Kopf in der Schlinge Das Urheberrecht übt Druck auf Verlage aus vom 14.04.2003 VON SEBASTIAN SANDER Die gestrige zweite und dritte Lesung des neuen Urhebergesetzes war eigentlich eine reine Formsache. Bereits am Mittwoch hatten sich sowohl der Bildungsausschuss als auch der federführende Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags mehrheitlich für den hart umkämpften Gesetzesentwurf für die erste Reformstufe zum Urheberrecht (BT-Drucksache 15/38) ausgesprochen, mit dem die europäische Richtlinie zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft umgesetzt werden soll. Die Koalitionsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen hatten sich bereits zuvor auf einen ausgearbeiteten Kompromiss geeinigt, der in Verknüpfung mit einem erst vergangene Woche formulierten Begleitantrag schließlich auch die Stimmen der Union erhielt. Allein die FDP stimmte gegen den Gesetzentwurf. Als „Partei des Eigentums“ sähe die FDP, wie ihr Rechtsexperte Rainer Funke formuliert, die Interessen der wissenschaftlichen Verlage und der Medienindustrie in dem Gesetzeswerk insgesamt nicht genügend vertreten. Paragraf 52 a erlaubt Hochschulen und Forschungsstätten, urheberrechtlich geschützte Werke einem geschlossenen Nutzerkreis künftig über das interne Intranet kostenlos zur Verfügung zu stellen. Was auf den ersten Blick harmlos erscheint, könnte sich für viele auf wissenschaftliche Publikationen spezialisierte Fachverlage als existenzbedrohend erweisen. Der Grund: Wenn etwa Artikel aus wissenschaftlichen Fachzeitschriften den potenziellen Käufern künftig kostenlos über das Intranet zugänglich gemacht werden, besteht die Gefahr, dass sich die Edition solcher Publikation für die Verlage dann nicht mehr rentiert. Der Vorsitzende des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels Dieter Schornmann bewertete die Einigung denn auch als „falsches Signal für den Bildungsstandort Deutschland“. Schornmann kündigte an, dass der Börsenverein gegen die neue Regelung gerichtlich vorgehen werde. „Es kann nicht sein, dass der Staat Bücher und Zeitschriften auch dann nutzen darf, wenn er sie nicht bezahlt. Wenn sich Kreativität von Autoren und Investitionen von Verlagen und Buchhandlungen nicht mehr auszahlen, geraten Bildung und Forschung in Deutschland in eine Sackgasse.“ Da ist etwas dran. Auch ohne das neue Gesetz ist es bereits keineswegs unüblich, dass Verlage Autoren am Risiko einer Publikation beteiligen, weil sie oft nicht sicher sein können, dass durch den Verkauf des Werkes die Kosten wieder eingespielt[1] werden. Leidtragende wären vor allem Nachwuchsautoren sowie jene, welche die seriöse, differenzierte Information der einseitig zugespitzten vorzögen und am Ende schließlich der Endverbraucher. Die Freude über die kostenlose Lektüre, die im Verlauf der Debatte über das umstrittene Gesetz gar mit dem „Recht auf Informationsfreiheit“ eingefordert wurde, könnte also von nur kurzer Dauer sein. Gefahren, die offensichtlich auch der Gesetzgeber nicht für maßlos übertrieben hält. Denn der in den Ausschüssen erzielte Kompromiss befristet das neue Gesetz zunächst bis Ende 2006. Bis dahin solle beobachtet werden, ob das Gesetz für kleinere Verlage tatsächlich existenzielle Schwierigkeiten bringe, „oder ob es positiv läuft und wir die Befristung aufheben können“, erklärte die Bundestagsabgeordnete der Bündnisgrünen Jerzy. Der Gesetzgeber behält sich sogar vor, falls es in der Anwendung der neuen Regelung zu Missbräuchen kommt, vor Ablauf der Frist einzugreifen. Kritisch äußert sich auch der Verband der Schulbuchverlage. Zwar sei es zu begrüßen, dass nach dem Kompromiss Schulbücher, Unterrichtsunterlagen, Lern- und Bildungssoftware von der neuen Schrankenregelung ausgenommen würden. Dass die Vorschrift im Übrigen beibehalten worden sei, mache das Gesetzwerk zum Stückwerk. Möglich, dass die Verlage einen Weg finden, ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen, die der Bundestag ihnen auf Geheiß der Europäischen Union geknüpft hat. Das wäre dann jedoch kein Beweis dafür, dass das Gesetz greift, sondern spräche nur für die Innovationskraft kleiner und spezialisierter Verlage. EU-Richtlinie von 2001 • Unmittelbar eine markante Stärkung der Rechte der Urheber – Artikel 2: Vervielfältigung – Artikel 3: Öffentliche Wiedergabe und Zugänglichmachung Ausnahmen und Beschränkungen • Die einzige obligatorische