In Österreich haben sich die Rahmenbedingungen für die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte insbesondere seit den neunziger Jahren verändert. Dafür war die Demokratisierung der osteuropäischen Länder ebenso maßgebend wie die Integration Österreichs in den europäischen Wirtschaftsraum (EWR bzw. EU). In den nächsten Jahren sind weitere tiefgreifende Veränderungen wahrscheinlich, die eine neue Ausrichtung der österreichischen Migrationspolitik zur Folge haben dürften. Erste Anzeichen einer Reorientierung liefert die Novellierung der Migrationsgesetze vom Juli 20021 ). Weitere Reformschritte sind aus folgenden Gründen zu erwarten: * Der EU-Beitritt ostmitteleuropäischer Staaten, die teils unmittelbar an Österreich grenzt, wird ­ voraussichtlich in einer Übergangsperiode schrittweise deren Staatsbürger und -bürgerinnen den inländischen Arbeitskräften gleich- stellen. Dieser Beitrag ist ein Ausschnitt aus einer umfassenden Studie des WIFO im Auftrag der Bundesministerien für Wirtschaft und Arbeit sowie für Inneres, mit finanzieller Unterstützung des ESF: Gudrun Biffl (Koordination), Arbeitsmarktrelevante Effekte der Ausländerintegration in Österreich (480 Seiten, 65,00 ¤, Download: 52,00 ¤: http://titan.wsr.ac.at:8880/wifosite/ wifosite.get_abstract_type?p_ language=1&pubid=22110) ˇ Begutachtung: Thomas Url ˇ Wissenschaftliche Assistenz: Julia BockSchappelwein, Peter Bartunek ˇ E-Mail-Adresse: Gudrun.Biffl@wifo.ac.at AUSLÄNDISCHE ARBEITSKRÄFTE AUF DEM ÖSTERREICHISCHEN ARBEITSMARKT Die demographische und qualifikationsspezifische Zusammensetzung des Angebotes an ausländischen Arbeitskräften wurde in den neunziger Jahren heterogener ­ eine Folge der Arbeitskräftemobilität innerhalb der EU und der verstärkten Zuwanderung aus Ost-Mitteleuropa. Arbeitskräfte aus der EU bzw. dem EWR halten sich meist nur vorübergehend in Österreich auf, während sich Ausländer aus den traditionellen Zuwanderungsregionen in Südosteuropa und der Türkei großteils in Österreich niederlassen. Die Branchenschwerpunkte der Ausländerbeschäftigung änderten sich im Gefolge des angebotsseitigen Strukturwandels: Der starke Zuwanderungsschub in den späten achtziger und frühen neunziger Jahren löste Verdrängungsprozesse in Niedriglohnbranchen und -tätigkeiten aus, die sich in einer Ausweitung der Lohnunterschiede zwischen in- und ausländischen Arbeitskräften ebenso niederschlugen wie in einem überproportionalen Anstieg der Arbeitslosigkeit von Hilfskräften. GUDRUN BIFFL WIFO 537MONATSBERICHTE 8/2002 1 ) Der Nationalrat beschloss am 9. Juli 2002 die Novellierung des Fremdengesetzes 1997, des Asylgesetzes 1997 und des Ausländerbeschäftigungsgesetzes 1975 (siehe dazu http://ln-inter11. bmi.gv.at/web/bmiwebp.nsf/AllPages/BEG000911104954). AUSLÄNDISCHE ARBEITSKRÄFTE * In bestimmten Qualifikationen werden durch den wirtschaftlichen und technologischen Wandel Arbeitskräfteengpässe und damit ein Qualifikationsdefizit entstehen, das durch Änderungen der Bildungspolitik kurz- bis mittelfristig nicht ausreichend zu überwinden sein wird (Walterskirchen ­ Biffl, 2001). * In einem tiefgreifenden demographischen Wandel beginnen sowohl der Anteil als auch die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter in den nächsten Jahren zu sinken. Die Bevölkerungsprojektionen zeigen, dass dieser Prozess über mehrere Jahrzehnte fortschreiten wird (Biffl, 1998, Biffl ­ Hanika, 1998). Selbstverständlich wirft die internationale Migration nicht nur wirtschaftliche, speziell arbeitsmarktpolitische Fragen auf. Sie ist unmittelbar und untrennbar verbunden mit Fragen der sozialen Sicherheit und ihrer Finanzierung, mit Fragen nach dem Wohnungs- und Schulbedarf sowie mit einer Reihe von allgemein sozialen und politischen Gesichtspunkten. Die Nachfrage der Wirtschaft und die Arbeitsmarktlage haben aber maßgeblichen Einfluss auf die Lösbarkeit dieser Prob- leme. Aus dem Grund empfiehlt es sich, die Effekte der Zuwanderung auf den Arbeitsmarkt genauer zu beleuchten, um Anhaltspunkte für Anpassungen der Migrationspolitik zu gewinnen. Eine Analyse der Migration der letzten 20 Jahre zeigt, dass der Einfluss der Zuwanderung auf Wirtschaft und Arbeitsmarkt von der Beobachtungsperiode ebenso abhängt wie von der demographischen und sozioökonomischen Zusammensetzung der Zuwanderung: Aus einer langfristigen Perspektive mag der Effekt einer Zuwanderung auf das Wirtschaftswachstum dem eines allgemeinen Bevölkerungswachstums ähnlich sein, der kurz- und mittelfristige Effekt kann davon jedoch merklich abweichen, vor allem wenn die demographische, qualifikationsspezifische und sozioökonomische Struktur der Zuwanderung vom Durchschnitt der ansässigen Bevölkerung infolge von migrationspolitischen Schwerpunkten sowie unvorhersehbarer Zuwanderung (Flüchtlingsströme) stark abweicht. 538 WIFOMONATSBERICHTE 8/2002 Die sachliche Beurteilung der Effekte auf dem Arbeitsmarkt und damit auch die Konkretisierung politischer Schritte und Reformen werden durch Lücken in den verfügbaren relevanten Informationen behindert. Teils resultiert das daraus, dass Erhebungen unter unterschiedlichen Gesichtspunkten durchgeführt wurden und nur eingeschränkt vergleichbar sind. Teils kann jedoch die Anwesenheit und Tätigkeit von Ausländern in Österreich statistisch nicht adäquat erfasst werden, weil eine beträchtliche Zahl von ihnen wegen der institutionellen Schranken gegen die Zuwanderung von Familienangehörigen und die Beschäftigung von Ausländern in illegalen oder jedenfalls grauen Bereichen des Aufenthaltsmodus und des Arbeitsmarktes auftritt. Die institutionellen Rahmenbedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt unterscheiden sich nämlich nicht nur zwischen in- und ausländischen Arbeitskräften, sondern auch innerhalb der ausländischen Bevölkerung. Angehörige von EWR-Staaten sind den Österreichern gleichgestellt, nicht jedoch ,,Drittstaatsangehörige". Unter letzteren haben die einzelnen Gruppen unterschiedliche Zugangsrechte zum Arbeitsmarkt, z. B. Inhaber einer Beschäftigungsbewilligung (für einen bestimmten Arbeitsplatz), einer Arbeitserlaubnis oder eines Befreiungsscheins, Familienangehörige, Schulkinder und Studierende, Asylwerber oder Flüchtlinge. Erstere haben berufliche und regionale Mobilitätshemmnisse (mit Ausnahme der Befreiungsscheininhaber), Familienangehörige können nur nach Maßgabe der Arbeitsmarktlage eine Beschäftigung aufnehmen, Schulkindern und Studierenden war bis zur jüngsten Novellierung des Fremdengesetzes der Zugang zum Arbeitsmarkt überhaupt verwehrt2 ). Die unterschiedlichen rechtlichen Voraussetzungen für die Arbeitsaufnahme haben Auswirkungen auf die Integration der ausländischen Bevölkerung in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft. Um ihre Einkommenssituation zu verbessern, sind manche Gruppen darauf angewiesen, im informellen Sektor zu arbeiten, etwa als Haushaltshilfen. Auf Tätigkeiten im GraubeÜbersicht 1: Ausländerbeschäftigung nach Herkunftsregionen Jahresdurchschnitt Ausländische EU EFTA Jugoslawien1 ) Kroatien Slowenien Bosnien Türkei Sonstige Arbeitskräfte insgesamt Insgesamt Deutschland Anteile in % 1980 174.700 . 