HvK: KvH Erste Szene A. Kleist: THEOBALD FRIEDEBORN Hätte er, auf den ich klage, sich bei mir ausrüsten lassen – setzet in Silber, von Kopf bis zu Fuß, oder [126] in schwarzen Stahl, Schienen, Schnallen und Ringe von Gold; und hätte nachher, wenn ich gesprochen: Herr, bezahlt mich! geantwortet: Theobald! Was willst du? Ich bin dir nichts schuldig; oder wäre er vor die Schranken meiner Obrigkeit getreten, und hätte meine Ehre, mit der Zunge der Schlangen – oder wäre er aus dem Dunkel mitternächtlicher Wälder herausgebrochen und hätte mein Leben, mit Schwert und Dolch, angegriffen: so wahr mir Gott helfe! ich glaube, ich hätte nicht vor euch geklagt. Ich erlitt, in dreiundfunfzig Jahren, da ich lebe, so viel Unrecht, daß meiner Seele Gefühl nun gegen seinen Stachel wie gepanzert ist; und während ich Waffen schmiede, für andere, die die Mücken stechen, sag ich selbst zum Skorpion: fort mit dir! und laß ihn fahren. Friedrich, Graf Wetter vom Strahl, hat mir mein Kind verführt, meine Katharine. Nehmt ihn, ihr irdischen Schergen Gottes, und überliefert ihn allen geharnischten Scharen, die an den Pforten der Hölle stehen und ihre glutroten Spieße schwenken: ich klage ihn schändlicher Zauberei, aller Künste der schwarzen Nacht und der Verbrüderung mit dem Satan an! Meisl Urian hätte jener Ritter keine meiner Rechnungen bezahlt, wäre er mir mit zehn neuen Rüstungen als ein fahrender Ritter abgefahren, ich hätt kein Wort g'sagt und hätt als ein billig denkender Handwerksmann den Schaden bei anderen Kundschaften hereingebracht. Aber dieser Julius Wetter, der eigentlich Aprilwetter heißen sollt, hat mehr getan – meiner Tochter hat er den Kopf verrückt, meiner Kathi. - Drum klag ich ihn der Zauberei, der Gift- und anderer Mischerei an. B Kleist GRAF OTTO. Meister Theobald von Heilbronn! Erwäge wohl, was du sagst. Du bringst vor, der Graf vom Strahl, uns vielfältig und von guter Hand bekannt, habe dir dein Kind verführt. Du klagst ihn, hoff ich, der Zauberei nicht an, weil er deines Kindes Herz von dir abwendig gemacht? Weil er ein Mädchen, voll rascher Einbildungen, mit einer Frage, wer sie sei? oder wohl gar mit dem bloßen Schein seiner roten Wangen, unter dem Helmsturz hervorglühend, oder mit irgendeiner andern Kunst des hellen Mittags, ausgeübt auf jedem Jahrmarkt, für sich gewonnen hat? Meisl Meister Urian, bedenkt, was Ihr sprecht – Ritter Donnerwetter ist uns zwar als ein Vokativus[1] bekannt, doch sagt, welcher Künste hat er sich bedient, Eurer Tochter Verstand zu verwirren? C Kleist Theobald Seit jenem Tage folgt sie ihm nun, gleich einer Metze[Neznámý a1] , in blinder Ergebung, von Ort zu Ort; geführt am Strahl seines Angesichts, fünfdrähtig, wie einen Tau, um ihre Seele gelegt; auf nackten, jedem Kiesel ausgesetzten, Füßen, das kurze Röckchen, das ihre Hüfte deckt, im Winde flatternd, nichts als den Strohhut auf, sie gegen der Sonne Stich, oder den Grimm empörter Witterung zu schützen. Wohin sein Fuß, im Lauf seiner Abenteuer, sich wendet: durch den Dampf der Klüfte, durch die Wüste, die der Mittag versengt, durch die Nacht verwachsener Wälder: wie ein Hund, der von seines Herren Schweiß gekostet, schreitet sie hinter ihm her; und die gewohnt war, auf weichen Kissen zu ruhen, und das Knötlein spürte, in des Bettuchs Faden, das ihre Hand unachtsam darin eingesponnen hatte: die liegt jetzt, einer Magd gleich, in seinen Ställen, und sinkt, wenn die Nacht kömmt, ermüdet auf die Streu nieder, die seinen stolzen Rossen untergeworfen wird. DER GRAF VOM STRAHL. Wahr ist's, ihr Herren; sie geht auf der Spur, die hinter mir zurückbleibt. Wenn ich mich umsehe, erblick ich zwei Dinge: meinen Schatten und sie. Meisl und sie ist ihm zum Fenster hinaus nach – seit dieser Zeit leid't sie am Wechselfieber – wann ich ihr heut