Drama um 1900 Bühnnestücke im internationalen Kontext Gerhart Hauptmann Hugo von Hofmannsthal Arthur Schnitzler Frank Wedekind Literaturliste FISCHER-LICHTE, Erika: Dejiny drámy. Bratislava: Divadelný ústav, 2003 lFISCHER-LICHTE, Erika: Geschichte des Dramas. 2 Bände, UTB, Stuttgart 1990. ISBN 978-3825215651 (1. Band), ISBN 978-3825215668 (2. Band) lBrockett, Oscar G.: Dějiny divadla / History of the Theatre. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2008, lSeitenzahl, S. 948, Překlad: Milan Lukeš: das Hoftheater der Residenzstadt Meiningen unter der Leitung des regierenden Herzogs Georg II. 1867 der Shakespeare-Übersetzer Friedrich von Bodenstedt zum Intendanten ernannt 1867 die Schauspielerin Ellen Franz, eine Freundin von Cosima Liszt (später Wagner) zur Dramaturgin, eine morganatische Ehe mit Georg II. 1873, in den Adelsstand erhoben als Helene Freifrau von Heldburg, Ludwig Chronegk (1837-1891), ein Komiker aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie, wurde Oberregisseur ab 1884 Intendant des Meininger Hoftheaters Tourneen von 1874 bis 1890 mit 81 Gastspielreisen und über 2500 Vorstellungen in zahlreichen Städten Europas historisch korrekt und so detailreich wie möglich nicht vordergründig kommerziellen Interessen untergeordnet nur die dichterischen Urtexte der Regisseur fasst das Literarische, Akustische und Visuelle zu einem Gesamtkunstwerk zusammen nicht die Leistung eines Stars, sondern die des Ensembles, die Darsteller universell einsetzbar, auch in Statistenrollen Massenszenen individuell gestaltet die Theaterfinanzierung ist die Pflicht der Gesellschaft Bühnennaturalismus Otto Brahm, André Antoine und Konstantin Stanislawski führten die Bemühungen der Meininger fort: eine Reliterarisierung, im Unterschied zu den Meiningenrn Akzent auf zeitgenössischer Dramatik (Ibsen, Björnson, Strindberg, Turgenjew, Tolstoj, Tschechow, Hauptmann, Shaw), realistischer Verwendung der Umgangssprache und alltägliche Konflikte bevorzugt Antinaturalistische Strömungen gingen auf Wagners Ideen des Gesamtkunstwerks zurück ein ungegliederter Zuschauerraum, Abschaffung von Rampe und Guckkastenbühne Adolphe Appia: La Mise en scène du drama Wagnérien, 1895 Edward Gordon Craig: The Art of Theatre. 1904 Wsewolod E. Meyerhold: bevorzugte gymnastische, akrobatische und pantomimische Auftritte, die nonverbale Kommunikation knüpfte an die Tradition der commedia dell'arte und kabuki Adolphe François Appia (1862 - 1928) der Bühnenboden durch Stufen und Treppen terrassiert, das Licht als wichtigstes Gestaltungselement eingesetzt die erste Wagner-Aufführung, die Appia – noch zu Wagners Lebzeiten – sah, war eine Inszenierung von Parsifal in Bayreuth, 1882 Freundschaft mit Houston Stewart Chamberlain, Cosima Wagner lehnte Appias Ideen ab 1899 Die Musik und die Inscenierung: das Zusammenspiel der Bewegung des Schauspielers, des Raumes und des Lichts eine strenge Hierarchie: Komponist–Musik–Darsteller–Bühnenbild 1906 Begegnung mit Emile Jaques-Dalcroze, von dessen System rhythmischer Übungen Appia beeindruckt war von den Expressionisten aufgegriffen (Jessner-Treppe, Bühnenbildner Emil Pirchan) Robert Wilson Edward Gordon Craig (1872-1966) 1904 lernte er Harry Graf Kessler kennen, der einer seiner wichtigsten Förderer wurde, und die Tänzerin Isadora Duncan, 1905 den Dramatiker und Schriftsteller