Darstellungsformen Der Ton macht die Musik Nachricht, Bericht oder Kommentar – wer für eine Schülerzeitung schreibt, der kümmert sich im Normalfall nicht darum, welcher journalistischen Darstellungsform der eigene Artikel nun zuzuordnen ist. Biß, Ironie und die Darstellung der eigenen Meinung machen den persönlichen touch jedes Schülersprachrohres aus: Die Grenzen zwischen Glosse und Bericht sind hier sehr fließend. Trotzdem finden wir, daß die bewußte Entscheidung für eine bestimmte Darstellungsform eine große Hilfe beim Verfassen eines Artikels sein kann, auch wenn man sich als Schülerzeitungsredakteur ja nicht hundertprozentig an die Regeln halten muß. Deswegen möchten wir Euch hier die wichtigsten journalistischen Darstellungsformen vorstellen. Was will die Schülerzeitung? Die Massenmedien berichten uns über Dinge, die sich der Wahrnehmung des einzelnen entziehen, beispielsweise weil er sich nicht gleichzeitig im persischen Golf, im litauischen Völkeraufstand oder im albanischen Flüchtlingsstrom befinden kann – und das wohl auch nicht will. Was der einzelne nicht selbst hautnah erlebt, was aber dennoch wichtig ist, das teilen ihm die Medien mit. Anders sieht es da bei Schülerzeitungen aus: Schülerzeitungsredakteure berichten nicht exklusiv über Dinge, die den anderen ansonsten verborgen bleiben würden wie beispielsweise der letzte Schulball, über den sowieso jeder Bescheid weiß, weil er oder die entweder selber dort war oder sich davon hat erzählen lassen. Grundsätzlich unterscheidet man darstellende, informierende Stilformen auf der einen und kommentierende Stilformen auf der anderen Seite. Darstellende Stilformen sind besonders Nachricht, Bericht und Reportage, kommentierende vor allem der Kommentar und die Glosse. Daneben gibt es noch eine Reihe spezieller Ausformungen und Variationen. Zumindest bei Tageszeitungen, also vorrangig im Nachrichtenjournalismus, ist es üblich, informierende und kommentierende Texte einer Zeitung deutlich zu unterscheiden und eine Vermischung zu verhindern, beispielsweise durch Verwendung einer anderen Schriftart oder auch durch die Überschrift „Kommentar“ oder „Glosse“. Zeitschriften handhaben dies etwas legerer. Wie Ihr damit umgehen wollt, könnt Ihr entscheiden. Wichtig ist nur: Es gibt verschiedene Umgehensweisen damit. Und keinerlei Verpflichtung, sich an irgendeine davon zu halten. Auch wenn das einige erzürnte Direktoren gerne anders hätten. Anders als im professionellen Journalismus steht bei Schülerzeitungen nicht so sehr die Information im Vordergrund als vielmehr die Sicht der Dinge aus einer bestimmten Perspektive – aus der des Schülers eben. Ein typischer Schülerzeitungsartikel ist daher beispielsweise “Die deutsche Einheit – was kostet sie den Schüler?” und nicht etwa “Kosten der deutschen Einheit”. Eben darum gilt hier nicht die im professionellen Journalismus übliche Trennung von objektiver Berichterstattung einerseits und Kommentar andererseits: Die persönliche Bewertung dessen, worüber berichtet wird, macht erst die Schülerzeitung aus. Viel seltener, als Ihr glaubt, ist daher der objektive Bericht die richtige Form für Eure Artikel. Er gehört dorthin, wo Dinge mitgeteilt werden, die man sonst nicht erfahren würde, also z.B. in die Tageszeitung. Dennoch ist eine Nachricht oder ein Bericht nicht immer fehl am Platz. Er gehört sozusagen zum Standard der journalistischen Arbeit. Die Nachricht Über die Frage, was denn nun eine Nachricht ist und welche Merkmale ihr zuzuordnen sind, haben sich schon Generationen von Kommunikationswissenschaftlern die gelehrten Köpfe zerbrochen und zerbrechen sie sich