Adorno, Staengle, Schönwiese, Topol´ská, Cramer, Mühlberger Theodor Wiesengrund Adorno: Hermann Grab in: Die neue Rundschau 60 (1949), H.16, S.594; wieder in: Theodor W. Adorno: Vermischte Schriften II.- Frankfurt a.M.: suhrkamp 1986 (= Gesammelte Schriften. Hrsg. von Rolf Tiedemann, Bd.20.2), S.465-467) Die ästhetischen Nerven taugen nicht mehr dazu, die Wahrheit zu registrieren. Wer überhaupt noch Sensibilität hinüberrettete, muß dem künstlerischen Ausdruck um dessen eigener Wahrheit willen ein Fremdes, Ätzendes beimischen. Fast ließe die Substanz eines Künstlers heute daran sich erkennen, ob er anderes vermag, als ihm an der Wiege gesungen ward. So geschützt konnte Hermann Grab sich bilden, daß ihm der österreichische Impressionismus noch selbstverständlich war, als längst die spiegelnd glatte Fläche der Gesellschaft zerbrochen lag. Er hat den poetischen Konflikt des zarten Subjekts mit der befestigten Bürgerlichkeit nachgelebt, während schon Kafka die schwarzen Parabeln schrieb, in denen das Subjekt einzig noch als verendendes erscheint. Aber er hat mit einer Zähigkeit, die seiner Zartheit gleichkam, aus dem Anachronismus ein Mittel der Verfremdung gemacht. Der Schauder vor der kalten erwachsenen Welt ist ihm zum Medium geworden, das Monströse, der humanen Erfahrung Entzogene dieser zuzueignen. Wie er gegen den konformistischen Druck des Milieus nicht rebellierte, sondern mit graziöser Schnödigkeit[1] und jüdischen Witzen sich wehrte, so hat er als gepflegter und nuancierter Schriftsteller aufs Anorganische, Brüchige, Unmenschliche zögernd sich eingelassen. Der Autor lyrischer Prosa beugte sich der Last des Grauens, unbekümmert um die eigene Anlage und Vorgeschichte. Seine Stärke war das Bewußtsein der Schwäche. Epoche hat in seiner literarischen Existenz die Kenntnis Marcel Prousts gemacht. Mit ihm teilte er, außer der Bilderwelt staunender Kindheit, die Hypochondrie, durch die er sich selber zum Meßinstrument erzog, und die Genialität des Gedächtnisses. Der »Stadtpark«, das einzige publizierte Buch, zeigt mit den psychologischen Porträts des zweideutigen Freundes und der ahnungslosen Mutter noch die Schule Prousts und die Thomas Manns. Dann begann er planvoll beschädigte Novellen zu schreiben wie die von der Angestellten, die zur gleichen Zeit, da der nationalsozialistische Terror über ihre Heimatstadt sich lagert, eine italienische Reise macht, auf der sie nichts mehr erlebt als den toten Abguß approbierter Kultur. Zuletzt dachte er an einen großen Roman, der den hektischen Aufstieg einer jüdischen Bankierfamilie und ihren Untergang in Polen hätte darstellen sollen und etwas wie den Archetypus der Gesellschaft zwischen den beiden Kriegen geben. Die Ausführung ward ihm versagt. Drei Jahre brachte er im Kampf mit der unheilbaren Krankheit zu, deren Wesen er heroisch sich verschwieg. Sein helles Bewußtsein schien aller rohen Fatalität zu spotten. Daß er starb, ohne zu vollenden, was ihm möglich gewesen wäre, bezeugt etwas von der Ohnmacht des Geistes selber. Peter Staengle: Nachwort In: Grab: Stadtpark und andere Erzählungen. Frankfurt a. M.: Fischer, 1985. S.199-207 Mit Kafka, Rilke, Werfel ist die Beweisaufnahme längst abgeschlossen - trivial, Prags Bedeutung für die moderne deutsche Literatur eigens hervorzuheben. Höchste Anerkennung trübt indessen den Blick. Was gab es außerdem? Wer waren die Kometen der Kafka-Galaxis? Welches Schicksal ereilte die Nachgeborenen? Schon ein flüchtiger Blick in Max Brods Erinnerungsbuch »Der Prager Kreis« erkennt eine schillernde Vielfalt, nimmt Kostbarkeiten wahr, die noch zu bergen sind. Er stößt auch auf den Namen Hermann Grab. In Autorenlexika und Literaturgeschichten sucht man ihn vergebens: »Auch die Toten werden vor dem Feind, wenn er siegt, nicht sicher sein. Und dieser Feind hat zu siegen nicht aufgehört« (Walter Benjamin). Grab hinterläßt ein literarisches Œuvre schmalen Umfangs: einige Erzählungen und den 1935 in Wien und Leipzig erschienenen Roman »Der Stadtpark«. Die minimale Resonanz auf die bald nach Kriegsende von Ernst Schönwiese, einem Freund Grabs, veranlaßten (Neu-)Editionen bestätigen Benjamins Diktum mit trauriger Nachdrücklichkeit. Das Werk Hermann Grabs ist um zwei Themenbereiche konzentriert, die ohne bekenntnishafte Aufdringlichkeit autobiographisches Material präsentieren. Es handelt von seiner im großbürgerlichen Milieu behüteten Prager Kindheit um 1916 und von Flucht und Exil. Eine Zusammenstellung brieflicher Hinweise an seinen Herausgeber Schönwiese erhellt diesen Hintergrund: »Biographie skandalös uninteressant. Geboren 6. Mai 1903 in Prag, studierte Philosophie und Musik in Prag, Wien, Berlin, Heidelberg, Dr. phil. in Heidelberg. (Daß ich, um gegenüber meinem Vater freie Hand in der Berufswahl zu haben, aus Gründen einer gesicherten Zukunft nebenbei ein Jus-Doktorat machte und halbtägig ein Jahr lang in der Ihnen bekannten >Advokatenkanzlei< arbeitete, braucht nicht erwähnt zu werden.) Dann einige Jahre Journalist (Musikkriti- 199 ker) und Musiklehrer in Prag. >Stadtpark< geschrieben 1932, publiziert Neujahr 1935. Daneben viel unpublizierte Lyrik, Roman und Novellen. (Das alles soll nicht publiziert werden und ist nebenbei zum größten Teil verschwunden, nur einem in Paris bei der Flucht abhanden gekommenem Stoß von Kurzgeschichten jage ich noch nach).« Grab hoffte darauf, daß sich dieses Manuskript im Nachlaß Walter Benjamins wieder finden lasse. Kurt Hobi, der dieser Spur in seiner verdienstvollen Dissertation über Grab nachging, blieb leider ohne Erfolg. »Ich habe Prag im Feber 39 verlassen, nicht um definitiv zu emigrieren, sondern nur um mich umzusehen, ich gab in Paris ein Konzert, das mir die Möglichkeit bot, meine drei historischen Klavierinstrumente herauszubringen (wie Sie wissen, ist Musik mein Brotberuf). Nach dem 15. März bin ich natürlich nicht nach Prag zurückgekehrt, ich blieb in Frankreich. Beim Zusammenbruch Frankreichs hatte ich die unwahrscheinlichsten Schwierigkeiten, zu entkommen, aber es gelang, ich war schon Ende Juni in Portugal (...), von Portugal aus kam ich fünf Monate später auf dem normalen Weg hierher (in die USA, P.S.). Durch die unglücklichste Verkettung von Umständen ist meine Mutter in Prag geblieben, ist nach Polen deportiert worden und ist dort gestorben, eines natürlichen Todes, wie mir berichtet wurde, aber man weiß, wie sehr der natürliche Tod unter diesen Verhältnissen beschleunigt wurde.« »In New York als Musiklehrer tätig, Lehrstelle für Klavier an einem Konservatorium. In der Emigration nur ein paar kleine musikalische Dinge veröffentlicht, einige Novellen geschrieben und Arbeit an einem Roman.« Das trifft jedoch erst für die Zeit ab 1944 zu, denn an einer anderen Stelle schreibt er: »Ich muß zu meiner Schande gestehen, daß ich in den ersten fünf Jahren der Emigration nichts geschrieben habe.« Am 2. August 1949 stirbt Hermann Grab nach längerer schwerer Krankheit in New York. Nur unzureichend kann hier auf Grabs Tätigkeit als Musiker, vor allem aber als Musiktheoretiker und -lehrer eingegangen werden. Wenn er sich jedoch unter dem Druck des Exils über die Musik als Brotberuf beklagt, so verschleiert dies indessen, daß er darin Beträchtliches geleistet hat. Beispielsweise konnte, wie Th. W. Adorno schreibt, zu Richard Strauss nur Grab »allein Authentisches über das Verhältnis von Privatperson und Oeuvre« beitragen. 200 Sinnfällig wird auch, welch eminente Bedeutung Musik für das literarische Werk besitzt. Zunächst inhaltlich durch die immer wiederkehrende Schilderung von Konzerten und Klavierstunden, von Musikkritikern und Klavierlehrerinnen. Wesentlicher vielleicht, und darauf hat H. G. Adler nachdrücklich hingewiesen, in formaler und stilistischer Hinsicht, wenn zum Teil avancierte musikalische Verfahren genutzt werden: »Der Vergleich mit Musik ist (...) berechtigt, er gilt in der thematischen Führung, die, vieldeutig in der Art musikalischer Moti-vik, fortgesponnen und wieder aufgegriffen wird; er gilt für den melodisch rhythmischen Satzbau, der sich beim Vorlesen enthüllt.« Wie wäre es auch anders möglich bei diesem feinsinnigen Musikliebhaber, der dem Kreis um Arnold Schönberg nahestand und schon früh mit George Szell und Rudolf Serkin engen freundschaftlichen Kontakt pflegte. Im Winter 1934 (der Druck selbst nennt 1935) erscheint »Der Stadtpark«. Grab hatte seinen einzigen Roman, den Hermann Broch in einem Brief »ein außerordentlich begabtes Buch« nennt, bereits drei Jahre vorher abgeschlossen. Das Buch führt ein in jene großbürgerliche Welt, der er selbst, aber zum Beispiel auch Franz Werfel (man vergleiche dazu dessen Schilderung dieses Milieus in der Erzählung »Kleine Verhältnisse«) entstammten. Der Klappentext zur Wiener Fassung bekräftigt die stoffliche Authentizität: »Meine Heimatstadt Prag, die Erinnerung an eine bürgerliche Kindheit, an deren Hoffnungen und Fragwürdigkeiten geben mir den äußeren Anlaß für die Fabel.« Eine gewisse Identifizierung des Autors mit seinem Helden darf unterstellt werden (daß beide ihren 13. Geburtstag im Jahre 1916 feiern konnten, ist nur die auffälligste Gemeinsamkeit). Das Verfahren ist nicht unbekannt. Schon Klaus Mann, einer von Grabs ersten Bewunderern, hat in seiner Besprechung für die Exilzeitschrift »Die Sammlung« die Quelle treffsicher benannt: »Er hat viel von Proust gelernt (...). Proust (...) hat die Technik erfunden, mittels derer eine neue Sensibilität, eine neue Erfahrenheit in den kleinsten und schwierigsten Dingen sich ausdrücken kann. Grab besitzt diese Technik, samt dem wohlbehüteten Erfahrungsschatz seelisch-sinnlicher Impressionen. Er darf es sich also leisten, nur ein Minimum an Handlung zu geben.« 201 Selbst inhaltliche Parallelen bestehen, die ein anderer Bewunderer, Peter Härtling, in einer Motivreihe (junges Mädchen – Park – geheimnisvolle Welt der Frau Gérard) nachgezeichnet findet. Deutlich inspiriert von Proust sind ferner die stets wiederkehrenden Reflexionen auf die Zeit, auf ihre Wirkungs- und Erfahrungsweisen, und schließlich die Beschwörung unwillkürlicher Erinnerung (»memoire involontaire«), die den Roman strukturiert und zusammenhält. So heißt es an einer gleichsam programmatischen Stelle: »Aber dieses erste Zusammentreffen von Felix und Marianne, diese kleine Szene behielt Renato trotzdem sehr lange und auch noch in viel späteren Jahren im Gedächtnis. Sie hatte sich erhalten in Gestalt einer jener Momentaufnahmen, die unser Geist vielleicht recht wahllos produziert, deren Aneinanderreihung aber das Album ergibt, das wir gelegentlich durchblättern und das wir für unser Leben halten.« Prousts hervorragende Rolle für Grab wird auch daraus ersichtlich, daß Grab sich als seinen ersten Leser in Prag bezeichnete - längere Passagen des französischen Originals konnte er aus dem Gedächtnis vortragen. Außerdem verfaßte er, während »Der Stadtpark« entstand, einen vielbeachteten Essay anläßlich Prousts zehnten Todestages und einen Vortrag zu Leben und Werk. Weitere Lieblingsautoren: man weiß von Hofmannsthal, von Stefan George. Hervorzuheben sind Kafka, von dem noch zu sprechen sein wird, und Thomas Mann, denn zu Recht wurde der Roman einmal als das »Herzstück der Prager Buddenbrooks« bezeichnet. Auch Anklänge an Katherine Mansfield und Virginia Woolf sind vernehmbar. So muß Renato (wie vorher Mrs. Dalloway) erkennen, daß hinter dem von Konventionen nur mühsam aufrechterhaltenen Schein das Todesurteil über die alte bürgerliche Gesellschaft längst gesprochen ist: »... und da die Onkeln ihre Kriegswitze erzählten und auch über die verstorbene Tante Melanie ein wenig lachten, schien durch die schadhaften Stellen der Kulissen und durch die Lücken ihrer schlechten Postierung dennoch für Renato der Ausblick auf eine Hinterbühne freigelegt, eine Hinterbühne, die sich im Finsteren dehnte und deren Gegenwart ihm den Atem nahm, als er bemerkte, wie Tante Melanie in ihrem schwarzen Sarg allein in dieses Dunkel fuhr.« 202 Der Zerfall der bürgerlichen Welt, den eine (noch) funktionierende Oberfläche kaschiert: das führt zu den Überlegungen, die Grab in seinem Essay »Über die Schönheit häßlicher Bilder« (1934) dem Frühwerk Max Brods gewidmet hat. Sie sind als Grabs »aesthetica in nuce« anzusehen. Über Brod sprechend, entfaltet er eigene Gestaltungsprinzipien. Wenn beispielsweise die Metaphorik des Theaters (Kulisse, Hintergrund, Vorhang) auffallend häufig genutzt wird, so deshalb, weil sie »die Scheinhaftigkeit des Lebens am deutlichsten erweisen« kann – sie zeigt die »Fassade des Alltags«. Pointiert und ergänzt wird dies durch die dem Roman ebenso wesentliche Bildebene des Mechanischen (automatischer Maschinen), die dazu dient, »den Antagonismus zwischen den realen Mächten und dem marionettenhaften Leben« sichtbar werden zu lassen. Diesen Antagonismus auszuhalten und dichterisch zu gestalten, wird zum Kriterium für Grabs poetische Sachlichkeit; seine intensive Erfahrungsfähigkeit, seine »Netzhaut-Sensibilität« (Carl Seelig) gründen darin. Zudem erlaubt es die entscheidende Abgrenzung von Kafkas Verfahren, wenn man eine Stelle des Essays über Brod leicht abwandelt: »Denn während bei Kafka die Oberfläche, das Medium, bis zur Unsichtbarkeit transparent geworden ist«, so ist bei Grab »das Medium von konstitutiver Bedeutung. Der exakteste Kunstverstand und die zarteste Ironie läßt die Besonderheit der Zeit, des Orts vor uns erstehen (...). Aus unsichtbaren Hintergründen dringt durch die Ritzen dieser Welt der Dunst einer Stadt herein, die Luft der bleitürmigen Traumstadt Prag.« Die falsche Wirklichkeit erlangt so poetische Dignität ohne biedermeierliche Verklärung. Grab tat gut daran, sein Verhältnis zu Kafka zu bestimmen. In ihrer forcierten Gleichnishaftigkeit verraten die Arbeiten aus den frühen dreißiger Jahren noch eine deutliche Abhängigkeit; der literarische Einzelgänger wählte sich das (nicht zuletzt auch geographisch) naheliegendste Vorbild. Zentrale Kafka-Motive variiert die kurze Erzählung »Der Taxichauffeur«. Da ist die Bedrohung durch eine unnahbare Gewalt, die ihre Personifikationen zu wechseln vermag, eine Gewalt, die unsauber und gleichzeitig doch rein ist; Musik verkommt zu Lärm, Sprache wird entgrenzt: »... es waren Laute, die unseren gebräuchlichen nicht im mindesten vergleichbar sind. Diese Laute lassen sich in keiner Weise wiedergeben« 203 (man vergleiche dazu Kafkas Tierwelt oder die mißlingende Kommunikation in »Die Verwandlung«). Schließlich, am Ende, die im Kontrast zu Kafka allenfalls blaß bleibende Einsicht in den Ursprung unverschuldeter Schuld, in die Unumstößlichkeit des Urteils und in die Permanenz seiner Vollstreckung: »Was soll ich nur beginnen? Es hätte eben nicht geschehen dürfen. Die Mühe, meinen Koffer selbst herauf zutragen, wäre nicht so groß gewesen.« Die sinnbildliche Funktion der Schlußabschnitte in Grabs Erzählungen und der Romankapitelenden sei ausdrücklich hervorgehoben. Einzig »Der Taxichauffeur« blieb in seiner früheren Fassung erhalten. Die anderen an Kafka geschulten Texte sind verschollen, Hermann Grab hat sie später in seinem New Yorker Exil aus dem Gedächtnis rekonstruiert. Es sind: »Der Mörder«, »Gespräch des Toten« und »Unordnung im Gespensterreich« (ursprünglicher Titel »Gespenster«). Im Rückblick indessen erweisen sich diese ersten Arbeiten nicht nur als literarische Etüden, aus der Distanz tritt ihre Zeitbezogenheit zutage. Sie sind eben auch lesbar als Allegorien des heraufziehenden und sich etablierenden Naziterrors. So versinnbildlicht »Die Unordnung im Gespensterreich«, das hat Ernst Schönwiese gezeigt, den von Broch diagnostizierten »Zerfall der Werte«: »Es gibt jetzt leider viel Unordnung in unserem Gespensterreich. Früher, das weiß man, waren andere Zeiten. Man konnte (...) fragen und bekam sehr präzise Antwort.