Marie von Ebner-Eschenbach EBNER-ESCHENBACH, MARIE: Meine Kinderjahre. Aus meinen Kinder- und Lehrjahren. Kritisch herausgegeben und gedeutet von Christa-Maria Schmidt. Max Niemeyer Verlag, Tübingen 1989 Iva Hamadová dar. Ein Vergleich „Meine Kinderjahre“ von Marie von Ebner-Eschenbach und „Ein kleines Lied, wie fängt’s nur an…“ von Marianne Wintersteiner Eleonora Jeřábková: MARIE von EBNER-ESCHENBACH - LEBEN UND WERK IM KONTEXT. Diss. 2013 Ebner-Eschenbach und Grillparzer Maria Stuart in Schottland (Urauff. Karlsr. 1860) lDoctor Ritter (Urauff. 1869: Burgtheater) lDas von Grillparzer form ulierte Urteil deutete sie damals als Aufmunterung, sp§ter in Meine Erinnerungen an Grillparzer. Aus einem zeitlosen Tagebuch (Bln. 1916) voll Selbstironie als hellsichtige Warnung. lHerr Hofrat, darf ich Ihnen ein Theaterstück vorlesen? Grillparzer lAm Schluss schlug er einige geringe Änderungen vor, fällte aber ein Urteil über die Arbeit nicht. l12. Wenn man ihm die Folgen dieser Nachsicht vorhielt, wurde er ärgerlich: No ja, wenn ich einem nicht grad gesagt habe: „Sie sind ein Esel! rennt er herum und erzählt, ich hätt ihn gelobt!“ Grillparzer, spanisch vorlesend die Stunden, in der mir Grillparzer in einer mir fremden Sprache eine Szene aus einem mir fremden Drama vorlas, zu meinen weihevollsten und schönsten. Am Ende legte er das Buch auf den Schreibtisch, preßte die Hand darauf und sagte ganz durchdrungen: »Alles, was ich geschrieben habe, gäbe ich um diese einzige Szene.« ... Die Selbstbiographie Grillparzers lag noch eingeschlossen in seinem Schreibtisch, die Literaturgeschichte hatte noch nicht hineingeleuchtet in das Dunkel von Torheit und Böswilligkeit, das dem Dichter die Freude an seinem Werke verdarb und ihn einen Sieg als Niederlage empfinden ließ. Hauses Nr 1097 in der Spiegelgasse lMieter bei Anna Fröhlich lin der Parallelgasse zur Dorotheengasse »Ich habe schon deshalb nicht heiraten können«, sagte mir Grillparzer einmal, »weil ich den Gedanken nicht ertragen hätte, daß es einen Menschen gibt, der das Recht hat, wann immer es ihm beliebt, in mein Zimmer zu kommen.« Sie hatten sich verlobt und nach schweren Kämpfen – entlobt, und er hatte sie meiden, sich von ihr, die ihm zur Frau nicht demütig genug und zur Geliebten zu heilig war, völlig losreißen wollen. Aber das ging über seine Kraft. Er brauchte den Verkehr mit ihr und ihrer Umgebung... 1849 zog der k.k. Archivdirektor Franz Grillparzer als Mieter Fräulein Anna Fröhlichs in den vierten Stock (zweite Stiege) des Hauses Spiegelgasse Nr. 1097 ein. 1900 erster weiblicher Ehrendoktor der Wiener Universität aus dem Geschlecht der Dubský von Zdislawitz Das Leben auf Zdislawitz und in Wien in MEINE KINDERJAHRE (1905) beschrieben. Onkel Moritz, Sohn der Tante Helene, die Marie und ihre Geschwister eine Zeit lang erzog. E.-E. heiratete 1848 ihren Vetter Moritz, Professor an der Ingenieur-Akademie in Wien, später Feldmarschalleutnant u. Mitgl. der Akademie der Wissenschaften; Bozena (1875), der erste Dienstmädchenroman 1883 Dorf- und Schloßgeschichten (Bln.), darunter Der Kreisphysikus Der Kreisphysikus, Doktor Nathanael Rosenzweig hatte eine entbehrungsreiche Jugend durchlebt. Was genießen heißt, erfuhr er in der schönsten Zeit des Daseins nicht. , Jakob Szella MK, Bd. 3, S. 808: Cholera 1836 ein großer, dunkelbärtiger Jude, und kam täglich aus der kleinen Stadt Kremsier von einem Dorf, von einem Schloß zum andern gefahren und bemühte sich um den ärmsten seiner Kranken mit der gleichen Sorgfalt wie um den wohlhabendsten. Von Pater Borek unterstützt, leitete er die Anstalten, die getroffen wurden, um das Elend, von dem wir umgeben waren, zu lindern und neuem Unglück womöglich vorzubeugen. Meine KIinderjahre, Würdigung des Arztes l»Kinder«, sprach er, »dankt dem. Der heißt nicht nur Engel, der ist ein Engel.« Er wiederholte diese Worte regelmäßig, wenn er später jener schweren Zeiten gedachte, und versäumte dann auch nie, unseren getreuen Seelsorger zu preisen: »Ja, der jüdische Arzt und der katholische Geistliche, allen Respekt! Beide waren Helden.