Else Lasker-Schüler Georg Trakl Georg Trakl erlag im Krieg von eigener Hand gefällt. So einsam war es in der Welt. Ich hatt ihn lieb. Georg Trakl Rondel Verflossen ist das Gold der Tage, Des Abends braun und blaue Farben: Des Hirten sanfte Flöten starben Des Abends blau und braune Farben Verflossen ist das Gold der Tage. Georg Trakl Verfall Am Abend, wenn die Glocken Frieden läuten, Folg ich der Vögel wundervollen Flügen, Die lang geschart, gleich frommen Pilgerzügen, Entschwinden in den herbstlich klaren Weiten. Hinwandelnd durch den dämmervollen Garten Träum ich nach ihren helleren Geschicken Und fühl der Stunden Weiser kaum mehr rücken. So folg ich über Wolken ihren Fahrten. Da macht ein Hauch mich von Verfall erzittern. Die Amsel klagt in den entlaubten Zweigen. Es schwankt der rote Wein an rostigen Gittern, Indes wie blasser Kinder Todesreigen Um dunkle Brunnenränder, die verwittern, Im Wind sich fröstelnd blaue Astern neigen. Gottfried Benn Kleine Aster Ein ersoffener Bierfahrer wurde auf den Tisch gestemmt. Irgendeiner hatte ihm eine dunkelhellila Aster zwischen die Zähne geklemmt. Als ich von der Brust aus unter der Haut mit einem langen Messer Zunge und Gaumen herausschnitt, muß ich sie angestoßen haben, denn sie glitt in das nebenliegende Gehirn. Ich packte sie ihm in die Brusthöhle zwischen die Holzwolle, als man zunähte. Trinke dich satt in deiner Vase! Ruhe sanft, kleine Aster! Gottfried Benn D-ZUG Braun wie Kognak. Braun wie Laub. Rotbraun. Malaiengelb. D-Zug Berlin-Trelleborg und die Ostseebäder. Fleisch, das nackt ging. Bis in den Mund gebräunt vom Meer. Reif gesenkt, zu griechischem Glück. In Sichel-Sehnsucht: wie weit der Sommer ist! Vorletzter Tag des neunten Monats schon! Stoppel und letzte Mandel lechzt in uns. Entfaltungen, das Blut, die Müdigkeiten, die Georginennähe macht uns wirr. Männerbraun stürzt sich auf Frauenbraun: Eine Frau ist etwas für eine Nacht. Und wenn es schön war, noch für die nächste! Oh! Und dann wieder dies Bei-sich-selbst-Sein! Diese Stummheiten! Dies Getriebenwerden! Eine Frau ist etwas mit Geruch. Unsägliches! Stirb hin! Resede. Darin ist Süden, Hirt und Meer. An jedem Abhang lehnt ein Glück. Frauenhellbraun taumelt an Männerdunkelbraun: Halte mich! Du, ich falle! Ich bin im Nacken so müde. Oh, dieser fiebernde süße letzte Geruch aus den Gärten. Ernst Stadler Fahrt über die Kölner Rheinbrücke bei Nacht Der Schnellzug tastet sich und stößt die Dunkelheit entlang. Kein Stern will vor. Die ganze Welt ist nur ein enger, nachtumschienter Minengang, Darein zuweilen Förderstellen blauen Lichtes jähe Horizonte reißen: Feuerkreis Von Kugellampen, Dächern, Schloten, dampfend, strömend . . nur sekundenweis . . Und wieder alles schwarz. Als führen wir ins Eingeweid der Nacht zur Schicht. Nun taumeln Lichter her . . verirrt, trostlos vereinsamt . . mehr . . und sammeln sich . . und werden dicht. Gerippe grauer Häuserfronten liegen bloß, im Zwielicht bleichend, tot – etwas muß kommen . . o, ich fühl es schwer Im Hirn. Eine Beklemmung singt im Blut. Dann dröhnt der Boden plötzlich wie ein Meer: Wir fliegen, aufgehoben, königlich durch nachtentrissne Luft, hoch übern Strom. O Biegung der Millionen Lichter, stumme Wacht, Vor deren blitzender Parade schwer die Wasser abwärts rollen. Endloses Spalier, zum Gruß gestellt bei Nacht! Wie Fackeln stürmend! Freudiges! Salut von Schiffen über blauer See! Bestirntes Fest! Wimmelnd, mit hellen Augen hingedrängt! Bis wo die Stadt mit letzten Häusern ihren Gast entläßt. Und dann die langen Einsamkeiten. Nackte Ufer. Stille. Nacht. Besinnung. Einkehr. Kommunion. Und Glut und Drang Zum Letzten, Segnenden. Zum Zeugungsfest. Zur Wollust. Zum Gebet. Zum Meer. Zum Untergang. Gottfried Benn Cocain Den Ich-zerfall, den süßen, tiefersehnten, Den gibst Du mir: schon ist die Kehle rauh, Schon ist der fremde Klang an unerwähnten Gebilden meines Ichs am Unterbau. Nicht mehr am Schwerte, das der Mutter Scheide Entsprang, um da und dort ein Werk zu tun Und stählern schlägt --: gesunken in die Heide, Wo Hügel kaum enthüllter Formen ruhn! Ein laues Glatt, ein kleines Etwas, Eben- Und nun entsteigt für Hauche eines Wehns Das Ur, geballt, Nicht-seine beben Hirnschauer mürbesten Vorübergehns. Zersprengtes Ich - o aufgetrunkene Schwäre - Verwehte Fieber - süß zerborstene Wehr -: Verströme, o verströme Du - gebäre Blutbäuchig das Entformte her.