“ verbirgt sich der Wunsch nach einer neuen ®Eugenik. Amerikas Gen-Pool soll vom Erbmaterial der Schwarzen, Armen und Kriminellen „gesäubert“ werden. Wie weit dieser Trend bereits geht, belegen kürzlich in Florida und Tennessee eingebrachte Gesetzentwürfe: Empfängerinnen von Sozialhilfe, die sich ein Langzeit-Verhütungsmittel einpflanzen lassen, sollen mit Sonderzahlungen belohnt werden. Männer, deren Einkommen an der Armutsgrenze liegt, sollen 500 Dollar erhalten, wenn sie sich sterilisieren lassen. In Colorado winkt Strafgefangenen, laut Gesetzentwurf, nach erfolgter Sterilisation vorzeitige Haftentlassung. Seit die Republikaner bei den Kongreßwahlen im November 1994 die Mehrheit im Abgeordnetenhaus und im Senat gewonnen haben, herrscht in Washington die „konservative Revolution“. Über hundert Sozialprogramme sollen gekürzt oder gestrichen werden, um das riesige Haushaltsdefizit bis zum Jahr 2002 auszugleichen. Im September 1995 beschloß der damals von Bob Dole, dem Präsidentschaftsbewerber der Republikaner, geführte Senat, den automatischen Rechtsanspruch Bedürftiger auf Sozialhilfe abzuschaffen. Dies trifft vor allem Millionen ledige Mütter, von denen über die Hälfte Schwarze oder Latinas sind. Was soll aus ihnen und ihren Kindern werden? „Es ist doch nicht unsere Schuld“, meint Levin, „wenn deren Kinder verhungern. Sollen doch die Väter die Kinder unterstützen. Ich bin nicht dafür verantwortlich. Ich habe die Mütter weder geschwängert noch zum Sex gezwungen.“ Leistungsschwäche und niedrige Intelligenz von Schwarzen seien nicht das Erbe von Sklaverei und Mißhandlung. „Es liegt an den Genen“, doziert der Philosoph, der gleichzeitig zugibt, seine genetischen Kenntnisse in einer Anfängervorlesung erworben zu haben. Seine Maxime: „Stop the guilt flow!“ - Schluß mit dem Geldfluß aufgrund von Schuldgefühlen. Der Soziologe Robert Gordon von der Johns Hopkins University in Baltimore - mit mindestens 214.000 Dollar vom Pioneer Fund gesponsert - denkt schon einen Schritt weiter: „Die abrupte Einstellung der Sozialhilfezahlungen könnte eine Welle unerwünschten Mitgefühls auslösen. Wenn die Schwarzen und ihre Kinder verhungerten, würden politische Kräfte in den USA, insbesondere die Medien, dieses Elend ausschlachten. Wir würden es jeden Abend im Fernsehen serviert bekommen, wie damals den Vietnamkrieg.“ Deshalb setzt Gordon auf forcierte Empfängnisverhütung: auf „Norplant“ - eine in den Oberarm von Frauen implantierte Kapsel mit einem fünf Jahre lang wirkenden Kontrazeptivum. Tests in der Dritten Welt attestieren dem Präparat schwere Nebenwirkungen: Bei einigen Probandinnen blieb jahrelang die Regel aus, manche versuchten gar verzweifelt, sich die Kapsel herauszuschneiden. Gordon jedoch meint: „Die Behandlung wäre natürlich freiwillig.“ Und die Wirkung phänomenal. Anders als Levin, der kein Blatt vor den Mund nimmt, begegnet mir Gordon mit einer Mischung aus Mißtrauen und Neugier. Der korpulente 62jährige Professor hat mit der Presse schlechte Erfahrungen gemacht. Journalisten hätten ihn belogen und vorgeführt. „Sie kommen meist von Universitäten, den Bastionen der ‚political correctness‘, des politischen Wohlverhaltens, und maßen sich an, für die Allgemeinheit zu sprechen.“ Aber die von ihnen verbreitete Leitmeinung sei nicht repräsentativ. Der Sozialhilfe-Stopp, prophezeit er, „löst vielleicht einen sozialen Kollaps aus, womöglich gehen die Rassen auseinander, wie sich in Israel die Juden und die Araber getrennt haben. Am Ende könnten sich die USA in zwei Nationen aufspalten, und in der einen würden nur noch Schwarze leben. Die müßten dann mit ihrer hohen Geburtenrate allein fertig werden“. Gordon war es auch, der 1986 auf die Idee kam, den Sozialhilfe-Gegner Charles Murray mit dem IQ-Spezialisten Richard Herrnstein zusammenzubringen. Insofern darf er sich als geistiger Großvater der „Bell Curve“ rühmen. Dieses 845-Seiten-Opus, die Bibel der akademischen Ethno-Rechten, ist maßgeschneidert für den „kleinen Rassisten von nebenan“. Schon der Titel - auf Deutsch „Glockenkurve“ -, eine Graphik, die für die bei IQ-Tests typische „Gaußsche Normalverteilung“ der Ergebnisse steht, läßt ahnen: Hier soll mit Wissenschaftlichkeit Eindruck gemacht werden. Über hundert Diagramme und Tabellen, sieben Anhänge und über tausend Anmerkungen können aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß das Werk wenig Neues und noch weniger Richtiges enthält. Das Hauptargument, daß Schwarze bei IQ-Tests im Schnitt um 15 Punkte schlechter abschneiden als Weiße, ist seit 1918 bekannt, als die U.S. Army erstmals den IQ von Rekruten testete. Noch älter ist die Behauptung, die Intelligenz-Defizite seien vor allem erblich bedingt. Doch Tatsache ist, daß bis heute kein Genetiker Gene für Intelligenz gefunden hat. Es sind in der Regel Psychologen, die mit - methodisch umstrittenen - Zwillingsstudien eine Vererbungsdeterminanz nachzuweisen versuchen: Im Mittel liegt ihre Erblichkeitsschätzung bei knapp 50 Prozent. Dieser Schätzwert bezieht sich freilich nur auf den gemessenen IQ, das heißt, er beruht auf einer Meßgröße, die selbst höchst umstritten ist. Murrays und Herrnsteins Kronzeuge in der „Bell Curve“, der kalifornische Psychologe Arthur Jensen, baut seine Behauptung, Intelligenz sei zu 80 Prozent erblich, ebenfalls auf den Ergebnissen von Zwillingsstudien auf - nicht zuletzt auf die des englischen Psychologen Cyril Burt, dessen Studien 1974 vom amerikanischen Psychologen Leon Kamin als Fälschung entlarvt wurden - einer der größten Wissenschaftsskandale des 20. Jahrhunderts. Zudem hat Jensen - vom Pioneer Fund mit mindestens 1,1 Millionen Dollar gefördert - selber massiv Formeln und Fakten verfälscht, wie der US-Genetiker Jerry Hirsch nachgewiesen hat. Und Jensen war es auch, der 1969 forderte, den Schwarzen aufgrund ihrer IQ-Defizite die Sozialhilfe zu streichen und die „Affirmative Action“ abzuschaffen. Mit über 400.000 verkauften Exemplaren traf die „Bell Curve“ offensichtlich den Nerv des Durchschnittsamerikaners. Murray - Forscher am einflußreichen American Enterprise Institute - hat sein populistisches Erfolgsrezept unfreiwillig in einem Brief an einen potentiellen Verleger verraten: „Es gibt eine große Zahl wohlmeinender Weißer, die Angst haben, heimliche Rassisten zu sein. Dieses Buch wird ihnen klarmachen, daß sie es nicht sind.“ Anfangs widmen sich die Autoren nur der „weißen“ Glockenkurve. An deren rechtem Rand residiere die mit hohem IQ beglückte „kognitive Elite“, „die Sahne Amerikas“. Am linken versinke die geistig minderbemittelte weiße Unterschicht - „white trash“, („weißer Abfall“), wie Murray sie im „Wall Street Journal“ genannt hat - in Armut, Drogensucht und Kriminalität. Wo einer schließlich lande, bestimme im wesentlichen der IQ. Als Beweis liefern die Autoren Daten aus einer 1979 begonnenen Langzeituntersuchung an über 12.000 US-Teenagern. Diese Untersuchung schließt auch einen IQ-Test ein und erfaßt neben Sozialstatus und ethnischer Zugehörigkeit auch „soziales Wohlverhalten“ - etwa Straftaten oder Zahl der unehelichen Kinder. Virtuos mit diesen Zahlen jonglierend, liefern die Autoren ein Paradebeispiel dafür, wie Statistik lügen kann. Denn sie verschweigen die Schwäche ihrer angeblich „signifikanten“ Korrelationen. Tatsächlich gibt es im Mittel ihrer über 60 Teilstudien nur bei mageren acht Prozent der Untersuchten den behaupteten Zusammenhang zwischen IQ und „sozialem Wohlverhalten“. Erst in der zweiten Buchhälfte wenden sich Murray und Herrnstein den Schwarzen zu, die wegen ihres angeblich niedrigen Durchschnitts-IQ „verdientermaßen“ ganz unten stehen und besonders häufig soziale Probleme bereiten. Doch schon Murrays und Herrnsteins Voraussetzung, IQ-Testen sei eine objektive Wissenschaft, ist generell anzuzweifeln. Denn gleiche Probanden schneiden bei unterschiedlichen Tests unterschiedlich gut ab. Der an der amerikanischen Purdue University lehrende Statistiker Peter Schönemann fand sogar, daß schon „bei einem einzigen Datensatz, je nach Art der Auswertung, der ermittelte IQ um bis zu 30 Punkte variieren kann“. Nicht von der Hand zu weisen ist aber, daß Schwarze bei gleichen Tests meist weniger Punkte als Weiße erzielen. Als Ursachen galten bislang die oft miserablen Schulen in den Gettos sowie teilweise die Testfragen selbst, die durchweg auf das Wissen der weißen Bildungselite zugeschnitten sind. Inzwischen fand der schwarze Psychologe Claude Steele von der Stanford University einen weiteren Grund heraus: Schwarze geben sich bei Eignungstests besonders viel Mühe, um das „negative Stereotyp“ ihrer Gruppe nicht zu bestätigen. Dies schaffe einen psychischen Druck, der negativ auf die Ergebnisse durchschlage. Zahlreiche Versuche haben diese These bestätigt: Steele legte einer Gruppe schwarzer und weißer Studenten einen Test vor und gab an, damit sollten allgemeine psychologische Faktoren bei der Lösung verbaler Probleme untersucht werden. Beide Gruppen erreichten fast identische Punktzahlen. Als er den Test mit zwei weiteren Gruppen wiederholte, diesmal aber erklärte, es gehe darum, die individuellen sprachlichen Fähigkeiten der Testperson auszuloten, versagten die Schwarzen, während die Weißen fast gleich gut abschnitten. Die Weißen aber versagten ihrerseits bei einem Mathematiktest, als Steele ihnen weismachte, Asiaten würden die Aufgaben gewöhnlich besser lösen. Das gewichtigste Argument gegen die Objektivität von IQ-Tests liefert der neuseeländische Psychologe James R. Flynn. Er hat entdeckt, daß der Durchschnitts-IQ in 14 Industrienationen seit Beginn der Tests kontinuierlich bessere Resultate ergeben hat, im Mittel drei IQ-Punkte mehr pro Jahrzehnt. So schnell können Gene sich nicht ändern. Von welch großem Einfluß Umweltbedingungen sind, zeigt ein Experiment in New York: Schüler der „Hostos-Lincoln Academy“ in der bettelarmen und von hoher Kriminalität geplagten South Bronx beginnen ihre High-School-Jahre unter denkbar schlechten Voraussetzungen. Sie stammen durchweg aus zerrütteten Familien - viele leben mit drogensüchtigen oder aidskranken Müttern - und müssen normale Schulen nach der achten Klasse meist wegen schwacher Leistungen verlassen. An der „Academy“ aber fördern Lehrer solche vermeintlichen „drop-outs“ - durchweg Schwarze und Latinos - in kleinen Klassen mittels anspruchsvoller Lehrpläne und geben ihnen nachmittags bei Problemen einzeln Nachhilfe-Unterricht. „Vielen ersetzt die Schule ihr kaputtes Zuhause“, sagt Direktor Michele Cataldi, der die Academy vor zehn Jahren gegründet hat. Die Frucht der Mühen: 1993 haben knapp 70 Prozent die Ausbildung abgeschlossen und sich für ein College-Studium qualifiziert - rund doppelt so viele wie der Durchschnitt an normalen staatlichen Schulen New Yorks, weiße Bezirke inbegriffen. Cataldis Erfolg in der Bronx ist keine Ausnahme. Eine Vergleichsstudie an 820 amerikanischen High-Schools ergab, daß Zehntkläßler, die nach den Prinzipien der Hostos-Lincoln Academy gefördert worden waren, in Mathematik um 30 Prozent und im Lesen um 24 Prozent bessere Durchschnitts-Noten erreichten. Trotzdem behaupten die Bell-Curve-Autoren, solche Projekte hätten kaum etwas gebracht. Sie ignorieren die tatsächlichen Verhältnisse ähnlich konsequent wie ihr zweiter Kronzeuge, der Ire Richard Lynn. Der wertete elf in Schwarzafrika durchgeführte IQ-Tests neu aus und kam auf einen Durchschnitts-IQ von 70. Demnach wäre jeder zweite Afrikaner schwachsinnig. Den Umstand, daß der Leiter des angeblich besten der IQ-Tests die Schwarzen mit Gesten anweisen mußte, weil er deren Sprache nicht beherrschte, nahm Lynn einfach nicht zur Kenntnis. Der seltsamste Bell-Curve-Gewährsmann ist freilich J. Philippe Rushton von der kanadischen University of Western Ontario, vom Pioneer Fund mit mindestens 770.000 Dollar bedacht. In seinen zahlreichen Publikationen vertritt der Psychologe die These, die Menschheit bestehe aus drei Grundrassen - Schwarzen, Weißen und Asiaten -, deren Durchschnitts-IQ in dieser Reihenfolge zunehme; wobei Schwarze nicht nur besonders dumm, aggressiv und kriminell seien, sondern auch am meisten auf Sex aus. Rushton begründet die angebliche Sexversessenheit der Schwarzen mit deren Fortpflanzungsstrategie: Im heißen Klima Afrikas würden sie Massen von Nachwuchs in die Welt setzen, von denen ein Großteil sterbe. „Ihnen geht es mehr um Geschlechtsverkehr als um Aufzucht.“ Weiße und Asiaten hingegen müßten sich im widrigen nordischen Klima auf wenige Kinder beschränken und versuchen, diese mit großer Fürsorge und weitreichender Vorausplanung durch die kalten Winter zu bringen. Rushton nennt dies: evolutionären Druck zu höherer Intelligenz. „Deshalb haben Schwarze auch die kleinsten Hirne und die größten Penisse. In meinem neuen Buch gibt es sogar eine Penis-Glockenkurve.“ Die Theorie unterschiedlicher Reproduktions-Strategien, auf die sich Rushton bezieht, haben Biologen bereits in den sechziger Jahren formuliert. Sie erlaubt jedoch ausschließlich den Vergleich von Tierarten. „Auf den Menschen ist sie absolut nicht übertragbar“, betont der Stanford-Biologe Mark Feldman. Doch Rushton sucht weiter nach Belegen. In Einkaufszentren befragte er Weiße, Asiaten und Schwarze nach deren Sex-Gewohnheiten. Daten des Kinsey-Reports aus den vierziger Jahren sollten seine Theorien über Penisgrößen belegen. Anhand der Helmgrößen von 6325 US-Rekruten berechnete er darüber hinaus deren Gehirnvolumen und kam auf durchschnittlich 1.359, 1.380 und 1.416 Kubikzentimeter bei Schwarzen, Weißen und Asiaten - ein scheinbarer Beweis seiner Thesen. Aber, wende ich ein, haben Frauen nicht bei gleicher Intelligenz ein im Schnitt um 100 Kubikzentimeter kleineres Gehirn? „Wahrscheinlich sind bei ihnen die Neuronen dichter gepackt“, entgegnet Rushton, ohne mit der Wimper zu zucken. Trotz seiner krausen Theorien avancierte Rushton zum „Fellow“ der renommierten John Simon Guggenheim Foundation sowie der Psychological Associations in Kanada, England und den USA. Die Genetiker selbst begegnen dem Thema Intelligenz, Rasse und Vererbung mit großer Vorsicht. „Es gibt keine biologisch-genetischen Gründe für die Annahme, daß sich Menschen schwarzer und weißer Hautfarbe in ihrem intellektuellen Vermögen von vornherein unterscheiden“, sagt Eberhard Passarge, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Humangenetik. Statt mit der Suche nach „Intelligenz-Genen“ beschäftigen sich Genetiker lieber mit dringlicher zu erforschenden Merkmalen wie erblichen Krankheiten. Einigermaßen klar sehen sie nur bei Malaisen, die durch ein einziges defektes Gen - das menschliche Erbgut enthält rund 100.000 - hervorgerufen werden. Solche „monogenen“ Krankheiten wie Chorea-Huntington, Sichelzell-Anämie oder Zystische Fibrose folgen gleichsam den Gesetzen der Computerlogik: Die Kinder betroffener Eltern erben die Defekte meist ganz oder nicht. Bei den häufigeren „polygenen“ oder „komplexen“ Erbkrankheiten - ausgelöst durch mehrere bis viele Gene - sind indes die Symptome weit weniger vorhersehbar. Und da Gene und Umwelt in komplizierter Weise wechselwirken, ist es „sehr schwierig, im Extremfall unmöglich, den relativen Beitrag von Erbe und Umwelt zu bestimmen“, sagt der Bonner Humangenetiker Peter Propping, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Neurogenetik. „Vieles bleibt zufällig, etwa die Lage eines Kindes im Uterus.“ Zu diesen komplexen Anlagen - „genetische Prädispositionen“ genannt - zählt vermutlich auch die Intelligenz. Prozentangaben über den Anteil, den Erbe und Milieu an ihr haben, sind reine Spekulation. Das werden sie selbst dann bleiben, wenn tatsächlich Intelligenz-Gene gefunden werden sollten. Propping: „Sogar bei manchen monogenen Erbkrankheiten, deren Gen man bereits kennt, wurden in jüngster Zeit überraschende Variationen in der Schwere der Krankheit beobachtet. Die Genträger zeigten höchst unterschiedliche Symptome. Die Gründe verstehen wir noch nicht genau.“ Doch mit derart subtilen Unterscheidungen halten sich Rassisten und Vererbungsapostel nicht auf. Kühn werfen sie Ein-Gen- und Mehr-Gen-Anlagen in einen Topf. Und bisweilen neigen selbst Genetiker zu voreiligen Schlüssen. In den letzten Jahren sorgten sie mit Meldungen über ein Alkoholismus- oder Homosexualitäts-Gen für Furore. Andere wollten Gene für Untreue und Alzheimer, Herzinfarkt, Schizophrenie oder manische Depression gefunden haben und eroberten damit die Titelseiten großer US-Magazine. Doch Kontroll-Teams konnten die Ergebnisse, meist an zu wenigen Personen ermittelt und im harten Wettbewerb allzuschnell veröffentlicht, nicht bestätigen. So mußten jene „Forscher“ ihre Arbeiten schließlich zurückziehen. Für die Medien sind diese Widerlegungen aber kein Thema mehr. Sie hatten ihre Sensation und waren‘s zufrieden. So konnte die Vorstellung von allumfassender Prägung des Menschen durch Vererbung ungetrübt im öffentlichen Bewußtsein überleben. Besonders problematisch sind genetische Vergleiche zwischen Bevölkerungsgruppen. Denn als Anthropologen im 18. Jahrhundert die Menschen in Rassen aufteilten, orientierten sie sich an Merkmalen wie Hautfarbe und Körperbau. Die allerdings decken sich nicht mit modernen genetischen Kriterien: Ein Team um den Genetiker Luigi Luca Cavalli-Sforza von der kalifornischen Stanford University hat in 14jähriger Kleinarbeit die wissenschaftliche Literatur über Blutanalysen an weltweit 3.400 Orten ausgewertet und die globalen „Verwandtschaftsbeziehungen“ der Bevölkerungen rekonstruiert - anhand einer Vielzahl unterschiedlicher Marker wie Blutgruppe, Antikörper und Antigene. Damit nicht Migrationen in jüngerer Zeit das Bild verfälschten, wurden ausschließlich Daten indigener Bevölkerungsgruppen berücksichtigt, die bereits vor 500 Jahren an ihrem gegenwärtigen Aufenthaltsort ansässig waren. 1994 legten die Forscher den ersten „genetischen Weltatlas“ vor. Die größten Gen-Unterschiede fanden sie zwischen Schwarzafrikanern und australischen Aborigines, die wegen ihrer dunklen Hautfarbe bislang als verwandte Rassen gegolten haben. Dennoch, resümiert Cavalli-Sforza, sind Bevölkerungsgruppen genetisch im Schnitt „viel ähnlicher als zwei Individuen, auch innerhalb einer Gruppe“. Zwei beliebige, nicht miteinander verwandte Menschen unterscheiden sich in etwa zwei von tausend Genen; und nur sechs Prozent dieser „Varianz“ sind rassisch bedingt. Deshalb kann für einen Empfänger von Transplantations-Organen ein Organspender anderer Hautfarbe besser geeignet sein als einer der eigenen. Wer die Menschheit nach einzelnen genetischen Merkmalen in Rassen aufteilen wollte, verwickelte sich leicht in Widersprüche: Das Gen für Sichelzell-Anämie etwa teilen sich Schwarze aus den Tropengebieten Afrikas mit Südindern. Deutsche und die pechschwarzen südafrikanischen Xhosa haben es nicht. Das der Verdauung von Milchzucker dienende Enzym Lactase findet sich unter Erwachsenen nur in Bevölkerungen, die schon seit Jahrtausenden Tiermilch trinken: bei den meisten Europäern, Arabern und Nordindern; viel seltener haben es Schwarzafrikaner, Südinder, Ostasiaten und Indianer. Differenziert man nach der Form der Fingerabdrücke, gehörten die meisten Europäer und Schwarzafrikaner in eine Rasse. Ebenso „unscharf“ ist das klassische Kriterium Hautfarbe: Alle Menschen auf der Welt - Weiße inbegriffen - haben im Prinzip ausreichend Pigmente, um die Haut völlig schwarz zu färben. Unterschiedlich ist im wesentlichen die genetisch gesteuerte Aktivierung des Enzyms Tyrosinase, das in einem komplizierten Prozeß diese Farbstoffe erzeugt. Albinos fehlt - wegen eines Erbdefekts - die Tyrosinase überhaupt. Sind sie deshalb eine eigene Rasse? Cavalli-Sforza ist überzeugt: „Hautfarbe reicht nicht tiefer als die Haut selbst.“ http://paedpsych.jk.uni-linz.ac.at:4711/LEHRTEXTE/IntelligenzRasse.html Rattenlinie Als „Rat Line“, zu deutsch „Rattenlinie“, bezeichneten die amerikanischen Alliierten den Fluchtweg vieler führender Nationalsozialisten und SS-Leute, der sie meist über Südtirol nach Rom und von dort aus vor allem in südamerikanische, aber auch arabische Staaten führte. Der Fluchtweg war schon früh vom amerikanischen Geheimdienst CIC (Army Counter-Intelligence Corps) entdeckt worden. Später nutzte der CIC die Fluchtroute für eigene Zwecke. Eine der zentralen Figuren ist der Rektor des Priesterkollegs „Collegio Teutonico“, Alois Hudal. 1933 war Hudal von Staatssekretär Eugenio Kardinal Pacelli, dem späteren Papst Pius XII., zum Bischof geweiht worden. Hudal besorgte den flüchtigen Nazis eine „Ausweiskarte“ („Carta di riconoscimento“), die das „Österreichische Bureau“, ein Pseudo-Konsulat, ausstellt. Zusätzlich wird eine quasi päpstliche Passhilfe installiert: päpstliche Hilfsstellen bezeugen die Identität und besorgen die Visa, das italienische Rote Kreuz beschafft die Pässe. Die Nutznießer dieser Seilschaften sind z.B. der Architekt der Judenvernichtung, Adolf ®Eichmann (Tarnname „Ricardo Klement“), SS-Standartenführer Walter Rauff, der die Gaswagen bauen ließ, der Auschwitz-Arzt Josef ®Mengele, Franz Stangl, Kommandant der Vernichtungslager Sobibor und Treblinka sowie sein Vertreter Gustav Wagner. SS-Obersturmführer Friedrich Warzok, Leiter des Konzentrationslagers Lemberg-Janowka, flüchtete von Rom aus nach Kairo, ebenso Dr. Gerhard Bohne, Organisator der Nazi-Euthanasie. Hans-Ulrich Rudel, der höchstdekorierte Wehrmachtssoldat und Stuka-Flieger, schildert in seinem Buch „Viele Wege führen nach Rom“, wie er 1948 mit seinem Gruppenkommandanten Herbert Bauer, seinem Bordschützen Ernst Niermann, dem Technischen Offizier Katschner und dem „Geschwaderkameraden“ Zeltmann über die Alpen flüchtet und via Südtirol in Rom ankommt. Klaus Barbie, der SS-Hauptsturmführer aus Lyon, konnte mit Hilfe der „Rattenlinie“ 1951 nach Bolivien fliehen. Ein anderer prominenter Nazi-Täter kann über die „Rattenlinie“ nach Argentinien entkommen, nachdem er 1946 plötzlich spurlos aus dem Internierungslager in Rimini verschwunden war: SS-Offizier Erich ®Priebke, der 1994 schließlich durch ein US-amerikanisches Fernsehteam im südargentinischen Bariloche aufgespürt und an Italien ausgeliefert wird. Neben der „Creme“ des nationalsozialistischen Vernichtungsapparats erhielten auch viele kroatische Kollaborateure Unterstützung für die illegale Auswanderung auf der „Rattenlinie“ des Bischof Hudal (z.B. der Kommandant des Konzentrationslagers Jasenovic, Dinko Sakic), Soldaten der Wlassow-Armee und Mitglieder und Hilfswillige östlicher SS-Divisionen, darunter sehr viele Ukrainer, um die sich Pius XII persönlich bemüht. Auch der fanatische Mussolini-Anhänger und Nazi-Kollaborateur Lucio Gelli findet seinen Weg auf der „Rattenlinie“ nach Argentinien, wo er dem Diktator Juan Peron als Wirtschaftsberater dient, später nach Italien zurückkehrt und die Untergrundorganisation Propaganda Due (P2) aufbaut. Rudel wurde in Argentinien Militärberater. Peron empfing die europäischen Faschisten mit offenen Armen. Wie eine argentinische Historikerkommission 1998 feststellte, kamen 143 namhafte Nazis über die „Rattenlinie“ nach Argentinien. http://www.idgr.de/lexikon/stich/r/ratline/ratline.html Rechtsextremismus Entspringt der Rechtsextremismus in der „Mitte der Gesellschaft“? Vielen gilt diese These als Wahnidee von links. Doch die jüngste Studie über die „gesellschaftliche Akzeptanz von Rechtsextremismus und Gewalt“, geschrieben im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung, belegt diesen Befund. Es handelt sich um eine breit angelegte Repräsentativbefragung aus dem Münchner Institut polis, ergänzt um Gruppendiskussionen in Erfurt, Leipzig, Bochum und München. Sie untermauert die Annahme, dass in der Bundesrepublik nach wie vor eine stark autoritäre Mentalität zu Hause ist - im Osten und im Westen, in Unter-, Mittel- und Oberschichten. Dem Satz, dass „Recht und Ordnung in Deutschland in Gefahr sind“, stimmen im Osten 26 und im Westen 21 Prozent „voll und ganz zu“. Infolgedessen wird nach einer „starken Hand“ für Deutschland gerufen. Ein Fünftel fordert sie uneingeschränkt, weitere 44 Prozent (West: 39 Prozent) tendenziell. Eine Mehrheit der Deutschen glaubt, „nur einer, der durchgreift und eine starke Partei im Rücken hat, kann es schaffen, die gegenwärtigen Probleme in den Griff zu kriegen“. Diese autoritären Einstellungen werden überdurchschnittlich stark von Älteren, geringer Gebildeten mit eher niedrigem Haushalts-Nettoeinkommen sowie in Ostdeutschland vertreten. Auch hier gilt: Die Anhänger von SPD und CDU stimmen gleich häufig zu, die Grünen heben sich von solchen Denkmustern allerdings positiv ab. Unverändert wird der Anteil von Ausländern an der Gesamtbevölkerung dramatisch überschätzt. 10 Prozent glauben, er bewege sich zwischen 31 und 45 Prozent, 15 Prozent nehmen 21 bis 30 Prozent an, 36 Prozent schätzen, dass er zwischen 11 und 20 Prozent liege - in Wahrheit sind es bundesweit knapp 9 Prozent. 42 Prozent derjenigen, die mit dem politischen System unzufrieden sind, stimmen dem Urteil zu, dass „ausländische Männer deutsche Frauen und Mädchen anmachen, und zwar mehr als deutsche Männer“. 34 Prozent sagen, „die Ausländer nehmen uns die Arbeit und Wohnungen weg“. Immerhin 12 Prozent zeigen „Verständnis“ für Leute, die Gewalt gegen Ausländer verüben, und 15 Prozent finden „Aktionen gegen Ausländer in Ordnung, denn irgendwer muss doch was tun“. Zum Vergleich: 18 Prozent derjenigen, die mit dem politischen System zufrieden sind, und 27 Prozent der Unzufriedenen unterschreiben den Satz: „Ich kann verstehen, dass die Jugendlichen immer gewalttätiger werden - sie müssen sich wehren.“ „Ausländer provozieren durch ihr Verhalten selbst die Ausländerfeindlichkeit“: 48 Prozent der Zufriedenen, 54 Prozent der Unzufriedenen stimmen dem Satz zu. Und 32 Prozent (bei den Unzufriedenen gar 41 Prozent) erklären: „Deutsche Frauen sollten keine Ausländer heiraten.“ Feine, aber wichtige Unterschiede zwischen Ost und West zeigen sich, fragt man die Bürger nach Erklärungen für die steigende Gewalt gegen Fremde. In den alten Ländern, fanden die Forscher heraus, wird an der These gezweifelt, dass Ausländer den Deutschen die Arbeitsplätze wegnehmen, und hinzugefügt, „dass die gewalttätigen Jugendlichen dies aber glauben“. In den neuen Ländern seien die Menschen hingegen von einem Verdrängungswettbewerb auf dem Arbeitsmarkt im Großen und Ganzen überzeugt. In den alten Ländern wird der wachsende Fremdenhass darauf zurückgeführt, dass die Fähigkeit der Gesellschaft erschöpft sei, die Einwanderer zu integrieren. In Gegenden mit hohem Ausländeranteil wie dem Ruhrgebiet stört man sich an deren „aggressivem Auftreten“. Hier beschwere man sich zum Teil sehr emotional darüber, dass die „Ausländerfrage tabuisiert“ werde: „Ich war eigentlich immer ein Liberaler, aber man muss auch sehen, dass die permanente Tabuisierung der Ausländerfrage zu einer Aggressivität führt, die zwar nicht gewollt ist, die man aber auch verstehen muss“ (Angestellter, 35 Jahre). In den neuen Ländern diagnostizierten die Meinungsforscher eine „Urangst“ vor den Fremden. Dort sei man aus DDR-Zeiten den Umgang mit Ausländern nicht gewohnt, weil es sie kaum gab und sie völlig isoliert lebten. Fremde hätten heute die Funktion übernommen, die früher der Klassenfeind hatte: „Wenn du ein Feindbild gehabt hast, dann brauchst du einfach eines. Das ist in den DDR-Bürgern ganz fest und ganz tief drin. Das zieht sich durch sämtliche Altersgruppen und durch sämtliche soziale Schichten“ (Frührentner, 55 Jahre). Die Mehrzahl der Teilnehmer an den Gruppendiskussionen glaubt nicht an ein stringentes rechtsextremes Weltbild jugendlicher Gewalttäter. „Die haben so viel im Kopf wie auf dem Kopf“ (Lehrer, 32 Jahre). Einer weiteren Zuwanderung, so lautet in Ost und West das Fazit, stehen die Deutschen überwiegend ablehnend gegenüber. Der Tenor: Es reicht. Die Anzahl der Zuwanderer müsse gesteuert und begrenzt, eine gerechtere Verteilung auf Europa gewährleistet werden. Die Seelenlage der Deutschen, betrachtet durch das Okular der Demoskopen: Das allgemeine Lebensgefühl in Ost wie West mag sich angenähert haben. Das Wertgefüge deckt sich, glückliches Familienleben, Ehrlichkeit, Gerechtigkeit, Sicherheit (auch finanzielle) stehen obenan, nur „Freiheit“ und der „Glaube an Gott“ gelten im Westen spürbar mehr. Demgegenüber ist im Osten das Gefühl der Orientierungslosigkeit verbreiteter, das „Angstniveau“ liegt höher als im Westen. Die Grundhaltung bei fast der Hälfte: fatalistisch. Insgesamt ergibt sich das Bild einer Gesellschaft, die beunruhigt auf die Realitäten reagiert. Darin zeigt sich ein Versagen der Politik: Sie wagte sträflich lange nicht zu vermitteln, dass die Bundesrepublik ein Einwanderungsland ist - und mehr noch, dass sie Zuwanderung braucht. Was die latent autoritären Einstellungen angeht, ähneln die Ergebnisse erstaunlich denen der Sinus-Studie aus dem Frühjahr 1981, die lange vor der Wiedervereinigung im Auftrag des Kanzleramts „rechtsextreme politische Einstellungen“ erforschte. Das löste damals heftige Abwehrreaktionen aus: Das deutsche Volk werde beleidigt. 13 Prozent der Wahlbevölkerung, hatte das Sinus-Institut seinerzeit ermittelt, hätten ein „ideologisch geschlossenes rechtsextremes Weltbild“. Noch heftiger wurde der andere Befund befehdet: Das autoritär gestimmte Potenzial belaufe sich auf 37 Prozent. Und: Über alle Parteien sei es ziemlich gleichmäßig verteilt. Das verstieß gegen die vorherrschende Meinung, im Unterschied zum Linksextremismus sei der Rechtsextremismus ein Randproblem. Nein, es gebe sie immer noch, und noch immer sei sie weit verbreitet, die „autoritäre Persönlichkeit“, von der Theodor W. Adorno in seiner legendären Untersuchung Anfang der vierziger Jahre gesprochen hatte: So lautete damals die alarmierende und verstörende Diagnose der deutschen Seelenlage. Sie verstört heute vermutlich kaum weniger. Rechtsextremismus ist bei denen, die sozial schlechter gestellt sind, besonders verbreitet, aber er ist beileibe kein reines Unterschichtenphänomen. Und erst recht sind die autoritären Einstellungen dahinter ein Problem der bürgerlichen Mitte geblieben, die sich bereitwillig zur staatlichen Protestkundgebung gegen den Rechtsextremismus versammelt, die NPD verbieten möchte, mit dem Finger auf ein paar Außenseiter am Rande zeigt und guten Gewissens unverändert die Reflexion über ihre eigenen Widersprüche, Ängste und Ressentiments abwehrt. Hat Kurt Biedenkopf nicht soeben die These stark gemacht, der „Fall Sebnitz“ belege, wie eine „neue Mauer“ zwischen Ost und West entstehe, wenn Medien und Politik fahrlässig mit Mutmaßungen über den Osten umgingen? In seinem Sachsen jedenfalls gebe es diesen Hass, solche Auswüchse, Morde an Fremden nicht. Biedenkopf irrt. Ein differenziertes Bild der Mentalität in der „Mitte“ offenbart anderes und hat sich mit dem Verweis auf „Sebnitz“ auch nicht erledigt: „Das wird von einer Generation an die nächste weitergegeben. Viele denken so“ (Angestellte, 34 Jahre); „diese national befreiten Zonen können ja nur stattfinden, weil alle so denken“ (Kindergärtnerin/Ost). Gunter Hofmann, DIE ZEIT 52/2000 http://www.zeit.de/2000/52/Politik/200052_fes-studie.html Milgram-Experiment (Versuch über den Gehorsam) Ein landläufiges Vorurteil besagt, daß alle Menschen potentielle Mörder seien. An der Universität von New York wurde zu Beginn der 60er Jahre ein Experiment durchgeführt, das die Beziehung zwischen Autorität, Gehorsam und Aggression klären sollte. Dieses „Milgram Experiment“ benannt nach seinem Erfinder Professor Stanley Milgram brachte ganz normale Menschen in die Situation von Folterern. Der Versuch lief so ab: Die Versuchsperson wurde aufgefordert, den Lernprozeß eines anderen Menschen zu fördern, indem sie mit Hilfe einer Taste immer dann Stromstöße auslöst, wenn der andere einen Fehler macht. Dabei werden die Stromstöße gesteigert, bis sie schließlich eine tödliche Stärke erreichen. Natürlich verletzten die Stromstöße nicht wirklich ihr Opfer, doch Schmerzensschreie vom Tonband ließen das Experiment für die Versuchspersonen ganz real erscheinen. Das bedeutet: Die Testpersonen mußten glauben, daß sie anderen Menschen Schmerzen bereiteten oder sie sogar töteten. Zu Beginn wurden sie über die Wichtigkeit des Versuchs für die Wissenschaft informiert. Während des Experiments war meist ein Wissenschaftler anwesend, der die Versuchspersonen dazu ermutigte oder drängte, den Stromstoß auszulösen. Man möchte sich wünschen, daß Menschen bereits die Teilnahme an diesem Experiment verweigern würden. Einige taten das auch, doch es fanden sich trotzdem genügend Testpersonen. Man möchte sich auch wünschen, daß die Teilnehmer nun wenigstens irgendwann den Druck auf die Taste verweigert hätten. Doch das Ergebnis war niederschmetternd: In den USA ließen sich 48 bis 65 Prozent der Versuchspersonen bis zum tödlichen Stromstoß bringen. Als im Jahre 1971 in der Bundesrepublik der Versuch wiederholt wurde, waren es sogar 86 Prozent. Doch es gibt wenigstens ein ermutigendes zweites Ergebnis. Wenn keine Autoritätsperson, also kein Wissenschaftler anwesend war, sank die Zahl derer, die bereit waren den Todesstoß auszulösen auf drei Prozent. Wirklich ermutigend aber ist auch dieses Ergebnis nicht, denn es zeigt, daß die Bereitschaft zu unbedingtem Gehorsam tief in der Mehrzahl der Menschen verwurzelt ist. Quelle: TB ‚Hass macht die Erde kalt‘ Humanistische Union Reichsberufswettkampf Eine 1933 von Artur Atzmann, Leiter des Sozialen Amtes in der Reichsjugendführung, vorgeschlagene und gemeinsam mit der DAF jeweils im Frühjahr durchgeführte Maßnahme zur beruflichen Aktivierung der Jugend und zur Kontrolle der Berufsbildung. 1938 und 39 sowie am Kriegsberufwettkampf 1944 nahmen auch junge Erwachsene teil. Der Leistungsvergleich umfasste einen besonders hoch bewerteten praktischen, einen berufstheoretischen und einen politischen („weltanschaulichen“) Teil, sowie einen hauswirtschaftlichen für Mädchen. 1938 gab es 2,2 Millionen Teilnehmer und außerdem mehr als eine halbe Millionen Mitarbeiter, die alles auf den entsprechenden Ausscheidungsebenen (Ort, Gau, Reich) organisierten. Reichsbürgergesetz Das Reichsbürgergesetz war eines der Nürnberger Gesetze und wurde am 15.9.1935 erlassen. Es erniedrigte die Juden zu Menschen zweiter Klasse und nahm ihnen die staatsbürger lichen Rechte: Jüdische Bürger durften kein öffentliches Amt mehr bekleiden, jüdische Beamte mußten in den Ruhestand treten, ein Stimmrecht in politischen Angelegenheiten stand Juden nicht mehr zu. In der Verordnung wurde bestimmt wer als Jude (mind. drei volljüdische Großeltern) oder jüdischer Mischling (ein oder zwei volljüdische Großeltern) zu gelten hat. ®Blutschutzgesetz, ®Halbjuden, ®Judenverfolgung, ®Endlösung http://www.shoa.de/nuernberger_rassengesetze.html Reichskommissariat für die Festigung des deutschen Volkstums (RKFDV) Zentrale Umsiedlungs- und Rassenplanungsbehörde des Deutschen Reiches, die von Heinrich ®Himmler geleitet wurde. Das RKFDV organisierte die Umsiedlung der Volksdeutschen in vom Reich annektierte polnische Gebiete. Wohnungen und Arbeit wurden bereitgestellt, indem man ®Juden und Polen aus den einverleibten Gebieten vertrieb. Das RKFDV war für das Programm Generalplan Ost verantwortlich und plante den Rüstungs- und Vernichtungskomplex Auschwitz. Das RKFDV war auch an der Planung der ®Endlösung beteiligt und über die ®Deportationsprogramme informiert. http://shoanet.hbi-stuttgart.de/glossar/R.htm#Reichskommissariat%20fuer%20die%20Festigung%20des%20deutschen Reichskristallnacht ®Reichspogromnacht Reichskulturkammergesetz Durch das am 22.9.1933 erlassene Reichskulturkammergesetz wurden „nichtarische“ Beschäftigte aus den Bereichen der Literatur, der Presse, des Rundfunks, des Theaters, der Musik und der bildenden Künste entfernt. http://shoanet.hbi-stuttgart.de/chronik/1933.htm Reichsparteitage der NSDAP Die Nürnberger „Reichsparteitage“ der NSDAP während des Dritten Reiches gehören zu den größten Veranstaltungen der Nazi-Diktatur überhaupt. Hier inszenierte sich die Nazibewegung und ihren Führer im September jeden Jahres in einem mehrtägigen Spektakel von pseudoreligiösen Inszenierungen und Aufmärschen. Zehn Parteitage veranstaltete die NSDAP zwischen 1923 und 1938. Vier in der Zeit der Weimarer Republik, sechs während des „Dritten Reiches“. Die Parteitage hatten keine programmatische Funktion. Sie dienten ausschließlich propagandistischen Zwecken (®Propaganda). „Die Parteitage der Nationalsozialisten sind deshalb keine Einrichtungen zu unfruchtbaren Diskussionen - wie bei anderen Parteien - , sondern allen verständliche Kundgebungen des Wollens und der Kraft dieser Idee und Organisation“ betonte ®Hitler. Sie sollten Anhängern, Parteiangehörigen und Sympathisanten die eigene Stärke demonstrieren und diese zugleich auf ihren „Führer“ einschwören. Den Teilnehmern selbst - es waren zuletzt über eine halbe Million Menschen und noch einmal dieselbe Anzahl von Besuchern - sollte ein intensives Gefühl der Gemeinschaft vermittelt werden. Das jeweilige Motto, unter das die Parteitage im „Dritten Reich“ gestellt wurden, unterstreicht die propagandistische Bedeutung: 1933: Parteitag des Sieges 1934: Parteitag der Einheit und Stärke 1935: Parteitag der Freiheit 1936: Parteitag der Ehre 1937: Parteitag der Arbeit 1938: Parteitag Großdeutschlands Der letzte geplante Parteitag, für den bereits auf Plakaten im ganzen Reich geworben wurde, sollte „Parteitag des Friedens“ heißen und war für Anfang September geplant. Dieser Parteitag wurde wenige Tage vor Beginn abgesagt: Hitlers Wehrmacht hatte am 1. September 1939 Polen überfallen und damit die Welt in den Zweiten ®Weltkrieg gestürzt. Schon in der Weimarer Zeit, besonders aber nach der ®Machtergreifung war Ablauf und Organisation auf den „Führer“ zugeschnitten, auf den stellvertretend durch die Parteitagsteilnehmer das ganze Volk in bedingungslosem Gehorsam eingeschworen werden sollte. ... Es gibt einen „Tag der Hitlerjugend“, einen „Tag der Sturmabteilungen“ (SA, SS) und einen „Tag der Wehrmacht“. Im Zentrum dieser Tage stehen jeweils große Aufmärsche der entsprechenden Formationen, in denen sich das Regime massenwirksam selbst darstellt. Höhepunkte sind dabei häufig nächtliche Märsche und Fackelzüge. Albert Speer inszenierte einen „Lichtdom“, bei dem das Aufmarschgelände Zeppelinfeld durch rundum postierte Flakscheinwerfer, deren Licht an den Himmel strahlte, von gewaltigen Lichtsäulen förmlich eingerahmt wurde. Auf diese Weise wurde das Gemeinschaftsgefühl beschworen. Begleitet wurde das Programm von verschiedenen Parteikongressen und Veranstaltungen bis hin zu „nationalsozialistischen Kampfspielen“. Eine besonders beliebte Disziplin: Handgranatenweitwurf. Immer wieder wußten die Nazis durch besondere Showelemente zu beeindrucken, so etwa durch einen Formationsflug von Militärmaschinen, die in Form eines riesigen Hakenkreuzes über die Parteitagsbesucher hinwegzogen. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten wird Nürnberg offiziell zur „Stadt der Reichsparteitage“. Hitler erklärt: „Ich habe mich entschlossen, daß unsere Parteitage jetzt und für immer in dieser Stadt stattfinden.