6,9 . 65,9 . . . 16,2 10,9 1985 140.200 . 8,0 . 58,5 . . . 20,8 12,8 1990 217.600 . 6,0 . 50,8 . . . 23,2 20,0 1995 300.300 7,0 4,5 0,1 43,1 1,6 0,9 3,6 18,2 25,5 1996 300.400 7,8 4,9 0,1 42,0 1,8 1,0 4,5 17,8 25,0 1997 298.800 8,3 5,2 0,1 41,3 1,9 1,1 5,0 17,7 24,6 1998 298.600 9,0 5,7 0,1 41,0 2,1 1,1 5,5 18,2 23,0 1999 306.400 9,7 6,1 0,1 40,1 2,3 1,1 6,0 18,2 22,5 2000 319.900 10,1 6,5 0,1 38,8 2,6 1,1 6,6 17,9 22,8 2001 329.300 10,8 7,1 0,1 37,3 3,0 1,1 7,3 17,3 23,1 Q: Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (bis 1994), Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (ab 1994). Offizielle Daten. ­ 1 ) Ab 1995 neue Landesgrenzen. 2 ) Die verschiedenen Rechtsstati der Zuwanderer erläutert Biffl (2001A, 2001B). AUSLÄNDISCHE ARBEITSKRÄFTE WIFO 539MONATSBERICHTE 8/2002 reich des Arbeitsmarktes wird im vorliegenden Artikel allerdings nicht eingegangen. ZUNEHMENDE HETEROGENITÄT DER BESCHÄFTIGUNG NACH HERKUNFTS- REGIONEN Seit den frühen achtziger Jahren hat sich nicht nur die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte merklich erhöht, sondern auch die Zusammensetzung nach Herkunftsregion, Alter und Geschlecht sowie Qualifikation verändert. 1980 kamen 6,3% der unselbständig Beschäftigten aus dem Ausland, heute sind es über 10%. Diese Zunahme war nur zu einem verhältnismäßig geringen Prozentsatz die Folge einer gezielten Anwerbung von Arbeitskräften aus dem Ausland, zum Großteil resultierte sie aus der Aufnahme von Flüchtlingen, der Integration von Familienangehörigen im Rahmen der Familienzusammenführung und der Zuwanderung aus der EU bzw. dem EWR sowie aus Ost-Mitteleuropa (MOEL) im Gefolge der verstärkten wirtschaftlichen Vernetzung Österreichs mit diesen Regionen3 ). Die Entwicklung der Ausländerbeschäftigung nach Herkunftsregionen zeigt, dass die Hauptrichtung der Zuwanderung sich kaum verändert (Übersicht 1). In den neunziger Jahren kamen infolge der Veränderung der geopolitischen Rahmenbedingungen (EU-Beitritt Österreichs und Demokratisierung in Ost-Mitteleuropa) und einer gewissen Globalisierung der Migration neue Regionen hinzu, und alte Beziehungen gewannen wieder an Bedeutung: Aus einer längerfristigen historischen Perspektive kann die verstärkte Ost-West-Migration in den neunziger Jahren als Wiederbelebung alter Wanderungspfade angesehen werden. Die starken Arbeitskräftewanderungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts Der Anteil der ausländischen unselbständig Beschäftigten aus dem europäischen Wirtschaftsraum bzw. der EU erhöhte sich zwischen 1980 und 2001 von 7% auf 11%, jener der Arbeitskräfte aus den MOEL von knapp 2% auf 12%. Im Gegensatz dazu verringerte sich der Anteil der Beschäftigten aus dem früheren Jugoslawien trotz massiver Flüchtlingsströme in den frühen neunziger Jahren von rund 66% auf 49%. Der Anteil der türkischen Arbeitskräfte war hingegen relativ stabil (Anstieg von 16,2% auf 17,3%). von Ost nach West innerhalb der österreichisch-ungarischen Monarchie waren, abgesehen von Flüchtlingswellen (aus Ungarn 1956, aus der CSSR 1968, aus Polen 1981 bis 1983), durch den ,,Eisernen Vorhang" blockiert gewesen. Neu sind die vermehrte Zuwanderung von EU-Staatsbürgern seit Österreichs EU-Beitritt und ein verstärkter Zustrom aus Nordamerika, Asien, Ozeanien und Afrika. BIPOLARE QUALIFIKATIONSSTRUKTUR DER ZUGEWANDERTEN ARBEITSKRÄFTE Zuwanderer haben häufiger als Österreicher keinen Pflichtschulabschluss (4,1% der Ausländer insgesamt, 5,1% aus dem früheren Jugoslawien und 5,9% aus der Abbildung 1: Wohnbevölkerung ab 15 Jahren nach höchster abgeschlossener Ausbildung und Staatsbürgerschaft 1997 Q: Mikrozensus. 3 ) Im Detail beleuchtet Biffl (2001A) die Entwicklung der Beschäftigungsstruktur ausländischer Arbeitskräfte nach Herkunftsregionen. AUSLÄNDISCHE ARBEITSKRÄFTE Türkei gegenüber 0,6% der Österreicher; Abbildung 1). Zugleich verfügt aber ein größerer Teil von ihnen über einen Hochschulabschluss (5,5% aller in Österreich wohnhaften Ausländer über 15 Jahren gegenüber 4,2% der Österreicher). Insgesamt wiesen laut Mikrozensus 1997 83% der österreichischen und 82,2% der ausländischen Wohnbevölkerung bzw. 92,4% der Wohnbevölkerung aus dem früheren Jugoslawien und 97% aus der Türkei Qualifikationen unterhalb des Maturaniveaus auf. Die ausländische Wohnbevölkerung ist demnach an den beiden Polen des Bildungssystems angesiedelt: Während Migranten und Migrantinnen aus der Türkei und aus Jugoslawien in den untersten Bildungsebenen überdurchschnittlich vertreten sind, sind Personen aus der EU bzw. dem EWR und aus Ost-Mitteleuropa in der Regel überdurchschnittlich qualifiziert. Erst in den neunziger Jahren änderte sich das Ausbildungsmuster ausländischer Jugendlicher. Immer mehr ausländische Kinder besuchen heute weiterführende Schulen. Dies ist einerseits die Folge einer veränderten Zusammensetzung der Zuwanderung nach Herkunftsregionen und des im Durchschnitt etwas höheren Bildungsgrades der Eltern als in den achtziger Jahren. Andererseits stieg die Neigung von traditionellen Zuwanderergruppen, also von Personen aus dem früheren Jugoslawien und der Türkei, die Kinder nach der Pflichtschule länger im Schulsystem zu belassen. Besonders problematisch ist in Hinblick auf die hohe Niederlassungswahrscheinlichkeit die überdurchschnittliche Steigerung der Zahl der ausländischen Sonderschulkinder (Abbildung 2). Kurzfristig mögen durch die Nichtintegration einer großen Zahl von ausländischen Kindern ins Regelschulsystem Fördergelder eingespart 540 WIFOMONATSBERICHTE 8/2002 werden, langfristig sind die wirtschaftlichen Verluste aus einer geringen Qualifikation der Arbeitskräfte allerdings deutlich höher als die Ersparnis im Bildungssystem. Eine In den letzten zwanzig Jahren vervierfachte sich der Anteil ausländischer Kinder im gesamten Schulbereich ­ in den Pflichtschulen auf 10,5%, in der oberen Sekundarstufe auf 6%, in den Sonderschulen erreichte der Anteil 23,1%. Kinder aus türkischen und jugoslawischen Familien zählen zu den Hauptgruppen in Sonderschulen: Laut Schulstatistik 1998/99 besuchten 1,1% der inländischen, aber 4,8% der türkischen Kinder Sonderschulen. gute Ausbildung verringert nicht nur Arbeitslosigkeitsepisoden, sondern trägt auch über eine höhere Arbeitsproduktivität der Beschäftigten zur Erhaltung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit Österreichs bei. BESCHÄFTIGUNGSSCHWERPUNKTE NACH HERKUNFTSREGION SEHR UNTERSCHIEDLICH Angesichts der großen Qualifikationsunterschiede zwischen den ausländischen Arbeitskräften nach der Herkunftsregion überrascht nicht, dass