Ernst Weiss •(1882, Brünn – 1940, Paris) •Editor Klaus-Peter Hinze in der Reihe Vergessene und Verschollene, 1977 •Peter Engel, seit 1973 Hg.der Reihe der Weiß-Blätter •Eduard Wondrák: Einiges über den Arzt und Schriftsteller Ernst Weiss. 1968. (Nur) 48 S. •EW zu Brod, 1937: das unblutige Duell um die Lebensführung Kafkas: ihn Prag abspenstig machen vs. ihn in Prag halten. Ernst Weiss aus Brünn Sein Vater ein Tuchhändler (gest. 1886) 1894-1902,Das zweite deutsche Gymnasium, als schlechter Schüler wechselt er nach Leitmeritz und Arnau 1902-1908 Medizin in Prag und Wien 1908, Arbeit als Arzt in Bern und in Berlin 1911, Assistentarzt bei Julius Schnitzler in Wien-Wieden 1913 Weiß überwindet eine Lungentuberkolose 1913, Schiffsarzt, Fernostreise nach Japan und Indien auf der Austria, Umzug nach Berlin 1914, dänisches Ostseebad Marielyst, mit Kafka und Rahel Sanzara 1914, Regimentsarzt, teils in der Frontnähe Rahel Sanzara (Johanna Bleschke) 1894-1936 1913, Verlagsangestellte, Bekanntnschaft mit EW 1918/19 Schauspielschülerin in München 1919 Schauspielerin in Prag 1921-24 Darmstadt Seit 1924 in Berlin, sie gab ihre Theaterkarriere auf 1926, Das verlorene Kind, über einen Sexualmord an einer Vierjährigen, Plagiatsvorwürfe, es sei eine Geschichte aus dem Neuen Pitaval und Ernst Weiß sei der wirkliche Autor 1926 heiratete einen Börsenmakler, über 140 Briefe von EW an RS Seit 1933, Kuraufenthalte Werke 1913, "Die Galeere" 1916, "Der Kampf„, 1919 unter dem Titel Franziska 1918 Tiere in Ketten , eine Prostituierte, die sich in eine Tiegerin verwandelt. Von ihrem Zuhälter verbannt, kehrt sie in ihre Heimat, kann sich aber, trotz der Ersparnisse nicht in die bürgerliche Gesellschaft eingliedern. Der Trieb (das Empörende) bringt sie in ein Bordell zurück. Dirnenromantik: ihre Nachfolgering und der Zhälter getötet. In der ersten Fassung stellt der Gefängnisart tierartige Merkmale bei ihr fest: Schlitzaugen und Krallen. Auch den Mithäftlingen rächt sie sich blutig. Tiere in Ketten •Erstes Kapitel •In dem Freudenhause einer kleinen Stadt lebte ein schönes Mädchen, das Olga hieß. •Olga liebte einen Mann, den Besitzer dieses Hauses, Franz Michalek. •Sie liebte ihn mehr, als Menschen lieben. Er war ihre Wollust, ihre Mädchenschaft, ihr alles und eines, ihr Wachen und Traum, Mord und Erbarmen, Tier und Mensch. Tiere in Ketten •Ihr Schoß wurde angezündet, und sie verbrannte. •Sie wurde mit Wahnsinn geschlagen, sie mußte sich zertrümmern und ihre Welt. •Sie war in die gemeine Welt geworfen und mußte im Schmutze leben; Geld nahm sie und gab sie. •Sie liebte bis zum Wahnsinn, raste, ein unzerstörbarer Motor, ruhelos von der Erde zur Hölle; sternabwärts, sternaufwärts. •Ein Freudenmensch, bestimmt, sich zu verzehren, eine kinderlose Dirne, bestimmt zum Frieden der gesegneten Mütter, im Leben über dem Leben. Werke 1925, Die Männer in der Nacht, Blazac als Vorläufer Emil Zolas: aber ein hereingelegter Verteidiger, der dem Mörder aber nicht glaubt und ihn weiterhin für einen Märtyrer hält. 1931 "Georg Letham, Arzt und Mörder“ (ermordete seine Frau, Unfähigkeit geliebt zu werden. Sträflingsinsel C., Schuld und Sühne im Dieseitigen) In der Reihe Romane von gestern – heute gelesen, W. Fuld in der FAZ, 1988) 1936, "Der arme Verschwender" (R.) Stefan Zweig gewidmet 1938 Verführer. Teil I. (Die Monarchie um 1900, Gewinn bei Glücksspiel, Kastengeist der Gesellschaft: Kreigsausbruch: Ich fand, dass es meiner endgültigen Ermannung nicht schaden würde, wenn ich meine nackte Existenz zu verteidigen hätte.) Ich – der Augenzeuge, 1939/1963 Für das literarische Preisausschreiben der Amercian Guild im Sommer 1938 reichte Ernst Weiß das Manuskript des Romans Der Augenzeuge/ Ich- Der Augenzeuge ein. Erschinen 1963. Erzählte Zeit 1900-1936, Sektretär eines Nervenspezialisten, des Narrenkaisers, Fließarbeit des Amputierens im Lazarett, Führer des Stoßtrupps, Reservelazarett Pasewalk, der Gefreite A. H. Von eine hysterischen Blindheit heimgesucht. Als seite seiner Genesung soll der Arzt in eienm KZ beseitigt werden. Seine Frau tauscht das Leben des Manens für seine Notizen als Lazarettarzt. Der Arzt zieht in den Spanischen Bürgerkrieg. Mit Zitaten aus Hitlers Mein Kampf. Der Schmerz als Schwelle zur Rolel des bloßen Zeugen •Frithjof Trapp: Der Augenzeuge / Ein Psychogramm der deutschen Intellektuellen zwischen 1914 u.1936. Frankfurt 1986. 