Schreiben, um besucht zu werden: Textgestaltung fürs World Wide Web Angelika Storrer Preprint. Erscheint in: Bucher, Hans-Jürgen/ Püschel, Ulrich (Hgg.): Die Zeitung zwischen Print und Digitalisierung. Opladen/Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 1. Einführung Muss man für eine Online-Zeitung anders schreiben als für eine gedruckte Zeitung? Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, wie man eine Online-Zeitung konzipiert: Ob als Kopie, als Ergänzung oder als Alternative zur gedruckten Zeitung. Wenn Kopien gedruckter Beiträge ohne weitere Bearbeitung online verfügbar gemacht werden, ändert sich für den Texter natürlich nichts. Anders beim Konzept der Ergänzung, bei dem gedruckte Beiträge für die maschinelle Inhaltserschließung aufbereitet und um Links ergänzt sind, die zu thematisch verwandten Beiträgen im Archiv, zu Hintergrundinformationen oder zu externen Sites führen. Hierfür werden neue Strategien zur inhaltlich-thematischen Kategorisierung und zum internen und externen Linking benötigt. Wirklich anders schreiben müssen vor allem die Journalisten, die eine Online-Zeitung als Alternative zur gedruckten Zeitung, als eigenständiges neues Medium, nutzen wollen. Sie produzieren Texte für den Computerbildschirm und müssen sich auf die dafür typischen Rezeptionsformen einstellen. Sie können nicht nur Text und Bild, sondern auch Ton- und Videodokumente durch Hyperlinks verknüpfen. Sie können ein Thema stets aktuell, in beliebiger Detailtiefe und aus verschiedenen Perspektiven bearbeiten. Sie können über Email und andere Kommunikationsdienste mit ihrer Online-Leserschaft kommunizieren und diese in die Zeitungsgestaltung mit einbeziehen. In diesem Beitrag geht es um Regeln und Strategien für Online-Zeitungen, die als Ergänzung oder als Alternative zur gedruckten Zeitung konzipiert sind. Im folgenden Abschnitt werden zunächst die sog. Mehrwert-Eigenschaften des World Wide Web, Hypertext, Multimedia, Interaktivität und computergestützte Kommunikation, im Hinblick auf die Zeitungsgestaltung kurz erläutert. Viele dieser Eigenschaften können beim aktuellen Stand der Netztechnik noch nicht optimal genutzt werden. Die neue Netzsprache XML wird den Gestaltungsspielraum für Online-Zeitungen künftig deutlich erweitern. Die dahinter stehenden Konzepte und die wichtigsten Unterschiede zu HTML werden deshalb in Abschnitt 2 kurz erläutert und sind in die Überlegungen in Abschnitt 3 und 4 bereits mit einbezogen. Die Frage, wie man für das neue Medium schreibt, kann unter zweierlei Perspektiven angegangen werden: − Die produktbezogene Perspektive fragt danach, welche Eigenschaften ein Beitrag einer Online-Zeitung haben muss, damit er mediengerecht gestaltet ist. − Die prozessbezogene Perspektive beschäftigt sich damit, wie der Produktionsprozess sich unter den neuen technisierten Bedingungen gestaltet. Zum prozessbezogenen Aspekt lässt sich zum momentanen Zeitpunkt wenig Langlebiges sagen. Der Produktionsprozess ist gerade im WWW in hohem Maße abhängig vom Entwicklungswerkzeug, das einer Redaktion zur Verfügung steht. Das Spektrum reicht vom komfortablen teuren Redaktionssystem bis zu Freeware-Editoren, die zudem noch kontinuierlich mit weiteren Funktionen ausgestattet und an neue Netzstandards angepasst werden. Der vorliegende Artikel konzentriert sich deshalb auf die produktbezogene Perspektive, versucht aber, den prozessbezogenen Aspekt zumindest insoweit zu berücksichtigen, als die Strategien und Regeln jeweils auf Aufgaben bei der Textgestaltung bezogen sind, für die es im Online-Medium neue Wahlmöglichkeiten, neue Regeln und neue Aspekte bei der Bewertung der Angemessenheit gibt. Die Überlegungen in den Abschnitten 3 und 4 basieren auf den Empfehlungen in Stil- und Designratgebern für das World Wide Web, auf Nutzeranalysen und auf Kategorien aus Textlinguistik und Rhetorik, soweit sie sich auf das neue Medium übertragen lassen. Die Mediengeschichte hat gezeigt, dass der Umgang mit neuen Medien