Goethe: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit • Erster Teil Entstanden 1809–1811. Erstdruck: Tübingen (Cotta) 1811. • Zweiter Teil Entstanden 1811–1812. Erstdruck: Tübingen (Cotta) 1812. • Dritter Teil Entstanden 1812–1813. Erstdruck: Tübingen (Cotta) 1814. • Vierter Teil Entstanden zwischen 1821 und 1831. Erstdruck in: Werke, Ausgabe letzter Hand, Stuttgart (Cotta) 1833. kontrovertieren Wanderjahre, Makariens Archiv: Sogar ist es selten, daß Jemand im höchsten Alter sich selbst historisch wird und daß ihm die Mitlebenden historisch werden, so daß er mit niemanden mehr kontrovertieren mag noch kann. [Goethe: Wilhelm Meisters Wanderjahre, Goethe-HA Bd. 8, S. 465] Erlebnisse aus den Jahren 1749 bis 1775 DuW hat vielleicht stärker als die Lehrjahre die deutsche Form des Bildungromans im 19. und 20. Jh. beeinflußt. Ludwig Börne über Goethe ein Fürstenknecht (Goethe und Hegel: der gereimte und der ungereimte Knecht) ,Elsass, Sessenheim (von ihm „Sesenheim“ geschrieben), die Pfarrerstochter Friederike: da ging fürwahr an diesem ländlichen Himmel ein allerliebster Stern auf. […] Schlank und leicht, als wenn sie nichts an sich zu tragen hätte, schritt sie. Das Verlangen, sie wieder zu sehen, schien unüberwindlich. Der Vater hatte sich entfernt, sein Mittagsschläfchen zu halten, die Mutter war in der Haushaltung beschäftigt wie immer. Der Freund aber tat den Vorschlag, ich solle etwas erzählen, worein ich sogleich willigte. Wir begaben uns in eine geräumige Laube, und ich trug ein Märchen vor, das ich hernach unter dem Titel »Die neue Melusine« aufgeschrieben habe. Märchen Sollte jemand künftig dieses Märchen gedruckt lesen und zweifeln, ob es eine solche Wirkung habe hervorbringen können; so bedenke derselbe, daß der Mensch eigentlich nur berufen ist, in der Gegenwart zu wirken. Schreiben ist ein Mißbrauch der Sprache, stille für sich lesen ein trauriges Surrogat der Rede. Der Mensch wirkt alles, was er vermag, auf den Menschen durch seine Persönlichkeit, die Jugend am stärksten auf die Jugend, und hier entspringen auch die reinsten Wirkungen. Diese sind es, welche die Welt beleben und weder moralisch noch physisch aussterben lassen. Mir war von meinem Vater eine gewisse lehrhafte Redseligkeit angeerbt; von meiner Mutter die Gabe, alles, was die Einbildungskraft hervorbringen, fassen kann, heiter und kräftig darzustellen, bekannte Märchen aufzufrischen, ... ja im Erzählen zu erfinden. Freiderike Brion, gest. 1913 lDie Achtzehnjährige gab seinem Werben nach, aber im Sommer 1771, nach der Promotion zum "licentitatus juris", verließ Goethe Straßburg, ohne sich von ihr auch nur zu verabschieden. Friederike Brion lDoch ach, schon mit der Morgensonne lVerengt der Abschied mir das Herz: lIn deinen Küssen welche Wonne! lIn deinem Auge welcher Schmerz! lIch ging, du standst und sahst zur Erden lUnd sahst mir nach mit nassem Blick: lUnd doch, welch Glück, geliebt zu werden! lUnd lieben, Götter, welch ein Glück! Oliver Goldsmiths: Landpriester von Wakefield / The Vicar of Wakefield. A Tale. Supposed to be written by himself .., als Freund Weyland die Schalkheit beging, den »Landpriester von Wakefield« nach Sesenheim mitzubringen und mir ihn, da vom Vorlesen die Rede war, unvermutet zu überreichen, als hätte es weiter gar nichts zu sagen. Ich wußte mich zu fassen und las so heiter und freimütig, als ich nur konnte. Auch die Gesichter meiner Zuhörer erheiterten sich sogleich, und es schien ihnen gar nicht unangenehm, abermals zu einer Vergleichung genötigt zu sein. Oliver Goldsmiths: Landpriester von Wakefield Alle Menschen guter Art empfinden bei zunehmender Bildung, daß sie auf der Welt eine doppelte Rolle zu spielen haben, eine wirkliche und eine ideelle, und in diesem Gefühl ist der Grund alles Edlen aufzusuchen. Was uns für eine wirkliche zugeteilt sei, erfahren wir nur allzu