noch heute. John B. Bogart, Lokalredakteur der amerikanischen Zeitung Sun, soll es gewesen sein, der im Jahre 1880 die Sache auf einen Nenner brachte: “Wenn ein Hund einen Menschen beißt, ist das keine Nachricht. Wenn aber ein Mensch einen Hund beißt, dann ist das eine.” In amerikanischen Journalistenschulen spricht man daher von der man-bites-dog-Formel (Mann-beißt-Hund-Formel). Keine Nachricht wäre demnach: Die Geldschatulle des Sekretariats befindet sich an ihrem ordnungsgemäßen Platz. Dies tat sie schon seit ihrer Anschaffung und daran werde sich, so Schulleiter Hartmut Sturkopf, aller Voraussicht nach in nächster Zeit auch nichts ändern. Das ist wahrscheinlich nichts Neues, oder? Eine Nachricht hingegen wäre: Eine Geldschatulle mit schuleigenen Mitteln in Höhe von insgesamt 40.000 DM wurde in der gestrigen Nacht auf mysteriöse Weise aus dem Sekretariat des Till-Eulenspiegel-Gymnasiums in Hintertupfenbach entwendet. Polizeisprecher Edgar Wallach sprach von einem einzigartigen Verbrechen in der Geschichte Hintertupfenbachs. Kurz: Das, worüber berichtet wird, muß sich in irgendeiner Weise vom Alltäglichen unterscheiden. Was den Inhalt anbelangt, ist die Nachricht objektiv, aktuell und von allgemeinem Interesse. Formal folgt sie einem bestimmten Aufbau: Vom Wichtigen zum weniger Wichtigen, lautet die Devise. Und: So kurz wie möglich, so lang wie nötig. Was für die Nachricht gilt, trifft im groben und ganzen auch auf den Bericht zu: Er ist sozusagen eine längere Nachricht. Das Aufbauprinzip der Nachricht gilt auch hier, wenn es auch nicht ganz so streng eingehalten werden muß: Statt auf die Reihenfolge der Sätze bezieht es sich hier auf die der Absätze. Ein Bericht kann in eine Reportage übergehen, wenn der Berichterstatter das Ereignis nicht nur ausführlich meldet, sondern sich direkt an Ort und Stelle umsieht und seine Wahrnehmungen schildert. Die Reportage Viel zu häufig wird in Schülerzeitungen in Form eines Berichtes über schulinterne Ereignisse berichtet, beispielsweise über den letzten Schulball, Skitag oder Schulausflug. Was Artikel hierüber interessant macht, ist nicht so sehr die sachliche Information, daß diese Ereignisse stattgefunden haben und was im groben auf dem Programm stand – das wird jedem mehr oder weniger sowieso bekannt sein. Das einzig neue, was ein solcher Artikel liefern kann, sind persönliche Eindrücke und Wertungen, die außerhalb dessen liegen, was von vorneherein schon bekannt ist. Anders als die Nachricht oder der Bericht darf, ja soll die Reportage sogar subjektive Färbungen enthalten. Der Reporter darf sich sogar selbst („ich”) in der Reportage erwähnen. Die Reportage ist nicht etwa logisch, sondern dramaturgisch aufgebaut: Sie soll vom Anfang bis zum Ende gut und spannend zu lesen sein. Der Autor gibt in einer Reportage Dinge wieder, die er selbst gesehen oder gehört hat. Im Vordergrund steht die plastische Beschreibung dieser Sinneseindrücke. Die Hamburger Journalistenschule des Verlagshauses Gruner & Jahr kommentiert hierzu in ihren Bewerbungsunterlagen: „Wer den Leser nicht schon im ersten Absatz fesseln kann, der hat ihn verloren.” Denn: Was schon langweilig anfängt, wird meist nicht zu Ende gelesen. Das A und O einer guten Reportage ist daher der Einstieg. Vom Besonderen zum Allgemeinen Ein Schulaufsatz beginnt beim Allgemeinen und leitet dann zum Besonderen über: 90 Schüler umfaßt die fünfte Jahrgangsstufe des Kästner-Gymnasiums dieses Jahr. 60 von ihnen pendeln täglich mit dem Bus zur Schule. Benjamin ist einer von ihnen. Die Reportage beginnt mit dem Besonderen und leitet dann erst zum Allgemeinen über: Benjamin