anfänglich immer von Darstellungsformen alter Medien geprägt ist, dass sich erst mit der Zeit mediengerechte journalistische Formen herausbilden (vgl. Holly (1996), Jakobs/ Püschel (1997)). Dieser Prozess ist im WWW noch im Gange, der Stand der Kunst zur Jahrtausendwende ist sehr gut in Meier (1999) beschrieben. Im Folgenden geht es weniger um die journalistische Nutzung des WWW als um allgemeine Regeln und Strategien zur Textgestaltung, die die Mehrwerte des neuen Mediums nutzen. Deren Kenntnis sollte es Journalisten erleichtern, mit neuen journalistischen Erzähl- und Darstellungsformen zu experimentieren. 2. Das World Wide Web als Hypertextsystem Das World Wide Web (abgekürzt als „WWW“ oder auch „Web“) ist ein Informationsdienst des Internet, der 1989 am Kernforschungszentrum CERN in Genf zunächst zu dem Zweck entwickelt wurde, die Zusammenarbeit von weltweit verstreuten Forschergruppen zu unterstützen. Seinen Erfolg verdankt das WWW der schnell erlernbaren Dokumentenauszeichnungssprache HTML und der einfach bedienbaren Zugangssoftware, den sog. Web-Browsern. Browser können nicht nur WWW-Dokumente abrufen, sondern bieten unter grafischen Nutzeroberflächen auch Schnittstellen zu den Kommunikationsdiensten Email, News (Usenet) und Chat (Internet Relay Chat). Die neuen Möglichkeiten, die das World Wide Web (WWW) für die Zeitungsgestaltung eröffnet, lassen sich mit vier Schlagwörtern umreissen: Multimedia, Hypertext, Interaktivität und computergestützte Kommunikation. − Hypertext: Das World Wide Web ist organisiert als Netzwerk von funktional und thematisch zusammengehörigen Teilnetzen, die durch computerisierte Verweise, die Hyperlinks, miteinander verknüpft sind. Die Information wird grob in Rubriken und feiner in Module aufgeteilt, aus denen der Leser nach seinen Interessen eine Auswahl trifft. Ein Thema kann für Interessenten mit unterschiedlichen Vorkenntnissen und in verschiedener Detailtiefe abgehandelt werden. Hypertexte können denselben Sachverhalt unter verschiedenen Perspektiven beleuchten oder unterschiedliche Meinungen zu einem Thema miteinander verknüpfen. Hypertexte im WWW bestehen nicht aus einer festen Anzahl von Modulen, sondern befinden sich in ständigem Auf- und Umbau. Module können relativ unkompliziert aktualisiert und ergänzt werden; potentiell kann eine Online-Zeitung deshalb auch Rundfunk und Fernsehen an Aktualität schlagen. − Interaktivität: Als ”interaktiv” werden Programme bezeichnet, deren Verhalten von den Eingaben des Anwenders gesteuert wird. Die Formen der Einflußnahme im WWW reichen dabei von einfachen Operationen – z.B. Hyperlinks anklicken, Suchbegriffe eingeben oder Elemente aus einer Auswahlliste auswählen – bis hin zum Agieren in sog. virtuellen Welten. Der Benutzer bahnt sich, ggf. unterstützt durch elektronische „Guides“ oder „Agenten“, seinen eigenen Weg durchs Dokuversum. Die Hypertext-Literatur unterscheidet zwischen verschiedenen Rezeptionsformen (vgl. McAleese 1989, 11): dem Scanning (Covering a large area without depth), dem Browsing (Following a path until a goal is achieved), dem Searching (Striving out find an explicit goal), dem Exploring (Finding out the extend of the information given) dem Wandering (Purposeless and unstructured globetrot- ting). − Multimedia: Hypertexte im WWW können Auge und Ohr gleichzeitig ansprechen. Die im gedruckten Medium dominante Schrift kann nicht nur um Bilder und Grafiken angereichert werden, sondern auch um Ton- und Videodokumente. Webgestaltung heißt, sich bewusst für ein- oder mehrkanalige Informationsvermittlung, für Schrift, Bild, Ton oder Video zu entscheiden und aus den verschiedenen Elementen ein bildschirmgerechtes Ensemble zu flechten. Auch wenn Schrift im WWW weiterhin eine dominante Rolle spielt, wird sie in multimedialen Kontexten anders wahrgenommen und übernimmt, z.B. als Träger eines Hyperlinks, auch neue Funktionen (vgl. Schmitz (1997) und Schmitz (in diesem Band)). Ein schön gemachtes Beispiel ist die