5 Die Befragung Die einfachste Art der Datenerhebnng ist die Befragung, weil man so mit re- BefragtingsSituation lativ geringem Aufwand zu seinen Ergebnissen kommt. Man kann sie in alten Situationen anwenden, in denen man davon ausgehen kann, dass das Verhalten, über das man forscht, von den Betragten so wahrgenommen wird, wie es tatsächlich stattfindet.1 Natürlich gibt es aber viel zu beachten, wenn die Befragung Erfolg haben soll. Eine Befragung ist nicht ein reines Einholen von Informationen, sondern dl eine Kommunikation zwischen zwei oder mehreren Personen. Sie ge-chieht in einer Kommunikationssituation und wird geprägt durch gegensci-'ge Ürwartungeij. Die Antworten stellen die Erinnerung au Ereignisse dar, 'ie die befragte Person erlebt hat, oder sie spiegeln ihre Metnungen und Bedungen wider. Die Befragung zeigt also eine Art „gefilterte Wirklichkeit", obci einer der „Filter" die Verspraehlichuug ist, ein anderer die Erinnerung, "r genaue Ablauf einer Unterrichtssequenz z.B. bleibt den Beteiligten nära-fi normalerweise gar nicht in Erinnerung> sondern eher Ergebnisse oder Mrulere Vorkommnisse. Daneben giht es natürlich auch die Einflüsse, die rch die o.a. gegenseitigen Erwartungen, die KommunikationsSituation !,m. verursacht werden. Wenn man die Einteilung nach der Situation, in sich die Antwortenden befinden, vornimmt, gibt es zwei verschiedene tu von Befragungen, nämlich einmal die persönliche Befragung, in der er f'erson - der interviewerin - mündlich geantwortet wird, und andereres die schriftliche Befragung, in der die befragte Person beim schriftlichen Beantworten von schriftlich gestellten Fragen allein ist. Dazwischen liegt die telefonische Befragung, in der man zumindest seinen Gesprächspartner nicht grieht. In allen diesen Situationen ist damit zu rechnen, dass gegenseitige Erwartungen das Antwortverhalten beeinflussen. Hei jeder Art von Befragung ist mit sogenannten „Interviewer-Effekten" (nterwewtr-!& rechnen. Die befragte Person wird mit einer mündlich oder schriftlich Effekte iörrnulierten Frage konfrontiert und reagiert darauf. Sie nimmt nicht nur die Wertliche Bedeutung der Frage wahr, sondern auch allerhand Merkmale der Rtuation, sie analysiert und bewertet alle diese Informationen und überlegt täne Antwort oder reagiert mit einer Antwort Verweigerung. z.B. wenn die frage oder die Befragung als Zumutung empfunden wird. Jeder dieser Schrit-Biät von Erwartungen und von sozialen Nonnen beeinflusst. Bei persönlichen Interviews ist dies für jeden ganz offensichtlich. Das Aussehen der Interviewer in, ihre Ar! zu fragen, ihre Formulierungen, ihre Art, während der _ P* Wssui das unwahrscheinlich i&t, muss man die -■uifwätuligcren Verfahren Beobachtung oder L ExpcririiL'nt wählen. 60 5 Die Befragung 5 Die Befragung Interviewerverhalten Antwort zu reagieren, all das beeinflusst ganz offensichtlich das Verhalten der interviewten Person.1 Interviewereinfliisse gibt es aber nicht nur bei persönlichen Befragungen. Sie sind auch nicht auf offensichtlich suggestive Fragen bei schriftlichen Befragungen beschränkt. Sehr viel weniger wird beachtet, dass Interviews sehr häufig den Befragten durch die Situation suggerieren, sie müssten auf jeden Fall eine Antwort auf die gestellte Frage oder eine Meinung zu dem infrage stehenden Problem haben. Atteslander (1984, 100) berichtet von einer Befragung, in der dieselbe Frage nach der Akzeptanz einer militärischen Vereinbarung zwischen Amerika und Russland einmal so gestellt wurde, dass die Befragten einfach ihre Meinung dazu äußern sollten, und einmal so, dass zu nächst gefragt wurde, ob sie schon eine Meinung dazu hätten und, wenn ja, welche. Im ersten Fall gab es nur 15,2% Unentschiedene bzw. nicht antwortende Befragte, im zweiten Fall erklärten 56,2% der Befragten, sie hätten zu diesem Thema noch keine Meinung. Die Situation, die das Interview schafft, beeinflusst also ganz deutlich die Antworten. Effekte wie die oben angegebenen ergeben sich natürlich auch aus der Situation, dass die Befragende ein ganz anderes Interesse an den Ergebnissen des Interviews hat als der Befragte. Befragende, die meist ein klares Ergebnis für ihre Untersuchung haben wollen, sind an „Weiß nicht"-Antworten im Normalfall nicht interessiert. Die übliche Methode, die Interviewer-Effekte so gering wie möglich zu halten, ist eine möglichst starke Lenkung der Interviews oder Befragungen. Dadurch kann man sicherstellen, dass wenigstens alle Befragten dieselben Fragen erhalten haben, selbst wenn unterschiedliche Interviewerinnen die Fragen gestellt haben. Die starke Festlegung und die damit verbundene Reduzierung von Interviewer-Effekten geht allerdings auf Kosten von eventuell bei der Erstellung der Fragen folge nicht bedachten Einzelheiten. So kann es sein, dass in einem wenig strukturierten Interview die Befragten von selbst Aspekte einbringen, an die die Interviewerin nicht gedacht hätte. Deswegen wird empfohlen, bevor man mit stark gelenkten Interviews eine größere Menge von Personen befragt, zunächst einmal explorativ nicht so stark gelenkte Interviews mit am Thema interessierten Personen vorzunehmen, die eventuell von sich aus mögliche weitere Aspekte, nach denen man fragen könnte, einbringen. Für die Interviewerinnen gibt es Anweisungen, wie sie sich verhalten sollten. Dabei ist ganz wichtig, dass sie Hörersignale (z.B. hmhtn, hm) geben, die nicht als Bewertung der Antwort - wohl aber als Interesse - aufzufassen sind, und dass sie sich dabei unter Kontrolle haben, sodass sie nicht bei von ihnen erwünschten Antworten viel mehr solche Signale abgeben als bei nicht er- wünschten.1 Interviewerinnen in persönlichen Interviews sollen freundlich-interessiert wirken, eine eigene Meinung darf man ihnen nicht anmerken. Es erfordert ein gewisses Training, so zu wirken. Am geeignetsten für die Befragung sind tatsächlich Personen, die keinerlei Interesse an einem bestimmten Ergebnis der Untersuchung haben, denen also die untersuchte Frage ziemlich egal ist. Dies gilt für die Fälle, in denen es um die Erhebung von Meinungen oder um Berichte über Verhallen geht. Wenn die Frage nur darauf abzielt, Sprache aufzunehmen, weil z.B. die