Ausnahme ist Artikel 5(1) – Vorübergehende Vervielfältigungshandlungen Die wichtigsten … a) für die Nutzung ausschließlich zur Veranschaulichung im Unterricht oder für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung, … d) für Zitate zu Zwecken wie Kritik oder Rezensionen, … i) für die beiläufige Einbeziehung eines Werks … in anderes Material n) für die Nutzung von Werken, für die keine Regelungen über Verkauf und Lizenzen gelten und die sich in den Sammlungen … befinden, für einzelne Mitglieder der Öffentlichkeit …auf eigens hierfür eingerichteten Terminals in den Räumlichkeiten der genannten Einrichtungen Die Kombination von Art. 5(2)(c) oder 5(3) (a) und 5(3)(n) gibt den Bibliotheken und ” Bildungseinrichtungen“ eine sehr weitgehende Möglichkeit digitalisierte Werke zugänglich zu machen • Aber nur in den „Räumlichkeiten“ • „Online-Lieferung von geschützten Werken … sollte nicht unter diese Ausnahme fallen“ (Erwägung 40) Neu publizierte Werke • Die kommerziellen Interessen der Rechtsinhaber müssen respektiert werden, aber – Ausnahmen sollten nicht vertraglich oder durch TPMs[2] eliminiert werden können • Ausnahmen sollten Minimumsbestimmungen sein The long Tail • Literatur kann durch verbesserte Such- und Zugriffsmöglichkeiten ein neues Publikum erreichen und ihr kommerzielles Leben verlängern • Nicht ausgenützte ökonomische Rechte sollten verfallen können, damit andere die Werke zugänglich machen können. (Orphan[3] Works) • Der Rechtsinhaber sollte in seine Rechte wieder eintreten können. Opt Out als Sicherheits-Maßnahme Kommerziell uninteressante Werke • Typisch ältere Zeitschriften • Der Gebrauch ist sporadisch • Unmöglich, die Rechthaber zu finden oder individuell zu kompensieren • Für die Wissenschaft immer noch wichtig, und sollten ohne weiteres zugänglich gemacht werden können • Opt Out[4] als Sicherheitsmassnahme Digital Rights Management (DRM) DRM bezeichnet den Einsatz der zur Verfügung stehenden Mittel durch Rechteinhaber zum Schutz geistigen Eigentums im digitalen Format DRM hat • ökonomische • juristische • technische Aspekte Asset[5] Nutzungssteuerung • Wiedergaberecht: ansehen, abspielen, drucken • Transportrecht: kopieren, ausleihen, weitergeben • Recht, Derivate zu erstellen: extrahieren, editieren, einfügen Forderung der Gesellschaft für Informatik: Zugang zu Literatur Entfristung des § 52a, elektronischer Zugriff von allen Arbeitsplätzen auf die Bibliotheksbestände Privatkopie Recht auf Privatkopie auch bei technisch geschütztem Inhalt ... und als Denkanstoß wird der Begriff Urheberumlage eingeführt: Umlage[6] abhängig von der Online-Übertragungsrate, Einzug und Verteilung durch eine Verwertungsgesellschaft. ________________________________ [1] der Film hat die Unkosten eingespielt [2] Trusted Platform Module Das TPM, ursprünglichein Chip, kann Schlüssel auch außerhalb des Trust Storage (z. B. auf der Festplatte) speichern. Diese werden ebenfalls in einem Schlüssel-Baum organisiert und deren Wurzel mit einem Key im TPM verschlüsselt. Somit ist die Anzahl der sicher gespeicherten Schlüssel nahezu unbegrenzt. [3] osiřelá [4] Opt-out ist ein Begriff, der am häufigsten im Direkt-Marketing verwendet wird. Beim Opt-Out-Verfahren muss der Kunde seine Adresse aus dem Verteiler streichen lassen. Es sollte nur dann eingesetzt werden, wenn ddas Interesse des (eigenen) Kunden vorausgesetzt werden kann. Im Zusammenhang mit Urheberrecht kommt der Begriff vor, wenn der Rechteinhaber, der nicht ermittelt werden konnte, erst gegen die Zugänglichmachung des betreffenden Werks protestieren muss, damit das Werk nicht alle Internet-Nutzer lesen können. Z. B. Der Der Google-Konkurrent Microsoft kritisiert die Anwendung des Opt-Out-Verfahrens beim Projekt Google-books scharf. Kernpunkt der Kritik ist die Praxis von Google Bücher teilweise ohne vorherige Einholung einer Erlaubnis der Rechteinhaber zu digitalisieren. Erst wenn diese Google über die fehlende Erlaubnis informieren, bietet das Unternehmen an, die Bücher wieder aus seinem Projekt zu entfernen (Opt-Out-Verfahren). Microsoft sieht darin eine systematische Verletzung des Urheberrechts. [5] ['ć³Ù´] (Wirtsch.) Vermögenswert eines Unternehmens. Vgl. aktiva (assetss and liabilities aktiva a pasíva) [6] umgelegter Betrag ,d. h. anteilmäßig verteilter Betrag: die Heizkosten werden nach einem bestimmten Schlüssel auf die Mietparteien umgelegt.