« Emanzipation als thema der Autobiographie Sie beneidet Lessing um seine Griechisch- und Lateinkenntnisse: Wofür würde ich angesehen werden, wenn ich anfangen wollte, Griechisch und Latein zu lernen? Ganz einfach für verrückt. Ich war ja nur ein Mädchen. Was gehört sich alles nicht, schickt sich alles nicht für ein Mädchen! Himmelhoch türmten sich die Mauern vor mir empor, zwischen denen mein Dichten und Trachten sich zu bewegen hatte, die Mauern, die mich – umfriedeten. Emazipationsberichte Fanny Lewald, Meine Lebensgeschichte, 1861-1862 laus dem jüdischen Milieu, der erwungene Müßiggang, statt einer guten Ausbildung, ein Ehekontrak dem Todesurteil gleichgesetzt. lMK, Strickkunst, 772/773 ich sollte stricken lernen. Warum mir das als eine Schmach erschien, ist mir heute noch unerklärlich. Ich wehrte mich heftig und lange, doch wurde mein Widerstand endlich besiegt. Der Abscheu, den ich vor der Strickkunst empfand, endete mit der Herstellung von Strumpfbändern für meine geliebte Mama. Initiationsszene Katalogisierung der Bibliothek der Großmutter: So feierte ich wahre Leseorgien und fand die Vormittage, die vermeintlich mit Katalogisieren ausgefüllt wurden, immer zu kurz. Voll Heißhunger verschlang ich, was ich vorfand an Dramen von Shakespeare, Racine, Corneille, Goethe, Kleist, und bedauerte nur, daß meine arme Großmutter nicht ein einziges Werk der Klassiker besessen hatte, in die Lessing sich versenkte, als er in meinem Alter stand. Er freilich, er lernte sie in ihrer Sprache kennen, der Glückliche. Weil er ein Bub war, durfte er das, er mußte sogar Griechisch lernen und Latein. Tod der Großmutter: aus dem zeitlichen in den ewigen Schlaf gesunken. – Im Traume, im schönen, lichtverklärten Traume, so hoffe ich, du gute Träumerin! Die Zeit verfloß, die Tage wuchsen und mit ihnen unsere Sehnsucht nach der Rückkehr auf das Land. Sie war für Mitte Mai festgesetzt und allmählich in so nahe Aussicht gekommen, daß man begann, die Koffer vom Boden herunterzuschaffen. »Nichts von Bedeutung«, versicherte der Arzt, ein Homöopath, der damals in Wien großes Ansehen genoß. »Eine leichte Lungenentzündung; in vierzehn Tagen ist die alte Frau wieder gesund, und dann fahren Sie mit ihr, je eher, je besser, aufs Land!« Tod der Großmutter Die Erregung, mit der die gute Frau sprach, entsetzte mich. Was hat das zu bedeuten? Was gab es denn? Ich war aufgesprungen, ich rannte auf den Gang. Dort stand der alte Josef, der gekommen war, uns abzuholen, uns beide, und jetzt mich allein über die Stiege geleitete. »Nĕstĕsti, Nĕstĕsti!« war alles, was er auf meine hastigen und angstvollen Fragen erwiderte. Die Kammerjungfer erwartete mich – tief bekümmert, von Zweifeln und Sorgen zerquält. Sie wußte nicht, ob es recht von ihr sei, mich zur Großmama zu führen. In der Früh, als der Arzt dagewesen war, hatte er unsere Bitten um Einlaß grimmig abgewiesen. Aber die Frau Baronin wolle uns sehen, habe den Befehl, uns zu holen, so bestimmt gegeben – da müsse man ihr doch gehorchen. Aphorismen »Eine gescheite Frau hat Millionen geborener Feinde - alle dummen Männer.« Fragen zur Lektüre Welche Eigenschaften werden an Pepinka hervorgehoben? Sei gesegnet noch in deinem Grabe, du brave Josefa Navratil, genant Pepinka! *Kinderfrau ohne erst zu fragen, wer der Schuldige sei, teilte sie - darin ein ganz getreues Bild des Schicksals - ihre Schläge aus. Wir nahmen sie ohne Widerspruch in Empfang und liebten unsere Pflegerin und Richterin. Fragen zur Lektüre Wer erzählte von der Zlá hlava? Diese »hlava«, das war ein Kopf, nichts weiter als ein Kopf, ohne alles Zubehör. Er hatte struppige Haare und einen struppigen, feuerroten Bart, Teufelsaugen und Ohren so groß, daß er sie als Flügel gebrauchen konnte. Aber nicht lange, weil er sehr schwer war und bald wieder zu Boden plumpste. Der Kopf war ein König und hatte ein Heer, und im Krie ge rollte er ihm voran, eine fürchterliche Kugel, und biß den Menschen und den Pferden in die Füße, daß sie reihenweise tot hinfielen. Er hatte auch eine Königin, die neben ihm schlafen mußte auf demselben Polster und vor Schrecken über seinen Anblick ganz weiß wurde, immer weißer und endlich selbst ein Gespenst. Was ist Geflunker? »Ach, ich möchte, ich möchte, daß die hlava einmal mir nachgerollt käme! Ich würde nicht davonlaufen, o nein! o nein! Ich würde stehenbleiben – ich! Ich würde mich umsehen und der hlava dreimal nacheinander recht ins Gesicht das heilige Zeichen des Kreuzes machen. Da wäre sie gleich weg. O ich fürchte mich nicht – ich weiß nicht, wie das ist, sich fürchten; ich hab eine große Courage!«