Zeitschriften und Verlage nach dem Naturalismus (nach Viktor Žmegač) Die Klage mancher Autoren, Österreich sei kein Boden für literarische Gründungen, erscheint im Hinblick auf die Jahrhundertwende als durchaus gerechtfertigt. In den ersten Jahrzehnten nach 1850 konnte die Lethargie im literarischen Bereich noch mit dem Mangel an jungen Talenten erklärt werden; in der Epoche der Wiener Moderne fällt dagegen die Unstimmigkeit zwischen dem künstlerischen Potential und den faktischen Bedingungen nur noch mehr ins Auge. Nachdem auch die wenigen Versuche in den siebziger und achtziger Jahren, durch Verlagsgründungen in Wien günstigere Voraussetzungen zu schaffen, gescheitert waren und auch künftig kaum Aussicht auf Erfolg hatten, waren die jungen österreichischen Autoren darauf angewiesen, im deutschsprachigen Ausland zu veröffentlichen. Als Vermittler trat mehrmals Hermann Bahr auf. Mit Ausnahme von Karl Kraus, der jedoch Verpflichtungen in Deutschland keineswegs vermied, publizierten alle Vertreter der Wiener Moderne – und auch viele spätere Autoren – in deutschen Verlagen: bei S. Fischer (Schnitzler, Hofmannsthal, Altenberg, Bahr, Beer-Hofmann), »Insel« (Stefan Zweig, Hofmannsthal, Bahr), Paul Cassirer, Staackmann, Rowohlt. Auch die Prager deutschsprachigen Autoren fanden ihre Verleger fast ausnahmslos in Berlin, Leipzig, München. Bezeichnend ist, daß eine vielbändige Österreich-Anthologie, Hofmannsthals »Österreichische Bibliothek«, im Insel-Verlag erschien. Die in Österreich gegründeten, meist kurzlebigen Zeitschriften boten den einheimischen Autoren nicht genügend Möglichkeiten. So gingen wichtige Erstveröffentlichungen, auch in Zeitungen – trotz des regen Feuilletons der »Neuen Freien Presse« –, an reichsdeutsche Periodika. Von den österreichischen bzw. Wiener Zeitschriften mit literarischen Beiträgen kann nur eine, die »Moderne Dichtung« (im 2. Jahrgang, 1891, »Moderne Rundschau«) als literarische Revue im engeren Sinne bezeichnet werden. Sie hielt sich kaum zwei Jahre. Die übrigen Zeitschriften – sieht man von der exorbitanten »Fackel« ab – galten entweder der bildenden Kunst (wie das an den Berliner »Pan« erinnernde luxuriöse Organ der Wiener Sezession, »Ver Sacrum«, 1898-1900) oder allgemein kulturellen und gesellschaftlichen Fragen (»Wiener Rundschau«, 1896-1901; »Neue Revue«, 1893-1898; »Die Zeit«, 1894-1904, später »Österreichische Rundschau«, 1904-1924). Otto Julius Bierbaum (1865-1910) Bierbaum war nicht nur Romanautor, Lyriker und Reiseschriftsteller. Wichtig ist seine Tätigkeit als Herausgeber und Redakteur. Im Herbst 1893 ging Bierbaum nach Berlin, um dort die Redaktion der »Freien Bühne« zu übernehmen. Nach einem Zerwürfnis mit dem Verleger S. Fischer übernahm er ab 1895 mit Julius Meier-Gräfe die Herausgabe der literarisch u. buchkünstlerisch wichtigen Zeitschrift »Pan«. Im Okt. 1899 gründete Bierbaum mit Rudolf Alexander Schröder u. Alfred Walter Heymel »Die Insel« (Keimzelle des späteren Insel Verlags), in Ausstattung u. Inhalt ähnlich dem »Pan«. »Pan« erschien 1895-1900 in Berlin. Es war eine sehr aufwendige, auch in Luxusausgaben erscheinende Zeitschrift für zeitgenössische Literatur und Bildende Kunst. Das Vorbild von Pan war die große englische Kunstzeitschrift The