Karl Gustav Vollmoeller 1908, der Aufsatz The Actor and the Über-Marionette Voraussetzubng der Kunst ist die Unterordnung der schöpferischen Mittel unter den Willen des Künstlers, Realismus als bloße Nachahmung verurteilt Gestalten in langen, grauen Kostümen mit Masken aus Pappmaché, Stoff oder Holz Die Zusammenarbeit mit Konstantin Stanislawski am Moskauer Hamlet von 1912 blieb seine letzte praktische Arbeit Karl Vollmoeller an über 300 Abenden allein am Broadway in New York über 10.000 Besucher pro Abend Vollmoellers wortloses Theaterstück „Das Mirakel / The Miracle“ in 1911 in London in der Olympia Hall uraufgeführt eine mittelalterliche Marienlegende, die in ihrer Urform bei Caesarius von Heisterbach im Dialogus miraculorum zu finden ist. Ein strahlender junger Ritter entführt die Nonne, deren zahlreiche Erniedrigungen. Die Jungfrau Maria versieht den Dienst im Kloster, sodass sie – alt und gebrochen- zurückkehren kann. Max Reinhardt inszenierte das Stück vor bis zu 30.000 Zuschauern mit einem Heer von über 2000 Darstellern auf einer riesigen, ähnlich einem Amphitheater angeordneten Bühne. Engelbert Humperdincks Musik Der “Mirakelfilm” im Oktober 1912 gedreht (in Perchtoldsdorf, Burg Kreutzenstein, sowie in der Kathedrale von Brighton in England): http://www.youtube.com/watch?v=G-g1g9kF0Vs&list=UUBmLB5VAPVNTz-ka7UTAjSw 1925 fand die Premiere anlässlich der Salzburger Festspiele Max Reinhardt (ursprünglich Maximilian Goldmann; 1873 in Baden (Niederösterreich)- 1943 in New York) 1901 war er Mitbegründer der Kleinkunstbühne Schall und Rauch, das spätere Kleine Theater Unter den Linden, 1905 die Schauspielschule Berlin 1905 bis 1930 leitete er das Deutsche Theater in Berlin und gründete die Kammerspiele im Nebengebäude 1911 im Zirkus Schumann Hugo von Hofmannsthals Jedermann uraufgeführt Max Reinhardt nach Plänen von Hans Poelzig aus dem ehemaligen Zirkus Renz, später Schumann 1920 mit Hugo von Hofmannsthal, Richard Strauss, dem Bühnenbildner Alfred Roller und dem Wiener Hofoperndirektor Franz Schalk die Salzburger Festspiele Hofmannsthals Jedermann, fand am 22. August 1920 auf dem Domplatz statt 1924 bis 1933 Theater in der Josefstadt in Wien 1924 engagierte er Bertolt Brecht und Carl Zuckmayer als Dramaturgen für das Deutsche Theater Maurice Maeterlinck's Pelléas et Mélisande, 1892 1890 von Paul Fort (1872-1898) Théâtre d´Art gegründet 1892 Lugné-Poe1 (1869-1940) hat das Théâtre de l'Oeuvre mit Maurice Maeterlinck's Pelléas et Mélisande im May 1892 eröffnet hinter einem Tüllvorhang, der alles gleichsam in Nebel verhüllte. Außer wenigen Möbelstücken und wenigen Requisiten war die Szene leer. Pelléas et Mélisande Eine Szene auf den mit grauen Zeichnungen gestalteten Prospekt reduziert, Bühnenbildner Toulouse-Lautrec, Odilon Redon Die Bühne wurde von oben beleuchtet, man spielte auf einer halbdunklen Szene Die Kostüme waren vage mittelalterlich, die Schauspieler sprachen wie Priester und gebrauchten stark stilisierte Bewegungen wie Schlafwandler. Die Handlung ist sehr arm, drame statique. Pelléas et Mélisande eine junge Frau heiratet einen Prinzen, verliebt sich in seinen Bruder und stirbt vor Gram, wenn er von ihrem Mann getötet wird. Symbole sind der in einen Brunnen gefallene Trauring, eine Taube, die den Turm verläßt, unterirdische Wasser und Höhlen, Schatten und Blutflecke, die