Hypermedia-Anwendung zur Geschichte des Radios, dessen Homepage in Abbildung 1 zu sehen ist. − Computergestützte Kommunikation: Die Stärke des World Wide Web liegt in der Verbindung von Information und Kommunikation. Mit den Browsern kann man nicht nur WWWSeiten abrufen, sondern auch die Kommunikationsdienste des Internet in Anspruch nehmen, von der elektronische Post (E-mail) und den Postverteilern (Mailing-Listen) über die Diskussionsgruppen (Newsgroups), bis hin zu den Online-Konferenzen (Chat). Hyperlinks verknüpfen nicht nur WWW-Seiten miteinander, sondern können E-Brief-Formulare aufrufen oder Chat-Räume eröffnen. Dies eröffnet neue Möglichkeiten der Kontaktaufnahme mit der Online-Leserschaft über Gästebücher, elektronische Leserbriefecken und über themenzentrierte oder offene Chats. Meier (1999, 130) weist darauf hin, dass Online-Zeitungen auf Dauer nur Erfolg haben können, wenn sie auf die Eigenschaften setzen, die das neue Medium den „alten“ voraus hat. Um diese neuen Möglichkeiten journalistisch ausschöpfen zu können, muss noch viel experimentiert werden; die aktuelle Netztechnik behindert das Experimentieren bislang jedoch erheblich. Einerseits muss ein Produkt für verschiedene Bildschirmgrößen, Bildschirmauflösungen und für konkurrierende Browsertypen und –versionen geplant werden. Die Einbindung von Ton-und Videodateien setzen Zusatzprogramme (sog. plug-ins) voraus, die nicht bei allen Nutzern installiert sind. Lange Ladezeiten sind seit Jahren das Ärgernis Nummer eins bei der Webnutzung (vgl. GVU-10 1988). Auch vom Design her perfekte Hypertexte können zum Flop werden, wenn der Nutzer mehr als eine Minute warten muss, bis sich das gewünschte Modul am Bildschirm aufgebaut hat. Das Explorieren eines Hypertextes macht nur Freude, wenn eine anforderte Seite so rasch am Bildschirm erscheint, dass der im Ausgangsmodul bearbeitete Inhalt noch unmittelbar im Gedächtnis ist. Insgesamt läßt das WWW als Hypertextsystem und HTML als Beschreibungssprache von WWW-Dokumenten in seiner bisherigen Realisierung viele Wünsche offen und bleibt in seiner Funktionalität weit gegenüber anderen, auch älteren Systemen zurück (vgl. z.B. Nielsen (1995, 188ff)). Das WWW-Consortium (W3C), das für die Normen des WWW verantwortlich ist, hat den Standard HTML zwar immer wieder erweitert, konnte jedoch grundsätzliche Beschränkungen nicht überwinden. Durch den 1998 vom W3C gefassten Beschluss, XML (Extensible Markup Language) als Alternative zu HTML zu unterstützen, kündigt sich nun ein Paradigmenwechsel an. Da der XML-Standard die Gestaltungsmöglichkeiten im WWW deutlich erweitert, möchte ich im Folgenden kurz die ihm zugrundliegenden Konzepte und die damit verbundenen Neuerungen skizzieren. Detaillierte Beschreibungen der Standards finden sich auf den Sites www.w3.org/XML und www.xml.com. Eine gut verständliche Einführung in Ideen und Geschichte von SGML, XML und HTML geben Goldfarb (1999) und St.Laurent (1998). Wer mit XML bereits vertraut ist, kann die folgenden Abschnitte überspringen. HTML (Hypertext Markup Language) ist eine sog. Markup-Sprache, d.h. eine Sprache zur Auszeichnung von Dokumenten. Eine Markup-Sprache ermöglicht es, Segmente von Dokumenten mit vorher festgelegten Markierungen, sog. Tags, auszuzeichnen, z.B. als Überschrift, als Element einer geordneten Liste, als Anker eines Hyperlinks. HTML wiederum ist definiert durch einen Standard zur Entwicklung von Markup-Sprachen, der SGML (Standard Generali- zed Markup Language) heißt und 1986 zum ISO-Standard (ISO 8879) wurde. Mit SGML kann man in einer sog. Document Type Definition (DTD) Markup-Sprachen bestimmen und dadurch definieren, welche und wieviele Elemente in einer Klasse von Dokumenten zulässig sind und welche Eigenschaften diesen zugeschrieben werden können. Die verschiedenen Versionen des HTML-Standards, die vom W3C vorgegeben wurden, sind also eigentlich verschiedene DTDs, in denen nach und nach neue Elemente definiert wurden. Der Vorteil von HTML und SGML