Max Dauthendey: Ultraviolett (1893) Die Welle Pfauengrüne Gluten in der Luft. Über dem Meere Heliotropdüfte. Kochender Atem stockt. Die Wasser stauen sich. In der brünstigen zyanenblauen Dämmerung eine Frau, mit feuchtem Leib aufgestiegen, ein zauderndes Neigen und Schwingen in ihrem Körper, es wogt noch flüssig jedes Glied. Unter ihr die Wasser glattmilchig, mit Lachen weinrot wie große, offene Wunden. Ein Pfauenhimmel und Leuchtrauch von Smaragd und Lapislazuli und ein Funkenkitzeln und fliehende Irisschiller um diesen Leib. Fern am Himmel, im Wasser, rast ein Licht, weiß, elektrisch, und blauweißer Schaum berstet am Ufer. Im hochgesträubten Schaum kauert eine andere, blau und rotgolden der Wasserqualm, über ihren Rücken rieselt grünblauer Muschelglimmer. Und die Wasser wie silberrandige flachrunde Flossen Schieben sich ans Ufer. Überall dieser Heliotropdunst und Weihrauch. In allem das sich windende Weib, das zum Lande sehnt, das die roten Lachen halten, und aus der Meerestiefe eine herrische Goldglut. Sie ringt sich höher. Sie biegt den Leib vor. Sie reckt das Kinn. Nur mit den Zehen noch über den roten geöffneten Lachen, sie wankt, tastet – das Ufer! Zum Ufer – o, das Ufer! Sie liegen an ihr und flüstern und hauchen und seufzen, all diese goldrot, goldblauen Farben ihres Leibes. Ein schluchzender Jubel in ihrem Auge und ein vibrierendes scheublaues Sehnen. Aber die roten Lachen halten sie, und der mondgoldene Schein aus der Tiefe hat sie. Der Goldschein greift an ihren Hüften hoch, greift um die Brüste, um die Schenkel und um den Arm bis zur warmen Armhöhle. Es zieht sie zurück. Sie wehrt, sie steift sich. – Der Goldschein faßt höher. Ihr Haarstrom bis zur Hüfte, rot und grün in Perlen, die Goldlichter ritzen das Haar hinauf und an die Wangenknochen und an die Linien des Kinns. Nur, – o – zum Ufer, Erde! Das Sehnen spitzt sich, ein metallscharfes Leuchten drängt aus den Poren. Grüne Phosphorblässe auf Stirn, Wangen, um den Leib. Flehende zitternde Farben recken sich höher. Aber der Goldschein der Tiefe bezwingt sie alle. Die stumme qualvolle rote Lache zu ihren Füßen öffnet sich und saugt sie zurück –Nur einen sehnenden Augenblick lebte die Welle. Frühling In tauiger Nacktheit eine junge Wiese, dünne silberne Stämme nackt, kühle Blütenblässe in der Luft. Ein rothaariges Mädchen nackt bis zu den Hüften. Nur um die Füße ein Gewand blaugrau aus Sonnenrauch. Durch die Wiese langsam ein glattes Wasser, entlang Weidengefaser, Röhricht, so um den Weiher und den Hügel hinauf. Eine bleiche Reifstarre, ein Frösteln im Grün und über den rotvioletten Buschweiden. Aber im zarten Wasser ein milchsüßes Blau und ein Rosa wie Mandelblüten, das Spiegelecho singender Wolken. Primelstille, Veilchenwärme und erregter Erdduft ringsum. In allem geht das halbreife Kind mit den schmächtigen keimenden Brüsten. Ein schmales Lächeln, das Lächeln des Kindes geht im Goldschein über die Wiese, durch stille Bäume und klingt im rosigen blauen Wasser. Sie greift nach den dünnen leeren Zweigen, das Reis saugt ihre Wärme. Um sie im Blaßblau und Rosa und Grün drängt ein weiches Erschließen, ein gelockertes Keimen. Silberiger Duft ist fern über die