Karol Szymanowskis Stellung im polnischen Musikschaffen Author(s): Jan Steszewski Source: Studia Musicologica Academiae Scientiarum Hungaricae, T. 24, Supplementum: Report of the Musicological Congress of the International Music Council (1982), pp. 47-56 Published by: Akadémiai Kiadó Stable URL: http://www.jstor.org/stable/902023 Accessed: 17-08-2016 12:48 UTC Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at http://about.jstor.org/terms JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact support@jstor.org. Akadémiai Kiadó is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Studia Musicologica Academiae Scientiarum Hungaricae This content downloaded from 147.251.100.144 on Wed, 17 Aug 2016 12:48:10 UTC All use subject to http://about.jstor.org/terms Karol Szymanowskis Stellung im polnischen Musikschaffen Jan STESZEWSKI Warschau Es sei mir erlaubt vorerst das Wesentliche aus der Raumschiffperspektive zu berichten. Karol Szymanowskis (1882-1937) Anlie war den fruchtlosen, akreativen Konservatismus der polnischen ponisten der Nach-Chopin-Periode zu iiberwinden, was ihm auch sichlich gelungen ist. Seine Werke weisen nicht nur ein technisch veau, das den damaligen avancierten Standarden vergleichbar ist, dern auch hohe stilistische Eigenstandigkeit auf. Das wertvolle M idiom von Szymanowski, seine wichtige Motivationen und seine ve wortungsvolle Haltung sind ein unleugbares Faktum. Schon zu esinen Lebzeiten und auch spiter darf praktisch von - um sein Idiom herum - Komponistenkonstellation gesproohen werd egal ob es sich um akzeptierende, neutrale oder gar egegnsitzlich tungen handelt. Ab 1949 bis Mitte der 50er Jahre das Idiom von manowski war fiir polnische Kompoinsten nicht nur ein Anhaltsp man hat es auch fuir sozrealistische Manipulationen verwendet. Der ncichste Umbruch im polnischen Musikschaffen hat sich 1956 ereignet und trugneben dem noch immer wirksamen Szymanow Vorbild - zur Herausbildung neuer Idiome und folglich neuer stellationen bei. Es sind vornehmlich die Konstellationen um Witold Lutoslawski (1913) und um Krzysztof Penderecki (1933), die aber Musik von Szymanowski undenkbar wiren, also im weiteren Sin zu Szymanowski-Konstellation zugerechnet werden konnen, auch teilweise mit Minuszeichen. Der meist bedeutende, neben Chopin, polnische Komponist d Jahrhunderts, Stanislaw Moniuszko (1819-1872) schrieb: >DalB j so dumm ist, um sich nach dem Verlust von Chopin mit mir tris konnen, ist nicht meine Schuld.# In dieser selbstkritischen Reflexion Moniuszkos muB man wenigstens zwei Aspekte unterscheiden, den ersten, der sich auf den Wert von Musikwerken selbst bezieht, und diesen, der die gesellschaftliche Funktion, die Ntitzlichkeit und den Umlauf des Studia Musicologica Academiae Scientiarum Hungaricae 24, 1982 This content downloaded from 147.251.100.144 on Wed, 17 Aug 2016 12:48:10 UTC All use subject to http://about.jstor.org/terms 48 J. Steszewski: Szymanowskis Stellung im polnischen Musikschaffen kiinstlerischen Schaffens erleuchtet. Was den ersten Aspekt betrifft, kann man die Meinung von Moniuszko teilen und auf das Schaffen aller polnischen Komponisten, die in der zweiten Halfte des 19. Jahrhunderts zu komponieren begonnen haben, verallgemeinern. Was den zweiten Aspekt betrifft, so haben sowohl Moniuszko, als auch die anderen Komponisten dieser Zeit von kleinerem und gro8eren Talent - z. B. Henryk Wieniawski (1835-1880), Wladyslaw