“ Bereits der Parteitag 1933 kostete nach Schätzungen rund 1,8 Millionen Reichsmark, wovon die Stadt Nürnberg allein 1,5 Millionen beitragen muß. Die NSDAP beteiligt sich lediglich mit 200.000 Reichsmark. Bereits 1933 wird am Stadtrand Nürnbergs auf einem 16 Quadratkilometer großen Gelände mit der Errichtung von Parteitagsbauten begonnen. Auf der größten Baustelle Europas werden die Arbeiten erst nach Hitlers Überfall auf Polen eingestellt. Obgleich man nur ein Bruchteil der gigantomanischen Planungen realisieren konnte, sind die Überreste der einstigen noch heute Parteitagsarchitektur unübersehbar. Schon von weitem fällt die enorme, in weißen Kalkstein gehaltene 23 Meter hohe Zeppelintribüne auf, die die Kopfseite eines für 100.000 Personen konzipierten Aufmarschfeldes bildet. Durch 6,5 Meter hohe Zuschauerwälle und 34 Fahnenpostamente wurde das Feld eingegrenzt und sollte so schon optisch und architektonisch die versammelten Massen zu einer ihrem Führer ergebenen Einheit zwingen. Dieser betrat über einen den Versammelten verborgenen Aufgang die vorgelagerte Rednertribüne mehrere Meter über deren Köpfen. Überhöht wurde Hitler nur durch ein riesiges Hakenkreuz auf der Spitze der Tribüne, bei den so beliebten nächtlichen Aufzügen wirkungsvoll beleuchtet. Durchzogen wird das Parteitagsgelände von einer 60 Meter breiten Aufmarschstraße, die den Blick genau auf die Burg des mittelalterlichen Nürnberg freigeben sollte. Die Nazis wollten so die Kontinuität von der mittelalterlichen Stadt der „Reichstage“ zu den nationalsozialistischen Reichsparteitagen suggerieren. Tausende von Zwangsarbeitern aus den nahegelegenen Konzentrationslagern Hersbruck und Flossenbürg wurden für diesen Bau eingesetzt. Daß NS-Architektur Einschüchterungs- und Inszenierungsarchitekur war, spürt man auch bei einem weiteren, heute noch weitgehend erhaltenen Parteitagsbauwerk, der großen „Kongreßhalle“. Dem römischen Kolosseum nachgebildet, übertrifft sie dessen Größe aber um das anderthalbfache. Geplant war eine Überdachung aus Glas mit einer Spannweite von 160 Metern. Von einem weiteren Monumentalbauwerk ist nur eine riesige Baugrube geblieben die mit Wasser gefüllt heute einen See im Gelände bildet. Das „Deutsche Stadion“ sollte 400.000 Menschen aufnehmen können, die Fassade allein mehr als 100 Meter hoch sein. Tribünenanlagen für einen weiteren Aufmarschplatz sollten 80 Meter Höhe erreichen. Durch totale mediale Präsenz sollte das ganze deutsche Volk in das Parteitagsgeschehen eingebunden werden. Bereits im Vorfeld der Parteitage stimmte die NS-®Propaganda mit Plakaten und in zahlreichen Presseartikeln auf das Ereignis ein. Viele Zeitungen und Zeitschriften wurden verpflichtet, Sondernummern zu den Parteitagen zu bringen. Beim Parteitag selbst waren zu Spitzenzeiten rund 750 Pressejournalisten zugelassen, teilweise aus dem Ausland, die für eine schnelle Übermittlung der gewünschten Botschaften sorgten. Der Rundfunk, den ®Goebbels Propagandaministerium vollständig beherrschte, übertrug die wichtigsten Reden, produzierte Reportagen von den Aufmärschen und lieferte Hintergrundberichte. Via Kurzwelle versorgte man die Auslandsdeutschen in aller Welt mit Berichten von den Reichsparteitagen. Ausführliche Wochenschauberichte informierten ebenfalls über die Parteitage. Besonders viel versprachen sich die NS-Propagandisten von den Parteitagsfilmen - abendfüllende „Dokumentarfilme“ über die Parteitage. Bereits in der Weimarer Zeit war damit experimentiert worden. Nachdem bereits vom Parteitag 1933 die junge Regisseurin Leni ®Riefenstahl einen Film gedreht hatte, beauftragte Hitler sie, den offiziellen Parteitagsfilm zu drehen. Dieser lief Anfang 1935 unter dem Titel „Triumph des Willens“ überall in Deutschlands an. Mit einem Budget von 300.000 Reichsmark und einem Personal von 170 Personen wurde so in einer dramaturgisch gekonnten Weise Hitler messiasgleich inszeniert. Bereits die Eingangssequenz dieses Films zeigt Hitler in seinem Junkersflugzeug gottgleich durch die Wolken nach Nürnberg schweben. Die Aufführung des Filmes geriet ebenfalls zu einem Propagandaspektakel: Die Kinos ließ man mit Flaggen dekorieren, Sonderveranstaltungen und zahllose Vorankündigungen heizten die Spannung an. Und wenn, wie nicht selten, in Kinos die Zuschauer in Heilrufe ausbrachen oder das Horst-Wessel-Lied gemeinsam sangen, dann wurde das Gemeinschaftserlebnis des Parteitags noch einmal nachvollzogen und das ganze Volk zum Mitteilnehmer am Parteitag gemacht. Von der weitgehenden programmatischen Abstinenz der NS-Parteitage machte der Reichsparteitag von 1935 eine berüchtigte Ausnahme. Hier wurden das „Gesetz über das Reichsbürgerrecht“ und das „Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ - besser bekannt als ®“Nürnberger Rassegesetze“ - verkündet. Eheschließungen und außerehelicher Verkehr zwischen Juden und „Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes“ waren ab jetzt bei Androhung von Gefängnis- und Zuchthausstrafen verboten. Die Nürnberger Rassegesetze waren ein entscheidender Schritt zum endgültigen Ausschluß der jüdischen Menschen aus der ®“Volksgemeinschaft“ und damit auch zum Auftakt für die ®Pogromnacht 1938 und letztlich zum ®Holocaust. Auf dem Parteitag wurden die Gesetze überhaupt erst zusammengestellt - vor allem auch, um ein propagandistisch vermarktbares Thema zu finden: Derzeit entsteht in in der unvollendeten Kongreßhalle, die bislang nur als Lagerraum und für lokale Veranstaltungen genutzt wurde, für veranschlagte 18 Millionen DM ein Dokumentationszentrum zur NS-Geschichte und den Reichsparteitagen. November 2001 soll Eröffnung sein. Ausgerichtet auf das Informationsbedürfnis vor allem jüngerer Besucher, werden moderne Präsentationsformen eingesetzt, wie Filme und Filmcollagen, Hörbilder, Zeitzeugen-Interviews und eine Einführungsmultivision. (Autor: Bernd Kleinhans ) Reichspogromnacht ®Pogromnacht Reichssicherheitshauptamt (RSHA) Das Reichssicherheitshauptamt, abgekürzt RSHA, war die am 27. September 1939 durch die Vereinigung von Sicherheitspolizei (Sipo) und Sicherheitsdienst (SD) von Heinrich Himmler geschaffene zentrale Behörde, die alle Polizei- und Sicherheitsorgane des nationalsozialistischen Deutschlands leitete. In der Gründung des RSHA gipfelte die von Heinrich ®Himmler seit 1933 forcierte Verselbständigung des nationalsozialistischen Gewaltapparates. Die Kompetenzen von staatlichen Organen und Gliederungen der NSDAP wurden dabei immer stärker vermengt. An der Spitze des RSHA, das seinerseits ein Hauptamt der Schutzstaffel ®(SS) bildete, stand Reinhard ®Heydrich. Nachdem dessen Tod 1942 wurde Ernst ®Kaltenbrunner Leiter der Behörde. Das RSHA überzog im Zweiten ®Weltkrieg die vom Deutschen Reich besetzten Gebiete mit Terror und Vernichtung; die von ihm aufgestellten ®“Einsatzgruppen“ verübten nach dem Überfall auf Polen und später auf die Sowjetunion planmäßige Massaker an der Elite der betroffenen Länder, an katholischen Priestern und kommunistischen Funktionären, an Sinti und Roma (®Zigeuner) und vor allem an ®Juden. Über 500.000 Menschen fielen diesen Aktionen zum Opfer. Im Referat IV B 4 des RSHA organisierte Adolf ®Eichmann den bürokratischen Teil der „Endlösung der Judenfrage“. Auch Innenpolitisch verfügte das RSHA über umfassende Vollmachten und nutzte vor allem die gerichtlich nicht kontrollierbaren „Schutzhaft“ zur Bekämpfung politischer wie „rassischer“ Gegner. Die sogenannten „Meldungen aus dem Reich“ lieferten detaillierte Berichte über die Stimmung der intensiv bespitzelten Bevölkerung (Denunziation). Der Auslandsnachrichtendienst des RSHA war mitSpionage und die Spionageabwehr befasst. Das Amt VII (Weltanschauliche Forschung) wertete Schrifttum politischen und religiösen Inhalts aus, das es bei Juden, Geistlichen, Intellektuellen und anderen politisch missliebigen Personen beschlagnahmt hatte. Rivalitäten zwischen den einzelnen Ämtern, namentlich zwischen SD und Sipo, trugen zu einer Radikalisierung gerade der antijüdischen Politik bei. Es mangelte häufig an Abstimmung zwischen den einzelnen Stellen, so daß selbstverursachte Sachzwänge, wie die zunehmend unhaltbare Situation in den zunächst ohne genauere Zweckbestimmung eingerichteten Ghettos, zu immer radikaleren Maßnahmen führten. http://www.shoa.de/reichssicherheitshauptamt.html Reichstagsbrand Bezeichnung für den Brand des Reichstagsgebäudes in Berlin am 27.2.1933. Weder die nationalsozialistische These einer kommunistischen Verschwörung noch umgekehrt die These der Brandstiftung durch die ®SA mit Wissen ®Görings lassen sich beweisen. Auch an der Alleintäterschaft von M. van der Lubbe bestehen Zweifel. Der Reichstagsbrand gab den Nationalsozialisten aber die Gelegenheit, die entscheidenden Maßnahmen zur Errichtung der Diktatur in Deutschland einzuleiten: Erlaß einer Notverordnung, die die KPD verbot und die wichtigsten Grundrechte der Weimarer Verfassung außer Kraft setzte (Beschränkung der persönlichen Freiheit, des Rechts der freien Meinungsäußerung einschließlich der Pressefreiheit) ® Machtergreifung. http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/innenpolitik/reichstagsbrand/ Reichsvereinigung der deutschen Juden Bezeichnung für die am 4.6.1939 durch das Reichsbürgergesetz zwangsweise angeordnete Vereinigung aller bis dahin in Deutschland bestehenden jüdischer Verbände. Der Reichsvereinigung mußten alle in Deutschland lebenden Juden angehören. Der Vereinigung wurde die Verantwortung für die Wohlfahrtspflege, das Schulwesen und die Auswanderung übertragen. Die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland war gezwungen, alle Maßnahmen der Judenverfolgung bis hin zu der Vorbereitung und Durchführung der zwangsweisen Verschleppung der Juden in die Lager, Ghettos und Gaskammern in Polen organisatorisch zu unterstützen und durchzuführen. Die Juden wurden zu Handlangern ihres eigenen Verderbens. Die Reichsvertretung der deutschen Juden wurde durch finanziert durchBeiträge deutscher Juden und durch Spenden jüdischer Vereinigungen in England und den USA. Rabbiner Leo Baeck wurde zum Präsidenten der Reichsvertretung gewählt, Otto Hirsch war geschäftsführender Vorsitzender. http://shoanet.hbi-stuttgart.de/glossar/R.htm#Reichsvereinigung%20der%20deutschen%20Juden RELICO Hilfsorganisation, von Abraham Silberschein 1939 in Genf gegründet. Die RELICO unterstützte Juden in Polen und Südeuropa bei der Emigration, und widmete sich der Suche nach vermißten Familienangehörigen, der Rettung von Kindern aus Westeuropa und der Verschickung von Paketen ins Lager Theresienstadt. Die RELICO erhielt Zuwendungen vom World Jewish Congress und finanzielle Unterstützung u.a. vom Joint Distribution Committee. Nach dem Krieg unterstütze Silberschein die Überlebenden des Judenmords und war aktiv an der Suche nach NS-Verbrecher beteiligt. http://shoanet.hbi-stuttgart.de/glossar/R.htm#RELICO Reparationen ® Wiedergutmachung Riefenstahl, Leni Tänzerin, Regisseurin, Photographin 1902 22. August: Leni Riefenstahl wird in Berlin als Tochter des Kaufmanns und Installateurmeisters Alfred Riefenstahl und dessen Frau Bertha geboren. 1918 Riefenstahl nimmt an der Berliner Kunstakademie Mal- und Zeichenkurse. Nebenbei beginnt sie eine Tanzausbildung und lernt dort Ballett und modernen Tanz. 1920 Sie reist als erfolgreiche Tänzerin durch Deutschland, die Tschechoslowakei und die Schweiz. 1923 In München hat sie ihren ersten Soloauftritt als Tänzerin „Diotima“. 1923-1926 Max Reinhardt engagiert sie als Solotänzerin für das Deutsche Theater in Berlin. Danach folgen zahlreiche Auftritte an Theatern in ganz Deutschland. 1926 Von Arnold Fanck (1889-1974) für den Film entdeckt, gibt sie in „Der heilige Berg“ ihr Schauspielerdebüt. Damit beginnt eine langjährige Zusammenarbeit mit Fanck, der ihr in seinen Abenteuer- und Bergfilmen wichtige Rollen gibt. 1926-1933 In den Filmen „Der große Sprung“, „Weiße Hölle am Piz Palü“, „Stürme über dem Mont Blanc“ und „Der weiße Rausch“ spielt Riefenstahl Hauptrollen und erlangt große Popularität. Für die Filmarbeiten lernt sie klettern und Ski fahren. Daneben eignet sie sich auch in der Zusammenarbeit mit Fanck weitreichende Kenntnisse über Kamera-, Regie- und Schneidetechnik an. 1931 Riefenstahl gründet ihre eigene Produktionsfirma „Leni Riefenstahl Studio Film“. 1932 Mit dem mystisch-romantischen Bergfilm „Das blaue Licht“ gibt sie ihr Debüt als Regisseurin und übernimmt darin selbst die Hauptrolle. Der Film wird auf dem Filmfestival in Venedig mit der Silbermedaille ausgezeichnet. In Deutschland wird er ein Publikumserfolg und erregt die Aufmerksamkeit von Adolf ®Hitler. Mai: Erstes Treffen mit Hitler, mit dem sie eine enge Freundschaft schließt, die auf gegenseitigem Respekt beruht. 1933 Nach der ®Machtübernahme der Nationalsozialisten beauftragt Hitler Riefenstahl, den Film über den Reichsparteitag in Nürnberg zu drehen. Ihr Propagandafilm mit dem Titel „Sieg des Glaubens“ setzt mit einer ästhetisch bestimmten Dokumentation die Selbstdarstellung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) um. Zum Propagandaminister Joseph ®Goebbels steht sie trotz dessen offizieller Unterstützung ihrer Filmarbeiten in einem gespannten Verhältnis. Goebbels steht ihrer Freundschaft zu Hitler skeptisch gegenüber. Riefenstahl nimmt gemeinsam mit dem Kunstflieger Ernst Udet (1896-1941) an einer Grönlandexpedition teil, bei der auch der Film „SOS Eisberg“ entsteht. 1944 Über den NS-Parteitag dreht Riefenstahl „Triumph des Willens“. Sie setzt dafür 16 Kamerateams mit über 100 Mitarbeitern ein. Aus mehr als 60 Stunden Filmmaterial entsteht einer der bekanntesten und wirkungsvollsten Propagandafilme überhaupt. Riefenstahl hebt die Solidarität der Parteibasis zum NS-Regime durch einen vielfältigen Bilderrhythmus heraus, wofür sie die chronologische Reihenfolge der Ereignisse aufbricht. Durch spezielle Kameraeinstellungen und ungewöhnliche Schnitte werden die führenden Nationalsozialisten vor der von Albert Speer gestalteten Kulisse in eine mythische Atmosphäre gerückt. Die Ausdruckskraft von Symbolen wie dem Hakenkreuz, Flaggen und dem Reichsadler werden durch Licht- und Musikeffekte betont. Riefenstahls Film wird mit dem Deutschen Filmpreis und mit der Goldmedaille in Venedig ausgezeichnet. 1935 Aus Anlaß der Wiedereinführung der Wehrpflicht dreht Riefenstahl den Propagandafilm „Tag der Freiheit - unsere Wehrmacht“. 1936 Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere erhält Riefenstahl den Auftrag, die Olympischen Spiele in Berlin im Film propagandistisch umzusetzen. Mit großem Aufwand und mit moderner Technik werden die Dreharbeiten während der Spiele durchgeführt. Das nachträgliche Schneiden des Filmmaterials nimmt 18 Monate in Anspruch, es entstehen zwei eigenständige Teile. Damit hebt sie Sportaufnahmen auf die Ebene der Kunst und zelebriert mit Bildern die Schönheit menschlicher Bewegung und Kraft. Zentral ist dabei die Verherrlichung des Körperlichen. 1937 Auf der Pariser Weltausstellung erhält der Parteitagsfilm „Triumph des Willens“ einen Internationalen Großen Preis. Es kommt daraufhin zu Protesten der französischen Arbeiterbewegung. 1938 20. April: Die beiden Olympia-Filme „Fest der Völker (Teil I)“ und „Fest der Schönheit (Teil II)“, zusammen vier Stunden lang, werden Hitler zu Ehren an dessen Geburtstag erstmals öffentlich vorgeführt. Riefenstahl erfährt für die technisch hervorragenden Filme große internationale Anerkennung. Bei den Filmfestspielen in Venedig erhält der Film den Ersten Preis. 1939 Das Internationale Olympische Komitee (IOC) verleiht Riefenstahl nachträglich eine olympische Goldmedaille. 1940/41 Dreharbeiten für den Film „Tiefland“. Für die Produktion werden 60 ®“Sinti und Roma“ aus ®Konzentrationslagern rekrutiert. 1941-1945 Durch den Zweiten ®Weltkrieg und durch Gesundheitsprobleme wird Riefenstahl an der Produktion weiterer Filme gehindert. 1944 Heirat mit dem Major Peter Jacob. Drei Jahre später wird sie von ihm wieder geschieden. 1948 In Anerkennung der Olympia-Filme verleiht das IOC Riefenstahl für ihre Goldmedaille zusätzlich das olympische Diplom. Sie wird vor Gericht angeklagt, bei der „Tiefland“-Produktion die Sinti und Roma nicht entlohnt und ihnen fälschlicherweise die Rettung vor der Deportation versprochen zu haben. Sie wird schließlich freigesprochen. 1949 Riefenstahl führt einen erfolgreichen Prozeß gegen die Illustrierte „Bunte“, welche die Vorwürfe publik gemacht hat. Es folgen mehrere Prozesse, in denen sie der Propagandatätigkeit für das NS-Regime angeklagt wird. 1954 Der Film „Tiefland“ wird beendet und in die Kinos gebracht, ohne ein Erfolg zu werden. 1954-1971 Riefenstahl kann nur wenige ihrer geplanten oder begonnenen Projekte fertigstellen. Auch ihr Filmprojekt über die Amazonenkönigin Penthesilea bleibt unvollendet. Sie stößt in der Öffentlichkeit häufig auf Kritik wegen ihrer Arbeiten für das NS-Regime. Neben ihren Filmarbeiten wendet sie sich vor allem der Photographie zu. 1972 Bei den Olympischen Spielen in München ist Riefenstahl offiziell als Photographin akkreditiert. Auf einer Reise lernt sie tauchen und arbeitet in tropischen Meeren an Unterwasseraufnahmen. 1973 Auf ausgedehnten Reisen in Afrika verbringt sie lange Zeit bei dem sudanesischen Ureinwohnerstamm der Nuba. Sie erlernt deren Sprache und arbeitet an großen Photoserien. Sie veröffentlicht diese in dem Photoband „Die Nuba“. Für ihre ästhetische und ausdrucksreiche Photographiekunst erhält Riefenstahl internationale Anerkennung. 1976 Sie ist Ehrengast des IOC bei den Olympischen Spielen in Montreal. Riefenstahl wird vom Art-Directors-Club Deutschland mit einer Goldmedaille für ihre künstlerisches Werk ausgezeichnet. Sie veröffentlicht den Text- und Bildband „Die Nuba von Kau“. 1978 Der Photoband „Korallengärten“ mit Unterwasseraufnahmen aus tropischen Gewässern erscheint. 1980 In Tokyo werden ihre Photoserien über die Nuba gezeigt. Die Ausstellung wird ein großer Erfolg. 1982 In der Fernsehdokumentation „Zeit des Schweigens und der Dunkelheit“ im Westdeutschen Rundfunk (WDR) werden die „Tiefland“-Vorwürfe gegen Riefenstahl erneuert und erhärtet. Sie kann diese daraufhin nicht mehr öffentlich abstreiten. In den Medien wird eine breite Diskussion über ihre Rolle im Nationalsozialismus geführt. Veröffentlichung des Bildbands „Mein Afrika“. 1987 Sie veröffentlicht ihre Memoiren, in denen sie eine Komplizenschaft mit dem NS-Regime unter Hinweis auf ihre rein künstlerische Motivation bei den Propagandafilmen abstreitet. Von der Kritik wird das Buch verrissen. Das Werk wird in neun Sprachen übersetzt und im Ausland ein großer Verkaufserfolg. 1990 Der Photoband „Wunder unter Wasser“ erscheint. 1992/93 Riefenstahl wirkt an der Filmbiographie „Die Macht der Bilder“ über ihr eigenes Leben mit. Der Film wird auch im deutschen Fernsehen gezeigt und erhält beste Kritiken. Er wird mit dem Fernseh-Oscar „Emmy“ ausgezeichnet und im New Yorker Museum of Modern Art gezeigt. 1996 Das Kölner Schauspielhaus bringt eine choreographierte Version ihrer Biographie auf die Bühne. 1996/97 In Mailand und Rom wird eine umfassende Werkschau von Riefenstahls Arbeiten gezeigt. 1997 Die Filmvereinigung Cincecon verleiht ihr in den USA eine Auszeichnung für ihr Lebenswerk. Die umstrittene Ehrung wird von großem Applaus, aber auch deutlicher Ablehnung im Publikum begleitet. 1999 Ausstellung über ihr Lebenswerk im Filmmuseum Potsdam. (http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/RiefenstahlLeni/) Riegner-Telegramm „erhielt alamierenden bericht in führerhauptquartier sei plan diskutiert und erwogen dass in deutschbesetzten und kontrollierten ländern alle juden anzahl dreieinhalb bis vier millionen nach deportation und zusammenfassung im osten mit einem schlag ausgerottet und damit die jüdische frage in europa ein für alle mal gelöst werden soll stop aktion für herbst geplant stop methoden einschliessliche Blausäure diekutiert stop informationen unter vorbehalt übermittelt da richtigkeit nicht bestätigt stop informant behauptet enge verbindung zu höchsten stellen stop seine berichte im allgemeinen zuverlässig“ Am 8.8.1942 von Gerhart Riegner, Vertreter des World Jewish Congress, in Genf aufgegebenes Telegramm an den Präsidenten des WJC, Stephen S. Wise und an Sidney Silverman, Mitglied des Parlaments in Großbritannien. Im Westen stieß der Bericht zuerst auf Unglauben. Als die amerikanische Regierung von der Richtigkeit der Nachricht überzeugt war, übergab Wise am 24.11.1942 die Informationen zusammen mit einer Fülle unterstützenden Materials an die Presse http://shoanet.hbi-stuttgart.de/glossar/R.htm#Riegner-Telegramm Ringelblum-Archiv Das sogenannte Ringelblum-Archiv wurde unter den Trümmern des Warschauer Ghettos zutage gefördert, der erste Teil im September 1946, der zweite im Dezember 1950. Der dritte Teil ging verloren, wahrscheinlich unwiederbringlich. Das Ringelblum-Archiv besteht aus einer Sammlung von Dokumenten, die sich aus 1.680 einzelnen Archivalien (ca. 25.000 Blatt) zusammensetzt. Sie umfassen den Zeitraum von September 1939 bis Ende Februar 1943 und betreffen die jüdische Bevölkerung in den Grenzen Polens vor 1939. http://shoanet.hbi-stuttgart.de/glossar/R.htm#Riegner-Telegramm Röhm, Ernst Militär, NS-Politiker 1887 28. 11: Ernst Röhm wird als Sohn eines Eisenbahndirektors und dessen Frau in München geboren. 1906 Nach dem Abitur am humanistischen Maximilians-Gymnasium in München tritt er in das 10. bayerische Infanterie-Regiment „Prinz Ludwig“ ein. 1908 Besuch der Kriegsschule in München und Ernennung zum Leutnant. 1914 Nach Beginn des Ersten Weltkriegs wird er zunächst als Bataillons-Adjutant an der Westfront eingesetzt. 1916 Er wird vorübergehend dem bayerischen Kriegsministerium zugeteilt. 1917/18 Er ist Ordonnanzoffizier und anschließend 2. Generalstabsoffizier seiner Division an der Westfront. Er erreicht den militärischen Rang eines Hauptmanns. Dreimal schwer verletzt, wird Röhm mehrfach dekoriert. 1918/19 Nach Kriegsende Stabschef der Stadtkommandantur München mit politischen Sicherheitsaufgaben. 1919 Um sich an der Niederschlagung der Münchener Räterepublik zu beteiligen, schließt er sich dem ®Freikorps von Franz Ritter von Epp an. In dem zur Brigade Epp umgewandelten Freikorps ist Röhm als Stabsoffizier zuständig für die Erfassung von Waffen demobilisierter Truppenteile. Röhm wird damit in Bayern zu einer der zentralen Figuren für die Anlage geheimer, durch den ®Versailler Vertrag verbotener Waffenlager. Aus diesen werden die bayerischen Einwohnerwehren und andere paramilitärische Organisationen mit Waffen versorgt. Er wird Mitglied der Deutschen Arbeiterpartei (DAP) und steht in Verbindung zu Adolf ®Hitler. 1920 Röhm tritt der aus der DAP hervorgegangenen ®(NSDAP) bei. 1921 Berufung zum Reichswehr-Generalstabsoffizier in München. 1923 Er wirkt als Motor beim Zusammenschluß bayerischer paramilitärischer Wehrverbände einschließlich der NSDAP zum Deutschen Kampfbund, wobei er ®Hitler als revolutionäre politische Kraft besonders fördert. November: Mit seinem eigenen Wehrverband „Reichskriegsflagge“ nimmt er am Hitler-Putsch teil und wird nach dessen Scheitern aus der Reichswehr entlassen. 1924 April: Für seine Beteiligung am Hitler-Putsch zu 15 Monaten Festungshaft auf Bewährung verurteilt. Bei den Reichstagswahlen wird er für die Deutsch-Völkische Freiheitspartei in das Parlament gewählt. Röhm wird von Hitler mit der Reorganisation der nationalsozialistischen Sturmabteilung ®(SA) beauftragt. Er gründet außerdem als Dachorganisation der völkischen Wehrverbände den „Frontbann“. 1925 April: Zwischen Röhm und Hitler entwickelt sich ein Streit über die Stellung des „Frontbanns“. Nach der Neugründung der NSDAP möchte Hitler gemäß seiner Legalitätstaktik nicht mehr mit paramilitärischen Gruppen zusammenarbeiten. Röhm tritt aus Protest von seinem Amt als SA-Führer zurück. 1928 Röhm arbeitet als Militärinstrukteur für die bolivianische Regierung. 1930 1. November: Nach seiner Rückkehr nach Deutschland tritt Röhm wieder in die NSDAP ein. 1931 Januar: Er übernimmt erneut die oberste SA-Führung. Zuvor war es zwischen dem Parteiapparat der NSDAP und der SA zu Machtrivalitäten gekommen. Röhm baut die SA als eine schlagkräftige Massenorganisation auf. Sie findet während der Weltwirtschaftskrise besonders Zulauf von proletarisierten ehemaligen Frontkämpfern und Arbeitslosen, die erbitterte Straßenkämpfe mit politischen Gegnern führen. Teile der revolutionär eingestellten SA äußern Kritik an Hitlers Legalitätspolitik. 1933 Nach der ®Machtübernahme der Nationalsozialisten wird Röhm Reichsminister ohne Geschäftsbereich und bayerischer Staatsminister. Seine Bemühungen, die auf viereinhalb Millionen Mitglieder angewachsene SA in einer „zweiten Revolution“ zum Kader eines neuen Volksheers zu machen, bringen Röhm in Rivalität zur Reichswehr und in zunehmenden Gegensatz zur NSDAP. Besonders Heinrich ®Himmler, Führer der mit der SA konkurrierenden Schutzstaffel ®(SS), und die Reichswehr fordern Hitler zum Eingreifen gegen die SA auf. 1934 Juni: Manipulierte Gerüchte über einen angeblich bevorstehenden Putsch der SA, den sogenannten Röhm-Putsch, bieten Hitler den Anlaß, gegen die SA vorzugehen. Er beurlaubt ihre Führung zunächst für einen Monat und bestellt sie auf eine Tagung in Bad Wiessee. 30. Juni: Hitler läßt Röhm verhaften und zahlreiche SA-Führer erschießen. Gleichzeitig werden zahlreiche konservative Politiker liquidiert, die Hitler unter Handlungsdruck gesetzt haben. Im Zusammenhang mit dem „Röhm-Putsch“ werden insgesamt etwa 200 Oppositionelle ermordet, unter ihnen Gregor Strasser, Gustav Ritter von Kahr und General Kurt von Schleicher. 1934 1. Juli: Ernst Röhm wird in München-Stadelheim von SS-Unterführern ermordet. Die SA verliert fortan an Bedeutung, die Reichswehr behält das Militärmonopol, zugleich beginnt der Aufstieg der SS. Mit dem „Staatsnotwehrgesetz“ schafft die Justiz nachträglich die Rechtsgrundlage für die Mordaktion. Hitler habe als „oberster Gerichtsherr“ im Einklang mit dem Recht gehandelt. http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/RoehmErnst/ Rosenberg, Alfred NS-Politiker, Publizist 1893 12. Januar: Alfred Rosenberg wird als Sohn eines lettischen Kaufmanns und einer estnischen Mutter aus hugenottischem Geschlecht in Reval (heute: Tallinn/Estland) geboren. 1917 Diplomabschluß nach dem Studium der Ingenieurwissenschaften und der Architektur an den Technischen Hochschulen Reval und Moskau. 1918 Nach der russischen Revolution Flucht über Paris nach München, wo Rosenberg aktives Mitglied des nationalistischen Geheimbundes Thule-Gesellschaft wird und dem Kreis um Dietrich Eckart zuzurechnen ist, der ihn mit Adolf ®Hitler bekannt macht. 1920 Eintritt in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (®NSDAP). Antisemitische Hetzschriften „Die Spur der Juden im Wandel der Zeiten“ und „Unmoral im Talmud“. 1921 In seiner Schrift „Das Verbrechen der Freimaurer“ entwickelt Rosenberg seine Vorstellungen von einer jüdisch-freimaurerischen Weltverschwörung. 1923 Ernennung zum Hauptschriftleiter des NS-Parteiorgans „Völkischer Beobachter“ als Nachfolger von Eckart, 9. November: Teilnahme Hitler Putsch 1924 Von dem im Gefängnis einsitzenden Hitler als sein Stellvertreter eingesetzt, gründet Rosenberg die „Großdeutsche Arbeitsgemeinschaft“, eine Ersatzorganisation der verbotenen NSDAP. 1929 Rosenberg gründet den „Kampfbund für deutsche Kultur“. 1930 Rosenberg wird als NSDAP-Abgeordneter in den Reichstag gewählt. Veröffentlichung seines Hauptwerkes „Der Mythus des zwanzigsten Jahrhunderts“, das nach Hitlers „Mein Kampf“ zum wichtigsten Werk des Nationalsozialismus wird. 1933-1945 Leiter des Außenpolitischen Amtes der NSDAP. 1934-1945 „Beauftragter des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP“. Die Ästhetik hat es unter anderem mit Geschmacksurtilen zu tun, d. h. sie fordert, dass ein Kunstwerk nicht nur einem Menschen gefalle, sondern „allgemein“ Anerkennung finde. Das Suchen nach diesem allgemeinen Gesetz des Geschmacks hat die Köpfe seit Jahrzehnten erhitzt. Dabei ist eine Vorbedingung der Polemik missachtet worden: „Gefallen kann ein Kunstwerk nur, wenn es sich im Rahmen eines organisch umgrenzten Schönheitsideals bewegt. Der Anspruch auf Allgemeingültigkeit eines Geschmacksurteils folgt nur aus einem rassisch-völkischen Schönheitsideals und erstreckt sich nur auf jene Kreise, die bewusst oder unbewusst, die gleiche Idee von Schönheit im Herzen tragen. (...) Jedes Kunstwerk formt ferner seelischen Gehalt. Auch dieser ist ist deshalb nebst seiner formalen Behandlung nur auf Grund der verschiedenen Rassenseelen zu begreifen. Unsere bisherige Ästhetik ist also - trotz vielem Richtigen in einzelnen - als Gesamtwerk in den leeren Raum gesprochen worden. (Alfred Rosenberg: „Mythus des 20. Jahrhunderts“) ab 1939 Rosenberg läßt für das „Institut zur Erforschung der Judenfrage“ jüdische Bibliotheken und Archive plündern und leitet den Raub von Kunstschätzen aus den besetzten Gebieten. 1941-1945 Als „Reichsminister für die besetzten Ostgebiete“ ist Rosenberg verantwortlich für die Politik der Ghettoisierung und Vernichtung der Juden. 1946 16 Oktober: Vom ®Nürnberger Kriegsverbrechertribunal der Verbrechen gegen die Menschlichkeit für schuldig befunden und zum Tode verurteilt, wird Alfred Rosenberg in Nürnberg hingerichtet. http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/RosenbergAlfred/ http://www.aec.at/freelance/rax/KUN_POL/UND/QUOTES/rosenb_aesthetik.html SA (Sturmabteilung) Die SA war die uniformierte und bewaffnete Kampf-, Schutz- und Propagandatruppe der NSDAP. Sie wurde 1920 als „Ordnertruppe“, d. h. als Saalschutz für politische Veranstaltungen der Nationalsozialisten, gegründet und rekrutierte sich vor allem aus ehemaligen Soldaten. 1921 wurde die die Truppe unter der Leitung ehemaliger Freikorpsoffiziere, unter ihnen Ernst Röhm, zum Teil mit Mitteln der Reichswehr in einen paramilitärischen Kampfverband umgewandelt und schon bald auch für propagandistische Zwecke und gezielte Terroraktionen gegen politische Gegner eingesetzt. Nach dem gescheiterten Hitler-Putsch am 9. November 1923 wurde die inzwischen von Hermann Göring geleitete Organisation verboten und ihr Führer wurde Ernst Röhm. 1925 erfolgte der Neuaufbau der SA. Nach Auseinandersetzungen mit Hitler um den Status der SA innerhalb der NSDAP trat Röhm 1925 von der Leitung der SA zurück und SA-Chef wurde nun Franz Pfeffer von Salomon. Unter ihm entwickelte sich die SA zu einem weitgehend unabhängigen, zentral gelenkten Kampfverband. Die Mitgliederzahl stieg von etwa 30 000 (1924) auf 80 000 (1930). Nach Konflikten mit Pfeffer von Salomon über den Einfluss der NSDAP auf die SA übernahm Hitler im Herbst 1930 selbst die Führung der SA; im folgenden Jahr rief er Röhm zurück und ernannte ihn zum Stabschef, also zum Leiter der SA. 1932 hatte die SA etwa 220 000 Mitglieder. Sie beherrschte mit ihren Aufmärschen und Gewaltaktionen schon bald das Straßenbild der Weimarer Republik. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wurde die SA, inzwischen auf etwa 700000 Mitglieder angewachsen, zum Teil auch als Hilfspolizei zur Verfolgung von politischen Gegnern und Juden eingesetzt. Im selben Frühjahr 1933 errichtete die SA die ersten Konzentrationslager. Gegenüber der Partei führte die SA zunehmend ein Eigenleben, und Röhm als Chef der größten Organisation innerhalb der NSDAP beanspruchte mehr Einfluss und Macht für sich und die Organisation. Mit seinem Plan, SA und Reichswehr zu einem Volksheer unter seiner Führung zu vereinen, forderte Röhm den Widerstand nicht nur der Reichswehroffiziere, sondern vor allem Hitlers heraus. Unter dem Vorwand des so genannten Röhm-Putsches ließ Hitler am 30. Juni 1934 die gesamte Führungsriege der SA ermorden. Unter ihrem neuen Stabschef Viktor Lutze konnte die SA ihren alten Einfluss nicht mehr wieder erlangen, an ihre Stelle trat die aus der SA herausgelöste ®SS. In den Nürnberger Prozessen nach dem Zusammenbruch der nationalsozialistischen Diktatur wurde die SS 1946 als Hauptinstrument des politischen Terrors zur „verbrecherischen Organisation“ erklärt. http://shoanet.hbi-stuttgart.de/glossar/S.htm#SA Schindler, Oskar (1908-1974) Der Kaufmann Oskar Schindler kam Ende 1939 ins polnische Krakau und übernahm dort zwei jüdische Betriebe zur Fabrikation von Emailliewaren. Er beschäftigte überwiegend jüdische Arbeiter, die er damit vor der Deportation bewahrte. Schindler nutzte dabei seine gute Beziehungen zu Freunden in hohen Regierungsämtern. Er erkämpfte so die Einrichtung einer Zweigstelle des Lagers Plaszow auf seinem Firmengelände. In Schindlers Fabrik arbeiteten 900 Juden, darunter auch Personen, die den Arbeitsanforderungen nicht gewachsen waren. Im Oktober 1944 wurde ihm erlaubt, seine Fabrik in Brünnlitz neu zu gründen und die jüdischen Arbeiter mitzunehmen. Es gelang ihm etwa 700 bis 800 jüdische Männer vom Lager Groß-Rosen und etwa 300 jüdische Frauen von Auschwitz nach Brünnlitz zu überführen. In Brünnlitz bekamen die Juden zu essen, wurden medizinisch versorgt und durften ihre Religion ausüben. Nach dem Kriege wurde ihm von der israelischen Regierung 1962 der Ehrentitel ®“Gerechter unter den Völkern“ verliehen und gestattet einen Baum mit seinem Namen im Garten der Gerechten von Yad Vashem zu pflanzen. 1992 setzte Steven Spielberg mit dem Film „Schindler‘s List“ Oskar Schindler ein Denkmal. Bei der Verleihung der „Golden Globes“ wurde „Schindlers Liste“ für den besten Film, den besten Regisseur und das beste Drehbuch des Jahres ausgezeichnet. http://www.shoa.de/p_oskar_schindler.html Schlussstrich ®Ahnungslose Deutsche Schuld und Verantwortung Die staatliche Schuld Hierzu zählen alle Verbrechen, die im Namen des NS - Staates verübt wurden - an den Juden und den unterworfenen Völkern Mittel- und Osteuropas; - die Gesamtheit der Repressalien, mit denen die ®SS auf die Untergrundtätigkeit in den besetzten Ländern reagierte; - der Bereich der politischen Justiz, allem voran die Diskussion um den Reichstagsbrandprozeß, bis hin zu den Todesurteilen, die der Volksgerichtshof bis in die letzten Kriegstage hinein fällte. Faktoren der Beurteilung: · Das NS – System versuchte, allen seinen Massnahmen und Aktionen einen „legalen“ Anstrich zu geben. Und nur im Rahmen dieser selbst geschaffenen Legalität waren z.B. die Reichstagsbrandverordnung vom 28.2.1933 und die ®“Nürnberger Gesetze 1935 legal. Somit befolgten die meisten NS-Richter „geltendes Recht“ und fällten auf dieser Grundlage ihre Urteile und somit stellten ®Widerstand oder gar Hochverrat eindeutige strafrechtliche Tatbestände dar. · Tatsächlich verletzten diese Maßnahmen alle abendländischen Konventionen und vor allem die Menschenrechte. Gemessen an diesen übergeordneten Rechtsnormen und auch für das NS-Regime verbindlichen Rechtsnormen ist das NS-Regime in jedem Fall ein Unrechtsregime! Die private Schuld Zu dieser Auseinandersetzung hat Thomas Dehler, der Fraktionsvorsitzende der FDP, während der Debatte um die Verjährung nationalsozialistischer Gewalttaten 1955 im Deutschen Bundestag Grundlegendes gesagt: Das Tun des Staates befreit den einzelnen nicht aus seiner persönlichen Verantwortung im Sinn des Menschenrechts Selbst das verbrecherischste „positive Recht“ des Staates kann den einzelnen nicht aus seiner Verantwortung gegenüber den übergeordneten Normen von Natur- und Menschenrecht befreien ®Justiz im Nationalsozialismus Die Kontinuität der deutschen Politik Helmuth James Graf von Molte schrieb kurz vor seinem Tod an seine Söhne: Ich habe mein ganzes Leben lang, schon in der Schule, gegen einen Geist der Enge und Gewalt, der Überheblichkeit, der Intoleranz und des Absoluten, erbarmungslos Konsequenten angekämpft, der in den Deutschen steckt und der seinen Ausdruck in dem nationalsozialistischen Staat gefunden hat. Ich habe mich auch dafür eingesetzt, daß dieser Geist mit seinen schlimmen Folgeerscheinungen wie Nationalismus im Exzeß, Rassenverfolgung, Glaubenslosigkeit, Materialismus überwunden werde. Insoweit und von ihrem Standpunkt aus haben die Nationalsozialisten recht, daß sie mich umbringen ... (11.10.1944). Karl Jaspers‘ vier Schuldbegriffe (1946) In seiner 1946 erschienenen Schrift „Die Schuldfrage“ setzte sich der Heidelberger Philosoph Karl Jaspers ausführlich mit der Frage von Schuld und Verantwortung für die Verbrechen des Nationalsozialismus auseinander. Er stellte in diesem Zusammenhang vier Kategorien der Schuld auf: - die kriminelle Schuld aufgrund objektiv nachweisbarer Gesetzesverstöße, - die politische Schuld durch Handlungen der Staatsmänner, an denen der Einzelne durch seine Staatsbürgerschaft und durch seine Mitverantwortung, wie er regiert wird, beteiligt ist, - die moralische Schuld durch Handlungen, deren Charakter nicht allein dadurch nicht verbrecherisch wird, daß sie befohlen sind, - die metaphysische Schuld aus der Mitverantwortung für alles Unrecht und alle Ungerechtigkeit in der Welt (Wenn ich nicht tue, was ich kann, um es zu verhindern, so bin ich mitschuldig.). Die Instanzen zur Klärung der einzelnen Kategorien der Schuld sind - das Gericht (im formellen Verfahren) zur ersten Kategorie, - zur zweiten die Gewalt und der Wille des Siegers (wenn das Regime im Krieg unterlegen ist), - zur dritten das eigene Gewissen - und schließlich Gott allein zur vierten Kategorie. Jaspers verband seine Schematik der Unterscheidungen mit dem Ziel, daß sie bewahren sollten vor der Flachheit des Schuldgeredes, in dem alles stufenlos auf eine Ebene gezogen wird, um es im groben Zufassen in der Weise eines schlechten Richters zu beurteilen. Ein Volk könne nie als Ganzes angeklagt werden, da Verbrecher immer nur der Einzelne sei. Ein Volk könne aber auch nie als Ganzes moralische Schuld tragen, da es keine allgemein verbindende Moral oder Unmoral eines ganzen Volkes gebe. http://www.zum.de/Faecher/G/BW/abbl/nationalsozialismus/widerstand1.htm Schule Die Schule spielte im Rahmen der vom NS-Regime angestrebten Durchdringung aller Lebensbereiche und der politischen Sozialisierung und Ideologisierung der Jugend keine so bedeutsame Rolle wie die Hitler-Jugend (HJ). Die erste Phase der NS-Schulpolitik von 1933 bis 1936 galt vorrangig der Machtkonsolidierung und der „Gleichschaltung“ des Lehrkörpers. Mit dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 schufen sich die Nationalsozialisten eine formale Rechtsgrundlage zur Entlassung von jüdischen, sozialistischen und pazifistischen Lehrern und Schulleitern. Die Lehrer wurden verstärkt kontrolliert. Die Lehrer, die im Amt blieben, schlossen sich in dem Nationalsozialistischen Lehrerbund (NSLB) zusammen, der der ®NSDAP direkt angeschlossen war und rund 97 % der gesamten Erzieherschaft organisierte, von denen wiederum sogar rund ein Drittel Parteimitglieder der NSDAP waren. Wenig später wurde mit dem am 25. April 1933 erlassenen „Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen” die „Rassenzugehörigkeit“ (®Rasse) als Kriterium für den Zugang zu höheren Schulen und zum Hochschulstudium eingeführt. Der Anteil jüdischer Schüler und Studenten an der gesamten Schüler- bzw. Studentenschaft durfte nun nicht mehr den jüdischen Anteil an der Gesamtbevölkerung von knapp 1 Prozent überschreiten. Daraufhin halbierte sich die Zahl jüdischer Schüler an den öffentlichen Schulen bis 1935, bevor sie nach der Reichspogromnacht (®Pogomnacht) von 1938 gegen Null tendierte. Ab 1936/37 verstärkte das NS-Regime die ideologische Umgestaltung des Schulunterrichts. Zeitgleich zum „Kirchenkampf“ waren in erster Linie die „gesinnungsbildenden” Fächer wie Deutsch und Geschichte Ziel der nationalsozialistischen Einflußnahme, der es um die Vermittlung von „vaterländischer Größe“ und von Heroismus ging. Der Geschichtsunterricht sollte sich auf die deutsche Geschichte und die der „nordischen Rasse” beschränken. Im Biologieunterricht wurden „Vererbungslehre” und „Rassenkunde” eingeführt. Um das nationalsozialistische Ideal „körperlicher Ertüchtigung” gegenüber einer geistig-intellektuellen Erziehung umzusetzen, erhielt der Sportunterricht eine erhöhte Stundenzahl. Die früheren Ideale klassisch-humanistischer Bildung wurden als „undeutsch“ abgelehnt. Neben den neuen ideologischen Inhalten prägten Rituale und NS-Symbole wie Hakenkreuze, Fahnen, Fahnenappelle, Hitlerporträts und Hitlergruß immer deutlicher den Schulalltag. Trotz aller Maßnahmen des NS-Staats blieb die Schule in ihren Grundzügen eine weitgehend traditionelle Bildungsinstitution, die dem revolutionären Anspruch des NS-Regimes kaum gerecht wurde. Deshalb setzten die Nationalsozialisten den herkömmlichen Schulen „Eliteschulen” wie die Adolf-Hitler-Schulen (AHS), die Nationalpolitischen Erziehungsanstalten (Napola) und die sogenannten Ordensburgen gegenüber. (http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/alltagsleben/schule/index.html) SD (Sicherheitsdienst des Reichsführers-SS) Der SD war der Nachrichten- und Geheimdienst der ®NSDAP und eine wichtige Institution bei der Durchführung der ®Endlösung. Jüdische Organisationen und Einrichtungen wurden vom SD überwacht und kontrolliert. Der SD unterstand dem Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei Heinrich ®Himmler und wurde bis 1942 von Reinhard ®Heydrich, ab Januar 1943 von Ernst ®Kaltenbrunner geleitet. 1939 wurden der SD und die Sicherheitspolizei in dem neu errichteten ®Reichssicherheitshauptamt der SS zu einer mächtigen Behörde unter Leitung Heydrichs zusammengefaßt. Zahlreiche maßgebende Posten im Apparat des nationalsozialistischen Terrors wurden von Angehörigen des SD besetzt. 