man nicht wegwaschen kann. http://www.youtube.com/watch?v=gbWydovn8oo Claude Debussy komponierte sein Drame lyrique. Uraufgeführt 1902 in Paris in der Opéra-Comique. antirealistische Tendenzen bei früheren Naturalisten naturalistisch Ibsen: Gespenster, Gengangere1 (1881) Strindberg: Fräulein Julie, Frǿken Julie (1888) ) symbolistische Dramen Ibsens Die Wildente (Villanden, 1884), Rosmersholm (1886) - das Gespensterbild des Schimmels, Baumeister Solness (Byggmester Solness, 1892) und Wenn wir Toten erwachen, Når vi dǿde våkner, 1899, - die magisch anziehenden Berge. Strindberg (1849 – 1912) antinaturalistisch Unter dem Einfluss von Maeterlinck begann er Traumspiel zu schreiben. Alles kann hier geschehen, alles ist möglich, Zeit und Raum sind aufgehoben, aus Erinnerungen, frei Erfundenem, Sinnlosem entsteht ein Stück, in dem die Figuren verdoppelt werden oder sich ins nichts auflösen können, wie das im Bewußtsein des Träumenden geschieht. 1898 – 1901: Till Damaskus 1902: Ein Traumspiel, Ett drömspell 1904. Der Totentanz, Dödsdansen Mann-Frau-Beziehung als ein unversöhnlicher Kampf 1907 für das Intime Theater/ Intima Theatre: Gespenstersonate Spöksonaten Kammerspiele Statt Repräsentationstheater Kammerspiele. Max Reinhardt begründet 1906 in Berlin, 1907 folgt Intima Theatre in Stockholm (Schauspieler und Produzent August Falck mit Strindberg). Kammerspiele leben von der Atmosphäre, nicht von Handlung und großen Gesten, der Dialog sollnicht die Figur allein, sondern die Stimmung darzustellen. Er wird immer mehr monologisch, wie. z. B. in Hofmannsthals Das kleine Welttheater oder Die Glücklichen (1903, geschr. 1897, eine Aufführung lehnte er ab), in dem sich ein Dichter , ein Gärtner, ein junger Herr, ein Bettler, ein Fremder, Mädchen und Bänkelsänger und der junge Wahnsinnige auf einer Brücke über dem Fluß des Lebens in ihren Auftritten ablösen. (Beschränkung, Auswahl, nicht unmittelbare Auslieferung an das Leben gelten als Weg der Selbstverwirklichung). Gerhart Hauptmann schreibt seit 1893 neben seinen naturalistischen Dramen auch symbolistische Stücke Gerhart Hauptmann: Hanneles Himmelfahrt, enstanden 1893, Hannele Mattern wird von ihrem Stiefvater so unmenschlich behandelt und ihre Sehnsucht nach der verstorbenen Mutter ist so groß, dass sie sich ins eisige Wasser des Dorfteiches stürzt. Das Armenhaus: Milieudarstellung, Sprache und dem Thema naturalistisch. heißes Wasser mit Schnaps und Zucker, einer Kostbarkeit unter den Ärmsten. Hete ist verstockt und weigert sich etwas herzugeben. Plescke: Hier hab ich noch a klee Brickel … Brickel … a klee Brickel Zuckere hab ich noch .. hier noch ja … gefunden. Hanneles Fieberträume Schwester Martha, die das Kind gesund pflegen soll: Hier hängt ein Mantel und hier ein Hut. Wir wollen das garstige Zeug mal wegnehmen. Hannele sieht wieder ein versoffenes, wüstes Gesicht, rote struppige Haare Ich wer dich lehren. Ich wer dirsch beweisen, paß mal uff. Was hast du zu a Leuten gesagt? Hab ich dich geschlagen und schlecht behandelt? Hä? .. Du bist ni mein Kind. Mach, dass du uffstehst. Du gehst mich nischt an. Ich kennte dich uf die Gasse schmeißen … Steh uff und mach Feuer! Wird´s bald werden? Aus Gnade und Barmherzigkeit bist du im Hause. Gelt, nu noch faulenzen obendruff. Nu? Wird´s nu werden? Ich schlage dich so lange, biste, biste … Hannele