2 Vorüberlegungen zur Arbeit mit Videosequenzen und Videofilmen Überblick Im zweiten Kapitel geht es um Überlegungen vor dem Einsatz von Videos: um die Gründe des Einsatzes und der Auswahl, um inhaltliche und technische Vorbereitungen sowie um einige methodische Grundprinzipien bei der Arbeit mit Video. Ihre eigenen Erfahrungen und Vorstellungen, wie Sie mit Videos im Fremdsprachenunterricht arbeiten würden und warum Sie Videos einsetzen wollen, werden in diese Überlegungen einbezogen. 2.1 Selbstreflexion: Ihre Arbeit mit Video im Unterricht Aufgabe 9 Im ersten Kapitel haben wir als Einstieg in das Thema bereits einige Aspekte der Arbeit mit Video angesprochen, die wir nun erweitern und vertiefen möchten. Dabei sollen Ihre eigenen Erfahrungen und Vorstellungen einbezogen werden. I. Welche Gründe sprechen Ihrer Meinung nach für die Arbeit mit Video im Fremdsprachenunterricht? Notieren Sie alles, was Ihnen einfällt. Berücksichtigen Sie auch methodische und technische Möglichkeiten sowie landeskundliche Aspekte. 2. Ordnen Sie nun Ihre Einfälle nach motivierenden und landeskundlichen Aspekten und nach methodischen und technischen. Möglichkeiten. Aufgabe 10 Video als Sprech- und Schreibanlaß Die Arbeit mit Video soll in erster Linie als Sprech- und Schreibanlaß dienen. Ihr didaktischer Platz ist also die kreative Phase im Unterricht, der leider oft zu wenig Platz eingeräumt wird. Es geht darum, daß die Lemer das, was sie gelernt haben, einmal in einem anderen Kontext frei und mitteilungsbezogen anwenden. Überlegen und begründen Sie: 1. In welcher Phase Ihres Unterrichts/Ihrer Unterrichtsstunde würden Sie Video einsetzen? 2. Sollte das Video einen Bezug zu Ihrem Lehrwerk haben? Didaktisierung Jedes Video erfordert eigene didaktische Überlegungen - je nach Bildstruktur, Inhalt und filmischer Gestaltung. Wichtig ist, daß Sie beide Informationskanäle*, also Bild 14 und Ton, bei der Arbeit berücksichtigen: Die Aufgaben sollten sowohl auf das Bild, auf Sprache und Inhalt als auchauf filmische Mittel bezogen sein. Dabei gilt grundsätzlich: Der didaktische Aufwand muß in einem adäquaten Verhältnis zur Textsorte stehen. Je längerfristig ein Video einsetzbar ist-und das gilt vor allem für den fiktionalen Bereich -desto eherrechtfertigt sich der didaktische Aufwand. Jedochsollte eine Didaktisierung nie den Bezug zum Filmmaterial verlieren. Es wäre z. B. übertrieben, wollte man für eine dreiminütige Sequenz einen zehnseitigen Übungskanon erstellen. Wichtig ist die Art der Aufgabenstellung. Welche Ziele sollte Ihrer Meinung nach eine gute Aufgabenstellung für die Arbeit mit Video enthalten? Aufgabe 11 2,2 Vorüberlegungen vor dem Einsatz von Videos Zur Auswahl von Videos als Sprechanlaß Vor dem Einsatz eines Videos sollten Sie sich überlegen, welche Aspekte des Videomaterials für das Unterrichtsgespräch besonders interessant sind. Das können landeskundliche, sprachlich-inhaltliche, interkulturelle, nonverbale oder auch filmische Aspekte sein. Die Übergänge sind fließend, aber es empfiehlt sich aus methodischen Gründen, diese Aspekte zu trennen. Wenn Sie Videos für Ihren Unterricht auswählen, empfehlen wir Ihnen, das Video vorher einmal ganz anzusehen. Wählen Sie dann die Sequenzen aus, die Ihrer Meinung nach eine Scblüsselfunktion* haben, und sehen Sie sich