176 kauft, damit die Tochter den Schaden des Diebstahls gutmachen konne und nicht ins Kriminal müsse. Franta erschrak, als er Mascha so sah. Franta fürchtete sich vor Mascha, da sie mitten in ihrem Elend so schon war. Sie stürzte sich uber ihn: »Ich bin so selig, ich bin so glücklich! Da ist das ganze Geld, jetzt werfe ich es ihnen hin. Dann bin ich frei, auch die neue Herrschaft war mit mir so freundlich, ich bekomme den Lohn im voraus, ich soil nur ' erst einstehen.« Franta nahm das Geld zur Aufbewahrung. Die Frau lieh sich eine Wetterpelerine von der Nachbarin und ging noch schnell zu der neuen Herrschaft. Abends kam sie zuruck. Das Zimmer war ganz verwandelt, ein rosa Seidenpapier um die zerbrochene Lampe gewickelt, auf dem Fensterbrett standen Sardinenbüchsen, ein ganzer Berg Orangen, auch geraucherter Speck, Zuckerzeug, eine Flasche Wein. »Jesus, das alles!« »Du hast mir doch das Geld gegeben!« »Ich muß mich doch bei Gericht auslösen!« »Ich habe was zum Essen gekauft!« »Aber Franta, doch nicht für das ganze Geld?« »Hier ist die Rechnung, ich habe nichts gestohlen.« »Jetzt bin ich ganz hin.« Sie ging ganz verstört im Zimmer umher, fasste den Revolver an, der in einer Ecke lag. »Er ist so schwer«, sagte sie. »Ich bin kein Dieb«, sagte er. Sie merkte, dass der Revolver geladen war, und als sie ihn ansah, wusste sie, daß er nur für sie Patronen gekauft und sie schon lange abgeurteilt hatte. Sie war so vernichtet, daß sie nicht mehr reden konnte. Aber sie begann zu essen, da es ihr Geld war, und weil sie erst jetzt so ihren Hunger fühlte. Er sah ihr nur zu und aß nichts. Dann mußte sie beten. Er lehnte da so starr, so bose in seiner Ecke, schief mit gezückten Handen, wie ein Teufel. Sie kniete nieder; sein Gesicht konnte sie nicht sehen. 177 »Knie nieder!« schrie sie ihn an. »Nieder!« noch einmal, sehr stark. Er kniete nieder, und sie betete lange ohne Worte und beichtete ohne Priester. Er kniete ihr gegenüber. Nach zwei Stunden stand sie auf, fiel aber gleich aus Schwache zusammen. Er gab ihr seine Matratze und legte sich auf den blofien Boden hin. Um Mitternacht erwachte sie, ihr war so leicht, sie glaubte, jetzt konne sie es tun. Er schlief, als sie sich aber den Revolver in die Schläfe geschossen hatte, erwachte er: »Was hast du getan, Mascha?« »Sei still, es hat niemand gehört.« Sie hatte keine Schmerzen, wußte nicht, ob der Revolver überhaupt losgegangen war. Nur >Wasser weinte über sie<. Von oben rann ihr Wasser in die Augen, warm. Franta rief die Nachbarin, aber so leise, daß niemand kam. Er machte ihr einen kalten Umschlag auf die Stirn. Sie schlief ein. Als sie erwachte, fühlte sie sich sehr schwach. Er kniete vor ihr und glanzte mit seinen morderischen Augen. Das Licht brannte mit einer rosa Flamme. Auf ihre Brust hatte er Kruzifix und Heiligenbilder gepackt. Sie konnte kaum atmen, ließ aber die Heiligenbilder liegen. Er wollte aufstehen, sie faßte seine Hand und sagte: »Bleib bei mir, ich muß sterben.« Um acht Uhr morgens war sie tot. Er kniete noch neben ihr, sah auf ihre schönen großen Brüste hinab und glanzte sie an mit seinen mörderischen Augen. Jetzt fühlte Franta sich errettet. Die Nachbarin wachte an der Leiche. Sie hatte Maschas entblößten Oberkörper aus Mitleid mit ihrer Wetterpelerine bedeckt. Franta ging aus zu seiner Arbeit, voll Freude auf die Nacht. Endlich keine Angst mehr um das zerstorte Geschlecht. Keine Scham wegen der Verstümmelung. Das Goldgeld, die dicken Münzen, die herrlichen Perlen, endlich alles ihm allein!