kennt die Tücken der automatisch schließenden Bustüren ganz genau. Er weiß, wann man den Versuch besser unterläßt, sich noch in den überfüllten Bus hineinzuquetschen. Zu oft ist er schon eingeklemmt worden, hat einen zerdrückten Schulranzen oder einen zerbrochenen Schirm davongetragen. Er ist einer der 60 Fünftklässler, die täglich mit dem Bus zum Kästner-Gymnasium in die Stadt pendeln. Eine Reportage ist kein Bericht Susie Tunichtgut wurde zwei Wochen nach Schulbeginn von der Klassensprecherversammlung zur Schülersprecherin gewählt. Auf sie waren 15 von 22 Stimmen entfallen. Susie freute sich sehr über das ihr ausgesprochene Vertrauen. ... Diese Zeilen haben reinen Mitteilungswert, und auch den kaum, denn es ist davon auszugehen, daß sich die Wahl von Susie Tunichtgut bis zum Erscheinen der Schülerzeitung längst schon herumgesprochen hat. Statt dessen wäre es sehr viel interessanter zu erfahren, wie Susie auf die Situation reagiert und wie sie sich verhalten hat. Dies alles ist am besten aus der Situation heraus zu beschreiben, also so, als würde das ganze gerade vor Euren Augen ablaufen. Dazu gehört zuallererst das Präsens anstelle des Imperfekts, das Distanz zum Geschehenen herstellt. Also: Susie wird – und nicht Susie wurde gewählt So konkret und anschaulich wie möglich! Die Reportage versucht ein gesehenes Bild so eindrucksvoll wie möglich wiederzugeben. Dazu reicht es nicht aus, Susies Namen zu nennen oder vielleicht sogar noch Klassenstufe oder Haarfarbe dazuzusetzen. Wichtig ist der momentane Eindruck. Das muß nicht unbedingt eine Beschreibung von Susie sein. Hauptsache, es ist ein Bild, das den Leser in die Rolle dessen versetzt, der bei dem Geschehen live dabei ist. Geeignet ist durchaus auch die Zustandsbeschreibung von etwas, das eng mit dem Geschehen verknüpft ist. Zum Beispiel: 5 Uhr 40 zeigt die goldmetallene Armbanduhr von Hanno Dazumal. Wie seine Uhr, so ist auch Hanno eine Erscheinung vergangener Zeiten. Hanno, der gerade noch triumphierende Wahlkampfreden gehalten hat, ist mucksmäuschenstill geworden. Die neue Schulsprecherin heißt Susie Tunichtgut. Eindrücke nicht auf Schlußfolgerungen verkürzen Um etwas eindringlich zu schildern, genügt es nicht, eine zusammenfassende Wertung abzugeben wie beispielsweise: Susie sah gar nicht gut aus. Besser ist es, die Fakten zu liefern, die dem Leser eigene Rückschlüsse erlauben: Susie war so blaß, daß ihre Somersprossen scharf von der weißen Gesichtshaut abstachen. Menschen zu Wort kommen lassen Oft gehören auch Äußerungen von Beteiligten zur Schilderung des Gesamteindrucks: „Glaubsch, die Susie bringts fertig, ihran oigene Stimmzettel endlich abzumgäbba?“ sagt Dieter zu Hans Hund, der schon ungeduldig wartet. Letztendlich ist es aber nicht ihre Stimme, die den Ausschlag gibt. Anschauliche Schilderung von Zuständen, aber auch von Abläufen. Die Reportage beschränkt sich nicht auf die detaillierte Beschreibung von Dingen (wie beispielsweise die Beschreibung von Hanno Dazumals Uhr oder die seines Gesichtsausdrucks, wenn er von der Wahlschlappe erfährt). Ebenso spannend können Abläufe geschildert werden: Um 9 Uhr 20 an diesem Donnerstag kann die rotgelockte Frau in dem braungemusterten Ohrensessel des SMV-Raums die Nervosität einen Augenblick lang nicht mehr verbergen. Sie faltet die Hände, löst sie wieder, greift in die linke Hosentasche, zieht einen Kugelschreiber heraus, klappt den auf dem Schoß liegenden Notizblock auf, als wolle sie schnell die Zahlen notieren, die in diesem Moment von Vertrauenslehrer Hans Hund bekanntgegeben werden. Sie notiert sie nicht, steckt den roten Lamy wieder