ERLÄUTERUNGEN ZUR TERMINOLOGIE: Metaphern Seit Aristoteles' Zeiten hat eine Figur der sog. “tropischen Substitution” - die Ersetzung eines ‚eigentlichen‘ Ausdrucks durch einen ,uneigentlichen‘ (einen ,Tropus‘) - alle rhetorikreformierenden Stürme überstanden: die Metapher. Nach wie vor gilt sie als die wichtigste ,uneigentliche‘ Figur. Zur besseren Orientierung bieten wir hier eine differenzierende Typologie der Metapher an und exemplifizieren sie an Varianten des Satzes: “Bei den Universitäten von heute sind die Gebäude genauso langweilig wie das Studium.” Metapher [griech. metaphora: Übertragung] : Auseinanderklaffen von Äußerungsbedeutung und Wort- bzw. Satzbedeutung bei der Verwendung eines Ausdrucks in einem konterdeterminierenden Kontext (Verstoß gegen semantische Kombinationsregeln, die bei normgerechter Sprachverwendung gelten), wodurch zugleich die Möglichkeit zu oft überraschenden Äquivalenzbeziehungen zwischen dem metaphorischen Ausdruck und anderen semantischen Bereichen eröffnet wird. Diese anderen semantischen Bereiche werden durch die Textumgebung, ersatzweise auch durch den situativen Kontext bestimmt (“Du bist ein Esel”). Je nach Analyseperspektive lassen sich vielfältige Typen der Metapher unterscheiden. Verbalmetapher: Typ der Metapher, bei dem ein verbaler ‚eigentlichen‘ Ausdruck durch ein metaphorisch gebrauchtes Verb ersetzt wird. Beispiel: Gemartert wird der heutige Student durch langweilige Uni-Gebäude wie durch langweilige Studien. Metaphorische Ersetzung: Typ der Nominalmetapher, bei dem ein nominaler ‚eigentlichen‘ Ausdruck durch eine Metapher variierend ersetzt wird. Beispiel: Die Universitäten von heute sehen nicht nur langweilig aus; diese Geistestempel bieten auch kein interessantes Studium. Metaphorische Prädikation: Typ der definitorischen Metapher, bei dem ein ‚eigentlichen‘ Subjekt-Ausdruck A durch Kopula mit dem metaphorischen Ausdruck B verbunden wird. Die Kühnheit der Prädikation kann durch die Verwendung von Verben wie ‚scheinen‘, ‚bedeuten‘ oder ‚genannt werden‘ statt der Kopula ‚sein‘ gemildert werden. Beispiel: Die Universitäten von heute sind puritanische Gebetshäuser: langweilig bis unter das Dach. Genitivmetapher: Genitivische Konstruktion des metaphorischen Ausdrucks, und zwar als (a) explikativer Genitiv (Identität von B und C) oder als (b) possessiver Genitiv (B zugehörig zu C). Beispiel: (a) Das Schneckenhaus der Wissenschaft sieht heutzutage so langweilig aus wie sein Inhalt. (b) Die Brunftplätze[1] der Musen wirken heutzutage von außen so langweilig wie von innen. Verblasste Metapher: Metaphorischer Ausdruck, der einen so hohen Grad an Verwendungsgeläufigkeit erreicht hat, daß sein metaphorischer Charakter in alltäglicher Sprachverwendung nicht auffällt und unzweideutig verstanden wird. Er ist lexikalisiert und verzeichnet feste ‚lexikalische Solidaritäten‘. Beispiel: In den öden Universitätsgebäuden von heute kann der Wissensdurst von Studierenden kaum gestillt werden. Kühne Metapher: Metaphorischer Ausdruck, der sich durch die Vereinigung entlegener bzw. gesucht spezieller Bildbereiche als neuartig, dunkel und gewagt auszeichnet. Beispiel: Die Ausdünstungen der Hochschulbauer und der Stuhlgang der Kultusminister charakterisieren die Universitäten von heute. Pathetische Metapher: Metaphorischer Ausdruck, der z.B. durch eine mit starken emotionalen Konnotationen behaftete Wortwahl auf hoher Stilebene oder auch durch archaisierende syntaktische Konstruktion peinlich oder unangemessen hochtrabend erscheint - nach Maßgabe kulturell vermittelter Adäquatheitskriterien. Kulturell vermittelte Angemessenheitskriterien sind ähnlich auch für die (b) Schwülstige Metapher und die (c) Witzige Metapher