Art der Realisierung des Phonems Irl untersucht werden soll oder ein bestimmtes grammatisches Phänomen elizi tiert werden soll, sind die Gefahren von Interviewer-Effekten geringer. Aber auch hier sollte die Interviewerin nicht eine der möglichen Varianten selbst vorgeben in der Frage, die sie stellt," Auch die schriftliche Befragung ist natürlich eine Möglichkeit zur Reduktion von Interviewer-Effekten, zumindest sind die Interviewer-Effekte dann reduziert auf diejenigen, die die Fragebogenschreiberin zu verantworten hat. Jeder Befragte bekommt dieselben Fragen und niemand wird beeinflusst durch eventuelle Reaktionen seiner Gesprächspartnerin. Das ist nur ein Vorteil der schriftlichen Befragung, ein weiterer Vorteil ist, dass man in erheblich kürzerer Zeit viel mehr Personen befragen kann und somit leichter auf eine akzeptable Größe der Stichprobe kommt. Trotzdem gibt es einige Probleme. Bei der schriftlichen Befragung ist die Befragungssituation kaum kontrollierbar. Es können andere Personen die Antworten des Befragten beeinflussen, eventuell wird der Fragebogen, wenn er verschickt wird gar nicht von der Person ausgefüllt, die für die Befragung ausgewählt wurde und zur Stichprobe gehört. Man hat die Erfahrung gemacht, dass in Firmen Fragebögen, die sich an den Chef richteten, sehr häufig von den Sekretärinnen ausgefüllt wurden. Dies ist ein Fall, in dem wenigstens ein Rücklauf des Fragebogens erfolgt, sehr häufig werden aber schriftlich zugestellte Fragebögen überhaupt nicht beantwortet. Beantwortet werden sie nur von Personen, die ein besonderes Interesse an der jeweiligen Fragestellung haben oder die aus irgendwelchen Gründen gern Fragebögen ausfüllen. Häufig beträgt der Rücklauf bei derartigen Fragebogenaktionen um die 20%, man spricht dann von einer „Selbstseleklion der Stichprobe". Das ist insofern problematisch, als sich die Personen, die den Fragebogen beantworten, von der Grundgesamtheit, über die man Aussagen machen will, in wesentlichen Merkmalen unterscheiden könnten. Denken Sie z.B. an Fragen zum Sprachunterricht. Diejenigen, die unbedingt ihren Frage- Zui nonverbalen Ebene der Kommunikation bei der Befragung ist noch keineswegs alle? erforscht. So gibt cs z.B. keine Anleitungen zum Umgang mit offensichtlichen Ironiesignalen bei Interviewten usw. Auch die Art der Hörcrsignale ist wichtig. Das Hörcrsignal ja, das vor allem Frauen häufig benutzen, um zu zeigen, dass sie die Ausführungen des Sprechers verstehen, wird oft als Zustimmung missverstanden. Auch hmhm sollte nicht mit bejahender oder verneinender Intu nation verwendet werden. Wenn es z.B. um den Gebrauch der Tempora bei der Bezeichnung von Zukünftigem geht, ist weder die Frage: „Was machen Sie im nächsten Urlaub?" noch „Was werden Sie im nächsten Urlaub machen?" sinnvoll, sondern etwas wie „Was sind Ihre Pläne für den nächsten Urlaub?". 62 5 Die Befragung bogen einschicken wollen, sind oft die ganz Begeisterten und die stark Verärgerten oder die besonders Enttäuschten. Damit hat man aber nur Betragungsergebnisse zu den Extremgruppen. Was die breite Mehrheit denkt, erfahrt man nicht. Es gibt einige Verfahren, dieses Problem wenigstens teilweise in den Griff zu bekommen. Wenn man die Fragebögen nicht per sönlich austeilt, sondern mit der Post schickt dann gibt es die Möglichkeit, bei ungenügendem Rücklauf telefonisch oder schriftlich zu mahnen. Bei schriftlichen Mahnungen verschickt man sinnvollerweise gleich den Fragebo gen wieder mit, damit die angeschriebene Person nicht ihren alten Fragebogen suchen muss. Dies ist natürlich auch ein Kostenfaktor, denn bei jeder solchen Mahnung muss wieder ein frankierter Rückunischlag beigelegt wer den. Man geht aus Kostengründen mehr und mehr dazu über, die Fragebögen per Mail zu verschicken, was allerdings die Probleme mit dem Rücklauf keineswegs löst. Wenn Erhebungen in Schulen oder mit Studierenden-Gruppen gemacht werden, so hat sich das Verfahren bewährt, dass man die Fragebögen in Anwesenheit der Verteilenden ausfüllen lässt und danach gleich wieder einsammelt. So kommt man zu akzeptablen Rücklaufquoten. Wenn die Schüler oder Studierenden die Fragebögen mit nach Hause nehmen, so kommt nur ein erheblich geringerer Teil wieder an die Befragerinnen zurück. Die Länge des Fragebogens spielt ebenfalls eine Rolle für die Rücklaufquote, weil die zu Befragenden meist nicht viel Zeit investieren wollen (auch deswegen sollte man direkt am Anfang der Befragung einen Hinweis geben, wie viel Zeit die Befragung in Anspruch nehmen wird). Fragebögen von mehr als vier Seiten werden deshalb seltener ausgefüllt, vor allem wenn sie auch noch offene Fragen enthalten, bei denen die Befragten selbst eine Antwort formulieren müssen. Das wirkt sich umso stärker aus, je weniger interessant die Befragten das Thema und die Gestaltung des Fragebogens finden. Ebenso zu beachten ist, dass, wenn man sich für eine Online-Befragung entscheidet, nicht mehr als eine Frage pro Bildschirmseite gestellt werden soll, und bei jeder Frage ein Hinweis erscheinen soll, wie viele Fragen noch zu beantwor ten sind, z.B. „Frage 4/21". So vermeidet man Demotivation, die durch ein falsches Einschätzen der Fragebogenlänge entstehen kann. Fragebogenlänge 5.1 Die Wahl der Stichprobe 5.1.1 Auswahl der Befragten Wenn wir eine Befragung durchführen, haben wir selten die Möglichkeit, alle Betroffenen, über die wir gern eine Aussage machen wollen, auch tatsächlich zu befragen. Wir wählen also nur einen Teil der Betroffenen aus, eine sogenannte Stichprobe (alle Betroffenen wären die „Grundgesamtheit"). Die Frage nach der Auswahl der Stichprobe stellt sich zwar bei jeder empirischen Untersuchung, aber da es bei Befragungen relativ leicht möglich ist, eine akzeptable Auswahl der Stichprobe zu erreichen, wird bei Befragungen erheb- 5.1 Die Wahl der Stichprobe lieh mehr als bei anderen Untersuchungen darauf geachtet, dass die Wahl der Stichprobe angemessen ist Was wir erreichen wollen, ist immer eine Aussage, die generell oder doch für einen möglichst großen Anwendungsbereich gilt, nicht nur für die einge schränkte Gruppe, die wir tatsächlich untersucht haben (wer interessiert sich für das Ergebnis „In der Klasse 5b des Herder-Gymnasiums in Immekeppel funktioniert der Englischunterricht mit der Grammatik-Übersetzungs methode besser als der mit einem aufgabenorientierten Unterricht"?). Wir können aber nicht jeden Sprachenlerner untersuchen. Also müssen wir unse-re Aussage anhand der Untersuchung einer sogenannten Stichprobe machen. Die Meinungsforscher tun nichts Anderes: Sie fragen am Tag der Wahl 2000 Deutsche, wen sie gewählt haben, errechnen das Wahlergebnis, das sich bei diesen 2000 - allerdings sehr gut ausgewählten - Leuten ergeben hätte, und sagen vor der Auszählung schon, wie das Ergebnis der Wahl sein dürfte. Das Verblüffende ist: Sie irren sich selten in mehr als einem Prozent, obwohl sie doch einen verschwindend kleinen Anteil von der gesamten Anzahl der Wähler befragt haben. Das Geheimnis des Erfolgs der Stichprobenwahl liegt nicht darin, dass man einen möglichst großen, sondern einen möglichst gut ausge wählten Teil der Grundgesamtheit untersucht5 Das kann man mit zwei verschiedenen Verfahren erreichen. Das eine Verfahren nennt man „Zufallsstichprobe". In diesem Fall muss man mit ge eigneten Verfahren sicherstellen, dass jedes Mitglied der Grundgesamtheit die gleiche Ghance hat, in die Stichprobe zu kommen. Echte Zufallsstichproben lassen sich z.B. erzielen, wenn man eine Kartei/Datenbank der infrage kommenden Personen hat, aus der man blind diejenigen wählen kann, die man in die Stichprobe nimmt Idealerweise sind die Personen in einer Liste nummeriert, dann kann man sich vom Computer Zufallszahlen für die entsprechende Anzahl geben lassen. So etwas hat man aber meist nicht. Sehr häufig werden Zufallsstichproben aus Telefonbüchern genommen. Wenn man z.B. für eine Untersuchung zu den Trinkgewohnheilen in Köln Inter viewpartner sucht, dann schlägt man blind eine Seite des Kölner Telefonbuchs auf und tippt auf einen Eintrag, dann wiederholt man das so lange, bis man die gewünschte Zahl an Personen hat Man muss sich darüber im Klaren sein, dass man so genau genommen keine Aussagen über die Gesamlbevölke-rung Kölns macht, sondern höchstens eine Aussage über die Kölner Telefonbesitzer, die im Telefonbuch verzeichnet sind. Aber selbst bei den über 95% der Bevölkerung, die ein Telefon im Haushalt haben, hat nicht jeder die gleiche Chance, in die Stichprobe aufgenommen zu werden. Arbeitsmigranten haben z.B. weniger Festnetzanschlüsse, Singles haben ein Telefon für sich alleine, Familienmitglieder im Normalfall nicht, und immer mehr Menschen haben überhaupt keinen Festnetzanschluss, sondern nur ein Mobiltelefon. Damit Fs gibt natürlich Untergrenzen, die man einhalten muss. Wenn man extrem kleine Gruppen untersucht, gibt es keine Chance mehr, dass nicht repräsentative Einzelfälle in der Masse untergehen. 64 5 Die Befragung 5.2 Befragungsarten werden Singles in der Stichprobe überrepräsentiert sein, Arbeitsmigranten untcrrepräsentiert. Zudem ist nicht jeder Telefonbesitzer im Telefonbuch eingetragen, vor allem alleinstehende Frauen und Intellektuelle lassen sich oft nicht ins Telefonbuch eintragen. Ein weiteres Problem ergibt sich erst mit der Art der Kontaktaufnahme mit den betreffenden Mitgliedern der Stichprobe. Im Telefonbuch stehen meist die Haushaltsvorstände, wenn man sich also schriftlich an die eingetragenen Personen wendet, sind die Haushaltsvorstände überrepräsenüert. Ruft man aber an, sind diejenigen über repräsentiert, die mit Begeisterung ans Telefon gehen, und das sind häufig die Kinder und Jugendlichen im Haushalt. Die Besitzer von Anrufbeantwortern werden in einer solchen Umfrage dagegen eher unterrepräsentiert sein, wenn man es nicht immer wieder bei ihnen versucht - die Wahrscheinlichkeit, dass jemand für eine Umfrage zurückruft, ist sehr gering. Da Telefonbücher die einzigen jedermann zugänglichen Listen von möglichen Befragten sind, werden trotz all dieser Mängel oft Zufallsstichproben aus Telefonbüchern gezo gen. Eine echte Zufallsauswahl ist wegen der geschilderten Probleme oft nicht möglich, und dann ist die Telefonbuch-Methode immer noch besser als eine Auswahl aufs Geratewohl." Quotenverfahren Die andere Möglichkeit der Zusammenstellung der Stichprobe ist das Quoten verfahren. Bei diesem Verfahren wählt man seine Stichprobe nach bestimmten Merkmalen, die für die Untersuchung relevant sein könnten, und stellt die Stichprobe so zusammen, dass sie im Hinblick auf diese Merkmale der Grundgesamtheit entspricht. Die Merkmale der Gnmdgesamtheit findet man, wenn die Grundgesamtheit die Bevölkerung der BRD ist, im Sta tistischen Jahrbuch, das jedes Jahr vom Statistischen Bundesamt herausgegeben wird und u.a. in jeder Universitätsbibliothek zu finden ist. Für unser Beispiel mit der bevorzugten Lehrmethode im Englischunterricht der Schule könnten z.B. folgende Merkmale relevant sein: Alter, besuchter Schultyp, Geschlecht, Stadt/Landbevölkerung. Wir müssten darauf achten, dass ihre Verteilung in etwa der in der Grundgesamtheit der Schüler in diesem Land entspricht. Diese Daten können wir gut anhand des Statistischen Jahrbuchs mit dem Quotenverfahren an die Grundgesamtheit angleichen. Was Art und Dauer des bisher erteilten Unterrichts, Englisch als 1. oder spätere Fremdsprache und eventuell noch weitere uns interessierende Merkmale betriüt, kann uns das Jahrbuch allerdings nicht helfen, eventuell ist es nötig, selbst Zahlen zu erheben. Professionelle Marktforschungsinstitute und die erwähnten Wahlforscher arbeiten mit solchen nach dem Quoten verfahren zusam mengestellten Stichproben. Wenn Sie selbst so eine Stichprobe zusammenstellen wollen, überlegen Sie sich genau, welche Merkmale wirklich relevant sind. Je mehr Merkmale Sie berücksichtigen wollen, umso schwieriger wird es, die Personen so auszuwählen, dass sie die Grundgesamtheit genau abbil- Sollten Sic sich zu diesem Vorgehen entschließen, nennen Sie aber die damit verbundenen Probleme in Ihrem Bericht, damit man nicht denkt, Sie würden ganz naiv davon ausgehen, so künne man eine gute Zufallsstichprobe zusammenstellen. den, weil jede befragte Person mehrere Merkmale hat. Am F.nde brauchen Sie, um die Anforderungen der Quote zu erfüllen, z.B. einen lungen aus einem ländlichen