Sie schnitten die Späne, sie steckten sie in die Glut. »Ich zeichne dich. Bruder, Mit Kohle vom Holzkreuz - Ich zeichne dich Mit dem Mal der Geheimen Bruderschaft.e Auf dem Heimweg zur Mühle begegneten sie den Mädchen mit ihren Wasserkrügen. Einen Augenblick überlegte Krabat, ob er die Kantorka ansprechen sollte Aber dann ließ eres bleiben: Weil Juro dabei war - und weil er die Kantorka nicht erschrecken wollte. Geschichten von Pumphutt Und wieder das Ochscnjoch vor der Tür und die Backenstreiche und das Gelöbnis, dem Meister in allen Dingen gehorsam zu bleiben. Krabat war schlecht bei der Sache. Die Augen der Kantorka gingen ihm nach: Und doch hatten sie nur in das Licht einer Osterkerze geblickt, ohne Krabat zu sehen, »Ein nächstes Mal will ich ihr sichtbar vor Augen treten«, nahm er sich vor. »Sie soll wissen, dass ich es bin, den sie anblickt.« Die letzten Burschen waren zurückgekommen, das Wasser schoss ins Gerinne, die Mühle lief an. Der Meister scheuchte die zwölf in die Mahlstube, an die Arbeit. Krabat verrichtete was zu tun war in dem Gefühl, es sei gar nicht er selbst, der da Säcke vom Speicher hcrzuschleppte, Korn in die Schütte kippte (es fiel eine Menge daneben heut) und allmählich insSchwitzen kam. Die Stimme des Meisters hörteer wie durch Wände, sie ging ihn nichts an. Ein paarmal geschah es, dass er mit einem der Mitgescllen zusammenstieß, ungewollt, weil er mit seinen Gedanken weit weg war. Einmal rutschte er auf den untersten Staffeln zur Bühne aus und schlug sich das Knie auf; er spürte nicht viel davon, ruckte den Sack, der ihm von der Schulter zu gleiten drohte, ins Gleichgewicht und stieg weiter. Er schuftete wie ein Ross. Dass die Füße ihm schwer wurden 1Z4 [2; mit der Zeit; dass die Schweißtropfen von ihm wegspritzten, wenn er sich schüttelte; dass er sich quälen und schinden musste mit den verdammten Maltersäcken; es machte ihm wenig aus. das betraf ihn nicht sonderlich. Alles, was auf der Mühle vorging an diesem Morgen, war Sache des einen Krabat, der unterm Holzkieuz gesessen hatte die Nacht lang; den anderen, der in Schwarzkollm gewesen war, ließ das gleichgültig, der war fremd hier, er hatte mit alledem nichts zu schaffen, verstand es nicht. Diesmal war Witko es, der als Erster aufjauchzte und das Zeichen zum großen )ubel gab. Verwundert hielt Krabat inne, dann spuckte er in die Hände und wollte sich auf den nächsten Sack stürben. Juro versetzte ihm einen Rippenstoß. »Aufhören, Krabat!« Der Stoß hatte gut gesessen, genau an der Stelle unter der linken Achsel, wo es am meisten weh tat. Für eine Weile blieb Krabat die Luft weg: dann sagte er und es waren nun wieder beide Krabats in einem, die sich da mit gepresster Stimme vernehmen ließen: » He, Juro, ich ... soll dir wohl eins auf... die Nase geben, du ... Blödsack!« Sie lachten, sie tranken, sie aßen die fetten, goldgelben Oster-küchlein - und später tanzten sie. »Rumm-widi-bumm, Das Rad läuft um, Der Müllscher ist alt, Er ist krumm und dumm! Und da es ging In die Maienzeit, Da hat er ein junges Weib gefreit - Schön fest rundherum, Und das Rad, das läuft um, Und der Müllscher ist krumm Und dumm.« Sie tanzten und sangen und Witko krähte die Lieder hinaus, als wollte er alle mit seiner grellen, blechernen Stimme in Grund und Boden singen. Später wandte sich Staschko an Andrusch und fragte ihn, ob er nicht Lust hätte ihnen was zu erzählen; vom Pumphutt vielleicht, »Ist recht«, sagte Andrusch. »Reicht mal den Wein herüber!