ein, kann gerade noch rechtzeitig wieder die Hände über den Knien falten, den Blick senken – da fallen ihr ihre Freunde bereits jubelnd um den Hals. Hans Hund gratuliert der ersten weiblichen Schulsprecherin. Der Schluß der Reportage bestimmt wesentlich den Gesamteindruck. Verläuft er einfach nur im Sande, ist die ganze Wirkung des Artikels flöten. Besonders gut wirkt eine Pointe am Ende, die dem bislang Gesagten noch eine entscheidende Wende gibt. Beispiel: In einer Reportage wurden ausführlich die miserablen hygienischen Bedingungen in der Schulküche beschrieben. Der Artikel schließt: Einigen wenigen der Betroffenen ist der Mäusedreck im Käse jedoch gleichgültig – allerdings nicht etwa, weil sie ihn gerne essen würden, sondern weil sie sich als Lehrer und damit finanzkräftigere Kunden einfach ins ungleich teurere italienische Restaurant nach nebenan verdrücken. Meinung gut verpackt Hier geht’s sozusagen um die Wurst. Nämlich um die Frage, wie man seine eigene Meinung am besten verpackt bzw. an den Mann oder die Frau bringt. Zunächst einmal gibt es drei gängige sogenannte meinungsäußernde Darstellungsformen: den Kommentar, die Glosse und die Kritik bzw. Rezension. In allen dreien nimmt der Autor Stellung, sagt seine Meinung. Das zeigt sich auch in der Form: Im Fernsehen erscheint der Kommentator selbst auf dem Bildschirm. Auch im Hörfunk wird ein Kommentar wenn möglich vom Autor gesprochen, und in der Presse sind die meisten Kommentare mit dem Namen oder Kürzel des Autors gezeichnet. Der Kommentar Bei Kommentaren denkt man spontan sicher an hohe Politik zwischen Bonn und Paris, Moskau und Washington. Aber der Auftritt Eures Schulleiters bei der Schülerdemonstration kann genauso Thema eines Kommentars sein wie der des Bundeskanzlers im Bundestag. Grundsätzlich kann alles, was eine Nachricht wert ist, Anlaß für einen Kommentar geben. Ein Kommentar beschränkt sich nicht auf das Interpretieren von Geschehnissen oder das Aufzeigen von Zusammenhängen und Hintergründen. In der Regel setzt er diese Information voraus und nimmt dazu lediglich Stellung. Eben darin besteht auch die Gefahr für jeden Kommentator: am Publikum vorbeizureden, weil der Leser nicht auf demselben Wissensstand ist wie der Kommentator. Wenn sich der Kommentator nicht sicher sein kann, ob sein Publikum über die Ereignisse, die er kommentiert, unterrichtet ist oder nicht, muß er die notwendige Information möglichst unauffällig mit in seinen Kommentar einbinden, ohne den kommentierenden Charakter des Beitrags zu zerstören: In seinem Interview mit der schülerfeder sagte Schulleiter Hartmut Sturkopf: „Wissen Sie, wir waren selbst überrascht darüber, daß Herbert Schülerschreck nun so plötzlich den Schuldienst quittieren möchte...“ Das ist kein Kommentar-Anfang, das ist reine Information. Der Kommentar aber will mehr – nämlich gleichzeitig zeigen, wie diese Information zu werten ist: Sarkasmus ist am Platze, wenn Schulleiter Hartmut Sturkopf nach wochenlangen Schüler- und Elterndemonstrationen in seinem Interview mit der schülerfeder scheinbar treuherzig verkündet: „Wissen Sie, wir waren selbst überrascht darüber, daß Herbert Schülerschreck nun so plötzlich den Schuldienst quittieren möchte.