1944 hatte der SD 6.482 hauptamtliche Mitarbeiter. Der Internationale Militärgerichtshof erklärte 1946 in Nürnberg (®Nürnberger Prozesse) den SD zur kriminellen Vereinigung. (http://shoanet.hbi-stuttgart.de/glossar/S.htm#Sicherheitsdienst) Shoa Shoa ist der offizielle Begriff im Staat Israel, und dient zur Kennzeichnung der Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden unter dem ®Nationalsozialismus. Während das Wort also eindeutig ist, hat es jedoch den Nachteil, daß es nur mit „Katastrophe“ oder „Unheil“ übersetzt werden kann und daher in anderen Sprachen nicht hinreichend spezifisch ist. Der Begriff Shoa wird heute von vielen als angemessener empfunden als der bekanntere Sprachversuch ®Holocaust, angemessener vielleicht auch als die Metapher ®Auschwitz, bei der der Name eines Lagers für das ganze Ausmaß der Vernichtung steht. Die Nationalsozialisten sprachen von der ®Endlösung. (http://www.shoa.de/) Einmaligkeit der Shoah Die Frage, ob die nationalsozialistische Massenvernichtung der Juden einmalig war, setzt Vergleiche geradezu voraus. Die israelischen Philosophen Avishai Margalith und Gabriel Motzkin haben die Einmaligkeit der Shoah dadurch zu erweisen gesucht, dass sie nicht nur den auch noch auf die letzte jüdische Person drängenden Mordwillen, sondern auch die bisher nicht bekannte Kombination von körperlicher Ausbeutung, namenloser Erniedrigung, schmählichstem Tod und industrieller Vernutzung der sterblichen Überreste hervorgehoben haben. Moralische Prinzipien jedoch sind Regeln zur Bewahrung menschlicher Integrität in körperlicher, psychischer und sozialer Hinsicht. Schon der erste Satz des ersten Artikels des Grundgesetztes trägt dem Rechnung: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Es ist kein Zufall, dass der Begriff der Würde auf das Engste an den Gedanken ihrer Verletzung geknüpft ist – eine Würde, die nicht verletzt werden kann, ist keine. In dem, was die Weltgeschichte bislang an Beispielen für die Verletzung der menschlichen Würde hervorgetrieben hat, ist die Shoah bisher – so zynisch muss man sprechen – unübertroffen. Das heißt weder, dass nicht noch weitergehende Formen der Verletzung in Zukunft möglich sind, noch, dass historische Forschung nicht weitergehende Verletzungen zu entdecken vermag. Mit der Shoah ist in der Tat ein Negativmaßstab zur Beurteilung der Weltgeschichte in moralischer Hinsicht gegeben, ein Maßstab, der der Institutionalisierung und dem Schutz der Rechte des Menschen zugrunde liegt (http://www.fritz-bauer-institut.de/texte/essay/essay_brumlik_3-01.htm) Schutzhaft Die nach dem Reichstagsbrand erlassenen Notverordnung vom 28. Februar 1933 hob die als Grundrecht im Artikel 114 verankerte »Unverletzlichkeit der persönlichen Freiheit« auf und schuf somit für das NS-Regime die Basis zur Anwendung der gegen die politischen Gegner gerichteten sog. Schutzhaft. Diese bis zum Ende des NS-Regimes angewendete Schutzhaft war eine »politische Polizeihaft«; unter Ausschaltung der Justiz konnte die Polizei Regimegegner ohne eine vorliegende Straftat verhaften und als Vorbeugungsmaßnahme eine unbegrenzte Haft anordnen. Und so entstanden gleich nach diesen Februartagen die ersten ®Konzentrationslager. Zuerst waren es improvisierte oder »wilde« KZ, die später aufgelöst wurden. Die ersten Häftlinge in den Konzentrationslagern waren politische Gefangene. Sie wurden Schutzhäftlinge genannt, da sie mit dem sog. Schutzhaftbefehl der Gestapo in die Lager eingewiesen wurden. Unter ihnen befanden sich Kommunisten, Sozialdemokraten, aber auch unbeliebte liberale Redakteure und Publizisten und manchmal auch konservativ eingestellte persönliche Feinde der Nazi-Bonzen. Innerhalb der Gruppe der politischen Häftlinge nahmen die Kommunisten und Sozialdemokraten, d.h. der »marxistische Feind«, die Hauptrolle ein. Im Jahre 1937, aber nicht selten auch schon vorher, wurden Kriminelle und sog. Asoziale von der Kripo in die KZ eingewiesen. Während die Opposition gegen das NS-Regime abnahm, wurden die Konzentrationslager mit den inhaftierten angeblichen Oppositionellen immer größer. (Quelle: H. Hesse, Hrsg., Am mutigsten waren immer wieder die Zeugen Jehovas, Edition Temmen, Bremen 1998.) Sinti und Roma Über die ganze Welt verteilt leben Roma. Rund 8 Millionen sind es in Europa, 70.000 in Deutschland. Allein deshalb ist es schon schwer, nur von einer Kultur der Roma zu sprechen. Gemeinsam ist fast allen Stämmen die Sprache, das Romanes. Auch gehören das Zusammenleben in einer „Drei-Generationen-Familie“, Reinheitsgebote, die strikte Trennung der männlichen und weiblichen Lebenswelt oder bestimmte Handwerksberufe zu den typischen Merkmalen der Gesellschaft. Die verschiedenen Gruppen pochen auf ihre eigene Identität, und lange haben sie sich um der Selbsterhaltung willen von anderen Gruppen abgeschottet. In Deutschland lebten 1941 rund 28.000 Zigeuner, weitere 11.000 in Österreich. Gerade die unterschiedlichen Inhalte des deutschen Zigeunerbegriffs erklären die beiden Entwicklungsstränge der Zigeunerverfolgung im Nationalsozialismus. Bereits im Jahre 1931 hatte eine Stelle der SS in München mit der Erfassung der Juden und Zigeuner“, der beiden sogenannten außereuropäischen Fremdrassen“, begonnen. Vom Beginn der NS-Herrschaft an, wurden Sinti und Roma ebenso wie Juden aus rassistischen Gründen verfolgt und ausgegrenzt. Gleich 1933 verlangte das Rasse und Siedlungsamt“ der SS in Berlin, daß Zigeuner und Zigeunermischlinge“ in der Regel unfruchtbar gemacht werden. Bereits bis 1936 wurden fast 170.000 Menschen zwangssterilisiert. Die Verfolgung von „Zigeunern und nach Zigeunerart lebenden Personen“, wie es exakt im NS-Deutsch hieß, verlief auf zwei Ebenen, die sich erst zu Ende der dreißiger Jahre trafen. Einerseits waren Zigeuner aufgrund ihrer sozialen Unangepaßtheit bereits traditionell im Visier staatlicher Verfolgungsbehörden. Dieses führte im „Dritten Reich“ zu einer Verfolgung im Rahmen der vorbeugenden Verbrechensbekämpfung als „Gemeinschaftsfremde“ bzw. schlicht „Asoziale“. Gleichzeitig wurde nach umfangreichen Untersuchungen der Rassehygienischen Forschungsstelle eine Verfolgung eingeleitet, deren Grundlage eine festgelegte Rassezugehörigkeit war. In der Absurdität des Rassewahns wurde den „Zigeunermischlingen“ eine größere Gefahr für die Volksgemeinschaft nachgesagt und ihre Deportation vorrangig betrieben, während „reinrassige Zigeuner“ zeitweilig von der Verfolgung ausgenommen waren. Dieses änderte sich erst mit dem „Auschwitz-Erlaß“ ®Himmlers vom 16. Dezember 1942, der den Genozid aller Zigeuner einleitete. Uralte Klischees von bettelnden oder spionierenden Zigeunern reichten für Wehrmacht, Einsatzgruppen und Polizei als Rechtfertigung für Massenerschießungen. Einer Schätzung zufolge wurden rund 220.000 bis 500.000 Zigeuner aus ganz Europa ermordet. Die Roma blieben auch nach dem Krieg eine verfolgte Minderheit. Einige sie diskriminierenden Gesetze waren sogar noch in den 1970er Jahren in Kraft. Über Anträge auf finanzielle Wiedergutmachung für erlittenes Unrecht entschieden Gutachten, die ehemalige Mitarbeiter der „Zigeunerleitstelle“ beim Reichssicherheitshauptamt zusammenstellten. Kein Wunder, daß viele Roma und Sinti den Umgang der Behörden mit ihrem Schicksal als „zweite Verfolgung“ empfanden. Bis heute hat sich der Alltag der Roma kaum geändert. Den öffentlichen Bekundungen zum Trotz werden ihnen selbstverständliche Rechte vorenthalten. Immer noch werden sie beschimpft und vertrieben. Übergriffen sind sie schutzlos ausgeliefert. Laut einer Allensbach-Umfrage von 1993 hatten zwei von drei Befragten auf die Frage »Wen hätten Sie nicht gern als Nachbarn?« geantwortet: »Sinti und Roma«. Die meisten Befragten hätten jedoch keine persönlichen Erfahrungen mit dieser Gruppe gehabt. ... Wissenschaftler verfechten antiziganistische Stereotype Als die Bürgerrechtsbewegung der Sinti und Roma ab 1979 mit einer Kundgebung im ehemaligen KZ Bergen-Belsen und besonders 1980 mit einem Hungerstreik im KZ Dachau zunehmend öffentliche Aufmerksamkeit fand, veranlaßte dies den Bundestag 1981, eine außergesetzliche Regelung in Form einer Pauschalentschädigung von bis zu DM 5.000,- für bisher noch nicht entschädigte und noch lebende Verfolgte des NS-Regimes zu treffen: Die sogenannte Härteregelung“, ein Fond, über den der Bundesfinanzminister nach den vom Parlament festgelegten Richtlinien entscheidet. Die Härteregelung“ von 1981 schließt aber von den Nazis verfolgte Sinti und Roma, die bereits vom alten Entschädigungsgesetz wegen den NS-Kategorien wie Spione“, Asoziale“ u.a. abgelehnt wurden oder auch nur so erstaunliche Entschädigungssummen wie DM 53,- oder DM 124,- (als Rückerstattung der Rassen-Sondersteuer“ bei der Lohnsteuer) erhalten hatten, von neuem aus. Erst in den letzten Jahren ist in einigen Bundesländern eine veränderte Wiedergutmachungspolitik sichtbar geworden. Nicht nur in den Behörden, auch in den Wissenschaften fanden sich Verfechter und Sympathisanten antiziganistischer Stereotype. Die Tatsache, daß erst in den letzten Jahren die NS-Verfolgungsgeschichte - der Völkermord an den Sinti und Roma - Gegenstand wissenschaftlicher Forschung geworden ist, ist auffällig. Historiker übersahen den Völkermord aus rassischen“ Gründen oder schenkten ihm keine Beachtung. Die Soziologen, die im Nationalsozialismus zu Raumforschern“ mutiert waren, verorteten die Minderheit nun ganz positivistisch an der Peripherie der Gesellschaft als soziale Randgruppe, zu der sie von den Behörden stigmatisiert worden war. Im Bildungsbereich liegen mit wenigen Ausnahmen bis heute keine verbindlichen Inhalte zur Geschichte und Kultur der Minderheit vor. Die Bildungsdidaktiker haben es angesichts des Antiziganismus der Mehrheitsbevölkerung (68% lehnen Sinti und Roma ab) bisher nicht als notwendig erachtet, ein Konzept gegen die Zigeunerbilder“ zu entwickeln. Versäumnisse, ohne Frage, die bis heute nicht nur die Chance einer Aufklärung haben verstreichen lassen, sondern auch den Tsiganologen“, den Zigeunerforschern“ das Feld überlassen haben. Als ein Paradebeispiel für die Zigeunerforschung“ nach 1945 kann Hermann Arnold gelten. Vor allem auch deswegen, weil er wie kein anderer Zigeunerexperte“ nach 1945 seine Forschungen „im Kontext seiner Tätigkeit als Amtsarzt des Gesundheitsamtes in Landau, als Sachverständiger für Zigeunerfragen“ beim Bundesministerium für Jugend und Familie und schließlich als Berater bei diversen Verbänden und der Zigeunerseelsorge“ der Katholischen Bischofskonferenz bis 1979 ausübte. Arnold war bisher immer noch tatkräftig bemüht, die mit ihm vertraute Eva Justin und den Leiter des Rassehygieneinstituts“, Robert Ritter, als vermeintliche Wissenschaftler zu rehabilitieren. Eva Justin brachte im Jahre 1949 Himmlers Planungsunterlagen des Völkermordes zu ihren alten Bekannten in die Landfahrerzentrale“ des bayerischen Landeskriminalamtes in München. Von dort übernahm Arnold in den Jahren 1960 bis 1964 diese NS-Akten (das waren die sogenannten Rassengutachten“, Stammbaumtafeln, Karteien, Fotos, Filme u.a.)34 und wertete mit Mitteln des Bundesinnenministeriums diese Akten für eine bessere polizeiliche Nutzbarkeit aus, um dann um so angeregter mit den Ziegeunerspezialisten“ der Polizei von München bis Hamburg zusammenzuarbeiten. Arnold bezeichnete Sinti und Roma als Nomaden und Bastarde“; mit seinem biologistischen Ansatz wollte er ein erbbedingtes Zigeuner-Gen“ beweisen, das für die psychischen und sozialen Dispositionen der Sinti und Roma ausschlaggebend sei.35 Hund (1996), der sich mit der rassistischen Konstruktion des Zigeuners“ befaßt, kommt zu folgendem Schluß: Das Zigeuner-Gen ist die ultima ratio des Zigeunerstereotyps: Mit ihm wird in den somatischen Kategorien des wissenschaftlichen Rassismus ein Jahrhunderte hindurch betriebenes rassistisches Kalkül systematisiert. Es hat von Anfang an auf der Addition von Fremdheit und gesellschaftlicher Aussonderung bestanden. Die Opfer der sozialen Entwicklung sind dadurch zu Fremdkörpern innerhalb des Zivilisationsprozesses erklärt worden.“ Die frühere Mitarbeiterin in Ritters Institut in Berlin, Sophie Erhardt, gegen die (und Adolf Würth) 1961 die Kölner Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren eröffnet und 1963 eingestellt hatte, übernahm schon 1947 die sogenannte Anthropologische Kartei“ (eine Sammlung mit Fotos, Handabdrücken, Schädelvermessungen u.a.) in ihr Institut an der Universität Tübingen. 1949 habilitierte sie; 1958 wurde sie Professorin in Tübingen. Noch 1969 veröffentlichte sie einen Aufsatz über Zigeunerschädel“ und 1974 über Handfurchen bei Zigeunern“. Die Akten des Völkermordprogramms, mit denen Arnold und Erhardt gearbeitet hatten, wurden auf Protest der Sinti in das Bundesarchiv in Koblenz überstellt. Dort liegen heute die Akten von rund 20.000 ermordeten deutschen Sinti und Roma. Nur die „Rassengutachten“, die eigentlichen Todesurteile, sind zwischen Landau und Tübingen verschwunden. Die Bürgerrechtsbewegung gegen Diskriminierung und behördliches Unrecht Es gehört daher mit zu der Erbschaft der BRD aus dem Nationalsozialismus, daß bürgerrechtliche oder außerparlamentarische Bewegungen in der politischen Kultur keinen ausgewiesenen Platz haben und mit einem Verdikt der Politik rechnen müssen, wenn sie von der Politik Rechte, Schutz und Anerkennung einfordern. Ohne politische Macht ausgestattet müssen Bürgerrechtsbewegungen sich zunächst auf gesellschaftliche Prinzipien und Grundrechte berufen, um deren Verwirklichung anzumahnen. Es gehört zur Ambivalenz solcher Bemühungen, daß der Kampf um die öffentliche Wahrnehmung des Unrechts und der Diskriminierung gegenüber den Sinti und Roma primär ein Abarbeiten manifester Ungleichbehandlungen und gesellschaftlicher Versäumnisse der Bundesrepublik war, der wiederum nur wenig oder keine Bündelung der Kräfte zur konkreten Ausgestaltung der gegenwärtigen und künftigen Lebenssituation der Minderheit zuließ. Die Bürgerrechtsarbeit gegen den Behördengeist der Ausgrenzung und Kriminalisierung, gegen die Verleugnung des Völkermordes glich bis zur Anerkennung des Völkermords aus rassischen“ Gründen durch die Bundesregierung im Jahr 198 einer Sisyphos-Arbeit, die sich gegen eine massive Abwehr aller gesellschaftlichen Institutionen und für eine Anerkennung als eigenständige Minderheit schier aufzureiben drohte. Erst die Aktionen der einzelnen Sinti und Roma-Verbände - die Kundgebung im ehemaligen KZ Bergen-Belsen im Jahr 1979 sowie vor allem der Hungerstreik in Dachau im Jahr 1980 - fanden zunehmend öffentliche Aufmerksamkeit. Im Februar 1982 schlossen sich die Landesverbände im „Zentralrat Deutscher Sinti und Roma“ mit Sitz in Heidelberg zusammen und konnten nun gemeinsam die unglaublichen und offenen verfassungswidrigen Umstände bekannt machen. Die Kernpunkte der folgenden Öffentlichkeitsarbeit kreisten um Diskriminierung, Kriminalisierung durch die Behörden, Stigmatisierung in den Medien; Verleugnung des Völkermords an der Minderheit sowie um den manifesten und latenten Antiziganismus in der bundesrepublikanischen Gesellschaft. a) Proteste und Aktionen gegen polizeiliche Sondererfassung und Übergriffe Nach mehrfachen vergeblichen Versuchen der Verständigung und des Abbaus von Vorurteilen in den Behörden, insbesondere bei diversen Polizeidienststellen, warf der Zentralrat im Oktober 1984 den Innenministern von Bund und Ländern vor, ihre Polizeibehörden praktizierten eine Art Rassenbekämpfung“ gegen die gesamte Minderheit in Deutschland. Aufgebauschte, diskriminierende Berichte der Polizei an die Presse über angeblich besonders typische Zigeuner“- oder Landfahrer“-Kriminalität - so das Schreiben des Zentralrates an die Minister - sorgten verstärkt seit einem Jahr bei der Bevölkerung für massive antiziganistische Vorurteile und Fremdenhaß. Polizeibehörden beschränken sich in ihrer Berichterstattung bewußt nicht auf die Tat und Tatverdächtige, sondern stellten in ihren Meldungen und Pressegesprächen gezielt die ethnische Zugehörigkeit der Minderheit in den Vordergrund. Nach einem Bombenanschlag im Januar 1982 in Darmstadt auf ein Haus, in dem Roma-Familien wohnten, hatte ein erster Appell an die Minister keinen Erfolg gefunden, der den Schutz des Rechtsstaates auch für die Minderheit hätte gelten lassen. Statt dessen unterliefen sie alle Bemühungen des Zentralrates um die bürgerrechtliche Gleichbehandlung. Gewaltanschläge nahmen seither im Bundesgebiet weiter zu. b) Aktionen gegen Etikettierung: vom Zigeuner“ über Landfahrer“ zum HAWO-Etikett Der Einsatz gegen die Kriminalisierungsstrategien der Polizei waren ein Kernpunkt der Bürgerrechtsarbeit. Diese sind nicht neu, schon seit 1951 hatte sich Uschold auf die Forschungsarbeiten der letzten Zeit“ berufen, die von Ritters Institut mit größter Gründlichkeit vorgenommen“ worden seien. Sie sollten die Basis für die erkennungsdienstliche und polizeiliche Arbeit sein. Diese Strategien entsprachen dem polizeilichen Feindbild, denn wie sein Kollege Georg Geyer 1957 in der bayerischen Polizeizeitung feststellte, (haben) alle Maßnahmen und Verfolgungen den Lebenswillen der Zigeuner nicht zu brechen vermocht.“ Insbesondere diese Beamten aus München setzten sich seit den 50er Jahren auf Tagungen des BKA dafür ein, unter Umgehung des Grundgesetzes, bundesweit als Synonym für „Zigeuner“ den (ebenfalls aus der NS-Zeit stammenden) Begriff Landfahrer“ zu verwenden. Dieser neue Begriff meine nicht Rasse“, sondern solle soziologisch klingend den Hang zum Umherziehen“, den ständig geänderten Aufenthaltsort“, den reisenden Tatverdächtigen“ oder die unstete Lebensweise“ beschreiben; so lauteten die Legitimationsversuche der Polizei. Ideologisch wie in der polizeilichen und kriminologischen Arbeit blieb eine strenge Analogie zur NS-Rassenideologie bestehen, deren Kriterium der Rassenzugehörigkeit nun als Zugehörigkeit zur ethnischen Gruppe umgedeutet wurde. Diese projektive Verschiebung und Identifikation von sozialen Verhaltensweisen auf und mit einer ethnischen oder sozialen Gruppe definierte das Zigeuner(un)wesen“ als fixierte Bezugsgröße für die ganze Minderheit. Sie schrieb über das Wesen des Zigeuners“ die soziale Unveränderbarkeit der Sinti und Roma fest: Bei der zu Beobachtung stehenden Personengruppe handelt es sich um ... Zigeunermischlinge ..., bei denen - biologisch unterstellbar - ein Konzentrat negativer Erbmasse zu verzeichnen sein dürfte (Verschlagenheit, Hinterhältigkeit, Brutalität, Trunksucht, Selbstmordneigungen usw.)“. Zigeuner“, Landfahrer“, TWE oder HAWO werden zur Täterbeschreibung und zum Volksgruppenetikett. Wie in einem Brennglas wird hier die Struktur der rassistischen Konstruktion des Zigeuners“ aufgeworfen und die Kontinuität der NS-Ideologie weiter geschrieben. Grundsätzlich scheint hier auch die behördliche Ratio und der polizeiliche Pragmatismus in Frage zu stehen, die offenbar auf Effektivität und unmißverständliche Vorgaben bedacht, jedes ethische Verhältnis ausschalten und damit jede Verantwortlichkeit ausschließen. Da diese Vorgehensweise des bürokratischen Rationalismus die Möglichkeit kommunikativen Handelns, die allein Aufklärung versprechen könnte, ausschaltet, indem eine technische, pragmatische oder sonstige Notwendigkeit behauptet wird, verwundert es nicht, daß die Behörden - sich selbst immunisierend - taub gegen die Argumente der Sinti und Roma blieben und gebetsmühlenartig von kriminologischen Erfordernissen fabulierten. Erst 1984 teilte Staatssekretär Spranger nach einem Gespräch im Bundesinnenministerium mit, daß die Landfahrer“-Erfassung beendet werde und die rassistische Bezeichnung auch im internen Sprachgebrauch nicht mehr verwendet werde. Was hatte diesen Bewußtseinswandel bewirkt? Tatsächlich war im Mai 1983 nach der Streichung der Landfahrer“-Erfassung - angeblich 1980 - und des Computerkürzels ZN“ für Zigeunername“ - 1984 - im polizeilichen Überwachungs- und Informationssystem das neue Kürzel HAWO“ für häufig wechselnder Aufenthaltsort“ in allen Bundesländern eingeführt worden. HAWO“, hieß es, habe absolut nichts mit der Minderheit zu tun, sondern sei dringend erforderlich zur Erfassung des kriminologisch so bedeutsamen Phänomens des Umher-Reisens von Tatverdächtigen. Welche Bedeutsamkeit“ ein häufig wechselnder bzw. ständiger Aufenthaltsort für einen Tatverdacht habe, blieb jedoch Ermessenssache“ der Polizei. Beurteilungs- oder Bewertungskriterien gab es keine. c) althergebrachte Propaganda gegen Minderheiten: Verbrecherbanden“ und Seuchengefahr“ Ein Streitpunkt mit Innenminister Schnoor war die Einrichtung einer Sonderkommission bei der Dortmunder Polizei, die sich unter dem vermeintlich sachbezogenen Titel TWE“ für Tageswohnungseinbrüche“ beschäftigt; genauer nur mit Angehörigen der Minderheit; genauer: mit drei aus dem ehemaligen Jugoslawien stammenden, heimatlosen Roma-Familien, die 1982 in Dortmund Wohnungen erhielten. Die Behörden versuchten sie jedoch immer wieder zu vertreiben. Die bundesweite Propaganda dieser Kommission zielte auf Vorurteile in der Bevölkerung und bei Sozialbehörden, auf neue Sondergesetze gegen die Sinti und Roma und auf eine offizielle Bundeszentrale beim BKA. Diese Sonderkommission stellt einen Verstoß gegen das Grundgesetz und die UN-Menschenrechtskonvention dar. Die Strafverfolgungsbehörden waren trotz massiver Vorverurteilungen der erwachsenen Roma, sie hätten als Bandenkriminelle“ mit Folter“ ihre Kinder zu 10.000 Einbrüchen gezwungen“ und damit der deutschen Bevölkerung einen Schaden von ca. 70 Millionen DM zugefügt, offensichtlich in Beweisnot. Das Oberlandesgericht Hamm im November und Dezember 1984 hob, da die Vorwürfe nicht aufrechterhalten werden konnten, die Untersuchungshaft auf. Die Beschuldigten wurden in Kooperation zwischen Staatsanwaltschaft und Ausländeramt am 18. Januar 1985 abgeschoben, obwohl die Behörden bereits in der Presse ein Gerichtsverfahren gegen die von ihnen so bezeichnete Zigeuner-Baby-Bande“ angekündigt hatten. Innenminister Schnoor hatte die Abschiebeverordnung am 17. Januar 1985 trotz des Protestes des Zentralrates unterschrieben. Eine Aufklärung der ungeheuerlichen Anschuldigungen in einem rechtsstaatlichen Verfahren wurde so vereitelt. Nach Auskunft des Ministers war u.a. der Tatvorwurf von 10.000 Einbrüchen auf 300 reduziert worden. Warum das OLG Hamm allerdings die Haftbefehle aufgehoben hatte, wollte zunächst keiner der Beamten im Innenministerium wissen. Mit einer eben solchen Hetze wurde im August 1983 in Darmstadt von OB Metzger vier Roma-Familien unmittelbar vor ihrer Rückkehr aus dem Urlaub das Haus samt Mobiliar und Kupferwerkstatt niedergerissen. Im April 1984 wurden sie aufgrund polizeilicher Erkenntnisse“ abgeschoben, obwohl das Verwaltungsgericht Darmstadt feststellte, daß die angebliche Kriminalität sich auf wenige Führerschein- und Verkehrsdelikte beschränkte. Im Rechtsstreit, den OB Metzger gegen den Zentralrat führte, sagte Simon Wiesenthal am 24. Januar 1985 vor dem Oberlandesgericht in Frankfurt, die von Metzger vorgetragene Rechtfertigung des Abrisses wegen Seuchengefahr“ erinnere ihn an seine eigene Verfolgung. Mit diesem Schlagwort hätten die Nazis den Haß gegen Juden und Zigeuner“ geschürt. d) weitere Schwerpunkte der Bürgerrechtsarbeit Der oben beispielhaft angeführten Auseinandersetzung mit den Polizeibehörden korrespondieren ähnlich strukturierte Konflikte durchgängig mit fast allen relevanten Institutionen und gesellschaftlichen Gruppen beispielsweise mit den Medien und den Kirchen, aber mit auch den für Schule und Unterricht verantwortlichen Behörden, die nach wie vor einerseits mit diskriminierendem Unterrichtsmaterial, andererseits mit Desinformation über die Geschichte und Kultur der Minderheit aufwarten. Ohne Übertreibung kann man festhalten, daß die allgemeine Aufarbeitung des Nationalsiozialismus und des Zivilisationsbruches von Auschwitz ebenso wie die spezifisch selbstreflexive der jeweiligen Institutionen ebenso wenig gelungen scheint, wie Selbstaufklärung der bundesrepublikanischen Gesellschaft hinsichtlich der antiziganistischen Ressentiments und Zigeunerbilder“. Noch immer scheint es, daß die Betroffenen und Opfer des Unrechts sich selbst ins Recht setzen müssen, wenn sich etwas an ihrer aktuellen Lebenssituation ändern soll. Einen nicht geringen Teil hat die Bürgerrechtsbewegung zu dieser Aufklärung und Veränderung beigetragen, indem sie z.B. Recherchen über und die Einleitung von Verfahren gegen NS-Verbrecher unternommen, wesentliche Beiträge zur Dokumentation des Völkermordes an den Sinti und Roma beigetragen, die Entschädigung der Überlebenden durchgesetzt und bearbeitet hat. Hinzu kommen Gedenk- und Informationsveranstaltungen in den Städten und Kommunen, in Schulen und Bildungseinrichtungen. Und schließlich hat sich die internationale Zusammenarbeit mit Bürgerrechts- und Menschenrechtsorganisationen als sinnvoll erwiesen, insbesondere die Beiträge zur Durchsetzung der Rahmenkonvention des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten, das von der Bundesregierung 1995 in Straßburg unterzeichnet und 1997 im Deutschen Bundestag ratifiziert wurde. Anerkannt als nationale Minderheiten wurden in der BRD die Dänen, die Sorben, die Friesen sowie die Sinti und Roma. Bis die Verpflichtungen des Rahmenübereinkommens - der besondere Schutz vor Diskriminierung und die Förderung in allen relevanten gesellschaftlichen Bereichen, vor allem im Bereich der Bildung, der Kultur, dem Sozialen und den Medien - in öffentlich-rechtliche Verträge wirkungsvoll umgesetzt werden, werden die ca. 70.000 deutschen Sinti und Roma weiterhin streiten müssen. (http://www.theo-physik.uni-kiel.de/~starrost/akens/texte/info/30/83.html) (http://www2.tagesspiegel.de/archiv/1996/07/27/sinto.html) (http://www.dir-info.de/nachrichten/infolinks/97/12/971220e4ac9494.htm) (http://www.lpb.bwue.de/publikat/sinti/sinti6.htm) (http://www.lpb.bwue.de/publikat/sinti/sinti9.htm) Sonderkommandos Auschwitz war Zentrum der nationalsozialistischen Vernichtungsaktionen, vor allem im Rahmen der „Endlösung der Judenfrage“. In den Gaskammern von Auschwitz – Birkenau wurde das Töten von Menschen über Jahre hinweg fabrikmäßig betrieben. Arbeiter in der Todesfabrik waren die Mitglieder der sogenannten Sonderkommandos. Es handelte sich um jüdische Häftlinge, die von der SS zur Arbeit im Herzen der Verbrechen abgestellt wurden. Selbst Opfer des nationalsozialistischen Terrors, waren sie gezwungen, bei der „Sonderbehandlung“ tausender Unschuldiger mitzuhelfen. „Die Erfindung und Aufstellung der Sonderkommandos ist das dämonischste Verbrechen des Nationalsozialismus gewesen.“ (Primo Levi). Die Häftlinge der Sonderkommandos mußten die grauenvollsten Aufgaben übernehmen, immer den Tod im Nacken, der für sie als Augenzeugen des Geschehens von Anfang an besiegelt war. Ihre Gesamtzahl schwankte in den Jahren 1942 - 45 zwischen 400 und über 1.000. Regelmäßig fanden Vernichtungsaktionen einzelner Teile statt, die letzte am 26.11.1944. Sie genossen eine materiell bevorzugte Stellung gegenüber den übrigen Häftlingen. Sie durften zivile Kleidung tragen und von den ankommenden Transporten mitgebrachte Nahrungsmittel an sich nehmen. Untergebracht waren sie in isolierten, gut ausgestatteten Blocks und zuletzt in den Obergeschossen der Krematoriumsbauten. Ihre Aufgaben, die in verschiedenen Gruppen ausgeführt wurden, waren Teile der massenhaften Tötung. Sie führten die zum Tode Verurteilten zu den Gaskammern, halfen ihnen bei der Entkleidung und beruhigten sie. Während der Vergasung mußten sie die im Entkleidungsraum zurückgelassenen Gegenstände sortieren und fortschaffen. Danach zogen sie die Leichen aus den Gaskammern, transportierten sie zu Verbrennungsgruben oder später zu den Verbrennungsöfen, schnitten ihnen die Haare ab, brachen Goldzähne heraus, einer der Überlebenden der Sonderkommandos beschreibt seine Aufgabe folgendermaßen: „Sobald ein Transport eintraf, waren wir für die ankommenden Menschen verantwortlich. Wir mußten ihnen auf Befehl der Deutschen sagen, sie sollten sich ausziehen und in die Duschen gehen. Das war jedoch nicht das, was sie erwartete. Das war unsere Arbeit dort. Neben dem Entkleidungsraum war die Gaskammer, die wie ein Duschraum aussah. Nachdem die Menschen sich ausgezogen hatten und in die Duschen gegangen waren, wurden sie vergast.“ Die Häftlinge standen unter hohem psychischen Druck. Sie mußten hautnah miterleben, wie täglich Hunderte in den Tod gingen, ohne ihnen helfen zu können. Während ihrer Arbeit jedoch entwickelten die meisten eine Art Routine, sie gewöhnten sich an den ständigen Anblick der Toten, sie fühlten sich nur noch als willenlose Maschinen. Die Aussichtslosigkeit ihrer Lage ließ sie aber auch zu Kämpfern werden. In ständiger Verbindung zur allgemeinen Widerstandsbewegung planten sie einen Aufstand, der dann auch am 07. Oktober 1944 zum Ausbruch kam. In der Furcht vor einer Tötungsaktion der SS unter Sonderkommando-Häftlingen schlugen sie los, ohne den geplanten Aufstand des gesamten Lagers abzuwarten. Der berüchtigte Kapo Karl wurde bei lebendigem Leib verbrannt, drei SS-Männer wurden getötet, zwölf weitere verletzt, das Krematorium III wurde zerstört. Die SS schlug jedoch zurück, die Flucht gelang keinem der beteiligten Häftlinge, in den Tagen und Wochen danach wurden ca. 450 Menschen getötet. Insgesamt überlebten nur wenige Mitglieder der Sonderkommandos. Oft wurden die Sonderkommandos auf die Seite der Schuldigen gestellt, dagegen waren sie nur „kleine Schrauben im Getriebe der Todesindustrie“ (Josef Sackar). Primo Levi bemerkt dazu: „Mit Hilfe dieser Einrichtung wurde der Versuch unternommen, das Gewicht der Schuld auf andere, nämlich auf die Opfer selbst, abzuwälzen, so daß diesen - zur eigenen Erleichterung - nicht einmal mehr das Bewußtsein ihrer Unschuld bleiben würde. Es ist weder leicht noch angenehm, diesen Abgrund von Niedertracht auszuloten, aber dennoch bin ich der Meinung, daß man es tun muß; denn war gestern verübt werden konnte, könnte morgen noch einmal versucht werden und uns selbst oder unsere Kinder betreffen.“ http://www.dir-info.de/ Wir weinten tränenlos Interview mit Gideon Greif, dem ‚Sonderkommando-Forscher‘ Nr.1 haGalil: Was war das Sonderkommando? Greif: Das war eine Gruppe von jüdischen Häftlingen, die sich entwickelte von einer kleinen Gruppe zu einem riesigen Kommando, das zu seiner Spitzenzeit um die 900 Personen umfaßte. Diese Menschen wurden gezwungen, die fürchterlichsten Arbeiten, die jemand auf der Welt verrichten mußte, zu erledigen, nämlich: Juden, die zum Tode verurteilt waren, zu empfangen in der Entkleidungshalle des Krematoriumsgebäudes, später ihre Leichen aus der Gaskammer zu holen, die Leichen zu verbrennen und schließlich ihre Asche in den Fluß Wistula zu streuen. haGalil: Auch wurde der Ausdruck von „Auschwitz als der Todesfabrik“ geprägt. Wie erklären Sie sich diesen Wirtschaftsbegriff? Greif: Ziel der Nazis war es, die Juden so schnell und so billig wie möglich zu ermorden. Und überhaupt muß man betonen, daß die Todesfabrik die einzige neue Erfindung der Nationalsozialisten war, denn Antisemitismus gibt es seit 3.000 Jahren, Ghettos einige Jahrhunderte.... So eine industrielle Tötung ist die Erfindung der deutschen Nazis. So etwas hat es davor nie gegeben. Die Häftlinge waren unfreiwillige Mitarbeiter des Unternehmens Auschwitz, der Todesfabrik. Wenn man überprüft, wie Auschwitz, Majdanek, Sobibor, Chelmno ... funktioniert haben, dann ist das am ehesten mit einer Fabrik zu vergleichen. Es gab Nachtschichten, Frühschichten, Mitarbeiter - prominente und einfache - usw., alles, was zu einer normalen Fabrik dazugehört. Die einzigen zwei Unterschiede bestanden im Rohmaterial, Menschen, in diesem Fall meistens Juden, und dem Endprodukt, nämlich menschlicher Asche. haGalil: Wie hat die Arbeitsstätte dieser Häftlinge ausgesehen? Greif: Am Anfang haben die ersten „Sonderkommando“-Leute noch im Krematorium des Stammlagers Auschwitz gearbeitet, wo man die ersten Transporte liquidiert hat, und erst im Mai 1942 wurde die systematische Vernichtung im Komplex Birkenau mit der Ermordung von Transporten in den sogenannten „Bunkern“ I und II begonnen. Dort mußten sich die Opfer in zwei großen Holzbaracken ausziehen, die „Sonderkommando“-Leute waren schon dabei und haben den Leuten gesagt, daß sie ein Bad oder eine Dusche erwartet. Damit vollzogen sie nur einen Befehl der SS, das zu wiederholen, was den ankommenden Opfern bereits auf dem Weg dorthin - ihrem letzten Weg - oder im Vorhof der Krematorien von der SS gesagt wurde. Dann mußten die Opfer zu den als Bauernhäuser getarnten Gaskammern laufen. Nach der Ermordung wurden die Leichen von den „Sonderkommando“-Leute herausgetragen und auf kleinen Karren zu den Gruben befördert, hineingeworfen und verbrannt. So primitiv wurden die Juden vergast und verbrannt bis Mitte 1943. Dann wollten die Täter eine bessere Fabrik, wo alles unter einem Dach funktioniert: Ausziehen, Vergasen und Verbrennen, um den „Prozeß“ zu beschleunigen. Unter der Leitung der SS-Bauzentrale haben deutsche Ingenieure innerhalb kurzer Zeit die Krematorien I-IV in Birkenau fertiggestellt. Von Mai / Juni 1943 bis Ende 1944 werden in diesen Todesfabriken mindestens 1,1 Millionen jüdische Kinder, Frauen, Säuglinge und ältere Leute vernichtet, die man von der Rampe direkt in die Krematorien führte. haGalil: Primo Levi hat das „Sonderkommando“ als das dämonischste Werk der Nationalsozialisten bezeichnet. Was ist das eigentlich teuflische an diesem „Sonderkommando“? Greif: Das teuflische ist, daß die Juden selber - gezwungenermaßen - dabei sein mußten beim Mordprozeß und zusehen mußten, wie ihre Brüder, Geschwister, Eltern, Familien ... und ihr Volk, das jüdische Volk, ermordet wurde. Als Mitarbeiter mußten sie sich daran beteiligen, die Opfer zu belügen und zu täuschen. Ich glaube man kann sich etwas schlimmeres gar nicht vorstellen - und das war Absicht, kein Zufall oder ein Mangel an anderen Mitarbeitern. Da waren Tausende von anderen Häftlingen oder die SS hätte es selber machen können, aber es war eine Idee, nämlich, daß die Juden selber Schuld fühlten. Das paßte zu den Ideen der Nationalsozialisten, wie die Tatsache, daß die späteren Opfer manchmal ihre Fahrkarte nach Auschwitz selbst kaufen mußten. „Du mußt sterben, aber Du mußt auch bezahlen“. Oder das einige Judenräte die Listen selber vorbereiten mußten, wer deportiert wird und wer nicht. Das paßte sehr gut in die Denkstruktur der SS-Leute, die Opfer in das Verbrechen zu involvieren, oder besser gesagt, die Schuld zu teilen, nicht nur Täter und Opfer, sondern alles gemischt. Das ist sehr typisch, charakteristisch, das ist zynisch, sadistisch, das ist brutal, das ist dämonisch, wie Primo Levi sagt. Soll sich mal jeder der Leser vorstellen, er oder sie müßte die Leiche der eigenen Mutter oder Frau oder Kinder selber aus der Gaskammer herausholen und verbrennen. Ich glaube, es gibt nichts schlimmeres als das. haGailil: Die SS zwang die Mitarbeiter des Sonderkommdos dazu, inmitten von Tausenden von Leichen des eigenen Volkes zu arbeiten. Sie haben mit sehr vielen Überlebenden gesprochen. Wie kamen diese Menschen mit ihrer Arbeit zurecht? Greif: Das ist eine wichtige Frage, auf die wir heute wohl - und vielleicht nie - eine Antwort werden geben können. Diese Leute selber sagen, „man gewöhnt sich an alles.“ Wenn man muß, wenn man keine andere Wahl hat, dann gewöhnt man sich daran. Und scheinbar ist das so. Außerdem hatten die SS-Leute dort eine spezielle Taktik, wie sie die Häftlinge zu Robotern, menschlichen Maschinen, machten. Und zwar war das so, daß am ersten oder zweiten „Arbeitstag“ im Sonderkommando die neuen Mitarbeiter in eine Baracke geführt wurden, in der einige hundert Leichen gestapelt waren. Und für diese jungen Leuten, die meisten Anfang zwanzig, die nie vorher eine tote Person gesehen hatten, bedeutete dies einen solchen Schock, daß viele später überhaupt nicht mehr denken oder fühlen konnten. Ich glaube die Deutschen in Auschwitz haben die Gefühle der jüdischen „Sonderkommando“-Häftlinge getötet, was die Häftlinge zu roboterähnlichen Gestalten werden ließ. Nicht nur die Opfer wurden physisch ermordet, sondern auch die Gefühle der Mitarbeiter in der Todesfabrik. haGalil: Gab es Widerstand im Sonderkommando? Greif: Es wurde versucht, etwas gegen die deutschen Mörder zu unternehmen und den Prozeß des Mordens zu stoppen, Widerstand zu leisten. Zum Beispiel gelang es Photos von der Leichenverbrennung aus dem Lager zu schmuggeln. Andere - meist sehr religiöse Juden - dokumentierten das Leben im „Sonderkommando“ in geheimen Schriften, die sie um die Krematorien vergruben. Darin beschreiben sie die tägliche Arbeit, die Atmosphäre, die Täter, die letzten Minuten der Opfer, ihre Ideale usw. Die „geheimen Schriften“ gehören zu den wichtigsten und eindringlichsten Dokumenten der Shoa. Auch ging vom Sonderkommando der einzige bewaffnete Aufstand in Auschwitz aus. Am 7.Oktober 1944 kamen die Deutschen mit einer Liste, um 300 Mitarbeiter des „Sonderkommandos“ auszuselektieren und danach zu liquidieren. Doch die Häftlinge weigerten sich und begannen den bewaffneten Aufstand im Hof des Krematoriums III, in dessen Verlauf drei SS-Männer getötet und mindestens zehn schwer verletzt werden. Unter anderem wurde das Krematorium III in Flammen gesetzt und konnte nie wieder in Stand gesetzt werden. Eine andere Gruppe in einem anderen Krematorium versuchte daraufhin zu fliehen. Innerhalb von fünf bis sechs Stunden wurde der Aufstand blutig niedergeschlagen. Alle Mitarbeiter des Sonderkommandos, die sich aktiv daran beteiligt hatten, - bis auf drei, die sich noch rechtzeitig im Chaos in ein anderes Krematorium schleichen konnten - wurden erschossen. Dieser Aufstand zeugt vom Heldentum der „Sonderkommando“-Leute, die genau wußten, daß sie gegen die schwer bewaffnete SS keine Chance hatten. Dennoch haben sie diesen Kampf aufgenommen, allein, damit die Welt irgendwann erfährt, daß sie nicht wehrlos waren. haGalil: Die Häftlinge des „Sonderkommandos“ waren Augenzeugen der schlimmsten Verbrechen der Nationalsozialisten, und daher sollte, nach Planungen der SS, keiner von ihnen das Lager jemals lebendig verlassen. Wieso konnten dennoch einige entkommen? Greif: Warum sie nicht ermordet wurden, ist unklar, scheinbar herrschten im Lager in den Tagen vor der Evakuierung chaotische Zustände. Fest steht nur, daß etwa 100 „Sonderkommando“-Häftlinge, als die Rote Armee immer näher rückte, in einer Baracke ausharrten und ihren Tod erahnten. Am 18.Januar begann die SS das Lager zu räumen und alle Häftlinge Richtung Westen auf den sogenannten Todesmärschen ins Reich zu evakuieren. Die „Sonderkommando“-Häftlinge rechneten als Geheimnisträger des Dritten Reiches jede Stunde mit ihrer Ermordung. Doch plötzlich stieß jemand die Tür auf und binnen Minuten mischten sie sich unter die marschierenden Kolonnen und verließen so das Lager. Kaum einer hatte zu große Hoffnungen gehegt, in die Freiheit zu kommen. ... http://www.hagalil.com/shoah/holocaust/greif.htm Speer, Albert (1905-1981) Hitlers Architekt und von 1942 bis 1945 deutscher Rüstungsminister Speer wurde als Sohn eines wohlhabenden Architekten in Mannheim geboren. 1925 begann Speer, Architektur in Berlin zu studieren, 1927 wurde er Universitätsassistent. 1930 hörte er zum ersten Mal Hitler sprechen und war von der Überzeugungskraft des nationalsozialistischen „Führers“ überwältigt. Im Januar 1931 trat er in die ®NSDAP ein. 1932, mittlerweile arbeitslos, übernahm Speer den Auftrag zum Umbau des Berliner Gauhauses der Partei. Kurz nach der ®Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde Speer mit seinen ersten großen Aufträgen belohnt: Er durfte Joseph ®Goebbels Ministerwohnung neu gestalten und die Berliner Feiern zum 1. Mai inszenieren. Seine Arbeit an diesen beiden Projekten erregte ®Hitlers Aufmerksamkeit; bei der Arbeit für Goebbels bewies Speer organisatorische Fähigkeiten, und beim Festzug zum 1. Mai stellte er zum ersten Mal die Grundelemente jenes Spektakels zur Schau, das Modell für alle künftigen Parteitage und Parteifeiern war. Hitler erteilte Speer persönlich Aufträge, wie etwa den Umbau der Reichskanzlerwohnung, und im Lauf ihrer Zusammenarbeit entwickelten sich zwischen beiden enge freundschaftliche Bindungen. Hitler sah offenkundig in dem begabten jungen Mann die Verkörperung seiner eigenen unerfüllten Jugendträume. Er eröffnete Speer den Zutritt zum inneren Zirkel, erschloss ihm neue Betätigungsfelder und gestattete ihm ein Maß an Selbständigkeit wie keinem anderen Mitglied seines Gefolges. Speer wiederum leistete Hitler außerordentliche Dienste und war ihm absolut ergeben. 1934 trat Speer als Hitlers Architekt an die Stelle von Paul Ludwig Troost, der Anfang des Jahres gestorben war. Er widmete sich zwei großen Projekten: einen Plan für die „Neugestaltung“ Berlins zu entwerfen und eine ständige Anlage für Parteitage und Parteiaufzüge in Nürnberg (®NS-Parteitage)zu bauen. Für beide Projekte entwarfen Hitler und Speer gemeinsam gigantomane Baupläne, die von der Macht und Dauer des Reichs und seines Regimes zeugen sollten. 