Zelefiski (1837-1921), Zygmunt Noskowski (1846-1909), Roman Statkowski (1859-1926) und Ignacy Paderewski (1860-1941) - ihre Rollen in der damaligen polnischen Gesellschaft zweifellos am besten zu erftillen versucht, ihrer Begabung, der professionellen Vorbereitung und den objektiven Moglichkeiten gemaB, insbesondere auf dem Gebiet der Popularisierung der Musikkultur, der Erhaltung der national-kulturellen Identitat, und im Falle Paderewskis auch im Bereich einer bedeutenden patriotischen und politischen Titigkeit. All die Komponisten hatten doch unter besonderen politischen und kulturellen Umstanden zu wirken, im Lande, das von drei Okkupanten geteilt worden ist, in dem die polnische Kultur unterdriickt wurde, im Lande mit einer schwach entwickelten biirgerlichen Musikkultur und einem schwachen Netz der Musikinstitutionen. Nur die Existenz der Warschauer Oper war besser gesichert, aber schon die erste polnis Philharmonie aus politischen und finanziellen Grtinden auf ihre Er nung in Warschau bis zum Jahre 1901 warten mu8lte und bis zu d Zeit durch die Gastauftritte anderer Ensembles ersetzt wurde. Die Tatsache ist jedoch, daB sich die Symphonik der genannten Komponisten im Kreise der kiinstlerischen Mittel von Berlioz, Mendelssohn, Liszt und Tschaikowsky bewegte. Wenn man also die europaischen Wertkriterien annimmt, so wie etwa die kiinstlerische Originalitat, die Innovationen, dann waren die Werke polnischer Komponisten aus der zweiten Hilfte des 19. Jahrhunderts konservativ, epigonenhaft und sekundar. Die Opposition gegen die dargestellte Situation war im 20. Jahrhundert der erste modernistische Protest der polnischen Kiinstler, der bis zum heutigen Tag reich an Nachwirkungen bleibt. Es handelt sich um die Entstehung, zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Gruppe von Komponisten, genannt Junges Polen (Mloda Polska). Ihre praktischen Bediirfnisse haben sie 1905 fiir eine kurze Zeit verbunden, die Idee der Erneuerung der polnischen Musik war vom bleibenden Wert. Ihr Ziel war nicht die Wiinsche des wenig anspruchsvollen Publikums zu erfiillen, sondern eine kiinstlerische Selbstverwirklichung. In jeder anderen Hinsicht war diese Gruppe wenig zusammenhaltend, die Komponisten unterschieden sich voneinander in Temperament und Individualitatsgrad, Studia Musicologica Academiae Scientiarumn Hun garicae 24, 1982 This content downloaded from 147.251.100.144 on Wed, 17 Aug 2016 12:48:10 UTC All use subject to http://about.jstor.org/terms J. Steszewski: z'?-ZmnowU'ms'is Stellung im polrischen 3MIsikschaffen 49 vertraten unterschiedliche Aisthetiken und bedienten sich verschiedener Musikidiome. Aus heutiger Sicht betrachtet sind zwei von ihnen, Mieczyslaw Karlowicz und Karol Szymanowski, die das W esentlichste geschaffen haben. Mieczyslaw Karlowicz (1876-1909), nicht von allen zum Jungen Polen gezahlt, war ein nostalgischer, neoromantischer Lyriker. Er zeichnete sich als Symbolist und Anhanger der musikalischen Programmierung aus. 1906 schrieb er an den Musikwissenschaftler Adolf Chybiniski: dIch habe eine Komposition beendet, die ich [... ] Litauische Rhapsodie nennen werde. Ich bemiihte mich in ihr den Schmerz, die Trauer und die Unfreiheit dieses Volkes zu beschwaren, dessen Lieder in meiner Kindheit erklangen.