bestimmte Ausländergruppen auf einige wenige Branchen konzentriert sind. Einen Einblick in die unterschiedlichen Beschäftigungskonzentrationen nach der Herkunftsregion geben Beschäftigungskoeffizienten (Branchenverteilung für alle Nationalitätengruppen in Relation zur durchschnittlichen Branchenverteilung aller ausländischen Arbeitskräfte; Abbildung 3). Wenn der Branchenkoeffizient für eine Nationalität größer als 1 ist, ist die entsprechende Gruppe überdurchschnittlich in dieser Branche beschäftigt. Analog dazu weist ein Koeffizient unter 1 darauf hin, dass die Nationalitätengruppe in dieser Branche im Vergleich zum Durchschnitt der ausländischen Arbeitskräfte selten beschäftigt ist4 ). Arbeitskräfte aus dem EWR sind vor allem im Kredit- und Bankensektor, in Unterricht und Forschung sowie in unternehmensbezogenen Diensten beschäftigt. Personen aus dem früheren Jugoslawien und der Türkei arbeiten hingegen vor allem in Niedriglohnbranchen. Personen aus dem früheren Jugoslawien arbeiten überdurchschnittlich häufig in Saisonbranchen, also der Abbildung 2: Anteil ausländischer Kinder an Österreichs Schulen Q: Statistik Austria, WIFO-Berechnungen. 4 ) Um die graphische Darstellung übersichtlicher zu gestalten, wurden die Koeffizienten auf Null normiert, d. h. ein Wert größer als 0 weist auf eine überdurchschnittliche Beschäftigung in dieser Branche hin und ein Wert kleiner als 0 auf eine unterdurchschnittliche. AUSLÄNDISCHE ARBEITSKRÄFTE WIFO 541MONATSBERICHTE 8/2002 Land- und Forstwirtschaft, dem Tourismus und dem Bauwesen, weiters in der Nahrungs- und Genussmittelerzeugung und dem Verkehrssektor. Türkische Arbeitnehmer sind hingegen besonders häufig als Fachkräfte in der Textil-, Bekleidungs- und Ledererzeugung sowie in der Holzverarbeitung und Möbelindustrie, in der Chemie- und Metallindustrie, im Bergbau und im Bauwesen. Die Branchenschwerpunkte der Beschäftigung haben sich für einige Nationalitätengruppen seit den achtziger Jahren etwas verschoben, für andere sind sie nahezu unverändert geblieben. Zu ersteren zählen Personen aus den MOEL; sie waren in den achtziger Jahren vergleichsweise häufig im Gesundheitssektor, in Saisonbranchen wie der Land- und Forstwirtschaft und dem Tourismus, in der Holzindustrie, im Handel und in unternehmensnahen Dienstleistungen tätig. In den neunziger Jahren verlagerte sich der Schwerpunkt zum Energiebereich und der Bauwirtschaft. Im Gegensatz dazu sind die branchenspezifischen Beschäftigungsmuster der Bürger aus dem EWR und den traditionellen Zuwanderungsregionen in Südosteuropa und der Türkei relativ stabil. Die Jugendlichen aus den traditionellen Zuwanderungsregionen sind ebenso wie die Erwachsenen im mittleren und höheren Alter auf jene Branchen konzentriert, die landläufig als Ausländerbranchen gelten. Es sind dies neben den Wirtschaftsklassen Textil-, Bekleidungs- und Ledererzeugung das Bauwesen, der Handel, das Gastgewerbe und der Bereich Körperpflege, Reinigung. In diesen Branchen sind inländische Arbeitskräfte im Durchschnitt älter und stellen die Führungskräfte. Ausländische Arbeitskräfte hingegen haben hier nicht nur Chancen auf eine Lehrstelle, sondern finden in diesen Branchen auch am häufigsten eine Hilfs- und Anlerntätigkeit. Dass Migranten seit den späten sechziger Jahren auf dieselben Branchen beschränkt sind, ist zum Teil die Folge von Angebotsfaktoren, d. h. einer hohen Konzentration der Qualifikationen der Zuwanderer erster und zweiter Generation auf Hilfsarbeit oder Facharbeit in der Konsumgüterproduktion und der Bauwirtschaft, zum Teil die Folge von Nachfragebedingungen, d. h. einem Nachfrageüberhang zu den gegebenen Arbeits- und Lohnbedingungen. KONZENTRATION DER AUSLÄNDISCHEN ARBEITSKRÄFTE AUF NIEDRIG- LOHNBRANCHEN 1999 waren zwei Drittel aller ausländischen Arbeitskräfte auf 6 Branchen konzentriert: Bauwirtschaft, Tourismus, Handel einschließlich Reparaturwesen, unternehmensorientierte Dienste, Erzeugung und Verarbeitung von Metallen sowie Verkehr und Nachrichtenübermittlung. In diesen Branchen arbeiteten nur etwa die Hälfte aller Inländer. Abbildung 3: Beschäftigungsschwerpunkte der ausländischen Arbeitskräfte nach Herkunftsregionen 1999 Q: Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, WIFO-Berechnungen. ­ Beschäftigungskoeffizient > 0: Nationalität in dieser Branche überdurchschnittlich vertreten, Beschäftigungskoeffizient < 0: Nationalität in dieser Branche unterdurchschnittlich vertreten. AUSLÄNDISCHE ARBEITSKRÄFTE Wieweit bestimmte Branchen auf die Ausländerbeschäftigung angewiesen sind, macht ein Vergleich der Ausländeranteile an der Beschäftigung deutlich (Übersicht 2)5 ). Niedriglohnbranchen wie die Textil-, Lederund Bekleidungsindustrie, die Land- und Forstwirtschaft Der Wettbewerb zwischen Betrieben und die Anpassung der Löhne erfolgt über Güterund Arbeitsmärkte. Im Fall hochqualifizierter Arbeitskräfte spielt die Zuwanderung eine ebenso wichtige Rolle für die Veränderung der Knappheitsrelationen und Lohnanpassungen wie im Bereich einfacher Qualifika- tionen. und der Tourismus weisen traditionell den höchsten Anteil ausländischer Arbeitskräfte auf; seit 1980 und vor allem in den neunziger Jahren verstärkte sich aber diese Abhängigkeit6 ). Mit zunehmender Heterogenität der Zuwanderung stieg der Ausländeranteil nicht nur in Niedriglohnbranchen, sondern auch in Mittel- und Hochlohnbereichen. Dies 542 WIFOMONATSBERICHTE 8/2002 war nicht zuletzt die Folge der Deregulierung und Privatisierung von vormals geschützten, halbstaatlichen Bereichen wie etwa dem Banken- und Versicherungssektor, dem Verkehrswesen und der Nachrichtenübermittlung. In den unternehmensorientierten Dienstleistungen waren 1999 rund 17% der Beschäftigten Ausländer. Im Durchschnitt zählt diese Branche zum mittleren Lohnsegment das Resultat einer polarisierten Qualifikations- und Lohnstruktur. Im Niedriglohnbereich finden geringqualifizierte ausländische Arbeitskräfte aus den traditionellen Zuwanderungsregionen in Südosteuropa und der Türkei Arbeit (etwa Reinigungsdienste), im Hochlohnbereich üben vor allem neue Zuwanderergruppen spezialisierte Tätigkeiten aus. Auch die Bauwirtschaft stellt in den letzten 20 Jahren zunehmend ausländische Arbeitskräfte ein, ohne dadurch vom mittleren in das Niedriglohnsegment zu wechseln. Dafür dürfte vor allem der hohe gewerkschaftliche Organisationsgrad verantwortlich sein (Pollan, 1982, 1997), der diesen Sektor in gewissem Maße gegenüber dem internationalen Wettbewerb ab- schirmt. In den Hochlohnsegmenten ist der Ausländeranteil äußerst niedrig. Hier ist entweder die Kapitalintensität der Produktion (Quotient aus Kapital- und Arbeitseinsatz) hoch oder der internationale Wettbewerb auf den Gütermärkten gering (unvollkommener Wettbewerb), oder es gibt Zugangsbarrieren zum Beruf (betriebsinterne Aufstiegsleitern). All diese Faktoren erhöhen die VerÜbersicht 2: Entwicklung des Medianeinkommens und des Anteils ausländischer Arbeitskräfte an der Beschäftigung nach Branchen Medianeinkommen der Gesamtbeschäftigung = 100 Anteil ausländischer Arbeitskräfte in % 1980 1994 1999 1980 1994 1999 Primär- und Sekundarsektor Niedriglohnsegment Bekleidungsindustrie 65 69 . 