« Jetzt lächelt man nur beschwichtigend. »Aber dort, wohin sich das Gespenstervolk verzogen hat, dort weiß man eben gar nichts.« Das Alte, der Graf Abälard geht noch um, aber es scheint bloß eine Gewohnheit zu sein. Noch ist nichts geschehen, »aber das ist gewiß nur ein Zufall. Im Durchschnitt kommt er immer seltener, bald wird er gar nicht mehr zu hören sein.« Noch deutlicher ist, wenn sich in der anderen Erzählung der Mörder mit dem schwarzen Schnurrbart (!) in eine Familie, wie zu lesen ist: in die bürgerliche Gesellschaft, drängt: »Niemand wagte, sich zu rühren. Endlich war es Monsieur, der das Schweigen unterbrach. >So nehmen Sie doch Platz<, sagte er.« Die zynische Leutseligkeit des Mörders gemahnt schrecklich an die der KZ-Schergen, wie sie Protokolle aus Kriegsverbrecherprozessen dokumentieren: »Der Mörder war im übrigen sehr gemütlich geworden. Er zog seine Brieftasche hervor und entnahm ihr ein paar Photos. >Sie müssen sich die Bilder von meinem Jungen ansehen<, sagte er zu Madame. >Fünf Jahre ist das ganze Kerl- 204 chen, hier sehen Sie, sitzt er im Boot, hier steht er auf seinen kleinen Skiern.<« »Die Kinderfrau«, Hermann Grabs erster literarischer Text, der im Druck erscheint, läßt eine Ablösung von Kafka erkennen. Mögen auch die Zimmerherren noch von fern an »Die Verwandlung« erinnern, so sind doch Stoff und Atmosphäre eher die des »Stadtparks«: die Kinderfrau ist eine nahe Verwandte der »dienstbaren Geister« Miß Florence und Fräulein Konrad. Die literarischen Arbeiten zwischen dem Roman und den seit 1944 in Amerika entstandenen Erzählungen sind wohl als verloren anzusehen. Leider – denn aus ihnen wäre eine schriftstellerische Weiterentwicklung rekonstruierbar, die Hermann Grab in einer auf »Die Advokatenkanzlei« bezogenen Briefstelle andeutet: »Sie werden« diesen Text »wohl ebenso weit entfernt vom Proustschen »Stadtpark« sehen wie vom Kafkaschen »Taxichauffeur«. Exakt trifft die Gattungsbezeichnung »Novelle« den Charakter dieser Erzählungen. Die Handlungsführung ist klar und gestrafft, ohne Deviationen und streng konturiert. Auf weltanschauliche Exkurse, die den parataktischen Zusammenhang des Romans – seine Gedächtnisstruktur – zwar fundieren, ihm zugleich aber eine gewisse Breite verleihen, wird nun gänzlich verzichtet. Dem entspricht die einfache, in ihrer präzisen Anschaulichkeit noch intensiviertere Sprache, die durch ihre Verknappung ein schwungvolles Erzähltempo bewirkt. Das wohl schönste Beispiel liefert dafür die hektische Italienreise der bildungsbeflissenen Angestellten in der »Advokatenkanzlei«. Eine grundsätzliche Wende der ästhetischen Anschauungen Grabs kann indessen nicht behauptet werden, allenfalls die konsequente Richtungsänderung seines Wahrnehmungsapparats. Material ist wieder die Erinnerung, das selbst erlittene Schicksal. Nun aber bleibt die Beziehung zwischen dem Autor und dem Dargestellten unausgesprochen; im Objektiv des Autobiographischen erscheinen die Leidensgenossen: Grabs persönliche Anwesenheit in seinen Figuren vergrößert sich in dem Maße, wie er hinter ihnen als ihr Urheber zurücktritt. Das demonstriert ein Abschnitt aus »Ruhe auf der Flucht«, von der er sagt, daß ihm »gerade an dieser Novelle am allermeisten gelegen« sei. Dort heißt es vom ersten Brief der Frau Ehrlich unter anderem: »In lebhafter Sprache schrieb sie von der Flucht aus Paris, den angestauten Straßen, den belgischen und holländi- 205 sehen refugies«, dann »von der Ankunft in Bordeaux, den Massenlagern in Bahnhöfen und auf freien Plätzen«. In Biarritz »aber traf sie die Nachricht von der Übergabe, hier hörten sie in den Lautsprechern die Stimme des greisen Marschalls«: Bereits in Bordeaux hatte »Herr Ehrlich in glücklicher Vorsicht (...) den hohen Preis für ein Durchreisevisum durch die Negerrepublik Haiti erlegt und damit auch die Durchreisebewilligung durch Spanien und Portugal erworben«. Über die selben Fluchtstationen entkam auch Hermann Grab aus Frankreich. »Ruhe auf der Flucht«, ist, wie Grab schrieb, »ein Miniaturbild« seines Aufenthalts in Portugal. Er hielt sie für seine wichtigste Arbeit. Gleichwohl fürchtete er, »daß der Publikation Schwierigkeiten entgegenstehen, da diese Erzählung eine Reife von Seiten des Lesepublikums voraussetzt, die vielleicht nicht allgemein gegeben ist.« Seine Befürchtungen betrafen, wie man mutmaßen kann, die Präsentation, denn wohl nirgendwo in Zeugnissen vergleichbaren Inhalts vollzieht sich die Suche nach Asyl mit so alptraumhafter Konsequenz, nirgendwo kontrastiert ihr so kraß eine Atmosphäre, die das alte Ehepaar an eine Urlaubsreise denken läßt. Die Irritation des Lesers entspringt diesem Widerspruch. Die Einheit des Widersprüchlichen, das Gesamt verschiedener Realitätsschichten darzustellen, ist Grabs poetologisches Grundprinzip, das durch sein ganzes Werk hindurch zu beobachten ist (auf die Verarbeitung des Widerspruchs von Wesen und Erscheinung wurde bereits hingewiesen). Dieses Prinzip ermöglicht einen Realismus, der, obgleich impressionistisch vermittelt, nie dem Schein der Oberfläche verfällt. Im Versuch, diesem Prinzip immer neue Techniken abzugewinnen, ist Grabs dichterische Entwicklung zu sehen. Komplexität gewinnen »Die Mondnacht« und »Hochzeit in Brooklyn« durch das Zugleich von Glück und Tod. Die Darstellungsweise in »Die Advokatenkanzlei« und im Fragment »Der Hausball« dagegen verzeitlicht die Identität des Gegensätzlichen. So wird der Traum Fräulein Kleinerts in den als Sanitätern verkleideten Killern der Konzentrationslager grausige Realität. Für sich spricht die parallele Stelle im »Hausball«: »Eugenie überlegte. Sie wußte, daß sie jetzt eine Entscheidung fällen mußte und daß die Entscheidung folgenschwer war. Gewiß, wenn wir an die Listen denken, auf denen zwanzig Jahre später der Name Margits, aber auch der Name Frau von Lauf- 206 fers angeführt war, dann muß es uns wohl scheinen, als habe Eugenie die Tragweite ihrer Entscheidung überschätzt.« Überblickt man alle Stationen des Erzählwerks, so ist man versucht, eine stoffliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Texte auch jenseits ihrer autobiographischen Substanz aufzuweisen. Das legt auch der Hinweis nahe, dem zufolge Grab noch kurz vor seinem Tod einen Roman konzipierte, der den von den Erzählungen markierten Zeitraum umspannen sollte; sein Held sollte Felix Bruchhagen sein. Wie seine einzelnen Arbeiten, so setzt sich Hermann Grabs gesamtes CEuvre aus jenen Momentaufnahmen zusammen, deren inneren Zusammenhang sein Prinzip der dissonanten Harmonie, wie er es im »Stadtpark« formuliert, stiftet: »Auch später, wenn es uns etwa gelungen sein mag, der Wahrheit etwas näherzukommen, auch dann haben wir noch lange nicht die volle Wahrheit, die alle Dinge miteinander harmonieren läßt. Der menschlichen Optik ist die Welt offenbar nur in Ausschnitten gegeben und nur soweit als diese Ausschnitte in Widersprüchen zueinander stehen.« Nach dem Zweiten Weltkrieg widerfuhr Hermann Grabs Werk, was im wesentlichen mit aller Exildichtung geschah: eine Rezeption fand (lange Zeit) nicht statt. Der Zugang in die gleichsam aristokratischen Gefilde der Literaturgeschichte wurde von ihren Verwaltern mit jenem Eifer bewacht, an den die von Th. W: Adorno (in dessen »Ohne Leitbild«) mitgeteilte Anekdote denken läßt: »Im Frühjahr 1926 saßen Hermann Grab und ich im Löwensteinschen Park bei Klein-Heubach. Mein Freund stand damals unter dem Einfluß Max Schelers und sprach enthusiastisch vom Feudalismus, der Schloß und Anlagen derart aufeinander abzustimmen vermochte. Im gleichen Augenblick erschien eine Aufsichtsperson, die uns rauh verscheuchte: »Die Bänke sind für die fürstlichen Herrschaften reservierte« Heidelberg, im Sommer 1984 207 Ernst Schönwiese: Ein Prager Schüler Marcel Prousts: Hermann Grab (1903-1949) in: Literatur in Wien zwischen 1930 und 1980 Wien: Amalthea, 1980. Hermann Grab wurde am 6. Mai 1903 in Prag geboren. Er entstammte einer alteingesessenen Patrizierfamilie, in deren Haus sich Dichter wie Franz Werfel, Max Brod, Johannes Urzidil, aber vor allem Musiker und Musikliebhaber trafen; auch Richard Strauß, mit den Grabs verschwägert, gehörte zu diesem Kreis. Der junge Hermann Grab, von frühauf musikalisch begabt, studierte zunächst, dem Wunsch seines Vaters folgend, Philosophie bei Jaspers in Heidelberg, und dann in Prag Rechtswissenschaften. Erst nachdem er diese beiden Doktorate erworben hatte, widmete er sich der Musik. Er vervollkommnete seine pianistische Ausbildung bei Robert in Wien, studierte bei Zemlinsky Komposition und erwarb sich bald einen ausgezeichneten Namen als Clavichord- und Cembalospieler. Daneben war er als Musikkritiker tätig. Im Jahr 1932 schrieb er seinen Roman »Der Stadtpark«, der Anfang 1935 erschien. Daneben entstanden Novellen und Gedichte, die zum größten Teil verloren gegangen sind. Als 1939 die Tschechoslowakei von Hitler besetzt wurde, war er gerade in Paris, wo er ein Konzert gegeben hatte. Von Paris kam er 1940 über Lissabon nach New York, wo er bald einer der angesehensten Lehrer an einem der zwei bedeutendsten Konservatorien New Yorks, dem Manes College of Music, wurde und gleichzeitig eine eigene Musikschule leitete. Eine seiner besten und bekanntesten Schülerinnen, die er von ihrer frühen Jugend bis zu seinem Tode unterrichtete, ist die Pianistin Lilian Kallir, die auch in Deutschland und Österreich konzertierte. In New York – wo er sich übrigens auch verheiratete – entstanden seine reifsten Erzählungen, von denen aus dem Nachlaß sieben, vereinigt unter dem Titel »Hochzeit in Brooklyn«, als 145 Band 34/35 der von Rudolf Felmayer herausgegebenen Reihe »Neue Dichtung aus Österreich«, erschienen sind. – Grab starb am 2. August 1949, die letzten Monate völlig gelähmt, nach langer schwerer Krankheit, die ihn nicht mehr das Ziel erreichen ließ, auf das er als Schriftsteller angelegt war. Aber der Roman »Der Stadtpark« und die Novellen lassen erkennen, welch eminentes Erzähltalent wir in ihm besessen haben. Er war vielleicht der stärkste epische Dichter jener Generation, die auf Kafka, Musil, Broch und Roth folgte, die bis 1938 noch nicht zur Entfaltung gekommen war und nach 1945 aus zeitgeschichtlichen Gründen nicht mehr zur vollen Wirkung kam. Es wäre an der Zeit, Wert und Rang dieses zarten und reinen Erzählers zu erkennen. Der erste, der Grabs ungewöhnliche Begabung sofort erkannte, war Klaus Mann. In der unter dem Patronat von Andre Gide, Aldous Huxley und Heinrich Mann von ihm herausgegebenen Literaturzeitschrift »Die Sammlung« schrieb er über Grabs »Stadtpark« u. a.: »Das psychologische Detail, die kleine Beobachtung hat jene Exaktheit, jene hellhörige Treffsicherheit, die fast weh tut. Neu und glücklich gefundene Wortbilder, welche die Erinnerung an bestimmte Gefühlszustände mit der Kraft einer magischen Formel beschwören, haben beim empfänglichen Leser einen kleinen Schauer zur Folge, der aus Entzücken und Entsetzen gemischt ist. Diese kostbaren Schauer – mit denen die Lektüre der Romane von Marcel Proust uns beinah quälend reichlich beschenkt – erfährt man aus dem melancholisch zärtlichen Buch von Hermann Grab. Er hat viel bei Marcel Proust gelernt . . .« – Ich glaube nicht, daß es leicht fallen würde, einen zweiten Autor zu nennen, der die für die Entwicklung unserer Prosa-Epik so wesentliche Schule Prousts mit soviel Gewinn für seine eigene Begabung zurückgelegt hätte. – Heinz Politzer nannte das Buch »das Herzstück der Prager Buddenbrooks« und dachte dabei vor allem an eine Parallele zwischen Thomas Manns Hanno und Hermann Grabs 146 Renato, von dessen Ängsten, Sehnsüchten und Wunschträumen, von dessen Erwachen und Heranreifen erzählt wird. Kindheit, Schule, Klavierstunde, erstes Auftreten bei einer Schulakademie, Verwirrung des Herzens, zerstörte und bewahrte Freundschaft, das alles wird hier dem Leser zu sicherem und überzeugendem Erlebnis hingereicht, in einer Darstellung, die vom Impressionismus die Mittel entlehnt hat, sich aber – ohne dem Analytischen zu verfallen – zu einer Art >plastischen Denkens< und Erlebens fortentwickelte. Als Beispiel sei hier Renatos morgendliche Glücksminute zitiert, die er erlebte, als er eines Tages früher als sonst im noch dunklen Zimmer erwachte: »Vor den Fenstern machte schon eine vereinzelte Elektrische ihren Bogen, und ihre Geräusche, das Anschlagen der Glocke und das Kreischen der Räder in den Schienen, breitete sich für eine kurze Weile auf dem Untergrund der Leere und der Dunkelheit des Platzes aus. Einmal stand Renato um diese Stunde auf, und da bekam er das Glück so körperlich zu spüren, wie es ihm noch niemals widerfahren war. Er stellte sich ans Fenster und durch die Rolläden hindurch konnte er hinaussehen. Auf der gegenüberliegenden Seite, mitten innerhalb der schwarzen Häuserreihe, war ein Laden mit Viktualien sehr hell erleuchtet. In der Entfernung waren die Dimensionen des Bildes stark verkleinert, die ausgestellten Kohlköpfe, die Äpfel und die Birnen, die Frau, die mit einer Waage hantierte, das alles war zur Winzigkeit zusammengeschrumpft . . . Renato sah die farbigen Früchte in ihrer schönen und bedauernswerten Spielzeugexistenz, er sah die Frau, wie sie langsam und gleichmäßig im Laden herumging . . ., und dieses Bild in seiner gewissermaßen ländlichen Selbstzufriedenheit war so schön eingebettet in die Straße, deren nächtliche Ruhe und Finsternis in dieser Morgenstunde um so kostbarer erschien, daß Renato nicht wußte, was er zu beginnen habe . . . Aber die Dunkelheit des 147 Zimmers und der Gesang der Straßenbahn draußen auf dem Platz, das alles war nicht wirklich da ... Und wenn er dann darüber nachdachte, was das Erschreckende gewesen war, das er gesehen hatte, dann wußte er nur so viel, . . . daß er sich selbst in diesem Augenblick unendlich groß erschienen war. Er war so groß gewesen, daß alle anderen Menschen, die ganz wie er selbst sich >Ich< zu nennen pflegten, in dieser Größe untergebracht waren, . . . während über ihnen sich ein unendlich ausgedehnter Hohlraum wölbte . . .« Das ist eine in Renatos jugendlicher Unbeholfenheit rührende Darstellung jenes Alleinheitsgefühls, jenes Einswerdens des Ichs mit dem All und damit der Erweiterung des Ichs zum einen großen ichlosen Selbst, – das in der einen oder anderen Form jeder kennt. Dieses Erlebnis ist denn auch für Renato »die Wahrheit«, an die man denken konnte, »ohne sie allerdings gerade dann wiederfinden oder gar festhalten zu können«. Das Buch ist reich an »jenen Momentaufnahmen, die unser Geist vielleicht recht wahllos produziert, deren Aneinanderreihung aber das Album ergibt, das wir gelegentlich durchblättern und das wir für unser Leben halten«. Renato erkennt aber bald auch die verschiedenen Ebenen, auf denen sich unser Erleben abspielt und auf denen die vordergründige Realität von Erinnerung oder Tagtraum so schnell verwandelt, verändert und verzerrt wird. Das impressionistische Element herrscht in diesem Buch ähnlich vor wie etwa in den Erzählungen von Katherine Mansfield oder in den Romanen von Virginia Woolf. In die Reihe der durch diese beiden Namen gekennzeichneten Vertreter hoher Erzählkunst gehört auch Hermann Grab, von dem ein holländischer Literaturkritiker mit Recht sagte: »Mit der einzigen Ausnahme des Œuvre von Proust kenne ich kein zweites Werk, in dem, durch die seltsam geschickte, wachsame und durchsichtige Besinnung auf den in die verschiedensten Be- 148 wußtseinsphasen hineinspielenden Erinnerungsstoff, so merkwürdig stark die Unwirklichkeit von Raum, Leben und Welt suggeriert würde, wie wenn diese nur rein erkenntnistheoretisch wären. Und mit Ausnahme des >Zauberbergs< von Thomas Mann kenne ich keinen zweiten Roman, in dem durch einen derartigen Prozeß der Begriff der Zeitdauer so tiefsinnig aufgehoben und so erst richtig verstanden worden wäre.