1937 wurde Speer offiziell zum Generalbauinspekteur für die Reichshauptstadt Berlin ernannt. Das bedeutete u. a., daß eine besondere Abteilung seiner Dienststelle, die Hauptabteilung Umsetzung, zuständig war für die Wohnungen von Berliner ®Juden, die 1939 zwangsgeräumt wurden (®Arisierung). Die Wohnungen wurden nichtjüdischen Bewohnern anderer Gebäude zugewiesen, die Speers Bauprogramm welchen mussten bzw. während des Kriegs ausgebombt wurden. Als im Herbst 1941 die ®Deportation von Berliner Juden „in den Osten“ begann, hatte Speers Amt noch mehr Wohnungen zu vergeben. Als Fritz Todt im Februar 1942 durch einen Flugzeugunfall ums Leben kam, wurde Speer zu seinem Nachfolger als Reichsminister für Bewaffnung und Munition ernannt; im September 1943 erhielt er den Titel Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion. In dieser Eigenschaft gelang es ihm mit Hilfe von Millionen ®Zwangsarbeitern sowie Konzentrationslagerhäftlingen, die Rüstungsproduktion entscheidend zu erhöhen, zur gleichen Zeit, als die Alliierten ihre Luftangriffe verstärkten. Der Rückhalt, den Speer bei Hitler fand, half ihm auch bei seinen Kämpfen mit altgedienten Parteimitgliedern und war ihm innerhalb der verworrenen Machtstrukturen nützlich, die typisch für die nationalsozialistische Führungsspitze waren. Gegen Ende des Kriegs verschlechterte sich Speers Verhältnis zu Hitler, aber erst in den allerletzten Wochen vollzog sich ein einschneidender Wandel. Entgegen einer ausdrücklichen Anordnung Hitlers setzte sich Speer nicht für die Zerstörung von Industrieanlagen und lebenswichtigen Einrichtungen in jenen Teilen Deutschlands ein, die vor der Eroberung durch die Alliierten standen. Später behauptete Speer, er habe auch geplant, Hitler zu ermorden, was aber unwahrscheinlich ist. Nach dem Krieg wurde Speer vor dem Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg (®Nürnberger Prozesse) als Kriegsverbrecher angeklagt. Ihm wurde der Einsatz von Zwangsarbeitern und Häftlingen aus den ®Konzentrationslagern vorgeworfen. Ungewöhnlich an seinem Verfahren war, daß er sich zu seiner Verantwortung für Handlungen des nationalsozialistischen Regimes bekannte, und zwar auch für solche Handlungen, von denen er seiner Behauptung nach keine Kenntnis hatte. Er wurde in zwei Punkten, dem der Kriegsverbrechen und dem der Verbrechen gegen die Menschlichkeit, schuldig gesprochen und zu 20 Jahren Haft verurteilt. (http://www.shoa.de/p_albert_speer.html) Spielzeug Bereits die jüngsten Mitglieder der Familien wurden der ideologischen Indoktrination des Nationalsozialismus ausgesetzt. Er durchdrang die kindliche Spiel- und Erlebniswelt: Die Puppenstube als Welt im Kleinen ist eine Widerspiegelung des Alltags. Motive aus dem Leben der ®Hitler-Jugend (HJ) und des Bundes Deutscher Mädel (BDM) schmücken die Küchentapete, das Erinnerungsabzeichen einer ®“Kraft-durch-Freude“- Reise zum Münchener Oktoberfest hängt über dem bäuerlich bemalten Küchentisch. Wohn- und Schlafzimmer sind mit Schillerbüste und Madonnenbildnis ausgestattet. Repräsentanten der herrschenden Ideologie, Adolf® Hitler, Hermann ®Göring und Benito Mussolini im Miniaturformat gerahmt, bilden das weitere Inventar des deutschen Alltags, den das Kind sich spielend aneignen sollte. Der 1933 gegründete „Reichsverband der Deutschen Spielwaren-, Korbwaren- und Kinderwagenhändler“ bot eine reiche Auswahl von Spielen und Spielzeugen an: vom einfachen hölzernen Legespiel, mit dem ein Nürnberger Bekleidungsgeschäft für seine Produkte warb, bis zum aufwendigen Blechspielzeug. Das „Braune Haus“ - so benannt nach dem Vorbild der Münchner Zentrale der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei ®(NSDAP) - bot mit abnehmbarem Dach und Beleuchtung den weit verbreiteten Lineol- und Elastolinfiguren einen idealen Spiel-Hintergrund. Die Mercedes-Kabriolimousine, in der der „Führer“ mit zum „deutschen Gruß“ erhobenem Arm das Kinderzimmer durchquerte, ist eine getreue Wiedergabe des Modells „770 K“, in dem Hitler auch zu den Reichsparteitagen (®NS-Parteitage) vorzufahren pflegte. Die Ausrichtung auf den „Führer“ und die Partei sollte zum zentralen Element im Leben des Kindes werden und die entscheidende Rolle bei der Erziehung übernehmen. Die Eltern hatten dahinter zurückzutreten. Kinderbücher förderten die systematische Erziehung zum Antisemitismus. Vor allem der Nürnberger Stürmer-Verlag trat durch Werke wie „Trau keinem Fuchs ...“ hervor. In mindestens sieben Auflagen erschienen, zeigte es in starkfarbigen Zeichnungen das gesamte antisemitische Repertoire des ®NS-Regimes und forderte des „Führers Jugend“ explizit zum Rassenhaß auf: „Den deutschen Führer lieben sie. Den Gott im Himmel fürchten sie. Die Juden, die verachten sie. Die sind nicht ihresgleichen; drum müssen sie auch weichen!“ Das Bilderbuch markierte einen traurigen Höhepunkt im Mißbrauch kindlicher Naivität und Beeinflußbarkeit. (http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/alltagsleben/spielzeug/index.html) Sprache des dritten Reiches ... Die LTI (Literii tertii Imperii = Sprache des dritten Reiches) ist bettelarm. Ihre Armut ist eine grundsätzliche; es ist, als habe sie ein Armutsgelübde abgelegt. „Mein Kampf“, die Bibel, des Nationalsozialismus, begann 1925 zu erscheinen, und damit war seine Sprache in allen Grundzügen buchstäblich fixiert. Durch die „Machtübernahme“ der Partei wurde sie 1933 aus einer Gruppen- zu einer Volks-. Sprache, d. h. sie bemächtigte sich aller öffentlichen und privaten Lebensggbiete : der Politik, . der Rechtsprechung, der Wirtschaft, der Kunst, der Wissenschaft, der Schule, des Sportes, der Familie, der Kindergärten und der Kinderstuben.. (Eine Gruppensprache wird immer nur diejenigen Gebiete umfassen, für die der Zusammenhang der Gruppe gilt, und nicht die Ganzheit des Lebens.) Natürlich bemächtigte die LTI sich auch, und sogar mit besonderer Energie, des Heeres; aber zwischen Heeressprache und LTI liegt eine Wechselwirkung vor, genauer: erst hat die Heeressprache auf die LTI gewirkt, und dann ist die Heeressprache von der LTI korrumpiert worden. Deshalb erwähne ich diese Ausstrahlung besonders. Bis in das Jahr 1945 hinein, fast bis zum letzten Tag - das „Reich“ erschien noch, als Deutschland schon ein Trümmerhaufen und Berlin umklammert war - wurde eine Unmenge Literatur jeder Art gedruckt. Flugblätter, . Zeitengen, Zeitschriften, Schulbücher, wissenschaftliche und schöngeistige Werke. In all dieser Dauer und Ausbreitung blieb die LTI arm und eintönig. Ich habe, wie sich mir gerade die Möglichkeit des Lesens ergab - wiederholt verglich ich meine Lektüre einer Fahrt im Freiballon, der sich irgendeinem Winde anvertrauen und auf eigentliche Steuerung verzichten muß -, bald den „Mythus des zwanzigsten Jahrhunderts“ und bald ein „Taschenjahrbuch für den Einzelhandelskaufmann“ studiert, jetzt eine juristische und jetzt eine pharmazeutische Zeitschrift durchstöbert, ich habe Romane und Gedichte gelesen, die in diesen Jahren erscheinen durften, ich habe beim Straßenkehren und im Maschinensaal die Arbeiter sprechen hören: es war immer, gedruckt und gesprochen, bei Gebildeten und Ungebildeten, dasselbe Klischee und dieselbe Tonart. Und sogar bei denen, die die schlimmst verfolgten Opfer und mit Notwendigkeit die Todfeinde des Nationalsozialismus waren, sogar bei den Juden herrschte überall; in ihren Gesprächen und Briefen, auch ihren Büchern, solange sie noch publizieren durften, ebenso allmächtig wie armselig, und gerade durch ihre ,Armut allmächtig, die LTI. Drei Epochen deutscher Geschichte habe ich durchlebt, die Wilhelminische, die der Weimarer Republik und die Hitlerzeit. Die Republik gab Wort und Schrift geradezu selbstmörderisch frei; die Nationalsozialisten spotteten offen, sie nähmen nur die von der Verfassung gewährten Rechte für sich in Anspruch, wenn sie in ihren Büchern und Zeitungen den Staat in all seinen Einrichtungen und leitenden Gedanken mit allen Mitteln der Satire und der eifernden Predigt zügellos angriffen. Auf den Gebieten der Kunst und der Wissenschaft, der Ästhetik und .der Philosophie gab es keinerlei Beschränkung. Niemand war an ein bestimmtes Dogma des Sittlichen oder des Schönen ‚gebunden, jeder konnte frei wählen. Man rühmte, diese vieltönige geistige Freiheit gern als einen ungemeinen und entscheidenden Fortschritt der kaiserlichen Epoche gegenüber. Aber war die Wilhelminische Ära wirklich soviel unfreier gewesen? Bei meinen Studien zur französischen Aufklärungszeit ist mir oft eine entschiedene Verwandtschaft zwischen den letzten Jahrzehnten des ancien regime und der Epoche Wilhelms II. aufgefallen. Gewiß, es gab unter dem XV. und XVI. Ludwig eine Zensur, es gab für Königsfeinde und Gottesleugner die Bastille und sogar den Henker, es wurde eine Reihe sehr harter Urteile gefällt - aber auf die Dauer der Epoche verteilt, sind es nicht allzu viele. Und immer wieder, und oft fast unbehindert, gelang es doch den Aufklärern, ihre Schriften zu veröffentlichen und zu verbreiten, und jede an einem der Ihrigen vollzogene Strafe hatte nur eine Verstärkung und Ausbreitung des rebellischen Schrifttums zur Folge. Sehr ähnlich herrschte unter Wilhelm II. offiziell noch absolutistische und moralische Strenge, es gab gelegentliche Prozesse wegen Majestätsbeleidigung oder Gotteslästerung oder Verletzung der Sittlichkeit. Aber der wahre Beherrscher der öffentlichen Meinung war der „Simplizissimus“. Durch kaiserlichen Einspruch kam Ludwig Fulda -um den Schillerpreis, der ihm für seinen „Talisman“ verliehen worden war; aber Theater, Presse und Witzblatt leisteten sich hundertmal schärfere Kritiken des Bestehenden als der zahme „Talisman“. Und in der unbefangenen Hingabe an jede aus dem Ausland stammende ‚geistige Strömung, und ebenso im Experimentieren auf literarischem, philosophischem, künstlerischem Gebiet, war man auch unter Wilhelm Il. unbehindert. Nur in den allerletzten Jahren des Kaisertums zwang die Notwendigkeit des Krieges zur Zensur. Ich selber habe nach meiner Entlassung aus dem Lazarett lange Zeit als Gutachter für das Buchprüfungsamt Oberost gearbeitet, wo die gesamte für Zivil und Militär des großen Verwaltungsgebietes bestimmte Literatur nach den Bestimmungen der Sonderzensur durchgesehen wurde, wo es also um einiges strenger zuging als in den Inlandzensuratellen. Mit welcher Weitherzigkeit wurde hier verfahren, wie selten wurde selbst hier ein Verbot ausgesprochen! Nein, in den beiden Epochen, die ich aus persönlicher Erfahrung übersehe, hat es eine so weitgehende literarische Freiheit gegeben, daß die ganz wenigen Fälle des Mundtotmachens als Ausnahmen, gelten müssen. Die Folge davon war, daß sich nicht nur die generellen Sparten der Sprache, als Rede und Schrift, als journalistdsche, wissenschaftliche, dichterische Form, frei entfalteten, daß es nicht nur allgemeine literarische Strömungen gab wie Naturalismus und Neuromantik und Impressionismus und Expressionismus, sondern daß ,sich auf allen Gebieten auch völlig individuelle Sprachstile entwickeln konnten. Man muß sich diesen bis 1933 blühenden und dann jäh absterbenden Reichtum vor Augen halten, um ganz die Armseligkeit der uniformierten Sklaverei zu begreifen, die ein Hauptcharakteristikum der LTI ausmacht. Der Grund dieser Armut scheint am Tage zu liegen. Man wacht mit einer bis ins letzte durchorganisierten Tyrannei darüber, daß die Lehre des Nationalsozialismus in jedem Punkt und so auch in ihrer Sprache unverfälscht bleibe. Nach dem Beispiel päpstlicher Zensur heißt es auf der Titelseite parteibetreffender Bücher: „Gegen die Herausgabe dieser Schrift bestehen seitens der NSDAP keine Bedenken. Der Vorsitzende der parteiamtlichen Prüfungskommission zum Schutze des NS.“ Zu Wort kommt nur, wer der Reichsschrifttumskammer angehört, und die gesamte Presse darf nur veröffentlichen, was ihr von einer Zentralstelle aufgegeben wird, höchstens daß sie den für alle verbindlichen Text in bescheidenstem Maße variieren darf - aber, dieses Variieren beschränkt sich auf die Umkleidung der für alle festgelegten Klischees. In den späteren Jahren des Dritten Reiches bildete sich die Gewohnheit heraus, daß am Freitagabend im Berliner Rundfunk ®Goebbels‘ neuester „Reich“Artikel einen Tag vor Erscheinen des Blattes verlesen wurde, und damit war jedesmal bis zur nächsten Woche geistig fixiert, was in sämtlichen Blättern des nazistischen Machtbereichs zu stehen hatte. So waren es nur ganz wenige Einzelne, die der Gesamtheit das alleingültige Sprachmodell lieferten. Ja, im letzten war es vielleicht der einzige Goebbels, der die erlaubte Sprache bestimmte, denn er hatte vor ®Hitler nicht nur die Klarheit voraus, sondern auch die Regelmäßigkeit der Äußerung, zumal der Führer immer mehr verstummte, teils um zu schweigen wie die stumme Gottheit, teils weil er nichts Entscheidendes mehr zu sagen hatte; und was etwa ®Göring und ®Rosenberg noch an eigenen Nuancen fanden, das wurde von dem Propagandaminister in sein Sprachgewebe eingewirkt. Die absolute Herrschaft, die das Sprachgesetz der winzigen Gruppe, ja des einen Mannes ausübte, erstreckte sich über den gesamten deutschen Sprachraum mit um so entschiedenerer Wirksamkeit, als die LTI keinen Unterschied zwischen gesprochener und geschriebener Sprache kannte. Vielmehr: alles in ihr war Rede, mußte Anrede, Anruf, Aufpeitschung sein. Zwischen den Reden und den Aufsätzen des Propagandaministers gab es keinerlei stilistischen Unterschied, weswegen sich denn auch seine Aufsätze so bequem deklamieren ließen. Deklamieren heißt wörtlich: mit lauter Stimme, tönend daherreden, noch wörtlicher: herausschreien..Der für alle Welt verbindliche Stil war also der des marktschreierischen Agitators. Und hier tut sich unter dem offen zutage liegenden Grund ein tieferer für die Armut der LTI auf. Sie war nicht nur deshalb arm, weil sich jedermann zwangsweise nach dem gleichen Vorbild zu richten hatte, sondern vor allem deshalb, weil sie in selbstgewählter Beschränkung durchweg nur eine Seite des menschlichen Wesens zum Ausdruck brachte. Jede Sprache, die sich frei betätigen darf, dient allen menschlichen Bedürfnissen, sie dient der Vernunft wie dem Gefühl, sie ist Mitteilung und Gespräch, Selbstgespräch und Gebet, Bitte, Befehl und Beschwörung. Die LTI dient einzig der Beschwörung. In welches private oder öffentliche Gebiet auch immer das Thema gehört - nein, das ist falsch, die LTI kennt so wenig ein privates Gebiet im Unterschied vom öffentlichen, wie sie geschriebene und gesprochene Sprache unterscheidet -, alles ist Rede, und alles ist Öffentlichkeit. „Du bist nichts, dein Volk ist alles“, heißt eines ihrer Spruchbänder. Das bedeutet: du bist nie -mit dir selbst, nie mit den Deinen allein, du stehst immer im Angesicht deines Volkes. Es wäre deshalb auch irreführend, wollte ich sagen, die LTI wende sich auf allen Gebieten ausschließlich an den Willen. Denn wer den Willen anruft, ruft immer den Einzelnen, auch wenn er sich an die aus Einzelnen zusammengesetzte Allgemeinheit wendet. Die LTI ist ganz darauf gerichtet, den Einzelnen um sein individuelles Wesen zu bringen, ihn als Persönlichkeit zu betäuben, ihn zum gedanken- und willenlosen Stück einer in bestimmter Richtung getriebenen und gehetzten Herde, ihn zum Atom eines rollenden Steinblocks zu machen. Die LTI ist die Sprache des Massenfanatismus. Wo sie sich an den Einzelnen wendet, und nicht nur an seinen Willen, sondern auch an sein Denken, wo sie Lehre ist, da lehrt sie die Mittel des Fanatisierens und der Massensuggestion. Die französische Aufklärung des achtzehnten Jahrhunderts hat zwei Lieblingsausdrücke, -themen und - sündenböcke: Priestertrug und Fanatismus. Sie glaubt nicht an die Echtheit priesterlicher Gesinnung, sie sieht in allem Kult einen Betrug, der zur Fanatisierung einer Gemeinschaft und zur Ausbeutung der Fanatisierten erfunden ist. Nie ist ein Lehrbuch des Priestertrugs - nur sagt die LTI statt Priestertrug: ®Propaganda - mit schamloserer Offenheit geschrieben worden als Hitlers „Mein Kampf“. Es wird mir immer das größte Rätsel des Dritten Reiches bleiben, wie dieses Buch in voller Öffentlichkeit verbreitet werden durfte, ja mußte, und wie es dennoch zur Herrschaft Hitlers und zu zwölfjähriger Dauer dieser Herrschaft kommen konnte, trotzdem die Bibel des Nationalsozialismus schon Jahre vor der Machtübernahme kursierte. Und nie, im ganzen achtzehnten Jahrhundert Frankreichs nie, ist das Wort Fanatismus (mit dem ihm zugehörigen ‚Adjektiv) so zentral gestellt und bei völliger Wertumkehrung so häufig angewandt worden wie in den zwölf - Jahren des Dritten Reiches. ®Propaganda und Wirklichkeit im Dritten Reich (Victor Klemperer, LTI, Aufbau Verlag, 1947 s.a.:LTI, 42 08443, VHS Videokassette im Kapitel „Medien der Landesbildstelle“) ... Teddy schwand früh aus unserm Kreis. Schon 1930 ging sie fort, nach Paris, schon damals mit dem Vorsatz, nicht umzukehren. Sie spürte, ahnungsvoller und empfindlicher als wir, schon längst vor Hitler das Anwachsen und Bedrohlichwerden des Dummen und Bösen in Deutschland. Schon lange vorher waren »wir« - dies unbestimmte »wir«, das keinen Namen hat, keine Partei, keine Organisation und keine Macht - eine Minderheit in Deutschland. Wir spürten es auch. Das selbstverständliche Gefühl des allgemeinen Verstehens, das die Zahlenspiele sei es des Krieges, sei es der Sportzeiten begleitet hatte, war längst in sein Gegenteil verkehrt: Wir wußten, mit vielen unserer Altersgenossen konnten wir kein Wort reden, weil wir eine andere Sprache sprachen. Wir fühlten um uns herum das »braune Deutsch« entstehen - »Einsatz«, »Garant«, »fanatisch«, »Volksgenosse«, »Scholle«, »artfremd«, »Untermensch« - ein abscheuliches Idiom, das in jeder Vokabel eine ganze Welt von gewalttätiger Dummheit implizierte. Auch wir hatten unsere Geheimsprache. Wir verständigten uns über Menschen sehr kurz dahin, ob sie »klug« seien was nicht hieß, daß ihre Intelligenz besonders gut arbeitete, sondern daß sie eine Ahnung davon hatten, was persönliches Leben heißt; also: zu »uns« gehörten. Wir wußten, daß die Dummen überwältigend in der Überzahl waren. Aber solange Stresemann da war, empfanden wir eine gewisse Sicherheit, daß sie in Schach gehalten waren. Wir bewegten uns unter ihnen mit der Sorglosigkeit, mit der die Menschen in einem modernen, käfiglosen Zoo zwischen den Raubtieren herumgehen, im Vertrauen darauf, daß die Gräben und Hecken alle gerade richtig berechnet sind. Die Raubtiere ihrerseits mochten ein entsprechendes Gefühl haben: Mit tiefem Haß prägten sie für die unsichtbare Ordnung, die sie bei aller Freiheit in Schranken hielt, ein vielsagendes Wort: »Das System«. Aber sie blieben in ihren Schranken. (Sebastian Haffner, Geschichte eines deutschen, Die Erinnerungen 1914 – 1933, Büchergilde Gutenberg, 2001) Schutzhaft Die „Schutzhaft“ war eines der schlagkräftigsten Instrumente des NS-Regimes zur Bekämpfung seiner Gegner. Mit Hilfe der „Schutzhaft“, deren juristische Grundlage die „Reichstagsbrandverordnung“ vom 28. Februar 1933 bildete, schuf sich die Geheime Staatspolizei ®(Gestapo) einen von jeder rechtsstaatlichen Bindung gelösten Raum staatlicher Willkür. Erste Opfer der „Schutzhaft“ waren vor allem Funktionäre der Arbeiterbewegung sowie ®Juden, die in den zunächst „wilden“ ® Konzentrationslagern festgesetzt wurden. Ende Juli 1933 befanden sich in ganz Deutschland mehr als 26.000 Menschen in „Schutzhaft“. Anfänglich wandten sich die Justizbehörden noch gegen die von Heinrich ®Himmler forcierte, gerichtlich nicht überprüfbare Verhängung der „Schutzhaft“. Doch der Hausjurist der Gestapo, Werner Best, konnte Adolf ®Hitler schon 1935 überzeugen, daß „Schutzhäftlinge“ keinen Anspruch auf rechtlichen Beistand hätten. Drei Jahre später sanktionierte das Reichsinnenministerium die gängige Praxis einer „unmittelbaren normfreien Anwendung der Staatsgewalt“. Die Ausweitung der von „Schutzhaft“ bedrohten Personengruppen auf „Bibelforscher“ (®Zeugen Jehovas), „Arbeitsscheue“, „Asoziale“ sowie ®Sinti und Roma spiegelt den Anspruch des nationalsozialistischen Systems wider, die ®“Volksgemeinschaft“ radikal umzugestalten. „Rassisch“, politisch und sozial Unerwünschte wurden systematisch ausgegrenzt. Im Zuge des Novemberpogroms (®Pogromnacht) wurden mehr als 26.000 Juden in „Schutzhaft“ genommen. Die 1933 noch mit der Notwendigkeit der Stabilisierung des NS-Systems begründete Schutzhaft war nun endgültig zu einer festen Institution der Repression (®Terrormassnahmen) geworden. Nach Beginn des Zweiten ®Weltkriegs sollten „Schutzhäftlinge“ für die Dauer des Kriegs prinzipiell nicht mehr entlassen werden. (http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/innenpolitik/schutzhaft/index.html) SS Die Schutzstaffel war eine im Umfeld der nationalsozialistischen Bewegung angesiedelte paramilitärische Gruppe und wurde 1925 zunächst als so genannte „Stabswache“ zum persönlichen Schutz Adolf ®Hitlers gegründet. Anfänglich war sie noch der ®SA unterstellt, entwickelte sich aber zunehmend zu einer Elitetruppe mit besonderen Aufträgen. Unter ihrem „Reichsführer SS“ Heinrich ®Himmler übte die Gruppe auch „Polizeifunktionen“ innerhalb der ®NSDAP aus. Sie ermordete 1934 die Führungsriege der SA im Rahmen des so genannten ®Röhm-Putsches. In der Folge wurden zahlreiche Unterabteilungen gebildet. Die wichtigsten waren: - 1931 das Rasse- und Siedlungshauptamt (RuSHA), dessen Aufgabe die Heranbildung einer „rassisch wertvollen“ Führungselite sein sollte. - Das SD-Amt (SD = Sicherheitsdienst), ein Geheimdienst zur Bekämpfung externer wie interner Gegner (Leiter: Reinhard ®Heydrich), der u. a. auch die Stimmungslage in der Bevölkerung ausspionierte. - Die Sicherheitspolizei (Sipo) als Dachorganisation für Kriminal- und Geheime Staatspolizei ®(Gestapo). Besondere ®Einsatzgruppen betrieben - verstärkt nach Kriegsbeginn - die Verfolgung und Ermordung Hunderttausender von Menschen, die aus rassischen (Juden, Sinti und Roma), moralischen (Homosexuelle u. a.) oder politischen Gründen eliminiert werden sollten. Zur Bewachung der flächendeckend eingerichteten ®Konzentrationslager wurden die SS-Totenkopfverbände eingesetzt . Nicht zuletzt auch mit der ab 1939 stark ausgebauten Waffen-SS hatte die Organisation somit maßgeblichen Anteil an der geradezu industriell betriebenen Vernichtung von Millionen von Menschenleben im Rahmen der ®Endlösung. Zudem verübte die SS zahllose Massenexekutionen in den bestzten Ländern. Während des Krieges übernahm die Organisation auch politische und administrative Aufgaben: Ab 1942 betrieb Sie die Verwaltung der ®Konzentrationslager einschließlich der wirtschaftlichen Ausbeutung der Häftlinge über das Hauptamt Verwaltung und Wirtschaft. Weiterhin siedelte sie „Fremdvölkische“ aus den Ostgebieten gewaltsam aus und „Volksdeutsche“ an. In den ®Nürnberger Prozessen nach dem Zusammenbruch der nationalsozialistischen Diktatur wurde die SS 1946 als Hauptinstrument des politischen Terrors zur „verbrecherischen Organisation“ erklärt. (http://www.shoa.de/ss_schutzstaffel.html) Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten Für den kurz nach Kriegsende im Dezember 1918 von dem Reserveoffizier Franz Seldte in Magdeburg gegründeten „Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten“ verband sich bereits mit der Namensgebung der Anspruch, eine Organisation zu sein, in der das Wirken aller Kriegsteilnehmer Anerkennung finden sollte. Der Stahlhelm war paramilitärisch organisiert, und für körperlich taugliche Mitglieder galt ab 1928 die Wehrsportdienstpflicht. Trotz nomineller Überparteilichkeit stand der mit seinen 1930 rund 500.000 Mitgliedern stärkste Wehrverband des Deutschen Reichs in eindeutiger Opposition zum politischen System der Weimarer Republik. Über die Mitglieder seiner Bundesführung hatte der Stahlhelm ausgezeichnete Verbindungen zur Reichswehr sowie zu antirepublikanischen Parteien und Organisationen. Gemeinsam mit der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP), der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei ®(NSDAP) und dem Alldeutschen Verband organisierte der Stahlhelm 1929 den Volksentscheid gegen den Young-Plan. Verbunden mit gewaltigen Aufmärschen ihrer Mitglieder schlossen sich im Oktober 1931 der Stahlhelm, die NSDAP und die DNVP zur „Harzburger Front“ zusammen, um gemeinsam den Kampf gegen die verhaßte Republik aufzunehmen. Nach der ®Machtübernahme der Nationalsozialisten kam das Arbeitsministerium im am 30. Januar 1933 gebildeten Kabinett unter Adolf Hitler an Seldte, den Bundesführer des Stahlhelm. 1934 erfolgte die ®Gleichschaltung des Wehrverbands. Unter der Bezeichnung „NS-Frontkämpferbund“ wurde er organisatorisch in die Sturmabteilung ®(SA) eingegliedert und 1935 ganz aufgelöst. Nach der Wiederbelebung im Jahr 1951 durch die »Helden vergangener deutscher Taten« war der Verein ein Forum für alte Wehrmachts - Frontkämpfer, die in Kriegserinnerungen schwelgten. Ab den siebziger Jahren gingen sie auf die extreme Rechte zu, so warben sie u.a. den Chef der Wehrsportgruppe Hoffmann, Karl-Heinz Hoffmann, als Gastredner. Seit Jahren unterhält der Stahlhelm - Kampfbund für Europa e.V. an der Landesgrenze von Niedersachsen zu Hamburg in Jork Klein Hove sein zentrales Schulungszentrum. Geschützt von hohen Tannen befindet sich auf dem 2.200qm großen Anwesen das Franz-Seldte-Haus, wo Bundesführer Günter Drückhammer die Kameraden über die Tugenden des Soldatentums und die Leistungen der Wehrmacht aufklärt. Sein Sohn Kai-Uwe Drückhammer, Bundesjugend- und Landesführer Niedersachsen, führt dort die zukünftigen Wehrhelden in den Umgang mit der Waffe ein. Das Seldte-Haus fungiert für den Stahlhelm als zentrale Anlaufstelle, so u.a. für den Bundesverband, die Redaktion der Zeitschrift Der Stahlhelm, den Devotionalienversand Der Stahlhof und vor allem die norddeutschen Stahlhelm-Verbände. Seit 1983 bis heute finden hier regelmäßig Schulungen, »Führerbesprechungen«, »nationale Feiern« und »Ortsappelle« des Stahlhelm statt. Hier ist auch der Ausgangspunkt für die alljährlichen »Wehrsportkreuzprüfungen« des Vereins. ... Dass die Wehrsportübungen keine Trockenübungen sind, beweisen die Mitglieder des rund 100 Personen starken Vereins. Gegen etliche von ihnen laufen derzeit Ermittlungsverfahren wegen Land- und Hausfriedensbruchs sowie wegen Verstössen gegen das Waffen- und Kriegswaffenkontrollgesetz. Im März 1998 fand die rheinland-pfälzische Polizei bei Hausdurchsuchungen mehrere Maschinenpistolen, Minen, Sprengsätze, Gewehre, Munition und eine Panzergranate, die u.a. Stahlhelm-Mitgliedern zugeordnet wurden. Über das Vereinsblatt Der Stahlhelm werden die Mitglieder aufgefordert, ihre Kinder im vereinseigenen Scharnhorst-Bund Deutscher Jungen und Mädchen anzumelden. Im Sommer 1999 veranstaltete Kai-Uwe Drückhammer ein Biwak mit 30 Kindern ab zwölf Jahren an der Ostsee. Neben Marschieren mit Plastikgewehren übten sie das Bedienen echter Waffen und »bewährte Tricks im Gelände, die unsere Väter anwendeten«, wie der Bundesjugendführer schrieb. Aussteiger berichten von einer wachsenden Militanz der Truppe um den zweiten Bundesführer Hans-Jürgen Hertlein. Fast jedes Mitglied soll inzwischen eine eigene Maschinenpistole besitzen. Bei der letzten Silvesterparty riefen Nachbarn des kürzlich bezogenen und von Hertlein geführten Pfälzer Stahlhelmheims am Potzberg bei Altengan nach Schüssen die Polizei. Auf dem diesjährigen Sommerfest übten auf dem Gelände Männer, Frauen und Kinder das Schießen mit vollautomatischen Waffen ... Andere Mitglieder setzen die Waffen auch ein: 1995 erschoß der saarländische Landesführer Wolfgang Fritschi seine Ex-Lebensgefährtin im Auto, während im Fond ihr Sohn saß. Im süddeutschen Raum bestehen enge Beziehungen zur NPD und im Norden zur Artgemeinschaft - Germanische-Glaubensgemeinschaft. Das Bundesinnenministerium bestätigte auf eine kleine Anfrage der PDS-Bundestagsfraktion, dass der Stahlhelm eine »rechtsextremistische Gruppierung« mit »antisemitischem und revisionistischem Gedankengut« ist, die »militärische Aktionen« durchführt. Er würde aber seit 1975 nicht mehr im Bundesverfassungsschutzbericht erwähnt, da der Verein »bundesweit unbedeutend« sei. (http://www.dhm.de/lemo/html/weimar/gewalt/stahlhelm/index.html) (http://www.nadir.org/nadir/periodika/aib/50/s36.htm) Sterilisation Am 14.7.1933 wurde von der Reichsregierung das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses (ErbGesG) verabschiedet. Dieses Gesetz wurde von einem Sachverständigenbeirat für Bevölkerungs- und Rassenpolitik erarbeitet. Diesem Ausschuß gehörten neben Fachärzten auch Vertreter der ®NSDAP wie Thyssen und ®Himmler an. Das Gesetz trat mit 1.1.1934 in Kraft und in seinem Begleitkommentar, das als Handlungsanweisung für Ärzte, Richter und Gutachter dienen sollte, wurden als Motive angeführt: die Einigung des Volkskörpers durch Ausmerzung krankhafter Erbanlagen und die Sicherung der Autorität des Staates auf dem Gebiet des Lebens, der Ehe und der Familie. Das ErbGesG bezeichnete all jene als erbkrank, die an angeborenem Schwachsinn, Schizophrenie, manisch-depressivem Irrsein, erblicher Fallsucht, erblichem Veitstanz, erblicher Blind- oder Taubheit oder schwerer erblicher körperlicher Mißbildung litten. Auch schwere Alkoholiker wurden in diesem Gesetz berücksichtigt. Antragsberechtigt zur Sterilisation waren die Betroffenen selbst, die gesetzlichen Vertreter bzw. die zuständigen Pfleger sowie der Arzt oder Leiter einer Heil-, Pflege- oder Strafanstalt. Eine Beschwerde gegen den Beschluß des Erbgesundheitsgerichtes hatte zwar aufschiebende Wirkung, der Betroffene konnte aber während dieser Frist inhaftiert werden, um eine zwischenzeitliche Fortpflanzung zu verhindern. Lediglich eine lebenslange Aufnahme in eine Anstalt auf eigene Kosten, konnten diesen Eingriff verhindern. Mit der Annexion Österreichs am 13. März 1938 galt das ErbGesG ab 1.1. 1940 auch hier. Auf dem Gebiet des Deutschen Reichs wurden in den Jahren 1939 - 1945 ca. 300.000 bis 350.000 Sterilisationen vorgenommen. Die Zahl der Sterilisationen in Österreich ist nicht genau bekannt, jedoch kann davon ausgegangen werden, daß hier massenweise sterilisiert wurde. Bis zum 28.7.1939 wurden am Wiener Gesundheitsamt rund 320.000 „Negativ-Auslese-Personen“ erfaßt (über 15 % der Wiener Bevölkerung). Als Aufnahmekriterien wurden angeführt: Geisteskranke, Psychopathen, Trinker, aber auch Prostituierte sowie 40.000 schwererziehbare und psychopathische Kinder aus „asozialen“ Familien. ®Kastration (http://bidok.uibk.ac.at/texte/zima-kap10.html#Heading2) Stolz auf Deutschland 1. Sichere die Ewigkeit Deines Volkes durch den Kinderreichtum Deiner Familie. 2. Deutscher Mann, achte und schütze in jeder Frau die Mutter deutscher Kinder. 3. Deutsche Frau, vergiß nie Deine höchste Aufgabe, Hüterin deutscher Art zu sein. 4. Schütze Deine Kinder vor dem Schicksal des Mischlings. 5. Halte das deutsche Blut rein. 6. Jeder, der nicht deutschen Blutes ist, ist fremdblütig. 7. Wahre Deine Ehre und Deine Art bei Begegnung mit Volksfremden. 8. Deutsches Mädchen, Deine Zurückhaltung gegenüber Volksfremden ist keine Beleidigung. Im Gegenteil: Jeder anständige Ausländer wird Dich deswegen besonders achten. 9. Die Reinhaltung des Blutes liegt im Interesse aller wertvollen Rassen. 10. Der Schutz des eigenen Blutes bedeutet keine Verachtung der anderen Völker. 11. Die Reinhaltung des Blutes ist keine Privatangelegenheit, sondern eine selbstverständliche Pflicht jedes deutschen Menschen gegenüber seinem Volke. 12. SEI STOLZ; DASS DU EIN DEUTSCHER BIST! (Quelle: NS-Dokument)) Streicher, Julius (1885-1946) Nationalsozialistischer Politiker, Herausgeber des Stürmer. In Augsburg geboren, wurde Streicher Volksschullehrer. Im Ersten Weltkrieg wurde er mehrfach dekoriert. Streicher war 1919 Mitbegründer der Deutsch-sozialistischen bzw. Deutsch-Sozialen Partei, die er nach seinem Übertritt in die NSDAP (1920) mit dieser verschmolz. 1923 wurde er wegen seiner Beteiligung am Hitler-Putsch vom Schuldienst suspendiert. Von 1925 bis 1940 war er Gauleiter der NSDAP für Mittelfranken, später Franken; zwischen 1924 und 1932 war er Landtagsabgeordneter in München, danach Mitglied des Reichstags. Er hatte außerdem den Rang eines Obergruppenführers der ®SA. Streicher war einer der radikalsten Antisemiten der ®NSDAP. 1923 gründete er in Nürnberg die Zeitschrift Der Stürmer, deren Herausgeber und ab 1935 auch Eigentümer er war. Er gab der Zeitschrift ihren charakteristischen antisemitisch-pornographischen Charakter. Selbst die nationalsozialistischen Behörden distanzierten sich von manchen Artikeln, vorübergehend verboten sie das Blatt sogar. Kurz nach der nationalsozialistischen ®Machtübernahme avancierte er zum Leiter des „Zentralkomitees zur Abwehr der jüdischen Greuel- und Boykotthetze“; er selbst organisierte den Judenboykott vom 1. April 1933. Streicher propagierte in seiner Hochburg Nürnberg für ®Juden ein Zutrittsverbot für öffentliche Restaurants und Cafés und versuchte, die Stadträte seines Gaus zur Wiedereinrichtung von Ghettos zu überreden. Schon 1938 forderte er in der Schrift Kampf dem Weltfeind die „völlige Ausrottung“ der Juden. Im März 1940 wurde Streicher nach einer Untersuchung des Obersten Parteigerichts, bei der es um seine Verwicklung in eine Korruptionsaffäre im Zusammenhang mit der ®Arisierung von Betrieben und Unternehmen ging, von seinem Amt als fränkischer Gauleiter suspendiert. Dennoch kann man Streicher als einen der Hauptinitiatoren des militanten ®Antisemitismus bezeichnen. ... Am 23. Mai 1945 wurde er von US-Truppen verhaftet. Er gehörte zu den Hauptangeklagten vor dem Internationalen ®Militärgerichtshof in Nürnberg. In seinem Urteil erklärte das Gericht zur Person Streichers: „Fünfundzwanzig Jahre lang hetzte er in Reden und Schriften auf zum Hass gegen die Juden und machte sich weithin als „Hauptfeind der Juden“ einen Namen.“ Das Militärgericht verurteilte Streicher zum Tod durch den Strang; das Urteil wurde am 16. Oktober 1946 vollstreckt. (http://www.shoa.de/p_julius_streicher.html) Swingjugend®Jugendopposition Terrormaßnahmen Beginn des Terrors Nach dem 30. Januar 1933 (®Machtübernahme) erfolgte innerhalb kürzester Zeit die Zerstörung der Demokratie: Verbot von Parteien und Gewerkschaften, Beseitigung der Rechtsstaatlichkeit, Terror und ®„Gleichschaltung“, schließlich die Vereinigung aller Machtbefugnisse in der Hand des „Führers“. Am Anfang der Diktatur stand die Verfolgung der politischen Gegner. Der Brand des Reichstags in Berlin diente als Vorwand für den Erlaß einer „Notverordnung“, mit der die in der Verfassung verankerten Grundrechte aufgehoben wurden. Nun konnte jeder Bürger aus politischen Gründen ohne gerichtliches Verfahren für unbestimmte Zeit in ®„Schutzhaft“ genommen werden. Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter und einzelne bürgerliche Demokraten waren die ersten Opfer des Terrors. Die Parteiformationen SA und SS, als „Hilfspolizei“ eingesetzt, gingen mit brutalen Methoden gegen wirkliche und vermeintliche Gegner des Nationalsozialismus vor. Wohnungen, Lokale, Parteizentralen und Gewerkschaftshäuser wurden gestürmt, die Opfer in Folterstätten der SA und SS verschleppt und mißhandelt. Viele wurden getötet. Die Verfolgung politischer Gegner richtete sich zunächst vor allem gegen die Arbeiterbewegung. Bis 1937 waren etwa 90 Prozent der KZ-Häftlinge Kommunisten, Sozialdemokraten sowie andere aus politischen Gründen Verfolgte. Von den 300.000 KPD-Mitgliedern des Jahres 1932 wurde bis Kriegsende fast jedes zweite verhaftet. Außer den Kommunisten arbeiteten sozialdemokratische und gewerkschaftliche Widerstandsgruppen (®Widerstand). Auch einzelne Politiker, die aus christlicher oder humanistischer Überzeugung Widerstand leisteten, kamen in Haft. ®Ossietzky Die ersten KZ Im Frühjahr 1933 begann die Errichtung von staatlichen Lagern für die in ®Schutzhaft genommenen Regimegegner: ®„Konzentrationslager“. Das „KZ“ wurde zu einer dauerhaften Einrichtung des NS-Verfolgungssystems. „Schutzhäftlinge“ durften seither nur noch in staatliche Konzentrationslager eingewiesen werden. Zu den frühesten in Norddeutschland gehörten Wittmoor, Bremen, Moringen und Vechta. Sehr schnell wurde der Kreis derjenigen erweitert, denen man eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit vorwarf. Mitglieder der KPD und SPD stellten 1934 nur noch die Hälfte der neu Eingewiesenen. Zunehmend ergingen auch Schutzhaftbefehle etwa wegen „staatsfeindlicher Äußerungen“ oder „Heimtücke“. Kritische Publizisten, Rechtsanwälte und viele andere, die sich der geistigen „Gleichschaltung“ widersetzten, wurden inhaftiert. Im Verlauf der NS-Herrschaft erweiterte sich das politische und soziale Spektrum des ®Widerstands und umfaßte allmählich auch national-konservative Kreise, die zunächst Hitlers Politik unterstützt hatten. Religiös motivierte Proteste richteten sich vor allem gegen die Einschränkungen kirchlicher Rechte und gegen die Morde an Behinderten und Kranken ®Euthanasie. Wenn sich die ®Kirchen als Institutionen auch mit dem NS-Regime weithin arrangiert hatten, leisteten doch einzelne Personen und Gruppen Widerstand und setzten sich damit der Unterdrückung und Verfolgung aus®Bekennende Kirche. Die ®Zeugen Jehovas verweigerten aus religiösen Gründen Hitlergruß, Eid und Militärdienst und wurden als Gruppe verfolgt; etwa 10.000 von ihnen kamen in KZ-Haft, mehr als 4.000 wurden ermordet. Angesichts der verbrecherischen Politik des Regimes entschlossen sich Konservative und Sozialisten, oppositionelle Diplomaten und Wehrmachtsoffiziere schließlich zum Staatsstreich. Das gescheiterte Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 war die wichtigste und spektakulärste Aktion des deutschen® Widerstands und wurde von den meisten Beteiligten mit dem Leben bezahlt ®Elser, Georg. Aber auch andere Widerstandsaktivitäten forderten eine ungeheure Zahl von Opfern. Symbolhafte Bedeutung besitzt der Kampf der Studentengruppe ®Weiße Rose Verfolgung Homosexueller Die Nationalsozialisten sahen in der Homosexualität nicht nur einen Verstoß gegen die Sexualmoral, sondern vor allem eine Gefährdung ihrer Bevölkerungspolitik, da die Homosexuellen nicht zur Vermehrung des deutschen Volkes und damit seiner Wehrkraft beitrügen. Da Vorurteile gegen ®Homosexuelle in der Bevölkerung weit verbreitet waren, konnten diese leicht zu Staatsfeinden erklärt werden. Die Verfolgung begann 1933. Sie verschärfte sich 1935 durch die Ausweitung des § 175 im Strafgesetzbuch, der die Höchststrafe für „schwere Unzucht unter Männern“ auf 10 Jahre Zuchthaus heraufsetzte. Verdächtige wurden zu Tausenden erfaßt, überwacht, verhört und zur Preisgabe weiterer Namen gezwungen. Die Zahl der nach § 175 Verurteilten beträgt nach offiziellen Unterlagen etwa 50.000, die der ins KZ Eingewiesenen wird auf 10.000 geschätzt. Ab 1940 mußten manche zwischen ®Kastration und KZ (®Konzentrationslager) wählen. Viele begingen Selbstmord. Entrechtung und Vernichtung der Juden Die Wurzeln der ®Judenverfolgung in der NS-Zeit reichen weit zurück. Die Muster der Vorurteilsbildung und der politischen Agitation waren so primitiv, daß viele Juden eine Umsetzung der Drohungen in die Tat für undenkbar hielten. Die unmittelbar nach Beginn der NS-Herrschaft ergriffenen Maßnahmen zur Entrechtung der Juden in Deutschland wurden deshalb nur von wenigen als Vorboten eines Völkermordes aufgefaßt. Die Verfolgung begann am 1. April 1933 mit dem Boykott jüdischer Geschäfte unter dem Motto: „Kauft nicht bei Juden“. Das wenige Tage später erlassene ®„Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ ermöglichte die Entlassung jüdischer Beamter. Das ®„Reichsbürgergesetz“ von 1935 machte die Juden zu Bürgern minderen Rechts. Bis zum Beginn des 2. ®Weltkriegs wurden etwa 2.500 Gesetze und Verordnungen erlassen, die Juden aus immer mehr Lebensbereichen ausschlossen (®Holocaust, Chronologie des). Völkermord an Sinti und Roma ®“Sinti und Roma“ hatten schon vor 1933 unter Diskriminierungen und verschärfter Überwachung zu leiden. In der NS‑Zeit wurde ihnen wie den ®Juden die Reichsbürgerschaft aberkannt, und sie wurden immer häufiger als „Asoziale“ in das KZ Dachau und in „Zigeuner - Sammellager“ verschleppt. Seit 1938 traten rassenideologische Begründungen der Verfolgung in den Vordergrund. Die Kultur der Sinti und Roma galt als minderwertig, sie selbst wurden als „unerziehbar“ angesehen. Auf ®Zwangssterilisationen folgten Verschleppung und Mord. Im Mai 1940 begann die Deportation aus dem Reichsgebiet ins besetzte Polen, im Januar 1942 der systematische Völkermord: Etwa 5.000 Frauen, Kinder und Männer wurden im ®Vernichtungslager Chelmno umgebracht. Innerhalb der KZ isolierte man die Sinti und Roma in besonderen Zigeunerlagern, so auch in Auschwitz‑Birkenau. Von den 20.000 dorthin Deportierten wurden fast alle ermordet. Die Zahl der insgesamt umgebrachten Roma und Sinti wird auf 220.000 bis 500.000 geschätzt. Ermordung von Kranken Das NS‑Regime maßte sich ein Urteil über die Lebensberechtigung von Menschen an. Das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ bot seit 1933 die Handhabe zur ®Zwangssterilisierung von Kranken. Mindestens 400.000 Menschen wurden medizinisch behandelt, Tausende starben an den Folgen. ®Sterilisation. Seit Kriegsbeginn wurden nach einem Befehl Hitlers vom 1. September 1939 geistig und körperlich behinderte Kinder in ausgewählten Heil‑ und Pflegeanstalten getötet. Dafür wurde verharmlosend der Begriff ®„Euthanasie“ verwandt. So begann eine groß angelegte, bürokratisch organisierte Aktion, die zunächst jüdische Geisteskranke erfaßte und dann zum Massenmord an Zehntausenden psychisch kranker Erwachsener führte. Öffentliche Proteste bewirkten, daß die Euthanasieaktion 1941 offiziell eingestellt wurde. Im Geheimen ging sie jedoch weiter. Außer Kindern und psychisch Kranken wurden jetzt auch arbeitsunfähige KZ‑Häftlinge in den Anstalten getötet. Insgesamt fielen diesen Mordaktionen etwa 150.000 Menschen zum Opfer. Deportation und Zwangsarbeit Während des Krieges wurden etwa sieben Millionen Menschen zur ®Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert. Die Rekrutierung nahm die Züge einer Menschenjagd an, als die Anwerbung freiwilliger Arbeitskräfte nicht zum Ziel führte. Die Entlohnung war minimal, eine Rückkehr in die Heimat zumindest bis zum Kriegsende nicht vorgesehen. Die „Fremdarbeiter“ aus Westeuropa wurden besser behandelt als die aus Polen oder der Sowjetunion. Die Lebensbedingungen waren unterschiedlich. Die zumeist in Barackenlagern untergebrachten Zwangsarbeiter in den Industriestandorten hatten es selten besser als KZHäftlinge, während die Arbeit in der Landwirtschaft oft erträglicher war. Die Zwangsarbeiter waren in ihren Bewegungsmöglichkeiten stark eingeschränkt. Das galt vor allem für die Osteuropäer, die als Gefahr für die Volksgesundheit betrachtet wurden. Entsprechend hart waren die Sanktionen: Wegen Flucht, Kontakt mit deutschen Frauen, Sabotage oder Mundraub wurden oft Todesurteile verhängt, zumindest aber KZHaft angeordnet. Von Zwangsarbeiterinnen aus dem Osten geborene Kinder wurden den Müttern abgenommen und in besonderen „Heimen“ untergebracht, in denen man sie zumeist verhungern ließ. Auch in die ®Konzentrationslager wurden Personen aus allen besetzten Gebieten eingewiesen. Bei Kriegsende machten sie 90 Prozent aller KZ-Häftlinge aus. Morde an der Zivilbevölkerung Die deutsche Besatzungspolitik war durch Rücksichtslosigkeit und Willkür geprägt. Die alltägliche Brutalität gipfelte immer wieder in Mordaktionen. Waren von den Widerstandsbewegungen Angehörige der Besatzungstruppen getötet worden, dann übten Wehrmacht oder ®SS hundert oder tausendfache Rache. In der Sowjetunion sind aus diesem Grund zahlreiche Dörfer und Kleinstädte mit ihrer ganzen Einwohnerschaft vernichtet worden. Zum Symbol für Racheaktionen wurden Orte wie®Oradour, ®Mazabotto, ®Kalavrita und ®Lidice, ®Babi Jar. Bereits im spanischen Bürgerkrieg, der „Übung für den Ernstfall“, fiel Guernica einem Terrorangriff der deutschen Legion Condor zum Opfer. Vernichtungskrieg Mit dem Überfall auf die Sowjetunion erreichte die Kriegspolitik des Dritten Reiches ein neues Stadium. Ziel war nicht allein die militärische Unterwerfung, sondern die Vernichtung des Gegners, die Eroberung von Land und dessen wirtschaftliche Ausbeutung. Bis zum Ural sollte ein von deutschen Siedlern beherrschtes Kolonialgebiet reichen, in dem den als „rassisch minderwertig“ eingestuften Bewohnern ein Helotenschicksal zugedacht war. Diese Einstellung bestimmte auch das Verhalten gegenüber den sowjetischen Kriegsgefangenen: Über die Bestimmungen der Haager Landkriegsordnung setzte man sich skrupellos hinweg. Hitler hatte bereits am 30. März 1941 erklärt: „Wir müssen vom Standpunkt des soldatischen Kameradentums abrücken. Der Kommunist ist vorher kein Kamerad und hinterher kein Kamerad. Es handelt sich um einen ®Vernichtungskampf.