diese Sequenzen ohne Ton an. Prüfen Sie, inwieweit die Bildaussage sprechend ist - dazu können Sie auch einen Kollegen testen, dem Sie das Beispiel ohne Ton zeigen. Dann wissen Sie, ob sich die Methode, Bilder ohne Ton zu zeigen, für die gewählte Sequenz eignet. Je sprechender eine Sequenz ist, desto lernerfreundlicher ist sie. Zu methodischen und technischen Möglichkeiten Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Videos im Unterricht einzusetzen. Wir möchten Ihnen drei Leitfragen empfehlen, die Ihnen bei der Aufbereitung von Videosequenzen für den Unterricht behilflich sein können. Die Fragen beziehen sich auf den methodischen Ablauf einer Unterrichtsstunde bzw. Unterrichtseinheit: 1. Vor dem Zeigen der Sequenz: Welche Aufgaben können Sie vor dem Einsatz der Sequenz stellen, um bei den Lernern Interesse für den Film aufzubauen und das Verständnis zu erleichtern? 2. Während des Zeigens der Sequenz: Welche Aufgaben können Sie vorbereiten, um während der Vorführung der Sequenz einer passiven Femsehhaltung vorzubeugen und um das Verständnis zu erleichtern und zu vertiefen? 3. Nach dem Zeigen der Sequenz: Welche Aufgaben können Sie vorbereiten, um das Gesehene und Gehörte zu verarbeiten, zu vertiefen und zu ergänzen? Dieser Dreischritt strukturiert das Arbeiten mit einer Sequenz und ist auch ein wichtiges Gliederungsprinzip dieser Studieneinheit. In den Studieneinheiten Bilder in der Landeskunde und Fertigkeit Hören finden Sie dazu weitere ausführliche Anregungen. Bilder werden vom Betrachter schneller erfaßt als Texte, deshalb ist das Interesse, sich naher mit Bildern zu befassen und sie wirklich verstehen zu wollen, auch schnell erloschen. Bei laufenden Bildern, also bei Videos, besteht dagegen die Gefahr, daß die Lerner in eine passive Fernsehhaltung verfallen. 15 Während Sie als Muttersprachler normalerweise einenFilm ohne Unterbrechung sehen (es sei denn, Sie schalten auf einen anderen Sender um), sollten Sie im Fremdsprachenunterricht gezielt technische und methodische Möglichkeiten einsetzen, um die Beschäftigung mit dem Film und damit das Verstehen zu fördern. Die Beispiele in den folgenden Kapiteln zeigen Ihnen dazu unterschiedlichste Varianten auf; an dieser Stelle möchten wir auf vier Hauptaspekte eingehen: 1. Wiederholbarkeit Normalerweise sehen Sie einen Film einmal ganz an - sei es im Kino oder im Fernsehen. Dieses Prinzip der Einmaligkeit des Ablaufs von Bildgeschehen bringt es notwendigerweise mit sich, daß Sie und Ihre Lerner nicht jedes Detail wahrnehmen und verstehen können. Das gilt für den Muttersprachler und erst recht für den Fremdsprachenlemer. Die Arbeit mit Video hat jedoch den Vorteil, daß ein Film bzw, eine Filmsequenz beliebig oft wiederholt werden kann. Damit haben Sie die Möglichkeit, die Wahrnehmung zu vertiefen. Das ist bei Schlüsselszenen* oder auch schwierigen Passagen oft unerläßlich. 2, Trennung der Informationskanäle Dazu bieten sich zwei Möglichkeiten an: a) Video ohne Ton zeigen Diese Technik haben Sie in Sequenz 1 und 2 kennengelernt. b) Video ohne Bild zeigen Bei dieser Technik hören die Lerner nur die Tonspur, ohne das Bild zu sehen (siehe Sequenz 5 a, 6 a). Aufgabe 12 /. Überlegen Sie, welche Vorteile diese beiden Techniken a) und b) haben. 