« Er tat einen langen Zug aus der Kanne, bevor er mit seiner Geschichte anfing. »Also«, begann er, »der Pumphutt ist eines Tages nach Schleife gekommen, zum Obermüller und der war ein Geizkragen, wie ihr wissen müsst, dass es zum Himmel gestunken hat. - Aber da fällt mir gerade ein, dass Witko vielleicht überhaupt nicht weiß, wer der Pumphutt ist ..,« Witko wusste es nicht, wie sich zeigte und Krabat auch nicht. »Dann muss ich das wohl vorausschicken.« Andrusch versprach den Gesellen sich kurz zu fassen. »Pumphutt«, sagte er, »ist ein wendischer Mühlknappe wie wir auch, aus der Gegend von Spohla, glaub ich. Dürr ist er, lang ist er - und so alt, dass niemand es mit Bestimmtheit sagen kann. Wenn ihr ihn aber sehen würdet, dann möchtet ihr denken, dass er so um die vierzig ist und nicht älter. Im linken Ohrläppchen trägt er ein goldenes Ringel, ganz klein und schmal, dass es kaum zu sehen ist, wcnn's nicht zufällig in der Sonne aufblinkt. Dafür ist sein Hut umso größer, mit breiter Krempe und spitzem Kegel. Von diesem Hut hat er seinen Namen, der Pumphutt, daran 126 erkennt man ihn - oder auch nicht, wir ihr hören werdet ... Habt ihr mich?« Krabat und Witko nickten. »Nun müsst ihr von Pumphutt noch wissen, dass er ein Zauberer ist - der grüßte vielleicht, den es je in der Lausitz gegeben hat und das will was heißen. Wir alle, wie wir da sitzen, verstehen nicht halb so viel von der Kunst, wie Pumphutt im kleinen Finger hat. Trotzdem ist er sein Lebtag ein einfacher Müllerbursche geblieben. Meister zu werden, hat er wohl keine Lust gehabt -und was Höheres, Amtmann vielleicht oder Richter oder bei Hof was: dazu schon gar nicht Obgleich er das leicht hätte werden können, wenn er gewollt hätte, aber das will er nicht. Und warum nicht? Weil er ein freier Butsch ist und bleiben will, einer, der sommers von Mühle zu Mühle zieht, wie es ihm passt, keinen über sich, keinen unter sich - so gefällt ihm das und so würde mir's auch gefallen, wenn ich's mir aussuchen könnte, verdammt noch mal!« Die Mühlknappen pflichteten Andrusch bei. Ein Leben zu führen wie Pumphutt, sein eigener Herr sein, nach niemandes Pfeife zu tanzen brauchen, das wäre nach ihrem Geschmack gewesen: heute, da sie dem Meister aufs Neue geschworen hatten und für ein weiteres Jahr auf der Mühle im Kosclbruch festsaßen, mehr denn je. »Nun aber die Geschichte, Andrusch!«, rief Hanzo. »Recht hast du, Bruder - die Vorrede, denk ich, ist lang genug gewesen! Gebt mir noch mal den Krug rüber, dann hört »Damals«, erzählte Andrusch, »ist Pumphutt also nach Schleife gekommen, zum Obermüller, der, wie ich schon gesagt hab, ein Geizkragen sondersglcichen gewesen ist. Die Butter aufs Brot hat den Mann gereut und das Salz in die Suppe. Drum hat er auch ständig Ärger gehabt mit den Mühlknappen, weil ihm keiner hat bleiben wollen. Viel Arbeit bei schlechtem Fraß, das verträgt sich nicht lange, das weiß man ja. Damals kommt Pumphutt also vor diese Mühle und fragt nach Arbeit. >Arbeit genügt, sagt der Obemiüller, der sich ja eigentlich hätte denken können, wer da vor ihm stand mit seinem spitzen Hut und dem Ring im Ohr. Aber das ist es ja eben, dass jeder, der es mit Pumphutt zu tun kriegt, erst hinterher merkt, dass cr's gleich hätte merken müssen. Der Obermüllcr in Schleife merkt auch nichts davon und Pumphutt verdingt sich ihm auf drei Wochen zur Aushilfe. Es sind noch zwei andere Knappen da und ein Lehrjunge, dürr wie die Zaunstecken alle drei, mit geschwollenen Beinen vom vielen Wassersaufen. Denn Wasser gibt es genug