« Hermann Broch war von Grabs Erstling entzückt. In seinen Briefen kam er öfters darauf zu sprechen. Gegenüber einem jungen Autor, der um die Bewältigung seiner Kindheits- und Jugendeindrücke rang, hat er den »Stadtpark« als »ein außerordentlich begabtes Buch« bezeichnet und als Muster und Vorbild hingestellt. Grab hat sich, vor und nach dem »Stadtpark«, auch eine Zeitlang um eine expressionistisch-symbolistische Erzähltechnik in der Art Franz Kafkas bemüht. Die meisten dieser Arbeiten dürften verloren gegangen sein. Vier Prosastücke aber sind erhalten geblieben, die von dieser Entwicklungsstufe des Erzählers Grab Zeugnis geben. Eines hieß ursprünglich »Gespenster« und steht jetzt, unter dem späteren Titel »Unordnung im Gespensterreich«, als eine Art Motto an der Spitze der schon erwähnten Nachlaß-Sammlung »Hochzeit in Brooklyn«. Es ist, mit seinen Mitteln, ein Bild von dem, was Hermann Broch den »Zerfall der Werte« nannte: »Es gibt jetzt leider viel Unordnung in unserem Gespensterreich. Früher, das weiß man, waren andere Zeiten. Man konnte ... fragen und bekam auch sehr präzise Antwort. Jetzt lächelt, man nur beschwichtigend. Denn heute weiß man eben gar nichts.« Noch deutlicher wird der Dichter an einer anderen Stelle: »Gewiß . . . Abälard geht noch umher, aber es scheint nur eine 149 alte Gewohnheit zu sein . . ., nichts ist noch geschehen ... Im Durchschnitt kommt er immer seltener, bald wird er gar nicht mehr zu hören sein.« Aber auch die Stunde, zu der die »Gespenster« noch erscheinen, ist jetzt eine andere: »Es ist die Stunde nach Sonnenuntergang, die Stunde, da in den Straßen die Tagbeleuchtung schon von den Lampen durchsetzt ist, und wo die Mischung von Licht uns an die Mischung von Salz und Zucker denken läßt. Um diese Stunde geschieht es . . .« Für den Knaben Renato war es die Zeit vor Sonnenaufgang, die Stunde, da das künstliche Licht sich mit dem natürlichen des beginnenden Tages vermischte. - Am ergreifendsten ist der Schluß des kleinen Prosastückes: »Alles leidet unter der Verwirrung, auch die Gespenster selbst. Wird es noch lange dauern? Wird diese Trostlosigkeit nicht bald beendet sein? Man weiß es nicht. Hier und dort wird eine Stimme laut, die von dem Nahen besserer Zeiten spricht. Aber wer es über sich gebracht hat, für eine kurze Weile einem der Gespenster ins Antlitz zu blicken - und nur ganz selten kann das einer fertigbringen, höchstens ein- oder zweimal in seinem Leben – wer es also ertragen konnte, einem dieser armen Wesen ins Gesicht zu sehen, der hat für immer alle Hoffnung aufgegeben .« Um dieser Sätze willen - ihrer Fragen und der Sehnsucht, die hinter diesen Fragen steht-, wurde diese frühe Prosa mit Recht in den Nachlaßband aufgenommen. Sie enthält im Keim die Grundidee aller späteren Erzählungen Grabs. Die anderen drei Kurzerzählungen aus jener Zeit sind typische Gleichnisse in der Art der Parabeln Kafkas. Etwa die Erzählung »Der Taxichauffeur«. Dieser Taxichauffeur ist eines jener »Gespenster« aus dem in Unordnung und Verwirrung geratenen Geisterreich. Beim Sprechen »zerdehnte er die Laute auf die merkwürdigste Weise; es waren Laute, die unsern gebräuchlichen nicht im mindesten vergleichbar sind. Diese Laute lassen sich in keiner Weise wiedergeben.------Es klang ganz fremd, und dennoch verstand ich die Bedeutung.« Am Schluß der Erzählung vom »Taxichauffeur« steht dann, wie am Ende der »Gespenster«-Prosa, Frage und Resumé: »Was soll ich beginnen? — Es hätte eben nicht geschehen dürfen. Die Mühe, meinen Koffer selbst herauf zutragen, wäre nicht so groß gewesen.« Die beiden anderen Erzählungen in der Art Kafkas: »Der Mörder« und »Gespräch des Toten«, sind bisher noch unveröffentlicht. Die erste muß uns heute voll schauriger Prophetie anmuten. Auftritt ein Mann mit schwarzem Schnurrbart, von dem jeder genau weiß, daß er ein Mörder ist, der aber trotzdem von Monsieur fast ungeduldig eingeladen wird, Platz zu nehmen. Alle wissen, was geschehen wird. Aber sie haben höfliche Entschuldigungen bereit: »Natürlich, ein bißchen . . ., ich kann das ganz gut verstehen. Man braucht das eben, so ist es einmal in der Welt. Ich habe meiner Tochter immer gesagt, man muß sich für das Leben vorbereiten.« Nachdem dann der Versuch, den Mörder von sich auf andere abzulenken, sich als vergeblich erwiesen hat, kommt der entscheidende Augenblick: »Niemand konnte sprechen ... Er rührte sich nicht . . . Trotzdem wußte man, daß etwas geschehen würde. Die Zeit ging jetzt sehr schnell. Zugleich füllten sich auch die Minuten mit dem, was man erwartete, jede kommende Minute um einiges mehr als die abgelaufene . . . Plötz- 151 lieh aber - ganz unerwartet - kam eine vollständig leere Minute. Gerade während dieser Minute stand der Mörder auf . . .« — In der ebenfalls noch ungedruckten Erzählung »Gespräch des Toten« wird das Thema von der Unordnung und Verwirrung im Geister- und Gespensterreich abermals variiert. Dabei wird das Symbolische und Gleichnishafte sehr deutlich ins Groteske, Ironisch-Satirische, Karikaturistische hin weiterentwik-kelt. Der Tote erzählt etwa: »Das Ärgste sind die falschen Telefonverbindungen. Es geschieht kaum jemals, daß eine richtige Verbindung zustande kommt. Dabei muß alles telefonisch erledigt werden. Wenn man da noch unerfahren ist, erlebt man die ärgsten Verwirrungen . . . Aber auch wenn man Bescheid weiß, hilft es nicht allzuviel. Denn die Drähte berühren und verwickeln sich während der Gespräche ... So kommt es, daß die Kranken keine Heilung finden, und es ständig Aufruhr und Empörung gibt.« Und dann folgt die typische Entschuldigung: »Aber die Einzelnen tragen meist gar keine Schuld, es sind nur die falschen Telefonverbindungen .« Schlimmer noch als dieses >Jenseits< ist für den rückgekehrten Toten jetzt unsere irdische Welt: »Sie wissen von Kranken, denen salzlose Kost verordnet ist. Das Essen ist dann so geschmacklos, daß es ihnen widersteht. Ebenso geschmacklos, nur ins Millionenfache gesteigert, erscheinen mir hier die Dinge. So unendlich salzlos! ... So fern und ausgehöhlt sind hier die Dinge, daß ich gar nicht weiß, was ich tun kann in dieser Qual. Glauben Sie mir, es ist das größte Elend, das einem widerfahren kann.« Aus diesen symbolischen Erzählungen Grabs sind Weltanschauung und Lebensgefühl, die hinter seinem Gesamtwerk stehen, direkter, unmittelbarer spürbar als aus seinen späteren realistischen Erzählungen. In diesen begegnet man nirgends Sätzen, die als Gedanken zitierbar wären. Alles Gedanklich- 152 Direkte ist weggedämpft. Was blieb, ist das unseren Sinnen Faßliche an Personen und Ereignissen, das Erzählbare schlechthin. Fast scheint es, als habe sich der Dichter an allem Abstrakten, an aller Denkbildlichkeit so sehr übernommen, daß nur noch das große Verlangen nach reiner Anschaulichkeit zurückblieb, zusammen mit dem Wissen, daß, wenn der denkerisch erfaßte Sinn wirklich der allem Sein zugrundeliegende wahre und echte Sinn ist, er auch in der angeschauten Realität jederzeit vorhanden und enthalten sein muß. Er kann nicht von den Dingen, Menschen und Ereignissen getrennt, sondern muß mit ihnen identisch sein. Diese Erkenntnis brachte die große Umkehr in Kunstanschauung und Kunstwillen Hermann Grabs. Von nun ab tritt der Dichter fast völlig hinter seinen Figuren zurück, obwohl und je mehr seine Erzählungen autobiographische Begebnisse verwenden und verarbeiten. – Die im Nachlaß-Band auf die »Gespenster«-Erzählung folgende kurze Geschichte von der »Kinderfrau« ist allerdings noch wenig mehr als ein Schnörkel, eine Arabeske, die dem Themenkreis des »Stadtparks« zuzuordnen ist. Die alte Kinderfrau tritt als Verwandte neben ähnliche Gestalten im Roman: neben Renatos englische Gouvernante Miß Florence oder die Klavierlehrerin Fräulein Konrad. In der nächsten Erzählung, »Die Mondnacht«, die wie der »Stadtpark« während des Ersten Weltkrieges spielt, wird das Biographische weitergeführt, und eine Reihe neuer Motive werden einbezogen. Es ist die Welt und die Stimmung Kakaniens, wenige Monate vor seinem Ende, gesehen und erlebt aus dem Blickwinkel Prager Patrizierfamilien. (Man begegnet diesen Gestalten – unter andern oder sogar gleichen Namen – in den späteren Erzählungen wieder. Zwei von ihnen werden als gealterte Eheleute fünfundzwanzig Jahre später in Lissabon eintreffen und dort für wenige kurze Wochen eine zwar nicht ungetrübte, aber doch gnädig gewährte »Ruhe auf der Flucht« 153 aus der Heimat finden.) Mit wenigen Strichen sind die Schicksale einer ganzen Reihe von Menschen gezeichnet, wird an Vergangenes erinnert und Zukünftiges vorausgeahnt, werden Schicksalsfäden gesponnen, die nebeneinander laufen oder einander kreuzen, - bis zu jenem Schluß der Erzählung, an dem das erstemal das sichtbar wird, was man die Darstellung der Gleichzeitigkeit des Gegensätzlichen, das Nebeneinander des scheinbar Unvereinbaren im menschlichen Geschehen und Schicksal nennen könnte. Nikolas, Frau Körners jüngerer Sohn, kehrt mit seiner Mutter von einem Wohltätigkeitskonzert heim, als gerade sein Vater die Nachricht erhielt, daß sein älterer Sohn an der Isonzofront gefallen ist. Nikolas, nichts ahnend, nur aufgewühlt von dem Konzert und der Begegnung mit dem Mädchen Marion, schreibt beglückt in sein Tagebuch: »O Schönheit! O Leben! O du Geliebte!« Dann spielt er leise, damit es seine Eltern nicht hören, das Lied >Die Mondnacht<, das ihn heute so bewegt hat. »Er ging ans Fenster und öffnete es. Der Wind war lau. >Ja<, dachte er, >das ist der Frühling.< Vor den Fenstern lag der Park. Am Rande der Hauptallee brannte eine Gaslaterne. Zwei Soldaten gingen durch den Park zum Bahnhof. Nikolas tat einen tiefen Atemzug.« Dieses Nebeneinander von Glück und Leid, Schmerz und Seligkeit, Licht und Finsternis rückt sichtlich immer mehr in den Mittelpunkt von Grabs künstlerischem und dichterischem Interesse. Es war schon am Schluß des »Stadtpark« plötzlich sichtbar geworden, als die unüberlegte Tat eines Jungen auch in der Welt der Erwachsenen Folgen auslöste, die niemand vorhersehen konnte, Ereignisse, unter denen auch der einsame Tod einer Frau war. Diese rein faktische Kausalität jenseits alles Logischen, dieser übervernünftige Zusammenhang von allem mit allem über jede Art rationalen Begreifens hinaus, 154 bringt einen Zug von gleichsam objektivierter religiöser Ergriffenheit ins Spiel. Der Dichter sieht mit einem außer- und übermenschlichen Blick in das für den Verstand wirre, nur dem übergegensätzlichen Gefühl faßliche Geschehen und Getriebe dieser Welt. Er steht jenseits von Klage und Anklage, und zeigt, wie das Schicksal die einzelnen Fäden spinnt und knüpft, unbekümmert um das Nebeneinander oder Gegeneinander, erst in dem jedem menschlichen Auge unbegreiflichen Gesamt des Geschehens sich ganz erfüllend und erlösend. In den Erzählungen »Die Advokaturskanzlei«, »Ruhe auf der Flucht« und »Hochzeit in Brooklyn« erreicht die epische Kunst Grabs ihren Höhepunkt. Die der Vollkommenheit nächste und abgerundetste der Novellen ist wohl» Ruhe auf der Flucht«. Sie ist nicht nur künstlerisch die beste, sondern auch - trotz jenes Gorgonenblicks ins Unvereinbar-Gegensätzliche alles irdischen Geschehens — die hellste und lichteste, vor allem dank der Figur der alten Frau Ehrlich, die mit ihrem Mann vom Schicksal eine letzte Gnadenfrist zugebilligt erhält, von der sie nicht weiß, daß es zugleich die letzten Lebenstage ihres Gatten sind: »Frau Ehrlich war schon immer eine schlechte Schläferin gewesen. Jetzt, da sie in Lissabon in den Nächten wach im Zimmer lag, schlugen ihre Gedanken neue Wege ein. Manchmal frug sie sich, ob nicht alles ein Traum sei, ob sie nicht in ihrem alten Heim erwachen, die Wohnung wohlgeordnet finden werde, das Geschäft intakt. Sie hörte ihren Mann. Sie hörte ihn vom Fußende des Bettes her, er atmete gleichmäßig und geräuschvoll, wie immer in den Jahren, man konnte sagen, daß er schnarche. Er war ein alter Mann geworden. Seine Gedanken waren gewiß nicht mehr die schnellsten, aber die Haut an seinen Händen, die ledern geworden war, seine Wangen, die jetzt ein wenig schlaff herunterhingen, und vor allem seine guten Augen waren ihr teurer als je zuvor.« 155 Neben der letzten größeren Erzählung Grabs, »Hochzeit in Brooklyn«, steht das Fragment gebliebene Prosastück »Der Hausball«, in dem Begebnisse aus den Prager Friedensjahren mit späteren Geschehnissen im Lager von Theresienstadt konfrontiert werden, so daß jene Technik des akausalen Sinnzusammenhangs des Nebeneinanders jetzt auch auf das Nacheinander angewendet wird. Die scheinbar harmlose Entscheidung, ob ein Mädchen auf die Liste derjenigen zu setzen ist, die auf den gesellschaftlich begehrten Hausball einzuladen sind, wird in Parallele gesetzt mit Geschehnissen, die sich zwanzig Jahre später begeben haben. - Von Theodor W. Adorno, mit dem Hermann Grab befreundet war und dem auch die Erzählung »Die Advokaturskanzlei« gewidmet ist, wissen wir, daß der Dichter zuletzt einen großen Roman plante, der den j ähen Aufstieg einer jüdischen Bankiersfamilie und deren Untergang in Polen darstellen und gleichzeitig die Entwicklung jener Gesellschaftsschicht geben sollte, die er in einzelnen Vertretern und bestimmten zeitgeschichtlichen Situationen in seinem Werk — vom »Stadtpark« bis zur »Hochzeit in Brooklyn« - geschildert hatte. Die Fragment gebliebene Erzählung »Der Hausball« scheint der Thematik dieses Planes sehr nahezukommen und liest sich wie die Exposition oder doch wie eine Vorstudie zu jenem größeren Werk. - Die letzte Novelle, die Grab noch beenden konnte, »Hochzeit in Brooklyn«, schließt mit einer Szene, in der die erwähnte Kunst der Darstellung des Nebeneinanders und der Gleichzeitigkeit alles Kontrasthaften und Gegensätzlichen zu starkem Ausdruck kommt. Der soeben erst in New York angekommene Europaflüchtling ist auf dem nächtlichen Heimweg im Central Park ermordet worden. In seinem Haus am Rand des Parks aber beendet Professor Schneider, an den sich der Neuangekommene vergebens um Hilfe gewandt hatte, in der gleichen Nacht sein Werk: >Beethoven und der Humanitätsgedanke< mit den Sätzen: 156 ». . . Der Weg von Mensch zu Mensch! Klingt das nicht wie eine Verheißung? Die Stimme eines neuen und glücklichen Jahrhunderts? . . . Wann wird die Stimme unser Ohr erreichen? Wann wird sie unsere Herzen in Bewegung setzen?« Und dann endet die Novelle, ganz ähnlich wie die Erzählung »Die Mondnacht« geendet hatte: »Er ging zum Fenster und sah, daß es zu schneien begonnen hatte. Er sah etwas Schnee auf dem schmalen Sims, und bemerkte, wie unten im Licht der Straßenlampe die Flocken langsam niedergingen. Der Schnee fiel auf den Park, auf die weiten Flächen, ... in die engen Straßen, in denen jetzt die Stille der Nacht von keinem einzigen Gefährt gestört war, er legte sich auf den geräumigen Platz der Battery dicht beim Ozean und draußen auf die Inseln, . . . sammelte sich zu Füßen der Freiheitsstatue an und blieb bis in die Morgenstunden in kleinen Mulden auf ihrem Kopfe und an ihren Schultern liegen, während sie die elektrisch erleuchtete Fackel in dieser perlgrau und weißen Landschaft den ankommenden Reisenden entgegenhielt.