9,6 15,2 21,3 Lederindustrie 68 70 74 17,0 19,3 20,8 Landwirtschaft 83 72 65 8,7 19,1 25,4 Textil-, Bekleidungsindustrie 78 85 831 ) 22,1 29,1 29,5 Mittleres Einkommenssegment Holz- und Sägeindustrie 93 92 97 4,0 11,8 11,9 Nahrungsmittelerzeugung 96 95 92 . 13,0 15,1 Bauwesen 110 110 112 7,8 18,6 18,1 Hochlohnsegment Druckerei, Papiererzeugung 114 126 1321 ) 4,1 5,6 6,9 Chemie 117 120 122 7,2 10,5 13,0 Stein- und keramische Industrie 118 117 119 5,1 11,0 12,1 Metallindustrie 117 117 125 7,5 9,5 10,3 Papier-, Pappeerzeugung 120 126 . 7,5 8,5 8,3 Bergbau 139 137 137 0,0 5,4 5,3 Energie- und Wasserversorgung 155 165 167 0,0 0,4 0,5 Tertiärsektor Niedriglohnsegment Persönliche Dienste, Unterhaltung 60 62 781 ) 3,9 16,0 14,4 Gaststättenwesen 71 71 69 18,4 27,8 26,4 Gesundheitswesen 83 90 89 0,5 7,2 7,3 Handel 88 89 88 3,2 7,8 8,7 Unterhaltung 91 91 . 2,9 8,6 10,8 Mittleres Einkommenssegment Transportwesen 94 96 97 2,7 5,2 7,7 Unternehmensnahe Dienstleistungen 93 97 88 0,2 6,2 16,7) Bildungswesen 83 84 96 0,0 2,6 2,4 Öffentliche Verwaltung 98 99 100 0,0 2,6 2,5 Hochlohnsegment Banken, Versicherungen 113 136 143 0,4 1,2 1,9 Q: Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, WIFO-Berechnungen. ­ 1 ) Wegen des Übergangs von der Betriebssystematik 1968 auf ÖNACE mit Vorperioden nicht vollständig vergleichbar. ­ 2 ) Einschließlich Reinigungsdienste, die in den neunziger Jahren stark aus Betrieben ausgelagert wurden. 5 ) Die Veränderung der Branchenkonzentration zwischen 1964 und 1983 zeigt Biffl (1986). 6 ) Die Umstellung der statistischen Abgrenzung von der Betriebssystematik 1968 auf ÖNACE im Jahr 1995 bedeutet zwar einen Bruch in der Zeitreihe, die Grundaussage bleibt aber aufrecht. AUSLÄNDISCHE ARBEITSKRÄFTE WIFO 543MONATSBERICHTE 8/2002 handlungsmacht der Beschäftigten in diesen Bereichen (Biffl, 1999). Am unteren Ende einer Gruppierung der Arbeitskräfte in Niedriglohnbranchen, mittleres Lohnsegment und Hochlohnbranchen sind jene Wirtschaftsbereiche angesiedelt, die starkem nationalen oder internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind. Die Intensität des Wettbewerbs wird dabei einerseits durch die Produktionstechnologie, die Betriebsgröße und die Qualifikation der Arbeitskräfte bestimmt: Wenn die Technologie vom Einsatz einfacher oder mittlerer standardisierter Produktionsweisen geprägt ist, d. h. wenn sie global verfügbar und einsetzbar und/oder wenn die für die Produktion nötigen Qualifikationen der Arbeitskräfte in großer Zahl in allen Ländern verfügbar sind, ist der internationale Wettbewerb ceteris paribus stärker als im Fall einer Produktionstechnologie, die sehr spezialisiertes und knappes Fachpersonal erfordert. Großen Einfluss auf die Wettbewerbssituation hat andererseits der Konzentrationsgrad des Marktes: Wenn die einzelnen Unternehmen sehr geringe Marktmacht haben, müssen sie sich an die Marktbedingungen anpassen und stehen daher unter einem großem Wettbewerbsdruck. Aus analytischer Sicht ist für ein besseres Verständnis der Rolle der Migrationen im internationalen Anpassungsprozess der Löhne eine Unterscheidung zwischen globalen und lokalen Qualifikationen sinnvoll. Globale Qualifikationen müssen unabhängig von der Sprache und Kultur sein, sie müssen standardisiert sein und in standardisierten Produktionsprozessen zum Einsatz kommen (Technologie). Sie nehmen den Charakter eines globalen Gutes an, das überall konsumiert werden kann, unabhängig von dem kulturellen Umfeld. Im Gegensatz dazu sind lokale Qualifikationen an den Wohnort bzw. ein Land gebunden. Sie decken den lokalen Bedarf an bestimmten Gütern und Dienstleistungen und sind in örtliche, kulturelle und sozioökonomische Strukturen in- tegriert. Die Globalisierung der Qualifikationen kann sich etwa der Bildungssysteme bedienen. Diplome oder Zeugnisse, die international anerkannt werden, unterstützen den universellen Einsatz der Qualifikationen (etwa Hochschulabschlüsse in den technischen und naturwissenschaftlichen Disziplinen, etwas abgeschwächt in der Medizin und in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften). Eine Standardisierung der Ausbildungsinhalte auf internationalem Niveau verstärkt den Wettbewerb unter Akademikern und übt Druck auf deren Gehälter aus. So wuchs die Beschäftigung von Führungskräften, hochqualifizierten Ingenieuren, Technikern und Naturwissenschaftern in den USA in den letzten 20 Jahren überdurchschnittlich, ihre Löhne aber nicht überdurchschnittlich. Die Ergebnisse für die USA (Veneri, 1999) werden von der Erhebung der Einstellungsgehälter nach höchster abgeschlossener Schulbildung auch für Österreich bestätigt, und zwar für die Periode 1992 bis 2000 (ÖPWZ, 2000). Im Laufe der neunziger Jahre verringerte sich das Einstellungslohndifferential zwischen den Absolventen und Absolventinnen mittlerer Fachausbildung (Lehre oder BMS) und jenen von Universitäten und Fachhochschulen. Die Verflachung des Lohnanstiegs der Führungskräfte und Spezialisten in Österreich ist im Zusammenhang mit dem verstärkten internationalen Wettbewerb zu sehen, u. a. auch einem einkommensmaximierenden Mobilitätsverhalten der Arbeitskräfte innerhalb der EU. AUSLÄNDISCHE ARBEITSKRÄFTE HÄUFIGER IN KLEINBETRIEBEN ALS INLÄNDISCHE Die Beschäftigungsstruktur nach der Betriebsgröße ist längerfristig relativ stabil. In den letzten 20 Jahren war im Gefolge der Umstrukturierung der verstaatlichten Industrie, der Privatisierung vormals geschützter halbstaatlicher Dienstleistungsunternehmen und des generellen wirtschaftlichen Strukturwandels von der Gütererzeugung zu Dienstleistungen eine leichte Verlagerung der Beschäftigung von Großbetrieben zu Klein- und Mittelbetrieben zu beobachten. 1981 arbeiteten knapp 34% aller Beschäftigten in Betrieben mit mehr als 300 Arbeitskräften, 1999 nur noch 30%. Der Anteil der Kleinbetriebe mit weniger als 50 Beschäftigten stieg von 42% auf 44%, jener der Mittelbetriebe von 25% auf 26%. Ausländische Arbeitskräfte sind auf alle Betriebsgrößenklassen bis 500 Beschäftigte stärker konzentriert als inländische Arbeitskräfte, in Großbetrieben mit mehr als 500 Beschäftigten dominieren hingegen Inländer (Abbildung 4). In Kleinstbetrieben sind ausländische ArbeitsAbbildung 4: Verteilung der unselbständig beschäftigten inund ausländischen Arbeitskräfte über die Betriebsgrößen 31. Dezember 1999 Q: Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, WIFO-Berechnungen. AUSLÄNDISCHE ARBEITSKRÄFTE kräfte besonders häufig beschäftigt. 