Kreis in Berlin, der Englisch in der Grundschule lernt und 17 Jahre alt ist 5.1.2 Die Größe der Stichprobe Da wir nur eine Auswahl aus der Gesamtzahl der interessierenden Personen befragen, erhebt sich die Frage, wie viele wir insgesamt befragen müssen. Sollten wir zum Beispiel wissen wollen, was Studierende über ihren Kultus minister denken, dann bilden alle eingeschriebenen Studierenden des Landes die Gesamtzahl. Wenn wir wissen wollen, ob Germanistik-Studierende einer bestimmten Hochschule mit ihrem Studiengang zufrieden sind, dann bilden alle Germanistik-Studierenden dieser Hochschule zusammen die Gesamtzahl. Weil auch bei diesen noch überschaubaren Gruppen in der Regel nicht die ganze Gesamtzahl befragt werden kann, muss eine Stichprobe gemacht werden. Als Hilfestellung bei der Ermittlung, wie groß diese Stichprobe sein muss, wenn es sich um eine Zufallsstichprobe handelt, kann man ein Programm benutzen. Das Internet bietet eine Reihe solcher „Stichproben-Rechner", sodass man die nötige Stichprobengröße berechnen kann. Man findet sie über die gängigen Suchmaschinen mit dem Suchbegriff „sample size cakulatar". Da die Stichprobengröße, die für eine repräsentative Untersu chung nötig ist, in der Praxis bei Bachelor- und Masterarbeiten nie erreicht wird, verzichten wir auf eine ausführliche Besprechung. Bei den Programmen zur Berechnung von Stichprobengrößen findet man üblicherweise Erläuterungen. 5.2 Befragungsarten 5.2.1 Offene Konzepte, explorative Interviews Unter einer „offenen Befragung" versteht man eine Befragung, bei der die offene Befi Befragten frei antworten können und Gelegenheil haben, eigene Formulierungen und Gedanken einzubringen. Zunächst mag es so aussehen, als sei „offen" und „nichtstandardisiert" dasselbe, aber der Unterschied liegt in den einzelnen Fragen, die „offen" (d.h. ohne vorgegebene Antwortkategorien) oder „geschlossen" (mit vorgegebenen Antwortkategorien) sein können. Man kann also auch eine standardisierte Befragung mit offenen Fragen durchfiih ren, dies ist allerdings nicht üblich, weil man offene Befragungen meist ohne feste Abfolge der Fragen mit einer kleinen Gruppe durchführt. Die offene Befragung wird oft vor einer geschlossenen Befragung angewandt, um zunächst einmal einen Überblick darüber zu bekommen, welche Themenberei che angesprochen werden könnten und welche Arten von Antworten gegeben werden. Sie können in der explorativen Phase der Forschungsarbeit 3 S DieBefragung 5.2 Befragungsarten Antwort kategorien finden helfen, genauer zu erfahren, welche Fragen in der endgültigen Befragung angesprochen werden sollten. Manche Details kann eine Forscherin nicht schon vorher wissen, sondern erhebt sie in Gesprächen mit Experten oder mit Be-rroffenengruppen. Wer eine qualitative Studie durchfuhrt, arbeitet meist nur mit offenen Befragtingen. Angenommen, Sie führen eine Befragung zum Korrekturverhalten von Fehrpersonen durch, wobei Sie wissen wollen, was die Schüler akzeptieren und was sie stört. Dann werden Ihnen einige offene Befragungen mit Schülern helfen, erst einmal das Spektrum von vorkommenden - beliebten und unbeliebten - Korrekturtechniken zu erfahren. Nach diesen Techniken können Sie dann später präzise fragen. Auch die günstigste Reihenfolge der Fra gen kann in der explorativen Phase der Untersuchung durch offene Fragen ermittelt werden (welche Themen sprechen die befragten Personen von sich aus nacheinander an?). Die Reihenfolge der Fragen ist nämlich nicht beliebig. Zu Beginn des Interviews braucht der Befragte meistens einige Fragen als Anlaufphase, um sich an die Situation des Interviews zu gewöhnen. Auch bei einem Themenwechsel braucht der Interviewte eine gewisse Zeit, um sich auf das neue Thema einzustellen und an Details zu erinnern. Daher ist es ungünstig, die entscheidenden Fragen gleich zu Anfang zu stellen, die Befragung sollte mit einigen leicht zu beantwortenden Fragen eingeleitet werden. Solche Einleitungsfragen können außerdem zum Aufbau der sozialen Beziehung zwischen Interviewerin und Interviewtem genutzt werden sowie zu einer allgemeinen Orientierung über den Kontext der Befragung. Bleiben wir bei unserem Beispiel mit dem Korrekturverhalten. Ein allgemeiner Kontext, der den Interviewten auch anhand der ersten Fragen klar werden sollte, wäre z.B., dass es um eine wissenschaftliche Untersuchung über die Effektivität verschiedener Korrekturverhaltensweisen geht, und nicht etwa die Ermittlung der Zufriedenheit mit einzelnen Lehrpersonen. Bei linguistischen Befragungen, bei denen selten nach Dingen gefragt wird, die ungern preisgegeben werden, stehen am Anfang oft die Fragen zur Person (Altersgruppe, Dialektgebiet, in dem die Person aufgewachsen ist, u.a.).7 Auch die relevanten Antwortkategorien werden häufig in der offenen Be fragung eruiert. Der Forscherin ist oft nicht klar, welche Antwortkategorien bei den Befragten später auftauchen werden, und ob sie selbst alle Antwortkategorien bedacht hat, die die Befragten später produzieren würden. In wenig strukturierten Interviews, in denen so wenig Themenkontrolle wie möglich ausgeübt wird, kamt die Vollständigkeit und Klarheit der vorgesehenen Ant wortkategorien überprüft werden, und wenn eiiüge Antwortkategorien sich als unvollständig oder unnötig herausstellen, kann man sie verbessern. Z.B. Prägen nacli dem Einkommen werden häufig nicht gern beantwortet und deshalb in Interviews oft ans Ende gestellt; sie werden aber in linguistischen Befragungen kaum gestellt Während der wenig strukturierten Interviews zu Beginn der Untersuchung kann man oft auch Informationen über mögliche Interviewparlner für die Hauptuntersuchung bekommen. Bei Lehrerbefragungen z.B. erfährt man meist, wer sich mit dem zu untersuchenden Thema besonders beschäftigt hat und Interesse an der Untersuchung hätte. Auch sprachliche Besonderheiten der untersuchten Gruppe können in den explorativen Interviews festgestellt werden. Das trifft sowohl für Dialektsprecher als auch für die Sprache von einzelnen Gruppen, z.B. Jugendlichen, zu. Es ist ungünstig, wenn man in den eigendichen Interviews Dinge nicht kodieren kann, weil man die Antworten auf Grund ungewohnter Ausdrücke