« Ist das Hermann Grabs letztes Wort? Entläßt er uns so, mit diesem bitter-ironischen Bild von der Freiheitsstatue mit ihrer elektrisch beleuchteten Fackel, auf die langsam der kalte Schnee niederfällt? - Jedenfalls ist das nicht mehr der Impressionismus von einst. Das ist Realismus jenes reinsten Wassers, der es dem Leser überläßt, wie er das Erzählte auffassen und verstehen will. Als bitterböse Ironie eines an der Welt Verzweifelnden? Oder als etwas, das trotz allem immer noch jede Hoffnung offen läßt? Wir stehen hier dem Berichteten und Geschilderten gegenüber, wie wir dem Leben und der Wirklichkeit gegenüberstehen: jeder nach seiner persönlichen Lebenseinstellung und in dem Sinn, der seinem eigenen Wesen ent- 157 spricht. Alles ist so, wie menschlicher Geist es wirkte, sieht und darauf reagieren wird. Alles lebt erst in der Begegnung mit der innersten Wesenskraft des Menschen, die aufgerufen ist, zu antworten. So ist jederzeit alle Hoffnung offen. Wie hieß es im Stadtpark«:»... die Dinge miteinander in Einklang bringen. - Auch später, wenn uns etwa gelungen sein mag, der Wahrheit etwas näherzukommen, auch dann haben wir gewiß noch lange nicht die volle Wahrheit, die alle Dinge miteinander harmonieren läßt. Der menschlichen Optik ist die Welt offenbar nur in Ausschnitten gegeben und nur so weit, als diese Ausschnitte in Widersprüchen zueinander stehen, während uns die wahre Harmonie verborgen bleibt.« Aber die Wahrheit, die alle Dinge miteinander in Einklang bringt, bleibt dennoch das einzige Ziel. Und mit ihr die Erkenntnis, daß die wahre Harmonie nie draußen, sondern immer nur in uns zu finden ist. Das ist Hermann Grabs erstes und letztes Wort. 158 Lucy Topoĺská: Hermann Grab in: Daten zur deutschsprachigen Literatur Böhmens Daten im 19. und 20. Janrhundert Lieferung, Mai 2007. Ansichts- und Diskussionsexemplar Hermann Grab Prosaiker, Musiker, Musikpädagoge und -kritiker * 6. Mai 1903 Prag t 2. August 1949 New York So „skandalös uninteressant", wie Hermann Grab ihn bezeichnete, war sein Lebenslauf nicht. Im Gegenteil - in mancher Hinsicht war er für die Wirren und die unheilvolle Entwicklung der europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts bezeichnend. Hermann Grab kam als Erstgeborener des Ehepaares Hugo Grab und El-ly, geb. Bloch, zur Welt. Die deutsch-jüdische Industriellenfamilie Grab war seit langem in Prag ansässig: der Vater war Besitzer einer Ledertuch-, Wachstuch- und Gummifabrik, leitete eine weitere Baumaterialienfirma und war bis 1934 Präsident der Granitol-Werke in Bärn (Mähren), die Familie der Mutter stammte aus Wien. Als einer der wenigen Prager deutschen Literaten wuchs Hermann in einem wohlbehüteten großbürgerlichen, kulturell orientierten Milieu auf. Die Familie wurde 1915 von Kaiser Franz Josef für kommerzielle und kulturelle Verdienste in den Ritterstand erhoben, den Titel „von Hermannswörth" benutzte sie jedoch nicht. Das Judentum stand in der Familie im Hintergrund; die Eltern hielten an der jüdischen Konfession fest, die Söhne Hermann und sein jüngerer Bruder Leo wurden 1919 katholisch getauft. Die Glaubensfrage war für Hermann Grab nicht besonders wichtig, mit der Problematik des Judentums beschäftigte er sich ausschließlich in seinem Proust-Vortrag (1933). Die vielschichtige Analyse der Romanhelden ist ein umfangreicher Ausgangspunkt für eine kurze und prägnante Aussage über Prousts Auffassung des jüdischen Schicksais in der Diaspora, mit der Grab augensichtlich übereinstimmte: Die unzweifelhafte Außenseiterposition des Judentums, die Einsamkeit auch des Einzelnen ermöglicht dem jüdischen Menschen, die Gesellschaft von außen zu betrachten und seine aus der Lebensfremdheit ausgehende Einstellung zur Irrealität des Lebens zu überwinden - durch die Realität seines Volkstums oder durch die Realität der Kunst. „Zwei Wege", sagt Grab, „und beide offenbar auf der Linie des jüdischen Schicksals liegend." Mit Freunden diskutierte Grab über das Judentum nach dem Anschluss Österreichs 1938. Nach H. G. Adler zeigte er zwar kein Verständnis für die Religion, bejahte und betonte aber in dieser Zeit seine Angehörigkeit zum jüdischen Volk. Diese Einstellung hegt auch den Exiltexten zu Grunde. Hermann Grab absolvierte die deutsche Volksschule und das deutsche Staatsgymnasium in Prag, nach dem Abitur 1921 begann er mit dem Studium der Staats- und Kameralwissenschaften in Wien, wechselte für kurze Zeit nach Berlin über, um dann in Heidelberg Vorträge von Alfred Weber, Edgar Selin und Karl Jaspers zu hören. Das Studium schloss er 1927 mit der Arbeit Begriff des Rationalen in der Soziologie Max Webers ab. Inzwischen studierte er seit 1925 an der Juristischen Fakultät der Deutschen Universität in Prag und wurde 1928 zum Dr. jur. promoviert. In die Wiener Zeit fallen die ersten Kontakte Grabs zu Literaten und Musikern, vor allem zu dem Kreis um Schönberg und seine Schüler (Steuermann, der Pianist Rudolf Serkin, der Dirigent George Szell u.a.), der vielfach auch mit der literarischen Szene verknüpft war. Bedeutend für Grab war der Unterricht in Musiktheorie bei Alexander Zemlinsky und die Bekanntschaft mit Alban Berg und Theodor W. Adorno. 21 Die erste Anstellung als Konzipient in einer Advokatenkanzlei in Prag befriedigte ihn überhaupt nicht, ebenso wenig wie die Aussicht auf die Mitarbeit im Familienbetrieb. Eine Lösung brachte 1932 sein Eintritt in die Redaktion des „Prager Montagblattes", wo er als erster Musikreferent bis Ende 1938 beschäftigt war. Außerdem wirkte er als Klavierlehrer, hielt viel beachtete musiktheoretische Vorträge und engagierte sich in verschiedenen musikalischen und literarischen Vereinen und Institutionen. Seine Kontakte waren in der Prager Zeit breit gefächert und schlössen auch Wissenschaftler, vor allem Philosophen, ein - so beteiligte er sich, von Emil Utitz eingeladen, in den Jahren 1934 bis 1938 an den Diskussionen des „Phänomenologischen Zirkels", berichtete z, B, in der Zeitschrift „Kritik. Kultur - Theater - Film" über den 8. Philosophenkongress in Prag im September 1934. Die Verbindung zur tschechischen Kulturszene war, bis auf Ausnahmen, im allgemeinen mehr als locker, Grab selbst charakterisierte später dieses Verhältnis als eine „verrückte Prager Kulturteilung", auf Grund deren er z. B. den berühmten Prager Pianisten Rudolf Firkusny erst im französischen Exil kennen gelernt habe. Als hervorragender Pianist blieb Grab, der später wegen einer Erkrankung der Hand weniger selbständige Konzerte gab, der objektiven Interpretation von Musikwerken verbunden. Ein Konzert, das sich als lebenswichtig erwies, arrangierte im Februar 1939 in Paris sein Bruder Leo, der nach dem Münchener Abkommen nach Paris emigriert war. Grab kam mit seinen drei kostbaren historischen Instrumenten nach Paris und nach der kurz darauf folgenden Besetzung der Tschechoslowakei blieb er in Frankreich. 1940 wurde er für die tschechoslowakische Auslandsarmee gemustert und auf Empfehlung von Rudolf Firkusny in die Propagandaabteilung eingesetzt. Die Bedingungen der Flucht aus dem besetzten Teil Frankreichs waren kompliziert und die fast halbjährige Wartezeit in Lisabon auf die Ausreise in die USA zermürbend. In psychologischer Kleinmalerei sind die Erlebnisse und Empfindungen der Emigranten in der Geschichte Ruhe auf der Flucht gestaltet. Im Dezember 1940 erreichte Hermann Grab die USA und lebte bis zum seinem frühzeitigen Tod 1949 in New York. Durch eine bekannte Prager Familie lernte er seine künftige Gattin, die aus Belgien stammende Pianistin Frau Blanche, kennen. Bereits 1941 gründete Grab in New York die Musikschule „The Music House", an der europäische Musiker und Musikpädagogen von Weltrang wirkten. Ab 1946 unterrichtete Grab an dem großen New Yorker Konservatorium „David Mannes Music School". „Leider Gott sei Dank" habe er als Musiker und Klavierlehrer „so etwas wie eine ,Karriere'" gemacht, schrieb H. Grab nach dem Krieg Ernst Schönwiese und erklärte, die Beschäftigung mit Musik sei für ihn immer ein „Brotberuf' gewesen, der ihn zwar „enorm" interessiert, aber von der literarischen Tätigkeit, seinem „eigentlichen Berufe", fern gehalten habe. Grabs Erstlingswerk Der Stadtpark wurde von etwa 1932 bis 1934 geschrieben, gegen Ende 1934 mit dem Erscheinungsjahr 1935 herausgegeben. Mit außerordentlicher Empathie erzählt Grab die Geschichte der inneren Entwicklung des dreizehnjährigen Renato Martin. Erste Liebe und frühe Enttäuschung sind die äußeren Zäsuren dieses Prozesses, seine Raum- und Zeit-Koordinaten der Prager Stadtpark, Renatos Heim und Schule und die Zeitspanne Herbst 1915 bis Frühjahr 1916. Grab konzentriert sich auf Momente, in denen der Jungen durch die Entdeckung seines Ich verletzt oder überwältigt wird, auf das Versinken in das Geheimnis der Zeit, die Zukunft und Tod enthält. Den Tod als etwas Sicheres, die Zukunft als eine Summe unendlicher Möglichkeiten, deren Wert durch den Tod relativiert wird. Auch das Erleben des Raumes als eines guckkastenartigen Ausschnittes der Welt 22 ist ein Impuls zur Wahrnehmung seiner selbst. Der Stadtpark ist darüber hinaus das Symbol einer Welt, die mit dem 1. Weltkrieg zu Ende geht und die im Erscheinungsjahr definitiv zerstört war, Inhaltlich und geistig verwandt mit dem Stadtpark ist die im Exil entstandene Erzählung Die Mondnacht. Von dem Hintergrund der Atmosphäre des 1. Weltkriegs heben sich kontrapunktisch die wesentlichen Kategorien des Lebens ab - Liebe und Tod. Den Rahmen bildet ein Prager Wohltätigkeitskonzert zu Gunsten von Kriegsbeschädigten; in dem jungen Nikolas Körner erweckt die Musik das erste Ich-Bewusstsein - Sehnsucht nach Schönheit, nach Liebe, nach Leben. Der Eindruck, dass der Krieg, wie im Stadtpark, nur als fernes Echo zu den Prager Patrizierfamilien dringt, wird einerseits mittels der simultanen Erwägungen über Kriegsgeschäfte ironisiert, andererseits durch den Tod des Bruders von Nikolas tragisch negiert. Grab stellt sich hier als Meister der simultanen Komposition vor, deren Hintergrund allerdings der ständig präsente Krieg ist: das Nebeneinander von Krieg und Profitdenken, das Nachklingen des Musikerlebnisses und die Nachricht über den Einstieg der USA in den Krieg, das Sentimental-Banale der Tagebucheintragung des Jungen über das Erlebnis von Liebe und Musik und der Tod seines Bruders. Drei größere Erzählungen aus der Exilzeit bilden eine Art Triptychon. In der Erzählung Die Advokatenkanzlei, deren Schauplatz Prag Ende der 30er Jahre und nach dem Anschluss ist, stellt Grab die Entstehung des „privaten" Faschismus unter „kleinen" Angestellten dar, der in den Menschen immer breitere Kreise zieht, die ersten Folgen, die Aufnahme der Judenverfolgungen, das faschistische Italien. Im Hintergrund steht die Frage, ob die „gewöhnliche" Anständigkeit in Krisensituationen hinreichend ist. Die Bildungsreise der Sekretärin eines Rechtsanwaltsbüros, die ihre Einsamkeit in Italienischkursen und auf einer Reise vertreiben will, wird zu einer minutiös beschriebenen Reihe von Schwierigkeiten, kleinlichen Unpässlichkeiten und Enttäuschungen. Der Text bietet köstliche Kontrapunkte: die armseligen persönlichen Erlebnisse werden mit den grundlegenden tragischen Ereignissen der großen Geschichte jener Zeit konfrontiert, zudem ist die Fahrt nach Italien eine Art Parodie der klassischen italienischen Bildungsreise. Die Erzählung Ruhe auf der Flucht, die Grab selbst für seine wichtigste hielt und in der er seine eigenen Erfahrungen von der Flucht verwerten konnte, gestaltet den Exodus der jüdischen Emigranten aus der Tschechoslowakei, die - nach einer abenteuerlichen Flucht aus Frankreich in Lisabon angekommen - auf die Möglichkeit einer Weiterreise warten. Mit qualvoller Anschaulichkeit berichtet Grab von dem Kampf um Papiere, die den Emigranten irgendwo auf der Welt ein Dasein gewähren könnten. Die unbeteiligte Schönheit und Ruhe der friedlichen, sich als Urlaubsort anbietenden, Stadt bildet den Kontrapunkt zu der hektischen Jagd nach Dokumenten, die für manche Emigranten mit der letzten Ruhe, dem Tod, zu Ende geht. In seiner Rezension des Stadtpark stellte Klaus Mann die fatale Frage: Wie wird der Held das Leben bewältigen? Grab beantwortet sie indirekt in der Erzählung Hochzeit in Brooklyn - hier endet der Lebensweg des äußerlich geretteten, innerlich zerstörten Helden des Stadtpark oder der Mondnacht, Auf den Exodus folgt der Passionsweg des Prager Musikers Prof. Korn, der in nicht ganz 24 Stunden nach der Ankunft in New York, nachdem er an einer Hochzeit teilgenommen und von einem berühmten Musiker abgewiesen worden ist, auf eine gewaltsame Weise ums Leben gebracht wird. Der Tod kommt weder unerwartet noch unerwünscht, der innerlich tote Mensch, dessen Gefühle paradox zwischen der Freude über die Rettung und der Leere, in die er geraten ist, schwanken, verkörpert die untergegangene 23 Welt, die Welt des Prager Stadtparks. Sein Tod erfolgt im Central Park, im Stadtpark New Yorks. Außer der fragmentarischen Prosa Der Hausball, in dem triviale Ereignisse aus dem Leben „kleiner" Leute, wie fast immer bei Grab, mit den tragischen Ereignissen der Weltgeschichte konfrontiert und psychologisch ausgewertet werden - der Hausball in einem reichen Hause und die Verhältnisse im KZ Theresienstadt - hat Grab im Exil anscheinend einen umfangreicheren Romans ins Auge gefasst. Nach Theodor W. Adorno sollte es um die Geschichte des Aufstiegs einer jüdischen Bankiersfamilie und ihres Untergangs während des 2. Weltkriegs in Polen gehen. Sein Vorhaben konnte Grab nicht mehr realisieren. In den 30er Jahren entstanden mehrere knappe Skizzen oder Erzählungen in der Art Kafkas, von denen die Mehrzahl verloren gegangen ist; Grab selbst schrieb an Ernst Schönwiese, er habe die einige davon aus dem Gedächtnis rekonstruiert. Im regellosen Walten der Gespenster gestaltet die kleine Skizze Unordnung im Gespensterreich auf symbolische Weise den Zerfall der Werte. Der Taxichauffeur variiert das Gespensterthema - der Mensch des 20. Jahrhunderts ist der modernen Zivilisation ausgeliefert, um seine äußere und innere Ruhe gebracht und dem zermürbenden Zweifel an sich selbst ausgeliefert. Die Geschichte Der Mörder ironisiert die Naivität des Bürgers, der höflich und „human", der Konsequenz seiner Einstellung bewusst, den Verbrecher in seinem Haus aufnimmt. Das Gespräch des Toten ist eine Parabel, die im Reich der Toten die verlorene Heimat und in der Welt der Lebenden das Exilland schildert. In der Welt der Lebenden fühlt sich der Tote viel schlimmer - nämlich fremd, ohne Kommunikation, einsam, ihm fehlen die im Totenreich üblichen „ärgsten Verwirrungen", das Hektische, Chaotische, Laute. Die geschichtlichen Ereignisse haben diese Texte um eine neue Dimension erweitert, so dass sie fast prophetisch scheinen und es ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass Grab sie aktualisierte. Das scheint vor allem für das Gespräch des Toten zu gelten, denn als grausam, unmenschlich und erschreckend bezeichnete Grab in einem Brief an Hans Heinz Stuckenschmidt den amerikanischen „Geist der Perfektion". Grabs Stadtpark wurde nach dem Erscheinen vor allem von der Prager Kritik beachtet, die Rezensionen waren meist positiv (Thomas Mann, Heinz Politzer, Carl Seelig u.a.), manche (Klaus Mann, Willy Haas) rühmten zwar die Feinheit, die Beobachtungsschärfe und den Stil des Autors, beanstandeten aber den fehlenden Zeit- und Gesellschaftsbezug oder, wie Hermann Broch, den Mangel an innovativer Selbständigkeit der Form. Die späteren Auflagen (1947 u. 1948) wurden in der für Werke dieser Art nicht gerade günstigen Zeit wenig beachtet. Erst die Ausgabe von 