<< In die Geschichte ging er als Komponist von interessanter Invenz, einer grolfen koloristischen Sensibilit?at, die in der Tonalitat und der Harmonik fest eingewurzelt ist, ein. Bei zweifellos eigener kiinstlerischer Position bewegte sich Karlowicz im Kreis der Mittel von Liszt, Wagner, Tschaikowsky und R. Strauss. Da er am Rande der kiinstlerischen Welt stand und friih ums Leben in der Tatra gekommen ist, hat dieser Komponist vom europiischen Rang keinen wesentlicheren EinfluB auf die Wahl der kiinstlerischen Ideologien und M6tiers seiner jiingeren polnischen Komponisten ausgetibt. Anders war Szymanowskis Fall. Geboren einige Jahre nach Schinberg und Ravel, ein Jahr nach Bart6k, in demselben Jahr wie Strawinsky und Kodily, ein Jahr vor Webern und Hauer. Ein Jahr vor seiner Geburt stirbt Musorgsky, ein Jahr nach Szymanowskis Geburt Richard Wagner. Das nicht besonders wohlhabende landadelige Familienhaus in der fernen Ukraine war eine bedeutende Oase der intellektuellen Aspirationen, der Literatur und anderer Kiinste. Es geniigt zu erwaihnen, da8f zum familiiren Kreise Szymanowskis auch Jaroslaw Iwaszkiewicz und Harry Neuhaus gehorten. Ahnlich wie im Falle von Karlowicz war die allgemeine und musikalische Vorbereitung Karols ein Formant, dessen Konsequenzen nicht zu iiberschitzen sind. Im Bewu8tsein des polnischen Adels und der hauptsichlich aus ihm stammenden stidtischen Intelligenz hat sich der Musikberuf vollig nobilitiert, als ein Beruf, der nicht nur eine kiinstlerische sondern auch eine gesellschaftliche Mission, mit einem geistigen und intellektuellen Hintergrund, zu erfuillen hat. Deshalb haben die Schwester und der Bruder Szymanowskis die Musikberufe gewihlt, deshalb ist Szymanowski Rektor des Warschauers Konservatoriums gewesen, deshalb schrieb er Essays von besonderen Tragfihigkeit, und mit vollem Bewultsein steuerte, bis zum Schlul. des Schaffens, die Verainderungen seines musikalischen Idioms. Der Grund 4 Studia Musicologica Academiae Scientiarum Hungaricae 24, 1983 This content downloaded from 147.251.100.144 on Wed, 17 Aug 2016 12:48:10 UTC All use subject to http://about.jstor.org/terms 50 J. Steszewski: Szymanowskis Stellung im polnischen Musikschaffen all dieser Entscheidungen und Handlungen - ohne Riicksicht auf die Konsequenzen - war ein ethischer: Szymanowski ist Mensch vom groBen Format gewesen. Die kompositorische Ausbildung bekam er vom konservativen Noskowski. SelbstSndig lernte Szymanowski die Werke von Wagner, Brahms, Mahler, R. Strauss, Skriabin und Reger kennen. Die erste, sog. deutsche Periode im Schaffen Szymanowskis verlief unter dem Zeichen einer intensiven Selbstbildung, obwohl auch in dieser Zeit wertvolle Werke entstanden, z. B. die II. Klaviersonate (1910-1911) und die II. Symphonie (1909-1910), in deren der Wiener Musikkritiker Richard Specht ein erstaunliches, originelles Talent entdeckte, befruchtetes durch alle moglichen Kulturen, und trotzdem solch ein, das seinen eigenen Weg gefunden hatte. In der Zeit nach dem Jahre 1910 vollzog sich in der Ideologie und dem Metier Szymanowskis eine wichtige Reorientierung, die gezielt war auf einen kulturellen und religi6sen Synkretismus, auf die franzosische und russische Musik, mit Debussy, Ravel, Strawinsky, obwohl man die Abhangigkeit des Komponisten von den genannten Franzosen, trotz stilistischer Konvergenz, in Frage stellt. Im Jahre 1913 schrieb Szymanowski: ))Genial ist Strawinsky, ich bin von ihm sehr ergriffen und par consequence beginne ich die Deutschen zu hassen.