nicht versteht (z.B.: Ist nun urst gut oder schlecht?). Ein weiterer Vorteil der offenen Befragung ist das Abbauen von Hemmschwellen. Es kann durchaus sein, dass Kommunikationspartner, die wir befragen, uns gegenüber behaupten, sie würden sich normgerecht verhalten. Das betrifft durchaus auch sprachliches Verhalten. Sprecher schämen sich oft für ihr sprachliches Verhalten, wenn sie gelernt haben, dass dieses Verhalten falsch sei {Ich bin die Kuh am Stall am Schwanz am raus am Ziehen sagen z.B. alle rheinischen Grundschullehrpersonen ihren Schülern, um ihnen Wendungen wie Ich bin am Arbeiten abzugewöhnen. Folglich sagen befragte Rheinländer auch meist, dass sie diese Form nie verwenden). In solchen Fällen kann man Hemmschwellen abbauen, indem nicht nach einem festgelegten Schema („inquisitorisch"), sondern locker gefragt wird. In Extremfällen kann auch die Interviewerin selbst die nicht normgerechte Form benutzen. Es kann auch sein, dass es sinnvoll ist, erst mit Menschen zu sprechen, die Erfahrung haben im Umgang mit den Personen, die wir eigentlich untersuchen wollen. In unserem Fall sind das häufig ihre Lehrpersonen.8 Eine weitere Möglichkeit, „offen" zu Fragestellungen für die eigene Untersuchung zu kommen, sind Gruppendiskussionen, die man als Forscherin beobachtet oder anregt. Sie haben aber nur Sinn, wenn die Gruppe in Gegenwart der Forscherin auch normal diskutiert. Gruppendiskussionen unterscheiden sich von Gruppenbefragungen dadurch, dass die Teilnehmer an der Gruppendiskussion nicht nur Fragen beantworten, sondern auch selbst Fragen stellen. Indem die Gruppenmitglieder auch untereinander diskutieren und eigene Themen einführen, können Aspekte aufkommen, auf die die Forscherin als Außenstehende nicht gekommen wäre. 5.2.2 Geschlossene Konzepte, festgelegte Fragefolgen Wenn man Meinungen erfahren will, ist wohl das gebräuchlichste Verfahren das Interview, das mündlich anhand eines stark strukturierten Fragebogens (Interviewleitfadens) als Einzelinterview geführt wird. Die Fragen werden 8 Wir vermeiden hier den unklaren Begriff „Fxperteninterview". weil damit recht verschiedene Dinge gemeint sein können. Auf sich als qualitativ verstehende Arten von Interviews gehen wir, wie im einleitenden Kapitel erwähnt, in diesem Buch nicht ein. sprachliche Besonderheiten Experten interview Interviews 68 S Die Befragung 5.2 Befragungsarten Fragebogen standardisiertes vs. nichtstandardisier- tes Interview vorgegebene Antwortkategorien dabei in einer vorher festgelegten Reihenfolge gestellt, eigene Ideen oder Exkurse der Befragten sind bei einem so schematischen Vorgehen allerdings kaum zu verwerten. Auf den Aufbau eines (solchen das Interview strukturierenden Fragebogens sowie auf die dabei verwendeten Fragearten gehen wir im nächsten Abschnitt ausführlicher ein. Die mündliche Befragung anhand eines strukturierten Fragebogens kann im direkten F«ce-to-/ace-Gespräch durchgeführt werden oder als telefonisches Interview. Bei der schriftlichen Befragung soll der Befragte, wie erwähnt, ohne Koniakt mit einer Interviewerin einen Fragebogen ausfüllen. In den überwiegenden Fällen wird dieser Fragebogen einer nach dem Quoten verfahren zusammengestellten Gruppe per Post oder Mail zugeschickt und es wird erwartet, dass die Antwort in vor bereiteten Rückantwort-Umschlägen an die Untersuchungsleiterin zurückgeschickt wird. Einige Nachteile dieser Art der Befragungen wurden bereits erwähnt, nämlich dass keine Kontrolle der Interviewsituation vorliegt, sodass der Befragte die Fragen nicht in der vorgegebenen Reihenfolge zu bearbeiten braucht und sich sehr lange Zeit nehmen kann, um sich mit bestimmten Fragen auseinander zu setzen, sodass keine spontanen Antworten gegeben werden, wobei man außerdem nie ganz sicher sein kann, wer einen schriftlichen Fragebogen ausgefüllt hat und unter welcher Beeinflussung durch Dritte. Ein weiterer Nachteil der schriftlichen Befragung ist, dass offensichtliche Missverständnisse nicht durch eine Ansprechpartnerin zu klären sind. Die befrag te Person hat keine Möglichkeit Rückfragen zu stellen. Ein ungelöstes Problem bei schriftlichen Befragungen ist nach wie vor auch die Rücklaufquote. Es ist keineswegs so, dass die Rücklaufquote nur vom Fragebogen selbst beeinflusst wird. Die Länge des Fragebogens spielt eine gewisse Rolle; längere Fragebögen kommen noch seltener zurück als kürzere, aber der Unterschied liegt nur bei etwa 5%. Die Unterscheidung in „standardisiertes" und „nichtstandardisiertes Interview" bezieht sich auf die Art der vorgegebenen Antwortkategorien. Als „standardisiert" wird ein Interview bezeichnet, wenn die Antworten zu den einzelnen Fragen vorab in Kategorien zusammengefasst wurden. Beim nicht-standardisierten Interview wird die Kategorisierung der Antworten von den Auswerterinnen später vollzogen, die Interviewerin nimmt auf Tonband aut oder schreibt alles mit. Wenn man die Antwortkaiegorien vorher festlegt, dann können die Antwortkategorien den Befragten mit der Frage gleichzeitig vorgelegt werden, in persönlichen Interviews können sie aber auch nur der Interviewerin bekannt sein. Ihre Aufzeichnungsarbeit wird natürlich dadurch erleichtert, dass sie nur die richtige Antwortkategorie ankreuzt, nicht die Antwort mitschreibt (allerdings muss sie unerwartete Antworten unter Zeitdruck kategorisieren, was eine Fehlerquelle darstellen kann). Wenn es um Meinungsbefragungen geht, dann stellt sich die Frage, ob eine einfache /a-NeiM-Antwortmöglichkeit angemessener ist, oder ob mehrere Kategorien besser geeignet sind, die verschiedenen Meinungen wiederzugeben. Für die ja-Nein-Alternative spricht, dass die Befragten zu einer klaren und eindeutigen Stellungnahme gezwungen werden, während mehrere Alternativen die Möglichkeit des Ausweichens auf eine mittlere Kategorie geben, die erfahrungsgemäß sehr häufig genutzt wird, wodurch man kein aussagefähiges Ergebnis bekommt. Das ist nicht wünschenswert, wenn die Befragten durchaus zu einer der Alternativen tendieren, ihnen jedoch in der Befragungssituation die mitdere Kategorie als der „sichere Weg" erscheint. Umgekehrt kann man auch unerwünschte Effekte bei der Ja-Nein Alternative