Höhe geweht, Samtstaub von Blüten, tauender Reifhauch über allen Farben. Das Goldgrün und das bereifte Blaugrün lispeln ein Sonnenscheinlied, das blaurote Gestrüpp wispert es und die grünweißen Schneeglöckchen neigen sich, schaukeln in daunenweichen Lüften. Der Zug der Zwergweiden trottelt den Hügel hinauf. Nur die Nächsten warten, lauschen mit dünnem, sehnsüchtigem blauen Blut und zittern in der Wärmer die von dem Leibe des Kindes strömt. Sein Fleisch ist blau und kühl, und nur vom roten Haar strahlt Wärme und aus den Augen. Braune Knospenaugen, noch von keinem Geschehnis geritzt. Die Lippen von den Zähnen gezogen, zwischen den Zähnen lispelt sie das Sonnenlied. Die braunen Augen horchen den Lippen und flüstern und lächeln mit den Lippen. Sie geht mit weichem kosenden Schritt. Sie vergißt keinen und grüßt alle. Sie ist eben erst erwacht aus dem reifdünnen Grase ohne Staunen, ohne Wundern ... es ist Frühling und sie streichelt ihn und lächelt mit seinem Rosa, seinem Blau, seinem Grün und seinem Silber. Paradies Es wirft sich an's Herz, auf rauschenden schweren Flügelschlag eine ernste Amethystbläue. Eine Strahlung verborgener heiliger Quellen und aus glühenden Laubgrotten. Aus dem Gebüsch ein Mann und ein Weib. Und sie schreiten über den blumigen Rasen, Seite an Seite. Nackt, ein feuchter Violenschein über ihren Leibern. Ein Löwe leckt seine Hand und andere Tiere folgen. Ein Eber auf der Seite des Weibes. Eine weiße Kuh und schnäbelnde rosige Flamingos und andere, Tiger, Elephanten und noch mehr. Aus hyazintblauen Büschen kommt der Zug. Triefende Sonnenbrände über den Büschen. Durchglühte Laubhänge, Malachitleuchten und Smaragdfeuer und darüber die Luft weinrot und rotgolden, wie von üppigen Säften getränkt. Tauben, lilienweiß, die Flügel gespannt im Goldduft über dem Menschenpaare. Im Rasen, rings, kurze große Blumen, rotgefleckte Tulpen und Aurikeln und Primeln in kleinen Sträußen. Oben schmettert das Licht in Posaunen, die Sonnenbrände wirbeln und über die Laubkronen brausen die grünen Feuer. Aber unten, alles ist Marmorkühe, alles klar, eine blaufeuchte Klarheit. Das Weib hält eine Blütengirlande hinter sich, bis zu den Biegungen der Knie schaukelt die Girlande, bei jedem Schritt streicheln sie die kühlen, tauigen Blüten. Sie neben ihm. Ihre Leiber breit und kräftiges Fleisch. Und an ihnen die Nacktheit ist wärmeleer in unbewußter blauer Keuschheit. Die Schatten sind gelbzart wie Bütenmehl an ihrem Fleische. Aber es ist überall um sie, dies dämmerige Violenblau. Es senkt die Äste, sie wiegen sich gewölbt, wie unter Edelsteinlasten, und unter dem Laube in gedämpften Floren. Und über den Tieren dasselbe nachdenklich schweigende Blau, das die Blutwärme verdeckt und alles rollende Rot. Die großen weißen und roten Blumen im Rasen mit den samtdunkeln Pupillen sehen zu dem Menschenpaar auf, und wandeln vor ihm her. Und auch aus ihnen das kühle stumme Blau das alles bezähmt. Das Menschenpaar schreitet über den Rasen. Der blaue Äther wogt um ihre Nacktheit, eine Strahlung verborgener heiliger Quellen und aus glühenden Grotten. Eine ernste Amethystbläue, eine Kühle, es wirft sich an's Herz aus rauschendem schweren Flügelschlag.