<( 1909: ))Es ntitzt nichts, wenn man mir die deutschen Einfliisse in einer bestimmten Zeit meines Schaffens verweist. Ich weiB von ihnen mehr und besser, als irgendjemand von Kritikern. Ich kenne gut die Geschichte meines Kampfes mit dem Gespenst der Konvention, mit dem driickenden Alp, den ich jedoch zu bekimpfen wul3te.(< In den Werken des Komponisten aus dieser Zeit begegnet man einer modernistischen Neigung zur intensiven Chromatik bis zur Atonalitat, Polytonalitit, zu komplizierten Rhythmen, exotischen und orientalen Ziigen in der Melodik. Als ein reprasentatives Werk der zweiten Periode kann man die III. Symphonie Das Lied iber die Nacht (1914-1916) nennen. In den 20er Jahren beginnt die dritte und die letzte, die sog. nationale Periode im Schaffen Szymanowskis. In dieser Zeit geschieht die nichste Reorientierung, namlich - trotz oder mit der kiinstlerischen Reife des Komponisten - eine Vereinfachung und Reduzierung der Mittel; iiberwunden werden die friiheren Zweifel, ob es im 20. Jahrhundert m6glich sei, an das Schaffen Chopins anzuknfipfen, und ob die Ausnutzung des Volksmaterials im eigenen Schaffen keinen asthetischen Kompromif bedeutet, der ev. Risse in den Werken zur Folge hatte. 1907 schreibt Szymanowski vom Dilettantismus der musikalischen KonStudia Musicologica Academiae Scientiarum Hungaricae 24, 1982 This content downloaded from 147.251.100.144 on Wed, 17 Aug 2016 12:48:10 UTC All use subject to http://about.jstor.org/terms J. Steszewski: SzymranoWs8sis Stellung im polnischen Musinkschaffen 51 servatisten in Polen, die den Mangel an Invenz zu retten versuchen, indem sie sich ))der landlich-idyllischen Motive bedienen<(, 1910: >Oh, diese abscheulichen Scherenschnitte, diese Oberkas, diese ,dana-dana', das ist die Verfluchung unserer Kunst.<( Ganz im Sinne von Adornos AuBerung ilber Bart6k schreibt er 1920: ein primitives Lied oder ein Volkstanz, verarbeitet in dei Retorte des individuellen Talents, dem zugrunde ein musikalisches Wissen liegt [... ], wird zum Kunstwerk von allgemeinmenschlicher Bedeutsamkeit<( obwohl >>wir immer mit Eigensinn betonen, daB die polnische nationale Musik kein erstarrtes Gespenst einer Polonaise oder eine Mazurka ist, keine Fuge zum Thema ,Griiler Hopfen'<(. Eigentlich, schreibt er 1923, nur Chopin wul3te aufzuweisen Adie einfachste, einzige Losung jenes Problems der nationalen Kunst,<( obwohl leider )>bei dem ganz kritiklosen, fast religi6sen Kult Chopins, des nationalen Helden, ist er nie [bei uns] v6llig verstanden worden, als ein grol3er polnischer Kiinstler, deswegen sein unschaitzbares Werk fruchtlos geblieben ist.< Ein Jahr spiter schreibt er an seine jiingeren Kollegen-Komponisten eine Sendung: lch michte, da.) die junge Generation der polnischen Musiker versteht, was fiir ein Reichtum in dieser polnischen [volksttimlichen] ,Barbarei' verborgen bleibt, das unsere anemische Musik neu belebt, und das ich schon eindeutig ftir mich ,entdeckt' und verstanden habe<<. Noch ein Jahr spater weist er in einer Polemik mit Bart6k ab, das rohe volkstiimliche Material auf eine mechanische Weise mit der Technik des zeitgenossischen Komponisten zu verbinden, obwohl er in der Volksmusik eine revolutionare Kraft sieht, die verhilft, die )an der Altersschwache sterbende akademische Asthetik<( zu iiberwinden, weil die Volkstiimlichkeit senthtillt deutlich die tiefsten Urmerkmale einer Rasse [heute wiirden wir eher tiber Ethnos sprechen] im Verhiltnis zur Sphare der iisthetischen Eindrticke.