Studio. Weil man das wirkliche Kunstleben als Symbiose aller Künste betrachete, wurde auch Architektur, Musik (sogar mit Notenblättern) und die Buchgestaltung thematisiert. In den ersten Heften ließ Bierbaum jeden Text in einer anderen, dem Inhalt angepassten Type setzen. Diese übermäßige Modernität und angestrebte Internationalität missfiel den Aktionätren und Bierbaum und Meier-Gräfe wurden von Cäsar Flaischlen und R. Graul abgelöst. Die Zeitschrift blieb dem Programm der moderne ohne besondere programmatische Akzente auf einzelne Ismen. Man druckte Dauthendey, Dehmel, hofmasnnsthal, aber auch Heinrich Mann Nietzsche, Przybyszewski, Rilke und Schaukal. Unter den Künstlern zählten zu den Mitarbeitern Peter Behrens, Arnold böcklin, Thomas theodor Heyne, Kurt Klinger, Max Liebermann, Emil Orlik, aber auch ausländische Künstler wie Beardsley, , Degas oder Rodin. sie wurde aus Kostengründen nach dem 3. Jahrgang eingestellt (Neudr. Ffm. 1981). Sein Engagement als Herausgeber der Wochenschrift »Die Zeit« in Wien dauerte nur sieben Monate (1902/03). Bierbaum war auch an der Gründung und den Anfängen sowie an der Leitung der »Insel« (1899-1902, Berlin, dann Leipzig+ beteiligt. Es war eine Produktionszeitschrift, welche die Gründung des für einen Zweig moderner deutscher Literatur so wichtigen gleichnamigen Verlags einleitete. Beide Zeitschriften sind sowohl als Sammelbecken aller ästhetizistisch-dekorativen Bestrebungen im Zeichen von Gegennaturalismus bzw. Neuromantik und Jugendstil bedeutungsvoll wie auch als Versuche, gleichsam Gesamtkunstwerke in der Gestaltung von Druckerzeugnissen zu schaffen. Als Adressaten – das zeigen die Abnahmebedingungen – galten vor allem großbürgerliche Kreise. Eine Charakteristik des stark ausgeprägten dekorativen Elements (das in gewissem Sinne auch die literarischen Beiträge durchdringt) findet sich in den Erinnerungen Heinrich Vogelers, der damals, in seiner Worpsweder Zeit, Mitarbeiter der »Insel« war. Er schreibt über seine Graphik aus der Zeit um 1900: »Im Rahmen eines Spiegels des Inselformates erhoben sich märchenhafte Vögel, wie Blätter und Blumen gebogen, mit phantastischem Gefieder, das wieder in wogende Zweige, in Früchte und Blumen überging. Blütenkelche, die wieder Blütenkelche aus sich herausstießen, ein Formenzeichen, das geradezu nach Farben schrie, nach giftigen, süßen, einschmeichelnden und aufreizenden Farben. Nirgends war ein Horizont, nirgends ein Durchblick, nirgends eine Perspektive; das Ganze war ein schöner Vorhang, der die Wirklichkeit verhüllte. Der Rhythmus der Fläche bildete eine geschlossene Welt.« Im Gegensatz zu den »Blättern für die Kunst« des George-Kreises kennzeichnet die beiden genannten Zeitschriften eher eine eklektische Ausrichtung, mit einem beträchtlichen Anteil an Texten (namentlich in der »Insel«), die nicht viel mehr boten als Unterhaltung, nicht einmal sonderlich gehobene. Die Neigung, nicht sehr strenge literarische Maßstäbe anzulegen und mehr mit dem schönen Schein der Ausstattung zu operieren, ist wohl in erster Linie auf Bierbaums Redaktionspolitik zurückzuführen. »Blättern für die Kunst« (1892-1919) repräsentieren das Programm „Kunst für die Kunst" und waren zuerst gar nicht über den Buchhandel vertrieben. Zum