1985 weckte neues Interesse der Rezensenten an dem Autor, dessen Werk nun vor allem vom Gesichtspunkt der Verbindung der wichtigen Momente der individuellen Entwicklung des Jungen mit dem Verfall einer Gesellschaft hoch gewertet wurde (H. G. Adler, Jeremy Adler, Peter Becher, Peter Bonsen u.a.). Ein durch den Verlust des deutschen Büchermarktes beschränktes Leserpublikum hatte Der Stadtpark in den 30er Jahren, später blieb das schmale Werk Grabs von der Leserschaft fast vollkommen unbeachtet und auch heute gehört es, trotz neuen Auflagen, zu den „vergessenen" Büchern. Werkverzeichnis Der Stadtpark. Wien : Zeitbild -Verl. 1935. Der Stadtpark. München : Weismann 1947. Der Stadtpark. Salzburg : Das silberboot [1948]. Hochzeit in Brooklyn. Wien, Bergland -Verl. 1957 24 Der Stadtpark und andere Erzählungen. Frankfurt am Main : Fischer-Taschenbuch-Verlag 1985 u. 1987. Der Stadtpark. Frankfurt am Main : Verl. Neue Kritik 1966 u. 2002. Hochzeit in Brooklyn. Frankfurt am Main : Verl. Neue Kritik 1996. Der Begriff des Rationalen in der Soziologie Max Webers. Karlsruhe : G. Braun 1927. Übersetzungen The town park and other stories. London : Verso 1988. Le parc municipal. Paris : Beifond 1991. Het stadspark. Amsterdam : Athenaeum-Polak en van Gennep 2000. Městské sady a jiné povídky. Praha : Primus 2000. Nachlass Österreichisches Literaturarchiv - ÖLA 50/97: Sammlung Karl Hobis. Lilly Library Manuscript Collections. Sammlung Grab MSS. Gabe Blanche Smullyan, NY 1998 Quellen und Literaturverzeichnis Monographien Hobi, Karl: Hermann Grab. Leben und Werk. Univ. Diss., Freiburg (Schweiz) 1969. Cramer, Doortje: Von Prag nach New York ohne Wiederkehr. Leben und Werk Hermann Grabs (1903-1949). Frankfurt am. Main : Peter Lang 1994. (Studien zur deutschen Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts, Bd. 25. Die Monographie enthält eine vollständige Bibliographie aller gedruckten und ungedruckten Schriften und Texte Grabs, der Sekundärliteratur sowie bisher unveröffentlichte Materialien aus dem Nachlass. Rezensionen (Auswahl) Haas, Willy: Prazsky Němec 1935, in: Literärni noviny, 1935, Nr. 4, S. 3. Mann, Klaus: Hermann Grab, Der Stadtpark, in: Die Sammlung, 1935, Nr. 7, S. 387 -389. Adorno, Theodor W.: Hermann Grab, in: Neue Rundschau (Frankfurt am Main), 1949, Heft 16, S. 594. Schönwiese, Ernst: Hermann Grab, in: Wort in der Zeit 4 (1958), S. 257 - 265. Schönwiese, Ernst: Ein Prager Schüler Marcel Prousts: Hermann Grab (1903 - 1949). In: E. S.: Literatur in Wien zwischen 1930 und 1980. Wien-München : Amalthea-Verl. 1980, S. 145-158. Brod, Max: Der Prager Kreis. Stuttgart : W. Kohlhammer 1966, S. 202 - 208. Strelka, Joseph P.: Ein österreichischer Proust, in: Brücke zu vielen Ufern. Wien-Frankfurt-Zürich : Europa-Verlag 1966, S. 119. Adler, H. G.: Der Stadtpark und andere Erzählungen, in: Literatur und Kritik, 21, 1986, Heft 205-206, S. 273 - 275. 25 Hermann Grab: Der Stadtpark Roman, erschienen 1935. Die Geschichte des Heranreifens des einzigen Sohnes einer Prager Patrizierfamilie, Renato Martin, ist mit dem Herbst 1915 und Frühjahr 1916 zeitlich abgesteckt. Mehr als mit der Schule, die stark deutsch-national orientiert ist, mehr als mit den Klavierstunden, in denen der Junge hervorragt, mehr als mit dem Fechtkurs hängt Renatos Innerlichkeit mir dem Stadtpark zusammen, wohin ihn der tägliche Spaziergang mit der englischen Gouvernante Miss Florence führt. Dort trifft er mit Marianne Gérard zusammen, die bald zum Objekt seiner stillen Bewunderung und unausgesprochenen Gefühls wird. Renato braucht aber auch einen Freund; erfolglos bleibt sein schmerzliches Werben um den physisch und mental reiferen Mitschüler Felix Bruchhagen. Sein Versuch, die zwei Menschen, die er liebt – Marianne und Felix – bekannt zu machen, wird Renato zum Verhängnis. Und doch versucht er, den glücklicheren Rivalen vor einem Skandal in der Schule zu retten, wobei er selbst Gefahr läuft, relegiert zu werden. Diese nicht allzu dramatische Episode hat für Renato ein äußerlich zunächst gutes Ende. (Erst später – hier verlässt der Erzähler das einzige Mal die Zeitebene, um Renato wissen zu lassen, was er damals nicht ahnen konnte – erfährt er, dass das Ereignis vielleicht indirekt den Tod seiner Tante herbeiführte, da der sich für Renato einsetzende Lehrer sie nicht besuchen konnte.) Felix bleibt Renato gegenüber verbittert, Marianne verschwindet aus der Stadt. Renato ist um grundlegende Erfahrungen reicher geworden. Grab konzentriert sich auf das Festhalten von Augenblicken der inneren Entwicklung des sensitiven Jungen, von Momenten, in denen er verletzt oder vom Entdecken seines Ich überrascht wird. In der letzten Woche des Jahres 1915 erlebt Renato das Versinken in die Zeit, die äußerlich als das neue Jahr erscheint. Das Geheimnis der Zeit schließt das des Todes und das noch schwerer wiegende Geheimnis des Lebens in sich ein. Der Tod greift im Krieg um sich, ohne zu überlegen, das Leben aber fordert vom Menschen, dass er alles überlegt, was er tun oder lassen soll. Die Zeit ist identisch mit der Zukunft, die, eingeschränkt nur durch den Tod, eine unbeschränkte Zahl von Möglichkeiten bietet, deren Wert allerdings - eben angesichts des Todes - zweifelhaft erscheint. Das blitzartige Erfassen der Einheit von Unendlichkeit und Endlichkeit verursacht das Zusammenfließen von Empfindung und Erkenntnis, das in dem Jungen eine sehnsuchtsvolle Traurigkeit der Erwartung hervorruft. Das Erleben des Raumes, seiner Metamorphosen, verschafft Renato das Gefühl verklärenden Glücks. Dieses Bewusstsein überkommt ihn beim Anblick eines zu früher Morgenstunde hell erleuchteten Ladens, in dem er von seinem Fenster aus die ausgestellten Früchte „in ihrer schönen und bedauernswerten Spielzeugexistenz" sieht und die hantierenden Frauen beobachtet. Der guckkastenartige Anblick eines Ausschnitts der großen Welt vermittelt Renato die überwältigende Empfindung seiner selbst, das Bewusstwerden des eigenen Ich. Nur bedingt kann der Roman als impressionistisch, d. i. - nach Grab -der ungebrochenen Weltsicht des Kindes entsprechend, bezeichnet werden. In seiner Max Brod gewidmeten Studie Die Schönheit hässlicher Bilder (1934) charakterisiert Grab den Impressionismus als „die letzte Vorpostenstellung... von der aus die Welt noch in unmittelbarer, sozusagen naiver Weise angeschaut wird". Im Expressionismus sieht Grab „den Augenblick der Auflösung der äußeren Welt", wogegen der Surrealismus, den er für 26 progressiver hält, die aufgelöste Welt spielerisch rekonstruiert. Literarisch realisiert findet man diese Auffassung in der Schilderung von Schlüsselmomenten, in denen sich Renato aus der Haut des Kindes herausschält. Expressionistisch ist das Bild des Krieges, der sich „riesenhaft und schwarz und löchrig heraufwälzt", surrealistisch das Bild des Knaben, der beim Erwachen seine Glieder in alle Richtungen zerstreut sieht und den „beim Einsammehl der einzelnen Körperteile die Frage erschreckt, ob das, was er zusammenfüge, auch ein Mensch unter den anderen Menschen sei". Die Verwandtschaft mit Proust ist unverkennbar, Grab selbst bezeichnete seinen Roman als einen „Proustschen" und in seinem Vortrag über Proust[2] klärt über sein eigenes Erfassen des Stoffes und seine Gestaltungsmethode auf. Die „reizvollen Kontrastwirkungen", die „Zersetzung fester Gegebenheiten der Dingwelt und der Personenwelt", das „Erlebnis einer sich verschiebender Perspektivenwirkung", die er bei Proust findet, charakterisieren auch seine eigene Sicht. Ebenfalls in Stil und Satzbau lernte Grab bei Proust, wie durch Anhäufung von Relativsätzen und Einschachtelungen das Konkrete in verschwommene Ferne gerückt werden kann. 27 Doortje Cramer: Von Prag nach New York ohne Wiederkehr. Leben und Werk Hermann Grabs (1903-1949). Frankfurt am Main: PETERLANG, 1994. (Studien zur Deutschen Literatur des i9. und 20. Jahrhunderts. Herausgegeben von Dieter Kafitz, Franz Norbert Mennemeier und Erwin Rotermund. Band 259 122 Es fallen jedoch auch längere nicht-impressionistische Passagen auf, wie die Szene, in der Renato den dicken Pick vor den Folgen des Onanierens warnen will^154, oder die Sätze "Woska behauptete, der fremde Professor hatte die beiden aus dem Anstandsort hervorgezogen. Man glaubte das nicht ohne weiteres. Aber Woska blieb auch späterhin bei der Behauptung, sagte immer wieder, er habe alles mit seinen eigenen Augen gesehen."^155 Topol'skä spricht erstmals von surrealistischen Elementen und nennt als Beispiel hierfür das Ende des zweiten Kapitels und die Szene, die Renatos morgendliches Erwachen schildert. Das Zusammenspiel verschiedener stilistischer Verfahren dient als "Mittel der Verfremdung"^156 und trägt so zum Effekt der Entlarvung der Erwachsenenwelt bei, wobei durch diese Entlarvung gleichzeitig der historisch-gesellschaftliche Zustand der Zeit verdeutlicht wird. Der Zuordnung Grabs zum Impressionismus und Surrealismus widerspricht diejenige zur "Neuen Sachlichkeit". Dieser Begriff wird in der Sekundärliteratur noch diffuser gehandhabt als der des literarischen Impressionismus, zudem ist er stärker aufgespalten in ideologische Merkmale einerseits und ästhetischstilistische andererseits.^157 Nach Klaus Petersen sei die Neue Sachlichkeit vom "Interesse am Stofflichen geprägt"; "Zeitlichkeit und Faktizität bestimmen Inhalt und Form, Sachverstand und handwerkliches Können sind ihre Voraussetzungen, Nützlichkeit und Erkenntnisvermittlung ihr Ziel. Dem entsprechen eine kritische, an den Naturwissenschaften abgelesene analytische und pragmatische Erkenntnismethode sowie eine am Alltag orientierte, nüchterne, auf Verständlichkeit zielende Sprache."^158 Diese die gemeinsamen Ansichten der Forschung heraushebende "Definition" muß zwangsläufig vage und unbestimmt bleiben, ihre wissenschaftliche Brauchbarkeit beruht auf der vorläufigen Feststellung eines gemeinsamen Ansatzpunktes. So offen diese Umschreibung 154 "Dachte man an diesen Abgrund nun C...3" bis "[...] in der Magie der ver- dorbenen Gesundheit" Grab: Stadtpark, S.35-37 155 ebd., S.78 156 Adorno: Hermann Grab, S.197 157 So reiht zum Beispiel Horst Denkler Künstler aller politischen Ausrichtun- gen in die "Neue Sachlichkeit" ein, wenn sie nur "Weltveränderung anstreben" und gesellschaftlich engagiert sind. (Denkler: Sache und Stil, S.173) Er wurde mehrfach als zu einseitig kritisiert. Im Gegensatz dazu zählt Karl Prümm nur linke und linksliberale Autoren zu dieser Strömung (PrUmm: Neue Sachlichkeit, S.614), Helmut Lethen sieht die "Neue Sachlichkeit" sogar als eine Vorstufe zum Faschismus an (Lethen: Neue Sachlichkeit). 158 Petersen: Neue Sachlichkeit, S.469 123 bleibt, wird doch klar, daß sie auf Grab und sein Werk nicht zutreffen kann: der Autor will zwar eine bestimmte, moderne Geisteshaltung darstellen, er verwendet dabei aber keineswegs eine "analytische und pragmatische Erkenntnismethode", noch zielt das Werk auf "Nützlichkeit und Erkenntnisvermittlung". Ganz und gar abwegig wäre es, Grabs Sprache als "am Alltag orientiert" und "nüchtern" zu bezeichnen. Die Verbindung zum "Sachlichen" beruht dagegen auf Kriterien wie stilistischer Distanz und Objektivität. Dies steht aber in keinerlei Zusammenhang mit der "Neuen Sachlichkeit", sondern mit einer "dichterisch-ästhetischen Sachlichkeit", die von literarischen Epochen unabhängig ist. 5.1.11. Literarische Einflüsse: Thomas Mann. Marcel Proust, Max Brod Einen anerkennenden Brief Thomas Manns beantwortete Grab folgendermaßen: "Das ganz Einzigartige des Erlebnisses aber, das es für mich bedeutet, diesen Brief in meiner Hand zu haben, lässt sich nur deutlich machen durch den Hinweis auf das Mass, in welchem mein Versuch Ihrem Werk verpflichtet ist. Verpflichtet zunächst in der Weise, in der jeder bescheidene Versuch einer Meisterschaft, die ihm Vorbild ist, verpflichtet sein muss, dann aber noch in einem viel tieferen, entscheidenderen Sinne. In der Überzeugung, dass in einer bereits bestehenden Kunstform sich Gültiges und Neues nur bieten lässt durch Einfügung in eine Tradition, sah ich in Ihrem Werk das Eine und Einzige, welches den Bestand einer Epik im deutschen Kulturkreis verkörpert, das Einzige darum, das mir [!] - so gewichtig auch die nähere Vergangenheit französischer Romantradition erscheinen muss - den Mut geben konnte, eine Arbeit zu beginnen, und zugleich auch die Hoffnung, einen, wenn auch noch so kleinen Baustein neu ans Licht zu fördern.^159 Grab schätzte an Thomas Mann, daß seine Dichtung "die hintergründigen Wandlungen unsern Bewusstseins sichtbar machen wird"^160. Auf gewisse Beeinflussungen des "Stadtparks" durch dessen Werk ist schon früh hingewiesen worden – der zitierte Brief belegt aber, daß sich Grab ganz bewußt in die Mannsche Romantradition stellte. Stilistisch vergleichbar ist die hohe Sprachebene, die Verwendung von substantivischen Streckformen mit unpersönlichen Formen und Wendungen, die Vorliebe für Lehn- und Fremdwörter sowie der stark gegliederte Satzbau und 159 Brief Hermann Grab an Thomas Mann vom 26.11.1934, s. Anhang S.520- 521, hier S.521 160 Briefkarte Hermann Grab an Thomas Mann vom 6.6.1934, s. Anhang S.520 161 Im folgenden Vergleich einzelner markanter Züge kann die stilistische und inhaltliche Vielfalt des umfangreichen Gesamtwerkes von Thomas Mann selbstverständlich nicht im einzelnen berücksichtigt werden. - 124 - die (ironische) Distanz zum Geschehen. Die Absolutheit von Aussagen wird von beiden Dichtern oft zurückgenommen bzw. relativiert. Reihungen von Fragen erscheinen bei Mann gelegentlich, sind aber weniger häufig vorzufinden als bei Grab. Eine wesentliche Parallele stellt die genaue Detailbeobachtung und die große Dichte der Stilmittel bei beiden Autoren dar. Auch Motivähnlichkeiten sind zu bemerken. Die Musik spielt jeweils eine sehr große Rolle, bei Grab wie Mann wird immer wieder der Einfluß musikalischer Formen auf das Werk bemerkt. Dies gilt sowohl für den inhaltlichen als auch für den formalen Bereich.162 Häufig finden sich auch Reflexionen über Zeit, Zeitdauer, Zeitbegriff und über die Angst vor der Zeitlosigkeit. Die von Grab oft verwendete Theatermotivik ist in den Werken Manns allerdings relativ unwichtig. Inhaltliche Entsprechungen fallen zunächst auf werkübergreifender Ebene auf. Eine zentrale Darstellungsidee ist jeweils der notwendige Zusammenhang von Negativem und Positivem - bei Mann Krankheit und Genie, bei Grab der alte Topos Armut und Glück. Des weiteren bestehen Affinitäten in der Verarbeitung autobiographischer Elemente, der Schilderung des bürgerlichen Milieus und in der Konzentration auf den menschlich-gefühlsmäßigen Bereich. So findet sich auch bei Th. Mann eine Art der Persönlichkeitsdarstellung, die gleichzeitig als sehr differenziert und genau beobachtend wie als distanziert-verallgemeinernd beschrieben werden muß. Die Einbettung der Figuren in ihre gesellschaftlichen Zusammenhänge und Bedingungen wird bei beiden Autoren genau ausgearbeitet, ohne zum eigentlichen Thema zu werden. Diese Entsprechungen fallen insbesondere im Vergleich zwischen dem "Stadtpark" und den "Buddenbrooks" auf. Tatsächlich besteht in der Lebensfremdheit, der Sensibilität und Nachdenklichkeit, die sich auf Kosten der Lebensenergie in den Vordergund drängen, eine "Verwandtschaft" zwischen Hanno Buddenbrook und Renato Martin. Interessant ist, daß Thomas Mann zunächst nur eine kurze Novelle über Hanno plante163, aus der sich dann ein umfassender Roman entwickelte, während Grab umgekehrt ein größeres Werk plante, von dem schließlich nur ein Teil veröffentlicht wurde. In diesem größeren Roman sollte, ganz ähnlich wie in den "Buddenbrooks", der Niedergang einer Familie beschrieben werden. In beiden Werken wird eine Erzähltechnik verwendet, bei der der Erlebnishorizont der dargestellten Personen mit dem des Erzählers selbst übereinstimmt. 