1999 arbeiteten 37,3% der Ausländer und 32,4% der Inländer in Betrieben mit bis zu 19 Mitarbeitern. Auf Großbetriebe, insbesondere solche mit mehr als 1.000 Beschäftigten, entfielen nur 8,8% der ausländischen Arbeitskräfte gegenüber 21,6% der österreichischen. In österreichischen Großbetrieben mit differenzierten internen Arbeitsmärkten finden offenbar Ausländer nur vergleichsweise selten Eingang; Zugang zu gehobenen Positionen erhalten sie im Gefolge der internationalen Kapital-, Markt- und Firmenvernetzung auf betriebsinternen Arbeitsmärkten von Konzernen mit Niederlassungen in Österreich. In Kleinbetrieben, die dem externen Arbeitsmarkt sehr nahe und dem Wettbewerb besonders ausgesetzt sind, sind ausländische Arbeitskräfte besonders häufig beschäftigt. Inländer sind eher auf Mittel- und Großbetriebe konzentriert, Inländerinnen und Ausländerinnen eher auf Kleinund Großbetriebe. Im Gegensatz dazu sind Ausländer überdurchschnittlich in Mittelbetrieben beschäftigt. Die unterschiedlichen Beschäftigungsschwerpunkte nach Branchen und Betriebsgröße von in- und ausländischen Arbeitskräften tragen zur Erklärung der höheren Beschäftigungsunsicherheit der ausländischen Arbeitskräfte ebenso bei wie zur Erklärung der größeren Lohnflexibilität. Da die Einkommenserwartungen mit steigender Betriebsgröße zunehmen, geht die im Durchschnitt höhere Entlohnung der Männer teils auf ihre überdurchschnittliche Beschäftigung in Mittel- und Großbetrieben zurück. Die Abhängigkeit der Löhne und Gehälter von Betriebsgröße, Alter und Geschlecht kann mit einer Lohngleichung nachgewiesen werden: Eine Regression der monatlichen Löhne der in- und ausländischen Arbeitskräfte auf das Alter, das Geschlecht und die Betriebsgröße ergibt einen hohen Erklärungswert für die reale Lohnstruktur, obschon in einem solchen Querschnittsvergleich viel Information verloren geht, die in Längsschnittdaten über den Trend aufgefangen würde. Den Regressionsergebnissen für 1999 zufolge (Übersicht 3) erhalten Frauen im Durchschnitt um ein Drittel niedrigere Löhne als Männer; mit steigendem Alter verbessern sich die Lohnerwartungen pro Jahr um 0,27%. 544 WIFOMONATSBERICHTE 8/2002 Zugleich nehmen die Löhne mit steigender Betriebsgröße zu. Dies entspricht den Insider-Outsider-Überlegungen (Biffl, 1999, 2000), wonach große Teile der Belegschaft eines Großbetriebs gegenüber dem Wettbewerb auf dem externen Arbeitsmarkt abgeschirmt sind, da innerhalb der internen Arbeitsmärkte rekrutiert und befördert wird (innerbetriebliche Karriere- und Lohnleitern). Insider können so eine Bezahlung über dem ,,markträumenden" Lohn auf einem Arbeitsmarkt mit vollkommenem Wettbewerb beziehen. Der Lohnabschlag für Ausländerinnen gegenüber Ausländern ist etwa gleich hoch wie zwischen inländischen Frauen und Männern, jedoch sind die Möglichkeiten der Lohnsteigerung mit steigendem Alter nicht so günstig wie für inländische Arbeitskräfte. Das ist nicht überraschend, da das Einkommensprofil für einfache Qualifikationen im Lebenszyklus wesentlich flacher ist als für höhere Qualifikationen und ausländische Arbeitskräfte im Durchschnitt weniger gut qualifiziert sind als inländische. Die Löhne der ausländischen Beschäftigten steigen auch nicht so stark wie die der inländischen mit der Betriebsgröße, da jene im Schnitt seltener zur Kernbelegschaft zählen und daher geringere innerbetriebliche Aufstiegschancen haben. Die Koeffizienten der Lohnfunktion haben sich in den neunziger Jahren weder für in- noch für ausländische Arbeitskräfte wesentlich verän- dert. LOHNUNTERSCHIEDE ZWISCHEN INUND AUSLÄNDISCHEN ARBEITSKRÄFTEN STARK KONJUNKTURAB- HÄNGIG Das Lohndifferential zwischen In- und Ausländern weist merkliche Konjunkturschwankungen auf. Dabei verringert sich der Lohnunterschied im Konjunkturabschwung und erhöht sich im Aufschwung. Das dürfte einerseits darauf zurückzuführen sein, dass Geringqualifizierte mit niedrigem Lohn im Konjunkturabschwung als erste den Arbeitsplatz verlieren, andererseits unterliegen Niedriglohnbranchen in der Privatwirtschaft ­ und dadurch deren Beschäftigte ­ größeren konjunkturbedingten Nachfrageschwankungen als Hochlohnbranchen. Da ausländische Arbeitskräfte im Durchschnitt schlechter qualifiziert sind als inländische und überdies überwiegend in Übersicht 3: Lohnfunktion auf der Basis von Individualdaten für 1999 b1 b2 b3 F-Test R R korr. Inländer - 0,340 - 0,272 0,256 3.189,9 0,247 0,247 (-66,826) (-53,257) (50,262) Ausländer - 0,312 - 0,164 0,232 1.070,1 0,186 0,186 (-40,910) (-21,502) (30,418) w = c + b1 f + b2 b + b3 bg Q: Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, WIFO-Berechnungen. - w . . . Monatslohn ohne Sonderzahlungen, c . . . Konstante, f . . . Geschlecht, b . . . Geburtsjahrgang, bg . . . Betriebsgröße. Kursive Zahlen in Klammer . . . y-Statistik. AUSLÄNDISCHE ARBEITSKRÄFTE WIFO 545MONATSBERICHTE 8/2002 Niedriglohnbranchen arbeiten, weiten sich die Lohnunterschiede zwischen in- und ausländischen Arbeitskräften im Aufschwung aus und verringern sich im Abschwung. Ende der achtziger und Anfang der neunziger Ausländische Arbeitskräfte verdienen im Durchschnitt weniger als inländische. Ihr durchschnittlicher Einkommensrückstand stieg, gemessen am monatlichen Medianeinkommen, von einem Tief von 11,4% im Jahre 1988 im Gefolge der kräftigen Ausweitung der Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte auf 23,3% 1991. In der Folge verringerte sich der Lohnunterschied zwischen in- und ausländischen Beschäftigten wieder auf 13,1% 1999, einen Wert, wie er für die achtziger Jahre typisch gewesen war. Jahre trug zudem die starke Zunahme des Angebotes ausländischer Arbeitskräfte zu einer Ausweitung der Lohnunterschiede bei. Das Medianeinkommen der in Österreich beschäftigten Ausländer lag zwischen 1981 und 1999 um durchschnittlich 21%, jenes der Ausländerinnen um durchschnittlich 13% unter den entsprechenden Werten für österreichische Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen (Abbildung 5). Das monatliche Medianeinkommen von Ausländern erhöhte sich im Durchschnitt um 66% (von 896 ¤ auf 1.488 ¤) und damit ebenso stark wie das der Inländer (von 1.068 ¤ auf 1.771 ¤). Das monatliche Medianeinkommen von Ausländerinnen stieg zwischen 1981 und 1999 etwas stärker (+68% von 638 ¤ auf 1.073 ¤), allerdings ausgehend von einem merklich niedrigeren Niveau. Das monatliche Medianeinkommen der Inländerinnen nahm etwas mehr zu als das der Ausländerinnen (von 695 ¤ auf 1.188 ¤, +71%). Der Niveauunterschied zwischen den Medianeinkommen von In- und Ausländerinnen ist vergleichsweise gering, weil in der Beschäftigungsstatistik des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger nicht zwischen Voll- und Teilzeit differenziert wird. Der Mikrozensus zeigt, dass Inländerinnen in höherem Maße als Ausländerinnen einer Teilzeitarbeit nachgehen und dass der Anteil der teilzeitbeschäftigten Inländerinnen seit