<< Die reprasentativen Werke der letzten Schaffensphase sind Mazurkas fiir Klavier (1924- 1926), das II. Quartett (1927), Stabat Mater (1926), das Balett Harnasie (1931), dem die Tatrafolklore zugrunde liegt, Lieder aus Kurpie (1932), die ihre Inspiration dem Volkslied des nord-ostlichen Polens verdanken, IV. Symphonie concertante (1932) und das II. Violinkronzert (1933). Wir miissen doch einen Schritt weiter tun, mit dem Risiko, daB die verbale Charakteristik des iibertechnischen und auBermusikalischen Idioms von Szymanowski ein nebliger GeschoB ist, und daB der zu ihm, wie auch der analytischer Erdgeschol mit Fehlern belast k6nnen. Die genannte Charakteristik ist notwendig, denn es wire sc die Rolle Szymanowskis ftir die nichste Komponistengeneration liutern. Zu den wesentlichsten Merkmalen dieses Idioms gehdr 4* Studia Musicologica Academiae Scientiarum Hungaricae 24, 1982 This content downloaded from 147.251.100.144 on Wed, 17 Aug 2016 12:48:10 UTC All use subject to http://about.jstor.org/terms 52 J. Steszewski: Szymanowskis Stellung im polnischen Musikschaffen Sensibilitat im Bereich der Sprache und der Literatur, die Fahigkeit einer tieferen philosophischen, asthetischen und soziologischen Reflexion, das Verstandnis der gesellschaftlichen Rollen der Musik und der Kiinstler, der neue Romantismus und der raffinierte Sensualismus, die intensive und ekstatische Expression, hohe kiinstlerische Anspriiche, franz6sische Orientierung, ein besonderes Verhiltnis zum nationalen Charakter, darunter zur Tradition und zur Folklore. Wichtiger als eine spekulierte Konstruktion und Technik war ftir Szymanowski die Invenz und die Intuition. Der Kampf um ein neues und um sein Publikum in Polen hat manowski waihrend seines Lebens verloren, was ihm tibrigens schm bewufIt war. Umstandshalber hat er auch bis heute keinen entsprec den Platz in der Hierarchie der Grossen seiner Zeit eingenomme wollen hoffen, daB man es ihm wie der gutmacht 1982, in dem Jubil jahr, in dem der hundertste Geburtstag Szymanowskis gefeiert wir starb in der Glorie des gr6f8ten nach Chopin polnischen Kompo doch war diese Glorie mehr eine nominale als eine tatsichliche. Eine entscheidende Resonanz riefen aber Szymanowskis Schaffen un tung im polnischen kompositorischen Milieu hervor. Die altere G tion von Komponisten und Kritikern, z. B. Piotr Rytel (1884-19 und Aleksander Poliniski (1845-1916), verbarg nicht ihre Feinds Szymanowski gegeniiber. Einige waren bemiiht, ihre eigene Unabhan keit zu behalten, wie z. B. J6zef Koffler (1896-1943), der schon i 20er Jahren dodekaphonisch komponierte. Jiingere Komponisten Tadeusz Szeligowski (1896-1963), Piotr Perkowski (1901), Michal K racki (1902), Tadeusz Kassern (1904-1957), Zygmunt Mycielski (1 waren in iiberwiegender Zahl Szymanowskis Enthusiasten. Dies statigt auch Kazimierz Sikorski (1895), ein naher Mitarbeiter Szyman skis aus seiner Konservatoriumszeit. Es stellte sich heraus, d polnische Musikmilieu, bei seinen mannigfaltigen und umfangreichen takten mit der musikalischen Welt, war, um sich der kyberneti Terminologie zu bedienen, ein relativ isoliertes System, in dem die K ponisten in ziemlich klaren Relationen zueinander standen. Szymanow spielte in dieser Konstellation die Hauptrolle. Szymanowski war sich der Gefahr vollig bewuf3t, die mit seiner verdienten Position und seiner Autoritat verbunden war. Zwei Beweise daftir. Er behauptete, daB )iuber die kiinftige Rolle des Komponiste der Welt der Kunst bestimmt der Grad der Intensitit, mit der sich sein kiinstlerischer Instinkt, sein Talent einem direkten EinfluI widersetzt, also den Lehrmethoden seines offiziellen Professors.e Im Einklang mit Studia Musicologica Academiae Scientiarumn Hungaricae 24, 1982 This content downloaded from 147.251.100.144 on Wed, 17 Aug 2016 12:48:10 UTC All use subject to http://about.jstor.org/terms J. Steszewski: Szymanowskis Stellung im polnischen Musikschaffen 53 dieser Uberzeugung war Szymanowski ein sehr liberaler Kompositionsprofessor. Obwohl er nie ein auslandisches Studium aufnehmen konnte, er hat immer die jiingeren Komponisten zu Wanderjahren angeregt. Damit glaubte er sie vor dem Provinzialismus und zahlreichen Beschrankungen des kiinstlerischen Weges zu schiitzen. So ist auch geschehen. Fast alle Komponistengenerationen nach Szymanowski verblieben, nach dem AbschluB der polnischen Studien eine Zeit im Ausland. Ihr Mekka ist Paris geworden, wo sie Hilfe Roussels, Koechlins, Dukas', d'Indys und am haufigsten N. Boulangers in Anspruch nahmen. Nur wenige von ihnen suchten Inspirationen irgendwo anders, z. B. in Wien, was iibrigens verstehen l;Bt, warum die von Sch6nberg, Webern und Hauer vorgeschlagene Richtung in unserem kompositorischen Milieu erst in den 50er Jahren eingehendender getestet wurde. Wie zahlreich war die Gruppe der jungen polnischen Musikern in Paris, zeugt die Tatsache, dafB 1926 Association des Jeunes Musiciens Polonais ' Paris ins Leben gerufen worden ist. Von den wichtigsten Komponisten ware nur Lutoslawski zu nennen, der seine formale Bildung in Polen beendet hatte, was zu zeugen scheint, sowohl von der kiinstlerischen Selbstaindigkeit Lutoslawskis wie auch vom Niveau der damaligen Kompositionsstudien in Polen. Vor Jahre 1939 also - nicht ohne einen wesentlichen Anteil Szymanowskis - sind ein hohes technisches Niveau und ein gesunder asthetischer und stilistischer Pluralismus bei vielen jungen und talentierten polnischen Komponisten Tatsache geworden. Mochten wir den zweiten Wendepunkt im polnischen Musikschaffen eingehender besprechen, diese Periode des Weltruhms von Lutoslawski, von in diesem Jahre verstorbenen Kazimierz Serocki (1922-1981) und genau vor einem Monat verstorbenen Tadeusz Baird (1928-1981), von Penderecki, Andrzej Panufnik (1914), Henryk G6recki (1933), Wojciech Kilar (1932) und von anderen, miiulten wir die Rahmen dieses Gespraches weit iiberschreiten. Hier also nur einige wichtige Gesichtspunkte. Der Wendepunkt kam nach der triiben Zeit des II. Weltkrieges und nach der Periode 1949-1956, in der sich die damaligen ideologischen, isthetischen und technischen Anspriiche, im Sinne des sogenannten sozialistischen Realismus, als fragwiirdig erwiesen haben. Nur in einem Punkt stimmten die Thesen des Realismus mit den Ansichten Szymanowskis iiberein, namlich, daB die Musikkunst eines nationalen Ausdrucks bedarf und die Folklore eins von Mitteln sei, dieses Ausdruck zu erreichen, obwohl Szymanowski die damals angewandten Methoden, es zu realisieren, nie akzeptieren wiurde. Deswegen konnte Lutoslawski von dieser Zeit sagen: Studia Musicologica Academiae Scientiarum Hungaricae 24, 1982 This content downloaded from 147.251.100.144 on Wed, 17 Aug 2016 12:48:10 UTC All use subject to http://about.jstor.org/terms 54 J. Steszewski: Szymanowskis Stellung im polnischen Musikschaffen ?