162 vgl. Windisch-Laube: Thomas Mann, bes. S.327-332,338. Hier auch aus- führliche Literaturhinweise zum Thema. 163 Hora: Buddenbrooks, S.62-63 - 125 - Deutlich muß an dieser Stelle hervorgehoben werden, daß Grab die Erzählformen Thomas Manns nicht einfach übernimmt, sondern sie tatsächlich weiter-zuentwickeln sucht. Einen wichtigen Unterschied bildet zum Beispiel die Figur des Erzählers, der bei Mann ausführlich kommentiert und über das Erzählen selbst reflektiert. Während Mann in den meisten seiner Werke eine eher klassisch aufgebaute Romanhandlung bietet, geht Grab zur Darstellung des Psychischen durch alltägliche, sich wiederholende Begebenheiten über. Er schreitet praktisch durch Einbeziehen der jüngeren französischen Literatur in der Traditionslinie seit Thomas Mann voran. Die Verehrung Hermann Grabs, "genannt der Marcel Proust von Prag"164, für den Verfasser von "A la recherche du temps perdu" geht nicht nur aus seinem Artikel zum zehnten Todestag des französischen Dichters im "Prager Tagblatt" und aus seinem Proust-Vortrag hervor, sondern wird auch dadurch belegt, daß sich Grab als einen seiner ersten Leser in Prag bezeichnete165. Vor allem der "Stadtpark" wurde durch die "Recherche", deren erste drei Bände 1926, 1927 und 1930 in deutscher Übersetzung erschienen, sowohl thematisch als auch stilistisch beeinflußt.166 Dies fällt sofort auf, wie schon Klaus Mann beim ersten Lesen des Typoskripts festhält: "23.1.[19340: C..J Gelesen: Mskr. von Hermann Grab (von Brod empfohlen, von Proust beeinflußt.)"167 Da bei allen literarischen Anregungen vor allem das subjektive Verständnis des Schriftstellers von den literarischen Vorbildern ausschlaggebend ist, soll im folgenden besonders auf Grabs persönliches Proust-Bild eingegangen werden. Im Stil sind zunächst die mit feiner Beobachtungsgabe geschilderten "Momentaufnahmen" vergleichbar, die Aneinanderreihung von Bildern der Erinnerung und der zufälligen Anschauung. Dabei finden sich bei Grab allerdings mehr allgemeine Bilder als bei dem französischen Autor. Modifiziert klingt auch der typische Satzbau Prousts in den vielen Einschüben des Grabschen Werkes nach. Was Grab diesbezüglich über Proust bemerkt, gilt im wesentlichen auch für ihn selbst: "Das Grunderlebnis liegt sozusagen nicht mehr an der Oberfläche des Erlebens C...3. Das ist die Erlebnissituation, die sich im Proustschen Satzbau widerspiegelt. Unzählige Einschachtelungen, unzählige Relativsätze. Der Satzbau als solcher ist also weniger greifbar, klingt aber durch das Gesamtgefüge mit einem überaus natürlichen Rhythmus durch. ^164 G. Urzidil: Quadratur, S.530^ ^165 vgl. Staengle: Nachwort, S.202 und H.G. Adler: (RezJ Hermann Grab, S.9^ ^166 Proust: Auf den Spuren der verlorenen Zeit, Bd.l-Ill (1926-1930)^ ^K. Mann: Tagebücher 1934-1935, S.12^ ^ - 126 - Dasselbe Bild aber gibt uns nicht nur der Satzbau, sondern auch der Bau des gesamten Romanwerkes."168 Gewisse impressionistische Stilelemente, die hier nicht wiederholt aufgezählt zu werden brauchen, finden sich bei beiden Autoren - gelegentlich gehen die Parallelen sogar bis in die Wortwahl und den Tonfall. In der Motivik ließ sich Grab offensichtlich bei Reflexionen über Raum, Zeit und Erinnerung auch durch Prousts Romanwerk anregen. Die Zeitdarstellungen ähneln sich vor allem in der Differenzierung von äußerer, "technischer" Zeit und dem, was subjektiv die Zeit ausfüllt und sie so länger oder kürzer erscheinen läßt. Die Betonung visueller Eindrücke sowie die Verwendung von Musikmotiven spielt jeweils eine große Rolle, ist allerdings bei Proust stärker ausgearbeitet. Die Neigung des französischen Autors, die außerliterarische Realität über Vergleiche aus der Welt der bildenden Künste wiederzugeben, schlägt sich auch bei Grab in einer Szene nieder, in der er ein "Winterbild" im Park mit Gemälden von Jordaens und Ostade in Bezug setzt169. Allerdings entspricht diese Art der Abbildung insgesamt einer Leitvorstellung des europäischen Ästhetizismus des 19. Jahrhunderts und der Jahrhundertwende.170 In der "Recherche" wie im "Stadtpark" werden die Motive häufig in "reizvollen Kontrastwirkungen" aufgebaut. Obwohl sich Grabs Werk durch eine größere Distanz zum Erzählten auszeichnet, ist doch die Erzählhaltung innerhalb des "Stadtparks" sowie das Verhältnis des Autors zum Erzählten vergleichbar. Grab verdeckt letzteres, indem der "Stadtpark" im Gegensatz zu Proust als Er-Erzählung aufbaut. Doch auch Marcel, Hauptfigur der "Recherche", ist als "literarischer Jedermann" zu begreifen, als "der Inbegriff einer Sensibilität, in der auch die Empfindungen zahlloser künftiger Leser bereits mit enthalten sind. Und nicht zuletzt ist diese Individualität mit ihrer Geistigkeit und ihrem verfeinerten Bewußtsein der Phänotyp einer geschichtlichen Situation und einer bestimmten Phase kultureller Entwicklung."^172 Peter Härtung weist auf deutliche inhaltliche Bezüge des "Stadtparks" zu Prousts Roman hin^173, Karl Hobi legt die Parallelen genauer fest: Sie seien zum dritten Teil von "Du cote de chez Swann" und zum ersten Teil von "A l'ombre de jeunes fille en fleurs" vorhanden. Hier stimmt das geschilderte Milieu bis hin zu Einzelheiten wie Parkspaziergängen und Nachmittagstees überein. Im Park 168 Grab: Proust-Vortrag, s. Anhang S.465-479, hier S.471-472 169 Grab: Stadtpark, S.20-21 170 ZmegaC: Europäischer Roman, S.284 171 Grab: Proust-Vortrag, Anhang S.471 172 ZmegaC: Europäischer Roman, S.274 173 Härtung: (Rez.) "Grab: Der Stadtpark", S.483 (bzw. S.11 der Ausgabe) - 127 - trifft Marcel genauso wie Renato ein junges Mädchen, dessen Zuneigung er sich einbildet. Die Einstellungen der Jungen zu den Mädchen und zu deren Eltern sowie der feste Glaube an ihre Liebe sind vergleichbar.17* Wieder trifft die Äußerung Grabs über Proust auch auf ihn selber zu: "Fragt man sich, was Proust mit diesen Menschen anfängt, dann muss man sagen, er zeigt nur, wie sie leben, nicht mit grossen äusseren Erschütterungen, und dennoch für uns in höchstem Masse erschütternd, ganz einfach, weil sie in unseren Augen in höchstem Masse wirklich sind."^175 Auch der soziale Rahmen, in dem sich Renato bzw. Marcel bewegen, ist der gleiche. In der Überzeugung, trotz der Begrenzung der Darstellung auf kleine Gesellschaftsausschnitte "sozialkritisch" im weitesten Sinne schreiben zu können, ist eine der wesentlichsten Anregungen des Autors durch Proust zu sehen. Die Art der Charakter- und Gefühlsdarstellung sowie die charakterliche Typisierung der Hauptpersonen, ein "ganz ungewöhnlicher Reichtum an dem, was man gemeinhin als Psychologie zu nennen pflegt, ein Reichtum an Nuancen, eine Fähigkeit exaktester Differenzierung"^176, ist bei beiden Autoren gleichartig. Doch trotz aller Beeinflussungen sind die Romane "Recherche" und "Stadtpark" durchaus unterschiedlich angelegt. So fehlt bei Grab die für Proust typische Doppelperspektive, das Nebeneinander von Vergangenem (Erinnertem) und der Gegenwart, in der das Erinnern stattfindet. Diese Abweichung liegt schon allein im Umfang der Werke begründet, welcher auch bewirkt, daß Grab innerhalb des Rahmens vom "Stadtpark" nicht jene Gesellschaftsdarstellung leistet, die Proust in seinem umfassenden Werk bietet. In der "Recherche" glaubt Grab genau das Konzept zu erkennen, welches sich in seinem eigenen Werk ausdrückt: Hinter der unmittelbar wahrnehmbaren Realität verberge sich eine objektive Werteordnung, trotz aller Unklarheit und Verwirrtheit der Gegenwart sei eine Art "metaphysisches Zentrum" zu finden. Doch es blieb bei Anregungen, von direkter Nachahmung kann keine Rede sein. Härtling sagt zutreffend, die "Novelle 'Der Stadtpark' verleugnet ihre Muster nicht - aber diese sind so in sie eingegangen, daß sie nicht mehr sind als ein glückliches, beflügelndes Geleit. Selbst Handlungsparallelen lassen sich konstatieren, wobei es freilich nicht sicher ist, ob Grab sich ihrer bewußt war."^177 Und Ernst Schönwiese bemerkt: "Ich glaube nicht, daß es leicht fallen würde, einen zweiten Autor zu nennen, der die für die Entwicklung unserer Prosa-Epik 174 vgl. Hobi: Hermann Grab, S.86-89 175 Grab: Proust-Vortrag. Anhang S.468-469 176 ebd., Anhang S.469 177 Härtling: Der Stadtpark, S.143 - 128 - so wichtig und wesentliche Schule Prousts mit soviel Gewinn für seine eigenste Begabung zurückgelegt hätte."'78 Grabs Essay "Die Schönheit häßlicher Bilder" macht deutlich, daß konkrete Parallelen zwischen dem besprochenen Werk Max Brods und dem "Stadtpark" bestehen. Dafür spricht neben den inhaltlichen Aspekten auch die gleiche Entstehungszeit der Besprechung und des Romans. Als Hauptbezüge vom "Stadtpark" zur Sammlung Brods nennt Peter Staengle die ähnlich verwendete Metaphorik des Theaters, die die Scheinhaftigkeit des Lebens darstellen soll, und die Tatsache, daß im Roman eine "(noch) funktionierende Oberfläche" dargestellt werde, die den "Zerfall der bürgerlichen Welt [...] kaschiert"179. (Genauer müßte man sagen, daß durch eine nicht mehr ganz funktionierende Oberfläche der beginnende Zerfall sichtbar wird.) Außerdem versuche Grab, eines der Leitmotive Brods ebenfalls zu gestalten, und zwar den "Antagonismus zwischen realen Mächten und marionettenhaftem Leben", wie es der jüngere Autor in seinem Essay nennt. Dabei ähnelt sich ihr poetisches Prinzip: das Vordringen in "geistige Ebenen" über die Schilderung von "Oberflächenphäno- - 180 menen“. Die Beschäftigung mit der für Renato unverständlichen Wertewelt der Erwachsenen im Kontrast zu seiner eigenen Ordnung entspricht dem Leitmotiv von Brods Essaysammlung, sich mit Schemata und Konventionen zu befassen und sie in Frage zu stellen. Obwohl es sich hier um geradezu toposhafte Elemente bürgerlicher Literatur handelt, kann aufgrund der Art der Verarbeitung von einer Beeinflussung gesprochen werden. Dabei ist die kindliche Sichtweise sehr wichtig.'81 Schließlich nennt Becher fUr beide Autoren die "Konzentration auf die Ränder der Wahrnehmung"'82 entscheidend, die bei Grab zum Beispiel beim Vorspielen auf dem Akademieabend zur Geltung komme. Zusätzlich zu den von Becher und Staengle genannten Zusammenhängen muß noch auf bestimmte "surrealistische" Passagen im Stadtpark hingewiesen wer- 178 Schönwiese: Hermann Grab, S.258 179 Staengle: Nachwort, S.203 180 vgl. auch ebd. 181 Becher weist darauf hin, daß Brod in einem seiner Stücke ebenfalls die kindliche Sichtweise annimmt (gemeint ist Max Brod: Unter Kindern.-In: ders.: Über die Schönheit, S.53-58). Allerdings sind die Voraussetzungen völlig andere, denn Brod beschreibt in Ich-Form, wie er als Erwachsener an einer Kindergesellschaft teilnimmt und sich langsam immer mehr in die Kinderseele hineinversetzt. Die Parallelen sind hier also weniger überzeugend als Becher annimmt. Grabs "kindlicher Blick" wirkt zudem wesentlich stärker entlarvend als der Brods. 182 Becher: Die Schönheit, S.138 - 129 - den, die nicht durch die Lektüre von Werken Marcel Prousts oder Thomas Manns angeregt sind. Geht man von Grabs Surrealismus-Verständnis aus, wie er es in seinem "Schönheit'-Essay schildert, so fällt als dessen Realisierung vor allem jene Textstelle aus dem "Stadtpark" auf, bei der "der Ort selbst sich transformierte". Renatos "Zimmer sich zu verwandeln begann"'^183. Hier werden Elemente der aufgelösten Oberfläche, der "Außenschicht'1 wieder zusammengefügt, so daß neue Einsichten und Fragestellungen über die "Hintergründe des Lebens" möglich werden.^184 5.1.12. Herausentwicklung des Positiven: Rezeption des "Stadtparkes" Da nur wenige Rezensionen zum "Stadtpark" zur Verfügung stehen, müssen zu seiner Einschätzung auch andere Quellen, wie zum Beispiel die Verlagsprogramme des Zeitbild-Verlags (1935), des Verlags Willi Weismann (1947) und des Silberboot-Verlags (1948), herangezogen werden. Zur Ergänzung werden zudem rezensionsähnliche Texte untersucht. Grab selbst hat sich für die Verbreitung seines Erstlingswerkes sehr eingesetzt. So veranlaßte er vermutlich selbst einen Vorabdruck im "Prager Tagblatt"'85 und wandte sich an Paul Kisch wegen einer Besprechung in der "Neuen Freien Presse"186. Später schrieb er nochmals an Kisch, um einen Teilabdruck in der Wiener Presse einzuleiten, denn er war von der "Resonanz in Wien" "ungemein enttäuscht". 183 Grab: Stadtpark, S.51 184 Neben Marcel Proust und Thomas Mann werden gelegentlich andere Auto- ren zur Beschreibung von Grabs Werk herangezogen. Hierzu gehören neben Hugo von Hofmannsthal, Arthur Schnitzler und Robert Musil auch die englischen Schriftsteller James Joyce, Virginia Woolf und Katherine Mansfield. Eine detaillierte Vergleichsanalyse ist hier unergiebig und bliebe auf vereinzelte Analogien beschränkt. Die Berechtigung der Vergleiche liegt dagegen in einer gemeinsame "Richtung" aller Autoren, die eine wesentliche Entwicklung im Roman des 20. Jahrhunderts darstellt: diejenige der Internalisierung (Vgl. ZmegaC: Europäischer Roman, bes. S.355). Dabei versuchte für die damaligen Lesegewohnheiten wohl James Joyce in seinem "Ulysses" (1922, dt. 1927) am radikalsten die gleichzeitige Wahrnehmung disparater Sachverhalte im Bewußtsein des Menschen literarisch abzubilden. Ein Einfluß ist durchaus möglich, da Grab vom "Ulysses" "begeistert" war (Brief Bettina von Kahler an Karl Hobi vom 15.4.1967). Die Absicht der Vergleiche liegt vor allem in der Illustration der Tatsache, daß Grab zu den Vertretern der "Romane der Innensicht" gehört und sich damit durchaus eine der Hauptentwicklungen des "modernen Romans" zu eigen macht. 185 Grab: Kindergesellschaft.- In: Prager Tagblatt (8.12.1934), Beilage Der Sonntag" 186 Brief Hermann Grab an Paul Kisch, vermutl. 1934, s. Anhang S.515 187 Brief Hermann Grab an Paul Kisch vom 14.4.1935, s. Anhang S.516 - 146 - und mit ihrem gelegentlichen pädagogischen Ungeschick wird die Gouvernante sehr ähnlich charakterisiert wie Miß Florence im "Stadtpark". 5.2.4. Hauptmerkmale des Stils Auch stilistisch gleicht die Erzählung "Die Kinderfrau" dem Roman. Am Anfang findet sich eine ähnliche lose Aneinanderreihung von Typischem, Allgemeinem und Einzelerlebnissen. Es entsteht so eine Mischform von distanziertem Schildern allgemeiner Geschehnisse und stringentem Erzählen. Die wörtliche Rede wird wie im "Stadtpark" eingesetzt. Im Gegensatz zum Roman wird aber eine einheitliche Sprachebene durchgehalten, die durch Einfügungen wie "Übrigens" und durch Nachordnungen265 zum Teil der Alltagssprache nahekommt. Dementsprechend verwendet Grab keine langen Sätze, Verschachtelungen oder Aufzählungen und arbeitet keine größeren Vergleiche und Metaphern ein, wie sie im "Stadtpark" so auffällig sind. Lucy Topol'skä erkennt den Grund dieses "unsentimentalen", "ungewöhnlich lapidaren" Stils richtig, wenn sie meint, durch ihn solle eine "oberflächliche Rührung des Lesers" vermieden werden.266 Die Theatermotivik dient hier nicht zur Verdeutlichung der "Scheinhaftigkeit" oder ähnlicher Inhalte, sondern betont lediglich die charakterliche und intellektuelle Besonderheit der Kinderfrau. 