bekommen. Es könnte sein, dass die befragten Personen eigentlich „weiß nicht" oder „mal so, mal so" antworten wollen und durch das alleinige Vorgeben von „ja" und „nein" zu einer Antwort gezwungen werden, die das Ergebnis verfälscht. Es empfiehlt sich also in vielen Fällen, Ausweichkategorien zu geben. Wie immer man die Antwortkategorien vorgibt, die Gefahr einer Beemflussung der Ergebnisse der Befragung besteht. Man sollte darüber nachdenken, was für die eigene Untersuchung die bessere Lösung ist und diese Überlegungen auch im Forschungsbericht erwähnen. Um eine Suggestiv-Wirkung zu verhindern, sollte bei der Antwortvorgabe auf jeden Fall darauf geachtet werden, dass beide Alternativen bereits in der Frage enthalten sind (Beispiel: „Bevorzugen Sie emsprachigen Unterricht oder ist es Ihnen lieber, wenn die Lehrperson gelegentlich muttersprachliche Erklärungen gibt?"). Das macht einfache /a-Nem-Antworten schwierig, denn hei Fragen, die mit ja oder nein zu beantworten sind, fehlt normalerweise eine der beiden Alternativen. Wenn man mehrere Antwort-Alternativen vorgibt, sollten sie sich nicht inhaltlich überschneiden, und vor allem sollte auf ein Gleichgewicht zwischen positiven und negativen Antwortkategorien geachtet werden.9 Beispiel: Sprechen Sie mit Ihrer Frau Dialekt? O immer O häufig_O gelegentlich O selten O nie Man kann dieselbe Frage auch so stellen, dass man eine Anzahl von Ziffern vorgibt, wobei eine Ziffer für „immer" und eine Ziffer für „nie" steht und die Beiragten im Interview die Zahl nennen. In der schriftlichen Befragung eine Zahl umkringeln können, ohne dass sie eine düekte Verbahsierung für die Zwischenkategorien finden müssen. Diese Form wird vor allem bei schriftlichen Befragungen häufig verwendet, auch mit anderen Eckpunkten, und wird als „Likert-Skala" bezeichnet. lalscli wäre also z.B. eine solche Beschriftung der Antwortkategorien: Sprechen Sie mit Ihrer Frau Dialekt? O immer O wenn wir miteinander allein sind O gelegentlich O selten O fast nie 70 S Die Befragung 5.2 Befragungsarten Es sollte mehr Fremdsprachenunterricht an Schulen geben vollkommen einverstanden 1 2 3 4 5 6 7 überhaupt nicht einverstanden Wichtig bei Reihen von Aussagen dieser Art, die jeweils anzukreuzen oder zu umringen sind, ist, dass man die Refragten durch die Art der Fragestellung nicht dazu verleitet, immer dieselbe Zahl zu nennen oder die gesamten Reihen immer an derselben Stelle anzukreuzen. Das geht meist recht einfach, Indem man gelegentlich auch verneinte oder anders zu wertende Aussagen einfügt. Es sollte mehr Fremdsprachenunterricht an Schulen geben sehr einverstanden 1 2 3 4 5 6 7 überhaupt nicht einverstanden Der jetzige Umfang des Fremdsprachenunterrichts reicht völlig aus sehr einverstanden 1 2 3 4 5 6 7 überhaupt nicht einverstanden nichtsiandardisiert Beim nichtstandardisierten Interview wird auf eine vorgegebene Kate-gorisierung der Antworten verzichtet. Das bedeutet, nicht der Befragte oder die Interviewerin klassifiziert die Antworten nach der Zugehörigkeit zu bestimmten Kategorien, sondern das geschieht nachträglich durch die auswertende Forscherin. Der Vorteil dabei ist, dass viel Zeit für die Klassifizierung zur Verfügung steht, andererseits besteht dann keine Möglichkeit mehr für Rückfragen. 5.2.3 Die Wahl zwischen offenen und geschlossenen Fragen offene vs.geschlos- Wie erwähnt, geht es um den Spielraum, der bei der einzelnen Frage für die seneFragen Antworten gelassen wird. Die offene Frage enthält keine festen Ant- wortkategorien. Eine offene Frage wäre z.B. „Wie gefällt Ihnen Ihr Sprachlehrbuch?". Die befragte Person kann ihre Antwort völlig selbstständig formulieren und die Interviewerin hat die Aufgabe, die Äußerungen der Auskunftsperson so genau wie möglich zu notieren bzw. auf Tonträger aufzunehmen. Erst bei der späteren Auswertung werden die Antworten bestimmten Kategorien zugeordnet. Bei der geschlossenen Frage werden den Beiragten mit der Frage auch alle für die Auswertung vorgesehenen Antworten nach Kategorien geordnet vorgelegt. Die Aufgabe besteht lediglich darin, dass sie aus diesen Antwortmöglichkeiten ihre Antwort auswählen. Geschlossene Fragen wären z.B. „Gefällt Ihnen Ihr Sprachlehrbuch? ja - teilweise -nein " oder „Wie würden Sie Ihr Sprachlehrbuch am ehesten charakterisieren? sehr interessant - interessant - geht so - langweilig - sehr langweilig".111 !n Hier ist sehr klar festgelegt, welche Dimension gemeint ist. Bei offenen Fragen können völlig verschiedene Dinge angesprochen werden, was es sehr schwierig macht, hinterher eine Ka-tegorisierung «i finden, die das Gesagte wiedergibt, aber trutzdem einen schnellen Überblick ermöglicht. Antworten auf dieselbe offene Frage könnten z.B. sein „Viel zu teuer" oder In der Beurteilung der offenen versus geschlossenen Frageform wird als grundsätzlicher Unterschied angeführt, dass offene Fragen vom Befragten verlangen, sich an etwas zu erinnern, geschlossene Fragen dagegen, etwas wiederzuerkennen. Sich-Erinnern ist schwieriger als Wiedererkennen; auf offene Fragen erhält man daher in der Regel weniger Antworten als auf ge schlossene Fragen. Andererseits besteht bei geschlossenen Fragen die Gefahr der Suggestivwirkung, vor allem bei Meinungsfragen, über die der Befragte nie oder kaum nachgedacht hat oder zu denen er sich noch keine Meinung gebildet hat. Offene Fragen helfen, Unwissenheit, Missverständnisse und unerwartete Einordnungen der Frage zu entdecken." Bei unserem Beispiel mit der Frage zum Sprachlehrbuch könnte z.B. herauskommen, dass die Interviewten das Buch in Bezug auf die äußere Aufmachung beurteilen, während die Untersuchungsleiterin an den Inhalt gedacht hatte. Offene Fragen können auch den Gesprächskontakt und das Interesse am Interview fördern, weil sie einer normalen Gesprächssituation nahe kommen. Der Befragte fühlt sich als Gesprächspartner ernst genommen. Geschlossene Fragen erbringen dagegen eine größere Einheitlichkeit der Antworten und erleichtern dadurch die Vergleichbarkeit. Sie erleichtern der Interviewerin die Aufnahmearbeit und der Forscherin die Auswertung. Sie sind auch weniger anfällig für Interviewer-Effekte, es sei denn, es fehlen Antwortmöglichkeiten, die die Befragten in einer offenen Befragung geäußert hätten. 