Michel Foucault über die Ausstellung „Paris-Berlin“ im Centre Pompidou (1978 ) „Als ich mir ‚Paris-Berlin‘ ansah und die deutschen Autoren der Jahre 1910 bis 1930 las, wurde mir bewußt, daß das 20. Jahrhundert mit seinen Ideen, Problemen, spezifischen kulturellen Formen tatsächlich existiert. In meinen Augen ist diese Ausstellung der Beweis des 20. Jahrhunderts“. Ist Kafka ein expressionistischer Erzähler? lja: seine Werke erscheinen im expressionistischen Kurt Wolff-Verlag, es gibt Berührungspunkte mit der expressionischen Generation in der Darstellung des Vater-Sohn-Konfllikts, gemeinsam ist ihnen die großstädtische Entfremdung und die Problematisierung der literarischen Kommunikation. Ist Kafka ein expressionistischer Erzähler? nur mit Vorbehalt: lkein exaltierten Subjektivismus, wie die Neue Sachlichkeit den Expressionismus sah lkeine lautstarke Utopie des neuen Menschen lKafkas Kritik am »Lärm und Wortgewimmel« eines Gedichtbands von Johannes R. Becher in: Gespräche mit Kafka. Hg. Gustav Janouch. Ffm. 1961). lWeder die ästhetisch-formale, antitraditionalistische noch die aktivistisch-politische Aufbruchsstimmung der Epoche steht bei Kafka im Vordergrund. Kurt Wolff Verlag Walter Hasenclever, Kurt Pinthus, Franz Werfel als Lektoren seit 1913 startet die Buchreihe Der jüngste Tag (in der auch Sternheim und Kafka zu ersten Veröffentlichungen kamen) Programmatiker der expressionistischen Prosa Alfred Döblin * 1878 Stettin/Oder, † 1957 Emmendingen bei Freiburg i. Br. die »Götter seiner Jugend«: Kleist und Hölderlin. Außerdem Nietzsche, Schopenhauer, Spinoza und Dostojewski. Doppelleben als Arzt und Dichter Ab Nov. 1905 als Psychiater in einer Anstalt bei Regensburg, ab Okt. 1906 in Berliner Krankenhäusern. Im Okt. 1911 eröffnete er eine neurologische Kassenpraxis. von Herwarth Walden fandin die Kunst- und Literaturszene Berlins eingeführt Berliner Propgramm An Romanautoren und ihre Kritiker 1913 im »Sturm« veröffentlicht Man lerne von der Psychiatrie, ….sie hat das naive der Psychologie längst erkannt, beschränkt sich auf die Notierung der Abläufe, Bewegungen – mit einem Kopfschütteln, Achselzucken für das Weitere und das Warum und Wie. Die sprachlichen Formeln dienen nur dem praktischen Verkehr. Zorn, Liebe, Verachtung bezeichnen in diesem Sinne Erscheinungskomplexe, darüber hinaus geben diese primitiven und abgeschmackten Buchstabenverbindungen nichts. Berliner Programm Er meinte damit einen »Kinostil« neutraler Beobachtung, der auf kausale Erklärungen, erläuternde Erzählerkommentare und psychologisierende Aussagen über das Innenleben der Figuren verzichten sollte. Schon früh entwickelte er, in Anlehnung an den Futurismus, eine epische Technik, die mit ihrer parataktischer Aneinanderreihung einzelner Wörter, kurzer Sätze und sich verselbständigender Erzählsequenzen dazu geeignet war, die verwirrende Dynamik simultaner Großstadtreize und sozialer Massenbewegungen literarisch zu imitieren. Berliner Programm Mit seinem Hinweis Man lerne von der Psychiatrie lenkte er auch auf die psychopathischen Themen Aufmerksamkeit. Bevorzugte stilistische Mittel für seine Zielsetzungen fand er im inneren Monolog oder erlebter Rede, oft mit satirischen oder grotesken Ausschlägen. Seine Erzählungen aus den Jahren 1903-1911 bezeichnete er als „phantastische, groteske und burleske Stücke”. Die Ermordung einer Butterblume, 1913 Phantastik: Die Dingwelt wird belebt und droht Subjekt zu unterjochen. Groteske: Das Groteske: seine Gestaltung in Malerei und Dichtung von Wolfgang Kayser, 1961 Eine entfremdete Welt, in der das Vetruate unheimlich wirkt, Burleske: eine ein grob komische Darstellung,z. B. Biedermann und die Brandstifter. Der Text entstand 1948 unter dem Eindruck der Machtübernahme des Kommunismus in der Tschechoslowakei. Sie trug den Titel Burleske und wurde im Tagebuch 1946–1949 veröffentlicht. Die Ermordung einer Butterblume 1910 im Sturm erschienen Kaufmann Fischers Spazierstock blieb an dem spärlichen Unkraut hängen. In einem Wutabfall schlägt er auf die Butterblume los. Vor die Blumen war er gesprungen und hatte sie mit dem Spazierstöckchen gemetzelt, ja, mit jenen heftigen aber wohlgezielten Handbewegungen geschlagen, mit denen er seine Lehrllinge zu ohrfeigen gewohnt war, wenn sie nicht gewand genug die Fliegen im Kontor fingen und nach der Größe sortiert ihm vorzeigten. Die Ermordung einer Butterblume Phantasien und Wahnvorstellungen über seine Tat die Herrschaft über ihn, die Wendungen besitzen unterschwellig sexuelle Nebenbedeutungen, die „Ermordete“ erhält den weiblichen Namen Ellen. Die Übermacht des Wahns wird durch einen ständigen Wechsel von Außen- und Innenperspektive, Präsens und Präteritum verdeutlicht. Im Weinen an einem Morgen steht er der Gesundung nahe, aber weil er die Schuld daran der Butterblume Ellen, nicht sich selbst zuschreibt; er versucht die eigene Entschuldung dadurch zu erreichen, das er der Blume ein eigenes Konto anlegt. Er glaubt den Wald dadurch übertölpelt zu haben: Laut lachte und prustete er. Und so verschwand er in dem Dunkel des Bergwaldes. Der Wald, ein Symbol für die dunklen Seelenbereiche, scheint ihn förmlich zu verschlucken. an der Grenze des Wahnsinns Albert Ehrenstein: Tubutsch Noch im Dezember 1911 stellt Karl Kraus den Text in der Fackel vor. Er hebt die ästhetische und stilistische Eigenwilligkeit und poetische Innovationskraft des jungen Schriftstellers hervor, stellt ihn in die Tradition von Lawrence Sterne und lobt die phantasiereiche und witzige Gestaltungsweise . die Affinitäten der Hauptfigur zum Mythologem des ewigen Juden AhasverGeorg Heym