Eduard von Keyserling (1855-1918) Schule in Aizpute (deutsch Hasenpoth) in der historischen nordkurischen Landschaft Bandowe (Bandava) in Lettland. Das Herzogtum Kurland und Semgallen existierte von 1561 bis 1795. Durch die 3. Teilung Polens wurde das Herzogtum vom Russische Reich annektiert. Lettland Biographie geb. auf Schloß Paddern im Kurland, 1875-77 Jura-, Philosophie- und Kunstgeschichtsstudium in Dorpat. Freier Schriftsteller in Wien und Verwalter seines Gutes Paddern. Lebte lange Zeit in Italien, ab 1899 in München. 1907 Erblindung.Als Kurländer blieb er zeitlebens russischer Staatsbürger; der Krieg schnitt ihn 1914 von den Einkünften aus seiner Heimat ab u. stürzte ihn in wirtschaftliche Not. Syphilis Nach dem Tod der Mutter Ende 1894 und der Übergabe der Güter an die beiden Majoratsherren zog er mit den ebenfalls unverheirateten und literarisch tätigen Schwestern Henriette und Elise 1895 nach München. Als Folge einer Syphilis-infektion brach 1897 das Rückenmarksleiden aus, das schon den 45jährigen zum »alten Keyserling« machte und ihn 1908 erblinden ließ; die späteren Werke hat er seinen Schwestern diktiert. Münchner Boheme Keyserlings Stammtisch war ein Mittelpunkt der Schwabinger Boheme. Hier trafen sich Halbe, Wedekind, Corinth, Kassner, Kubin und andere - nachmittags im Café Stephanie, abends im Weinlokal Torggelstube, im Hoftheaterrestaurant am Max-Joseph-Platz oder bei Kathi Kobus im Cabaret Simplicissimus. Bis zuletzt besuchten ihn, neben den Freunden Halbe u. Kassner, die Fürstin Marie von Thurn und Taxis-Hohenlohe (sie hat K.s Erzählung Schwüle Tage ins Französische übertragen) und die Baronin Marie von der Osten-Sacken, die später – mit seiner Schwester Hedwig - nach Keyserlings letztem Willen seinen Nachlaß vernichten half. Schlossgeschichten bei Samuel Fischer Beate und Mareile. Eine Schloßgeschichte (Bln. 1903) Der nicht mehr junge Graf Günther zwischen seiner »weißen«, entsinnlichten Frau Beate und der »roten«, leidenschaftlichen Inspektorstochter Mareile, die zur gefeierten Sängerin avanciert. Der Ausbruchsversuch des Grafen aus der Dämmerungswelt des Schlosses scheitert an einer Duellverwundung, die ihn in den scheinbar »hübschen, glatten, tiefen Hafen« seiner Ehe zurückholt. Schlossgeschichten bei Samuel Fischer Die Harmonie (aus: Schwüle Tage. Einzelausg. Bln. 1914) lSelbstmord einer hochmütig-todessüchtigen Schloßherrin; sie geht ins Wasser und bannt ihren Mann nur um so mehr in den Kreis eines Lebens, in dem er sich gefangen fühlte wie in einem »Glasladen«: »Alles hatte hier Nerven, alle Menschen, alle Möbel, alle Blumen.« »Das Erotische wird [...] zur treibenden Kraft des gesellschaftlichen Lebens« (so K. in dem Essay Über die Liebe. In: Neue Rundschau 18, 1907). Die Jungen sterben, nur die alten Herrschaften richten sich - zynische Parodoxie - in selbstgenügsamer »Behaglichkeit« ein. »Aussterben ist vornehm« sagt Onkel Thilo, der letzte Reichsgraf zu Elmt, in der Novelle Harmonie. Impressionismus Genau benannte Sinneseindrücke, Farben, aber auch Gerüche und Klänge, die Übergänge und Gegensätze von Hell und Dunkel, Innen und Außen, als Schicksalssignale. Zwischen Fontane und Thomas Mann, im europäischen Kontext neben Turgenjew, Tschechow und Bang. D. C. Riechel: Monet and Keyserling. Toward a grammar of literary impressionism. (1980), S. 193-219. Wolfdietrich Rasch: Décadence-Motive in E. v. Keyserlings Romanen und Erzählungen. In: Jb. Int. Germ. 15, H. 1 (1983), S. 8-37.