5.2.5. Die Schilderung sozialer Ungerechtigkeit als Darstellungsabsicht Möglicherweise klingt in der Erzählung "Die Kinderfrau" das Thema Antisemitismus mit an. Das Aussehen der Hauptperson wird durch eine "lange, spitze Nase, die einen Höcker trug" und durch "funkelnde schwarze Augen"267 charakterisiert - dies ähnelt den Beschreibungen von Juden in antisemitischen Schriften. Außerdem muß sie im Theater "natürlich" abseits sitzen268, und die Eltern sagen: "man kann verstehen, daß niemand bei ihr wohnen will"269, was auf die Ausgrenzung von Menschen jüdischen Glaubens hinweisen mag. Zumindest aber wird die Eigenartigkeit, Häßlichkeit und pädagogische Ungeschicklichkeit eines Menschen seiner Güte, Liebe und seinem kulturellen Interesse auf 265 z.B.: "Aber Hamlet mit Kainz, das war ihr schönster Abend." Grab: Kin- derfrau, S.90 266 Topol'skä: Prager Stadtpark, S.118 267 vgl. Grab: Kinderfrau, S.89 268 ebd., S.90 269 ebd., S.91 - 147 - fast tragisch zu nennende Weise gegenübergestellt. Wieder erscheint die Thematik der Zusammengehörigkeit des Gegensätzlichen. Die mit all ihren Absonderlichkeiten liebenswerte Kinderfrau wird aus Unverständnis und Intoleranz von ihrer Umwelt ausgestoßen und stirbt letztendlich daran. Topolskä sieht "im Hintergrund C..J die Aufdeckung von sozialer Ungerechtigkeit als Ursache von Leid und Tod."^270 Die nüchterne Darstellung dieses Themas läßt es noch eindringlicher wirken.^271 Aufgrund der dargestellten Thematik ist es falsch, bei der Erzählung Die Kinderfrau" nur von einer Arabeske zum "Stadtpark" zu sprechen. Das Milieu und die Konstellation der handelnden Personen ähneln sich zwar, es besteht eine stilistische Verwandtschaft, die Aussage des Werkes muß jedoch als eigenständig bezeichnet werden. 270 Topol'skä: Prager Stadtpark, S.118 271 vgl. auch Hobi: Hermann Grab, S.97 272 vgl. Schönwiese: Nachwort, S.115; auch Strelka: Österreichischer Proust, S.116; Hobi: Hermann Grab, S.102 273 Brief I Hermann Grab an Ernst Schönwiese, vermutl. 1946, s. Anhang S.521-522. hier S.522 - 338 - 2. Sekundärliteratur zu Hermann Grab 2.1. Monographien Hobi. Karl: Hermann Grab. Leben und Werk.- Freiburg/Schweiz (Diss.) 1969 1.2. Einzeldarstellungen in Büchern und Zeitschriften Adorno, Theodor W.: Hermann Grab.- In: Grab: Stadtpark und andere Erzählungen, S.197-198; zuerst in: Die neue Rundschau 60 (1949), H.16, S.594; wieder in: Theodor W. Adorno: Vermischte Schriften II.- Frankfurt a.M.: suhrkamp 1986 (= Gesammelte Schriften. Hrsg. von Rolf Tiedemann, Bd.20.2), S.465-467) Alker, Ernst: Profile und Gestalten der deutschen Literatur nach 1914. Hrsg. von Eugen Thurnher.- Stuttgart: Kröner 1977, S.341-342 Becher, Peter: Die Schönheit häßlicher Bilder. Hermann Grab und sein Verständnis von Max Brod.- In: Hartmut Binder (Hrsg.): Franz Kafka und die Prager deutsche Literatur. Deutungen und Wirkungen. Die Vorträge der 3. Literarischen Fachtagung der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen vom 3.-4. Juni 1988 in Königswinter.- Bonn: Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen 1988, S.127-141 Becher, Peter: Auf der Suche nach der wahren Harmonie. Der Prager Schriftsteller Hermann Grab.- In: Sudetenland: Böhmen, Mähren, Schlesien. Vierteljahresschrift für Kunst, Literatur, Wissenschaft und Volkstum 28 (1986), H.3, S.186-190 Glaser, Franz: Hermann Grab, ein Prager Dichter.- In: Sudetenland: Böhmen, Mähren, Schlesien. Vierteljahresschrift fUr Kunst, Literatur, Wissenschaft und Volkstum 12 (1970). H.1, S.31-34 Härtung, Peter: Hermann Grab: "Der Stadtpark".- In: ders.: Vergessene Bücher. Hinweise und Beispiele.- Stuttgart: Goverts 1966, S.143-150 (Neuauflage München 1986, S.197-205) Schönwiese. Ernst: Nachwort.- In: Grab: Hochzeit in Brooklyn, S.112-118 Schönwiese, Ernst: Hermann Grab.- In: Wort in der Zeit 4 (1958), H.5, S.257-265. Wieder u.d.T.: Ein Prager Schüler Marcel Prousts: Hermann Grab (1903-1949).- In: ders.: Literatur in Wien, S.145-158 Schütz, Hans J.: Hermann Grab.- In: ders.: >Ein deutscher Dichter bin ich einst gewesene Vergessene und verkannte Autoren des 20. Jahrhunderts.- München: Beck 1988, S.84-89 Serke, Jürgen: Hermann Grab.- In: ders.: Böhmische Dörfer, S.425-427 Spiewok, Wolfgang: Hermann Grab. Der Stadtpark.- In: Romanführer A-Z. Von einem Autorenkollektiv unter Leitung von Wolfgang Spiewok. Band III: 20. Jahrhundert. Der österreichische und schweizerische Roman. Romane der BRD.- Berlin-Ost: Volk und Wissen 1978, S.154-156 - 339 - Staengle, Peter: Nachwort.- In: Grab: Stadtpark und andere Erzählungen, S.199-207 Strelka, Joseph P.: Hermann Grab- In: John M. Spalek und Joseph Strelka (Hrsg.): Deutschsprachige Exilliteratur seit 1933. Bd. II: New York, Teil 1.- Bern: Francke 1989, S.270-275 Strelka, Joseph: Ein österreichischer Proust.- In: ders.: Brücke, S.63,90, 113-120 Tomanovä, Helena: Begegnung mit Hermann Grab. Der Stadtpark.- In: Grazer Journal. Hrsg. von Rudof F. Bretschneider (Wien) o.Jg. (1991), Nr.48 (Juni), S.32 Topol'skä, Lucy: Hermann Grab und seine Prager Welt von Gestern.- In: Brücken. Germanistisches Jahrbuch DDR-CSSR (1985/86).- Prag 1986, S.148-154 Topol'skä, Lucy: Die Welt des Prager Stadtparks im Werk von Hermann Grab.- In: Acta Universitatis Palackianae Olomucensis. Facultas Philoso- phica. Philologia 54, 1986, S.115-123 Wimmer, Paul: Plädoyer für Hermann Grab.- In: Weisheit der Heiterkeit. Festschrift für Ernst Schönwiese.- Wien, Hamburg-, Zsolnay 1978, S.233-240 Austrian Writers in the United States 1938-1968. An Exhibition of the Aus- trian Institute and the Austrian Forum, Inc., 11 East 52nd St., New York. Hrsg. von Mimi Grossberg und Viktor Suchy.- New York: o. Verl. 1968 (wieder Wien: 1970), S.10 2.3. Lexikon- und Literaturgeschichtsartikel Bibliographie Judaica Verzeichnis jüdischer Autoren deutscher Sprache. Bearbeitet von Renate Heuer. Bd.1.- Frankfurt a.M., New York: Campus 1982, S.129 Internationale Bibliographie zur Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart. Erarbeitet unter Leitung von Günter Albrecht. Teil 4,2: Zehnjahres-Ergänzungsband. Berichtzeitraum: 1965-1974. Nachträge zum Grundwerk.- München, New York, London, Paris: Säur 1984, S.747 Frank-Döfering, Peter (Hrsg.): Adelslexikon des österreichischen Kaisertums 1804-1918. Hrsg. und kommentiert von Peter Frank-Döfering.- Freiburg, Basel, Wien: Herder 1989, S.316, Nr.2757 Giebisch, Hans / Gustav Gugitz: Bio-bibliographisches Literaturlexikon Österreichs von den Anfängen bis zur Gegenwart.- Wien: Hollinek 1964, S.117 Hall, Murray G. / Gerhard Renner: Handbuch der Nachlässe und Sammlungen österreichischer Autoren.- Wien, Köln, Weimar: Böhlau 1992 (= Literatur in der Geschichte - Geschichte in der Literatur. In Verbindung mit Claudio Magris hrsg. von Klaus Amann und Friedbert Aspetsberger. Bd.23), S.89-90 - 340 - Kindermann, Heinz (Hrsg.): Wegweiser durch die moderne Literatur in Österreich.- Innsbruck: österreichische Verlagsanstalt [1954], S.48 Knobloch, Erhard Jos.: Kleines Handlexikon Deutsche Literaur in Böhmen, Mähren, Schlesien von den Anfängen bis heute. 2., erg. und erw. Aufl..-München: Europa 1976, S.31 Biographisches Lexikon zur Geschichte der böhmischen Länder. Hrsg. im Auftrag des Collegium Carolinum von Heribert Sturm. Bd.L- MUnchen, Wien: Oldenbourg 1979, S.460 Maas, Lieselotte: Handbuch der deutschen Exilpresse 1933-1945. Hrsg. von Eberhard Lämmert. Band I.- München, Wien: Carl Hanser 1976, S.349; ebd., Band II.- München, Wien: Hanser 1978, S.605 Schmidt, Heiner: Quellenlexikon der Interpretationen und Textanalysen. Personal- und Einzelwerkbibliographie zur deutschen Literatur von ihren Anfängen bis zur Gegenwart. Ein Handbuch für Schule und Hochschule. Bd.S.Duisburg: Verlag für Pädagogische Dokumentation 1984 (= Beihefte zum BIB-Report, Beiheft 30), S.78-79 Schmidt, Heiner: Quellenlexikon der Interpretationen und Textanalysen. Personal- und Einzelwerkbibliographie zur deutschen Literatur von ihren Anfängen bis zur Gegenwart. Ein Handbuch für Schule und Hochschule. Nachträge 1983-1986. Bd.10.- Duisburg: Verlag für Pädagogische Dokumentation 1987, S.79 Spalek, John M.: Guide to the Archival Materials of the German-speaking Emigration to the United States after 1933. CVol.1].- Charlottesville: University Press of Virginia 1978, S.1064 Sternfeld, Wilhelm / Tiedemann. Eva: Deutsche Exil-Literatur 1933-1945. Eine Bio-Bibliographie. Mit einem Vorwort von Hanns W. Eppelsheimer. 2., verb. und stark erw. Aufl.- Heidelberg: Lambert Schneider 1970 (= Veröffentlichungen der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Darmstadt), S.178 Stock, Karl F. / Rudolf Heilinger / Marylene Stock: Personalbibliographien österreichischer Dichter und Schriftsteller. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Mit Auswahl einschlägiger Bibliographien, Nachschlagewerke, Sammelbibliographien, Literaturgeschichten und Anthologien.- Pullach bei München: Verlag Dokumentation 1972, S.303 Strauss, Herbert A. / Röder, Werner (Hrsg.): International Biographical Dic-tionary of Central European Emigres 1933-1945. Volume U/Part 1 (A-K. The Arts, Sciences, and Literature), hrsg. von Hannah Caplan und Belin-da Rosenblatt.- Paris, New York, London. München: Saur 1983. S.407 Thomson, Oscar (Hrsg.): The International Cyclopedia of music and musicians. Neu bearb. von N. Slonimsky, später von R. Sabin, Dodd, Mead & Co.- New York 1964 S.823 Ward, Robert E.: Bio-Bibliography of German-American Writers. 1670-1970.-White Plains, New York: Kraus 1985, S.101 - 341 - 2.4. Rundfunksendungen Seitenzahlen in Anmerkungen beziehen sich auf die Typoskripte der Sendungen. Typoskripte im Besitz der Verfasserin. Adler, H. G.: Der Prager Dichter Hermann Grab.- Radiosendung im Westdeutschen Rundfunk am 21.11.1958, 17.30-17.45 Adler, H[ans] G[ünther]: Hochzeit in Brooklyn von Hermann Grab.- Radiosendung im Westdeutschen Rundfunk am 23.11.1964, 21.00-21.30; im Österreichischen Rundfunk am 19.4.1965 Fink, Humbert: Hermann Grab. Zum 65. Geburtstag des Dichters.- Radiosendung im Österreichischen Rundfunk I am 8.5.1968, 21.30-22.00 Glaser, Franz: Hermann Grab, ein Prager Dichter.- Radiosendung in Schweiz II (UKW) vom 27.7.1969, 11.25 2.5. Bezugnahmen in Büchern, Zeitschriften und Zeitungen Aufgeführt sind Bezugnahmen in Quellen und in der Sekundärliteratur. Hier genannte Titel werden nicht gesondert in "Sonstige Quellen" bzw. "Sonstige Sekundärliteratur" aufgenommen. Ackermann, Johannes: Prager deutsche Gesellschaft gestern und heute.- In: Die Brücke. Wochenschrift für Politik, Kultur und Wirtschaft (7.8.1936), Nr.24/Ill, S.11-13 [Grab S.12] Adler, H[ans] G[ünther]: Nachwort zu Franz Baermann Steiner: Eroberungen.- o.O.: o. Verl. 1964 [Grab S.140-143] Adler, H[ans] G[ünther]: Die Dichtung der Prager Schule.- In: Manfred Wagner (Hrsg.): Im Brennpunkt: ein Österreich. 14 Beiträge auf der Suche nach einer Konstante.- Wien: Europa 1976 [Grab S.71,93] Adorno, Theodor W.: Richard Strauss. Hermann von Grab zum Gedächtnis.-In: Neue Rundschau 75 (1964), H.4, S.557-587 [Grab S.557,567] Adorno, Theodor W.: Ohne Leitbild. Parva Aesthetica. 5. Aufl..- Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1973 (= es 201) [Grab S.24] Ankündigung des "Proust-Vortrages" von Hermann Grab.- In: Prager Montagsblatt 55 (1933), Nr.41 vom 9.10.1933, S.4 Artikel "Kallir, Lilian".- In. Carl Dahlhaus (Hrsg.): Reimann Musik-Lexikon. Ergänzungsband Personenteil A-K.- Main: Schott 1972, S.612 Das Buch. Zeitschrift für die unabhängige deutsche Literatur. Hrsg. von Editions Nouvelles Internationales (Paris) 1 (1938), Nr.4 (Dezember), [Grab: Der Stadtpark S.34] Bürgin, Hans / Mayer, Hans-Otto (Hrsg.): Die Briefe Thomas Manns. Regesten und Register. Bd.II. Die Briefe von 1934 bis 1943. Bearbeitet und hrsg. unter Mitarbeit von Yvonne Schmidlin (Thomas Mann-Archiv Zürich) von Hans Bürgin und Hans-Otto Mayer.- Frankfurt a.M.: S. Fischer 1980 [Grab S.288,295,303] - 344 - Politzer, Heinz: Dieses Mütterchen hat Krallen. Prag und die Ursprünge Rainer Maria Rilkes, Franz Kafkas und Franz Werfels.- In: Literatur und Kritik 9 (1974), Nr.81, S.15-33 [Grab S.17] Reffet, Michel: Die Eigenständigkeit des Erzählstils in der Prager deutschen Literatur.- In-. Prager deutschsprachige Literatur zur Zeit Kafkas. Kafka-Symposion 1989, Klosterneuburg. Hrsg. von der österreichischen Franz-Kafka-Gesellschaft, Wien-Klosterneuburg. Teil 2.- Wien: BraumUller 1991 (= Schriftenreihe der Franz-Kafka-Gesellschaft Bd.4), S.69-88 [Grab S.76] Schlüter, Kai: Die "Fähre/Literarische Revue". Analyse einer Literaturzeitschrift der ersten Nachkriegsjahre (1946-1949).- In: Archiv für Geschichte des Buchwesens. Hrsg. von der Historischen Kommission des Börsenvereins des deutschen Buchhandels e.V., Bd.XXIV, Lieferung 1 (1983), Sp.1269-1552 (vorher Phil. Diss., Göttingen 1983) [Grab S.1295,1340,1345,1486-1487,1520] Schneider, Hansjörg: Die unpolitische Variante.- In: Ludwig Hoffmann, Rudolf Hirsch u.a.: Exil in der Tschechoslowakei, in Großbritannien, Skandinavien und Palästina.- Frankfurt a.M.: Röderberg 1981 (vorher Leipzig 1980) [Grab S.50] Schönwiese, Ernst: Einem Poeta doctus. Für Heinz Politzer.- In: Winfried Kudszus / Heinrich C. Seeba (Hrsg.):Austriaca. Beiträge zur österreichischen Literatur. Festschrift für Heinz Politzer zum 65. Geburtstag. Hrsg. in Zusammenarbeit mit Richard Brinkmann.- Tübingen: Niemeyer 1975, S.1-6 [Grab S.2] Schröder-Werle, Renate: Von der Vermittlung zwischen Dichter und Publikum in schwieriger Zeit. Notizen zum unbekannten "Silberboot" (1935-37; 1946-52).- In: Musil-Forum. Hrsg. von der Internationalen Robert-Musil-Gesellschaft Wien. 2 (1976), H.2, S.188-194 [Grab S.191] Spalek, John M. und Strelka, Joseph (Hrsg.): Deutschsprachige Exilliteratur seit 1933. Band II: New York. Teil 1 und 2.- Bern: Francke 1989 [Grab S.100,270-275,1378,1383] Steinert. Heinz: Adorno in Wien. Über die (Un-)Möglichkeit von Kunst, Kultur und Befreiung.- Wien: Verlag für Gesellschaftskritik 1989 [Grab S.159,214] Stern, Joseph Peter: Über Prager deutsche Literatur.- In: Eijiro Iwasaki und Yoshinori Shichiji (Hrsg.): Begegnung mit dem "Fremden". Grenzen - Traditionen - Vergleiche. Akten des VIII. Internationalen Germanisten-Kongresses, Tokyo 1990. Bd.1: Ansprachen, Plenarvorträge, Berichte.- München: iuridicum 1991, S.62-75 [Grab S.75] Strelka, JCoseph]: Die Generation mit dem namenlosen Antlitz oder das Fortleben der "Kakanischen" Tradition 1918-1938.- In: Wort in der Zeit 9 (1963), H.9, S.40-55 [Grab S.44,52,53] Stuckenschmidt, H[ans] H[einzD: Zum Hören geboren. Ein Leben mit der Musik unserer Zeit.- München, Kassel, Basel, London: dtv/Bärenreiter 1982 [Grab S.106,111,133,194,214] - 345 - Teweles, Heinrich: Theater und Publikum. Erinnerungen und Erfahrungen.-Prag: Gesellschaft deutscher Bücherfreunde in Böhmen 1927 (= Veröffentlichungen der Gesellschaft deutscher Bücherfreunde in Böhmen Nr.7) [Familie Grab S.44,226] Tramer, Erwin: "Paradoxe Talente - unerhörte Geheimnisse". Notizen zum letzten Deutschen Dichterkreis in Prag.- In: Literatur in Bayern. Vierteljahresschrift für Literatur, Literaturkritik und Literaturwissenschaft. Hrsg. vom Insitut für Bayerische Literaturgeschichte der Universität München (München: Nymphenburger) o.Jg. (1991), Nr.24 (Juni), S.47-51 [Grab S.51] Tramer, Hans: Prague - City of Three Peoples.- In: Year Book of the Leo Baeck Institute (London, Jerusalem, New York) 9 (1964), S.305-339 [Grab S.338-339] Urzidil, Gertrude: Zur Quadratur des Prager Kreises.- In: Literatur und Kritik 10 (1975), H.99, S.528-536 [Grab S.530] Verein Deutsche Akademie für Musik und darstellende Kunst in Prag. 11. Jahresbericht. Vereinsjahr 1929, Studienjahr 1929-30. Prag: Verlag des Vereins 1930 [Hugo Grab S.30, Firma Grab S.15] Verein Deutsche Akademie für Musik und darstellende Kunst in Prag. 12. und 13. Jahresbericht. Vereinsjahre 1931 und 32, Studienjahre 1931/32 und 1932/33. Prag: Verlag des Vereins, Dt. agrar. Druckerei 1933 [Hugo Grab S.42, Firma Grab S.42D Weyrer, Ursula: Der Förderer zeitgenössischer Dichtung.