liegt in ihrer Unabhängigkeit von einer bestimmten Hard- und Softwarekonstellation. Die Markierungen, die mit beginnen und mit enden, können in beliebige Dateien integriert werden. Softwareunabhängig ist eine Markup-Sprache aber nur als Ascii-Datei. In dem Moment, in dem die Tags interpretiert werden, und das Dokument entsprechend formatiert wird, müssen z.B. einer Überschrift Schriftart und Schriftschnitt zugeordnet, eine Liste durchnummeriert, ein Link-Anker gekennzeichnet werden. Diese Aufgabe übernimmt bei HTML-Dokumenten die Browsersoftware. Die beiden großen Browserfamilien, Netscape Communicator und Microsoft Explorer, legen fest, wie die HTML-Tags interpretiert werden, das heißt natürlich auch, dass mit jeder neuen Version des HTML-Standards auch neue Browserversionen benötigt werden. XML ist eine abgeschlankte Version von SGML, also keine Markup-Sprache wie HTML, sondern eine Sprache zur Festlegung von Markup-Sprachen. Sie ist zwar speziell auf OnlinePublikationen im WWW zugeschnitten; die Idee von XML – wie schon bei SGML – ist aber das sog. „cross media publishing“, d.h. man möchte Dokumente so auszeichnen, dass sie in unterschiedlichen Medien in angemessener Form publiziert werden können. XML erlaubt es, eigene Markup-Elemente für Textsegmente einzuführen und festzulegen, wie diese vom Browser dargestellt werden. Hierfür wird ein anderer Standard entwickelt: XSL (Extensible Stylesheet Language). Die XML-Dokumente werden mit den XSL-Stylesheets an XML-fähige Browser geschickt, die dann den Dokumenteninhalt nach den im Stylesheet spezifizierten Vorgaben darstellen. Das zentrale Problem beim momentanen WWW-Design, dass einund dasselbe HTML-Dokument von verschiedenen Browsern unterschiedlich dargestellt wird und damit für verschiedene Browsertypen und -versionen neu bearbeitet werden muss, dürfte so zumindest entschärft sein. Beiträge, die mit XML semantisch annotiert sind, eröffnen neue Formen der Informationserschließung und erleichtern damit den internen und externen Austausch von Daten. Für Nachrichtentexte wurden bereits verschiedene Standards entwickelt. Wichtig für die semantische Markierung von Texten und Tabellen in Nachrichtentexten ist das IPTC-NAA News Industry Text Format (NITF), das Tags für die Markierung wichtiger Entitäten wie Personen, Institutionen, Ereignisse oder Orte bereitstellt (vgl. Sprinck 1999). Darüber hinaus lassen sich die Eigenschaften von XML-Dokumenten sehr präzise über sog. Metadaten erfassen, als Standard für die Erfassung von Metadaten im WWW gilt das Resource Description Framework (RDF vgl. w3.org/TR/WD-rdf-syntax.html). Semantisches Markup in Texten und die Metadaten zu Dokumenten können von Such- und Navigationswerkzeugen zur Informationsrecherche genutzt werden. XML-annotierte Texte gewinnen deshalb selbst dann an Wert, wenn sie die hypertextuellen und multimedialen Eigenschaften des WWW nicht nutzen, (vgl. Karben (1999), Kuffer (1999), Knorz/ Möhr (1999)). Zunächst wird XML sicher den Trend verstärken, das WWW als Verteiler von Kopien gedruckter Zeitungsbeiträge zu nutzen. Entsprechende Publikationssoftware vorausgesetzt, ist dies nur noch ein geringer Mehraufwand. Das ist nicht per se schlecht, denn in vielen Situationen sind Rezipienten auch dann mit Online-Zeitungen gut bedient, wenn die interaktiven und nicht-linearen Eigenschaften des Mediums nicht genutzt werden, z.B. wenn es auf Aktualität ankommt, wenn möglichst viele Informationen zu einem Thema benötigt werden, oder während eines Auslandsaufenthaltes, bei dem man über das heimische Geschehen informiert bleiben möchte. XML verbessert aber auch die Gestaltungsmöglichkeiten für diejenigen, die eine Online-Zeitung als Alternative zur gedruckten Zeitung verstehen und mediengerechte Online-Beiträge schreiben möchten. Insbesondere das für Hypertext zentrale Konzept des Links soll durch die XML Linking and Adressing Languages (Xpath, Xpointer und Xlink) beträchtlich erweitert werden, die Spezifikationen sind