ist mit geschlossenen Augen aufgestanden und bricht vor dem Ofen zusammen. Die Ankunft der Schwester Martha verscheucht die Mattern-Halluzination. Himmelschlüssel Die Sprache der Mutter und der Tochter erinnert an biblische Ausdrucksweise. Wie Schneewittchen, schön geputzt, sieht sich Hannele im Sarge liegen, wie Aschenbrödel ist sie die Braut, der die kleinsten Pantoffel passen, wie das Töchterchen des Jairus im Markus-Evangelium versucht sie den Worten des schwarzen Engels zu folgen: (Mt 9,18-26; Lk 8,40-56)Markus-Evangelium: 5,41 und ergriff das Kind bei der Hand und sprach zu ihm: Talita kum! - das heißt übersetzt: Mädchen, ich sage dir, steh auf! 5,42 Und sogleich stand das Mädchen auf und ging umher; es war aber zwölf Jahre alt. Und sie entsetzten sich sogleich über die Maßen. 5,43 Und er gebot ihnen streng, daß es niemand wissen sollte, und sagte, sie sollten ihr zu essen geben. Auferstehung Hanneles Der Fremde am Sarg, der dem Lehrer Gottwald ähnelt, versucht sie zu erwecken. Er behauptet: Das Mägdlein ist nicht gestorben, Es schläft Zu ihr wendet er sich: Johanna Mattern stehe auf!!! Durch die Engel läßt er sie ins himmlische Reich tragen, das er in hochstilisierten Versen schildert: Die Seligkeit ist eine wunderschöne Stadt, wo Friede und Freude kein Ende mehr hat. Ihre Häuser sind Marmel, ihre Dächer sind Gold. roter Wein in den silbernen Brünnlein rollt; Hanneles Himmelfahrt … Maigrün sind die Zinnen, vom Frühlicht beglänzt, von Faltern umtaumelt, mit Rosen bekränzt. Der Text stammt aus Hoffmann von Fallerslebens Sammlung Schlesische Volkslieder. Äußerlich führt das Drama in die Alltagswelt zurück: der Arzt stellt den Tod fest. Die versunkene Glocke, 1897 uraufgeführt ein frommer Glockengießer Heinrich ein faunischer Waldgeist namens Waldschrat Beim Transport zu einer Bergkappelle ist Glocke in einen Abgrund abgestürzt und in einem See versunken. Gottes Fingerzeig? ein liebliches Elfchen namens Rautendelein der schusselige Pfarrer, der entschlossene Schulmeister und der ängstliche Barbier Hugo von Hofmannsthal 1874 -1929 Dramen Der Tod des Tizian (1892) Der Tor und der Tod (1893) Die Hochzeit der Sobeide (1897) Der weiße Fächer (1897) Der Kaiser und die Hexe (1897) Ihre formale Antithetik entspricht dem Genre »proverbe dramatique«. Das lyrische Drama des Fin de siècle Peter Szondi, erschienen bei Suhrkamp, 1975. Die Passivität des Helden schließt "die Handlung aus, die das Medium des Dramas" ist. Das lyrische Drama lenkt von dem Bühnengeschehen ab und die Sprache ruft eine andere Wirklichkeit, die der der Imagination, herbei. Es keine bloß lediglich dialogisierte Lyrik, sondern ein imaginäres Theater. Der Erfolg beruhte auf der Erfassung des Unbehagens der jungen Generation in dem nur nachempfundenen Historismus, einem Epigonentum, das kein eigenes Leben vorweisen konnte. Claudion in DTuT ist reich, kennt sich in der Kunst aus, fúhlt sic h aber einsam. Claudio Was weiß denn ich vom Menschenleben? Bin freilich scheinbar dringestanden, aber ich hab' es höchstens verstanden, konnte mich nie darein verweben. Hab mich niemals daran verloren. Wo andre nehmen, andre geben, blieb ich beiseit, im Innern stummgeboren. Ich hab von allen lieben Lippen den wahren Trank des Lebens nie gesogen, bin nie von wahrem Schmerz durchschüttert, die Straße einsam, schluchzend, nie! gezogen.