“ Von 5,7 Millionen sowjetischer Soldaten in deutscher Gefangenschaft starben 3,3 Millionen. „.®Weltkrieg, zweiter (aus: Bergen – Belsen, Begleitheft zur Ausstellung, April 1990) Terror- und Verfolgungsapparat Wie schaffte es das NS-Regime, innerhalb kürzester Zeit einen Terrorapparat zu errichten, der die ganze deutsche Gesellschaft - abgesehen von einigen Nischen und Freiräumen, die durchaus noch existierten - seinen totalitären Ansprüchen unterwarf? In den Wochen und Monaten der nationalsozialistischen ®“Machtergreifung“ war die Bevölkerung betäubt und berauscht von der Atmosphäre des Ausnahmezustands, die den angeblichen „nationalen Aufbruch“ begleitete. Die ersten Schritte zur Zerstörung des Rechtsstaates erschienen vielen nur als vorübergehendes Phänomen. Das Regime nutzte jedoch die Zeit, um ein Pseudo-Recht zu entwickeln und Verfolgungsinstrumente auszubauen, die seine Herrschaft langfristig absichern sollten. Alte Gesetze wurden uminterpretiert und die Strafen verschärft, neue Gesetze und neue Tatbestände erfunden, die alten Gerichte gleichgeschaltet und neue politische Gerichte eingesetzt. Die politische Polizei wurde massiv ausgebaut; daneben erhielten nationalsozialistische Formationen wie die ®SA und die ®SS Polizeigewalt. Die Institution der ®“Schutzhaft“ und die Einrichtung von Konzentrationslagern erlaubten politische Verfolgung ohne jede rechtliche Scheinlegitimierung und ohne zeitliche Beschränkung. All dies geschah mit der schweigenden Zustimmung der Bevölkerungsmehrheit. Ohne die Kooperation der Menschen wäre es dem Regime nie gelungen, mit seinem Verfolgungsapparat die ganze Gesellschaft zu durchdringen. Nach den als chaotisch und demütigend empfundenen Jahren der Weimarer Republik sehnte man sich nach „Zucht und Ordnung“ und war gewillt, alle Freiheitsrechte dafür zu opfern. Die lange deutsche Tradition der Autoritätshörigkeit und Staatsgläubigkeit erleichterte diesen Prozeß. Die durch die Verfolgung ausgegrenzten Minderheiten – Kommunisten, ®Juden, ®Homosexuelle, ®Zeugen Jehovas usw. – wurden von den meisten ohnedies als Störenfriede und „Untermenschen“ betrachtet. Hand in Hand mit dieser weit verbreiteten Zustimmung ging das ®Denunziantenunwesen. Ihm verdankte die Politische Polizei die meisten ihrer Verhaftungen. Die Denunzianten handelten aus egoistischen Motiven ebenso wie aus ideologischem Fanatismus oder einfach aus Strebertum. Seit Kriegsbeginn verdrängte der willkürliche Terror mehr und mehr die systematischen Verfolgungsmaßnahmen: Einerseits wurden zahlreiche neue Straftatbestände geschaffen und die Strafen drastisch verschärft. Die bisher vergleichsweise sparsam verhängten Todesstrafen gerieten zum Massenphänomen, eine falsche Bemerkung konnte eine jahrelange Zuchthausstrafe nach sich ziehen. Gleichzeitig jedoch waren die Verfolgungsbehörden völlig überfordert, weil sich durch die Ausdehnung und Häufung der Straftatbestände und durch den Einsatz in den besetzten Gebieten die zu verfolgenden und überwachenden Gruppen dramatisch vermehrt hatten. Das nationalsozialistische (Un–)Rechtssystem Bereits in der Weimarer Republik standen Rechtsstaatlichkeit und Gesetzmäßigkeit – gerade in Bayern – immer wieder auf dem Spiel. Der Prozeß gegen Adolf Hitler und seine Mit–Putschisten 1923 stellte nur den spektakulärsten Fall dar, in dem sich die Justiz als „auf dem rechten Auge blind“ erwies. In den letzten Jahren der Weimarer Republik verhängten die Reichspräsidenten immer häufiger den Ausnahmezustand. Die Bevölkerung hatte sich daran gewöhnt, daß wichtige Freiheitsrechte einer angeblichen „Staatsräson“ untergeordnet wurden. In ihrer Sehnsucht nach einer Stabilisierung der Verhältnisse war ihr der Rechtsstaat unwichtig geworden. Diese Stimmung nutzte das nationalsozialistische Regime, um sofort nach der ®“Machtergreifung“ das Rechtssystem nach dem nationalsozialistischen ®Führerprinzip umzumodeln. „Der Führer schützt das Recht“ – dieser Grundsatz sollte von nun an Gesetzgebung und Rechtssprechung beherrschen. Recht war nicht mehr unabhängig, sondern hatte einem höchst vage formulierten „gesunden Volksempfinden“ zu entsprechen. Das Recht wurde in ein reines Instrument der Herrschaftssicherung und der Verfolgung aller vermeintlichen und wirklichen Gegner umgewandelt. Auch der Terrorstaat brauchte den Anschein des Rechts und der formalen Rechtmäßigkeit, und er tat sein Möglichstes, Gesetze und Gerichte für seine Zwecke auszurichten. Zum Teil behalf sich das Regime bei der Verfolgung seiner Gegner mit den althergebrachten politischen Straftatbeständen: Die Gesetze über „Hochverrat“, „Vorbereitung zum Hochverrat“ und „Landesverrat“ wurden herangezogen, um aktiven politischen Widerstand gegen das Regime aburteilen zu können. Der Straftatbestand „grober Unfug“ mußte zunächst dazu dienen, mißliebige Äußerungen zu verfolgen. Sofort führte das Regime aber auch ganz neue Gesetze und Verordnungen ein, die extra auf seine „Bedürfnisse“ zugeschnitten waren: Die „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933“ (auch ®“Reichstagsbrandverordnung“ genannt) wurde noch von Reichspräsident Hindenburg erlassen, um Gegner – vor allem die Kommunisten – auch ohne Gerichtsverfahren hinter Schloß und Riegel zu bringen. Sie setzte die Grundrechte der Weimarer Reichsverfassung außer Kraft. Als pseudo–rechtliche Grundlage für die Errichtung von ®Konzentrationslagern hatte sie unschätzbaren Wert. Noch 1933 wurden das „Gesetz zur Abwehr politischer Gewalttaten“ und das „Gesetz zur Gewährleistung des Rechtsfriedens“ verabschiedet. Das „Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Parteiuniformen vom 20. Dezember 1934“ – das sogenannte Heimtückegesetz –, brachte in den folgenden Jahren Abertausende von Menschen in die Gefängnisse und Zuchthäuser, nur weil sie sich kritisch gegen die Regierung oder die Zustände im nationalsozialistischen Deutschland geäußert hatten. Die sogenannten ®Nürnberger Rassegesetze, die „Gesetze zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ vom 15. September 1935, degradierten schließlich ®Juden und andere Minderheiten auch rechtlich zu Bürgern zweiter Klasse. Wie die Gesetzgebung wurden auch die Gerichte 1933 dem Unrechtsstaat zu Diensten gemacht. Mißliebige Richter und Staatsanwälte entließ man, den Rechtsanwälten wurde die Zulassung entzogen. Allerdings gab es kaum Richter, die sich nicht mit dem neuen Kurs einverstanden gezeigt hätten. Um eine schnelle Bestrafung ohne langwierige Verfahren zu ermöglichen, richtete das NS–Regime neue Gerichte ein, gegen deren Urteile keine Revision eingelegt werden konnte. Die „Sondergerichte“ waren für politische „Verbrechen“ zuständig, soweit diese nicht unter die Hoch– oder Landesverratsparagraphen fielen. Ursprünglich als vorübergehende „Notgerichte“ in einer Zeit besonderer Gefährdung des Staates geplant, entwickelten sich die Sondergerichte bald zu einer Dauereinrichtung. Im April 1934 wurde in Berlin der „Volksgerichtshof“ errichtet: Als oberster Gerichtshof sollte dieser die als besonders gefährlich eingeschätzten „Staatsverbrecher“ aburteilen. Seine Richter ernannte Hitler persönlich. Mit Kriegsbeginn 1939 trat eine massive Verschärfung des politischen Strafrechts ein. Eine Reihe von neuen Straftatbeständen wurde geschaffen, um mit dem Krieg zusammenhängende Widerstandshandlungen ahnden zu können. Die „Kriegssonderstrafrechtsverordnung“ vom 17. August 1939 sah in dem Paragraphen „Wehrkraftzersetzung“ hohe Zuchthausstrafen oder die Todesstrafe für diejenigen vor, die „öffentlich den Willen des deutschen oder verbündeten Volkes zur wehrhaften Selbstbehauptung zu lähmen oder zu zersetzen“ versuchten. Die „Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen“ vom 1. September 1939 stellte das Abhören ausländischer „Feindsender“ unter Strafe. Die „Verordnung gegen Volksschädlinge“ belegte Sabotagehandlungen mit der Todesstrafe. Die „Verordnung zum Schutz gegen jugendliche Schwerverbrecher“ ermöglichte es, auch Jugendliche zum Tode zu verurteilen. (®Jugendopposition). Ende November 1939 wurde der Umgang mit Kriegsgefangenen strikt verboten. Die „Polenstrafrechtsverordnung“ 1941 sah für die als „Untermenschen“ klassifizierten ®Zwangsarbeiter aus dem Osten selbst bei kleinen Vergehen die Todesstrafe vor. Je weiter der Krieg voranschritt, desto mehr verschärften sich die von den Gerichten ausgesprochenen Strafen. Zehntausende von Todesurteilen wurden in den letzten Kriegsjahren gefällt. Das Regime griff immer öfter direkt in die Verfahren ein und korrigierte Urteile, die ihm zu milde erschienen, so daß eine Unabhängigkeit der Richter nicht einmal mehr zum Schein bestand. Doch trotz der politischen Lenkung besaßen die Richter bis zuletzt – wenn auch begrenzte – eigene Handlungsspielräume. Der Fall des Landgerichtsdirektors Grassl am Sondergericht München macht dies deutlich: Einerseits hatte er keinerlei Skrupel, das nationalsozialistische Unrecht gerade im Krieg in schärfster Form anzuwenden. Zahllose Menschen, die Umgang mit Zwangsarbeitern oder Kriegsgefangenen gehabt hatten, verurteilte er zu den höchsten Zuchthausstrafen. Seine Urteile strotzten von wüstem rassistischen Vokabular. Andererseits half er einer älteren Dame aus angesehener Familie, die wegen antinationalsozialistischer Bemerkungen denunziert worden war, indem er heimlich ihren Anwalt aufsuchte und sich mit ihm zusammen eine Strategie überlegte, wie die Frau zu einem milden Urteil kommen könnte. Der Polizeiapparat, die Gefängnisse und Lager Der Polizeiapparat war für das NS–Regime das wichtigste Instrument zur Durchsetzung und Sicherung seiner Herrschaft. Unter Heinrich ®Himmler wurde er zu einem eigenen „Staat im Staat“ ausgebaut, der sich den Anschein von Allmacht gab und zusammen mit ®SA und ®SS Angst und Schrecken in der Bevölkerung verbreitete. Gerade in den ersten Wochen und Monaten nach der nationalsozialistischen ®“Machtergreifung“, als die ®Justiz noch nicht völlig gleichgeschaltet war, kam es zu nicht einmal scheinlegitimierten Ausschreitungen der als „Hilfspolizei“ eingesetzten oder eigenmächtig handelnden SA– und SS–Formationen. Die reguläre Polizei hatte Anweisung, diese Ausschreitungen zu dulden. Mit der Institution der „Schutzhaft“ bekam die Polizei eine Waffe in die Hand, die sie von jeder gerichtlichen Kontrolle unabhängig machte: Sie konnte mißliebige Personen ohne gerichtliches Urteil auf unbeschränkte Zeit in den Polizeigefängnissen und ®Konzentrationslagern festhalten. Der euphemistische Begriff ®“Schutzhaft“ ließ offen, ob nun mit der Inhaftierung die eigene Person oder die öffentliche Ordnung „geschützt“ werden sollte. Da die Polizeigefängnisse für den Bedarf der Polizei bei weitem nicht ausreichten, wurden sofort im März 1933 Konzentrationslager errichtet. In diesen KZ wurden zunächst vor allem die kommunistischen und sozialdemokratischen Funktionäre interniert. Die KZ entwickelten sich mit der Zeit zu Massenlagern, in deen neben den „Politischen“ und den ®Juden auch Geistliche, ®Homosexuelle, ®Sinti und Roma und ®Zeugen Jehovas gruppenweise festgehalten wurden. Die Justizbehörden sahen es natürlich nicht gerne, daß die Polizei ihnen ihre ureigenste Kompetenz, die Strafverfolgung, aus den Händen nahm, waren aber dagegen machtlos. Zum einen setzte die Polizei die ®“Schutzhaft“ dafür ein, die Untersuchungshaft und die Ermittlungen unter eigener Kontrolle zu halten; zum anderen aber auch, um gerichtliche Strafurteile nach eigenem Ermessen zu korrigieren und zu verschärfen. Die Angeklagten, die vor den Gerichten freigesprochen wurden oder gegen die das Verfahren eingestellt wurde, wanderten meist ebenso in die ®Konzentrationslager wie diejenigen, die ihre gerichtliche Strafe verbüßt hatten und nun eigentlich freigelassen werden sollten. Gegenüber der Öffentlichkeit rechtfertigte die Polizei dieses Vorgehen als „vorbeugende Maßnahme“. In den Polizeigefängnissen und ®Konzentrationslagern waren schwere Mißhandlungen bis hin zum Mord an der Tagesordnung. Da die Häftlinge bei ihrer Entlassung eine Schweigeerklärung unterschreiben mußten, hatten sie keine Möglichkeit, die erlittenen Mißhandlungen zur Anzeige zu bringen. Wer über die Zustände im ®Konzentrationslager erzählte, mußte mit einer erneuten Inhaftnahme wegen „Verbreitung von Greuelnachrichten“ rechnen. In den ersten Wochen und Monaten nach der nationalsozialistischen ®“Machtergreifung“ versuchte die Justiz, die eklatant rechtswidrigen Mordfälle z.B. im KZ Dachau zu untersuchen, gab dies allerdings angesichts der Widerstände der Polizeibehörden bald auf. Später durften Angehörige der Justiz das Lager nicht mehr betreten. Haft und Verurteilung bedeuteten auch für die Angehörigen großes Unglück. Neben der Angst mußte man mit der Schande und Isolation fertig werden, mit der einen Nachbarn und Kollegen bedachten. Außerdem brachte die Haft schwere finanzielle Belastungen mit sich: Für die Familie des Verhafteten fiel nicht nur dessen Verdienst weg, sondern sie mußte auch die gerichtliche Verurteilung und die Haftkosten bezahlen. Wurden die Inhaftierten – oft erst nach vielen Jahren – schließlich aus dem Gefängnis oder ®Konzentrationslager entlassen, unterlagen sie meist noch auf viele weitere Monate der polizeilichen Meldepflicht. Wie belastend sich diese Schikane im Alltag der Betroffenen auswirkte, zeigt ein Brief eines Dachau–Entlassenen vom 15. Mai 1936 ans Bezirksamt: „Unterzeichneter bittet um die endgültige Aufhebung der polizeilichen Meldung, die er jeden zweiten Werktag in der Ortspolizei von Unterhaching vorzunehmen hat. Ich bin jetzt nahezu seit sechs Monaten aus dem Konzentrationslager Dachau entlassen und habe mich vorschriftsmäßig bei der hiesigen Polizei gemeldet. Ich möchte wieder ein freier Mensch sein und unbeschwert und unbelastet in meinem Vaterland mich wieder bewegen dürfen (...). Ich bitte um Aufhebung!“ Im Krieg erhöhten sich die Möglichkeiten der ®Gestapo, eigenmächtig und willkürlich gegen „Staatsfeinde“ vorzugehen, noch einmal drastisch. Polnische und sowjetische ®Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene unterstanden seit 1941, ®Juden seit 1943 direkt der ®Gestapo. ®Hitler selbst sorgte dafür, daß die Polizei angeblich besonders gefährliche Gegner aus ihren Reihen einer „Sonderbehandlung“ unterziehen konnte – was nichts anderes hieß, als sie ohne Gerichtsurteil hinzurichten. Die propagandistische Rechtfertigung der Verfolgung Die Mehrheit der Deutschen hielt es 1933 für unumgänglich, daß störende und angeblich staatsgefährdende Minderheiten – vor allem die Kommunisten – auf irgendeine Weise ausgeschaltet werden sollten, um nach den chaotischen Jahren der Weimarer Republik „Zucht und Ordnung“ und „nationale Geschlossenheit“ wieder herzustellen. Die Tragödie des kommunistischen Widerstands spielte sich also weitgehend vor den Augen eines gleichgültigen bürgerlichen Establishments ab. Man begrüßte es allgemein, daß die „gefährlichen“ Kommunisten mit ihrer Kampfansage an Besitz und Bürgertum in den Gefängnissen und KZs verschwanden. Öffentliche Empörung und Unverständnis regte sich nur, wenn angesehene Mitglieder der Gesellschaft verhaftet wurden. Durch die völlige ®Gleichschaltung der Presse verfügte das NS–Regime über alle Möglichkeiten, die Verfolgungsmaßnahmen in einer für die Bevölkerung akzeptablen Weise darzustellen. Die KZ–Häftlinge erschienen in den Zeitungen als „Untermenschen“ und höchst gefährliche staatsfeindliche Verbrecher, die man wegsperren müsse, um die Gesellschaft vor ihnen in Sicherheit zu bringen. Die KZ–Haft diene dazu, Straftaten vorzubeugen und die Verbrecher zu „brauchbaren Volksgenossen“ umzuerziehen. Die katastrophalen Lebensbedingungen in den KZs und die grausamen Mißhandlungen an den Häftlingen wurden natürlich verschwiegen – obwohl sie trotzdem gerüchteweise an die Öffentlichkeit drangen. Um die Morde zu verschleiern, stellte man die Todesfälle als Folge von Krankheit und Herzversagen dar oder inszenierte einen „Fluchtversuch“. Anfang April 1934 erschien in der Presse ein Brief des bayerischen Ministerpräsidenten Siebert an den SS–Führer Himmler, der die Öffentlichkeit über die Verhältnisse im KZ Dachau zu beruhigen versuchte. Siebert hatte das Lager besucht und gratulierte Himmler zu der angeblich so hervorragenden Einrichtung: „Ich möchte nicht verfehlen, Ihnen meine dankbare Genugtuung auszudrücken über die außerordentlich glückliche Umgestaltung des Lagers, die ich wahrgenommen habe. Es ist in der Zwischenzeit, wie man wohl sagen kann, zu einem Muster–Gefangenenlager ausgestaltet worden. Die baulichen und sanitären Anlagen, die Lagerstätten, die Speise– und Aufenthaltsräume sind in einen Zustand gebracht, wie man ihn besser nicht verlangen kann. Lediglich einige Schlafräume, nicht der Gefangenen, sondern der Bewachungsmannschaften, könnten nach meinem Dafürhalten noch eine Besserung erfahren. Ich habe mich auch von der auffallend guten Verfassung der Gefangenen und von der Qualität der Verköstigung überzeugen können. (...) Ungezählte unserer dem Staate verbundenen Volksgenossen haben bestimmt nach der Unterbringungs– und Verpflegungsseite ein viel ungünstigeres Dasein wie die aus Staatssicherheitsgründen im Konzentrationslager Dachau Untergebrachten. (...) Mein Wunsch ist, daß es der Erziehung der Insassen des Konzentrationslagers Dachau gelingen möchte, sie bald in Freiheit zu setzen und zur Mitarbeit im Staate bereit zu machen.“ Denunziation und Spitzelwesen ®Denunziation war im „Dritten Reich“ ein Massenphänomen. Ohne die zahllosen freiwilligen Anzeigen von mißliebigem Verhalten hätte der NS-Staat niemals nahezu die gesamte Gesellschaft mit seinem Terror zu durchsetzen vermocht. Regimekritische Äußerungen wurden ebenso der Polizei hintertragen wie das Abhören der feindlichen Auslandssender oder Hilfeleistungen für Kriegsgefangene. Viele Denunziationen hatten einen privaten Hintergrund; sie fanden zwischen Nachbarn, Arbeitskollegen und in Familien statt. Fanatische Nationalsozialisten denunzierten aber auch ihnen völlig Fremde, die sie auf der Straße oder im Wirtshaus bei einer unvorsichtigen Bemerkung belauscht hatten. Der Umgang der Menschen wurde beherrscht von einer Atmosphäre der Angst und des Mißtrauens. Zusätzlich baute sich die Politische Polizei seit 1933 eigene Spitzel in oppositionellen Milieus auf. Vor allem die kommunistischen Kreise waren von Spitzeln durchsetzt. Den Nationalsozialisten ging es dabei weniger um schnelle Verhaftungserfolge, als um eine langfristige und gründliche Beobachtung aller Aktivitäten und Personen. Die Verhaftungen erfolgten dann oft erst nach Jahren. http://www.widerstand.musin.de/w4-1.html Todesmärsche Der Begriff Todesmärsche wurde von den Häftlingen der nationalsozialistischen ®Konzentrationslager geprägt und später von Historikern übernommen. Es handelte sich hierbei um erzwungene Märsche großer bewachter Gefangenenkolonnen über lange Strecken unter sehr schlechten Bedingungen, in deren Verlauf die Gefangenen brutal mißhandelt und viele von ihren Wachen ermordet wurden. Zu Todesmärschen kam es insbesondere in der Endphase des Kriegs, als die Konzentrationslager evakuiert wurde. Zehntausende Juden wurden zu Märschen gezwungen, als 1942 und 1943 die Ghettos Osteuropas aufgelöst wurden. Die Bewohner kleiner Ghettos wurden in größere Ghettos oder an andere Sammelplätze gebracht - meistens letzte Stationen vor ihrer Deportation in die ®Vernichtungslager. Im April 1945 waren zahllose Häftlingstransporte unterwegs in den Norden Deutschlands. Ziele von Güterzügen und Marschkolonnen waren z. B. Bergen-Belsen, Wöbbelin und Sandbostel. Überall war der Weg von Gräbern gesäumt: Wer auf den tagelangen Fußmärschen zusammenbrach, wurde erschossen. In den Waggons verstorbene Häftlinge wurden bei Aufenthalten an der Strecke verscharrt. Nicht alle Transporte erreichten ihr Ziel. So blieben z.B. zwei Evakuierungszüge mit Häftlingen aus dem KZ Hannover-Stöcken und dem KZ Dora-Mittelbau auf offener Strecke liegen. Die über 1.000 Häftlinge wurden drei Tage lang zu Fuß weitergetrieben. Als die amerikanischen Truppen sich näherten, sperrten die Wachmannschaften die Häftlinge in eine Feldscheune bei Gardelegen und verbrannten sie bei lebendigem Leibe. Nur zwanzig überlebten das Massaker. Andere Transporte gerieten in Luftangriffe: Auf den Bahnhöfen Lüneburg und Celle kamen viele Häftlinge ums Leben. Fliehende wurden von der ®SS umgebracht. Über 9.000 Häftlinge des KZ Neuengamme wurden in der Lübecker Bucht auf drei Schiffe gebracht- darunter die „Cap Arcona“. Die Schiffe wurden von Bomben getroffen; die meisten Häftlinge ertranken. Annähernd eine Viertelmillion Gefangene der deutschen ®Konzentrationslager wurde auf Todesmärschen von ihren deutschen Wachen oder von Hilfspolizei ermordet oder starb auf andere Weise zwischen dem Sommer 1944 und Kriegsende (aus: Bergen – Belsen, Begleitheft zur Ausstellung, April 1990; (http://shoanet.hbi-stuttgart.de/glossar/T.htm#Todesmaersche) Uniformierung Das Tragen uniformer Kleidungsstücke war bereits vor ihrer ®Machtübernahme 1933 ein Muß für Mitglieder der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei ®(NSDAP) und ihrer Gliederungen wie Sturmabteilung ®(SA) oder ®Hitler-Jugend (HJ). Durch Ankauf von für die einstigen Kolonialtruppen vorgesehenen Uniformen erklärt sich die braune Farbe, die für die Partei eine symbolhafte Bedeutung erlangte und in Verbindung mit dem Zeichen des Hakenkreuzes in der Öffentlichkeit bewußt zur Schau gestellt wurde. Innerhalb der politischen und paramilitärischen Gliederungen der NSDAP schuf man auf der Grundlage des ®Führer- und Gefolgschaftsprinzips spezielle Rangstufen und Dienstgrade. In Abgrenzung von den in der Reichswehr und bei der Polizei gebräuchlichen Symbolen wurde auf Elemente aus dem süddeutschen und österreichischen Raum zurückgegriffen. Als äußerstes Mittel der ®Gleichschaltung erfolgte nach 1933 eine Ausdehnung der Uniformierung auf fast sämtliche Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, die alle Altersgruppen erfaßte. Das Nicht-Anlegen von Uniform konnte disziplinarische Folgen haben. Über die als „Gleichtrachten“ bezeichnete Kleidung von Organisationen und Berufsgruppen wachte die Reichszeugmeisterei, der die Kontrolle der Einhaltung von Produktions- und Tragevorschriften oblag. Sie vergab auch die Lizenzen an Schneidereien und andere Handwerke. Buchstäblich bis zum Kriegsende funktionierten die sogenannten Braunen Läden, über die Fahnen, Abzeichen und andere NS-Devotionalien zu erwerben waren. (http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/index.html) Untermensch Untermensch war eine die Menschenwürde verletzende Bezeichnung der Nationalsozialisten für Slawen, ®Juden, ®„Sinti und Roma“ und andere ihnen mißliebigen Menschen, mit der der Völkermord in Propaganda und weltanschaulicher Schulung vorbereitet wurde. Auf der Grundlage der ®Rassenkunde wurden Juden und Slawen in Zeitungen, in Reden, Büchern, Filmen, auf Plakaten, auf Schulungsveranstaltungen der ®NSDAP, etc. mit einhämmernden Wiederholungen diskriminiert. Die Wörter Untermensch, Schmarotzer, Ungeziefer, Parasit und die als Notwendigkeit dargestellte Absicht, sie auszurotten, verfehlten ihre verrohende Wirkung auf die Menschen nicht. Tausende fanden sich bereit, andere Menschen zu quälen, zu mißhandeln, sie in die Gaskammern der ®Vernichtungslager zu schicken. Tausende ließen es geschehen. http://shoanet.hbi-stuttgart.de/glossar/U.htm Verbrechen gegen die Menschlichkeit Artikel 6c der Charta des Internationalen Militärtribunals (IMT) definiert Verbrechen gegen die Menschlichkeit als Mord, Ausrottung, Versklavung, Deportation oder andere unmenschliche Handlungen, begangen an irgendeiner Zivilbevölkerung vor oder während des Kriegs, Verfolgung aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen, begangen in Ausführung eines Verbrechens oder in Verbindung mit einem Verbrechen, und zwar unabhängig davon, ob die Handlung gegen das Recht des Landes verstieß, in dem sie begangen wurde oder nicht. Was Verbrechen gegen die Menschlichkeit von den anderen Verbrechenskategorien unterscheidet, ist eher ihre Unmenschlichkeit als die Verletzung, die sie der Menschheit als einer weltweiten Gemeinschaft zufügen. Die meisten Opfer der nationalsozialistischen Verbrechen gegen die Menschlichkeit waren ®Juden, für die bis zu den ®Nürnberger Prozessen galt, daß sie nach internationalem Recht keinerlei Schutz genossen. (http://shoanet.hbi-stuttgart.de/glossar/V.htm#Verbrechen%20gegen%20die%20Menschlichkeit) Verbrecherische Organisation Mit dem von den Alliierten am 20.12.45 geschaffenen Kontrollratsgesetz Nr. 10 konnten Organisationen als verbrecherisch eingestuft werden und ihren Mitgliedern allein wegen ihrer Mitgliedschaft der Prozeß gemacht werden. Ein Verjährungsanspruch für die Zeit vom 30.1.1933 bis 1.7.1945 wurde ausgeschlossen. Für kriminell erklärte der Gerichtshof die Mitgliedschaft in · der NSDAP · der SS · der Gestapo · und der SA. Mit der Regelung, daß die Mitgliedschaft in einer verbrecherischen Organisation ein Straftatbestand sei, konnte gegen Mitglieder zwar Anklage erhoben werden zur Verurteilung bedurfte es aber der Mitwisserschaft von Verbrechen oder der direkten Verwicklung in diese. (http://shoanet.hbi-stuttgart.de/glossar/V.htm#Verbrechen%20gegen%20die%20Menschlichkeit) Verfolgte des Nazi – Regimes ®Berufsbeamtentum, ®Gleichschaltung ®Homosexuelle ®Juden, ®Jugendopposition ®Machtergreifung ®Ossietzky, ®Sinti und Roma, ®Terrormassnahmen, ®Terror- und Verfolgungsapparat, ®Widerstand Vernichtungskrieg Am 18.12.1940 erging in der „Weisung Nr.21“ ®Hitlers Befehl, die Vorbereitung für das „Unternehmen Barbarossa“ zu treffen. „Die deutsche Wehrmacht muss darauf vorbereitet sein, auch vor Beendigung des Krieges mit England Sowjetrussland in einem schnellen Sieg niederzuwerfen.“ Der Kampf gegen Russland war von Beginn an als rassistischer Vernichtungskrieg geplant. Er unterschied sich damit grundsätzlich von den bisherigen Feldzügen gegen die Westmächte. Vernichtung und Ausrottung galten als Leitmotive expansionistischer Kriegsführung im „Unternehmen Barbarossa“. Hitler erklärte in einem Gespräch mit dem Chef des Wehrmachtsführungsstabes Alfred Jodl: „Dieser kommende Feldzug ist mehr als nur ein Kampf der Waffen; er führt zur Auseinandersetzung zweier Weltanschauungen“, und er sei mit unerbittlicher Härte zu führen. Am Beispiel der Rolle der Wehrmacht wird deutlich, welche qualitative Radikalisierung die nationalsozialistische Politik vollzogen hatte. Gab es innerhalb der Wehrmachtsführung im Polenfeldzug Bedenken gegen rassistische und völkerrechtswidrige Exzesse, so ebneten sich die zum Teil bestehenden weltanschaulichen Differenzen zwischen NS- und Wehrmachtsführung im Lauf des Krieges zunehmend ein. Die Meinungsverschiedenheiten nahmen ab, und die Wehrmacht entwickelte sich zum willigen Vollstrecker des nationalsozialistischen Vernichtungskrieges. Zwei Beispiele sollen dies verdeutlichen: In Hitlers Erlass über „Die Ausübung der Kriegsgerichtsbarkeit im Gebiet ,Barbarossa‘ und besondere Maßnahmen der Truppe“ vom 13.5.1941 wurden schon Wochen vor Kriegsbeginn die Weichen für die Eroberungspolitik in Russland gestellt. „Freischärler“, also Partisanen, seien schon im Kampf oder auf der Flucht „schonungslos“ zu liquidieren, lautete der Befehl. Dies gelte ebenso für solche Zivilisten, die sich den Anordnungen deutscher Soldaten zu widersetzen versuchten. Straffreiheit dagegen war all denjenigen in Aussicht gestellt, die sich an den „Säuberungsaktionen“ beteiligt und dadurch gegen militärrechtliche Bestimmungen verstoßen hatten. Unter Androhung von Strafe wurde den Wehrmachtsangehörigen befohlen, verdächtigte Täter nicht zu verwahren, sondern sie gleich zu exekutieren. Und diejenigen Handlungen sollten unter Strafe gestellt werden, die die Moral der Truppe hätten gefährden können. Dazu zählte beispielsweise „geschlechtliche Hemmungslosigkeit“ ebenso wie der Raub oder die Verschwendung von Vorräten und Beutegut. Keineswegs stießen die Anordnungen des „Führers“ auf Protest der Wehrmacht. Zwar verstießen sie gegen die elementaren Grundregeln des Völkerrechtes, doch machte sich die Wehrmachtsführung den Kriegsgerichtsbarkeitserlass zu Eigen und lieferte zugleich noch eine ideologische Begründung. „Bei der Beurteilung solcher Taten ist in jeder Verfahrenslage zu berücksichtigen“, so der Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel, „dass der Zusammenbruch im Jahre 1918, die spätere Leidenszeit des deutschen Volkes und der Kampf gegen den Nationalsozialismus mit den zahlreichen Blutopfern der Bewegung entscheidend auf bolschewistischen Einfluss zurückzuführen war und dass kein Deutscher dies vergessen hat“. Die Anordnung Hitlers öffnete den Verbrechen der Wehrmacht an der Zivilbevölkerung Tür und Tor. Jede Frau und jeder Mann konnte nun Opfer der nationalsozialistischen Willkür werden. Wer zum „Partisanen“ erklärt und exekutiert wurde, hing allein vom Ermessen der lokalen militärischen Entscheidungsträger ab. Freilich gab es auch Teile der Wehrmacht, die sich dem widersetzten, Befehle nicht weitergaben und Kriegsgefangene menschlich zu behandeln suchten. Doch war diese Gruppe, gemessen an den Befürwortern des „Unternehmens Barbarossa“, verschwindend gering. Waren im „Kriegsgerichtsbarkeitserlass“ die Feindgruppen noch nicht genau definiert, so präzisierten die „Richtlinien für die Behandlung politischer Kommissare“ vom 6.6.1941 die Aufgaben der Wehrmacht. „Im Kampf gegen den Bolschewismus ist mit einem Verhalten nach den Grundsätzen der Menschlichkeit oder des Völkerrechtes nicht zu rechnen. Die Urheber barbarisch asiatischer Kampfmethoden sind die politischen Kommissare. Gegen diese muss daher sofort und ohne weiteres mit aller Schärfe vorgegangen werden.“ Der ®„Kommissarbefehl“ zeigt deutlich, wie weit sich die deutsche Kriegspolitik von den Grundlagen des Völkerrechtes entfernt hatte. Die politische Führung Russlands sollte ausgeschaltet, entmachtet und bei dem geringsten Zeichen von Widerstand oder Widerspruch exekutiert werden. ... Schon im Februar 1941 hatte es zwischen Wehrmachts- und nationalsozialistischer Führung einen Konsens über die Art und Weise der Kriegsführung im Osten gegeben. Die Wehrmacht machte sich Hitlers Forderung nach dem Kampf gegen die „jüdisch-bolschewistische Intelligenz“ zu Eigen, zumal die Richtlinien des Diktators genügend Spielraum für eigene Interpretationen ließen. Darin lag eine wesentliche Ursache späterer Exzesse: Die ungenaue Zielgruppendefinition bot die Voraussetzung für die Radikalisierung im Krieg, für einen „schubweisen Entkopplungsprozess“, der den Vernichtungswillen begünstigte und die immer weitere Ausdehnung der Gewaltaktionen förderte. Allein von den 3,35 Millionen russischen Kriegsgefangenen im Jahr 1941 kamen bis zum 1.2.1942 zwei Millionen ums Leben. Sie starben an Unterversorgung, ®Zwangsarbeit und den Strapazen langer Märsche oder wurden exekutiert. Drei Faktoren bildeten die Rahmenbedingungen für die Ermordung der russischen Kriegsgefangenen und der Ostjuden während des „Weltanschauungskrieges“. - Erstens der Vernichtungswille der nationalsozialistischen Führung und der Einsatzgruppen vor Ort, die durch die besondere Brutalität ihres Vorgehens gegen die Zivilbevölkerung hervortraten. - Zweitens die fast reibungslose Zusammenarbeit zwischen Parteidienststellen und Wehrmachtseinheiten, die den Massenerschießungen der ®SS nicht nur zuarbeiteten, sondern auch selbst aktiv Exekutionen vornahmen. - Und drittens die Beteiligung von Kollaborateuren aus den besetzten Ländern, die ein eigenes Interesse an der Bekämpfung von ®Juden und Kommunisten hatten. http://www.wk-2.de/wk2_12.html Judenbild in deutschen Soldatenbriefen 1939-1944 Das Klischee von der scharfen Trennung zwischen der ®SS, die die „Schmutzarbeit“ verrichtete, und der „anständigen“ Wehrmacht, die ihre „Pflicht für die Heimat“ an der Front erfüllte, wird seit Kriegsende kultiviert und lebt in der deutschen und österreichischen Gesellschaft bis heute nahezu ungebrochen fort. Auch in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung wurde die Beteiligung der Wehrmacht am Vernichtungskrieg im Osten und Südosten erst in den letzten Jahren ausgeleuchtet. Dabei ist verstärkt der Anteil der Wehrmacht an der ®Judenvernichtung ins Blickfeld gerückt. Bekannt sind die sogenannten „verbrecherischen Befehle“ der Wehrmachtsführung, die bereits bei der Vorbereitung des Überfalls auf die Sowjetunion erlassen wurden und im Zuge des propaglerten „Weltanschauungskrieges“ gegen den „jüdischen Bolschewismus“ ihre Fortsetzung fanden: sie reichten vom ®“Kommissarbefehl“ des OKW-Chefs Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel, in dem der Truppe befohlen wurde, politische Kommissare im Operationsgeblet „sofort mit der Waffe zu erledigen“, über die Anweisung des Oberbefehlshabers des Heeres, Generalfeldmarschall von Brauchitsch, an hohe Truppenführer, „daß der Kampf von Rasse zu Rasse geführt wird, und mit nötiger Schärfe“ vorgegangen werden muß, bis hin zu den berüchtigten Befehlen von Generalfeldmarschall von Reichenau und Generaloberst von Manstein vom Herbst I94I, in denen sie zum Feldzug „gegen.das „jüdisch-bolschewistische System“ und zum Verständnis „für die Notwendigkeit der harten Sühne am Judentum“ aufriefen. Die mehr als drei Millionen Soldaten des deutschen Heeres im Osten wurden vom Oberkommando der Wehrmacht am Tag des Überfalls auf die Sowjetunion in einem Tagesbefehl mit den Zielen des Ostkrieges vertraut gemacht - Ziele, die der herrschenden NS-Ideologie vom „jüdischen Bolschewismus“ entsprachen: unter anderem sollte die Truppe energisch „durchgreifen gegen bolschewistische Hetzer, Freischärler, Saboteure, Juden“. Diese Anordnungen wurden durch die Wehrmachtspropaganda entsprechend unterstützt: Im Juni-Heft der „Mitteilungen für die Truppe“ von 1941 etwa hieß es: „Was Bolschewisten sind, daß weiß jeder, der einmal einen Blick in das Gesicht eines der Roten Kommissare geworfen hat. Hier sind keine theoretischen Erörterungen mehr nötig. Es hieße die Tiere beleidigen, wollte man die Züge dieser zu einem hohen Prozentsatz jüdischen Menschenkinder tierisch nennen.“ Als der Krieg im Osten begann, war das totalitäre nationalsozialistische Gesellschaftssystem seit Jahren etabliert, hatte sich der rassistische Antisemitismus insbesondere seit Kriegsbeginn immer mehr zum zentralen ideologischen Kern des NS-Systems entwickelt. Wie die hier abgedruckten Feldpostbriefe zeigen, entsprachen die von oben „verordneten“ und propagierten Judenbilder den Überzeugungen und Ansichten so mancher Soldaten. Vor diesem Hintergrund und angesichts von Feldpostbriefen, in denen mit größter Selbstverständlichkeit geschrieben steht, „die Juden müßten mal alle weg bzw. kaltgestellt werden“, in denen die Juden als „bettelnde Hyänen“ charakterisiert werden und andernorts ein Schreiber voller Stolz seinen Eltern berichtet, daß er und seine Kameraden bisher etwa 1.000 Juden „mit Knüppeln und Spaten erschlagen“ hätten, drängt sich die Frage auf, ob die einschlägigen Befehle der Wehrmachtsführung nicht aus einem Amalgam von „Du mußt“ und „Du darfst“ bestanden. Der Zweite Weltkrieg aus der Perspektive des „kleinen Mannes“ war bislang kaum von Forschungsinteresse. Die fast ausschließliche Fixierung auf die traditionelle Perspektive „von oben“ ist um so erstaunlicher, als mehr als zehn Millionen deutscher und österreichischer Soldaten Hitlers Armee angehörten. Es war im wesentlichen diese Frontgeneration, die die Geschichte und Gesellschaft der drei großdeutschen Nachkriegsländer (auf sehr unterschiedliche Weise) bestimmte - jene (Männer-) Generation, die - ob bewußt oder unbewußt - von der Kriegserfahrung und den Feindbildern nachdrücklich geprägt war. Die wenigen Ansätze, die sich mit einer „Mentalitätsgeschichte des kleinen Landsers“ beschäftigen, ließen die rassistischen Anschauungen und Taten dieser Soldaten ausgeklammert; meist, werden die Leiden des Frontalltags beschrieben, und die Mannschaftssoldaten vornehmlich als Opfer des Krieges dargestellt, womit zumindest implizit ‚an einem nunmehr umgekehrten „Soldatenmythos von unten“ gewoben wird. Die hier auszugsweise abgedruckten Feldpostbriefe stammen aus der „Sammlung Sterz“, die in der Bibliothek für Zeitgeschichte in Stuttgart aufbewahrt wird. Es handelt sich dabei um den Nachlaß von Reinhold Sterz, der - bis zu seinem frühen Tod - in akribischer Kleinarbeit etwa 50.000 Feldpostbriefe aus der NS-Zeit gesammelt und systematisch archiviert hat. In diesen Briefen spiegeln sich von Kriegsbeginn an alle Arten judenfeindlicher Stereotypen wider. Durch die zeitchronologische Zusammenstellung wird deutlich, wie verblüffend synchron sich die antisemitischen Stereotypen der Briefeschreiher zum jeweiligen Stand der nationalsozialistischen Judenpolitik verhielten. Die Fülle antijüdischer Forderungen reicht von der Vertreibung der Juden aus Europa („Mögen sie, nämlich die Juden, einen anderen Erdteil mit ihrem Besuch beehren“, Gefreiter A. M., I - 8.1940), bis zur dezidierten Forderung nach der ®“Endlösung“: „Es gibt nur eins für das Judentum: Vernichtung“ (Feldwebel E. E.18.12.1942). Der Vernichtungswille existiert bis zum Kriegsende. Doch ab I943 - als sich die militärische Niederlage deutlich abzuzeichnen begann - mischte sich der Vernichtungswille immer stärker mit Rache- und Bestrafungsphantasien. Die bedrohlichen Konsequenzen, die die eigenen Verbrechen nach sich ziehen könnten, traten nunmehr als Angstprojektionen in den Vordergrund: „Dazu hört man im Radio immer wieder, wie man von seiten unserer Gegner mit uns Deutschen verfahren will, wenn der Krieg zu Ende ist. Bis zur Hälfte soll das deutsche Volk zur Zwangsarbeit herangezogen werden. Für uns in Westdeutschland ist es da vielleicht noch gut, unter die Besatzung der Westmächte zu kommen. Die Juden werden da ja bestimmt Vergeltung halten. Ich bin aber der Meinung, die werden ihre Feinde schon wiedererkennen. Im ganzen gesehen scheint es so, daß das Strafgericht Gottes noch nicht zu Ende ist“ (Gefreiter H. W., 29. 9. 