noch in der Diskussion (vgl. www.oasis-open.org/cover/xll.html). Hypertext-Autoren werden sich v.a. über die folgenden Neuerungen freuen: Links können typisiert werden, d.h. die Relation zwischen Linkursprung und Linkziel kann explizit als Eigenschaft eines Links spezifiziert werden. Es kann zwischen verschiedenen Modi der Anzeige des Zielmoduls (der Traversierung) gewählt werden. Derselbe Linkurspung lässt sich mit mehreren Linkzielen verknüpfen, zwischen denen der Nutzer dann wählen kann. Ein Linkziel muss nicht fest verdrahtet sein, sondern kann erst während des Rezeptionsvorgangs über eine bestimmte Vorschrift berechnet werden. Was dies für den Umgang mit Links bedeutet, wird in Abschnitt 4.2. erläutert. XML fordert von den Anwendern mehr technisches Engagement als das einfach erlernbare HTML. Da HTML jedoch als eine von möglichen Instanzen von XML weiter unterstützt wird, wird es für den Hausgebrauch, als rascher Weg zur privaten Homepage, weiterhin erhalten bleiben. Für professionelle Zwecke werden XML-basierte Redaktionssysteme genutzt werden, die die Journalisten durch spezielle Werkzeuge bei den neuen Aufgaben unterstützen: dem Modularisieren, dem Setzen von Links, der Auszeichnung Textsegmenten. Abbildung 1: Homepage eines Hypertextes zur Geschichte des Radios 3. Texten oder Hyper-Texten? Im Großen kann das WWW als weltumspannendes Hypertextnetz gesehen werden. Im Kleinen lassen sich zwei Typen von WWW-Dokumenten unterscheiden (vgl. auch Storrer 1999a, 38f): − Linear organisierte schriftliche Texte, oft elektronische Pendants von Printtexten, die um Hyperlinks und/oder um semantisches Markup angereichert sind. Ich spreche im Folgenden von E-Texten. − Kollektionen von multimedialen Info-Modulen zu einem Thema, die durch Links miteinander verknüpft und für die selektive Lektüre aufbereitet sind. Ich bezeichne sie im Folgenden als Hypertexte. Wer fürs WWW textet, muss also nicht Hyper-Texten und tatsächlich wird das Potential von Hypertext für die Zeitungsgestaltung bislang wenig genutzt (vgl. die Untersuchung in Wagner (1998)). Wie bereits erwähnt hat auch ein mit semantischen Markierungen versehener linearer E-Text einen Mehrwert gegenüber dem gedruckten Pendant, v.a. für die inhaltliche Erschließung, die elektronische Archivierung und Wiederverwertung von Zeitungsbeiträgen. Es wird vielleicht gerade die richtige Mischung von E-Texten und Hypertexten sein, die in Zukunft die gute Online-Zeitungen ausmacht. Ob ein Thema als E-Text oder als Hypertext aufgearbeitet wird, hängt ab von der journalistischen Zielsetzung, der Art des Themas, der Zeit, die für die Aufbereitung zur Verfügung steht. Hypertexte sind aufwändiger zu erstellen, eignen sich deshalb eher für Themen von langfristigem und breitem Interesse. Die für Hypertext typische Collagetechnik bietet sich an für Themen, die sich gut in Teilthemen aufspalten lassen, die unter verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden können, die kontrovers diskutiert werden und zu denen interessantes Bild-, Ton- und Videomaterial vorliegt. Wichtig ist, sich der Konsequenzen seiner Entscheidung bewusst zu sein: Längerere E-Texte werden im Allgemeinen ausgedruckt und auf Papier gelesen, sie sollten deshalb nicht nur auf dem Bildschirm, sondern auch auf Papier gut aussehen. In Zeiten von HTML wurde deshalb empfohlen, einen Text in zwei Versionen anzubieten, eine für den Bildschirm und eine für den Ausdruck (vgl. Lynch/ Horton (1997). XML erlaubt es künftig, für dasselbe Dokument eine papier- und eine bildschirmgerechte Darstellungsform zu spezifizieren, ohne dass dieses weiter bearbeitet werden müsste. E-Text und Hypertext sind also kein Gegensatzpaar, sondern lassen sich kombinieren. E-Texte können als Module in Hypertexte eingebaut werden, die in gedruckter Form rezipiert werden, als Lektüre zwischendrin oder im Anschluss an eine WWW-Sitzung. Der Wechsel zwischen Print- und Online-Lektüre ist kein Bruch mit dem Hypertext-Prinzip, sondern erhöht