Thomas Bernhard l1931 Heerlen/Niederlande - 1989 Gmunden/Oberösterreich Seine fünfteiligen Autobiographie Ein Kind, 1982 Die Ursache. Eine Andeutung,1975 Der Keller. Eine Entziehung,1976 Der Atem. eine Entscheidung, 1978 Die Kälte. Eine Isolation, 1981 (Lungenheilstätte Grafenhof von 1949 bis 1951) Austritt aus der Schule und Abbruch der Kaufmannslehre Alpenbeckett und Menschenfeind, Unterganghofer. de bernhardsche Sprachduktus lMeine Heimatstadt ist in Wirklichkeit eine Todeskrankheit, in welche ihre Bewohner hineingeboren und hineingezogen werden, und gehen sie nicht in dem entscheidenden Zeitpunkt weg, machen sie direkt oder indirekt früher oder später unter allen diesen entsetzlichen Umständen entweder urplötzlich Selbstmord oder gehen direkt oder indirekt langsam und elendig auf diesem im Grunde durch und durch menschenfeindlichen architektonisch-erzbischöflich-stumpfsinnignationalsozialistisch-katholischen Todesboden zugrunde., S. 11(6, scan) lSuperlative und Ausschließlichkeitsanspruch Mozarteum Thomas Bernhard Institut, Institutstaufe der Abteilung für Schauspiel und Regie am 16.11.2013 „Er hat Österreich gehasst, er hat Salzburg gehasst, er hat auch am Mozarteum vieles gehasst. Gleichzeitig ist er einer der prägendsten Dramatiker des 20. Jahrhunderts, und seine streitbare Haltung vermag uns heute zum lustvollen und engagierten Widerspruch zu ermutigen. Thomas Bernhard ist einer der herausragenden Künstler in Österreich, für mich einer der drei ganz großen Autoren neben Jelinek und Schwab.“ Der Untergeher,1983 Glenn Gould, Wertheimer („Der Untergeher“) und der Ich-Erzähler treffen sich 1953 bei „Horowitz“ am MozarteumD. ie Genialität Goulds, mit er Bachs Goldberg-Variationen sowie die Kunst der Fuge spielt, lassen Wertheimer und den Erzähler das Klavierspiel aufzugeben. Wertheimerwird 28 Jahre ein Müßiggänger, der sich von seiner Schwester betreuen und bevormunden lässt. Wenn sie einen reichen Schweizer heiratet und in die Schweiz zieht, bringt er sich vor ihrem Haus um. Der Ich-Erzähler verschenkte seinen Steinway-Konzertflügel und beschränkte sich darauf, immer wieder eine Abhandlung Über Glenn Gould anzufangen und jeweils zu verwerfen. Seine euphemistische Darstellung dafúr heißt „Weltanschauungskünstler“. Fast zeitgleich mit WErtheimer stirbt Gould. Der echte Glenn Gould hat weder in Salzburg noch bei Vladimir Horowitz studiert. »Möglichkeitsfetzen von Erinnerung« lMichael Philipps: Die zusammengekittete Existenz: Das Problem der Autobiographie am Beispiel Thomas Bernhards (Magisterarbeit Ludwig-Maximilians-Universitat Munchen, 2009): lStilisiert, inszeniert, fragmentarisch (Auswahl der Erinnerungen, welche aufgeschrieben werden),mit intertextuellen Bezügen lAtem, 266: Hier sind Bruchstücke mitgeteilt, aus welchen sich, wenn der Leser gewillt ist, ohne weiteres ein Ganzes zusammensetzten lässt, ...Brüchstücke meiner Kindheit und Jugend, nicht mehr. Ich nicht. »in die entgegengesetzte Richtung« „Bei mir ist alles künstlich.“ In dem Monolog Drei Tage, (1970), wehrt er sich gegen referentielle Learten: In meinen Büchern ist alles künstlich, das heißt, alle Figuren, Ereignisse, Vorkommnisse spielen sich auf einer Bühne ab, und der Bühnenraum ist total finster. Auftretende Figuren auf einem Bühnenraum, in einem Bühnenviereck, sind durch ihre Konturen deutlicher zu erkennen, als wenn sie in der natürlichen Beleuchtung erscheinen wie in der üblichen uns bekannten Prosa. In der Finsternis wird alles deutlich. Figuren wie Maler Strauch aus Frost, Fürst Saurau aus Verstörung, der Naturwissen-schaftler Roithammer aus Korrektur (1975). Erfahrungskitsch in der Autobiographie? Scherzhauserfeldsiedlung eine Kreisbewegung, ihr Ziel nur in sich selbs vs. Die anderen Menschen fand ich inder entgegensetzten Richtung, indem ich nicht mehr in das gehasste Gymnasium, sondern in die mich rettende Lehre ging. Scherzhauserfeldsiedlung Harald Hartung in Der Tagesspiegel: Bernhard ist kein Soziologe, der eine Feldstudie über ein Elendsviertel vorlegt, kein Psychologe, der den Entwicklungsproblemen eines Heranwachsenden nachgeht, auch kein erinnerungssüchtiger poetischer Registrator auf der Suche nach der verlorenen Zeit - er ist vielmehr ein Betroffener, der sich Wut und Schmerz von der Seele spricht, wieder und wieder, ohne daß eine Erschöpfung des Reservoirs in Sicht wäre. (...) Schreiben ist nicht distanziertes Schildern, sondern Existenznotwendigkeit. Schmidt-Dengler: Erzählbarkeit der Welt „Das Beschriebene macht etwas deutlich, das zwar dem Wahrheitswillen des Beschreibenden, aber nicht der Wahrheit entspricht. Wir beschreiben einen Gegenstand und glauben, wir haben ihn wahrheits gemäß und wahrheitsgetreu beschrieben, und müssen feststellen, es ist nicht die Wahrheit. Wir machen einen Sachverhalt deutlich, und es ist nicht und niemals der Sachverhalt, den wir deutlich gemacht haben wollen, es ist immer ein anderer. [...] Was hier beschrieben ist, ist die Wahrheit und ist doch nicht die Wahrheit, weil es nicht die Wahrheit sein kann.“ Thomas Bernhard – Der Keller Scherzhauserfeldsiedlung