ausschlaggebend. Beispiel: (a) Der Olymp des reinen Geistes ward längst schon außen platt und innen hohl. (b) Der Musen holder Liebestempel - wohin sind die Wonnestunden seiner Belehrung, wohin die lieblichen Reize seiner Baukunst entschwunden? (c) Die Unis von heute halten leider, was schon ihr Anblick verspricht. Konkretisierung des Abstrakten: Metaphorischer Ausdruck, der einem Abstraktum die Semantik eines konkreten Gegenstandes zuordnet. Beispiel: An den Universitäten von heute tragen Bauten und Studien wollene Unterhosen. Belebung des Unbelebten: Metaphorischer Ausdruck, der einem unbelebten Gegenstand die Semantik von Belebtem zuordnet, ihn ,animiert'. Beispiel: Gähnend reißen die Universitäten die Mäuler auf, um genormte Studenten zu verdauen und als grauen Schleim wieder auszuscheiden. Anthropomorphisierung [griech. anthropos: Mensch] : Spezialfall der Belebung, bei dem einem unbelebten oder tierischen/ pflanzlichen Gegenstand menschliche Züge verliehen werden. Beispiel: Die Universitäten von heute lächeln nicht mehr - weder ihre Bauten noch ihre Studienordnungen. Synästhesie [griech. synaisthesis: Zusammen-Wahrnehmung] : Metaphorischer Ausdruck, der die Wahrnehmungsbereiche verschiedener Sinnesorgane verbindet, und zwar (a) visuell-akustisch: Farben hören, Töne sehen; (b) visuell-taktil: Helligkeit anfassen, vom Licht geküsst werden; (c) visuell-olfaktorisch: Dunkelheit riechen, Gestank sehen; (d) akustisch-taktil: Töne streicheln; (e) akustisch-geschmacklich: Musik kosten. (Es handelt sich hier lediglich um einige wichtige Kombinationen; andere können leicht selbst zusammengestellt werden.) Beispiel: Heutige Universitätsgebäude gleichen den Lehrveranstaltungen: beide riechen grau und kalt. (bildgleicher) Metaphernkomplex [auch “compound metaphor"] : Verbindung mehrerer, jedoch mindestens zweier metaphorischer Ausdrücke aus einem Bildbereich (,Isotopie‘). (In älteren Handbüchern wird hierfür gelegentlich und leicht irreführend auch der Ausdruck “Allegorie” benutzt.) Beispiel: Der Zahn der Zeit nagt an deinem Leben, und selbst wenn er sich als kariös herausstellen sollte, dürfte er dich kleines Würstchen allemal zerkleinern. Katachrese [griech. katachresis: Mißbrauch] : Verbindung mehrerer, jedoch mindestens zweier metaphorischer Ausdrücke aus unvereinbaren Bildbereichen - als (a) ungewollte Stilblüte oder als (b) gewollter komischer Effekt. Beispiel: (a) Der Zahn der Zeit, der schon so manche Träne getrocknet hat, wird auch über diese Wunde Gras wachsen lassen. (b) Gnädige Frau, dieser Herr ist aus jenem Holze, aus dem man Waschlappen schnitzt. Personifikation: Spezialfall der Anthropomorphisierung: Punktuelle Darstellung abstrakter Begriffe (Welt, Liebe), von Kollektiva (Städte, Länder), von Naturerscheinungen oder Ereignissen (Regen, Neujahr) als redende und handelnde menschliche Gestalten. Beispiel: Die Revolution frißt ihre Kinder. Allegorie [griech. allo agoreuein: etwas anders sagen] : Flächendeckende Ausdehnung einer Personifikation über einen ganzen Text oder zumindest einen ganzen Textabschnitt hinweg; globale Ersetzung eines primären Sinnzusammenhanges durch einen analogen, episch fiktionalen sekundären Sinnzusammenhang. Unterschieden wird zwischen der allegoria tota, die dem Primärzusammenhang einen geschlossenen Sekundärzusammenhang entgegenstellt, und der allegoria permixta, in der die sekundäre Sinnebene durch Verweise auf die primäre Sinnebene durchbrochen wird. Beispiel: Die Liebe ging auf dunkler Bahn Vom Monde nur erblickt, Das Schattenreich war aufgetan Und seltsam aufgeschmückt. Symbol [griech. symbolon: Zusammengeworfenes, Kennzeichen] : Real vorhandenes (also nicht, wie bei Allegorie oder Chiffre, erst ad hoc konstruiertes) Sinnbild