1943). ((http://www.comlink.de/cl-hh/m.blumentritt/agr165.htm) Vernichtungslager Bezeichnung für Lager, die ausschließlich zur Tötung von Menschen bestimmt waren. Ab Ende 1941 wurden etwa 300 Kilometer von Warschau entfernt vier solcher Lager errichtet, in denen die Endlösung der Judenfrage durchgeführt werden sollte. In Chelmno, Belzec, Sobibor und Treblinka wurden die angekommenen Häftlinge weder namentlich registriert noch numeriert. Sie wurden in Gaskammern getötet, ihre Leichen möglichst spurlos beseitigt. In den beiden größten Vernichtungslagern Auschwitz-Birkenau und Lublin-Majdanek, die an KZs angeschlossen waren, wurde die Arbeitskraft der Häftlinge, bevor sie umgebracht wurden, bis zu ihrer Erschöpfung ausgenutzt. Die Existenz und der Betrieb der Vernichtungslager waren als streng geheim eingestuft. Im März 1943, als die deutsche Wehrmacht sich vor den sowjetischen Truppen nach Westen zurückziehen mußte, versuchte die ®SS, die Spuren der Verbrechen zu beseitigen: Aus den Massengräbern wurden die Leichen wieder ausgegraben und verbrannt. Insgesamt wurden in den Vernichtungslagern über 3 Millionen ®Juden ermordet sowie Zehntausende ®“Sinti und Roma“ und sowjetische Kriegsgefangene. (http://shoanet.hbi-stuttgart.de/glossar/V.htm#Verbrechen%20gegen%20die%20Menschlichkeit) Vernichtung unwerten Lebens ®Eugenik, ®Euthanasie Versailler Vertrag „Am 9. und 10. November (1918) gab es noch Heeresberichte, üblichen Stils: »Feindliche Durchbruchsversuche abgewiesen«, »... gingen unsere Truppen nach tapferer Gegenwehr in vorbereitete Stellungen zurück...« Am 11. November hing kein Heeresbericht mehr am schwarzen Brett meines Polizeireviers, als ich mich zur üblichen Stunde einstellte. Leer und schwarz gähnte mich das Brett an, und ich ermaß mit Schrecken, wie es sein würde, wenn dort, wo ich jahrelang täglich die Nahrung meines Geistes und den Inhalt meiner Träume geschöpft hatte, nichts mehr sein würde als, für immer und ewig, ein leeres schwarzes Brett. Inzwischen aber ging ich weiter. Irgendwelche Nachrichten vom Kriegsschauplatz mußte es doch schließlich geben. Wenn schon der Krieg aus war (womit man rechnen mußte) - wenigstens das Ende mußte doch noch stattgefunden haben, irgendetwas wie der Abpfiff beim Spiel, berichtenswert immerhin. Eine Anzahl Straßen weiter war ein anderes Polizeirevier. Vielleicht hing dort ein Bericht. Auch dort hing keiner. Die Polizei war eben auch von der Revolution angesteckt worden, und die alte Ordnung war zerstört. Ich konnte mich aber nicht abfinden. Ich trieb weiter durch die Straßen, in einem feinen nässenden Novemberregen, auf der Suche nach irgendwelchen Nachrichten. Ich kam in fremdere Gegenden. Irgendwo fand ich einen kleinen Menschenhaufen vor der Auslage eines Zeitungsladens. Ich stellte mich an, drängelte mich sachte durch und konnte schließlich auch lesen, was alle, schweigend und mißmutig, lasen. Es war ein verfrühtes Zeitungsblatt, das da aushing, und es hatte die Überschrift: »Waffenstillstand unterzeichnet«. Darunter standen die Bedingungen, eine lange Liste. Ich las sie. Während ich las, erstarrte ich. Womit soll ich meine Empfindungen vergleichen - die Empfindungen eines elfjährigen Jungen, dem eine ganze Phantasiewelt zusammenbricht? Soviel ich nachdenke, es ist schwer, im normalen, wirklichen Leben ein Äquivalent dafür zu finden. Gewisse traumhafte Katastrophen sind eben nur in Traumwelten möglich. Wenn jemand, der jahrelang große Summen zur Bank getragen hat, eines Tages seinen Kontoauszug anfordert und erfährt, daß er statt eines Vermögens eine erdrückende Schuldenlast besitzt, mag ihm ähnlich zumute sein. Aber so etwas gibt es eben nur im Traum. Diese Bedingungen sprachen nicht mehr die schonende Sprache der letzten Heeresberichte. Sie sprachen erbarmungslos die Sprache der Niederlage; so erbarmungslos, wie die Heeresberichte immer nur von feindlichen Niederlagen gesprochen hatten. Daß es so etwas auch für »uns« geben konnte - und zwar nicht als Zwischenfall, sondern als das Endergebnis von lauter Siegen und Siegen - mein Kopf faßte es nicht. ... Wie diese fremden Straßen, war mir die ganze Welt fremd und unheimlich geworden. Das große Spiel hatte offenbar außer seinen faszinierenden Regeln, die ich kannte, noch geheime Regeln besessen, die mir entgangen waren. Es mußte etwas daran scheinbar und falsch gewesen sein. Wo aber war ein Halt, wo Sicherheit, Glauben und Vertrauen, wenn das Weltgeschehen so hinterhältig war, wenn Siege und Siege zu endgültiger Niederlage führten und die wahren Regeln des Geschehens nicht verlautbart wurden, sondern sich erst nachträglich enthüllten, im niederschmetternden Ergebnis? Ich blickte in Abgründe. Ich empfand ein Grauen vor dem Leben. Ich glaube nicht, daß die deutsche Niederlage irgendjemandem einen tieferen Schock versetzt haben kann als dem elfjährigen Jungen, der da durch die novemberfeuchten fremden Straßen irrte, ohne zu merken, wo er ging, und ohne zu merken, wie ihn der feine Regen allmählich durchnäßte. Ich glaube insbesondere nicht, daß der Schmerz des Gefreiten Hitler tiefer gewesen sein kann, der, ungefähr um dieselbe Stunde, im Pasewalker Lazarett es nicht aushielt, die Bekanntgabe der Niederlage mitanzuhören. Er reagierte zwar dramatischer als ich: »Mir wurde es unmöglich, noch länger zu bleiben,« schreibt er. »Während es mir um die Augen wieder schwarz ward, tastete und taumelte ich zum Schlafsaal zurück, warf mich auf mein Lager und grub den brennenden Kopf in Decke und Kissen.« Worauf er beschloß, ein Politiker zu werden. Seltsamerweise eine weit kindlich-trotzigere Geste zugleich als meine. Und das gilt nicht nur für das Äußere. Wenn ich vergleiche, welche inneren Folgerungen Hitler und ich aus dem gemeinsam erlebten Schmerz zogen: der eine Wut, Trotz und den Beschluß, ein Politiker zu werden, der andere Zweifel an der Gültigkeit der Spielregeln und ahnendes Grauen vor der Unberechenbarkeit des Lebens wenn ich dies vergleiche, kann ich mir nicht helfen: Ich finde die Reaktion des elfjährigen Jungen reifer als die des 29 jährigen Mannes.“ (Sebastian Haffner, Geschichte eines deutschen, Die Erinnerungen 1914 – 1933, Büchergilde Gutenberg, 2001) Völkermord ® Genozid Volksgemeinschaft Anknüpfend an völkische Gemeinschaftsvorstellungen und eine in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs erfahrene Frontgemeinschaft, propagierten die Nationalsozialisten die Volksgemeinschaft als Lösung aller politischen und sozialen Gegensätze der Weimarer Republik. Der rassisch begründete, an die idealisierte Lebenswelt der „alten Germanen“ angelehnte Geist einer solidarischen Gemeinschaft sollte alle Unterschiede in Herkunft, Beruf, Vermögen und Bildung negieren und eine egalitäre Einheit deutscher „Volksgenossen“ begründen. Der weitverbreiteten und schon im Ersten Weltkrieg deutlich spürbaren ideologischen Strömung einer Volksgemeinschaft fiel mit Beginn der nationalsozialistischen ®Machtübernahme eine zentrale Funktion bei der Etablierung ihres totalitären Herrschaftssystems zu. „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“ - mit derartigen Parolen stieß die Volksgemeinschaft als Ausdruck von Einigkeit und Einheitlichkeit auf eine breite Identifikationsbereitschaft in der Bevölkerung. Propagandistisch (®Propaganda) inszeniert wurde sie in Massenveranstaltungen an Gedenk- oder Feiertagen, an denen die Menschenmengen in Fackelzügen und Aufmärschen in einen „festen Block“ zusammenzuschmelzen schienen. Sammelaktionen für das ®Winterhilfswerk (WHW) oder die Eintopfsonntage vermittelten eine identitätsstiftende Solidarität. Im Namen der mythisch überhöhten Einheit der Deutschen erfolgten ab 1933 die ®Gleichschaltung aller gesellschaftspolitischen Bereiche, die Errichtung des Einparteienstaats und die Verfolgung von Gegnern des NS-Regimes. Davon betroffen waren vor allem die als minderwertig diffamierten ®Juden, die nach rassebiologischen Kriterien der Nationalsozialisten nicht der Volksgemeinschaft angehören konnten. Aus der Gemeinschaft ausgeschlossen waren zudem sogenannte Volksschädlinge, die nicht bereit waren, blinden Gehorsam gegenüber dem „Führer“ Adolf ®Hitler zu akzeptieren oder für seine Politik Opfer zu erbringen. Die NS-®Propaganda unter Joseph ®Goebbels wurde nicht müde, mit Schlagworten wie „Du bist nichts, dein Volk ist alles!“ die Eingliederung in eine opferbereite Volks- und Leistungsgemeinschaft zu beschwören. Nahezu widerspruchslos trug diese die Kriegsvorbereitungen mit, und auch im Zweiten ®Weltkrieg sollte die „Schicksalsgemeinschaft des deutschen Volkes“ nach dem Willen ®Hitlers auf „Leben und Tod verschworen“ sein. (http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/innenpolitik/volk/index.html) Vox populi - Zur Mentalität der Volksgemeinschaft ... Mit Bitterkeit reagiert Klemperer auf das rasche Eindringen des Nationalsozialismus in alle Bereiche der Gesellschaft und ihrer Institutionen. Aber ebenso zahlreich sind für ihn die Belege, daß das Regime, kaum etabliert, schon wieder zerfällt: die Industrie, die Arbeiterschaft, den Mittelstand, die Studenten, selbst die Parteimitglieder sieht er auf Abstand gehen zum neuen Regime. Die Ermordung →Röhms und seiner SA-Führer am 1. Juli 1934 wird für ihn dann zum offensichtlichen Beweis der Wende. »Gar kein Gefühl für die Besiegten, nur die Wonne, a) daß man sich gegenseitig auffrißt, b) daß Hitler nun wie ein Mann nach dem ersten schweren Schlaganfall ist. Als die nächsten Tage alles ruhig blieb, war ich freilich deprimiert. Aber dann sagten wir uns doch: Dieser Schlag ist nicht zu überwinden.« Klemperers Beobachtungen aus der Anfangszeit des NS-Regimes könnten den Eindruck erwecken, als ob sich einer hier Mut gemacht und jede Verwerfung im politischen System schon als Beweis für dessen Krise und Zusammenbruch gehalten habe. Dieser Verdacht ist unberechtigt. Klemperer erweist sich als sehr genauer Chronist einer Bewegung, die bei ihren Anhängern unermeßliche Hoffnungen geweckt hatte und nach dem Machtantritt fast alle enttäuschte. Die seit November 1933 erfolgenden Übersichten der Gestapo-Dienststellen, die ab 1934 an das Innenministerium gelieferten Monatsrapporte der Regierungspräsidenten und die Stimmungsberichte der Parteigliederungen an Hitlers Stellvertreter Heß zeigen in den Jahren 1934 und 1935 eine deutliche Distanz der Bevölkerung. Ein Bericht aus Aachen vom September 1934 meldet z. B.: »Eine sich immer mehr verbreitende Gleichgültigkeit oder zum mindesten abwartende Haltung bezüglich des politischen Lebens [ist] festzustellen.« Ähnliches wird aus Düsseldorf, Hannover, Erfurt berichtet. Daraus den Schluß zu ziehen, das Regime sei 1935 in seinem Bestand gefährdet gewesen, wäre aber verfehlt. Klemperer sieht sehr genau, welche Mittel die Nazis anwendeten, um die beschriebene Kluft zu schließen - die systematische Zertrümmerung des →Versailler Vertragswerks, und das hieß für eine Mehrheit die Zurückgewinnung von Deutschlands Größe. Dafür war man bereit, alle Positionen von Zivilität und Moral zu räumen. Nach der für die Nazis triumphal verlaufenen Saarabstimmung notiert er am 16. Januar 1935: »Die 90 Prozent Saarstimmen sind doch wirklich nicht nur Stimmen für Deutschland, sondern buchstäblich für Hitlerdeutschland. Damit hat Goebbels schon recht. Es hat ja nicht an Aufklärung, Gegenpropaganda, Freiheit der Wahl gefehlt. Wahrscheinlich halten wir, die wir von Gärung sprechen, unsere Wunschträume für die Wahrheit und überschätzen die vorhandene Gegnerschaft aufs äußerste. Auch im Reich wollen 90 Prozent den Führer und die Knechtschaft und den Tod der Wissenschaft, des Denkens, des Geistes, der Juden.« Mit der Stabilisierung des NS-Systems 1935 haben sich auch Klemperers Blick und Interesse verändert: statt der zwischen Hoffnung und Verzweiflung oszillierenden Beobachtungen, die er seinem privaten Tagebuch anvertraut, schickt er sich jetzt an, Daten und Materialien zu sammeln, um dies neuartige und bedrohliche System Drittes Reich darzustellen und zu erklären. Am 16. Dezember 1934 vermerkt er: »All diese Dinge sind mir jetzt wichtiger als das private Erleben. Sie sind Material meiner einstigen Studie über das Dritte Reich. Aus der akademischen Laufbahn entfernt, durch zahlreiche Schikanen verletzt und an den Rand der Gesellschaft gedrängt - wie kann der Jude Klemperer an verläßliches Material kommen? Was sind seine Quellen? Er gibt darüber Auskunft. 11. Juni 1935: »Man räumt auf und unterdrückt alle Nachrichten. Nur Gerüchte. Dennoch bleibt nichts geheim.« 12 - 16. September 1935: »Ich lese nur die Zeitungsdepeschen und Hetzanschläge und -verse auf den Straßen. Aber ich frage jeden Besucher und jeden, den ich treffe, nach seiner Meinung, seinen Neuigkeiten.« Die Gewährsleute, die er fragen kann, kommen aus allen Kreisen der Gesellschaft: der Milchmann, der Bauer, der Butter bringt, Handwerker, die zum Reparieren kommen, Bibliotheksangestellte, Zufallsstimmen auf der Straße, im Restaurant, in der Straßenbahn, im Kino, schließlich Bekannte und Freunde, arische und jüdische, die geblieben sind und zu Besuch kommen. Vox populi nennt er diesen Chor, durch knappe Angaben versucht er, jede Stimme in ihrer sozialen Stellung, im Kontext von Zuträgern und Informanten und in ihrer Glaubwürdigkeit zu charakterisieren. Wo immer es möglich ist, vergleicht er ihre Äußerungen mit den Reden Hitlers und anderer Granden des Systems, mit Verlautbarungen der Propaganda und den Dekreten und Gesetzen, die das Regime erläßt. Was er auf diese Weise erfährt und mitteilt- über die eigene sich verschlechternde Lage der Juden hinaus -, ist erstaunlich: er weiß über die Einrichtung des ersten KZs zu berichten und über den Terror, der dort herrscht; er schildert die von Nazigegnern überfüllten Gefängnisse; er teilt die ersten Maßnahmen zur Euthanasie mit; er verfolgt die Etappen der Kriegsvorbereitung. Sein Hauptthema aber ist die Volksstimmung. Er beobachtet sie nicht mehr im Fadenkreuz von Stabilisierung und Zerfall - wie in den Jahren 1933/34 -, sondern unter der Fragestellung: Warum siegte und siegt Hitler? Eine Antwort findet er in den Reaktionen auf Hitlers ungemein erfolgreiche außenpolitische Schachzüge. Sein Fazit ist deprimierend: Der Kurve der Zustimmung entspricht eine zunehmende Amoralität. Im Juli 1935, nach der Unterzeichnung des Flottenabkommens mit England: »Der ungeheure außenpolitische Erfolg des Flottenabkommens mit England festigt Hitlers Stellung aufs bedeutendste. Schon vorher hatte ich in letzter Zeit den Eindruck, daß viele sonst wohlmeinende Menschen, abgestumpft gegen inneres Unrecht und speziell das Judenunglück nicht recht erfassend, sich neuerdings halbwegs mit Hitler zufriedengeben. Ihr Urteil: Wenn er um den Preis innenpolitischen Rückschritts die äußere Macht Deutschland wiederherstellt, so verlohnt sich dieser Preis. «14 - Im März 1936, aus Anlaß der Besetzung des entmilitarisierten Rheinlandes: »Die Rede zur Besetzung des Rheinlands (>Bruch des Locarno-Vertrages<). Vor drei Monaten wäre ich überzeugt gewesen, daß wir am selben Abend Krieg gehabt hätten. Heute, vox populi (mein Schlächter): >Die riskieren nichts<. Allgemeine Überzeugung, und auch unsere, daß alles still bleibt. Eine neue >Befreiungstat< Hitlers, die Nation jubelt - was heißt innere Freiheit, was gehen uns die Juden an? Er ist auf unabsehbare Zeit gesichert.« Was hier in Statu nascendi minutiös beschrieben wird, ist die Entstehung des Führer-Mythos und unter welch riskanten Bedingungen dieses Produkt zustande kam. Hitler ist sich darüber durchaus bewußt gewesen. Hermann Rauschning gegenüber hat er den 1933 erfolgten Austritt aus dem Völkerbund z. B. so gerechtfertigt: »Ich habe das tun müssen [...] Mögen die Schwierigkeiten für den Augenblick größer geworden sein. Das wird aufgewogen durch das Vertrauen, das ich im deutschen Volk damit gewinne.« Dieses Szenario liegt allen außenpolitischen Entscheidungen der Jahre 1933 bis 1938 zugrunde. Verräterisch ist der erste Satz. Das Muß beschreibt den Zwang, unter dem Hitler steht. Sein System der charismatischen Herrschaft bedurfte des permanenten Beifalls durch die Gefolgschaft, die weitausgreifenden, aggressiven Ziele, die er verfolgte, setzten die monolithisch um den Führer zusammengewachsene Volksgemeinschaft voraus. Abzug der Sympathien und Zurücksinken in politische Lethargie, Zeichen von Unzufriedenheit oder Gesten der Opposition waren tödlich. Die Gestapoberichte der Jahre 1936 und 1937 aber beschreiben genau diese Symptome. Ein Bericht vom Februar 1936 aus Berlin etwa meldet: » Zu größeren Besorgnissen gibt die Stimmung in der Bevölkerung hinsichtlich der innenpolitischen Zustände Anlaß. [. . .] In weiten Kreisen herrscht eine ausgesprochene Verbitterung. Man trifft allenthalben treue Anhänger des Führers und der Bewegung, die mit banger Sorge der weiteren Entwicklung entgegensehen. Die schlechte Stimmung ist zwar nicht immer ohne weiteres erkennbar, weil jeder sich überwacht fühlt. In engen Kreisen wird aber überall geschimpft. In persönlichen Gesprächen in allen Kreisen und Ständen fällt immer der Satz >So kann es nicht lange weitergehen<.« Die Verbitterung hatte zahlreiche Gründe. Die ökonomische Situation - gekennzeichnet durch Zwangsbewirtschaftung und sinkendes Realeinkommen als Folge der Aufrüstung - war alles andere als rosig. Sie stand in deutlichem Kontrast zur wachsenden Korruption und zum Luxusleben vieler Parteibonzen ®Donationen. Hitler reagierte auf diese negative Stimmungslage mit der um ein Jahr vorgezogenen plötzlichen Besetzung des Rheinlandes. Sie war aber auch gedacht als psychologischer Befreiungsschlag gegen einen Feind, der von einer Mehrheit der Bevölkerung zunehmend als bedrohlich angesehen wurde. Der oben zitierte Gestapobericht handelt auch davon: > Der Abschluß des Paktes zwischen Sowjetrußland und Frankreich, den man - vor allem auf Grund der deutschen Presseberichterstattung bis zuletzt nicht für möglich gehalten hatte, ferner die immer kühler werdende Haltung Englands gegenüber dem Deutschen Reich - haben das Gefühl der wachsenden Isolierung des Reiches in weite Bevölkerungskreise getragen. Mit dem gleichzeitig bekannt gewordenen militärischen Abkommen zwischen Sowjetrußland und der Tschechoslowakei sieht man die Einkreisung Deutschlands ähnlich derjenigen vor dem Kriege als nahezu abgeschlossen an.« Klemperer bleibt dieses Gefühl einer wachsenden, diplomatischen und militärischen Einkreisung und Bedrohung durch » Sowjetrußland« nicht verborgen. Und er diagnostiziert, wie die innenpolitische Krise auch die alten Ängste vor einem Auseinanderbrechen des Systems und »russischer Zustände« im Innern wiederbelebt. Hitler - so die Volksstimmung - ist der einzige, der als Bollwerk gegen diese tödliche Gefahr taugt. Die Einschränkung von Menschenrechten und Bürgerfreiheiten ist für eine solche Rettungstat notwendig oder aber wegen ihr tolerabel. Klemperer am 16. Mai 1936: »Die Mehrzahl des Volkes ist zufrieden, eine kleine Gruppe nimmt Hitler als das geringste Übel hin, niemand will ihn wirklich los sein, alle sehen in ihm den außenpolitischen Befreier, fürchten russische Zustände, wie ein Kind den schwarzen Mann fürchtet, halten es, soweit sie nicht ehrlich berauscht sind, für realpolitisch inopportun, sich um solcher Kleinigkeiten willen wie der Unterdrückung bürgerlicher Freiheit, der Judenverfolgung, der Fälschung aller wissenschaftlichen Wahrheit, der systematischen Zerstörung aller Sittlichkeit zu empören. Und alle haben Angst um ihr Brot, ihr Leben, alle sind so entsetzlich feige.« Klemperers Beobachtungen beschreiben nicht nur die Entstehung des Hitler-Mythos, das Bild des Führers als außenpolitischer Befreier und Wegbereiter von Deutschlands Aufstieg. Sie zeigen auch das sich bedingende antinationale Gegenbild: Es ist das antisemitische Muster, das als Tiefenströmung die deutsche Mentalität seit dem 19. Jahrhundert geprägt hat. Die Nazis vermochten es zu aktivieren und die »Judenfrage« endgültig mit der nationalen Frage zu verbinden. Mit der Verfolgung und Ausmerzung der Juden, so hofften sie, würden auch die bürgerlich-liberalistische Freiheit, eine an den Prinzipien der Aufklärung orientierte Wissenschaft und alle Gebote einer falschen, weil universellen Sittlichkeit für immer von deutschem Boden verschwinden. Jetzt erst konnte Deutschland groß und ewig werden. ... Die Gestapo-Berichte liefern ein dichtes Belegmaterial für beide Positionen. Die Ausschaltung der Juden aus dem öffentlichen Leben, ihre Isolierung durch die Nürnberger Rassengesetze, hat eine breite Zustimmung gefunden. Einsprüche oder Kritik wurden nirgendwo gemeldet. Die Gestapo-Dienststelle Potsdam berichtet im September 1934: » Ohne Zweifel ist das Judenproblem nicht das Hauptproblem des deutschen Menschen [...] Äußerungen über die Gefahr des Judentums werden abgemildert, und die Leute, die sich mit Aufklärung befassen, gewissermaßen als Narren hingestellt.« Und ein Kieler Gestapo-Bericht vom Juli 1935 stellt fest: » Im übrigen ist jedoch zu bemerken, daß wenn es zur Stellungnahme und Aktion gegen Juden kommt, diese meist von den Angehörigen der NSDAP und der angeschlossenen Organisationen ausgehen, während die große Menge des Volkes selbst wenig Teilnahme für die Judenfrage zeigt. « Dieses Desinteresse nahm immer dann zu und wurde zur Distanz, wenn Partei oder SA die Hetze in Aktion ausarten ließen, z. B. in den Boykott-Aktionen im Frühjahr 1933 und besonders deutlich in der Terrorwelle am 9. November 1938. » Alle Bevölkerungsgruppen reagierten mit einem tiefen Schock. Die Behandlung der Judenfrage erzeugte in der Bevölkerung eine Polarisierung; die Parteikreise und ihre Randgruppen gaben der radikalen Behandlung ihre volle Unterstützung, während die große Mehrheit sie verwarf. Zum ersten Mal war in größerem Maße ein Schamgefühl zu beobachten. Die Leute fühlten sich gedemütigt, daß die deutsche Kultur vor den Augen der Welt entwürdigt wurde.« Aus den zitierten Quellen wird deutlich, daß diese Scham nicht einer wirklichen moralischen Empörung entsprang. Angst vor Reaktionen aus dem Ausland, die ökonomischen Schaden nach sich ziehen könnten, oder aber die Befürchtung, das nächste Opfer eines sich radikalisierenden Partei-Terrors zu sein, waren die hauptsächlichen Motive. Eine Mehrheit der Deutschen war antisemitisch. Aber man wollte vom Antisemitismus profitieren oder doch zumindest keinen Schaden nehmen. Victor Klemperers Tagebücher sind so bedeutend, weil sie erlauben, deutsche Geschichte zwischen 1933 und 1945 aus der Sicht der Opfer wahrzunehmen. Taugen sie aber auch dazu, unsere Kenntnisse über die Mechanismen des Systems und die Antriebskräfte seiner Akteure, also der Tätergesellschaft, zu erweitern? Hier erweist es sich geradezu als Glücksfall, daß seit Oktober 1939 der SD - Himmlers Sicherheitsdienst - Lageberichte über den Zustand der Volksstimmung herausgab, die der politischen Führung als Information und Hilfestellung zu politischen Korrekturen dienen sollten. Grundlage waren die Berichte, die die SD-Oberabschnitte sich von hauptamtlichen SD-Angehörigen, von »Vertrauensleuten« und Fachleuten der verschiedenen Gebiete ca. 30 000 an der Zahl- ständig zutragen ließen. Sie wurden im Amt III des Reichssicherheitshauptamtes von 25 Referenten unter Leitung des SS-Standartenführers Otto Ohlendorf bearbeitet. Als »Meldungen aus dem Reich« erschienen sie bis Mai 1943. Danach wurden sie, wegen des zunehmenden Widerstandes von Goebbels, Bormann und den Gauleitern, denen sie zu »defätistisch« und »negativ« waren, auf » SD-Berichte zu Inlandsfragen« reduziert und im Juli 1944 gänzlich eingestellt. Hatte Klemperer nach dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 schon notiert »Volksstimmung absolut siegesgewiß, zehntausendmal überheblicher als 14«, so sollte sich die Euphorie nach der Besetzung Dänemarks und Norwegens am 9. April 1940 noch steigern: alle waren überzeugt, daß es jetzt mit dem Krieg Schlag auf Schlag gehen würde. Den absoluten Höhepunkt dieser Stimmung aber markierte der triumphale Sieg im Westen: die Niederlage Hollands und Belgiens zwei Monate später. Am 16. Mai 1940 notiert Klemperer: »Die Erfolge im Westen sind ungeheure, und das Volk ist berauscht. Ganz Holland, halb Belgien genommen, die Überlegenheit der Flieger usw. Berger heute: In der Markthalle sagen sie: >Am 26. Mai spricht Hitler in London.< Und weiter: >Und dann fallen Gibraltar und Suez.< Auch die sittlichen Begriffe sind verwirrt: >Hitler will ja nur, was Deutschland gehört, und im übrigen hat er immer versprochen, Frieden zu halten.< Und Polen? - >Das meiste davon lassen wir Rußland und nehmen eigentlich nur, was deutsch war, höchstens noch Warschau dazu.< Und die Tschechei? - >Die ist doch nun mal nicht lebensfähig als eigener Staat. < Hitlers Umschwung vom Antibolschewismus zum Russenfreund und alles andere ist vergessen: >Er will nur Frieden, er hat das immer versprochen.< - Es ist fast bis zur Unmöglichkeit schwer, sich der allgemeinen Suggestion zu entziehen und nicht mit dem >Blitzsieg< [...] und der phantastischen Landung in England zu rechnen.« Die »Meldungen aus dem Reich« fassen diese Stimmung-nachdem auch noch Frankreich bezwungen ist - etwas nüchterner: als totalen Sieg der NS-Idee. Juni 1940: »Unter dem Eindruck der großen politischen Ereignisse und im Banne der militärischen Erfolge hat sich im gesamten deutschen Volke eine bisher noch nicht erreichte innere Geschlossenheit und enge Verbundenheit von Front zu Heimat herausgebildet. Der Tätigkeit der Gegnergruppen ist überall der aufnahmefähige Boden entzogen. Alles schaut dankbar und mit Vertrauen auf den Führer und seine von Sieg zu Sieg eilende Wehrmacht.« Aber als die Wehrmacht dann nicht weitermarschiert, den Kanal nicht überquert, um England zu bezwingen, zeigen sich die ersten Haarrisse an der festgefugten Volksgemeinschaft-die SD-Berichte melden Zweifel und Besorgnisse wegen der Verzögerung und der Aussicht auf einen längeren Krieg. Diese Zweifel weiten sich zur Irritation aus, als die hohen Verluste der deutschen Flieger über England bekannt werden und die Royal Air Force ihrerseits mit Angriffen auf deutsche Städte beginnt. Sicherheit bietet nur der »unbedingte Glaube an den Führer und die Richtigkeit seiner Entschlüsse«. Das Muster Unsicherheit und Führerglaube wiederholt sich im Frühjahr 1941, als deutsche Truppen in Jugoslawien und Griechenland einmarschieren. Diesmal hat die Unsicherheit einen anderen Namen Rußland. »Meldungen« vom 5. Mai 1941: »Wir siegen dauernd und am Ende gewinnen noch die Engländer.« - »Wir können uns leicht zu Tode besetzen wie Napoleon.« -»Wenn bloß endlich Schluß wäre.« Jeder rechnet mit dem Bruch des Hitler-Stalin-Paktes und dem Beginn eines Krieges mit der Sowjetunion. Für viele hat dieser Krieg schon begonnen. »Meldungen« vom 16. Juni 1941: »Das Fehlen von Meldungen über Rußland wirkt sich nach übereinstimmenden Berichten aus allen Reichsteilen noch immer in einer starken Gerüchtbildung aus. Es werde fest geglaubt, daß deutsche Truppen bereits seit einiger Zeit durch Rußland marschieren.« Die stupende Übereinstimmung von Klemperers Notizen und den SD-Berichten hält an, als der Krieg dann wenige Tage später tatsächlich beginnt. Übereinstimmung in der Beobachtung der Euphorie. Klemperer, 22. Juni 1941: »Allgemeine Volksvergnügtheit. Stimmung: >Siegreich woll‘n wir Frankreich schlagen, Rußland und die ganze Welt<,« »Meldungen aus dem Reich«, am 26. Juni 1941: »Der militärische Sieg über Rußland in kurzer Zeit ist bei diesem Krieg so sehr Allgemeingut jedes einzelnen Volksgenossen wie bei noch keinem der bisherigen Feldzüge.« Übereinstimmung aber auch in der Beschreibung des Katzenjammers: Klemperer notiert schon ab 13. Juli den harten Widerstand der Roten Armee, die hohen Verluste der Wehrmacht, die Unwahrscheinlichkeit eines Blitzsieges. Die SD-Berichte brauchen einen Monat länger, bis sie beginnen, dasselbe ungeschminkte Bild der Wirklichkeit zu zeichnen. Nach dem Scheitern der Offensive auf Moskau im Dezember 1941, der folgenden Entlassung zahlreicher Generäle und der Übernahme des Oberbefehls durch Hitler notieren sie gar einen gefährlichen Stimmungseinbruch: Am 5. Januar 1942 konstatieren sie »Bestürzung« unter den Volksgenossen und wenig später, am 22. Januar, den totalen Vertrauensverlust in die offizielle Propaganda: Man halte sich statt dessen an » [...] Erzählungen von Soldaten und Leuten mit >politischen Beziehungen<, Feldpostbriefen und dergleichen [...]«Klemperer notiert zur selben Zeit die Worte eines Straßenbahnführers: » [. . .] es gehe mit den Bluthunden bald zu Ende, er kenne die Stimmung der Soldaten, so viele Urlauber führen ja morgens auf seinem Perron, sie wollten nicht mehr mitmachen etc. etc.« Wenig später gibt er die Nachricht einer jüdischen Leidensgenossin mit Beziehungen zu Berliner Wehrmachtskreisen wieder: »Das Heer zum großen Teil demoralisiert. - Dazu die steigende Nahrungsnot. Im April kommt die Katastrophe.« Diese Koinzidenz der Berichterstattung eines Herrschaftsapparates, des SS-Amtes III mit ca. 30.000 Mitarbeitern, und eines einzelnen Beobachters überrascht, um so mehr, als sich dessen Lage mittlerweile dramatisch verschlechtert hatte: Ab dem 19. September 1941 war das Tragen des Judensternes obligatorisch geworden. Kontakte mit » Sternträgern« wurden von diesem Datum ab für arische Volksgenossen gefährlich. Fast alle bisher benutzten Informationsquellen versiegten, als Informanten blieben nur wenige mutige Freunde und die jüdischen Leidensgenossen, die dank der Mischehe mit einem arischen Partner über Kontakte in die andere Welt verfügten. Die vox populi wurde leise und verstummte gegen Ende des Jahres fast ganz. Aber Klemperer erschloß sich neue Zugänge, zu erfahren, was draußen vor sich ging. Die Absage der Leipziger Frühjahrsmesse, das Verbot bloß kosmetischer Zahnbehandlungen, die obligatorische Ausrüstung der Parteileiter mit Revolvern werden ihm zum Beleg, daß der Manövrierraum des NS-Systems kleiner wird und die Unsicherheit zunimmt. Ganz sicher wird er sich über diesen Befund, als er die Zeitungen, vor allem die »Wochensprüche« der Partei, studiert. Die Sprache verrät es: »Wir mußten die Rationen verringern; so ungeeignet der Zeitpunkt ist, wir mußten«, schreibt Goebbels. - »Ein Volk bewähre sich nicht so sehr im Siegen als im Durchhalten bei scheinbaren Mißerfolgen«, doziert Hitler. Statt der im vorigen Jahr einzig verwandten Vokabel »Blitzkrieg«, spricht der Heeresbericht jetzt nur noch von »entscheidenden Erfolgen«. Eine ganz ungewöhnliche Quelle entdeckt Klemperer in den Todesanzeigen. Zunächst zählt er nur einfach diejenigen Soldaten, die für den »Führer« fallen. Aber dann untersucht er die Sprache und die Bilder der Anzeigen und entdeckt darin so etwas wie das Echo der für ihn entrückten vox populi. 27. März 1942: Todesanzeigen unter dem Hakenkreuz. >Sonnig<, das in den beiden ersten Jahren florierte, erscheint auch jetzt, aber seltener. >Lebensfroh< steht in mindestens vier von fünf Anzeigen, und ebensooft ist die Nachricht, die man tieferschüttert erhält, >unfaßbar<. Alle drei Ausdrücke sind lebensbejahend und in diesem Zusammenhang betont unchristlich. Religiöse Formel (>es hat Gott gefallen< und dergleichen) ist sehr selten, aber auch das Runenzeichen (Y) bildet nur die Ausnahme. Selten geworden, nein, nur seltener, keineswegs vereinzelt: >Für Führer und Vaterland< und >in stolzer Trauer<. «Klemperer scheint nicht der einzige zu sein, der die Todesanzeigen als Barometer der öffentlichen Stimmung analysiert. Auch die Partei und ihr Sicherheitsapparat interessieren sich dafür. Zwei Monate später, am 8. Mai 1942, wird Klemperer notieren: »Eine sehr häufig wiederkehrende Fassung der Kriegstodesanzeigen lautet seit Monaten: >Tieferschüttert und noch unfaßbar, erhielten wir die schmerzliche Nachricht...< >Sein heißester Wunsch, seine Lieben wiederzusehen, blieb unerfüllt.< Vorgestern nun erschien der Brief eines Frontoffiziers >aus vorderster Linie<: Mit diesem >heißesten Wunsch< entstelle und erniedrige man das Opfer des Soldaten, der draußen vor allem an seine Heldenpflicht denke. Die Heimat möge sich gleichfalls heroisch fassen. Der Brief ist fraglos bestellte Arbeit, erscheint fraglos in allen deutschen Zeitungen und wird fraglos Wirkung tun. Von nun an wird die Fassung: >Für Führer und Vaterland< - >in stolzer Trauer< dominieren. -« Die Bilder, die der Chronist in der ersten Hälfte des Jahres 1942 vom Zustand der arischen Welt liefert, sind aufgrund seines gewaltsam eingeengten Sichtfeldes eigenartig verschwommen. Nur noch die dort herrschenden Druckverhältnisse kann er einigermaßen exakt angeben. Gestochen scharf hingegen erscheinen die desastres von der Vernichtung der Rasse, zu der er per Gesetz und Vollzug jetzt unentrinnbar gehört. Am 16. März 1942 notiert er: »Als furchtbarstes KZ (®Konzentrationslager) hörte ich in diesen Tagen Auschwitz (oder so ähnlich) bei Königshütte in Oberschlesien nennen. Bergwerksarbeit, Tod nach wenigen Tagen. Hier Kornblum, der Vater der Frau Seliksohn, ebenso - mir unbekannt - Stern und Müller gestorben, bei denen man den verbotenen Hirtenbrief gefunden hatte. - Nicht unbedingt und sofort tödlich, aber >schlimmer als Zuchthaus< soll Buchenwald bei Weimar sein.« Einen Tag später, am 17. März, beginnt in Belzec mit sechs Gaskammern die Ausrottungsmaschinerie zu arbeiten. Fortan wird das sein Thema werden - der Holocaust. Die Ermordung der Juden von ®Babi Yar bei Kiew, die Judentransporte nach Polen, die Massaker im Vernichtungsghetto Riga, die Todesskala der Lager - Theresienstadt, Buchenwald, Auschwitz -, der Warschauer Ghettoaufstand, jede dieser Schreckensnachrichten und jedes Detail wird festgehalten werden. Für den Chronisten bieten diese Mitteilungen die Möglichkeit, immer wieder den Abstand zu vermessen, der ihn von der Deportation und vom Gas trennt. Die Antriebskräfte dieser Vernichtungsmaschine analysiert er in der alltäglichen Begegnung. Die Notate darüber lesen sich wie die Beschreibung eines radikalen, vor nichts zurückschrekkenden Selbstversuchs. Peinlich genau notiert er jede Attacke vornehmlich Jugendlicher auf sein Judesein: » Ä Jude, ä Jude« - » Du Judenluder« - »Der kriegt einen Genickschuß« - »Totmachen - alter Jude, alter Jude.« Aber genauso akribisch vermerkt er die Zeichen der Anteilnahme an seinem Schicksal: Händeschütteln, Worte des Trostes, Tränen, Lebensmittel zustecken, Ermutigung, Hilfe, den Hut vor ihm ziehen, »Herr Professor«. Die Einführung des Judensterns stieß in der Bevölkerung weitgehend auf Unverständnis. Die Äußerung eines Hamburger Arbeiters einem »Sternträger« gegenüber - »Wir würden auch gerne so ein Ding tragen, dann wäre allen klar, daß wir anständige Kerle sind.« - oder der Bericht eines schwedischen Journalisten »Mit Ausnahme weniger Fälle wurde den Juden mit Achtung begegnet« - scheinen die allgemeine Stimmungslage wiederzugeben. Bestätigt wird das auch durch die Nervosität des Regimes: Es verhängte im Oktober 1941 verschärfte Strafen für Sympathiebekundungen den Juden gegenüber und startete im November eine Propagandaoffensive gegen den »Todfeind der Deutschen«. Daraus auf eine Abschwächung des Judenhasses oder gar auf einen gar nicht vorhandenden Antisemitismus zu schließen, wäre völlig verfehlt. Bankier hat darauf hingewiesen, daß die Deutschen, solange der Jude nur eine »mythische Macht« war bzw. die verfolgten Juden anonym blieben, keine Regungen des Mitgefühls zeigten. Erst die Kennzeichnung der Juden veränderte das. Der gelbe Stern, das Zeichen ihrer beginnenden Auslöschung, verlieh ihnen vorübergehend ein überscharf gezeichnetes individuelles Gesicht, und er machte sie zu unüberhörbaren Zeugen. Sie bezeugten jedem Deutschen gegenüber: Das hast du getan. Angesichts dieses ohnmächtigen Schuldvorwurfs wurde der Panzer von Indifferenz und Gefühllosigkeit brüchig. Wie rasch diese Empathie wieder verschwand, zeigten die Reaktionen auf die bald nach Einführung des Judensterns beginnenden Deportationen in die Vernichtungsghettos des Ostens bzw. in die Gasöfen der KZ. Die meisten Deutschen wußten, daß dies für die Juden den Tod bedeutete. Eine winzige Minderheit hat sich zu diesem Mitwissen bekannt. Ihre Sympathiebeweise gegenüber den noch ausgesparten Opfern waren ein Versuch, das daraus resultierende Schuldgefühl zu dämpfen. Mit der sich abzeichnenden Niederlage, seit 1943, nahmen diese positiven Reaktionen zu. Zur Scham kam die Angst vor der Rache. Ein sehr viel größerer Teil der Bevölkerung hat offen, wann immer er eines Juden ansichtig wurde, seine Genugtuung über den Massenmord zum Ausdruck gebracht. Die große Mehrheit aber hat weggeschaut. Sie wollte nicht hinsehen, um nicht alles wissen zu müssen. Auf diese Weise hofften die meisten, den inneren Konflikt mit dem eigenen Gewissen und der möglicherweise daraus folgenden äußeren Bedrohung durch die NS - Organe auszuweichen. Irritiert bemerkte Klemperer am 30. Januar 1943: »Gegen die Juden wird maßlos gehetzt - aber die schlimmsten Maßnahmen gegen sie werden vor den Ariern verheimlicht. Selbst nahestehende Leute kennen weder die kleinen Schikanen noch die grausigen Morde.« Wahrgenommen hat er das Nichtwissen. Daß das weniger Ergebnis einer Verdunklungsstrategie des Systems als vielmehr eine bewußte Entscheidung jedes Deutschen war, nicht mehr wissen zu wollen, als man ohnehin wußte, das ist Klemperer entgangen. Die > Meldungen aus dem Reich« waren in der ersten Hälfte des Jahres 1942 damit beschäftigt, die Auswirkungen der zunehmenden Luftangriffe, der Versorgungsengpässe und eines trotz der Sommeroffensive in der südlichen Ukraine und im Kaukasus stagnierenden Feldzuges festzuhalten: Zwischen »Tiefstand der Stimmung« bzw. »Bestürzung« und einer »abwartenden Haltung« bzw. »gespannter Nervosität« oszillierte der Stimmungspendel. Am 9. Juli notierten die Berichte eine Zunahme von Flüsterparolen und gehässigen politischen Witzen, am 30. Juli wird erstmals eine » aufkommende Kriegsmüdigkeit« festgestellt, und am 3. September wird bei einem Großteil der Bevölkerung » vielfach eine gewisse Resignation« konstatiert, die sich in Sätzen äußern wie dem: » Wer hätte nach den großen Erfolgen zu Beginn des Krieges daran gedacht, daß der Krieg einen derartigen Verlauf nehmen und solange dauern werde Im Juli stellen die » Meldungen« vorsichtig formuliert eine » Änderung einzelner Faktoren der Grundeinstellung der Bevölkerung« fest: » Die Zahl der Volksgenossen, welche auch jetzt noch optimistisch und guten Mutes bleibe, sei gering. Die Mehrzahl sei sehr gedrückt und sehe keinen rechten Ausweg mehr.« Gerüchte von einer Militärdiktatur und eines Separatfriedens mit der Sowjetunion machen die Runde. Hier zeichnet sich das neue Thema ab, das Klemperer in der letzten Phase des Krieges, ab Herbst 1943 beschäftigen wird: Warum kann dies Volk nicht Schluß machen mit dem Krieg und dem Regime, das es so offensichtlich nicht mehr will? Klemperer bietet drei sich ergänzende Antworten an. Die Müdigkeit einer Generation Die erste ist die Angst vor dem Terror des Regimes. Von Anfang an hat er das diagnostiziert: »alles ist still und duckt sich«, heißt es schon in der ersten Eintragung vom 21. Februar 1933, kurz nach dem Machtantritt der Nazis; »das Volk sei versklavt und von Lügen betäubt«, notiert er am 3. April 1935; »und alle haben Angst um ihr Brot, ihr Leben, alle sind so entsetzlich feige« schreibt er am 10. Mai 1936. Jetzt, nach vier Kriegsjahren, im April 1944, wo es für alle um Leben und Tod geht, ist immer noch derselbe falsche Ratgeber am Werk: »Einzeln genommen sind fraglos neunundneunzig Prozent der männlichen und weiblichen Belegschaft in mehr oder minder hohem Maß antinazistisch, judenfreundlich, kriegsfeindlich, tyranneimüde [. . .], aber die Angst vor dem einen Prozent Regierungstreuer, vor Gefängnis, Beil und Kugel bindet sie.« Aber dieser alten Angst hat sich eine andere beigesellt. Sie war, wie man sich erinnert, wirksam bei der Machtergreifung und Machtstabilisierung der Nazis. Damals nur Phantasie vor einem möglichen revolutionären Umsturz, tritt sie jetzt auf als Angst vor der sehr realen Rache eines Volkes, dem von den Deutschen unendliches Leid zugefügt worden ist. »Die Deutschen waten fürchterlich im russischen Blut«, hatte der Chronist schon im August 1941 von Soldaten der Ostfront berichten gehört. Jetzt wird die Rechnung dafür präsentiert, und die Nazipropaganda holt zu ihrem letzten Triumph aus: » Daß sie die Masse bei der Stange halten, verdanken sie nicht bloß ihrer Tyrannei. Sondern vor allem dem immer wiederholten [. . .]: Die Feinde, und besonders die Bolschewisten, wollen euch vernichten, euch buchstäblich töten. « Die dritte Beobachtung Klemperers scheint mir die wichtigste zu sein. Sie weist auf ein Element hin, das lange vor dem Triumph der Machtergreifung wirksam war und diese eigentlich erst ermöglicht hatte. Klemperer notiert in der Mitte des Krieges: »[. . .] die Formel >Führer befiehl< Dabei ging mir auf, wie zentral diese Formel im ganzen Gedankenwerk des Nationalsozialismus steht, und wie man gerade hier eine und vielleicht die stärkste Wurzel des Nationalsozialismus und Faschismus bloßliegen hat. [...] Die Müdigkeit einer Generation. Sie will vom Zwang zum Eigenleben frei sein.