in der Obermühle, das ist aber auch das Einzige, was der Müllscher ihnen nicht zumisst. Mit Brot sind sie knapp gehalten, mit Grütze noch knapper und Heisch oder Speck gibt es überhaupt nicht, nur Käse manchmal und hie und da einen halben Hering. Sie arbeiten recht und schlecht, die drei, weil sie arme Teufel sind und der Müllscher hat ein Papier von ihnen, dass sie ihm Geld schulden, deshalb können sie ihm nicht weglaufen. Pumphutt schaut sich das eine Weile an. Er hört, wie der Lehrjunge jeden Abend vor Hunger flennt, bis er einschläft. Er sieht, wie den beiden Gesellen, wenn sie sich morgens am Brunnen waschen, die Sonnedurch ihre Bäuche durchscheint, so dünn sind sie. Eines Mittags dann, wie sie bei Tisch sitzen, es ist laut in der Stube, die Mühle läuft weiter, sie haben zuvor einen Posten Buchweizen aufgeschüttet, der unterdessen geschrotet wird — eines Mittags kommt nun der Meister zu ihnen herein, wie sie gerade die Suppe löffeln, ein wässriges, fades Zeug, mit Brennesseln drin und Melde und fünf, sechs Kümmelkörnern, es können auch sie- 128 129 ben gewesen sein. Das ist für Pumphutt der Augenblick um skh den Müllscher vorzunehmen. >He, Meester!«, ruft er und zeigt in die Suppenschüssel. >lch hab mir das jetzt zwei Wochen lang angesehen, was du den Leuten auf deiner Mühle vorsetzt. Meinst du nicht, dass es bissei dürftig ist auf die Dauer? Koste doch mal davon! < - und er hält ihm den Löffel hin. Der Müller tut so, als habe er bei dem Lärm, den die Mühle macht, nicht verstehen können, was Pumphutt gesagt hat. Erzeigt mit den Fingern auf seine Ohren, ei schüttelt den Kopf und grinst dazu Aber das Grinsen vergeht ihm bald. Pumphutt, der ja nun eben mehr kann als Brot essen, haut mit der flachen Hand auf den Tisch - und im Augenblick, klapp! steht die Mühle still und zwar ganz, ohne dass was nachklappert oder ausrumpelt. Nur das Wasser braust durchs Gerinne und klatscht an die Radschaufeln: daran, dass jemand die Schleuse heruntergeleiert hat, kann es also nicht liegen. Es muss sich da was im Laufwerk verkeilt haben, wenn es nur nicht das Kammrad ist oder die Mühlen-wellc! Der Obermüller von Schleife, wie er den ersten Schreck überwunden hat, kriegt das große Zappeln. >Schnell!<, ruft er, >schnell!<, ruft er. >)unge, du machst die Schleuse dicht - und wir anderen gehen nachsehen, was mit der Mühle los ist! Rasch, rasch aber, kommt schonli >Das braucht's nicht<, sagt Pumphutt in aller Seelenruhe und diesmal ist er es, der grinst. ■Wie das?«, fragt der Meister. >Wcil ich es bin, der die Mühle zum Stehen gebracht hat.' .Du?. >lch bin Pumphutt.« Ein Sonnenstrahl, wie bestellt, fallt durchs Stubenfenster her- ein und es blitzt ein gewisser Goldring auf, in einem gewissen Ohrläppchen. >Du bist Pumphutt?« Dem Müllscher wird's butterweich in den Knien. Er weiß ja, •wie Pumphutt mit Meistern umspringt, die ihre Knappen darben lassen und kujonieren, >Mein Gott!«, denkt er, >dass ich es nicht gemerkt habe, als et um Arbeit gefragt hat! Bin ich denn blind gewesen die ganze Zeit über?« Pumphutt schickt ihn hinaus, nach Papier und Tinte. Dann schreibt er ihm vor, was die Müllcrburschen von nun an zu kriegen haben: >Für jeden ein halbes Pfund Brot am Tag, gut gewogen. früh eine dicke Grütze von Weizenschrot oder Hirse, auch Buchweizen darf es sein oder Graupen, in Milch gekocht, sonn-und feiertags Zucker dran. Zweimal die Woche zu Mittag Fleisch und Gemüse, bis jeder satt ist; die anderen Tage Erbsenbrei oder Bohnen mit Speck oder aufgebratene Knödel oder nach Gutdünken eine andere nahrhafte Speise, ausreichend in der Menge, mit allem Gewürz, was daran gehört ...