“ Allerdings ist der Kommentar trotz aller Meinungsäußerung ziemlich steif – eben professionell. Was er an Biß hat, geht ihm an Witz ab, denn er sagt genau das, was er meint. Die Glosse Lockerer hingegen und für Schülerzeitungen daher äußerst reizvoll ist die Glosse, die gerade weil sie so leicht und spritzig daherkommt, wohl zu einer der schwierigsten Darstellungsformen zählt. Wer mit einer Glosse wirklich treffen will, muß sich genausogut vorbereiten und auskennen wie der Kommentator. Darüber hinaus aber muß er die Sprache als Mittel bewußt einsetzen, um mit Ironie wirken zu können. Die Glosse ist der Farbtupfer unter den Meinungsstilformen, ein Sammelbegriff vor allem für kurze Meinungsartikel. Die Form der Argumentation ist zugespitzt und mündet in eine Pointe, die Konzentration liegt auf einem bestimmten Aspekt ( bei der politischen Leitglosse auf dem wichtigsten Aspekt). Im engeren Sinn bezeichnet Glosse (gr.: glotta = Zunge) eine Meinungsstilform mit einer verhältnismäßig ausgeprägten feuilletonistischen Sprache. Relativ häufig – wenn auch leider nicht immer – verwendet sie Ironie und Satire als Stilmittel. Sie bedient sich auch ungewöhnlicher, origineller Wörter, einschließlich Umgangssprache, Mundart, Dialekt. Glossen, die ihren Adressaten zum Lachen reizen wollen, bedürfen origineller Einfälle, die wie zufällig eingestreut wirken sollen. Es wäre zu einfach gedacht zu meinen, wer eine Glosse schreibt, schreibt einfach des Gegenteil von dem, was er eigentlich sagen will und was dann rauskommt, sei Ironie. Leider. Wer ironisch schreibt, bestätigt scheinbar die Annahmen und Vorurteile seiner Leser oder Hörer und weckt gleichzeitig Zweifel, ob diese Annahmen und Vorurteile wirklich richtig sind: „Wir sind wieder wer”, teilte uns gestern der Bundeskanzler freudestrahlend vom Bildschirm flimmernd mit. Und der Wald sei gar nicht so tot, die Müllberge nicht so hoch, und Abgase habe er auf seinem letzten Spaziergang auch keine gerochen. Aber: wir sind wieder wer. Das hat er ganz deutlich gesehen. Oft ist der Leser (oder Hörer oder Zuschauer) auf die Doppelbödigkeit der Ironie nicht vorbereitet und fühlt in seinen Vorurteilen nur bestätigt: „Und dann reden diese Idioten da noch von Umweltverschmutzung...“ Die Versuchung, einen Sachverhalt zu glossieren, ist groß – aber es ist ganz bestimmt nicht leicht. Die Süddeutsche Zeitung hat eine ständige Glossen-Rubrik, das Streiflicht, eingerichtet, das wie der Leitartikel der Frankfurter Allgemeinen auf der ersten Seite erscheint. Wie schwierig es wirklich ist, scheinbar zufällig brilliante Formulierungen zu finden, zeigt auch die durchaus wechselnde Qualität dieser Rubrik. Das Interview In der Schule soll ein Rauchverbot erlassen werden. Dazu ein Interview mit der Elternvertreterin, von der die Initiative ausging. Und der Kultusminister stellt im Schülerzeitungs-Interview die Grundzüge seiner Schulpolitik dar. Zwei grundverschiedene Interview-Situationen. Wie stellt sich der Interviewer darauf ein? Wie bereitet er sich vor? In welcher Reihenfolge stellt er seine Fragen? Ein Interview, so definiert es ein Lexikon, sei „die Befragung, Unterredung mit einer (bekannten) Persönlichkeit in Form von Fragen und Antworten mit der Absicht, die Äußerungen des Befragten der Öffentlichkeit zugänglich zu machen”. Grundsätzlich unterscheidet man Interviews zur Sache, also etwa mit einem Kernkraft-Experten zu den Tschernobyl-Folgen, und Interviews zur Person, etwa mit einem Schlagerstar zu seinen Tourneeplänen. Natürlich gibt es auch eine Mischung aus beiden Formen. Ob nun zur Person oder zur Sache befragt wird, wichtig ist auf jeden Fall eine gründliche Vorbereitung. Nur wer sich einigermaßen auskennt, kann „heiße Eisen“ aus seinem Gesprächspartner herauslocken und offensichtliche Widersprüche aufdecken. Fundgruben für die thematischen Recherchen vor dem Interview sind öffentliche Bibliotheken (Stadt-, Landes- und Universitätsbüchereien). Zudem können junge Zeitungsmacher oft auch die Archive der Tageszeitungen nach