54 S. •Trapp: Leiter der damaligen Hamburger Arbeitsstelle für deutsche Exilliteratur Der Azrt zum erblindeten A. H. •"Ihnen ist alles möglich! Gott hilft Ihnen, wenn Sie sich selbst helfen!" Alles geschah, wie ich es wollte. Ich hatte das Schicksal, den Gott gespielt und einem Blinden das Augenlicht und den Schlaf wiedergegeben. •Er sprach, ich unterlag. Er redete uns nieder, Kluge und Törichte, Mann und Frau, alt und jung. Er ließ es nicht enden, viertelstundenlang, halbe Stunden lang, drei, vier Stunden lang das gleiche, nie etwas anderes, ewig im Kreise, er bohrte, bis er ins Tiefste gedrungen war. Nicht siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal wiederholte er es, und doch war es ihm nie genug! Ich – der Augenzeuge •Die Schule befand sich am Ende einer ziemlich breiten Straße, am Au-Park. Die eine Front ging auf den Park hinaus, oder vielmehr auf die hohe Mauer, die ihn umgab. Von der Straße konnte man im Winter bei Schulbeginn vom Park nichts anderes sehen als die Gipfel der Bäume, Eichen, Platanen, Ahorne, Buchen. Wenn ich aber zum Beispiel im ersten Winter von meiner grasgrünen Schulbank aus dem von Gasflammen erleuchteten Schulsaal heimlich hinaussah, zeichneten sich die schwarzen schweren Zweige unter ihrer handhohen Schicht von Schnee gegen den Dämmerdunst zuerst nur undeutlich ab. Die Gasflammen summten behaglich, der weiße Kachelofen strömte Wärme aus, und die Tannenzapfen, unter das Holz und die Kohle gemischt, krachten lustig. Die Flächen der Landkarten und Tierabbildungen leuchteten hell. Gegen neun oder zehn Uhr wurde das Gaslicht verlöscht, die Landkarten hörten auf zu spiegeln, um zehn Uhr lüftete man, frische Luft drang ein. Ich – der Augenzeuge •Die Sonne war kupferrot aufgegangen. Der Dunst im Park hob sich, durch die klar gewordenen Scheiben sah ich, am Fenster stehend, den Rockkragen aufgeschlagen, die Hände in den Taschen, die mit Rauhreif besetzten Gebüsche an den Wegen, den zinkfarbenen, mit schütterem Schnee bedeckten Eislaufplatz, die große Wiese, die Au in der Mitte des Parkes, die Tennisplätze, von hohen Netzen umgeben, ganz verlassen. Bald öffnete sich die Tür, und der lustige Tumult der Schule verstummte, bevor der Lehrer die Tür hinter sich geschlossen hatte. •Unweit dieses Parkes befand sich die Kaserne des dritten schweren Reiterregimentes. Wenn wir nun mit krummem Rücken dahockten, den Kopf über unser Heft gebeugt, schläfrig vor Hitze und Langeweile, und still unsere Arbeiten niederschrieben, tönte plötzlich in verschiedenartig schnellendem Takt rhythmisch und klar der Klang der trabenden oder galoppierenden Pferde zu uns herüber. Wie oft war es meine (verbotene) Lust nach der Schule, an eine dicke hölzerne, aufgerauhte Barriere gelehnt, dem Reitdienst der Rekruten zuzusehen und die Peitsche des Sergeanten knallen zu hören. Ich – der Augenzeuge •Der Arzt hatte mir den Ärmel des Nachthemdes hochgestreift, die Haut mit Äther gereinigt, das Morphium aufgezogen und einen Strahl der Flüssigkeit aus der kleinen Nickelspritze emporsteigen lassen, dann stach er mich geschickt in den Arm und zog die Nadel eine Sekunde nachher wieder zurück. Jetzt setzte er sich zu mir, sah zum Fenster hinaus, mit angespannten Zügen, schweigend, übernächtigt. Er gähnte hinter seiner mageren feinen Hand. •Mich