« So schreibt er und schreibt, eine ganze Liste voll. Haargenau legt er fest, was der ObcrmüUcr in Schleife den Burschen in Zukunft zu geben hat. >Unterschreib das mit deinem Namen«, sagt Pumphutt, wie er mit seiner Liste fertig ist, >und dann schwöre mir, dass du dich daran halten wirst!« Der Müller weiß, dass ihm keine Wahl bleibt. Er setzt also seinen Namen darunter und schwört. Da nimmt Pumphutt den Bann von der Mühle: klapp! mit der Hand auf den Tisch - und schon läuft das wieder. Die Liste gibt er dem einen der beiden Gesellen zur Aufbewahrung; dann sagt er zum Müllscher, und diesmal versteht ihn der trotz des Mühlenlärms ausgezeichnet: ■Damit wir uns recht verstehen, Meester: Was du beschworen 131 hast, ist beschworene Sache. Wenn icli jetzt weiterziehe, dann hüte dich, deinen Schwur zu brechen, sonst ..,< Klapp! stand die Mühle schon wieder still, ohne Nachplempern, ohne Ausrumpeln, dass es den Müllscher vor Schreck gerissen hat. - >Aber danm, hat der Pumphutt gesagt, >dann ist Feierabend für immer, dann bringt dir kein Mensch den Krempel wieder zum Laufen, merk dir das!< - hat's gesagt, hat gemacht, dass die Mühle weitergelaufen ist und ist weggegangen. Seither haben die Mühiknappen, wie man hört, auf der Obermühle in Schleife ein gutes Leben. Sie kriegen, was ihnen zukommt, keiner braucht Hunger zu leiden und VVasserbeine haben sie auch nicht mehr.« Den Burschen gefiel, was Andrusch ihnen von Pumphutt erzählt hatte. »Weiter!«, verlangten sie. »Mehr von ihm! Trink noch was - und lass hören!« Andrusch setzte die Kanne an um sich die Gurgel zu schmieren und weiter ging es von Pumphutt: wie er's den Meistern gegeben hatte, in Bautzen und Sohrau, in Rumburg und Schlucken-au- sich zum Spaß und den dortigen Müllerburschen zum Nutzen. Krabat musste an ihren eigenen Meister denken, die Reise nach Dresden zum Kurfürsten fiel ihm ein - und er fragte sich, wie es wohl ausgehen würde, wenn Pumphutt durch Zufall einmal an ihren Meister geriete: Welcher von beiden dem anderen überlegen wäre, falls es auf eine Kraftprobe zwischen ihnen hinausliefe. Pferdehandel Nach Ostern fingen sie damit an altes Holzwerk zu überholen, das auf der Mühle vorhanden war. Staschko, als der geschickteste von den Burschen, hatte vom Meister den Auftrag dazu bekommen; Kito und Krabat waren ihm als Gehilfen zugeteilt. Von der Mchlkammer bis zum Dach hinauf sahen sie alles nach, was aus Holz war; und wo es sich zeigte, dass etwas schadhaft geworden war, dass ein Pfosten zu brechen drohte, ein Trittbrett sich aus den Zapfen gelöst hatte, in den Bohlen der Zwischenböden der Wurm war, wurde es von den dreien ausgewechselt oder auf andere Weise instand gesetzt, sei es durch Stützen, sei es durch einen Unterzug An der Schalung des Mühlgrabens gab es manches zu flicken, das Wehr musste frisch verzimmert werden, der Bau eines neuen Wasserrades stand ihnen auch ins Haus. Staschko und seine Gehilfen verrichteten nahezu alles mit ihren Handbeilen, wie sich's für Müllerburschen, die auf sich hielten, von selbst verstand- Zur Säge griffen sie erst, wenn es unbedingt sein musste und auch dann nur ungern. Krabat war froh, dass er eine Arbeit hatte, die es ihm kaum erlaubte »an andere Dinge« zu denken, das heißt: an die Kantorka. Trotzdem dachte er oft genug an sie und er fürchtete manchmal, die anderen müssten ihm diese Gedanken anmerken. 1J2 133