5.2.4 Direkte und indirekte Fragen Die Technik der indirekten Befragung versucht, eine Gesprächssituation zu dir schaffen, in der der Befragte sich auch offen zu Themen äußert, bei denen Normvorstellungen eine Rolle spielen. Die indirekte Befragung eignet sich auch dazu, Informationen über Zusammenhänge, die dem riefragten selbst nicht bewusst sind, zu erhalten. Nun erheben wir als Sprachwissenschaftlerinnen oder Sprachlehrforscherinnen ja selten sehr sensible Daten, trotzdem haben wir auch manchmal mit Norm Vorstellungen zu tun, z.B. über den richtigen Unterricht oder über das richtige Sprach verhalten. In diesen Fällen kann es vorkommen, dass auch wir indirekte Fragetechniken gebrauchen sollten. Manchmal besteht die Möglichkeit, eine besonders raffinierte Methode der indirekten Fra-getechnik anzuwenden und die Frage so zu stellen, dass eine „richtige" Antwort gar nicht möglich ist. So etwas wurde z.B. gemacht, um Einstellungen verschiedener Personen zu unterschiedlichem Sprachverhalten zu ermitteln. Die Versuchspersonen hörten Bandaufnahmen von jeweils demselben „Geht mir zu schnell vor, hätte es lieber kleinschrittiger" oder „Manche Bilder sind unrealistisch" usw. Eine I.inguistin, die Grammatikalitätsurteile erheben wollte, musste erstaunt feststellen, dass ihr ein Befragter zum zu beurteilenden Satz Fritz ist größer wie Paul sagte, er könne zu dessen Korrektheit kein Urteil abgeben, da er weder Fritz noch Paul kenne. 5 Die Befragung Aufbau des Fragebogens Sprecher. Ihnen wurde aber gesagt, dass es sich um unterschiedliche Sprecher handele. Aufgabe der Versuchspersonen war, den Beruf dieser angeblich unterschiedlichen Sprecher zu erraten. Auf den Bandaufnahmen, die zu beurteilen waren, sprach ein geschulter Schauspieler in unterschiedlichen amerikanischen Soziolekten. Entsprechend bestimmten Merkmalen seiner Sprache wurden ihm Berufe aus einem Spektrum zwischen „Arzt" und „Hafenarbeiter" zugeordnet. In einer direkten Befragung mit Fragen wie beispielsweise „Würden Sie doppelte Verneinung als ein Kennzeichen von Unterschichtsprechern ansehen?" wären wahrscheinlich nicht dieselben Ergebnisse erzielt worden. 5.3 Aufbau eines Fragebogens Der Fragebogen/Interviewleitfaden ist das wichtigste Instrument der Befra gung; insofern kann man kaum genug Sorgfalt in seine Entwicklung stecken. Üblicherweise geht man beim Aufbau eines Fragebogens nach den folgenden Prinzipien vor. Fragen, von denen man erwartet, dass sie das Interesse des Befragten am ehesten zu wecken vermögen, werden zu Beginn gestellt. Wenn sein Interesse geweckt ist und er sich am Interview zu beteiligen beginnt, wird er eher bereit sein, auf Fragen, die ihn weniger interessieren oder die mehr Überlegungen und Anstrengungen verlangen, zu antworten. Sollten auch heikle Fragen gestellt werden, dann möglichst gegen Ende der Untersuchung, und zwar aus zwei Gründen.13 Erstens kann es durchaus sein, dass durch den Ablauf des Interviews der Befragte Zutrauen zur Interviewerin gefasst hat und daher auch bereit ist auf heikle Fragen einzugehen, und zweitens, wenn der Befragte bei solchen Fragen beginnt das Interview zu verweigern oder in seinen Antworten höchst zurückhaltend wird, so hat die Interviewerin zumindest die Antworten auf die früheren unproblematischen Fragen erhalten. Ein Trick bei Fragen nach negativ bewertetem Verhalten ist, dass man einleitende Bemerkungen zum Abbau konventioneller Schranken den eigent liehen Fragen voranstellt. Ein Beispiel dafür wäre „Viele Schüler benutzen ja Hilfsmittel während der Klassenarbeiten. Könnten Sie mir sagen, wann Sie zum letzten Mal in einer Klassenarbeit ein unerlaubtes Hilfsmittel benutzt haben?" Bei einer solchen - im zweiten Teil sicherlich suggestiven - Frage bekommt man vermutlich mehr zutreffende Antworten, als wenn man direkt fragt „Wann haben Sie zuletzt gemogelt?" (Selbstverständlich sollte man oh nehin negativ wertende Ausdrücke in derartigen Fragen vermeiden). In manchen Fragebögen werden auch Kontrollfragen eingebaut, die überprüfen sollen, ob die Versuchspersonen übertrieben haben, unaufrichtig waren oder in ihren Urteilen schwanken.11 Bei linguistischen Fragebögen zur Akzeptanz i? Heikle Fragen wären z.B. Fragen an die I.ehrperson zu als unerwünscht geltendem I.ehrcr verhalten u.a. " Zum Beispiel können an verschiedenen Stellen im Fragebogen die folgenden Aussagen stehen, die mit einer Likert Skala beurteilt werden sollen: 5.4 Umgang mit der Gefahr von Artefakten niter sprachlicher Erscheinungen gibt es immer mehrere Beispiele für ein als gleich angesehenes Phänomen, einerseits wegen der erwähnten mögliehen Schwankungen des Urteils, und andererseits, weil man nicht sicher sein kann, dass in einem einzelnen vorgelegten Satz oder einer einzelnen vorgelegen Textpassage nicht irgendetwas zur Wertung durch den Befragten führt, was mit der Untersuchungsfrage gar nichts zu tun hat (er mag oder kennt beispielsweise ein bestimmtes Wort nicht). Wie bereits erwähnt, ist es wichtig, dass der Fragebogen nicht zu lang wird. Die Befragten sind selten bereit, über eine längere Zeitspanne konzentriert zu antworten. Bei allen Fragen, die man stellen will, muss man sich also überlegen, ob man die möglichen Antworten überhaupt für die Untersuchung verwerten kann. Am besten geht man wie folgt vor, wenn man seinen Fragebogen/ Interviewkitfaden aufstellt 1. Analyse der Literatur zum Thema, Festlegen der zu erfragenden Inhalte 2. Festlegen der zu befragenden Stichprobe 3. Entscheidung über die Art der Fragen 4. Festlegen von Formulierungen und Reihenfolge der Fragen 5. Erprobung an einer kleinen Gruppe 6. Kontrolle: - Wurden alle Fragen verstanden? - Ist die Reihenfolge ideal? - Liefern alle Fragen ein für die Untersuchung interessantes Ergebnis? (In vielen Untersuchungen braucht man keine Fragen, die immer gleich beantwortet werden.) - Sind die Ergebnisse aller Fragen auswertbar? 7. Überarbeitung des Fragebogens 8. Zusammenstellen der zu Befragenden Ein ausführlicheres Beispiel für die Entwicklung eines Fragebogens findet sich im Internet-Material zum Buch im Zusammenhang mit Aufgabe 4. 