Voranmeldung benutzen. Hier kann man sich vor allem über lokale Themen informieren (vgl. auch beim Thema Recherche). Die Vorbereitungszeit sollte auf jeden Fall (mit Ausnahme von spontanen Interviews) ein Mehrfaches der eigentlichen Interviewzeit ausmachen. Wer einen prominenten Politiker, Künstler oder Sportler zu befragen hat, kann in einer Bibliothek zunächst einen Blick ins Munzinger-Archiv werfen,einer Loseblattsammlung mit Biographien prominenter Zeitgenossen. Wenn möglich solltet Ihr auch frühere Interviews Eures Gesprächspartners lesen. Man kann seine Reaktionen besser einschätzen und erkennt auch für ihn ungewöhnliche Akzente. Aus der Sichtung und Lektüre des Materials ergeben sich meist schon die Fragen, die man seinem Gesprächspartner stellen möchte. Diese stellt man in einem Fragenkatalog zusammen. Diese Liste soll eine Hilfe sein, den roten Faden nicht zu verlieren und keine wichtigen Fragen zu vergessen. Er darf aber nicht zum Korsett werden. Gibt der Befragte unergiebige Antworten, sind Nachfragen nötig. Zu Beginn jedes Interviews sollte man offene Fragen stellen, bei denen der Interviewte ausführlich Gelegenheit bekommt, seine Meinung darzustellen. Damit erreicht man ein positives Gesprächsklima. Dies ist um so wichtiger, je unerfahrener der Partner im Interviewgeben ist. Bei Prominenten mit wenig Zeit kann man diesen Einstieg abkürzen. Sie sind ohnehin an Befragungen gewöhnt. Nach der Einstiegsfrage sollte man eine Mischung aus offenen und geschlossenen Fragen wählen. Geschlossene Fragen, auf die der Interviewpartner nur mit „ja“ oder „nein“ antworten kann, wirken auf die Dauer frustrierend. Außerdem antworten viele, vor allem Politiker, doch nicht mit “ja” oder “nein”. Hypothetische Fragen nach dem Muster “Was wäre, wenn...” sind nur für Menschen mit Phantasie geeignet, also vor allem für Künstler, Schauspieler usw.. Politiker reagieren darauf meist ärgerlich. Auch wenn nur wenig Zeit zur Verfügung steht, sollte man nie mehr als eine Frage auf einmal stellen. Im anderen Falle hat der Interviewpartner nämlich die Wahl, welche Frage er beantworten und welche er unter den Tisch fallen lassen möchte. Zur Aufzeichnung des Interviews kann man getrost auf den Kassettenrecorder zurückgreifen – vorausgesetzt, der Interviewpartner ist einverstanden. Block und Stift braucht man trotzdem. Ihr notiert Euch am besten die wichtigsten Thesen, die das Nachfragen und auch die spätere Auswertung einfacher machen. Nur so kann auch notiert werden, wann der Interviewte zögert, nervös oder ärgerlich reagiert. Interview-Protokolle mit Frage und Antwort sollten ohnehin die Ausnahme bleiben. Sie setzen einen wirklich konzentrierten und schlagfertigen Gesprächspartner voraus. Ansonsten gilt: Eine Mischung aus Zitaten, indirekte Rede und Zusammenfassungen sollte das häufigste Ergebnis eines Interviews sein. Beim Abdruck des Interviews sind sprachliche Glättungen erlaubt und oft auch im Sinne des Befragten. Viele, besonders ungeübte Interviewpartner, würden sich über ihre „Hms” und „Ähs” wundern. Die Glättungen dürfen allerdings nur sprachlich sein, keinesfalls inhaltlich. Um Mißverständnisse zu vermeiden, wird häufig vereinbart, daß der Interviewpartner den fertigen Text vor Abdruck noch einmal gegenliest. Man sollte ihm oder ihr dann allerdings deutlich machen, daß er oder sie sich auf stilistische Veränderungen beschränkt und nicht nachträglich Aussagen einschränkt oder zurücknimmt. Als Beleg für im Intertview gemachte Aussagen ist die Bandaufzeichnung ideal. Eine Sonderform des Interviews ist die Umfrage unter mehreren oder vielen Personen, bei denen unterschiedliche