Mitarbeiterkreis der Zeitschrift, dem sogenanntem George-Kreis zählten Leopold Andrian, Max Dauthendey, Friedrich Gundolf, Thomas Theodor Heine, Henry von Heiseler, Hugo von Hofmannsthal, Gertrud Kantorowicz, Ludwig Klages, Karl Wolfskehl, Carl August Klein, der die Zeitschriftenredaktion leitete, und nicht zuletzt Melchior Lechter, der für George viele Bücher im Georg Bondi Verlag buchkünstlerisch gestaltete. Der Kreis wurde sterk hierarchisch organisiert, George war Führer und seine Gefolgschaft waren Jünger. Im ersten Jahrzehnt der Zeitschrift war auch die Mitarbei an anderen Zeitschriftenprojekten verpönt. Manche Hefte der »Insel« waren in ihrer Mischung von Wertvollem und Minderwertigem gar nicht so weit vom Durchschnitt der populärsten Zeitschrift jener Zeit, der Münchner »Jugend« (1896-1940), die sich bezeichnenderweise »illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben« nannte und sich v. a. dem Kampf gegen die Dekadenz verschrieben hatte. Als Redakteur zeichnete Fritz von Ostini, Bierbaum zählte jedoch zu den Mitarbeitern. Obwohl sie hin und wieder auch wertvolle literarische Texte brachte (Hofmannsthal, Holz, Schnitzler, Übersetzungen), ist die »Jugend« vor allem kulturhistorisch bedeutsam, freilich nur in den ersten beiden Jahrzehnten: und zwar als Organ eines lebensreformerischen Optimismus. Bringt man heute die Zeitschrift in erster Linie mit dem ornamentalen Stil vieler darin enthaltener graphischer Arbeiten in Verbindung (weil der Jugendstil ursprünglich vor allem ein »Jugend«-Stil war, der von Hans Christiansen (1866 – 1945) geprägt wurde), verdankte sie ihre Beliebtheit damals wohl namentlich der unpretentiösen Propagierung eines nicht näher definierten Ideals des Jungseins, wobei zu den wichtigsten, publikumswirksamsten Konnotationen die nicht minder vagen Vorstellungen von Naturverbundenheit, Gesundheit, Optimismus, Vorurteilslosigkeit und Antikonservativismus gehörten. Der morbiden Verfeinerung, die Begriffe wie ›Dekadenz‹ und ›Fin de siecle‹ prägte, tritt hier als Gegensatz ein eher wahlloser Lebenskult entgegen. Samuel Fischer und Albert Langen Samuel Fischers Stammautoren waren nicht nur die Wiener, sondern auch die Brüder Mann und Gerhart Hauptmann. Albert Langen (1869 - 1909) war Verleger von und Gründer der satirischen Zeitschrift Simplicissimus. Neben skandinavischen Autoren (Bjørnstjerne Bjørnson, Georg Brandes) zählten zu Langens Programm auch zeitgenössische französische und deutsche Autoren. Als erster Titel eines deutschen Schriftstellers wurde Frank Wedekinds Erdgeist herausgegeben. Thomas Theodor Heine mit seinem leicht beweglichen Zeichenstil war dem Jugendstil nah. Zu weiteren Illustratoren des Langen-Verlags gehörten Ferdinand von Reznicek sowie der Norweger Olaf Gulbransson, der dem Unternehmen 1902 beitrat und mit seinem minimalistischen Zeichenstil bald ebenso unentbehrlich wie Heine für den Simplicissimus wurde.Thomas Theodor Heine mit seinem leicht beweglichen Zeichenstil war dem Jugendstil nah. Zu weiteren Illustratoren des Langen-Verlags gehörten Ferdinand von Reznicek sowie der Norweger Olaf Gulbransson, der dem Unternehmen 1902 beitrat und mit seinem minimalistischen Zeichenstil bald ebenso unentbehrlich wie Heine für den Simplicissimus wurde.