deutlich; was die zweite betrifft, darüber können wir selten ins klare kommen. Der Mensch mag seine höhere Bestimmung auf Erden oder im Himmel, in der Gegenwart oder in der Zukunft suchen, so bleibt er deshalb doch innerlich einem ewigen Schwanken, von außen einer immer störenden Einwirkung ausgesetzt, bis er ein für allemal den Entschluß faßt, zu erklären, das Rechte sei das, was ihm gemäß ist. Oliver Goldsmiths: Landpriester von Wakefield Unter die läßlichsten Versuche, sich etwas Höheres anzubilden, sich einem Höheren gleich zu stellen, gehört wohl der jugendliche Trieb, sich mit Romanenfiguren zu vergleichen. Er ist höchst unschuldig, und, was man auch dagegen eifern mag, höchst unschädlich. Er unterhält uns in Zeiten, wo wir vor Langerweile umkommen oder zu leidenschaftlicher Unterhaltung greifen müßten. Wie oft wiederholt man nicht die Litanei vom Schaden der Romane, und was ist es denn für ein Unglück, wenn ein artiges Mädchen, ein hübscher junger Mann sich an die Stelle der Person setzt, der es besser und schlechter geht als ihm selbst? Ist denn das bürgerliche Leben so viel wert, oder verschlingen die Bedürfnisse des Tags den Menschen so ganz, daß er jede schöne Forderung von sich ablehnen soll? Oliver Goldsmiths: Landpriester von Wakefield Der rückblickende Erzähler weiß mehr über das Geschehen als die Figur selbst im Moment des Erlebens, kann also dem Leser Hinweise zum weiteren Verlauf der Handlung geben. Die Perspektive des Erzählers ist auf Dr. Primrose begrenzt, so dass der Leser nur erfährt, was Primrose denkt oder vermutet. Der Roman endet damit, dass Olivia mit einem unbekannten Liebhaber wegläuft und Primrose sie suchen geht. die ersten 15 Bücher schnell zwischen 1811 und 1813, dann stockt die Arbeit. die Scheu, die unglückliche Geschichte seiner Verlobung mit der 16-jährigen Lili Schönemann genauer darzustellen. Jene Vorgänge, die zu seiner Entscheidung beigetragen haben, nach Weimar zu gehen. Lili Schönemann Schönemann lGoethe verlobte sich Ostern 1775 mit der Frankfurter Bankierstochter Anna Elisabeth ("Lili") Schönemann (1758 - 1817), aber nach seiner ersten Schweiz-Reise von Mai bis Juli 1775 beendete er die von keiner der beiden Familien gutgeheißene Beziehung. lUnd an diesem Zauberfädchen, lDas sich nicht zerreißen läßt, lHält das liebe, lose Mädchen lMich so wider Willen fest; lMuß in ihrem Zauberkreise lLeben nun auf ihre Weise. lDie Verändrung, ach, wie groß! lLiebe! Liebe! laß mich los! Schönemann Ich hatte auf Lili mit Überzeugung Verzicht getan, aber die Liebe machte mir diese Überzeugung verdächtig. Ich entschloß mich daher abermals zur Flucht, und es konnte mir deshalb nichts erwünschter sein, als daß das junge herzoglich weimarische Paar von Karlsruhe nach Frankfurt kommen und ich, früheren und späteren Einladungen gemäß, ihnen nach Weimar folgen sollte. Von seiten jener Herrschaften hatte sich ein gnädiges, ja zutrauliches Betragen immer gleich erhalten, das ich von meiner Seite mit leidenschaftlichem Danke erwiderte. Meine Anhänglichkeit an den Herzog von dem ersten Augenblicke an, meine Verehrung gegen die Prinzessin, die ich schon so lange, obgleich nur von Ansehn, kannte, mein Wunsch, Wielanden, der sich so liberal gegen mich betragen hatte, persönlich etwas Freundliches zu erzeigen und an Ort und Stelle meine halb mutwilligen, halb zufälligen Unarten wieder gut zu machen, waren Beweggründe genug, Schluss von DuW so daß ich endlich leidenschaftlich und begeistert die Worte Egmonts ausrief: »Kind, Kind! nicht weiter! Wie von unsichtbaren Geistern gepeitscht, gehen die Sonnenpferde der Zeit mit unsers Schicksals leichtem Wagen durch, und uns bleibt nichts als, mutig gefaßt, die Zügel festzuhalten und bald rechts, bald links, vom Steine hier, vom Sturze da, die Räder abzulenken. Wohin es geht, wer weiß es? Erinnert er sich doch kaum, woher er kam.«