den achtziger Jahren rasch zunimmt. Der Stundenlohn der Inländerinnen dürfte somit in den letzten 20 Jahren überdurchschnittlich gestiegen sein. MOBILITÄTSPROZESSE IM BESCHÄFTI- GUNGSSYSTEM Die Untersuchung der Entwicklung verschiedener Strukturmerkmale der Beschäftigung von in- und ausländischen Arbeitskräften trägt relativ wenig zum Verständnis der Mobilitätsprozesse auf dem Arbeitsmarkt bei, die Bestandsveränderungen und Lohnanpassungen auslösen. Um Einblick in die Flexibilität der Arbeitswelt zu gewinnen und zu erfassen, welche Personengruppen besonders mobil sind bzw. welche Beschäftigungsbereiche eine besonders hohe Fluktuation aufweisen, muss man Abgangsquoten aus der Beschäftigung bzw. Weiterbeschäftigungsquoten berechnen. Eine Analyse der Ströme in und aus der Beschäftigung (Biffl, 1999) zeigt, dass die Fluktuation der Beschäftigung Mitte der achtziger Jahre und Mitte der neunziger Jahre jeweils kräftig zunahm. Dies ist im Zusammenhang mit der Liberalisierung von Gütermärkten und der Intensivierung des Wettbewerbs zu sehen. Um die Produktionskosten zu senken, Produktivitätssteigerungen über Skalenerträge zu erzielen und damit wettbewerbsfähiger zu werden, lagerten Betriebe zunehmend Tätigkeitsfelder aus und spezialisierten sich auf ihre Kernkompetenzen (Biffl, 1991). Die Fluktuation der Beschäftigung erhöhte sich mit der Ausweitung der zwischenbetrieblichen Reallokation der Arbeitskräfte. Somit ist die Komplexität der Mobilitätsprozesse auf dem Arbeitsmarkt ebenso gestiegen wie die Gefahr von Fehlplanung und Koordinationsmängeln. Der Bedarf an effizienter Vermittlung zwischen Angebot und Nachfrage nach sehr spezialisierten Tätigkeiten wächst und damit das Interesse an Stromanalysen, die die Mobilitätsprozesse auf dem Arbeitsmarkt transparent machen und so durch eine verbesserte Vermittlung und Qualifizierung von Arbeitskräften die Arbeitslosigkeit vermindern hel- fen. Abbildung 5: Abweichung des monatlichen Medianeinkommens der ausländischen von dem der inländischen Arbeitskräfte 1981/1999 Q: Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, WIFO-Berechnungen. AUSLÄNDISCHE ARBEITSKRÄFTE Für die Untersuchung der Fluktuation der Beschäftigung wurden aus den Longitudinaldaten einjährige Weiterbeschäftigungsquoten ermittelt, d. h. die Zahl der Beschäftigten, die im Ausgangsjahr und im Folgejahr beschäftigt sind, in Prozent der Beschäftigten des Ausgangsjah- res7 ). Der längerfristige Verlauf der einjährigen Weiterbeschäftigungsquote ist von starken Konjunkturschwankungen geprägt. Wie erwartet nimmt die Wahrscheinlichkeit, ein weiteres Jahr beschäftigt zu sein, im Konjunkturabschwung ab und erhöht sich im Aufschwung. Ausländische Arbeitskräfte haben insgesamt eine wesentlich geringere Chance auf Weiterbeschäftigung als inländische. Während die Weiterbeschäftigungsquote der inländischen Arbeitskräfte in den achtziger Jahren relativ stabil war (1981/82 ebenso wie 1988/89 93%), brach sie in der Rezession 1981 für Ausländer ­ insbesondere Männer ­ ein (1981/82 82,3%), erholte sich aber im anschließenden Aufschwung relativ rasch (auf 87% 1985/86). Mit anhaltender Belebung der Konjunktur und der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage nach Arbeitskräften stieg die einjährige Verbleibswahrscheinlichkeit der ausländischen Beschäftigten auf 88% 1989/90. Dieses Ergebnis passt gut zum Durchschnittswert der Mikrozensus-Erhebung zur Arbeitsplatzfluktuation im Jahr 1988 (Arbeitsplatzwechslerquote 10%). In der ersten Hälfte der neunziger Jahre verringerte sich die Wahrscheinlichkeit einer anhaltenden Beschäftigung der inländischen Arbeitskräfte von 91% (1990) auf 89% (1995) ­ vor allem die Arbeitsplatzunsicherheit der Männer nahm zu (von 92,4% auf 89,6%; Frauen von 88,5% auf 88,4%). Die Weiterbeschäftigungsquote erholte sich allerdings in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre, und zwar vor allem für Männer (1999 90,9%). Ausländische Arbeitskräfte hatten in der gesamten Periode 1981/1999 eine wesentlich geringere Chance auf Weiterbeschäftigung als inländische, insbesondere im Konjunkturabschwung (Abbildung 6). Sowohl die überdurchschnittliche konjunkturbedingte als auch die strukturbedingte Arbeitsplatzunsicherheit deuten darauf hin, dass ausländische Beschäftigte in geringerem Maße als inländische zur Kernbelegschaft der Unternehmen zählen und überwiegend in Bereichen arbeiten, in denen die Gütermärkte einem starken nationalen und internationalen Wettbewerb unterliegen. In der Rezession der frühen achtziger Jahre und Mitte der neunziger Jahre war die Weiterbeschäftigungsquote der Ausländer sogar geringer als die der Ausländerinnen, im Gegensatz zur Rezession der frühen neunziger Jahre. Mit dem Konjunkturaufschwung verbesserte sich der Beschäftigungsver- 546 WIFOMONATSBERICHTE 8/2002 bleib ausländischer Männer allerdings stärker als der ausländischer Frauen. Der markante Einbruch der Weiterbeschäftigung von ausländischen Männern und Frauen ab 1990 ist nicht nur ein Konjunkturphänomen, sondern auch eine Folge des deutlichen Zustroms ausländischer Arbeitskräfte nach Österreich zwischen 1989 und 1993, der einen Verdrängungswettbewerb auslöste. BESONDERS HOHE BESCHÄFTIGUNGSFLUKTUATION UNTER EWR- ANGEHÖRIGEN Arbeitskräfte aus dem früheren Jugoslawien weisen unter den ausländischen Arbeitskräften eine vergleichsweise hohe Beschäftigungsstabilität auf, Personen aus dem EWR bzw. der EU und aus der heterogenen Gruppe ,,Sonstige" eine sehr geringe. Die Beschäftigungsfluktuation unterscheidet sich merklich zwischen den verschiedenen Herkunftsregionen. Arbeitskräfte aus dem früheren Jugoslawien weisen eine vergleichsweise hohe Beschäftigungsstabilität auf, Personen aus dem EWR bzw. der EU und aus der heterogenen Gruppe ,,Sonstige" eine sehr geringe. Dies dürfte 7 ) Ein Jahresendvergleich wurde gewählt, um von den Saisonschwankungen zu abstrahieren, die die Beschäftigungsdauer stark verkürzen. Gefragt wurde nicht nach der Weiterbeschäftigung im selben Betrieb, sondern nur ob die Person nach einem Jahr ein aufrechtes sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis aufwies. Abbildung 6: Längerfristiger Verlauf der Weiterbeschäftigung von in- und ausländischen Arbeitskräften nach einem Jahr Beschäftigung Q: Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, WIFO-Berechnungen. AUSLÄNDISCHE ARBEITSKRÄFTE WIFO 547MONATSBERICHTE 8/2002 darauf zurückzuführen sein, dass letztere Personengruppen vor allem hochqualifizierte Arbeitskräfte umfassen, die sich nicht in Österreich niederlassen, sondern im Rahmen innerbetrieblicher Karrierepfade vorübergehend in Österreich arbeiten. Im Gegensatz dazu strebt der Großteil der Migranten aus den traditionellen Zuwanderungsregionen eine Niederlassung in Österreich an. Unter diesem Gesichtspunkt fällt die Diskrepanz zwischen der Beschäftigungsfluktuation