dessen Mehrwertpotential Hypertexte im engeren Sinne lassen sich allerdings nur am Bildschirm rezipieren: Erst die Browser-Software stellt die Werkzeuge bereit, um das Netzwerk von Modulen und Links auf eigenen Lesewegen zu durchstreifen, Tondateien abzuhören, Videosequenzen abzupielen, Chaträume zu betreten und sich an Nutzerumfragen zu beteiligen. Hyper-Texten heißt deshalb, für den Bildschirm schreiben, für Rezipienten, die mit der Maus oder dem Trackball in der Hand vor dem Monitor sitzen und die diversen Interaktions-Angebote nutzen. In 3.1. finden sich einige Grundregeln der bildschirmgerechten Textgestaltung. Hypertexte gibt es im WWW in zweierlei Form: − Hypertexte mit einer festen Anzahl von Modulen, die zwar durch Links ins weltweite Netz angebunden sind, in sich aber ein abgeschlossenes, statisches Produkt darstellen (geschlossener Hypertext). − Hypertexte, deren Rubriken und Module sich jedoch in ständigem Auf- und Umbau befinden und die typischerweise „offene Enden“ haben, an denen auch die Benutzer weiter weben können (offener Hypertext). Journalistisch besonders interessant ist die offene Form. Sie erlaubt es, Hypertexte zu laufenden Ereignisse oder zu aktuellen Streitfragen über eine unbestimmte Zeitspanne hinweg im Gespräch zu halten. Die Module können dabei laufend aktualisiert werden, neue Module und Links zum Thema können dazu kommen, das Thema kann von den Lesern kommentiert und diskutiert werden. Dadurch entsteht ein Hypertext, der nicht einmal durchlaufen, sondern mehrfach besucht wird, um es mit der üblichen Metapher auszudrücken. Es lohnt, immer mal wieder auf der Homepage vorbeizuschauen, sich nach Neuigkeiten zum Thema zu erkundigen und mit der Redaktion oder anderen Lesern darüber zu kommunizieren. Ein offener Hypertext ist also kein einmal zu erstellendes Produkt, sondern erfordert kontinuierliche Pflege. Was dies für den Autor bedeutet, ist in 3.2. skizziert. Abbildung 2: ZEIT-Online: Homepage der Rubrik Bildung und Wissen 3.1. Für den Bildschirm schreiben Die Rezeption schriftlicher Texte auf dem Bildschirm ist langsamer und ermüdender als auf Papier. Nutzerstudien (vgl. Morkes/ Nielsen (1997), Morkes/ Nielsen (1998)) haben ergeben, dass Textmodule von den meisten Nutzern nicht Wort für Wort gelesen werden. Die Nutzer suchen vielmehr den Text nach Kernaussagen und Schlüsselwörtern ab, die für ihren aktuellen Informationsbedarf relevant sind, eine Rezeptionsform, die als „Scannen“ bezeichnet wird. Dieser Rezeptionsform sollte man bei der Textgestaltung Rechnung tragen. Empfohlen wird eine schnörkellose Sprache mit kurzen Sätzen. Schachtelkonstruktionen, Schmuck- und Füllwörter sowie Silbenschleppzüge sind zu vermeiden. „We can learn from newspapers“ – dieses Statement eines WWW-Schreibratgebers (Bricklin (o.J.)) zeigt, dass die Veränderungen weniger die Journalisten als die Autoren aus dem akademischen Umfeld betreffen. Wer die Prinzipien für verständliches, attraktives und flüssiges journalisitisches Schreiben beherzigt (z.B. Blum/ Bucher (1998, 48ff), Schneider/ Raue (1998, 181ff)), ist auch für die Gestaltung von Hypertext-Modulen auf dem richtigen Weg. Auch wenn die Empfehlung, Texte für den Bildschirm um 50% zu kürzen, nicht stur befolgt werden sollte, erhöhen Kürze und Prägnanz sicherlich die Chance, dem scannenden Leser die Kerninformation zu übermitteln. „Keep it short or break it up“ lautet die Faustregel zur stringenten Themenabhandlung (Gahran 1998). In Hypertexten können thematische Nebengleise und Hintergrundinformation auf eigene Module ausgelagert und mit der Kerninformation verknüpft werden. Die Kürze der Formulierung muss deshalb nicht einher gehen mit einer Verkürzung der behandelten Inhalte, im Gegenteil: Ein Thema kann in beliebiger Informationstiefe dargeboten werden; nach dem Prinzip „detail on demand“ wählt dann jeder Nutzer den Grad der Detailliertheit selbst. Der scannende Leser am Bildschirm ist noch mehr als der eilige Überflieger der Printseite daran