Literarische Gebrauchsformen Ausweitung des Literaturbegriffs über die Dreiheit von Lyrik, Drama und erzählender Prosa hinaus Brief und Autobiografie, Tagebuch, Reisebericht oder Traktat , Essay, Feuilleton, Glosse, Reportage, »solche Texte [...], die nicht, wie poetische Texte, ihren Gegenstand selbst konstituieren, sondern die primär durch außerhalb ihrer selbst liegende Zwecke bestimmt werden. Gebrauchstexte dienen der Sache, von der sie handeln; sie sind auf einen bestimmten Rezipientenkreis ausgerichtet und wollen informieren, belehren, unterhalten, kritisieren, überzeugen, überreden oder agitieren« (Belke, Horst: Literarische Gebrauchsformen. Düsseldorf 1973, 320). Der Brief von lat. breve scriptum: kurzes Schreiben Mit welchen Mitteln imitiert der Brief nach Gellert das Gespräch? Welche Epoche gilt als Jahrhundert der Briefkultur? Warum bearbeitete Goethe seinen Briefwechsel mit Schiller zum Druck? Dachten wohl Gottfried Keller und Theodor Fontane,Rainer Maria Rilke, Thomas Mann und Franz Kafka,Gottfried Benn und Paul Celan an die zukünftige Veröffentlichung ihrer Briefe? Der Brief Leseranreden, Frage- und Antwortspiele. Briefsteller vs. individueller Briefstil eine narrative, deskriptive, reflexive, appellative Funktion des Briefes Ars poetica des Horaz ist als Versepistel abgefasst und trägt den Titel Ad Pisones (an Vater und Sohn Piso). Schiller: Über die Ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen. Hugo von Hofmannsthal: Ein Brief Richardson, Rousseau, Gellert, Sophie von La Roche und Goethe schreiben Briefromane Tagebuch die pietistische Verpflichtung zur frommen Selbstbeobachtung Goethes Wilhelm Meisters Wanderjahre (1827): u.a. Wilhelms Tagebuch (bzw. diejenigen anderer Figuren), Uwe Johnsons vierbändiger Roman Jahrestage. Aus dem Leben der Gesine Cresspahl (1970-83) verarbeitet u.a. das angebliche Tagebuch der Hauptfigur; Tagebücher Johann Gottfried Herder: Journal meiner Reise im Jahre 1769 J. W. von Goethe: Tagebücher von 1775 bis 1832 Tagebücher von Friedrich Hebbel (verfasst 1835 bis 1863), Franz Kafka: Tagebücher Thomas Mann Bertolt Brecht: Arbeitsjournal Ernst Jünger: In Stahlgewittern (1920) Tagebuch der Anne Frank (1946) Max Frisch: Tagebuch 1946 -1949 Rainer Maria Rilke: Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge Uwe Johnson (Jahrestage, 1970-83) Autobiographie Confessiones des spätantiken Kirchenvaters Augustinus: eine religiöse Bekehrungsgeschichte Jung-Stillings Lebensgeschichte. Goethes Dichtung und Wahrheit (1811-1833) Walter Benjamin: Berliner Kindheit um 1900 Elias Canetti: Die geretttete Zunge Thomas Bernhard: Der Atem Hildegard Knef: Der geschenkte Gaul, 1970 Das Erzählmuster der Autobiografie als Modell für Romane aus der Ich-Perspektive Grimmeishausen: Simplicissimus Moritz: Anton Reiser; Th. Mann: Die Bekenntnissse Felix Krull Grass: Die Blechtrommel Reisebericht Hans Staden: Warhaftig Historia vnd beschreibung eyner Landschafft der Wilden I Nacketen I Grimmigen Menschfresser Leuthen, 1557 Gegangenschaft bei dem brasilianischen Tupinamba-Stamm G. Forster (über James Cooks) Reise um die Welt Goethes Italienische Reise (1816-17, 1829) Johann Gottfried Seume: Spaziergang nach Syracus im Jahre 1802 Heinrich Heines Reisebilder (1826-31) Reportage Die Reportage thematisiert, über den neutralen Bericht hinaus, den Vorgang der Informationsermittlung (die Recherche) 20er Jahre: Egon Erwin Kisch: Der rasende Reporter, 1925 Hetzjagd durch die Zeit, 1926 China geheim, 1933 Entdeckungen in Mexiko, 1945 Der Essay Grenzgänger zwischen Wissenschaft und Literatur: Essais des Michel de Montaigne (1580) Thomas Mann Robert Musil Analytische Zugriffe vom Gegenstand her von ihrem Zweck aus (Handlungsorientierung) von dem Adressatenkreis her von dem Medium her Das Zusammenspiel der Gebrauchstexte und der fiktionalen Texte Literarische Mittel in politischen Reden und Werbetexten