2, Überlegen Sie, welche Bedingungen Bild oder Ton erfüllen müssen, damit die Trennung von Bild und Ton didaktisch sinnvoll ist. 3. Getrenntes Arbeiten mit dem Bild- und Tonkanal Diese Möglichkeit ist etwas aufwendiger, wir möchten Sie Ihnen dennoch nicht vorenthalten. Sie müssen folgende Vorbereitungen treffen: a) Sie brauchen für Ihre Klasse zwei Räume. b) Sie müssen die Tonspur des Videos auf Kassette aufnehmen, um sie dann über einen Kassettenrekorder abzuspielen, oder Sie machen eine Kopie des Videos und verhängen nur den Bildschirm, Sie teilen Ihre Klasse in zwei Gruppen ein: Gruppe 1 hört in einem Raum die Tonspur des Videos an, Gruppe 2 sieht in einem anderen Raum das Video ohne Tonspur an. Beide Gruppen sollten Ton und Bild mehrmals hören bzw. sehen. Die Lerner machen sich Notizen. Nachdem die beiden Gruppen mit ihrem jeweiligen Übertragungskanal in den getrennten Räumen gearbeitet haben, kommen sie wieder in einem Raum zusammen. In Partnerarbeit —immer einer aus Gruppe t und einer aus Gruppe2—berichten sich die Partner gegenseitig, was sie gesehen und gehört haben. Sie versuchen, das Gesehene und das Gehörte zusammenzubringen. Danach wird im Plenum diskutiert, um was es in der Sequenz geht. An der Tafel oder auf dem Tageslichtprojektor werden die wichtigsten Aussagen festgehalten. Erst dann sehen die Lerner gemeinsam die Sequenz. Vermutungen können nun bestätigt oder korrigiert werden. Man kann auch darüber diskutieren, inwieweit sich Bild und Ton gegenseitig ergänzen oder ob Bild und Ton auseinanderklaffen (siehe Bild-Ton-Schere, Kapitel 5.3). 4. Arbeit mit Standbild* Auf Ihrem Videorekorder können Sie die Pausentaste drücken, das Bild „bleibt stehen" - vom Kino kennen Sie ähnliche Techniken, wie etwa das verlangsamte Abspielen einer Sequenz oder das Einfrieren eines Bildes am Ende des Films. Beachten Sie aber: Ein zu lange festgehaltenes Standbild kann Ihr Videoband an dieser Stelle beschädigen. Lassen Sie das Standbild also nicht zu lange stehen. 16 1. An welchen Stellen eines Films hat die Arbeit mit dem Standbild Ihrer Meinung nach einen Sinn? 2. Welche Möglichkeiten bieten sich dem Lerner durch den Einsatz eines Standbildes? Aufgabe 13 Als Beispiel möchten wir Ihnen zwei Standbilder zeigen: Standbild 1, eine Fernsehwerbung, stammt aus Bildschirm 8 (Boom van den u. a. 1991 b), Standbild 2 aus dem Film von Weißbarth (l 986) mit dem TiteJ Vis-ä-vis. > I. Eine Inhaltsangabe des gesamten Films Vis-ä-vis finden Sie in Kapitel 7 (S. 140) unter Weißbarth (1986). > 2. In Kapitel 3.4.2 wird gezeigt, wie Sie mit dem gesamten Film arbeiten können (Unterrichtsdokumen tation). Hinweise zum Film Sehen Sie sich die Standbilder 1 und 2 an. Überprüfen und ergänzen Sie dann Ihre Antworten zu den Fragen I und 2 von Aufgabe 13. Abschließend bitten wir Sie, eine Zusammenfassung des Kapitels 2.2 zu machen. Aufgabe 14 Standbild 1 und 2 Wütender Nachbar Bück durch den Türspion Notieren Sie in Stichpunkten: 1. Welche Aspekte sind bei der Auswahl von Videos als Sprechanlaß wichtig? Aufgabe 15 Zusammenfassung 2. Welche Leitfragen sollten Sie sich allgemein vor der Arbeit mit Video stellen? 3. Welche Gefahr besteht bei der Arbeit mit Bildern bzw. Videofümen? 4. Welche technischen Möglichkeiten haben Sie kennengelernt, um die Lerner zum genaueren Hinsehen und Hinhören bei einem Videofilm anzuleiten? 17