überkam ein sonderbares Gefühl der Milderung. Nicht daß die Schmerzen mit einem Schlag verschwunden wären. Im Gegenteil, sie dauerten weiter und sollten, wenn auch vermindert, noch sehr lange bleiben, aber über dem Schmerz lag wie ein Verband mit guter Salbe diese Beruhigung, dieser Schleier, diese Milde, dieses Schweigen, dieses Gähnen, das Hellerwerden im Zimmer. Meine Mutter trat ein, im Gesicht hochrote Flecken, in einem dunklen Kleid. Sie staunte sehr über die schnelle Verwandlung, die sie mir sofort ansah. Sie konnte nicht begreifen, daß der kleine, unscheinbare Arzt soviel vermocht hatte. Ernst Weiß nach der Machtergreifug 1933, Flucht aus Berlin nach dem Reichstagsbrand, er pflegt in Prag seine Mutter bis zu deren Tod am 15. Januar 1934, depressiv 1934 Exil in Paris, 1940, Anna Seghers lernte Ernst Weiß in einem Pariser Café kennen: „so einer kann sich doch selbst nicht helfen“ die von ihm zur Veröffentichung bestimmten Tagebücher verschollen Der Dichter Weidel in Seghers Roman Transit wird tot in einem Hotelzimmer mit einem Koffer voller Manuskripte gefunden wird (Weiß starb allerdings erst im Kranken-haus an den Folgen seines Selbstmordversuchs). Soma Morgenstern im Frühjahr 1940:„Er hat sich völlig aufgegeben“. Eine Flucht vor der näherrückenden deutschen Front ließ sich für ihn daher nicht mehr realisieren. Salomo Morgenstern, 1890-1976 Der Vater war ein frommer Chassid und die Familiensprache war Jiddisch. 1904, das polnische Gymnasium in Tarnopol, 1924, im Berliner Tageblatt "Franz Kafka zum Gedächtnis". 1927 ging er für ein Jahr nach Frankfurt in die Redaktion der Frankfurter, bevor er 1928 als Kulturkorrespondent der Zeitung nach Wien zurückkehrte. 1935 unter dem Titel Der Sohn des verlorenen Sohnes im Berliner Erich Reiß Verlag (Podolien, Mohylewski, Erster Weltkrieg, der Sohn findet zu den jüdischen Wurzekn seines verwestlichten Vaters zurück) 1982, Gesammdelte WErke in 16 Bden Fragen zu Franta Zlin •Zuerst: in Gernius, Jg. 1 (1919) •Wann beginnt die Geschichte des Offiziersdieners? •160, jeder durch den nächsten furchtbar verkerkert. •Aus welcher Perspektive wird erzählt, wenn der Grad von Frantas Erschöpfung charakterisiert wird? 160 •wie ein Reitpferd neben ihm stallte, 160 •Krakau, November 1914 Folgen von Kriegsverletzungen für die Psyche und für das Sexualleben der Opfer Ernst Toller: Hinkemann (1923). •Die Tragödie eines versehrten Kriegsheimkehrers, dem seine Genitalien weggeschossen wurden. Grete, Hinkemanns Frau, erwartet von Hinkemanns ehemaligem Freund Großhahn ein Kind.Mitleid mit Ihrem Mann spürt sie erst in dem Moment, als sie sieht, wie er in einer Schaubude vor den Augen des Publikums Ratten und Mäusen die Kehle durch beißt. Folgen von Kriegsverletzungen für die Psyche und für das Sexualleben der Opfer •Andrew Barker: Anticipating Freuds Pleasure Principle: Although “Franta Zlin” has only rarely been the subject of scholarly investigation (and is therefore typical of Ernst Weiss's oeuvre as a whole), it is a work of great and occasionally shocking power, which Marcel Reich-Ranicki recently included in his extended collection of German literature provocatively entitled Der Kanon. In this radically compressed third-person narrative of fewer than twenty pages Weiss confronts the reader with scenes of suicide, rape, pillage, murder, and the unmanning of Zlin, a thirty-year-old Viennese goldsmith and married man who, in the course of his military service (between autumn 1914 and summer 1915) mutates from “sanfter Mensch” (gentle man) into monster. Although this metamorphosis may reflect Nietzschean notions of the brute in man, more than likely it reflects the author's artistic and personal relationship to Franz Kafka. Fragen 162: Warum wird Franta als sanfter Mensch bezeichnet; 163: Während der flammenden Lust würgte es ihn. Was?