von Personen aus dem früheren Jugoslawien einerseits und aus der Türkei und den MOEL andererseits auf. Während jugoslawische Beschäftigte stets eine überdurchschnittliche Beschäftigungsstabilität aufwiesen und türkische eine unterdurchschnittliche, konnten Personen aus den MOEL im Laufe der neunziger Jahre ihre Beschäftigungslage stabilisieren und damit ihren Aufenthalt ver- festigen. ARBEITSPLATZFLUKTUATION IN NIEDRIGLOHNBRANCHEN ÜBER- DURCHSCHNITTLICH Die Wahrscheinlichkeit, als Arbeitnehmer ein weiteres Jahr beschäftigt zu sein, hängt vor allem von der Branche ab. In bestimmten Branchen ist die Weiterbeschäftigung für den Großteil der Arbeitskräfte kurz- und mittelfristig sichergestellt; hier arbeiten vor allem inländische Arbeitskräfte. Dies sind das Geld-, Kredit- und Versicherungswesen, die Gebietskörperschaften, Sozialversicherungsträger und Interessenvertretungen. In den neunziger Jahren verringerte sich die Arbeitsplatzstabilität im Verkehr und in der Nachrichtenübermittlung gegenüber den achtziger Jahren im Gefolge der Privatisierung und Deregulierung, ebenso in der Metall-, Chemie- und Elektroindustrie. Nach wie vor ist aber die Chance auf Weiterbeschäftigung in diesen Hochlohnbereichen über- durchschnittlich. In Niedriglohnbranchen ist die Chance auf eine dauerhafte Beschäftigung sehr gering. Am geringsten ist die Beschäftigungsstabilität im Beherbergungs- und Gaststättenwesen, dem Textilsektor, der Be- und Verarbeitung von Holz, Papier und Pappe, Spielwaren usw. sowie im Handel. Auch die Bauwirtschaft ­ obwohl eine Branche im mittleren Lohnbereich ­ weist eine überdurchschnittliche Beschäftigungsfluktuation auf. Gemeinsam ist diesen Wirtschaftszweigen ein großer Ausländeranteil. Die überdurchschnittliche Beschäftigungsinstabilität der ausländischen Arbeitskräfte ist demnach in hohem Maße die Folge ihrer Konzentration auf Branchen, die einem besonders starken Wettbewerb und Nachfrageschwankungen ausgesetzt sind. Das große Nachfragerisiko auf den Gütermärkten wird auf die Arbeitskräfte dieser Branchen übertragen. So nutzen Betriebe bzw. Branchen unter heftigem Wettbewerbsdruck, mit niedrigen Anlernkosten oder angesichts eines ausreichenden Arbeitskräfteangebotes die Möglichkeit der Freisetzung von Arbeitskräften in Phasen des Nachfragerückgangs, um Lohnkosten zu sparen (Biffl, 1999). Wenn sich die Nachfrage wieder belebt, werden Arbeitskräfte aufgenommen, und zwar zu Lohnbedingungen, die der aktuellen relativen Angebots- und Nachfragesituation entsprechen. Ein relatives Überangebot von Arbeitskräften in einem Arbeitssegment hat dann z. B. eine Verringerung der Einstellungslöhne zur Folge. Der Anstieg des Angebotes ausländischer Arbeitskräfte Anfang der neunziger Jahre, der stärker ausfiel als die Nachfragesteigerung, übte in diesem Sinne einen Lohndruck auf typische Ausländertätigkeiten aus. Die in bestimmten Bereichen überdurchschnittliche Beschäftigungsfluktuation ist demnach ein Instrument zur raschen Lohnanpassung an geänderte relative Angebotsverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt. Um diesen Mechanismus zu verifizieren, wurde eine Lohnfunktion auf Basis der Longitudinaldaten geschätzt (Übersicht 4). Die Schätzgleichung weist einen hohen Erklärungswert für die Lohnstruktur der Beschäftigten auf, alle Koeffizienten sind statistisch hochsignifikant. Die Schätzung dokumentiert, dass die Löhne in erheblichem Maße von der Branchenzugehörigkeit und der damit verbundenen Beschäftigungsstabilität geprägt werden: Je höher die Arbeitsplatzfluktuation, desto geringer sind die Löhne. Mit zunehmender Betriebsgröße steigen die Löhne, ebenso mit steigendem Alter. Für Frauen sind die Löhne niedriger ­ ein Hinweis auf eine merkliche Geschlechtersegmentation der Beschäftigung. Ausländische Arbeitskräfte sind auf Branchen mit hoher Arbeitsplatzfluktuation konzentriert. Innerhalb dieser Branchen weisen sie in der Textil-, Leder- und BekleiÜbersicht 4: Lohnfunktion auf der Basis von Longitudinaldaten 1981/1999 b1 b2 b3 b4 b5 F-Test R R korr. 0,168 0,428 0,234 - 0,189 - 0,129 3.529,9 0,453 0,453 (35,555) (86,645) (49,070) (-40,335) (-26,859) w = c + b1 br + b2 r + b3 bg + b4 f + b5 b Q: Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, WIFO-Berechnungen. - w . . . Monatslohn ohne Sonderzahlungen, c . . . Konstante, br . . . Branchenzugehörigkeit (Niedrig-, Mittel- oder Hochlohnsegment), r . . . einjährige Weiterbeschäftigungsquote (retention rate), bg . . . Betriebsgröße, f . . . Geschlecht, b . . . Geburtsjahrgang. Kursive Zahlen in Klammer . . . y-Statistik. AUSLÄNDISCHE ARBEITSKRÄFTE dungsindustrie eine vergleichsweise hohe Beschäftigungsstabilität auf. Hier gehören sie meist zur Kernbelegschaft mit hohen Fachqualifikationen (Facharbeiter). STARKER VERDRÄNGUNGSWETTBEWERB UNTER AUSLÄNDISCHEN ARBEITSKRÄFTEN IN DEN FRÜHEN NEUNZIGER JAHREN Die rasche Ausweitung des Angebotes ausländischer Arbeitskräfte in den frühen neunziger Jahren hatte ein vorübergehendes Überangebot in bestimmten Arbeitsmarktsegmenten zur Folge. In diesen Bereichen verschärfte sich der Wettbewerb zwischen den Beschäftigten so, dass nicht nur der Lohndruck zunahm (dokumentiert durch die Ausweitung der Lohnunterschiede zwischen in- und ausländischen Arbeitskräften), sondern auch die Arbeitslosenquote der Ausländer. Die Arbeitslosenquote ausländischer Erwerbstätiger ist aufgrund einer Kombination von angebotsseitigen und nachfrageseitigen Strukturmerkmalen stets höher als die der inländischen, diese Schere öffnete sich in den frühen neunziger Jahren aber markant und über das von Struktur- und Konjunktureinflüssen gegebene Maß hinaus: Die Zahl der arbeitslosen ausländischen Hilfs- und Fachkräfte nahm schon 1989 abrupt zu, als das Wirtschaftswachstum noch an Dynamik gewann (Abbildung 7). Für die Entwicklung der Arbeitslosenquote ausländischer Arbeitskräfte zwischen 1981 und 1999 haben die Veränderung des Ausländeranteils an der Gesamtbeschäftigung und das BIP-Wachstum einen sehr hohen Erklärungswert (rund 72%). Dieser Regression zufolge (Übersicht 5) steigt die Ausländerarbeitslosenquote um 0,6 Prozentpunkte, wenn der Anteil der ausländischen 548 WIFOMONATSBERICHTE 8/2002 Arbeitskräfte an der Beschäftigung um 1 Prozentpunkt erhöht wird. Der positive Zusammenhang mit dem Wirtschaftswachstum in der Beobachtungsperiode ist statistisch insignifikant; er dokumentiert das Zusammentreffen eines Wachstumsschubs Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre mit dem Angebotsschub der Ausländer. Wenn man die Beobachtungsperiode auf die siebziger und achtziger Jahre einschränkt, ergibt sich ein deutlicher, statistisch signifikanter Rückgang der Arbeitslosenquote der Ausländer im Konjunkturaufschwung. Die Wirkungsweise einer Steigerung des Angebotes ausländischer Arbeitskräfte hängt nicht nur von den Nachfragebedingungen auf dem