>Bei bloBer Erinnerung an dieses Erlebnis wird mir kalt. In der Tat ware es schwer um eine mehr absurde These als solch eine, daB man auf das Erbe der letzten Jahre verzichten soll und zur Musiksprache des 19. Jahrhunderts zuriickkehren. Doch versuchte man uns es einzureden. Man bemiihte sich epigonenhafte und unfruchtbare Werke zu popularisieren und fiir die originellen und wertvollen Werke den Weg auf die Biihne zuzusperren. [... ] Die Periode, von der ich hier spreche, dauerte vielleicht nicht lange, [...] genug lang jedoch, um unserer Musik einen groBen Schaden anzurichten. Die Psyche des schaffenden Kiinstlers ist ein unwahrscheinlich zartes und prazises Instrument. Deswegen haben das Attentat auf dieses Instrument und jede Probe es zu unterdriicken bei vielen unter uns starke Depressionen hervorgerufen. Die Tatsache, daB man sich von der Kunst des Westens vollig getrennt hat, hat auch eine nicht zu unterschitzende Rolle in diesem triiben Experiment gespielt, dem wir unterzogen wurden.(( Nach der Halfte der 50er Jahre, in der sich die entscheidende Mehrheit der polnischen Komponisten vor Servilismus zu verteidigen wuf3te, begannen sie eine fleiBige Wiedergewinnung der verlorenen Zeit. Dabei verhalfen die neuen Wanderjahre der Komponisten nach Paris und Darmstadt und im hohen Grade auch das Internationale Festival der Zeitgendssischen Musik Warschauer Herbst ins Leben gerufen 1956 von Baird und Serocki, das nicht nur die neue Weltmusik dem polnischen BewuBtsein nahegebracht hatte, sondern auch zum Forum der Prasentation der polnischen Erfahrungen, Vorschlige und Ergebnisse wurde. Im einleitenden und im letzten Konzert des ersten Festivals 1956 finden wir die Werke von Szymanowski gespielt, die bezeugen, daBl dieser Komponist ein wichtiger Anhaltspunkt geblieben ist, wenn nicht im Sinne der angewandten kompositorischen Techniken, dann im geistigen Sinne, unabhingig davon ob die Einstellung ihm gegeniiber eine akzeptierende, neutrale, eine sich distanzierende oder eine negierende wire. 1971 versucht Boguslaw Schaffer (1929), der bekannts polnische Avantgardist diA Rolle Szymanowskis nicht nur falsch aber auch iibertrieben auf die kompositorische Werkstatt zu reduzieren. Szymanowski )reprisentiert schlieBlich traditionelle Richtungen, damit maskiert, daB wir in unserem Nest keinen wesentlichen Kontakt mit der neuen Kunst hatten.<( Als 1973 Lutoslawski von seinem friihen Werk aus dem Jahre 1938 Sinfonische Variationen sprach, stellte er fest: >)Ferner gab es noch einen schwachen Szymanowski-EinfluB, aber eben nur schwach, weil ich mich schon sehr bald von Szymanowski distanzierte und gegen exzessiv romantischen, expressionistischen Ziige seiner Musik aufbegehrte. Diese Studia Musicologica Academiae Scientiarumn Hungaricae 24, 1982 This content downloaded from 147.251.100.144 on Wed, 17 Aug 2016 12:48:10 UTC All use subject to http://about.jstor.org/terms J. Steszewski: Szymanowskis Stellung im polnischen Musikschaffen 55 Wesensmerkmale waren mir fremd.<< Bitte zu merken, daB Lutoslawski nur diese Merkmale erwahnt. Vor einigen Jahren erklirte sich Baird eindeutig ftir Szymanowski: ??Szymanowski war, ist und bleibt fiir mich wohl die zentrale Gestalt, die Hauptfigur der polnischen Musik des 20. Jahrhunderts und dies ist fiir mich die einzige Miglichkeit mein eigenes Verhiltnis zur polnischen Vergangenheit und der polnischen Tradition kundzugeben. Auf diese Weise kann ich zugleich mein Verhailtnis zum Schaffen Szymanowskis bestimmen; von allen Komponisten der polnischen musikalischen Vergangenheit steht er mir am nichsten. Wenn man manchmal hirt, daPl ich auf eine gewisse Weise - gelungen oder nicht - an den NachlaB Karol Szymanowskis ankntipfe, betrachte ich es als ein der groBten Komplimente, die ich erwarten kann.