interessiert, die wichtigsten Informationen auf einen Blick erfassen zu können. Wichtige Orientierungsmarken sind typografisch hervorgehobene Schlüsselwörter und Kernsätze. Nach Nielsen et al. (1998) dürfen in Hypertext-Modulen dreimal soviel Elemente ausgezeichnet sein wie in gedruckten Texten. Fettdruck ist dabei das beste typografische Mittel, da unterstrichene Textpassagen im WWW als Hyperlinks gedeutet werden und Kursivdruck am Bildschirm schlecht lesbar ist. Weiter ist zu beachten, dass auch textuelle Links durch ihre Unterstreichung ins Auge springen und ebenfalls als Schlüsselwörter wahrgenommen werden. Wer dies vermeiden möchte, sollte seine Links an den Textrand oder ans Textende auslagern. Listen, Tabellen und Infografiken unterstützen den scannenden Leser optimal. Infografiken bekommen am Bildschirm eine neue Qualität als sensitive Grafiken (sog. image maps), deren Teile als Linkanzeiger fungieren. Die Nutzer können sich durch Aktivieren der Links ergänzende, erläuternde oder weiterführende Info-Module an den Bildschirm holen oder durch „zooming links“ (vgl. 4.3.3) die Detailschärfe einstellen. In ähnlicher Weise können auch Textsegmente in Listen oder Tabellen über Hyperlinks mit zusätzlichen Modulen verbunden sein. Die im Ansatz des Textdesign (Blum/ Bucher 1998) angelegte modulare Informationspräsentation wird im Hypertext zum dominanten Gestaltungsprinzip: Kleine Info-Module aus Text, Bild, Ton und Video sind durch Links verknüpft, die der Nutzer nach Bedarf und Interesse aktivieren kann. Im Idealfall behandelt ein Hypertext-Modul genau eine informationelle Einheit zum übergreifenden Thema, z.B. eine Meinung zu einem Streitpunkt, eine Frage aus einem Fragenkomplex, ein Faktum zu einer Person oder Sache. Da im WWW jede Datei neu geladen werden muss und die dabei entstehende Wartezeit die Kohärenzbildung behindert, wurde dieses Ideal bislang selten umgesetzt. Statt dessen sind oft mehrere informationelle Einheiten in einer Datei zusammengefasst. Modularisierung wird erreicht durch eine Untergliederung in Abschnitte. Nach dem Prinzip „One-idea-per-paragraph“ (Nielsen 1997) sollte jeder Abschnitt jedoch nur genau einen Aspekt, einen Gedanken, eine Teilfrage behandeln, mit Weißraum muss im digitalen Medium schließlich nicht gespart werden. Im Gegensatz zur Seite der Print-Zeitung, die beim Aufschlagen als Ganzes sichtbar wird, baut sich eine WWW-Seite von oben nach unten auf und dies u.U. ziemlich langsam. Um dem scannenden Leser möglichst rasch einen Überblick über den Inhalt zu geben, spielt die modulinterne Sequenzierung eine wichtige Rolle. Wer die zentrale Botschaft oben positioniert, kann den Leser auf das neugierig zu machen, was weiter unten kommt, wenn die Datei in Gänze geladen sein wird. Das Sequenzierungsprinzip der umgekehrten Pyramide – das Wichtigste zuerst, die Details später – wird vor diesem Hintergrund neu motiviert (vgl. Bricklin (o.J.), Nielsen (1996)). Werden mehrere informationelle Einheiten auf einem Modul kombiniert, sollte am Dateianfang eine Inhaltsübersicht erscheinen, mit Überschriften, die mit den einzelnen Abschnitten verlinkt sind. Für die Formulierung der Überschriften gelten dieselben Grundregeln wie für die Print-Zeitung: sie sollten informativ, verständlich, relevant, korrekt und attraktiv formuliert sein (vgl. Blum/ Bucher (1998, 30ff)). Wie in Inhaltsverzeichnissen haben die Überschriften die Funktion, dem Nutzer eine Vorabinformation über den Inhalt der informationellen Einheit zu geben, die ihn bei seiner Selektionsentscheidung leitet. Verständlichkeit und Relevanz sind deshalb im Zweifelsfall höher zu bewerten als sprachspielerische Formulierungen, deren Bedeutung erst durch das Textsegment selbst entschlüsselt werden kann. Da gerade Online-Zeitungen auf attraktive Verpackung nicht verzichten möchten, werden die Überschrift häufig um einen Vorspanntexten ergänzt, der die Vorabinformation zum Textinhalt enthält. Beispiele für dieses Verfahren finden sich