einen Taler schenk, hat sie morgen höchstens noch ein kleines Geld übrig – sie zieht ihm überall nach, wie ein aufgegangenes Schuhbandl - und sie, die zart erzogene Schmiedtochter, die schon in der Wiege geschrien hat wenn ein Falterl im Polster war, schlaft jetzt auf Heuböden – in Stadeln und Ställen. DONNERWETTER. Allemal. Sie zieht mir nach wie der Schlepp einer Dame - wenn ich mich umschau und es scheint die Sonn, so seh ich allemal sie und meinen Schatten. Zweite Szene D. Kleist KÄTHCHEN. Du stießest mich mit Füßen von dir. DER GRAF VOM STRAHL. Mit Füßen? Nein! Das tu ich keinem Hund. Warum? Weshalb? Was hattst du mir getan? KÄTHCHEN. Weil ich dem Vater, der voll Huld und Güte, Gekommen war, mit Pferden, mich zu holen, Den Rücken, voller Schrecken, wendete, Und mit der Bitte, mich vor ihm zu schützen, Im Staub vor dir bewußtlos nieder sank. DER GRAF VOM STRAHL. Da hätt ich dich mit Füßen weggestoßen? KÄTHCHEN. Ja, mein verehrter Herr. DER GRAF VOM STRAHL. Ei, Possen, was! Das war nur Schelmerei, des Vaters wegen. Du bliebst doch nach wie vor im Schoß zu Strahl. KÄTHCHEN. Nein, mein verehrter Herr. DER GRAF VOM STRAHL. Nicht? Wo auch sonst? KÄTHCHEN. Als du die Peitsche, flammenden Gesichts, Herab vom Riegel nahmst, ging ich hinaus, Vor das bemooste Tor, und lagerte Mich draußen, am zerfallnen Mauernring Wo in süßduftenden Holunderbüschen Ein Zeisig zwitschernd sich das Nest gebaut. Meisl KATHI. Ein Bratel ist besser Als trockener Sterz, Drum liebt auch den Schmied nicht Mein ritterlich's Herz. Denn krieg ich ein' Ritter, Bleibt fern mir der Kneip, So wer ich eine Frau von - Mit 'm Schmied nur ein Weib. Dritte Szene E. Kleist es fehlt Meisl GOTTSCHALK heutzutag wird man nicht einmal öffentlich mehr ausgericht't, sogar heimlich muß man sich richten lassen. Vierte Szene F. Kleist DER GRAF VOM STRAHL. Es ist nicht möglich! Fräulein Kunigunde – FLAMMBERG Der Rheingraf fordert, im Namen Fräulein Kunigundens von Thurneck, den Wiederkauf Eurer Herrschaft Stauffen; jener drei Städtlein und siebzehn Dörfer und Vorwerker, Eurem Vorfahren Otto, von Peter, dem ihrigen, unter der besagten Klausel, käuflich abgetreten; gradeso, wie dies der Burggraf von Freiburg, und, in früheren Zeiten schon ihre Vettern, in ihrem Namen getan haben. DER GRAF VOM STRAHL steht auf. Die rasende Megäre! Ist das nicht der dritte Reichsritter, den sie mir, einem Hund gleich, auf den Hals hetzt, um mir diese Landschaft abzujagen! Ich glaube, das ganze Reich frißt ihr aus der Hand. Kleopatra fand einen, und als der sich den Kopf zerschellt hatte, scheuten die anderen; doch ihr dient alles, was eine Rippe weniger hat, als sie, und für jeden einzelnen, den ich ihr zerzaust zurücksende, stehn zehen andere wider mich auf – Was führt' er für Gründe an? Meisl FLAMBERG. Schlimme Kunde. Kunigunde von Thurneck, der du zweihundert Goldgulden seit sechs Monaten schuldig bist, hat alle Ritter des Landes aufgeboten, um das Geld mit bewaffneter Hand von dir einzutreiben. Deine Mutter fürchtet umzingelt zu werden, drum ruft sie dich zur Ver- teidigung der Feste. DONNERWETTER. Fremdes Eigentum soll ich verteidigen? Hat die Mutter vergessen, daß kein Stein mehr uns gehört? … DONNERWETTER. Lebt die dumme Gundel noch immer in der Einbildung, ich hätte die 200 Gulden geborgt, um sie zu rückzuzahlen? (Zieht sein Schwert.) Mein Schwert soll sie von dieser Einbildung heilen - auf zum Kampf - ich lös den Schuldschein mit Interessen ein, allen Gläubigern zum warnenden Beispiel. ________________________________ [1] Ein Mensch, der anders handelt. als er sichs merken lässt, und sich dabei klug benimmt. Fugativus, Schelm, Schalk, loser Vogel. Heigelin, 1838. ________________________________ [Neznámý a1]Kosef. der w. Vorn. Mechthild, Mathilde] (veraltet): Prostituierte.