für einen gemeinten Bereich, das in einem (a) naturhaften oder (b) kulturell vermittelten Verweisungsverhältnis zum Gemeinten steht. Beispiel: (a) Es war die Nachtigall und nicht die Lerche, (statt: Es ist noch (Liebes-) Nacht, nicht schon (trennender) Morgen.) (b)Gewogen, gewogen und zu leicht befunden, (statt: Auf Gerechtigkeit geprüft und für ungerecht befunden.) Chiffre [frz.: Ziffer, Geheimzeichen] : Typ des uneigentlichen Wortgebrauchs, bei dem ein Ausdruck und ein konterdeterminierender Kontext autorspezifisch so miteinander verbunden sind, daß ohne Hintergrundinformationen zwischen dem ‚uneigentlichen‘Ausdruck und einem ‚eigentlich‘gemeinten Bereich allein in einem Einzeltext keine hinreichend klaren Äquivalenzbeziehungen hergestellt werden können (,Analogiedefekt'). Manche Kommentatoren sprechen in solchen Fällen, nicht ganz unproblematisch, auch von “absoluter Metapher". Beispiel: Diese Musik, ein Sternträger schwieliger Schwärze, wird uns noch lange verfolgen. (vgl. “Engel" bei Rilke; “blau" bei Lasker-Schüler.) Emblem [griech. emblema: das Eingesetzte; Mosaik- oder Intarsienarbeit] : Textsorte, die Bild und Text verbindet. Das Emblem ist dreiteilig und setzt sich zusammen aus: (1) Pictura (allegorische Bilddarstellung, die Motive aus der Natur, der Mythologie oder der Geschichte aufnimmt); (2) Inscriptio (Titel – häufig ein prägnantes ,Klassikerzitat ‘ – über dem Bild); (3)Subscriptio (poetische Erläuterung des im Bild allegorisch dargestellten Sinnes, der sich auf moralische, religiöse, erotische, politische Themen beziehen kann oder eine allgemeine Lebensweisheit enthält). Beispiel: 1649 Johann Vogel Fiunt, quae posse negabas. Posse negas an adhuc per acum transire camelum? Germanam pacem quando redire vides. Was du nit glaubtest / das geschiht. Wie? sol nicht ein Camel durch eine Nadel gehn? Wann du den Teütschen Fried jetzt wider sihst entstehn. [aus: Epochen der deutschen Lyrik, Bd.4, hrsg. v. Chr. Wagenknecht, München 1969, S. 171.] ERLÄUTERUNGEN ZUR TERMINOLOGIE: Figuren der Indirektheit Nicht jeder, der indirekt spricht, redet auch uneigentlich (und umgekehrt), und oft hängt die Unterscheidung von eigentlicher Rede und uneigentlicher Rede am seidenen Faden eines einzigen Wortes. Der ‚ Vergleich‘ ist hierfür ein guter Testfall. Vergleich [i. S. bildlich überzogener ,Tropen‘] : Syntaktische Verbindung einer eigentlichen Prädikation mit einer zweiten – häufig (a) nach der Basisformel: “x ist so p wie y”. ,Uneigentlich‘ wird der Vergleich u.a. dann, wenn (b) die Basisformel ohne explizites ,tertium comparationis' vorliegt. Beispiel: (a) Eine Frau ohne Mann ist so komplett wie ein Fisch ohne Fahrrad. (b) Eine Frau ohne Mann ist wie ein Fisch ohne Fahrrad. Periphrase [griech. periphrasis: Umschreibung; ,Drumherumreden‘ – nicht zu verwechseln mit “Paraphrase"] : Ersetzung der unerwünschten unmittelbaren Bezeichnung durch eine um-schreibende, die in der Regel zur Amplifikation (von lat. amplificatio Ausweitung, amplus weit) des Textes führt. Beispiel: das Geheimnis der Liebeserfüllung (statt: Koitus) Synekdoche [griech. (Betonung auf langem Schlußvokal): Mitverstehen; häufig mit unter die Metonymien gerechnet] : Bei der (a) generalisierenden Synekdoche wird ein semantisch engerer Ausdruck durch einen semantisch umfassenderen Ausdruck ersetzt, der jenen repräsentiert. Bei der (b) partikularisierenden Synekdoche wird ein semantisch weiterer Ausdruck durch einen semantisch engeren ersetzt, der jenen repräsentiert (,pars pro toto‘). Beispiel: (a) Amerika gewann den Leichtathletik-Länderkampf (statt: die Mannschaft der USA). (b) Ich kehre an den heimischen Herd zurück (statt: in mein Heim). METONYMIE [griech.: Umbenennung] : Ersetzung