- In: Joseph P. Strelka (Hrsg.): Ernst Schönwiese. Sein geistiges Profil und seine literarische Bedeutung.- Bern, Frankfurt a.M., New York: Lang 1986, S.197-225 [Grab S.212,213,217] Weyrer, Ursula: 'das silberboot". Eine österreichische Literaturzeitschrift (1935-36, 1946-52).- Innsbruck: o. V. 1984 (= Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft, Germanistische Reihe. Hrsg. von Johannes Holzner u.a., Bd.22) (vorher Phil. Diss., Innsbruck 1983) [Grab S.56,74,77,80,100, 102,111,130,131,171,201-202] Ziegenfuss, Werner und Jung, Gertrud: Max Weber.- In: Philosophen-Lexikon. Handwörterbuch der Philosophie nach Personen. Verfaßt und herausgegeben von Werner Ziegenfuss und Gertrud Jung. Bd. I und II. Berlin: De Gruyter 1950, Bd.II, S.838-841, hier S.841 Zohn, Harry [Waltham]: Zur Literaturgeschichte tschechisch-deutscher Juden.- In: Zeitschrift für die Geschichte der Juden 1/2 (1965), S.22 2.6. Rezensionen und rezensionsähnliche Texte In den Anmerkungen sind alle Kurztitel von Rezensionen und rezensionsähnlichen Texten mit dem Kürzel (Rez.) gekennzeichnet. Adler, H[ans] G[ünther]: Über Hermann Grab.- In: Europäische Ideen. Hrsg. von Andreas W. Mytze (Berlin) o.Jg. (1985), H.60, S.8-11 Adler, H[ans] G[ünther]:: "Der Stadtpark und andere Erzählungen1'.- In: Literatur und Kritik 21 (1986), H.205-206, S.273-275 - 346 - Adler, Jeremy: "Hermann Grab: Der Stadtpark".- In: Times literary Supplement 84 (1985), No.4306 (11.10.1985), S.1146 Ankündigung der 2. Auflage [tatsächlich: 3. Auflage! des "Stadtparks".- In: Silberboot 4 (1948), H.1. Klappentext Becher, Peter: Schreiben am Abgrund. Hermann Grab - ein Erzähler aus dem Prager Kreis.- In: Süddeutsche Zeitung 41 (1985), Nr.117 (22.5.1985), S.13 Bonsen, Peter: Zweifelhaftes Glück. Der Exilautor Hermann Grab - eine Wiederentdeckung.- In: Rhein-Neckar-Zeitung. Heidelberger Nachrichten 41 (1985), Nr.183 (10./11.8.1985), o.S. D.: "Hermann Grab: Der Begriff des Rationalen in der Soziologie Max Webers.- In: Der Arbeitgeber. Zeitschrift der Vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 17 (1928), Nr.8, S.181 Deveson, Richard: Remembrance of things past, Hermann Grab: The Town Park and Other Stories.- In: The New Statesman-. the week-end review 115 (1988), o.Nr. (13.5.1988), S.32 "Den Freunden der 'Literarischen Revue', Einlegeblatt zum Eingehen der Zeitschrift. Rückseite: Literarische Avantgarde'.- In: Die Fähre 4 (1949), H.6.- Veröffentlicht in: Schlüter: Die Fähre, Sp.1345 G.D.: "Hochzeit in Brooklyn".- In: Volkszeitung. Tageszeitung für Kärnten und Osttirol. Wochenend-Ausgabe o.Jg. (1958), Nr.62 (15.3.1958) Haas, Willy: Pratky Nämec 1935 [Der Prager Deutsche 19351.- In: Literární noviny Jg.VII (1935), Nr.4 vom 11.1.1935, S.3 haj D= d.i. Hansres JacobO: Prager Pastelle. Wiederbegegnung mit dem Prager Dichter Hermann Grab.- In: Neue Züricher Zeitung und schweizerisches Handelsblatt/Fernausgabe 206 (1985), Nr.165 (20.6.1985), S.33 Härtling, Peter: "Hermann Grab: Der Stadtpark".- In: Die Welt der Literatur 1 (1964), Nr.15 (1.10.1964), S.483 (bzw. Ausgabe S.11) Hofbauer, Friedl: Bändchen - über die Bände zu schreiben wären. Drei bedeutende Bände aus der Reiche "Neue Dichtung aus Österreich".- In: Tagebuch (Wien) 16 (1961), Nr.9 (September) Kisch, Paul: H. Grab: Der Stadtpark"].- In: Neue Freie Presse [vor 3.1.19351- Teilabdruck in: Silberboot 4 (1948), H.1, Umschlag-Innenseite Mann, Klaus: "Hermann Grab: Der Stadtpark".- In: Die Sammlung 2 (1935), H.7, S.387-389 o.p.: Eine Erzählung aus dem unbekannten Prag.- In: Prager Presse 15 (1935), Nr. 9 (10.1.1935), S.7 O.V.: Hermann Grab: Der Begriff des Rationalen in der Soziologie Max Webers.- In: Philosophisches Jahrbuch der Görres-Gesellsschaft 40 (1927), Bd.3, S.356 O.V.: "Hochzeit in Brooklyn" - In: Mitteilungen der Wiener Urania, September 7956, S.13 - 347 - O.V.: "Hochzeit in Brooklyn".- In: gelesen, bedacht, erfahren. Mitteilungen der Büchereizentrale des "Büchereiwesens in Holstein e.V.". Bücherbrief Nr.6, Juli I960.- [Rendsburg]: Büchereiwesen in Holstein 1960 (Maschinenschrift) O.V.: Hermann Grabs Roman "Der Stadtpark". (Übersetzung eines im "Nieuwe Rotterdamsche Courant" erschienenen Essays eines ungenannten holländischen Autors).- - In: Das Silberboot 4 (1948), H.2, S.108-111 O.V.: Das neue Weihnachtsbuch. Thomas Mann über ein neues Prager Buch.-In: Prager Montagsblatt 57 (1934), Nr.50 vom 10.12.1934, S.8 O.V.: The Town Park: And Other Stories.- In: Publishers' weekly. The Internationale News Magazine of Book Publishing. (New York: Bowker) 233 (1988), H.I/23 (10.6.1988), S.67 Plant, P.: Hermann Grab: Der Begriff des Rationalen in der Soziologie Max Webers- In: Zeitschrift für angewandte Psychologie 30 (1928), S.185, 196-197 Politzer, Heinz: "Hermann Grab: Der Stadtpark". Zeitbild-Verlag 1935.- In: das silberboot 1 (1935/36), H.1 (Oktober 1935), S.46-47 Politzer, Heinz: Der Erzähler Hermann Grab.- In: Silberboot Almanach auf das Jahr 1946. Hrsg. von Ernst Schönwiese.- Salzburg: Silberboot 1946, S.81-82 [zu "Der Stadtpark", 1935] Politzer, Heinz: Klappentext- In: Hermann Grab: Der Stadtpark.- München: Weismann 1947 Rieder, Heinz: "Hochzeit in Brooklyn".- In: Die Zeit im Buch 12 (1958) Ausgabe Juli/August, o.S. Russel, H.: Hermann Grab: Der Begriff des Rationalen in der Soziologie Max Webers.- In: Kölner Vierteljahreshefte für Sozialwissensschaften/Soziologie 7 (1928), S.101-102 Sauter, J.: Hermann Grab: Der Begriff des Rationalen in der Soziologie Max Webers.- In: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft. Hrsg. von Georg Brodnitz. Tübingen: Verlag der H. Laupp'schen Buchhandlung. 85 (1928), S.387 Schlitz, Hans J.: Schmales Werk - genug für die Unsterblichkeit. Der Prager Erzähler Hermann Grab teilt mit Proust die Genialität des Gedächtnisses.- In: Börsenblatt (Frankfurter Ausgabe) 41 (1985), Nr.48, S .1650-1651 C.S. [d.i. Seelig, Carl]: "Der Stadtpark' von Hermann Grab".- In: Neue Züricher Zeitung und schweizerisches Handelsblatt 156 (1935), Nr.779 (5.5.1935), Literarische Beilage Sinneon, Paule: Kritik zum Pariser Konzert Hermann Grabs vom 1.3.1939.- In: Karl Hobi: Hermann Grab. Leben und Werk.- Freiburg/Schweiz (Diss.) 1969, S.36 Skarek-Linz, Wilhelm: "Hermann Grab: Der Stadtpark".- In: Die Zeit im Buch. Besprechungsblätter, Berichte und Kritik für Bücherfreunde und Büchereien. Hrsg. vom Seelsorgeinstitut Wien und dem Österreichischen Borromäuswerk Salzburg (Wien/Salzburg) 2 (1948), H.7/8 (Juli/August), S.51 - 348 - Strelka, Josef: "Hochzeit in Brooklyn".- In: Neue Volksbildung 9 (1958), H.12 swo: Hochzeit in Brooklyn.- In: Der österreichische Mittelschullehrer 10 (1958) H.7+8, S.22 Unger Karl- Planvoll beschädigte Novellen. "Der Stadtpark", Erzählungen von Hermann Grab.- In: Deutsche Volkszeitung/die tat. Wochenzeitung für Demokratie und Frieden (Frankfurt a.M.: Röderberg) o.Jg. (1985), Nr.31 (2.8.1985), S.12 Weinzierl, Ulrich: Der kunstvoll gedämpfte Schrecken- In: Frankfurter Allgemeine Zeitung o.Jg., Nr.98 (27.4.1985), Beilage Bilder und Zeiten - Literatur, S.5 2.7. Nachrufe Nachruf auf Hugo Grab.- In: Hobi: Hermann Grab, S.34-35. Zuerst in: Prager Montagsblatt (27.12.1937), S.1-2 [Hermann Grab S.2] De Grab. Dr. Hermann.- In: New York Times 98 (1949), Nr.33/429 (3.8.1949), S.23 De Grab. Herman.- In: Musical Courier: review of the world's music. Hrsg. von R.M. Kerr (New York: Music Periodicals Corp.) 140 (1949), o.Nr. (1.10.1949), S.26 Herman de Grab.- In: Musical America 69 (1949), Nr.12 (October), S.26 (Obituary) Co.T.l- In: Silberboot 6 (1950), H.3, S.176 - 349 - 3. Weitere Quellen Gedruckte Quellen, in denen Hermann Grab erwähnt wird, sind unter "Sekundärliteratur zu Hermann Grab" (Abschnitt 2.) angeführt und werden hier nicht nochmals erwähnt. 3.1. Ungedruckte und teilveröffentlichte Quellen 3.1.1. Briefe Brief Leo de Grab an Rudolf Henz vom 26.3.1958, s. Anhang S.534-535 Quelle: Nachlaß Ernst Schönwieses, zur Verfügung gestellt von Susanne Schönwiese Brief Erika Mann an Prof. R.D. Welch vom 7.4.1939 (Durchschlag o. Un-terschr.), s. Anhang S.532-533 Quelle: Thomas Mann Archiv der ETH Zürich Brief Thomas Mann an Prof. R.D. Welch vom 21.2.1939 (Durchschlag o. Un-terschr.), s. Anhang S.531-532 Quelle: ebd. Brief Thomas Mann an Prof. R.D. Welch vom 22.4.1939 (Durchschlag o. Un-terschr.), s. Anhang S.533 Quelle: ebd. 3.1.2. Briefe und Gesprächsaufzeichnungen Karl Hobis Quelle für alle Briefe: Privatbesitz Karl Hobis, Vättis/Schweiz. Aufzeichnungen der Gespräche befinden sich im Besitz Karl Hobis. Brief von H.G. Adler vom 18.1.1967, z.T. abgedruckt in Hobi: Hermann Grab, S.33 Brief von H.G. Adler vom 29.1.1967 Brief von H.G. Adler vom 7.2.1967 Brief von H.G. Adler vom 24.2.1967, z.T. abgedruckt in Hobi: Hermann Grab, S.26,33,48 Mündliche Auskunft von Theodor W. Adorno vom 11.11.1966 Brief von Adrian Aeschbacher vom 14.1.1968 Brief von Fritz Bondy vom 27.10.1967, z.T. abgedruckt in Hobi: Hermann Grab, S.15 Mündliche Auskunft von Fritz Bondy vom 2.2.1968 Brief von Herbert Cysarz vom 19.9.1968, z.T. abgedruckt in Hobi: Hermann Grab, S.49-50 Brief von Hermann Epler vom 17.10.1967 Brief von Hermann Epler vom 29.11.1967 Brief von Hermann Epler vom 12.2.1968 Brief von Franz Glaser vom 16.5.1967 Brief von Franz Glaser vom 19.1.1968, z.T. abgedruckt in Hobi: Hermann Grab, S.150-151 Mündliche Auskunft von Franz Glaser vom 15.4.1967 Brief von Leo de Grab vom 8.1.1967 Brief von Leo de Grab vom 1.2.1968 Brief von Leo de Grab vom 21.9.1968 Josef Mühlberger: Geschichte der deutschen Literatur in Böhmen. 1900-1939 München: Langen Müller, 1981. Neben der Aristokratie stand das deutsche Patriziat Prags; dargestellt wird es in den beiden, kurz vor dem Ende der Tschechoslowakei erschienenen Romanen »Der Stadtpark« von Hermann Grab und »Das Haus an der Moldau« von Paul Wiegler. Das nicht umfangreiche Prosawerk Hermann Grabs (1903 Prag - 1949 New York) besteht aus dem kleinen Roman 312 »Der Stadtpurk« (1935), den er als 28jähriger schrieb, und den erst später von Ernst Schönwiese gesammelten und veröffentlichten Erzählungen »Hochzeit in Brooklyn« - »nicht viel, aber es genügt für die Unsterblichkeit«. (Max Brod) Hermann Grabs wohlhabende Eltern, die getaufte Juden waren, »was in Prag in gewissen jüdischen Kreisen als die höchste soziale Stufe galt« (Max Brod), bewohnten wie die Eltern Franz Werfels ein Haus im Millionärsviertel am Prager Stadtpark, nach welchem Hermann Grab seinen Roman nannte. Begonnen hatte Hermann Grab mit der Erzählung »Der Taxichauffeur«. »Ich habe einen großen Fehler gemacht«, sagt der Ich-Erzähler darin. Er hatte sich das Gepäck durch den Chauffeur in die Wohnung herauftragen lassen. Jetzt erscheint der Taxichauffeur immer wieder in der Wohnung, und benimmt sich, als gehöre sie ihm. »Die Mühe wäre nicht so groß gewesen«, gesteht sich der Erzähler, aber er hatte der Verlockung nicht widerstanden, diese Mühe auf den Chauffeur abzuwälzen. Man hört es aus dem Tonfall, aus dem Motiv, wie eine Geringfügigkeit in Schuld verstricken kann, wer hier nachgeahmt wurde. Franz Kafkas Stil und Form sind so eigenwillig und einmalig fertig, daß sie leicht nachgeahmt werden können. Auch in dem kurzen Prosastück Grabs »Unordnung im Gespensterreich« ist dieser Einfluß noch deutlich. In dem Roman »Der Stadtpark« ist davon nichts mehr zu spüren, Hermann Grab hat seinen eigenen Weg gefunden, trotzdem der Roman mit Marcel Proust und Thomas Mann verglichen und als >Prager Buddenbrooks< bezeichnet worden ist. Er handelt in der kurzen Zeitspanne vom Ausbruch des Krieges bis Winter 1915. Er ist die Geschichte einer wohlbehüteten Kindheit, die von feindseligen Mächten umgeben und belauert wird. Subtil ist die Art des Erlebens, klar, unbemerkt hintergründig ist die Form. Weit zurückliegende Erlebnisse 313 oder auch Eindrücke, die sich sehr lange und auch noch in viel späteren Jahren im Gedächtnis bewahren, gleichen »Momentaufnahmen, die unser Geist vielleicht recht wahllos produziert, deren Aneinanderreihung aber das Album ergibt, das wir gelegentlich durchblättern und das wir für unser Leben halten.« (Hermann Grab). Beteiligt am Stil Hermann Grabs ist seine Kenntnis und Liebe zur Musik, die ihm dann im Exil das Leben fristen half. Nicht zuletzt ist die Musik gemeint, wenn der junge Renato Martin am Schluß des Romans ausruft: »Die Menschen wissen nicht, was es Schönes gibt.« Manches Archetypische Prags taucht auf, so in der Schilderung eines Besuches bei der gealterten »Kinderfrau«. Die Erzählung »Die Mondnacht« beschwört in einer schmerzlich klaren, klingenden Prosa das Grauen des Krieges. Hermann Grab hatte einen Roman geplant, der zwischen den beiden Weltkriegen handeln und den Aufstieg einer jüdischen Bankiersfamilie und deren Untergang »in Polen« zum Inhalt haben sollte. Manche der hinterlassenen Erzählungen wirken wie Bruchstücke zu diesem Roman: die Schilderung der Liquidierung der Juden Prags in der »Advokatenkanzlei«, »Ruhe auf der Flucht« führt in das Elend, die Ängste und Hoffnungen von Emigranten, die in Lissabon einer möglichen Ausreise entgegenbangen; im Lager von Theresienstadt durchlebt eine halbirre alte Jüdin in der Erinnerung einen »Hausball« ihrer glanzvollen Jugend. »Hermann Grab wollte die Dinge miteinander in Ordnung bringen«, schreibt Ernst Schönwiese im Nachwort zu dem Erzählungsband. Er bemühte sich um eine reine und stille Form trotz der »Unordnung im Gespensterreich« der Zeit. Er ist der Dichter der »sanften, versöhnenden Liebe, die auch noch die zerfallende Welt zu ordnen sucht, die Zuversicht nicht aufgegeben hat«, wenngleich sich in die Erzählungen eine bittere Melancholie einschleicht. 314 Geschwisterlich gesellt sich zu Hermann Grabs Roman »Der Stadtpark« der zwei Jahre vorher erschienene Roman »Das Haus an der Moldau« (1938) von Paul Wiegler (1878 Prag - 1949). Franz Werfel hat den Roman geliebt und darüber geschrieben: »Ich habe ihn in einem Zug und mit tiefer Ergriffenheit zu Ende gelesen. Ich finde das Buch wunderschön, da die Wirkung herzwürgender Melancholie durch Sätze erreicht wird, die das Wesentliche verschlucken, um es noch fühlbarer werden zu lassen. Auch die Nennung und Aufzählung von Straßen, Gassen, Plätzen, Gegenden entzückt mich in ihrer sanften Hartnäckigkeit; denn aus all diesen Namen entsteht eine unheimlich richtige Atmosphäre. In den wortkarg-dumpfen Charakteren, die niemals reflektieren und niemals reflektiert werden, steckt eine solche erlebnisechte Wirklichkeit, daß ich den Autor darum beneiden könnte. Auch das zerfetzte Geschehen finde ich meisterhaft, das Zerbröckeln des Lebens ohne Romantheatralik, von welcher man so selten loskommt. Ich kenne kaum ein neueres Buch, in dem die slawische Seele<, der hoffnungslose Teil des alten Österreich so überzeugend gefaßt wäre. Dies alles tut einem noch tagelang weh.« Es wurde bereits angedeutet, daß es einen geschlossenen Prager Kreis von Dichtern und Schriftstellern eigentlich nicht gab, dazu waren Charaktere und Temperamente, auch die Qualität der Werke zu verschieden. Von einem Prager Kreis zu sprechen hat man sich in einer posthumen, einer rückblickenden Vereinfachung angewöhnt, ähnlich wie komplizierte historische und politische Vorgänge im Rückblick vereinfacht werden. 315 ________________________________ [1] in besonders hässlicher, gemeiner Weise Geringschätzung, Verachtung zum Ausdruck bringend u. dadurch beleidigend, verletzend, demütigend: schnöder Undank; jmdn. s. behandeln, abweisen; sie wurden s. (kalt u. rücksichtslos) im Stich gelassen. [2] erstmals abgedruckt in Cramer, Doortje, op. cit. S. 465 - 479.