Meinungen gegenübergestellt werden. Trotzdem kann es einmal reizvoll sein, z.B. eine Doppelseite Rauchverbot in der Schule – pro und contra zu gestalten. Fotos von Befragten mit einem kurzen Zitat, Name und Alter – das ergibt kein repräsentatives Meinungsbild, zeigt doch einige Argumente auf. Wie bekommt man überhaupt ein Interview? Bei weniger prominenten Mitbürgern ist das relativ einfach. Ihre natürliche Eitelkeit und ihr Mitteilungsbedürfnis bringen sie dazu, Euch einen Termin anzubieten. Bei vielgefragten Persönlichkeiten ist es allerdings nicht immer ganz leicht, einen Termin zu bekommen. Ansprechpartner ist bei Politikern oft die Presseabteilung, bei Künstlern der jeweilige Manager. Meistens sind diese Mitarbeiter gern bereit, einen Termin zu vermitteln. Schließlich wollen sie ein positives Bild ihres Chefs oder ihrer Chefin in der Öffentlichkeit erreichen. Kritik und Rezension Kritiken und Rezensionen nennt man die meinungsäußernden Stilformen des Kulturteils. Rezensiert werden Schallplatten und Bücher, kritisiert Filme, Theateraufführungen usw.. Allerdings beschränken sich Kritiken und Rezensionen nicht nur auf die Äußerung von Meinungen. Sie geben durchaus auch Informationen zum Inhalt und Gegenstand. So wird in einer Buchrezension normalerweise der Inhalt eines Buches kurz zusammengefaßt. Bei Schallplattenrezensionen werden wichtige Titel genannt. Bei Kritiken über Theateraufführungen werden z.B. auch bei weniger bekannten Werken wesentliche Teile des Inhalts, die Schauspieler genannt und eventuell das Bühnenbild beschrieben. Genauso ist es bei Kritiken über andere kulturelle Veranstaltungen. Die strenge Trennung zwischen informierenden und meinungsäußernden Stilformen wird im Kulturteil also nicht durchgehalten. Voraussetzungen für eine gute Rezension oder Kritik sind eine besondere Erfahrung und Sachverstand. Eine Theateraufführung wird z.B. nicht kritisieren können, wer das erste Mal eine Schauspielaufführung sieht und deshalb keine Vergleichsmöglichkeiten hat. Auch müssen an die Aufführungen des Laienschauspiels der Theater AG andere Maßstäbe angelegt werden als an Vorstellungen des Staatstheaters. Die Schulband wird anders zu bewerten sein als das Philharmonische Orchester. Wer sich einen Überblick über die Neuerscheinungen auf dem Büchermarkt verschaffen will, sollte sich die Pressedienste der großen Verlage bestellen. Dort kann man übrigens meist auch kostenlose Rezensionsexemplare der Bücher bekommen, die man besprechen möchte. Die Adressen einiger Verlage sind im Anhang zu diesem Buch abgedruckt. Bei der Auswahl der Bücher, die man in einer Buchrezension vorstellt, sollte man zunächst überlegen, welche Bücher einen breiten Leserkreis interessieren könnten: Beschreibt das Sachbuch ein besonders aktuelles Thema? Ist das Thema besonders jugend- oder schülernah? Hat das Buch für besonderes Aufsehen gesorgt (Wallraffs Ganz unten zum Beispiel)? In der Buchbesprechung sollte enthalten sein: · Das Kernthema des Buches, bei Sachbüchern noch wesentliche Gliederungsabschnitte · Angaben über den Autor, die in Zusammenhang mit dem Buch stehen (z.B. Autobiographie) · Besondere Auffälligkeiten aus Eurer Sicht, Vorzüge und Nachteile des Buches · eventuell wichtige kurze Zitate aus dem Buch (Urheberrecht beachten) · ggf. eine abschließende Bewertung des Buches aus: Tobias Daur/ Ingrid Faber/ Ulrich Schlenker/ Dieter Waizenegger (1997) „Extrablatt. Handbuch für junge Zeitungsmacher“, in: http://www.mediaculture-online.de/fileadmin/bibliothek/daur_extrablatt/daur_extrablatt.html Bruchsal: Verband junger Medienmacher Baden-Württemberg e.V..