des eigentlich gemeinten Ausdrucks durch einen, der in einer ,realen Beziehung‘ zu ihm steht. Diese Beziehung läßt sich nach Substitu-tionstypen ordnen: (a) Ursache statt Wirkung: 1. Erzeuger statt Erzeugnis (einen Ford kaufen); 2. Autor statt Werk (Brecht lesen); 3. Gottheit statt Funktionsbereich (der Venus huldigen); 4. Rohstoff statt Fertigprodukt (Holz statt Kegel). (b) Raum statt Rauminhalt: 1.Ort statt Bewohner (ganz Fribourg steht kopf); 2. Gefäß statt Inhalt (ein Glas trinken); 3. Körperteil statt Eigenschaft (Köpfchen haben). (c) Objekt statt komplexem Sachverhalt: das Buch verlängern (statt: die Leihfrist) Antonomasie [griech.: Gegenbenennung] : Wechselseitige Ersetzung von Namen und Begriffen: (a) Umschreibung eines Eigennamens durch besondere Merkmale, z.B.: 1. nach dem Namen des Vaters: der Atride = Agamemnon, Sohn des Atreus; 2. nach der Volkszugehörigkeit: der Korse = Napoleon; 3. nach der Tätigkeit: philosophus = Aristoteles; 4. nach Eigenschaften: die Göttliche = Greta Garbo; 5. Rückübersetzung eines Eigennamens: mein Pferdefreund = Philipp. (b) Umschreibung eines Merkmals durch den Eigennamen eines seiner typischen Vertreter, z. B.: 1. Pampers für Höschenwindeln aller Marken 2. ein Judas für Verräter 3. die kleinen Hitler für Naziverbrecher. ERLÄUTERUNGEN ZUR TERMINOLOGIE: Syntax-Figuren Asyndeton [griech.: Unverbundenheit] : Reihung von mindestens drei syntaktisch gleichartigen Elementen ohne koordinierende Konjunktionen. Beispiel: Er liebt Wurst, Käse, Wein, Weib, Gesang. Polysyndeton [griech.: vielfach Verbundenes] : Reihung von mindestens drei syntaktisch parallelen Elementen, die durch gleichlautende Konjunktionen miteinander verbunden sind. Beispiel: Es donnert und regnet und stürmt und schneit. Aposiopese [griech. aposiopesis: Verstummen] : Abbruch der Rede vor der entscheidenden Aussage. Beispiel: Was, ich soll...? (aus dem Kontext zu ergänzen z.B. “meine Erbtante vergiftet haben?"). Anakoluth [griech. an-akoluthos: nicht folgerichtig] Grammatisch konstruktionswidrige Satzfortführung. Beipiel: Es geschieht oft, daß, je freundlicher man ist, nur Undank wird einem zuteil. Zeugma [griech.: Zusammengefügtes, Joch] : Zuordnung eines Satzgliedes zu zwei (a) syntaktisch oder auch (b) semantisch inkongruenten Satzteilen. (Für (a) findet man z.T. auch den Ausdruck “Syllepse".) Beispiel: (a) Josefine hatte den Schnupfen und ihre Schwestern [hatten] den Husten. (b) Josefine ging ins Kloster und dort zu weit. Tmesis [griech.: Zerschneidung] Sperrung zusammenhängender Wortteile. Beipiel: Ja was denn nun - ent oder weder? Hyperbaton [griech.: Umgestelltes, Sperrung] : Trennung syntaktisch eng zusammengehöriger Satzglieder oder Gliedsätze durch eingeschobene Satzteile. Beispiel: Schön ist im Mondenscheine und sanft die Ruh. Prolepse [griech.: Vorwegnahme] : Konstruktionskonforme Wiederaufnahme des Satzanfanges. Beispiel: Die Feuerwehr, mit großem Lärm kommt sie daher. Ellipse: Auslassung mindestens eines (zum Verständnis nicht unbedingt nötigen, aber in vollständiger schriftstprachlicher Syntax erforderlichen) Satzgliedes. Beispiel: (am Telefon) “Hier Müller”. Rhetorische Frage: Auseinanderklaffen von Äußerungsfunktion und Satzform: in grammatischer Form der Frage wird eine Behauptung vorgetragen. Die ‚Antwort‘ auf die (Schein)Frage ist (a) durch verbale Signale oder (b) durch den Kontext vorweggenommen. Beispiel: (a) Liebe Gemeinde, sind wir nicht alle Sünder? (b) Sind wir Weiber, dass wir so handeln? Exclamatio: Emphatischer Ausruf. Beispiel: Dass ich zu ewger Nacht versinken könnte![2] ________________________________ [1] Brunft: (Jägerspr.): Brunst (bes. des Schalenwildes), Zeit der Paarung [2] Alkmene in Heinrich Kleists "Amphitryon"