Gütermarkt ab, sondern auch von der Rolle, die eine bestimmte Ausländergruppe in einem Betrieb oder einer Branche spielt. Wenn inländische und ausländische Beschäftigte dieselben Tätigkeiten ausüben, sind sie potentiell austauschbar; bei Nachfrageschwankungen werden Angehörige der Kernbelegschaft oder Personen mit Kündigungsschutz (Inländerschutzgedanke im österreichischen Arbeitsrecht) weiterbeschäftigt und Randbelegschaften abgebaut. Im Fall einer neuerlichen Einstellung kann eine Lohnanpassung nach unten vorgenommen werden. Ausländische Arbeitskräfte sind in bestimmten Arbeitssegmenten aber auch komplementär zu inländischen, etwa in sehr spezialisierten Tätigkeiten im Hochlohnbereich (Banken und Versicherungen) ebenso wie im Niedriglohnbereich (Nachtschicht in der Textilbranche). Unter Bedingungen der Komplementarität tragen ausländische Arbeitskräfte zur Beschäftigungsstabilität, ja sogar zum Beschäftigungswachstum von Inländern bei. Beide Phänomene werden in vielen Branchen vorzufinden sein, was eine gewisse Behutsamkeit und Rationalität in der Formulierung der Migrationspolitik nahe legt. ZUSAMMENFASSUNG UND SCHLUSS- FOLGERUNGEN Die Zuwanderung nach Österreich hat in den letzten 20 Jahren nicht nur an Dynamik gewonnen, sondern auch einen tiefgreifenden Wandel durchlaufen. Einerseits strömten verstärkt Flüchtlinge, Asylwerber und Familienangehörige von ausländischen Arbeitskräften Abbildung 7: Entwicklung der Arbeitslosigkeit von in- und ausländischen Hilfs- und Fachkräften Jahresdurchschnitt Q: AMS. Übersicht 5: Schätzfunktion für die Arbeitslosenquote der Ausländer auf Basis makroökonomischer Daten 1981/1999 c b1 b2 F-Test R 2,315 0,606 0,260 20,835 0,723 (3,034) (6,093) (1,498) u = c + b1 a + b2 y Q: WIFO-Datenbank, WIFO-Berechnungen. - u . . . Arbeitslosenquote ausländischer Arbeitskräfte, c . . . Konstante, a . . . Anteil ausländischer Arbeitskräfte an der unselbständigen Beschäftigung, y . . . Wirtschaftswachstum (BIP real zu Preisen von 1983). Kursive Zahlen in Klammer . . . y-Statistik. AUSLÄNDISCHE ARBEITSKRÄFTE WIFO 549MONATSBERICHTE 8/2002 nach Österreich, andererseits belebten Österreichs EUBeitritt und die Ostöffnung die Zuwanderungsdynamik aus diesen Regionen. Österreich war in seinen Bemühungen, in den neunziger Jahren verstärkt hochqualifizierte Arbeitskräfte (,,Schlüsselarbeitskräfte") mit dem Zweck der Niederlassung ins Land zu holen, nicht erfolgreich. Hochqualifizierte Arbeitskräfte kommen in hohem Maße aus der EU, zum Teil aus den MOEL, und bleiben häufig nur vorübergehend, während die traditionellen Zuwandergruppen und Flüchtlinge sich überwiegend in Österreich niederlassen. Der große Zustrom ausländischer Arbeitskräfte Ende der achtziger und in den frühen neunziger Jahren löste nicht nur einen Verdrängungswettbewerb zwischen den Qualifikationen aus (dokumentiert durch einen überdurchschnittlichen Anstieg der Arbeitslosenquote von Hilfskräften), sondern auch eine Verringerung der Löhne ausländischer relativ zu inländischen Beschäftigten. In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre stabilisierten sich im Zusammenhang mit einer restriktiven Zuwanderungspolitik und einer Förderung der Integration von längerfristig in Österreich anwesenden Ausländern die Löhne ausländischer Arbeitskräfte relativ zu denen inländischer auf dem Niveau der zweiten Hälfte der achtziger Jahre. Mittel- bis längerfristig dürfte der hohe Anteil von ausländischen Jugendlichen ohne Pflichtschulabschluss problematisch sein: eine Folge der Versetzung einer großen Zahl von Jugendlichen, die im Zuge der Familienzusammenführung nach Österreich kamen, in Sonderschulen. Nur gezielte Fördermaßnahmen, die das Nachholen eines Pflichtschulabschlusses zum Ziel haben, können einer Ausgrenzung dieser Jugendlichen vom Arbeitsmarkt und der Gesellschaft entgegenwirken. LITERATURHINWEISE Biffl, G., ,,Der Strukturwandel der Ausländerbeschäftigung in Österreich", in Wimmer, H. (Hrsg.), Ausländische Arbeitskräfte in Österreich, Campus Verlag, Frankfurt­New York, 1986. 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Biffl, G., Hanika, A., ,,Langfristige Prognose des Arbeitskräfteangebotes. Vorausschätzung 1996/2030 und Modellrechnung bis 2050 nach Bundesländern", WIFO-Monatsberichte, 1998, 71(6). ÖPWZ, Vergleich der Einstellungsgehälter für Schul- und Universitätsabsolventen 2000, Wien, 2000. Pollan, W., ,,Lohnentwicklung in der Bauwirtschaft ­ Flexible Löhne in einem geschützten Sektor", WIFO-Monatsberichte, 1982, 55(1), S. 12-21. In the last 20 years immigration to Austria has not only gained momentum but has also undergone significant structural change. On the one hand refugees, asylum seekers and family members of foreign residents entered in increasing numbers, on the other rising migration flows resulted from Austria's membership to the EU and the opening up of Central and Eastern European Countries (CEECs). Austria has not succeeded to attract large numbers of highly skilled migrants for settlement in Austria, in spite of an explicit immigration policy reorientation in the 1990s. Highly skilled workers tend to come from the European Economic Area and, to a lesser extent, from CEECs. They tend to be temporary residents in Austria, contrary to migrants from the traditional source regions in South-East Europe and Turkey and of refugees, who tend to settle in Austria. The marked inflow of migrants towards the end of the 1980s and in the early 1990s has raised competition between low skilled workers, documented by an above average rise in the unemployment rate of labourers and an opening up of the wage gap between foreign and indigenous workers. In the wake of a restrictive immigration policy the wage gap declined again in the second half of the 1990s to levels typical for the 1980s. The high proportion of foreign youth without schoolleaving certificates, a result of the transfer of substantial numbers of children of migrants from the regular school system to special needs schools in the wake of massive refugee inflows and family reunion in the early 1990s, is promising to be a challenge for labour market integration in the medium to long term. Special labour market policy measures will have to be put in place to allow migrant youth and adults to acquire school-leaving certificates and vocational skills which will enhance their chances to find social and labour market integration. Foreign Workers and the Austrian Labour Market ­ Summary AUSLÄNDISCHE ARBEITSKRÄFTE Pollan, W., ,,Political Exchange in Austria's Collective Bargaining System: The Role of the Nationalized Industries", in Sverke, M. (Hrsg.), The Future of Trade Unionism. International Perspectives on Emerging Union Structures, Ashgate Publ. Ltd, Aldershot, 1997. 550 WIFOMONATSBERICHTE 8/2002 Veneri, C. 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