5.4 Umgang mit der Gefahr von Artefakten Es lässt sich niemals völlig vermeiden, dass die Befragung selbst die Ergebnisse der Befragung beeinflusst, und die bereits behandelten Interviewer-Effekte sind nur eine der Möglichkeiten dazu. Man kann jedoch den Grad der Verfälschung in gewisser Weise unter Kontrolle halten. Einerseits muss man die Art der Befragung vollständig dokumentieren, sodass andere Wissenschaftlerinnen überprüfen können, in welcher Weise mögliche Beeinflussungen stattgefunden haben können. Andererseits muss man seinen Fragebogen so sorgfältig zusammenstellen, dass aus dem Fragebogen nicht Ich möchte nicht korrigiert werden, wenn ich die Fremdsprache spreche. Ich finde es wichtig, dass meine Fehler beim Sprechen korrigiert werden. Essiört, wenn die Lehrperson mit Korrekturen eingreift, wenn jemand gerade spricht. Artefakte 74 5 Die Befragung 5.5 Das Klassifizieren von umfangreichen Befragungsdaten Distraktoren geschlossen werden kann, welches Ergebnis die Untersuchende selbst bevorzugen würde. Dafür ein schlichtes Beispiel: In einer Untersuchung sollen die Probanden Sätze auf ihre Grammatikalitäl hin beurteilen. Wenn Studierende für eine solche Umfrage einen Fragebogen entwerfen sollen, gehen sie häufig fälschlicherweise so vor, dass sie die Beispielsätze, die die Probanden beurteilen sollen, schon im Fragebogen in einer gewissen Ordnung angeben: Sie bringen zuerst die Sätze, die sie selbst für grammatisch korrekt halten, dann die, bei denen sie selbst zweifeln, dann die, die sie für völlig ungrammatisch halten. Das ist ganz logisch in der Vorgehensweise, und bei der Planung des Fragebogens ist es auch sicher ein wichtiger Schritt (es sollten schließlich auch genügend akzeptable Sätze in der Befragung vorkommen, und die erwartete Verteilung von akzeptablen, zweilelhaften und ungrammatischen Sätzen lässt sich so gut abschätzen). Der Fehler bei einem solchen Verfahren ist jedoch offensichtlich: Die Befragten können - bewusst oder unbewusst -eine Ordnung erkennen, nämlich die Wertung der Autorin des Fragebogens, werden davon beeinflusst und neigen im Allgemeinen dazu, sich diesen impliziten Wertungen des Fragebogens anzuschließen, ohne sich selbst noch weitere Gedanken zu machen. Dass das Ergebnis einer solchen Umfrage dann weitgehend unbrauchbar ist, versteht sich von selbst: Man hat nicht empirisch die Meinungen mehrerer sprachkompetenter Probanden eingeholt, sondern sich im Wesentlichen lediglich die Meinung einer Sprecherin bestätigen lassen. Diese ist als die Linguistin, die den Fragebogen entworfen hat, auch noch eine für ein unbefangenes Grammatikalitätsurteil besonders ungeeignete Person, denn sie hat bereits eine Hypothese im Hinterkopf. Um derartige Beeinflussungen der Probanden so weit wie möglich zu vermeiden, ist es daher wichtig, die zu beurteilenden Beispielsätze möglichst gut gemischt und ohne erkennbares Ordnungsprinzip zu präsentieren. Insbesondere wenn es um die Untersuchung sprachlicher Normen geht, ist es auch wichtig, dass die Befragten möglichst nicht erkennen können, um welches grammatische Phänomen es in der Untersuchung geht Denn wenn sie ein solches Wissen über die Ziele der Untersuchung haben oder meinen zu haben! sind sie in ihrem Urteil nicht mehr die unmittelbar und intuittv-unreflektiert antwortenden Sprachbenutzer bzw. kompetenten Sprecher, sondern fangen möglicherweise an, sich über das Phänomen Gedanken zu machen, und stellen dazu bewusst eigene Regeln auf oder greifen auf vorhandenes Regelwissen zurück. Da man mit der Untersuchung aber nicht das Wissen der Sprachbenutzer über normative Regeln des Duden oder ähnlicher normierender Instanzen testen möchte, sondern etwas über den Sprachgebrauch und das Sprachempfinden kompetenter Sprecher herauszufinden beabsichtigt, lenkt man die Befragten vom eigentlichen Thema ab durch sogenannte Distraktoren. Distraktoren sind beispielsweise Ablenkersätze, d.h. zusätzliche Beispielsätze, die für das eigentliche Ziel der Untersuchung gänzlich irrelevant sind und in denen es um ein ganz anders gelagertes grammatisches Phänomen oder andere sprachliche Erscheinungen geht. 5.5 Das Klassifizieren von umfangreichen Befragungsdaten für eine differenzierte Auswertung 7enn wir unsere Befragung auswerten, wollen wir normalerweise nicht nur ssen, wie viel Prozent der Befragten auf welche Frage wie geantwortet ha-, wir möchten auch Beziehungen zwischen den Antworten auf die einzel ieii Fragen herstellen. Wir möchten z.B. wissen, was die Frauen geantwortet aben im Vergleich zu den Männern oder die Personen, die schon mehr als vei Fremdsprachen gelernt haben, im Vergleich zu denen, die ihre erste oder ihre zweite Fremdsprache lernen, oder wir wollen wissen, ob diejenigen, die Komparative mit wie ablehnen, auch das Doppclplusquamperfekt (ab ich karrt, hatte er den Mantel schon angezogen gehabt) ablehnen. Das geht bei größeren Mengen von Antworten nur, indem wir die Antworten kodieren, sodass wir den Computer die Zusammenstellung machen lassen können. In der folgenden 'Fabelle sehen Sie ein Beispiel dafür, wie eine solche Kodierung aussehen kann. Die befragten Personen sind durchnummeriert, männliche Personen sind mit „1", weibliche mit „2" kodiert. Beim Schulabschluss wurde ,1" für „Hauptschule oder weniger", „2" für „höherer Abschluss als Hauptschule bis Abitur inklusive" und „3" für „Studium" vergeben. Die Anzahl der gelernten Sprachen außer der Muttersprache ist mit der Ziffer für ihre Anzahl kodiert, beim Alter wurde eine Kodierung für Altersgruppen vergeben „1 = bis 25, 2 - 26-40, 3 = 41-60, 4 = über 60" und in der letzten Spalte findet sich die Kodierung der Antworten zum Satz Fritz ist größer wie Paul (1 = völlig okay, 2 = gefällt mir nicht, aber man hört es oft, 3 = falsch). Wenn Sie Ihre Daten so aufbereitet haben, können Sie ganz schnell ermitteln, was denn junge Frauen mit Hauptschulabschluss zur Grammatikalitäl des Satzes sagen im Vergleich zu älteren Herren mit Studium usw. (Tabelle 1): Tabelle 1: Hypothetische Klassifizierung von Befragungsdaten Versuchsperson Geschlecht Schulabschluss Gelernte Sprachen Alter Beurteilung Satz 3 1 1 1 0 1 2 2 1 2 2 1 2 ... ...