« Klügere Interpreten des NS-Regimes, wie Binion, Stierlin, Theweleit u. a., haben schon sehr früh die Symbiose, die eine Mehrheit des deutschen Volkes mit Hitler eingegangen war, als Analogie zur psychischen Reaktion der Regression, also als Ausstieg aus einem selbstverantwortlichen und erwachsenen Leben beschrieben. Die Allmachtsphantasien, die Hitler ab 1935 bis zur Klimax im Sommer 1940 der dankbaren Volksgemeinschaft erlaubt hatte und von denen Klemperer so genau Zeugnis ablegt, fanden - seit der versprochene Blitzsieg über die Sowjetunion ausgeblieben war ihr Pendant in einem wehleidigen Infantilismus. Er äußerte sich in einem immer öfter ausgedrückten Wunsch nach dem stärkenden direkten Zuspruch des Führers-Vaters und, als dieser immer häufiger ausblieb, im Gewimmer um seine mindestens symbolische Präsenz. In den » Meldungen« läßt sich diese Kurve präzis ablesen. 6. Oktober 1941: die Führerrede habe » ein befreiendes Aufatmen bewirkt« 13. November 1941: die Rede des Führers habe zu einer weiteren Festigung der allgemeinen Zuversicht » auf die Entwicklung des Krieges und des Endsieges geführt.« - z. Februar 1942: » [. . .] auf Grund der schweren Kämpfe der letzten Wochen und der vielfach noch immer vorherrschenden unklaren Vorstellungen über die tatsächliche Lage im Osten [hatten] viele Volksgenossen geradezu das Bedürfnis [...], wieder die Stimme des Führers zu hören, um aus seinen Worten neue Kraft und Zuversicht zu schöpfen.« - 5. Oktober 1942: » Mehrfach war von Volksgenossen nach der Führerrede der Wunsch zum Ausdruck gekommen, daß der Führer doch öfter zum deutschen Volke sprechen möge, da man durch seine Worte wie durch kein anderes Ereignis innerlich aufgerichtet werde und neuen Mut erhalte.« -12. April 1943: »Von positiv eingestellten und urteilsfähigen Volksgenossen werde darauf hingewiesen, daß es nicht gut sei, wenn der Führer allzulange >unsichtbar< bleibe. Das Volk wolle sein nahes, persönliches-Verhältnis zum Führer dadurch bestätigt wissen, daß es recht oft etwas von ihm mitgeteilt erhalte. Es sei jedoch im Laufe des Krieges eine Seltenheit geworden, wenn einmal ein Bild des Führers in den Zeitungen oder in der Wochenschau erscheine; ebenso verhalte es sich mit den Reden des Führers. Ein Bild des Führers, auf dem man feststellen könne, daß er nicht - wie es einmal gerüchteweise hieß - ganz weiße Haare bekommen habe, wirke auf die Haltung der Volksgenossen positiver als viele Kampfparolen.« Als sich der Führer vor dem Inferno der drohenden Niederlagen immer tiefer in seine Wolfsschanzen und Führerbunker zurückzog, führte sein Volk einfach den alten Krieg fort, allein gelassen, ohne Orientierung. Auch hier sind die »Meldungen aus dem Reich« gespenstisch genau: 10. Februar 1944: »Man wisse weniger denn je, wie der Krieg zu einem Ende kommen soll.« - Und am 20. April 1944: »Man lasse sich treiben und sage das nach, was man von anderen hört. « Die Hoffnung auf die Invasion, die als Vergeltung phantasiert wird, der dann erfolgende Einsatz der Wunderwaffen waren das einzige, was blieb. Klemperers Notizen bestätigen diesen Zustand der somnambulen Absenz der Volksgemeinschaft am Ende des Krieges und liefern mit dem Hinweis auf ihre frühe Weigerung, ein selbstverantwortliches Eigenleben zu führen, einen wichtigen Beitrag zum Verständnis ihrer Mentalität. In einer Niederschrift vom 20. Februar 1945 - auf der Flucht aus Dresden bei dem ehemaligen Dienstmädchen untergekommen - hat er ihr einen furchtbaren Epitaph errichtet: » Jurij kam ununterrichtet zurück. Im Gasthof kampierten Treckleute; es stinke zu sehr, hatte der Lehrer gesagt. Gestern abend half Eva der Marka auf der Schiefertafel rechnen. 5+2, 3+4 ... Unbegreiflich, wie schwer es der Kleinen wurde, an den Fingern abzuzählen. Sie haben neu >Deutschen Schulatlas von Philipp Bouhler< (faksimilierte Unterschrift) unter dem 1. September 1942 herausgegeben. Furchtbarste Hybris. Aus dem Inhalt: Großdeutschland im mitteleuropäischen Raum, Großdeutschland als Lebensraum, die Gaueinteilung der NSDAP, Deutsche Kolonien, Nürnberg, Stadt der Reichsparteitage, München, Hauptstadt der Bewegung .. . Ein >Deutsches Zahlen- und Rechenbuch< stellt seine Aufgaben aus dem Winterhilfswerk 1938/39, dem Versailler Diktat, der Abschaffung der Arbeitslosigkeit durch Adolf Hitler, etc. Bisweilen kommt ein Soldat ins Zimmer: >Frau, kann ich a weng Mehl haben?< Dann gibt es eine kleine Plauderei. Die Leute sind resigniert - das sei kein Krieg mehr, nur noch ein Schlachten, die Russen seien in ihrer Übermacht nicht aufzuhalten usw. usw. -, aber sie sind eben nur resigniert und müde -einer von ihnen ist seit siebeneinhalb Jahren Soldat und keineswegs defätistisch oder gar rebellisch. Sie lassen sich fraglos weiterschlachten, sie leisten fraglos weiteren Widerstand. « Quelle: Hannes Heer, Vox populi- Zur Mentalität der Volksgemeinschaft,in: Im Herzen der Finsternis, Victor Klemperer als Chronist der NS – Zeit, S. 122 ff, Aufbau Verlag 1997. Volkssturm Durch „Führererlass“ vom 25. September 1944 aufgestellte Einheiten aus bisher nicht eingezogenen Männern zwischen 16 und 60 Jahren. Wallenberg, Raoul (1912-?) schwedischer Diplomat, der das Leben von Zehntausenden Juden in Budapest rettete. Wallenberg stammte aus einer Familie von Bankiers, Diplomaten und Offizieren. Sein Vater, der vor seiner Geburt starb, war Offizier in der schwedischen Marine. Wallenberg wuchs im Hause seines Stiefvaters, Frederik von Dardell, auf. Er studierte Architektur in den Vereinigten Staaten, verlegte sich jedoch auf das Bankwesen und den internationalen Handel, wodurch er 1936 zu einem sechsmonatigen Aufenthalt nach Haifa kam. Auf Empfehlung des schwedischen Verbandes des „world jewish congress“ und unterstützt vom amerikanischen „war refugee board“ schickte das schwedische Außenministerium Wallenberg im Juli 1944 nach Budapest, um eine Hilfsaktion für über 200.000 →Juden zu unterstützen, die nach der Deportation von 437.000 ungarischen Juden nach Auschwitz in der ungarischen Hauptstadt zurückgeblieben waren. Ihre Hilfsoperation für die verfolgten Juden startete die schwedische Gesandtschaft kurz nach der deutschen Besetzung Ungarns am 19. März 1944. Zu dieser Zeit begannen Adolf ®Eichmann und eine ihm unterstellte Sonderabteilung zusammen mit den ungarischen Behörden, →Deportationen der Juden zu organisieren. Der schwedische Außenminister, Ivar Danielsson, hatte die Ausgabe von vorläufigen schwedischen Pässen an ungarische Juden angeregt, die durch familiäre oder geschäftliche Beziehungen mit schwedischen Bürgern verbunden waren. Als Wallenberg in Budapest ankam, waren mehrere hundert solcher „Schutzpässe“ ausgegeben worden. Seine Ankunft am 9. Juli fiel mit dem Stopp der Deportationen zusammen, zu dem sich die ungarische Regierung unter internationalem Druck, nicht zuletzt aufgrund einer Intervention von König Gustav V. von Schweden, gezwungen gesehen hatte. Die von der schwedischen Gesandtschaft in Verbindung mit anderen diplomatischen Missionen eingeleitete Schutzaktion wurde fortgeführt und Wallenberg, der neue Attachee der Gesandtschaft, mit einer eigens für diesen Zweck eingerichteten Abteilung betraut. Vor seinem Amtsantritt hatte er sich besondere Vollmachten ausbedungen, um für bestimmte Maßnahmen, wie die Überweisung von Geldern durch das „War Refugee Board“, freie Hand zu haben. Nach dem Staatsstreich vom 15. Oktober 1944 und der Machtübernahme der von Ferenc Szálasi angeführten antisemitischen faschistischen Pfeilkreuzler-Partei waren die Juden Budapests von den Mordaktionen der Pfeilkreuzler und den Deportationen ®Eichmanns bedroht. In dieser Situation engagierte Wallenberg sich mit mutigen Rettungsunternehmungen. Drei Monate lang gab er Tausende von „Schutzpässen“ aus. Die Unterschrift des schwedischen Gesandten wurde in den meisten Fällen sowohl von den ungarischen Behörden als auch den Deutschen akzeptiert, so daß die Pässe für viele Juden einen wirksamen Schutz darstellten. Als Eichmann die Todesmärsche Tausender Juden zur österreichischen Grenze organisierte, begleitete Wallenberg den Konvoi. Er erwirkte die Freilassung Hunderter Inhaber schwedischer Pässe und brachte sie nach Budapest zurück. Es gelang ihm sogar, Menschen aus den Zügen nach Auschwitz zu holen oder sie aus dem Munkaszolgalat (Arbeitsdienst) zu befreien. Die Juden waren darüber hinaus der Morddrohung der Pfeilkreuzler ausgesetzt. Als Schutzmaßnahme richtete Wallenberg Herbergen ein, die 15.000 Personen unterbringen konnten - eine Operation, bei der auch andere diplomatische Vertretungen durch die Ausgabe von eigenen Schutzdokumenten beteiligt waren. Es gab 31 geschützte Häuser, die zusammen das „internationale Ghetto“ bildeten, eine eigene Welt, abgelegen vom Hauptghetto Budapests. Die Betreuung dieser Häuser war schwierig und teuer, da sowohl für Lebensmittel als auch für sanitäre und hygienische Einrichtungen gesorgt werden musste; zur Verwaltung und Instandhaltung der Häuser waren 600 Juden angestellt. Sowohl das „internationale Ghetto“ als auch das Hauptghetto lagen in Pest, dem Teil der Stadt, der als erster von der Roten Armee besetzt wurde. Wallenberg bemühte sich um Verhandlungen mit den Sowjets und um eine angemessene Versorgung der befreiten Juden. Die Sowjets waren gegenüber der schwedischen Vertretung höchst misstrauisch und verdächtigten ihre Mitarbeiter der Spionage für die Deutschen. Bedenklich fanden sie auch die große Zahl zirkulierender schwedischer Dokumente. Als die Sowjets Wallenberg in ihr Armeehauptquartier in Debrecen bestellten, vertraute dieser auf seine diplomatische Immunität, zumal die schwedische Gesandtschaft gegenüber den Deutschen sowjetische Interessen vertreten hatte. Am 17. Januar 1945 kehrte er in Begleitung zweier sowjetischer Soldaten nach Budapest zurück. Er äußerte, daß er nicht wisse, ob er Gast oder Gefangener der Sowjets sei. Danach verlor sich jede Spur von ihm und seinem Fahrer, Vilmos Langfelder. Auch die anderen Mitarbeiter der schwedischen Gesandtschaft wurden von den Sowjets festgehalten, kehrten jedoch alle innerhalb weniger Monate über Bukarest und Moskau nach Stockholm zurück. Nach zunächst widersprüchlichen Angaben gab die Sowjetunion 1957 an, Wallenberg sei 1947 in einem Moskauer Gefängnis verstorben. Ein internationales Wallenberg-Hearing stellte fest, es sei sicher, daß Wallenberg noch nach 1947 lebte. Rußland hält jedoch am Todesjahr 1947 fest. Es kann nicht einmal ausgeschlossen werden, daß Raoul Wallenberg heute noch lebt. Er wäre jetzt 89 Jahre alt. Am 22. Dezember 2000 wurden Raoul Wallenberg und sein mit ihm verschleppter Mitarbeiter Vilmos Langfelder offiziell von Rußland rehabilitiert. Der Generalstaatsanwalt erklärte, Wallenberg und Langfelder seien widerrechtlich festgenommen und aus politischen Gründen ihrer Freiheit beraubt worden. Am 12. Januar 2001 hat die schwedisch-russische Untersuchungskommission ihre Berichte vorgelegt. Die russische Seite beharrt auf ihrer Darstellung, Wallenberg sei im Juli 1947 in Moskau ums Leben gekommen. Die schwedische Seite hält dieses nicht für erwiesen. Dokumente liegen nicht vor. Es spricht viel dafür, daß Wallenberg noch nach 1947 lebte. Die Nachforschungen müssen weitergehen Veröffentlichte Berichte enthüllten, daß es Raoul Wallenberg in den letzten Tagen vor der Befreiung Budapests gelungen war, mit Hilfe Ungarns und des Zsidó Tanács (Judenrat) einen gemeinsamen Plan der ®SS und der Pfeilkreuzler zu vereiteln, die Ghettos in die Luft zu sprengen. Dadurch wurden etwa 100.000 Juden in den beiden Ghettos gerettet. In Anerkennung dieses Rettungsunternehmens zeichnete der Kongress der Vereinigten Staaten Wallenberg mit der amerikanischen Ehrenbürgerschaft aus. Informationen zu Raoul Wallenberg – Ehrenbürger der USA, Kanadas und Israels – gibt seit 1994 eine Wanderausstellung. Das Thema Wallenberg tauchte immer wieder auf. Bücher wurden über ihn geschrieben und öffentliche Ausschüsse eingesetzt, besonders in Großbritannien, den Vereinigten Staaten und Israel. Gedenkstätten wurden zu seinen Ehren errichtet, Straßen und Schulen nach ihm benannt und Filme über seine Tätigkeit in Budapest gedreht. Wallenbergs Name und Ruf als ®“Gerechter unter den Völkern“ sind legendär. http://www.shoa.de/p_raoul_wallenberg.html http://www.raoul-wallenberg.de/ Wannsee-Konferenz Tagung von Vertretern der obersten Reichs- und Parteibehörden am 20.1.1942 unter Vorsitz ®Heydrichs in Berlin „Am Großen Wannsee 56-48“. Ziel der Konferenz war es, grundsätzliche Fragen der ®Endlösung der Judenfrage zu klären und die Zusammenarbeit aller Instanzen zu sichern. Vorgesehen war die Deportation der jüdischen Bevölkerung in den Osten zur Vernichtung anstelle der bislang praktizierten Auswanderung. Nach dem heutigen Stand der Kenntnis war es das erste Mal, daß der Begriff Endlösung schriftlich in Form eines Auftrages für die planmäßige Organisation der Maßnahmen angewendet wurde, durch die eine nahezu vollständige systematische Vernichtung der ®Juden in Europa durch organisierte Massenmorde herbeigeführt werden sollte. Wannsee-Protokoll 20. Januar 1942* * * * *Geheime Reichssache 30 Ausfertigungen, 16. Ausfertigung Besprechungsprotokoll. I. An der am 20.1.1942 in Berlin, Am Großen Wannsee Nr. 56/58, stattgefundenen Besprechung über die Endlösung der Judenfrage nahmen teil: Gauleiter Dr. Meyer und Reichsministerium für die besetzten Reichsamtsleiter Dr. Leibbrandt Ostgebiete Staatssekretär Dr. Stuckart Reichsministerium des Innern Staatssekretär Neumann Beauftragter für den Vierjahresplan Staatssekretär Dr. Freisler Reichsjustizministeriu Staatssekretär Dr. Bühler Amt des Generalgouverneurs Unterstaatssekretär Luther Auswärtiges Amt SS-Oberführer Klopfer Partei-Kanzlei Minsterialdirektor Kritzinger Reichskanzlei SS-Gruppenführer Hofmann Rasse- und Siedlungshauptamt SS-Gruppenführer Müller Reichssicherheitshauptamt SS-Obersturmbannführer Eichmann SS-Oberführer Dr. Schöngarth Sicherheitspolizei und SD, Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD im General-Gouvernement SS-Sturmbannführer Dr. Lange Sicherheitspolizei und SD, Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Lettland, als Vertreter des Befehlhabers der Sicherheitspolizei und des SD für das Reichskommissariat Ostland. II. Chef der Sicherheitspolizei und des SD, SS-Obergruppenführer H e y d r i c h, teilte eingangs seine Bestellung zum Beauftragten für die Vorbereitung der Endlösung der europäischen Judenfrage durch den Reichsmarschall mit und wies darauf hin, daß zu dieser Besprechung geladen wurde, um Klarheit in grundsätzlichen Fragen zu schaffen. Der Wunsch des Reichsmarschalls, ihm einen Entwurf über die organisatorischen, sachlichen und materiellen Belange im Hinblick auf die Endlösung der europäischen Judenfrage zu übersenden, erfordert die vorherige gemeinsame Behandlung aller an diesen Fragen unmittelbar beteiligten Zentralinstanzen im Hinblick auf die Parallelisierung der Linienführung. Die Federführung bei der Bearbeitung der Endlösung der Judenfrage liege ohne Rücksicht auf geographische Grenzen zentral beim Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei (Chef der Sicherheitspolizei und des SD). Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD gab sodann einen kurzen Rückblick über den bisher geführten Kampf gegen diesen Gegner. Die wesentlichsten Momente bilden a/ die Zurückdrängung der Juden aus den einzelnen Lebensgebieten des deutschen Volkes, b/ die Zurückdrängung der Juden aus dem Lebensraum des deutschen Volkes. Im Vollzug dieser Bestrebungen wurde als einzige vorläufige Lösungsmöglichkeit die Beschleunigung der Auswanderung der Juden aus dem Reichsgebiet verstärkt und planmäßig in Angriff genommen. Auf Anordnung des Reichsmarschalls wurde im Januar 1939 eine Reichszentrale für jüdische Auswanderung errichtet, mit deren Leitung der Chef der Sicherheitspolizei und des SD betraut wurde. Sie hatte insbesondere die Aufgabe a/ alle Maßnahmen zur Vorbereitung einer verstärkten Auswanderung der Juden zu treffen b/ den Auswanderungsstrom zu lenken c/ die Durchführung der Auswanderung im Einzelfall zu beschleunigen. Das Aufgabenziel war, auf legale Weise den deutschen Lebensraum von Juden zu säubern. Über die Nachteile, die eine solche Auswanderungsforcierung mit sich brachte, waren sich alle Stellen im klaren. Sie mußten jedoch angesichts des Fehlens anderer Lösungsmöglichkeiten vorerst in Kauf genommen werden. Die Auswanderungsarbeiten waren in der Folgezeit nicht nur ein deutsches Problem, sondern auch ein Problem, mit dem sich die Behörden der Ziel- bzw. Einwandererländer zu befassen hatten. Die finanziellen Schwierigkeiten, wie Erhöhung der Vorzeige- und Landungsgelder seitens der verschiedenen ausländischen Regierungen, fehlende Schiffsplätze, laufend verschärfte Einwanderungsbeschränkungen oder - sperren, erschwerten die Auswanderungsbestrebungen außerordentlich. Trotz dieser Schwierigkeiten wurden seit der Machtübernahme bis zum Stichtag 31.10.1941 insgesamt rund 537.000 Juden zur Auswanderung gebracht. Davon vom 30.1.1933 aus dem Altreich rd. 360.000 vom 15.3.1938 aus der Ostmark rd. 147.000 vom 15.3.1939 aus dem Protektorat Böhmen und Mähren rd. 30.000. Die Finanzierung der Auswanderung erfolgte durch die Juden bzw. jüdisch- politischen Organisationen selbst. Um den Verbleib der verproletarisierten Juden zu vermeiden, wurde nach dem Grundsatz verfahren, daß die vermögenden Juden die Abwanderung der vermögenslosen Juden zu finanzieren haben; hier wurde, je nach Vermögen gestaffelt, eine entsprechende Umlage bzw. Auswandererabgabe vorgeschrieben, die zur Bestreitung der finanziellen Obliegenheiten im Zuge der Abwanderung vermögensloser Juden verwandt wurde. Neben dem Reichsmark-Aufkommen sind Devisen für Vorzeige- und Landungsgelder erforderlich gewesen. Um den deutschen Devisenschatz zu schonen, wurden die jüdischen Finanzinstitutionen des Auslandes durch die jüdischen Organisationen des Inlandes verhalten, für die Beitreibung entsprechender Devisenaufkommen Sorge zu tragen. Hier wurden durch diese ausländischen Juden im Schenkungswege bis zum 30.10.1941 insgesamt rund 9.500.000 Dollar zur Verfügung gestellt. Inzwischen hat der Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei im Hinblick auf die Gefahren einer Auswanderung im Kriege und im Hinblick auf die Möglichkeiten des Ostens die Auswanderung von Juden verboten. III. Anstelle der Auswanderung ist nunmehr als weitere Lösungsmöglichkeit nach entsprechender vorheriger Genehmigung durch den Führer die Evakuierung der Juden nach dem Osten getreten. Diese Aktionen sind jedoch lediglich als Ausweichmöglichkeiten anzusprechen, doch werden hier bereits jene praktischen Erfahrungen gesammelt, die im Hinblick auf die kommende Endlösung der Judenfrage von wichtiger Bedeutung sind. Im Zuge dieser Endlösung der europäischen Judenfrage kommen rund 11 Millionen Juden in Betracht, die sich wie folgt auf die einzelnen Länder verteilen: Land Zahl A. Altreich 131.800 Ostmark 43.700 Ostgebiete 420.000 Generalgouvernement 2.284.000 Bialystok 400.000 Protektorat Böhmen und Mähren 74.200 Estland - judenfrei- Lettland 3.500 Litauen 34.000 Belgien 43.000 Dänemark 5.600 Frankreich / Besetztes Gebiet 165.000 Unbesetztes Gebiet 700.000 Griechenland 69.600 Niederlande 160.800 Norwegen 1.300 B. Bulgarien 48.000 England 330.000 Finnland 2.300 Irland 4.000 Italien einschl. Sardinien 58.000 Albanien 200 Kroatien 40.000 Portugal 3.000 Rumänien einschl. Beßarabien 342.000 Schweden 8.000 Schweiz 18.000 Serbien 10.000 Slowakei 88.000 Spanien 6.000 Türkei (europ. Teil) 55.500 Ungarn 742.800 UdSSR 5.000.000 Ukraine 2.994.684 Weißrußland ausschl. Bialystok 446.484 Zusammen über 11.000.000 Bei den angegebenen Judenzahlen der verschiedenen ausländischen Staaten handelt es sich jedoch nur um Glaubensjuden, da die Begriffsbestimmungen der Juden nach rassischen Grundsätzen teilweise dort noch fehlen. Die Behandlung des Problems in den einzelnen Ländern wird im Hinblick auf die allgemeine Haltung und Auffassung auf gewiße Schwierigkeiten stoßen, besonders in Ungarn und Rumänien. So kann sich z.B. heute noch in Rumänien der Jude gegen Geld entsprechende Dokumente, die ihm eine fremde Staatsangehörigkeit amtlich bescheinigen, beschaffen. Der Einfluß der Juden auf alle Gebiete in der UdSSR ist bekannt. Im europäischen Gebiet leben etwa 5 Millionen, im asiatischen Raum knapp 1/4 Millionen Juden. Die berufsständische Aufgliederung der im europäischen Gebiet der UdSSR ansässigen Juden war etwa folgende: In der Landwirtschaft 9,1 % als städtische Arbeiter 14,8 % im Handel 20,0 % als Staatsarbeiter angestellt 23,4 % in den privaten Berufen - Heilkunde, Presse, Theater, usw. 32,7 % Unter entsprechender Leitung sollen im Zuge der Endlösung die Juden in geeigneter Weise im Osten zum Arbeitseinsatz kommen. In großen Arbeitskolonnen, unter Trennung der Geschlechter, werden die arbeitsfähigen Juden straßenbauend in diese Gebiete geführt, wobei zweifellos ein Großteil durch natürliche Verminderung ausfallen wird. Der allfällig endlich verbleibende Restbestand wird, da es sich bei diesem zweifellos um den widerstandsfähigsten Teil handelt, entsprechend behandelt werden müssen, da dieser, eine natürliche Auslese darstellend, bei Freilassung als Keimzelle eines neuen jüdischen Aufbaues anzusprechen ist. (Siehe die Erfahrung der Geschichte.) Im Zuge der praktischen Durchführung der Endlösung wird Europa vom Westen nach Osten durchgekämmt. Das Reichsgebiet einschließlich Protektorat Böhmen und Mähren wird, allein schon aus Gründen der Wohnungsfrage und sonstigen sozial- politischen Notwendigkeiten, vorweggenommen werden müssen. Die evakuierten Juden werden zunächst Zug um Zug in sogenannte Durchgangsghettos verbracht, um von dort aus weiter nach dem Osten transportiert zu werden. Wichtige Voraussetzung, so führte SS- Obergruppenführer H e y d r i c h weiter aus, für die Durchführung der Evakuierung überhaupt, ist die genaue Festlegung des in Betracht kommenden Personenkreises. Es ist beabsichtigt, Juden im Alter von über 65 Jahren nicht zu evakuieren, sondern sie einem Altersghetto - vorgesehen ist Theresienstadt - zu überstellen. Neben diesen Altersklassen - von den am 31.10.1941 sich im Altreich und der Ostmark befindlichen etwa 280.000 Juden sind etwa 30 % über 65 Jahre alt - finden in den jüdischen Altersghettos weiterhin die schwerkriegsbeschädigten Juden und Juden mit Kriegsauszeichnungen (EK I) Aufnahme. Mit dieser zweckmäßigen Lösung werden mit einem Schlag die vielen Interventionen ausgeschaltet. Der Beginn der einzelnen größeren Evakuierungsaktionen wird weitgehend von der militärischen Entwicklung abhängig sein. Bezüglich der Behandlung der Endlösung in den von uns besetzten und beeinflußten europäischen Gebieten wurde vorgeschlagen, daß die in Betracht kommenden Sachbearbeiter des Auswärtigen Amtes sich mit dem zuständigen Referenten der Sicherheitspolizei und des SD besprechen. In der Slowakei und Kroatien ist die Angelegenheit nicht mehr allzu schwer, da die wesentlichsten Kernfragen in dieser Hinsicht dort bereits einer Lösung zugeführt wurden. In Rumänien hat die Regierung inzwischen ebenfalls einen Judenbeauftragten eingesetzt. Zur Regelung der Frage in Ungarn ist erforderlich, in Zeitkürze einen Berater für Judenfragen der Ungarischen Regierung aufzuoktroyieren. Hinsichtlich der Aufnahme der Vorbereitungen zur Regelung des Problems in Italien hält SS-Obergruppenführer H e y d r i c h eine Verbindung Polizei-Chef mit dem Polizei-Chef in diesen Belangen für angebracht. Im besetzten und unbesetzten Frankreich wird die Erfassung der Juden zur Evakuierung aller Wahrscheinlichkeit nach ohne große Schwierigkeiten vor sich gehen können. Unterstaatssekretär L u t h e r teilt hierzu mit, daß bei tiefgehender Behandlung dieses Problems in einigen Ländern, so in den nordischen Staaten, Schwierigkeiten auftauchen werden, und es sich daher empfiehlt, diese Länder vorerst noch zurückzustellen. In Anbetracht der hier in Frage kommenden geringen Judenzahlen bildet diese Zurückstellung ohnedies keine wesentliche Einschränkung. Dafür sieht das Auswärtige Amt für den Südosten und Westen Europas keine großen Schwierigkeiten. SS-Gruppenführer H o f m a n n beabsichtigt, einen Sachbearbeiter des Rasse- und Siedlungshauptamtes zur allgemeinen Orientierung dann nach Ungarn mitsenden zu wollen, wenn seitens des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD die Angelegenheit dort in Angriff genommen wird. Es wurde festgelegt, diesen Sachbearbeiter des Rasse- und Siedlungshauptamtes, der nicht aktiv werden soll, vorübergehend offiziell als Gehilfen zum Polizei-Attaché abzustellen. IV. Im Zuge der Endlösungsvorhaben sollen die Nürnberger Gesetze gewissermaßen die Grundlage bilden, wobei Voraussetzung für die restlose Bereinigung des Problems auch die Lösung der Mischehen- und Mischlingsfragen ist. Chef der Sicherheitspolizei und des SD erörtert im Hinblick auf ein Schreiben des Chefs der Reichskanzlei zunächst theoretisch die nachstehenden Punkte: 1) Behandlung der Mischlinge 1. Grades. Mischlinge 1. Grades sind im Hinblick auf die Endlösung der Judenfrage den Juden gleichgestellt. Von dieser Behandlung werden ausgenommen: a) Mischlinge 1. Grades verheiratet mit Deutschblütigen,aus deren Ehe Kinder (Mischlinge 2. Grades) hervorgegangen sind. Diese Mischlinge 2. Grades sind im wesentlichen den Deutschen gleichgestellt. b) Mischlinge 1. Grades, für die von den höchsten Instanzen der Partei und des Staates bisher auf irgendwelchen Lebensgebieten Ausnahmegenehmigungen erteilt worden sind. Jeder Einzelfall muß überprüft werden, wobei nicht ausgeschlossen wird, daß die Entscheidung nochmals zu Ungunsten des Mischlings ausfällt. Voraussetzungen einer Ausnahmebewilligung müssen stets grundsätzliche Verdienste des in Frage stehenden Mischlings selbst sein. (Nicht Verdienste des deutschblütigen Eltern- oder Eheteiles.) Der von der Evakuierung auszunehmende Mischling 1. Grades wird - um jede Nachkommenschaft zu verhindern und das Mischlingsproblem endgültig zu bereinigen - sterilisiert. Die Sterilisierung erfolgt freiwillig. Sie ist aber Voraussetzung des Verbleibens im Reich. Der sterilisierte „Mischling“ ist in der Folgezeit von allen einengenden Bestimmungen, denen er bislang unterworfen ist, befreit. 2) Behandlung der Mischlinge 2. Grades. Die Mischlinge 2. Grades werden grundsätzlich den Deutschblütigen zugeschlagen, mit Ausnahme folgender Fälle, in denen die Mischlinge 2. Grades den Juden gleichgestellt werden: a) Herkunft des Mischlings 2. Grades aus einer Bastardehe (beide Teile Mischlinge). b) Rassisch besonders ungünstiges Erscheinungsbild des Mischlings 2. Grades, das ihn schon äußerlich zu den Juden rechnet. c) Besonders schlechte polizeiliche und politische Beurteilung des Mischlings 2. Grades, die erkennen läßt, daß er sich wie ein Jude fühlt und benimmt. Auch in diesen Fällen sollen aber dann Ausnahmen nicht gemacht werden, wenn der Mischling 2. Grades deutschblütig verheiratet ist. 3) Ehen zwischen Volljuden und Deutschblütigen. Von Einzelfall zu Einzelfall muß hier entschieden werden, ob der jüdische Teil evakuiert wird, oder ob er unter Berücksichtigung auf die Auswirkung einer solchen Maßnahme auf die deutschen Verwandten dieser Mischehe einem Altersghetto überstellt wird. 4) Ehen zwischen Mischlingen 1. Grades und Deutschblütigen. a) Ohne Kinder. Sind aus der Ehe keine Kinder hervorgegangen, wird der Mischling 1. Grades evakuiert bzw. einem Altersghetto überstellt (Gleiche Behandlung wie bei Ehen zwischen Volljuden und Deutschblütigen, Punkt 3.) b) Mit Kindern. Sind Kinder aus der Ehe hervorgegangen (Mischlinge 2. Grades), werden sie, wenn sie den Juden gleichgestellt werden, zusammen mit dem Mischling 1. Grades evakuiert bzw. einem Ghetto überstellt. Soweit diese Kinder Deutschen gleichgestellt werden (Regelfälle), sind sie von der Evakuierung auszunehmen und damit auch der Mischling 1. Grades. 5) Ehen zwischen Mischlingen 1. Grades und Mischlingen 1. Grades oder Juden. Bei diesen Ehen (einschließlich der Kinder) werden alle Teile wie Juden behandelt und daher evakuiert bzw. einem Altersghetto überstellt. 6) Ehen zwischen Mischlingen 1. Grades und Mischlingen 2. Grades. Beide Eheteile werden ohne Rücksicht darauf, ob Kinder vorhanden sind oder nicht, evakuiert bzw. einem Altersghetto überstellt, da etwaige Kinder rassenmäßig in der Regel einen stärkeren jüdischen Bluteinschlag aufweisen, als die jüdischen Mischlinge 2. Grades. SS-Gruppenführer H o f m a n n steht auf dem Standpunkt, daß von der Sterilisierung weitgehend Gebrauch gemacht werden muß; zumal der Mischling, vor die Wahl gestellt, ob er evakuiert oder sterilisiert werden soll, sich lieber der Sterilisierung unterziehen würde. Staatssekretär Dr. S t u c k a r t stellt fest, daß die praktische Durchführung der eben mitgeteilten Lösungsmöglichkeiten zur Bereinigung der Mischehen- und Mischlingsfragen in dieser Form eine unendliche Verwaltungsarbeit mit sich bringen würde. Um zum anderen auf alle Fälle auch den biologischen Tatsachen Rechnung zu tragen, schlug Staatssekretär Dr. S t u c k a r t vor, zur Zwangssterilisierung zu schreiten. Zur Vereinfachung des Mischehenproblems müßten ferner Möglichkeiten überlegt werden mit dem Ziel, daß der Gesetzgeber etwa sagt: „Diese Ehen sind geschieden.“ Bezüglich der Frage der Auswirkung der Judenevakuierung auf das Wirtschaftsleben erklärte Staatssekretär N e u m a n n , daß die in kriegswichtigen Betrieben im Arbeitseinsatz stehenden Juden derzeit, solange noch kein Ersatz zur Verfügung steht, nicht evakuiert werden könnten. SS-Obergruppenführer H e y d r i c h wies darauf hin, daß diese Juden nach den von ihm genehmigten Richtlinien zur Durchführung der derzeit laufenden Evakuierungsaktionen ohnedies nicht evakuiert würden. Staatssekretär Dr. B ü h l e r stellte fest, daß das Generalgouvernement es begrüssen würde, wenn mit der Endlösung dieser Frage im Generalgouvernement begonnen würde, weil einmal hier das Transportproblem keine übergeordnete Rolle spielt und arbeitseinsatzmäßige Gründe den Lauf dieser Aktion nicht behindern würden. Juden müßten so schnell wie möglich aus dem Gebiet des Generalgouvernements entfernt werden, weil gerade hier der Jude als Seuchenträger eine eminente Gefahr bedeutet und er zum anderen durch fortgesetzten Schleichhandel die wirtschaftliche Struktur des Landes dauernd in Unordnung bringt. Von den in Frage kommenden etwa 2 1/2 Millionen Juden sei überdies die Mehrzahl der Fälle arbeitsunfähig. Staatssekretär Dr. B ü h l e r stellt weiterhin fest, daß die Lösung der Judenfrage im Generalgouvernement federführend beim Chef der Sicherheitspolizei und des SD liegt und seine Arbeiten durch die Behörden des Generalgouvernements unterstützt würden. Er hätte nur eine Bitte, die Judenfrage in diesem Gebiet so schnell wie möglich zu lösen. Abschließend wurden die verschiedenen Arten der Lösungsmöglichkeiten besprochen, wobei sowohl seitens des Gauleiters Dr. M e y e r als auch seitens des Staatssekretär Dr. B ü h l e r der Standpunkt vertreten wurde, gewiße vorbereitende Arbeiten im Zuge der Endlösung gleich in den betreffenden Gebieten selbst durch zuführen, wobei jedoch eine Beunruhigung der Bevölkerung vermieden werden müsse. Mit der Bitte des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD an die Besprechungsteilnehmer, ihm bei der Durchführung der Lösungsarbeiten entsprechende Unterstützung zu gewähren, wurde die Besprechung geschlossen. http://www.dsg.ch/wnskonf.htm http://www.wannsee-konferenz.de/ http://www.ghwk.de/ Wehrertüchtigungslager Im Rahmen der nationalsozialistischen Wehrerziehung seit 1939 vom „Amt für körperliche Ertüchtigung“ bei der „Reichsjugendführung“ organisierte mehrwöchige Lehrgänge, bei denen männliche Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren eine vormilitärische Ausbildung erhalten sollten. http://www.dhm.de/lemo/forum/kollektives_gedaechtnis/203/ http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/BEITRAG/intervie/wehler.htm Wehrmachtshelferinnen Sammelbegriff für das weibliche Hilfspersonal bei Heer und Marine und Luftwaffe. Im Heer waren bei Kriegsausbruch bereits 140.000 Frauen beschäftigt, im Bereich des Ersatzheeres 1943/44 etwa 300.000. Die Luftwaffe beschäftigte während des Krieges etwa 130.000 Frauen. Bei der Marine waren einschließlich der Marinehelferinnen 20.000. http://www.swr.de/presse/archiv/2001/01/22/839/ http://www.phoenix.de/static/main/index.html Weisen von Zion - Protokolle der Bei den „Protokollen der Weisen von Zion“, die auch als „Die Geheimnisse der Weisen von Zion“ oder „Zionistische Protokolle“ bezeichnet werden, handelt es sich um eine Fälschung. Den Text erstellten gegen Ende des 19. Jahrhunderts Auslandsagenten des damaligen zaristischen Geheimdienstes „Ochrana“, indem sie aus einer älteren französischen Satire aus dem Jahre 1864 wesentliche Teile zu den „Protokollen“ zusammenstellten. In dem Ursprungstext, Maurice Jolys Buch „Dialogue aux enfers entre Machiavelli et Montesquieu“, findet sich ein fiktives Streitgespräch der Philosophen Machiavelli und Montesquieu in der Unterwelt. Aus den dort dem machtpolitisch denkenden Theoretiker Machiavelli zugeschriebenen Aussagen konstruierten die Fälscher unter Ergänzung um andere Aussagen eben jenes angebliche Kronzeugendokument einer jüdischen Weltverschwörung. Dass es sich dabei um ein Plagiat handelte, offenbarte bereits die britische Zeitung „Times“ im Jahr 1921. Ihre mörderische Bedeutung erlangten sie erst in den schweren politischen Krisen nach dem Sturz des Zaren und des deutschen Kaisers, als sie in den Händen völkischer Antisemiten zu „konkreten Beweisen“ für die Existenz dunkler Mächte gemacht wurden, die für die Niederlage im Krieg, für das revolutionäre Chaos und die Demütigungen der Verlierer verantwortlich sein sollten. Der Einfluß der Verschwörungstheorie auf Alfred Rosenberg, die über ihn in die Nazi-Propaganda und den „Völkischen Beobachter“ gelangte, läßt sich durch eine breite Überlieferungsdichte zeigen. Ob Hitler von der Echtheit der „Protokolle“ überzeugt war, ist in der Forschung weiterhin umstritten. In seinem antisemitischen Denken handelten die Juden aus angeborenem Rasseinstinkt und benötigten kein schriftliches Programm (vgl. Goebbels-Tagebücher 13.5.1943, S. 287). Der Mythos der Jüdischen Weltverschwörung ging 1945 nicht unter. Trotz des Wissens dass es sich dabei um ein Plagiat handelt bildet bis in die Gegenwart hinein die wohl weltweit am weitesten verbreitete antisemitische Hetzschrift und den wichtigsten Anknüpfungspunkt für die Leugnung der Ermordung der europäischen Juden. Genese Es war aus einer 1864 in Brüssel erschienenen Satire von Maurice Joly gegen Napoleon III., dem DiaIogue aux Enfers entre Montesquieu et Machiavel (Dialog zwischen Montesquieu und Machiavelli in der Hölle) übernommen worden und war zunächst in Rußland weitverbreitet. Den Protokollen und ihren verschiedenen Einführungen und Kommentaren zufolge unterminierten die Juden die europäische Gesellschaft, indem sie die Franzosische Revolution, den Liberalismus, den Sozialismus, den Kommunismus und die Anarchie heraufbeschworen hätten. Gleichzeitig würden sie den Goldpreis manipulieren und eine Finanzkrise schüren, die Kontrolle über die Medien erwerben und religiöse und ethnische Vorurteile nähren. Nach der Übernahme der Weltherrschaft planten sie ein monarchistisches Regime. Bei diesen Plänen würden die Juden von den Freimaurern unterstützt. Die Protokolle waren ursprünglich reaktionäre Propaganda, die die Französische Revolution als freimaurerische Konspiration darzustellen versuchte. In der Mitte des 19. Jahrhunderts tauchten derartige Behauptungen auch in der deutschen Presse auf. Eine erste Fassung der Protokolle erschien in dem Roman Biarritz (1868), geschrieben von Hermann Goedsche und später in Berlin unter dem Pseudonym Sir John Retcliffe (später verändert in Readclif). In dem Kapitel „Auf dem jüdischen Friedhof in Prag“ werden die Vertreter der zwölf Stämme Israels bei ihrer einmal jährlich stattfindenden Zusammenkunft beschrieben, wo sie über den Fortschritt des Plans, die Weltherrschaft zu übernehmen, berichten. Am Ende der Sitzung drückt der Vorsitzende Levit die Hoffnung aus, daß bei der nächsten Zusammenkunft, 100 Jahre später, die Juden die „Könige der Welt“ sein werden. Diese Rede, bekannt geworden als die „Rede des Rabbiners“, bildete ein Grundelement der Protokolle und wurde in breiten Kreisen rezipiert. Ähnliche Vorstellungen wurden auch Ende des 19. Jahrhunderts in Rußland propagiert, besonders in den Büchern von Osman Bey. Die Protokolle selbst sind wahrscheinlich zur Zeit der Dreyfus-Affäre (1894) von Pjotr Iwanowitsch Ratschkowski verfasst worden. Ratschkowski war Leiter der Auslandsabteilung der russischen Geheimpolizei (Ochrana), die ihren Sitz in Paris hatte. Die französische Rechte wollte ein Dokument, das Alfred Dreyfus die Beteiligung an einer Konspiration nachwies, während die Russen mit den Protokollen ihre antisemitische Politik rechtfertigen wollten. 1903 veröffentlichte ein zaristischer Agent, Pawlokai Kruschew, eine gekürzte Fassung des „Dokuments“ in dem Pamphlet „Programm für die Weltregierung der Juden“. 1905 publizierte G. W. Butmi zusammen mit Kruschew eine ungekürzte Fassung der Protokolle unter dem Titel Die Wurzel unserer Probleme. Doch den größten Einfluss hatte die von Sergei Nilus (ebenfalls 1905) publizierte Fassung in der dritten Ausgabe seines Buches (Großes im Kleinen. Aufzeichnungen eines Orthodoxen). Nilus war vermutlich durch Ratschkowski, einen seiner Mitarbeiter, in den Besitz des „Dokuments“ gelangt. Bei ihrer Flucht in den Westen brachten die Gegner der russischen Revolution die Protokolle mit. In Deutschland veröffentlichten Pjotr Nikolajewitsch Schabelsk-Bork und Fjodor Viktorowitsch Winberg den gesamten Text der Protokolle in der 3. Ausgabe ihres Jahrbuches „Lutsch Sweta“ (Ein Lichtstrahl, Berlin 1920). Ein Jahr zuvor war von Ludwig Müller (alias Müller von Hausen) unter dem Pseudonym Gottfried zur Beck eine deutschsprachige Ausgabe der Protokolle „Die Geheimnisse der Weisen von Zion“ herausgegeben worden. Zwischen 1919 und 1923 schrieb der NSDAP-Ideologe Alfred Rosenberg, ebenfalls ein russischer Emigrant, fünf Pamphlete über die vermeintliche Konspiration. Bis zum Zusammenbruch des NS-Systems wurden die Protokolle häufig in dem von Julius Streicher herausgegebenen Parteiblatt „Der Stürmer“ und in der Zeitung der NSDAP, dem „Völkischen Beobachter“, zitiert; 1933 erschien eine Ausgabe für die NSDAP. In den 2oer Jahren tauchten die Protokolle zum ersten Mal in den Vereinigten Staaten auf, wo eine Reihe von Zeitungen die „Grundthesen“ veröffentlichte und die „jüdische Konspiration“ mit dem Bolschewismus in Zusammenhang brachte. Zu ihnen gehörte die Zeitung Henry Fords, „The Dearborn Independent“. Sie veröffentlichte im Sommer 1920 eine Artikelserie, die sich auf die Protokolle stützte und danach als Buch mit dem Titel „The International Jews. The World‘s Foremost Problem“ in einer Auflage von 100.000 Exemplaren erschien. Im Juni 1927 lehnte Ford die Verantwortung für die Artikel ab und versuchte, das Buch zurückzuziehen, doch in der Zwischenzeit war es bereits in sechs Sprachen übersetzt worden. In Großbritannien wurden die Protokolle 1920 von den meisten großen Zeitungen veröffentlicht; selbst die Londoner Times behandelte sie als ein ernstzunehmendes Dokument und veröffentlichte sie in ihrer Ausgabe vom 8. Mai 1920. Als jedoch ihr eigener Korrespondent das Dokument als Fälschung entlarvte, klärte die Times am 18. August 1921 den Sachverhalt auf. Von da an waren die Protokolle in Großbritannien diskreditiert. Zwischen den Weltkriegen wurden weltweit zahlreiche Ausgaben der Protokolle auf polnisch, rumänisch, ungarisch, tschechisch, serbokroatisch, griechisch, italienisch, spanisch, portugiesisch, flämisch, schwedisch, lettisch und arabisch veröffentlicht. Während des Zweiten Weltkriegs erschienen auch Ausgaben in Norwegisch und Holländisch. Vor dem Zweiten Weltkrieg fanden zwei Prozesse statt, die die Protokolle der Weisen von Zion als Fälschungen bestätigten: in Port Elizabeth in Südafrika und 1934/35 in Bern in der Schweiz. Die in den Protokollen enthaltenen Vorstellungen waren zu dieser Zeit weitverbreitet. Viele führende Nationalsozialisten glaubten an ihre Echtheit. Ohne Zweifel leisteten die „Protokolle der Weisen von Zion“ der nationalsozialistischen Ideologie Vorschub und stellten, wie Norman Cohn schrieb, eine Art Freibrief für die versuchte Ermordung des jüdischen Volkes aus. http://www.shoa.de/weisen_von_zion.html http://www.fritz-bauer-institut.de/rezensionen/nl15/erb.htm http://www.verfassungsschutz.de/renetz/rechts1a/page32.html http://www.shoa.de/weisen_von_zion.html Weltkrieg, Zweiter Der 2. Weltkrieg, globale kriegerische Auseinandersetzung (1939-1945), die ein Schlüsselereignis in der Geschichte des 20. Jahrhunderts darstellt. Verursacher war das nationalsozialistische Deutschland, das mit dem Überfall auf Polen die Kampfhandlungen am 1. September 1939 begann. Am Ende des Krieges stand die Teilung des deutschen Staates und eine neue politische und wirtschaftliche Weltordnung mit zwei Supermächten. Der größte Land-, Luft- und Seekrieg der Geschichte hatte katastrophale Folgen: Etwa 60 Millionen Menschen starben weltweit, davon mindestens 20 bis 30 Millionen Zivilisten, die durch Luftangriffe, Deportation, Massenvernichtungslager und Übergriffe der Streitkräfte umkamen. Etwa sechs Millionen Juden wurden Opfer des nationalsozialistischen Vernichtungskrieges. Rund 20 Millionen Menschen mussten fliehen, wurden vertrieben oder als ®Zwangsarbeiter verschleppt. http://www.hco.hagen.de/history/ http://www.wk-2.de/ Vernichtungskrieg ® Terrormaßnahmen ... Folgen des Krieges Der 2. Weltkrieg war die größte Auseinandersetzung in der Menschheitsgeschichte. Fast ein Drittel der Weltbevölkerung aus 61 Ländern war daran unmittelbar beteiligt. Insgesamt standen 110 Millionen Menschen unter Waffen, davon über die Hälfte im Dienst der Sowjetunion, Deutschlands und der USA. Die jahrelangen Kämpfe hatten ungeheure Opfer gefordert und maßlose Zerstörungen mit sich gebracht. Die größten Verluste an Menschenleben hatte die Sowjetunion zu beklagen. Neue Schätzungen gehen von mindestens 25 Millionen Toten aus. Charakteristisch ist, dass davon höchstens ein Drittel bei militärischen Aktionen ums Leben kam. Die Zahl der zivilen Opfer überstieg die der militärischen bei weitem. In China sind Schätzungen zufolge etwa 15 Millionen Menschen gestorben. Polen hatte fast sechs Millionen Tote zu beklagen, die Vereinigten Staaten etwa 300 000. In Deutschland forderte der Krieg über vier Millionen Opfer, in Japan über zwei Millionen. Weltweit schätzt man die Zahl der Toten auf ungefähr 60 Millionen, darunter sechs Millionen Juden. Der 2. Weltkrieg hatte eine Flüchtlingswelle ausgelöst, die auch nach Kriegsende nicht zum Stillstand kam. Viele Menschen konnten aufgrund der politischen Veränderungen nicht in ihre Heimat zurückkehren, andere – wie z. B. die polnischen Juden – trafen bei ihrer Rückkehr auf so viel Ablehnung, dass sie erneut fliehen mussten. Auch Millionen Deutsche waren auf der Flucht aus den ehemaligen Ostgebieten. Man spricht von weit über zehn Millionen Flüchtlingen. Das internationale Kräfteverhältnis verschob sich infolge des Krieges nachhaltig: Die Sowjetunion wurde neben den USA zur Weltmacht. Die bisherigen Großmächte England, Frankreich, Deutschland und Japan verloren an Bedeutung. ® Hoßbach-Niederschrift (Autor: Dietmar Süß, Mitarbeiter des Instituts für Zeitgeschichte und freier Journalist.) Die Geschichte der beiden Weltkriege ist ausführlich dargestellt. Statt den vielen Veröffentlichungen eine weitere Variante hinzuzufügen, zitieren wir auszugsweise einen Erfahrungsbericht aus dem ersten Weltkrieg, der die Leiden in und die Absurdität von Kriegen nachempfinden lässt: ... Ich bekam meine Schüsse in dem Augenblick, als ich den Degen hob, um meinem Zug das Zeichen zur Attacke zu geben. »Zur Attacke - Lanzen gefällt!