<< Das allerletzte Werk von Baird Stimmen aus der Ferne fir Bariton und Orchester, nach dem Text von Jaroslaw Iwaszkiewicz, ist eine Huldigung ftir Szymanowski. Eben mit diesem Werk soll das Szymanowski-Jahr 1982 eingeleitet werden. Ahnliche Glaubensbekenntnis hat Mikolaj G6recki abgelegt: auf eine unbewohnte Insel wiirde ich die Mazurkas von Chopin und Szymanowskis Stabat Mater mitnehmen wollen. Diese vier reprisentativen Aussagen scheinen davon zu zeugen, dafi der iibertechnische und auBermusikalische Idiom Szymanowskis das Bewulitsein der zeitgendssischen polnischen Komponisten auch heute mitgestaltet, daB er an ihren kiinstlerischen Handlungen seinen Anteil hat. Es unterliegt keinem Zweifel, da8 sich die kompositorische Werkstatt indert, daBl neue Konstellationen - wie etwa die um Lutoslawski und Penderecki - entstehen, doch die fundamentalen Merkmale des Idioms von Szymanowski ein auffallend langes Leben haben, was einerseits durch seine universellen Werte, anderseits durch sein Verhiltnis zu verschiedenen polnischen esoterischen Realien, wie das Verhiltnis zum nationalen Charakter und zum Patriotismus, bestimmt ist. Das von der Goralenmusik inspiriertes Werk Krzesany (1974) mu8te fiir Wojciech Kilar eine Art Selbsbestimmung in Relation zu Harnasie von Szymanowski bedeuten. Die Konzeption der humanistischen Interpretation (J. Kmita), h in ernthymematischer Gestalt, der ich mich in gewissen Grad bediente beruht hauptsichlich auf der Uberzeugung, daB die menschlichen Ha lungen, auch die kiinstlerischen, auf eine eigentiimliche Weise ratio sind. Die Interpretation ist also eine Art Suche nach rationellen Pr renzen und Wertsystemen, nach innerer Logik der Sachen, die de menschlichen Handlungen zugrunde liegen konnten. Das aber ist zerbrechliche Methode. Wenn also sogar ein Teil von den hier dargestel Stutdia Musicologica Academiae Scientiarum Hungaricae 24, 1982 This content downloaded from 147.251.100.144 on Wed, 17 Aug 2016 12:48:10 UTC All use subject to http://about.jstor.org/terms 56 J. Steszewski: Szymanowskis Stellung im polnischen Musikschaffen ten Reflexionen diskutabel ist, dann bleibt trotzdem sicher, daB das Schicksal des polnischen Musikschaffens ohne Karol Szymanowski anders gewesen ware. Literatur J. CEGIELLA, Szkice do autoportretu polskiej muzyki wsp6iczesnej. Krak6w 1976 J. CHOMiNiSKI, Muzyka Polski Ludowej. Warszawa 1968 J. CHOMII?SKI (Hrsg.), Z -ycia i twdrczosci Karola Szymanowkliego. Krak6w 1960 E. DZIIBOWSKA (Hrsg.), Z ?ycia i twdrczo'ci Mieczyslawa Karlowicza. Krak6w 1970 L. ERHARDT, Muzyka w Polsce. Warszawa 1974 L. ERHARDT, Poniiej muzyki. Krak6w 1972 L. ERHARDT, Spotkania z Krzysztofem Pendereckim. Krak6w 1975 M. GLI SKI (Hrsg), Muzyka wsp6tczesna. Warszawa 1926 S. GOLACHOWSKI, Karol Szymanowski. Krak6w 19773 S. JAROCINSKI, Debussy. Krak6w 1972 S. JAROCI SKI, Orfeusz na rozdroiu. Krak6w 1974 T. KACZY SKI, Gesprdche mit Witold Lutoslawski. Leipzig 1976 Z. LISSA (Hrsg.), Karol Szymanowski. Warszawa 1964 S. LOBACZEWSKA, Karol Szymanowski. 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