« wollte ich rufen, aber ich kam über das »Zur« nicht hinaus. Meine Abteilung spritzte wie eine Wasserpfütze auseinander, in die eine Faust hineinschlägt, meine Stute Zelle stieg kerzensteil auf, schwankte eine Sekunde, schlug rücklings hin. Ich fühlte dumpf, daß alles zu Ende sei, aber obwohl es nahegelegen hätte, schrie ich nicht nach meiner Mutter. »Mein Gott - warum hast du mich verlassen?« schrie ich auf. Professor Schwarz, unser Religionslehrer, hatte uns dies Wort als »des Gottsohnes Menschlichkeit blitzhaft beleuchtend« besonders eingeprägt - es war kein Wunder, daß es in diesem Augenblick wieder hervorbrach. Im übrigen war ich siebzehn Jahre alt. Als ich erwachte, war es mir, als ob man mir durch beide Beine sägte. Mein Mund war voll krümeliger Erde; ich hatte im Sturz und Schmerz in den gepflügten Acker gebissen. ... Aber vielleicht kann ich mich trotzdem noch retten? Meine Beine sind gelähmt, mein Rücken ist steif, ich kann nicht einmal meine Lage verändern. Zwischen meinen Schenkeln ist es heiß, als ob glühende Kohlen zwischen ihnen lägen. Ich öffne den Hosenschlitz, schiebe die Hand hinein. Rechts, an der Innenseite, rutschen vier Finger in ein klaffendes Loch, links, weiter unten, oberhalb des Knies, dringt nur ein Finger ein. »Du wirst also verbluten ...« Diese Erkenntnis schmerzt kaum mehr; ich habe schon zuviel Blut verloren, um noch etwas stark empfinden zu können. ... Aber sie hindern Schmidt II nicht, mir die Hose herabzustreifen, um mich verbinden zu können. Ich schiele gespannt auf meinen rechten Schenkel. Wenn es jetzt sprudelt, ist es aus, wenn es aber nur quillt . . . »Es quillt nur . . .«, sagt Schmidt II, als ob er wisse, was ich denke. Rechts und links liegen ein paar Tote meines Zuges, er geht von einem zum andern, wälzt sie auf den Rücken, nimmt ihnen die Verbandspäckchen ab, kniet sich ächzend neben mich, wickelt, wickelt . .. »Schweinerei«, sagt er finster. »Es schlägt immer wieder durch. ... »Sie schaffen uns fort!« knurrt Schnarrenberg. ... »Sie wollen nur Platz schaffen!« sagt er. »Für die nächsten . . .« Nach einer Stunde kommt ein Wagentroß heran, dreißig, vierzig, jedes Pferd ist mit dem Kopf an den Schweif des vorhergehenden gebunden. Man wirft uns unsanft auf das Stroh der Wagen, aber man legt uns nicht zusammen, man legt zu jedem Deutschen einen Russen. »Damit wir nicht entfliehen können!« höre ich Brünninghaus höhnisch sagen. Es sind winzige Wägelchen, mehr als zwei Mann fassen sie nicht. An meine Seite legt man einen russischen Offizier. Er ist bewußtlos. Ich werde es gut haben. ... Die Straße ist voller Löcher. Zuweilen wirft es mich auf meinen Nachbarn, dann rollt es ihn wieder auf mich. Ich habe es trotzdem gut. Im Wagen vor mir schreit der Russe unablässig es hört sich an, als ob ein sterbender Hund in ihm läge. ... Mitten im Wald wird der Offizier unruhig, stöhnt erstickt, wirft sich herum. Ich drehe meinen Kopf, sehe ihn an. Es ist ein großer, bärtiger, kraftvoller Mensch, seine rechte Gesichtshälfte ist verbunden, seine Brust ebenfalls. »Äch ...«, stöhnt er, »äch . . .« Ich rücke etwas auf die Seite, um ihn nicht zu drücken. Die linke Hälfte seines Gesichts sieht aus, als ob er weine. Plötzlich richtet er sich auf, greift mit den Händen nach seinem Kopfverband. Ich versuche seine Hände zu fassen, um ihn daran zu hindern. Ein heftiger Kampf entspinnt sich zwischen uns. Es gelingt ihm, meine Kehle zu packen, und während ich mich von seinem Würgen zu befreien suche, reißt er sich den Verband mit der anderen Hand mit einem Ruck herunter. Seine Backe klafft von der Schläfe bis zum Kinn auseinander - ich sehe seine Kiefer, alle seine Zähne, weiß, bleckend im Dunkel. Im gleichen Augenblick beginnt er zu toben. Sein Schreien hat etwas Grauenvolles, weil seine Töne nicht aus dem Mund zu kommen scheinen, sondern aus dem klaffenden Schlitz seiner Wange. Er schlägt um sich, daß ich fast über den Randbalken hinausgedrängt werde, mich mit aller Kraft anklammern muß, um nicht hinauszufallen. Allmählich aber beginnt er zu röcheln, beginnt sein Pfeifen keuchend zu werden. Ich atme auf. Jetzt stirbt er! denke ich dankbar. Die Wagen rollen unablässig fort. Vor uns reiben sich monoton die Schenkel unseres Pferdes. Ober uns brennen weiß und starr die Sterne. Beim nächsten Stoß rollt er wie ein Sack über mich, schlägt sein zerklafftes Gesicht naß und kalt auf meinen Mund. Ich schmecke deutlich sein Blut, stoße ihn heftig zurück. Es ist mir, als ob sich mein Kopfhaar erhöbe, als ob meine Augen aus den Höhlen träten. Trotzdem drehe ich mich herum, um ihn anzusehen, Gewißheit zu bekommen. Er ist jetzt tot, denke ich, kannst du mehr verlangen? Ist es nicht besser, als wenn er dich noch schlüge? Es ist nicht besser. Ich muß immer wieder in sein Gesicht sehen, sein unglaublich grauenhaftes, vom Mondlicht beleuchtetes Gesicht, dessen Wange mit einem großen Bartstück bis auf die Brust hängt. Es ist weniger furchtbar, wenn ich es wirklich sehe, als wenn ich es mir im Dunkel vorstelle, es nur zu sehen glaube. Sein Körper ist noch warm, seine Wange aber ist schon kalt. Ich fühle es immer wieder, wenn sie bei einem Stoß über mein Gesicht schlägt. ... Ich habe wieder eine schwere Nacht hinter mir - als ob sie immer schwerer würden, ist es mir. Kommt es daher, weil sich zu den alten inzwischen neue Träume gesellt haben - grauenhafte Phantasien von abgeschnittenen Beinen und gliedlosen Rümpfen, die in Kästen fahren? Ich biege mich zusammen und fahre langsam, jede Linie auskostend, mit der Hand an meinem rechten Bein entlang. Ich umfasse sein Knie, seine runde, bewegliche Scheibe, das Schienbein, das Fußgelenk, die Zehen - und alles, was im Grunde so kerngesund ist, daß es einen jammern muß, es einfach auf den Mist zu werfen. Ich erinnere mich mit schmerzhafter Klarheit mancher Dinge, die dieses Bein mit Vorzug besorgte. War es nicht der blitzhafte Keil, der unsern Fußball vorwärtstrieb, nicht der beschwingte Stab, der sich beim In-den-Sattel-Steigen über den Pferderücken schwang? Knie, Schiene, Knöchel, Zehen, alles ist heil wie einst - nur, weil ein spitzer Bleikern seinen oberen Muskel durchlöcherte, muß ich es opfern? Ich beginne gerade wieder schwankend zu werden, meinen Entschluß (sich amputieren zu lassen) von neuem hin und her zu drehen, als die Tür aufgestoßen wird und der große Pod gleich einem Retter in der Not mit dem Gefolge des kleinen Blank hereinmarschiert. »Nun, mein Junge«, sagt er, »hier hast du einen Spiegel! Es ist zwar nur eine Scherbe, aber sie trügt nicht . . .« Ich halte sie vor mein Gesicht und sehe furchtsam hinein. Ich habe mich zum letztenmal an der Front im Spiegel gesehen und fahre zusammen. Oh, Pod hat nicht übertrieben! Ein kleiner Totenkopf blickt mir aus der Scherbe entgegen. Seine Haut liegt wie dünnes, gelbliches Pergament auf den Knochen, seine Lippen sind bläulich, dünn und fleischlos, überall aufgesprungen, seine Wangen beulen sich nach innen wie tiefe Gruben. Allein meine Augen leben noch -sie sind dreimal so groß als sonst und haben einen kranken und heißen Glanz. ... Am Vortag meiner Amputation steht auf meinem Nachtkasten eine Konservendose mit Pfirsichen und eine Schachtel Zigaretten mit Zündhölzern. Ich habe keine Ahnung, wer es mir gebracht haben könnte, ziehe es mit schwachen Händen ins Bett und nehme eine Zigarette heraus. Ich habe seit Wochen keine mehr geraucht, mein Gott, wie gut das tut . . . Als ich um mich blicke, sehe ich, daß der Holzfäller meinem Rauch mit sehnsüchtigen Augen folgt. »Weißt du, wer das gebracht hat?« frage ich und werfe ihm eine Zigarette hinüber. »Ja«, sagt er eifrig, »mein Leutnant! Er hat mir auch die Mundharmonika geschenkt.« Jetzt erinnere ich mich, an seinem Bett zuweilen einen jungen österreichischen Offizier in einem roten Lazarettmantel gesehen zu haben. Er hatte einen Musikantenkopf, zog das linke Bein nach »Ist das dein Leutnant frage ich. »Ja«, sagt der Holzknecht. »Ich kannte ihn nicht, aber er ist von meinem Regiment, darum kommt er immer . . .« Das verstehe ich. Was ihn aber dazu führt, sich um mich zu kümmern, nein, das verstehe ich nicht. Trotzdem gibt mir seine kleine Tat ein ebenso großes Glücksgefühl wie die schönste Tat meines Pod oder Brünn. Pod und Brünn sind Regimentskameraden, zwischen ihnen bin ich als kleiner Junker aufgewachsen, das ist es, außerdem kennen sie mich von der Front her, das ist es auch. Dieser aber, der mich vorher nie gesehen, niemals mit mir gesprochen hat . . . Gewiß, auch das Wesen Pods und Brünns läßt einen nicht am Menschen verzweifeln - und ich wäre verzweifelt, wenn ich diese einfachen Dragoner nicht um mich gehabt hätte! Diese kleine Tat aber, dazu in einem Augenblick, in dem ich niemanden von meinen Kameraden um mich habe, beglückt mich in einer Weise, wie mich im Leben vielleicht nichts wieder beglücken kann. Die Zigarette macht mich fast schwindlig. Oder ist es nur die Freude? Ich falle wiederum ins Grübeln. Wie ist es möglich, daß diese Menschen vor kurzem noch erbarmungslos gemordet haben? Ich habe es selbst getan, gewiß - ob ich es nach dem täglichen Umgang mit diesen Krüppeln aber noch einmal könnte . . . ? Nein, ich verstehe mich manchmal nicht mehr. Aber ist es nicht auch furchtbar schwer, sich klarzumachen, daß alle diese jammervollen Krüppelhaufen nicht durch furchtbare Unglücksfälle hervorgerufen, nicht Opfer der Arbeit, des Lebens sind, die niemand gewollt hat? Ist es nicht eigentlich unglaublich, daß dies alles Menschen gewollt und gemacht haben, daß diesen hilflosen Rumpf in dem Kasten mit Rädern keine hirnlose Maschine zerstampft, sondern ein denkender Mensch mit eigener Hand zu dem gemacht hat, was noch von ihm übrig ist? Ich bin entnervt, das ist es. An der Front würde ich anders gedacht haben! Hier aber ... Wir haben alle nur unsere Pflicht getan, hatten auch keine Zeit für solche Dinge, solange wir an der Front waren - es wäre auch verrückt gewesen, dort an solche Sachen zu denken, weil wir uns wehren mußten, in unserem Rücken unsere Heimat lag. Hier aber, auf dem Hinterhof des Krieges. ... An diesem Punkt kann ich nicht weiter. An diesem Punkt möchte man am liebsten schreien. Was ist in solchen Augenblicken eine Schachtel Zigaretten und eine Konservenbüchse, von unbekannten Händen einem Unbekannten ungesehen aufs Bett gelegt - aus keinem andern Grund, als weil man diesen leiden gesehen hat? Ein Symbol ist es in solchen Stunden, eine Verheißung, unbeirrt zu glauben, an die Menschheit zu glauben - trotz allem . . . (Quelle: Edwin Erwin Dwinger: Armee hinter Stacheldraht, Ein deutsches Soldatenschicksal im Weltkrieg, Kettmann-Taschenbuch, 1995) Antimilitaristische Literatur aus der Endphase der Weimarer Republik: Walter Mehring »Der Kaufmann von Berlin« (1929) Erich Maria Remarque »Im Westen nichts Neues« (1928) Arnold Zweig »Der Streit um den Sergeanten Grischa« (1927) Siegmund Graff und Carl Ernst Hintze »Die endlose Straße(1930) http://www.welt.de/daten/2000/11/23/1123ku204397.htx http://www.friedenspaedagogik.de/service/unter/benz.htm http://www.his-online.de/veranst/ausstell/vernicht.htm Werwolf Deutsche Partisanenorganisation in der Endphase des Zweiten Weltkrieges, der nur wenige folgten - darunter allerdings auch Angehörige der →Hitlerjugend. http://www.idgr.de/lexikon/stich/w/werwolf/werwolf.html Widerstand gegen den Nationalsozialismus →Attentate und Attentatsversuche auf Hitler Aktiver Widerstand: verlangt ein überaus hohes Maß an Persönlichkeit, Mut und Charakterstärke - Man kann nicht kämpfen, wenn die Hosen voller sind als das Herz“ (Carl von Ossietzky) Der „Widerstand“ gegen das NS-Regime war breit gefächert. Er reichte von passiver Resistenz und non-konformem Verhalten bis zu Emigration und dem „generalstabsmäßig“ geplanten Attentats- und Umsturzversuch. Getragen wurde der Widerstand von Männern und Frauen aus allen sozialen Schichten und politischen Lagern. Oppositionskreise in der Wehrmacht zählten ebenso dazu wie die Mitglieder der „Weißen Rose“, des „Kreisauer Kreises“ oder der „Roten Kapelle“. Daneben gab es die vielen „unbesungenen Helden“, die Verfolgten Unterschlupf gewährten oder sie mit Lebensmitteln versorgten. Während Thomas Mann sich aus der Emigration über den Londoner Rundfunk an die deutsche Bevölkerung wandte, schlossen sich andere Emigranten wie der deutsche Kommunist und Jude Harald Hauser der französischen Résistance an, um mit der Waffe gegen das „Dritte Reich“ zu kämpfen. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 bildeten sich bald vielerorts Widerstandsgruppen. Aktiven Widerstand leisteten in den Anfangsjahren des NS-Regimes vor allem Kommunisten, die nach dem 30. Januar 1933 besonders unter Verfolgung und Terror zu leiden hatten. Im Sommer 1933 saßen bereits rund 15.000 kommunistische Funktionäre und Aktivisten in „Schutzhaft“. Im Untergrund erschien von 1933 bis 1935 das Zentralorgan der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), „Die Rote Fahne“. Kommunistische aber auch sozialdemokratisch orientierte Widerstandsgruppen verbreiteten Flugschriften und Klebezettel gegen den Nationalsozialismus und unterstützten rassisch und politisch Verfolgte. Einige dieser Gruppen in Berlin, die rund 50 Frauen und über 100 Männer umfaßten, wurden von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) mit dem Sammelbegriff „Rote Kapelle“ belegt. Durch ihren Funkkontakt zur Sowjetunion wurde eine Gruppe um Arvid Harnack und Harro Schulze-Boysen im August 1942 enttarnt. Von den 130 festgenommenen Mitgliedern der „Roten Kapelle“ wurden 49 umgebracht. Widerstand gab es auch in den Kirchen. So verurteilte der Bischof von Münster, Clemens August Graf von Galen, in mehreren Predigten die nationalsozialistische Terrorherrschaft und geißelte die als ®“Euthanasie“ bekannt gewordenen Massentötungen als vorsätzlichen Mord. Galen wandte sich in einer stark beachteten Predigt am 3. August 1941 gegen die als „Gewährung des Gnadentods“ verbrämte Massentötung und erstattete Anzeige nach Paragraph 211 des Strafgesetzbuches. Britische Flugzeuge warfen Flugblätter mit Auszügen der „Euthanasie-Predigt“ ab, und auch Mitschriften anderer Predigten Galens gingen von Hand zu Hand. Während die NS-Machthaber vor einer Festnahme des populären Bischofs zurückschreckten, wurde der Berliner Dompropst Bernhard Lichtenberg , der als einer von wenigen auch gegen die Deportation von Juden aufgetreten war, verhaftet. Er verstarb am 5. November 1943 auf dem Weg in das ®Konzentrationslager (KZ) Dachau. In der evangelischen Kirche war der Dahlemer Pfarrer Martin Niemöller einer der konsequentesten NS-Gegner. Er gründete im September 1933 den Pfarrer-Notbund, der Anfang 1934 rund 7.000 Mitglieder zählte und gegen die Einführung des „Arierparagraphen“ in Kirchenämter und die Entlassung von Geistlichen „jüdischer Herkunft“ protestierte. Aus dem Notbund ging wenig später die ®“Bekennende Kirche“ hervor. Sie berief sich in der Auseinandersetzung mit dem NS-Staat und mit den ®“Deutschen Christen“, die sich als „SA Jesu Christi“ verstanden, auf ein „Kirchliches Notrecht“, das den religiösen Widerstand legitimierte. Eine christliche Gesinnung führte auch den evangelischen Theologen Dietrich ®Bonhoeffer (®Bekennende Kirche) in den Widerstand. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs unterhielt er enge Kontakte zur militärischen Opposition um Admiral Wilhelm Canaris und Hans Oster und wurde am 9. April 1945 gemeinsam mit diesen im KZ Flossenbürg erschossen. Keiner festen Widerstandsgruppe zuzuordnen ist der Diplomat Rudolf von Scheliha . Seit 1932 an der Botschaft in Warschau tätig, wurde er bei Kriegsausbruch ins Auswärtige Amt zurückberufen. Hier nutzte er seine dienstlichen Möglichkeiten, um verfolgten Juden und Polen zu helfen und die nationalsozialistischen Verbrechen in Polen und anderen Ländern aufzudecken. Sein Wissen über die Judenvernichtung übermittelte er in das neutrale Ausland. An Vorbereitungen für einen Staatsstreich wirkte Scheliha ebenfalls mit. Wegen angeblicher Zugehörigkeit zur „Roten Kapelle“ wurde Scheliha Ende Oktober 1942 verhaftet, aus dem Auswärtigen Dienst entlassen, wegen „Landesverrats“ zum Tode verurteilt und am 22. Dezember in Plötzensee gehängt. Der nationalkonservative Leipziger Oberbürgermeister Carl Friedrich Goerdeler, ein auch von Hitler hoch angesehener Finanzfachmann, trat 1937 aus Protest gegen den in Deutschland herrschenden Antisemitismus sowie die nationalsozialistische Wirtschafts- und Finanzpolitik von seinem Posten zurück. Nach Kriegsbeginn wurde Goerdeler zum Mittelpunkt eines konservativ, nationalliberal ausgerichteten Widerstandskreises, dem auch der frühere deutsche Botschafter in Italien, Ulrich von Hassell, General Ludwig Beck, über den Goerdeler Zugang zu militärischen Widerstandskreisen erhielt, und Johannes Popitz angehörten. An den Planungen zu einem Umsturzversuch und der Neuordnung Deutschlands nach Überwindung der NS-Herrschaft nahmen aber auch Gewerkschafter wie Wilhelm Leuschner und Jakob Kaiser (1888-1961) teil. Hinsichtlich der Staatsform, wie sie 1941 in der Denkschrift „Das Ziel“ dargelegt wurde, neigte der Goerdeler-Kreis zu der Wiedereinführung der Monarchie und zu einem Zweikammer-System. ®Elser, Georg, ®Jugendopposition. http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/widerstand/index.html http://wwwrz.rz.uni-karlsruhe.de/~ea07/forschungsstelle.widerstand/ http://www.kaestnerpro.de/widrstnd.htm http://www.gdw-berlin.de/ Einzelaktionen - Attentat Georg ®Elsers am 8. November 1939 im Münchner Bürgerbräukeller - Flugblätter und geheime Vorträge und Diskussionen der „Weißen Rose“, vor allem der Geschwister Scholl - Carl Goerdeler (bis 1937 Oberbürgermeister von Leipzig), durch seine Verbindungen zu wichtigen Persönlichkeiten der alten bürgerlichen Parteien und zur Reichswehrführung zentrale Figur des Widerstandes - Vertreter der (ehemaligen) Gewerkschaften und der Sozialdemokratie wie Julius Leber und Wilhelm Leuschner - der katholische Führer der christlichen Gewerkschaften, der spätere Bundesminister Jacob Kaiser - Wehrmachtsdeserteure ®Deserteure Gruppen des Widerstands Wesentliches Kennzeichen aller Widerstandsgruppen war, daß sie ohne einheitliches, verbindendes Konzept handelten, was ihre reellen Chancen erheblich einschränkte. Sozialdemokratie und Kommunisten Weder SPD noch KPD waren in irgendeiner Weise auf die Ereignisse des Jahres 1933 vorbereitet, aber beide fanden schnell zu einem effektiven Ausdruck ihrer Haltung. SPD wie KPD konnten dabei auf die Organisation der Betriebsgruppen zurückgreifen, die es ihnen ermöglichte, auch im Untergrund wirkungsvolle Aufklärungsarbeit zu leisten. Noch die Betriebsratswahlen im März 1933 brachten den Nationalsozialisten eine so empfindliche Niederlage, daß ihre Ergebnisse geheim gehalten wurden. Für die KPD stand der aktiv geführte „antifaschistische Widerstand“ im Vordergrund. Die Steuerung von außen lag bei der Parteizentrale in Moskau, die Verbindung dahin war allerdings mit Abschluß des Hitler-Stalin-Paktes empfindlich gestört. Die SPD-Parteiführung ging im Frühjahr 1933 nach Prag ins Exil, die Parteiarbeit in Deutschland beschränkte sich auf individuelle Hilfe und auf die Pflege von Kontakten. Die Spaltung der Arbeiterbewegung aber wirkte fort, es kam nur vereinzelt zur Zusammenarbeit zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten. Kreisauer Kreis Der „Kreisauer Kreis“ wird benannt nach dem Gut Kreisau (Schlesien) des Helmut James Graf von Moltke, wo Moltke, der Urgroßneffe des Siegers von Sedan, Männer der verschiedensten geistigen und politischen Herkunft versammelte und mit ihnen Modelle eines künftigen Staatsaufbaus entwickelte. Der Kreisauer Kreis kam als erster über lose Kontakte hinaus. Er schuf vor allem einen geistigen Neuansatz zur Überwindung der gesellschaftlichen Spaltung, die die Weimarer Republik noch geprägt hatte. Die Männer um Moltke arbeiteten nicht aktiv auf den unmittelbaren Umsturz hin, waren sich aber doch der Notwendigkeit bewußt, gegebenenfalls durch ein Attentat einzugreifen. Vor allem aber warteten sie auf den Zusammenbruch und rüsteten sich für die Planung der Zeit danach. Für den Neuaufbau wollte dieser Kreis verantwortungsbewußte Persönlichkeiten mit einem klar umrissenen Programm stellen. Ziele: · Gegliederter Staatsaufbau in national-konservativer Tradition · Verstaatlichung der Grundstoff- und Energieindustrie · Aussöhnung mit den östlichen und westlichen Nachbarn, europäische Föderation Moltke wurde im Januar 1944 von der Gestapo verhaftet, der Kreisauer Kreis hörte praktisch auf zu bestehen, am 20. Juli 1944 war er nicht mehr beteiligt. Oppositionelles Verhalten von Jugendlichen gegen das ®NS-Regime gab es in den unterschiedlichsten Formen und Ausprägungen. Es konnte sich durch betont langsames Arbeiten, durch Proteste gegen die Wehrpflicht, in der Ablehnung des Arbeitsdiensts in der Hitler-Jugend ®(HJ) oder durch die Verweigerung des Hitlergrußes ausdrücken. Beispiel für derart nonkonformes Verhalten waren die ®“Edelweißpiraten“ (s.u.)und die ®“Swingjugend“. (s.u.). Diese in der Regel unpolitischen Gruppierungen versuchten sich dem Zugriff durch die HJ zu entziehen und eine eigene Form von Lebensstil zu verwirklichen. Während die vor der NS-Zeit weltoffenen Großstädte Hamburg und Berlin Zentren der „Swingjugend“ waren, lagen die regionalen Schwerpunkte der „Edelweißpiraten“ in den Industriestädten an Rhein und Ruhr sowie in Sachsen. Vor allem Studenten bildeten in München die Gruppe ®“Weiße Rose“, deren ®Widerstand gegen das NS-Regime politisch motiviert war. Jugendopposition Das Ausmaß jugendlich-oppositionellen und nicht-konformen Verhaltens nahm während des Zweiten ®Weltkriegs deutlich zu. Auf diese Zunahme reagierte der nationalsozialistische Verfolgungsapparat mit einer drastischen Verschärfung des Jugendarrests und der Errichtung von Jugendkonzentrationslagern wie dem Lager Moringen bei Göttingen. Edelweißpiraten Zu den bekanntesten oppositionellen Jugendgruppen während der ®NS-Herrschaft zählten die ”Edelweißpiraten”. Nach ihrem Erkennungszeichen - einer Edelweißanstecknadel - wurden verschiedene „wilde Cliquen“ von den Nationalsozialisten als „Edelweißpiraten“ bezeichnet. Die Mitglieder dieser subkulturellen Jugendgruppen nannten sich selbst „Navajos“ (Köln), „Fahrtenjungs“ (Düsseldorf), „Ruhrpiraten“ oder „Meuten“ (Leipzig). Der Begriff „Edelweißpiraten“ setzte sich vornehmlich für Jugendgruppen aus dem rheinisch-westfälischen Industriegebiet durch, die ab 1941/42 verstärkt auftraten. Dabei handelte es sich um mehrere tausend Jugendliche, die in der Regel aus dem Arbeitermilieu stammten. In kleineren Gruppen trafen sie sich regelmäßig außerhalb der ®Hitler-Jugend (HJ) in bestimmten Parks oder Stadtvierteln. Vom NS-Regime als „verlottert“, „sittlich verwahrlost“ und „kriminell“ bezeichnet, lehnten sie vor allem den während des Zweiten ®Weltkriegs zunehmenden Zwangscharakter, den Drill und die wachsende Militarisierung der HJ ab. Von der einheitlich uniformierten HJ hoben sich die „Edelweißpiraten“ durch eine eigene Kluft - oft Skihemden, Wanderschuhe, Halstuch und kurze Lederhosen - ab. Auf ihren Wochenendausflügen, Fahrten und Wanderungen in das Umland der Großstädte kam es nicht selten zu handgreiflichen Auseinandersetzungen mit der HJ. Im Unterschied zu der strengen geschlechtlichen Trennung in Schule und HJ gingen bei den „Edelweißpiraten“ Jungen und Mädchen gemeinsam auf Fahrt. Ihre Haltung gegenüber dem Regime war von wenigen Ausnahmen abgesehen unpolitisch. Im wesentlichen ging es ihnen - wie auch der ®“Swingjugend“ - um die Schaffung eines Freiraums, der es erlaubte, eine eigene Jugendkultur und Identität auszuleben. Insofern unterschieden sie sich von dem Widerstand der ®“Weißen Rose“. Erst die Verfolgung durch staatliche Organe wie die Geheime Staatspolizei (Gestapo) drängte einzelne Gruppen in eine Protesthaltung und verursachte eine gewisse Politisierung. Swingjugend Der Begriff „Swingjugend“ stammt vermutlich von den nationalsozialistischen Verfolgungsbehörden zur Kennzeichnung von Jugendlichen, die ihrer Distanz zum NS-Regime vor allem durch ihre Vorliebe für amerikanische Swing-Musik Ausdruck verliehen. Die Mitglieder der „Swingjugend“ waren wie die ®“Edelweißpiraten“ in der Regel unpolitisch. Ihnen ging es vor allem um die Schaffung eines jugendkulturellen, autonomen Lebensbereichs und einer Gegenkultur zum uniformierten Alltag der ®Hitler-Jugend (HJ). Die Jugendlichen der „Swing-Gruppen“ kamen vornehmlich aus dem Mittelstand und dem gehobenen Bürgertum. Die vor allem während des Zweiten Weltkriegs in Hamburg und Berlin auftretenden Gruppen zeichneten sich durch einen bewußt internationalen und weltstädtischen Lebensstil aus, der sich an amerikanischen und englischen Moden orientierte. Die Jugendlichen trugen oft längere Haare, karierte Sakkos, Hut und Regenschirm und trafen sich in Cafés oder Clubs, um den bei den Nationalsozialisten verrufenen Swing zu hören. Ihre Abgrenzung gegenüber dem normierten Alltag zeigte sich auch in der bewußten Verwendung von Anglizismen. Ohne im eigentlichen Sinne politisch-oppositionell eingestellt zu sein, wichen sie in Aussehen und Verhalten stark vom nationalsozialistischen Ideal des Jugendlichen ab. Erst durch das bisweilen äußerst brutale Vorgehen gegen die „Swing-Cliquen“ seitens der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) und überzeugter Anhänger der HJ wurden Teile der „Swingjugend” ab 1940 politisiert. http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/widerstand/jugendopposition/index.html) 20. Juli Voraussetzungen im Sommer 1944 : - Situation von Rückschlägen und Niederlagen, deren Stimmungstief ausgenützt werden konnte - Keine Aussicht auf Unterstützung der deutschen Widerstandsbewegung von außen (Einigung der Alliierten im Januar 1943 in Casablanca über die bedingungslose Kapitulation Deutschlands) - Isolierung des militärischen Kreises nach der Verhaftung Moltkes und der „Kreisauer“ Führender Kopf der militärischen Verschwörung war Oberst Claus Graf Schenk v. Stauffenberg, seit Juni 1944 Stabschef beim Befehlshaber des Ersatzheeres. Plan: · Sprengstoff-Attentat auf die NS-Führung, besonders auf Hitler selbst · Erklärung des Ausnahmezustandes, Übergabe der Exekutive an die Armee · Verhaftung von Partei-, SS- und Gestapo-Führern · Einsetzung der neuen Regierung: General Ludwig Beck sollte Reichspräsident, Carl Friedrich Goerdeler Reichskanzler, der Gewerkschaftler Wilhelm Leuschner Vizekanzler werden Den akuten Anstoß zum Attentat auf Hitler am 20.Juli gab die Gefahr, daß die Verschwörung entdeckt würde. Stauffenberg als der einzige, der Zugang zu Hitlers Hauptquartier, der „Wolfsschanze“ in Ostpreußen, hatte, legte die Bombe und flog unmittelbar darauf nach Berlin, um den Staatsstreich zu leiten - ohne vom Überleben Hitlers zu wissen. Zweites Zentrum des Putsches war neben Berlin auch Paris, wo der „Militärbefehlshaber Frankreich“, General v. Stülpnagel, den Plan wie vereinbart durchführte. Er konnte sich allerdings genausowenig halten wie die Verschwörer in Berlin, wo der Putsch zusammenbrach, als bekannt wurde, daß Hitler überlebt hatte. Die Hauptbeteiligten am Attentat wurden verhaftet, sofort erschossen oder in aufwendigen Schauprozessen vor Freislers „Volksgerichtshof“ zum Tode verurteilt. http://www.tossnet.de/smkat/mWiderstand.cfm http://www.zum.de/Faecher/G/BW/abbl/nationalsozialismus/widerstand1.htm Wiedergutmachung Es wird heute keien mehr verwundern, dass in der sogen. Rekonstruktionsperiode, also der Rückkehr alter Nazis in Amt und Würden und einem fortgesetzten hemmungslosen Antikommunismus, bei der Opferentschädigung mit zweierlei Mass gemessen wurde: Täter wurden entschädigt und Opfern wurden, insbesondere sofern sie Kommunisten waren, Renten nach Möglichkeit vorenthalten. Denn für die wirklichen Opfer gilt ein Gesetz, das viele Möglichkeiten bietet, die Entschädigung zu verweigern. Und so kommt es, das bis heute die eigentlichen Opfer mit über 100 Mrd. DM entschädigt wurden, die Täter aber über 300 Mrd. DM erhielten. Beispiele: Kurt Baumgarte, KZ-Überlebender. Seine Entschädigungsanträge nach dem Krieg wurden immer wieder abgelehnt – mit der gleichen Begründung, bis heute. Kurt Baumgarte (1997): „Da steht wörtlich folgendes drin: ‚Baumgarte wurde 1935 verhaftet und ’36 zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. Wiedergutmachungsleistungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz stehen ihm aber nicht zu, weil er sofort nach 1945 wieder Funktionär der KPD war.‘“ Grund zur Freude hatten dagegen beispielweise Angehörige der ehemaligen ®SS. Boris Michailow, SS-Opferrentner Lettland (1993): „Große Dank an deutsche Regierung, dass uns nicht vergessen, das war so: Wir haben nie gedacht, dass kommt einmal mal solche Zeit. Hier wir waren nichts, ja.“ Und so marschieren sie weiter – großzügig unterstützt vom deutschen Steuerzahler, der sonst mit der Vergangenheit nichts zu tun haben will.l (Quelle: ®Ahnungslose Deutsche). Denjenigen, die den verbrecherischen Krieg durch Fahnenflucht verweigerten, wird bis heute ebenfalls eine klare Rehabilitierung verweigert! Eine eindeutige gesetzliche Rehabilitierung für alle (®Deserteure), für die toten und die wenigen überlebenden steht noch aus. ®Entschädigung http://www.dhm.de/lemo/html/DasGeteilteDeutschland/JahreDesAufbausInOstUndWest/GegenwaertigeVergangenheit/luxemburgerAbkommen.html http://www.bma.bund.de/download/gesetze_web/WGSVG/wgsvg_inhalt.htm http://www.lsvd.de/recht/gutmach_inhalt.html http://www.hagalil.com/deutschland/rechts/wiedergut.htm Winterhilfswerk Das Winterhilfswerk (WHW) sollte als Nothilfeaktion schnell sichtbare Erfolge bei der Bekämpfung der Folgen von Arbeitslosigkeit und Armut vorweisen. Nach seiner Gründung im September 1933 nahm es als Organisation und im Spendenaufkommen schnell gewaltige Ausmaße an. Durch die während der Wintermonate angeordneten und in der NS-Propaganda breit dargestellten Haus- und Straßensammlungen sowie nicht zuletzt durch seinen Abzeichenverkauf wurde das WHW zu einer der bekanntesten und den Alltag bestimmenden Erscheinungen im ®NS-Regime. Etwa 8.000 verschiedene Abzeichen in Millionenauflage wurden von Oktober 1933 bis März 1943 in unterschiedlichsten Ausführungen und Materialien zu den monatlichen Sammlungen und lokalen Anlässen herausgegeben. Das der Aufsicht des Propagandaministeriums unterstehende WHW erreichte jedoch weitaus höhere Einnahmen durch Sach-, Steuer- und Geldspenden, die von Einzelpersonen, Firmen oder Verbänden geleistet wurden. Eintopfsonntage, Winterpfennige, Lotterien und Kulturveranstaltungen, die vom Deutschen Roten Kreuz, der Wehrmacht und anderen Organisationen durchgeführt wurden, komplementierten die von der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei ®(NSDAP) angestrebte Mobilisierung der ®Volksgemeinschaft durch das WHW. Dienten die Einnahmen in den ersten Jahren noch der Linderung der Not von Arbeits- und Obdachlosen, so schufen sie ab 1936/37 die finanzielle Basis der NS-Volkswohlfahrt, mit der das WHW organisatorisch und personell eng verflochten war. Während des Zweiten ®Weltkriegs wurden die Sammelaktionen des umbenannten Kriegswinterhilfswerks unvermindert fortgesetzt. Der Appell an die Opferbereitschaft erschöpfte sich in den letzten Kriegsjahren jedoch immer mehr; zu viele Spender waren selbst bedürftig geworden. http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/innenpolitik/etablierung/index.html http://www.oberhausen.de/whw.pdf http://www.geschichte.uni-hannover.de/projekte/hildesheim/stiftungen.html http://www.swr.de/100deutschejahre/folgen/47/schule.html Zerschlagung der Gewerkschaften Unmittelbar nach der ®Machtübernahme der Nationalsozialisten erklärte die Führung des sozialdemokratisch orientierten Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbunds (ADGB) Anfang Februar 1933 ihre politische Neutralität gegenüber dem NS-Regime. Zur Rettung der Organisation und zur Anerkennung als legale Arbeitnehmervertretung distanzierte sich der weitaus größte Dachverband deutscher Gewerkschaften von den politischen Zielen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Zudem erwartete der ADGB von der neuen nationalsozialistischen Führung ein Programm zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Trotz einsetzenden Straßenterrors der Nationalsozialisten gegenüber Gewerkschaftsfunktionären und der eigenmächtigen Absetzung gewerkschaftlicher Betriebsräte beteiligte sich der ADGB 1933 bereitwillig an den Feierlichkeiten zum „Tag der nationalen Arbeit“. Erstmals erfüllte sich eine langersehnte gewerkschaftliche Forderung: Der 1. Mai war zum gesetzlichen Staatsfeiertag unter Fortzahlung des Lohns erklärt worden. Begeistert strömten im Reich hunderttausende Arbeiter zu den Veranstaltungen der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei ®(NSDAP), von der sie sich die Erfüllung weiterer sozialer Forderungen erhofften. Die von der NSDAP mit Massenkundgebungen suggerierte ®Volksgemeinschaft und Arbeiterfreundlichkeit endeten für den ADGB einen Tag später in einem Desaster. Zeitlich parallel zu den Vorbereitungen der Maifeiern war auf Anweisung der ®NSDAP von dem „Aktionskomitee zum Schutz der deutschen Arbeit“ unter Leitung von Robert Ley die ®Gleichschaltung der Gewerkschaften in die Wege geleitet worden. Betriebsratswahlen im März 1933, bei denen die Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation (NSBO) nur ein Viertel der Stimmen erhielt, hatten verdeutlicht, daß die NSDAP bei den Arbeitern in städtischen Großbetrieben wenig Rückhalt besaß. Für die Sicherung ihrer Herrschaft war die Zerschlagung organisatorischer Strukturen der Arbeiterschaft, in der ein erhebliches Widerstandspotential vorhanden war, von zentraler Bedeutung. Am 2. Mai besetzten Mitglieder der Sturmabteilung ®(SA) und der NSBO in einer präzise vorbereiteten Aktion Büros, Banken und Redaktionshäuser der im ADGB organisierten Freien Gewerkschaften. Führende Funktionäre wurden in ®“Schutzhaft“ genommen und die Gewerkschaftsvermögen beschlagnahmt. An die übrigen Angestellten erging die Aufforderung, unter NSBO-Kommissaren loyal weiterzuarbeiten. Bis Ende Juni 1933 wurden mit dem Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund (ADGB) und den Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereinen auch die beiden anderen großen Richtungsgewerkschaften zwangsweise in die neu gegründete ®“Deutsche Arbeitsfront“ (DAF) eingegliedert. (http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/innenpolitik/gewerkschaften/index.html) http://www.ruhr-uni-bochum.de/fiab/newsl/newsl.html http://www.gmh.dgb.de/main/jahresin/1983/jahres_8304-05.html Zeugen Jehovas Von den Nationalsozialisten verfolgte Sekte. 1933 zählte die Internationale Bibelforscher-Vereinigung (IBV) in Deutschland etwa 20.000 Mitglieder. In Bayern wurden die Bibelforscher bereits im April 1933 verboten, andere Länder folgten. Die Verweigerung des Hitlergrußes und ab 1935 des Wehrdienstes führte zu ersten Verhaftungsserien. Die Bibelforscher bildeten in den ®Konzentrationslagern eine homogene Gruppe, die sich gegenseitig unterstützte. Von ihrer Hilfsbereitschaft profitierten auch andere Gruppen. Sie lehnten die Flucht aus dem Lager oder aktiven Widerstand gegen die ®SS ab. http://shoanet.hbi-stuttgart.de/glossar/E.htm#Ernste%20Bibelforscher http://www.rammerstorfer.cc/Rezensionen1.htm Zyklon B Zyklon B, Handelsname von Blausäure bzw. Cyanwasserstoff (CNH), eines hochgiftigen Cyangases, das in nationalsozialistischen ®Konzentrationslagern, vor allem in Auschwitz, zur Ermordung von Menschen verwendet wurde. Zyklon B war ein gängiges Insektenvertilgungsmittel. Die KZ erhielten das Gas in Form kleiner Kristalle in luftdicht verschlossenen Behältern. In Verbindung mit Luft verwandelten sich die Kristalle in tödliches Gas. Ein Sanitätsdienstgrad mit Gasmaske schüttete die Kristalle durch eine mit einem Deckel versehene schmale Öffnung in die luftdicht verschlossene Gaskammer, in der sich die Opfer befanden (®Medizin ohne Menschlichkeit). Der Einsatz von Zyklon B zur Ermordung von Menschen wurde erstmals im Herbst 1941 getestet, als verschiedene Institutionen im Reich und den besetzten Gebieten nach einer Methode zur massenhaften Ermordung der europäischen Juden suchten. Im September 1941 wurde im Lager Auschwitz 1 eine Gruppe sowjetischer Kriegsgefangener und anderer Häftlinge mit Zyklon B getötet. Von nun an wurde in Auschwitz II Birkenau Zyklon B zur Vergasung der aus allen Teilen des besetzten Europa deportierten Juden verwendet. Im Konzentrationslager Majdanek wurden Zyklon B und Kohlenmonoxyd zur Vergasung von Häftlingen eingesetzt, in geringerem Maße auch in den Konzentrationslagern Stutthof und Neuengamme. Im Gegensatz dazu erfolgten die Ermordungen in den ®Vernichtungslagern Chelmo, Belzec, Sobibor und Treblinka mittels Kohlenmonoxyd in Flaschen oder durch Motorenabgase. Die Herstellung von Zyklon B und seine Lieferung an die Lager lagen in der Hand der Degesch (Deutsche Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung mbH) in Frankfurt am Main, die von den I.G. Farben und der Firma Tesch und Stabenow in Hamburg kontrolliert wurde. Aufgrund der erhöhten Nachfrage nach Zyklon B lagen die Gewinne der I.G. Farben aus ihrer Degesch-Beteiligung in den Jahren 1942 bis 1944 um 100 Prozent über denen der Jahre 1940 und 1941. Der Firmenleitung von Degesch kann die Verwendung ihres Produkts Zyklon B nicht verborgen geblieben sein. Die SS beauftragte die Gesellschaft, den als Warnsignal gesetzlich vorgeschriebenen, besonderen Geruch des Gases, der vor der Gefährlichkeit der Substanz warnen sollte, zu beseitigen. ®Gaswagen. http://www.shoa.de/zyklon_b.html http://www.jur.uva.nl/junsv/Excerpts/415a005.htm http://www.h-ref.de/dk/vern/zyklon/warn.shtml http://www.eikon.e-technik.tu-muenchen.de/~rwulf/leuchter/leucht5.html Erklärung Die auf den verlinkten Seiten wiedergegebenen Meinungsäußerungen und/oder Tatsachenbehauptungen liegen in der alleinigen Verantwortung des/der jeweiligen Autors/Autorin und spiegeln nicht die Meinung der Landesbildstelle Bremen wider! Die auf vielen Seiten angebotenen Suchmaschinen oder Suchroutinen stehen außerhalb unserer Kontrolle. Die Landesbildstelle Bremen übernimmt deshalb keine Verantwortung für die möglichen Suchergebnisse.