auf der Homepage der Rubrik „Bildung und Wissen“ der ZEIT, die in Abbildungs 2 zu sehen ist. Abbildung 3: Stuttgarter Zeitung Online: Leserbrief-Forum zur Sonnenfinsternis 1999 In den Kommunikationsdiensten des Internet hat sich ein sprachlicher Duktus herausgebildet, dessen Regeln und Normen in der sog. Netikette festgehalten sind (vgl. Shea (1996), Storrer/ Waldenberger (1998)). Im quantitativen und qualitativen Medienvergleich (z.B. Feldweg/ Kibinger/ Thielen (1995), Günther/ Wyss (1996)) wurde eine Orientierung an der Mündlich- keit, an der Sprache der Nähe, an dialogischen Kommunikationsformen nachgewiesen. Dieser Duktus färbt auch auf die Gestaltung von WWW-Texten ab, z.B. durch direkte Ansprache, durch die Organisation von Texten als Frage-Antwort-Folgen und durch andere dialogische Muster. Schreibratgeber fürs WWW empfehlen eine konsequente Orientierung am Publikum („You-Orientation“ vgl. Pfaffenberger (1997, 232)), einen persönlicheren, direkteren und informelleren Duktus (vgl. Degener (1998)). Wer für eine Online-Zeitung schreibt, sollte sich mehr als im gedruckten Medium auch als Person präsentieren, mit der man in Kontakt treten kann, der mit den Nutzern ins Gespräch kommen und diese untereinander ins Gespräch bringen möchte. Meier (1999, 125f) weist darauf hin, dass sich dies nicht nur auf die Sprachgestaltung auswirkt. Die Nutzer von online-Zeitungen machen Gebrauch von den Kontaktmöglichkeiten und erwarten eine Antwort. Diese muss nicht unbedingt sprachlich ausgefeilt sein, sie muss aber schnell erfolgen. Eine WWW-Redaktion muss deshalb Zeit für Kontaktpflege mit den Nutzern einplanen. 3.2. Offene Hypertexte planen und pflegen Eine WWW-Site ist kein Produkt, das einmal aufgebaut und dann online verfügbar gemacht wird. Eine Site muss vielmehr in Bewegung bleiben, sich vergrößern und erneuern. Für eine Online-Reaktion bedeutet dies zweierlei: Sie sollte bei der Planung von Hypertexten Vernetzungs- und Erweiterungsmöglichkeiten vorsehen. Sie sollte bei der Zeitplanung berücksichtigen, dass auch relativ abgeschlossene, archivierte Hypertexte weiter der Pflege bedürfen. Das Merkmal der Offenheit von Hypertexten kann in Online-Zeitungen verschiedene Aspekte betreffen: − Leserbeteiligung: Die Verbindung von Information und Kommunikationsdiensten eröffnet viele neue Möglichkeiten, die Benutzer in die Zeitungsgestaltung mit einzubeziehen. Meier (1999, Kap. 6.2.) diskutiert sechs Formen der Leserbeteiligung: den themengebundenen oder freien Live-Chat, die leser- oder redaktionsgesteuerten Diskussionsforen, Gästebücher, Leserkommentare zu einzelnen Beiträgen, Email-Kommunikation zwischen Nutzern und Journalisten und das nutzergesteuerte „Ranking“, bei dem die Leser die Online-Beiträge bewerten. Wie und ob die einzelnen Möglichkeiten genutzt werden, muss jede Redaktion für sich entscheiden (vgl. Jakobs (1998)). Das in Abbildung 3 ausschnittsweise gezeigten Leser-Forum zur Sonnenfinsternis zeigt, wie Redakteure und Besucher miteinander ins Gespräch kommen können. Direkte Antworten auf Beiträge sind durch Einrückung gekennzeichnet, der ursprüngliche Beitrag – eine Anfrage, ein Tip etc. – steht zuoberst, so dass die Themenstränge (die sog. „threads“) nachvollziehbar bleiben. Diese Form der Leserbeteiligung nutzen inzwischen sehr viele Online-Zeitungen. − Aktualisierung: Ein neues oder verändertes Modul kann jederzeit ins WWW gestellt werden; theoretisch sind Online-Zeitungen also permanent aktualisierbar. Inwieweit von dieser Möglichkeit praktisch Gebrauch gemacht wird, hängt natürlich ab von der technischen und personellen Infrastruktur. Meier (1999, 83ff) unterscheidet zwischen willkürlicher, selbstgeschaffener und permanenter Aktualisierung als verschiedenen Typen von Periodizität, die sich kombinieren lassen. Eine beliebte Form der permanenten Aktualisierung ist der Nachrichtenticker. Die Periodizität, mit denen neue Beiträge in die Homepage gelinkt und andere archiviert werden, entspricht häufig dem Erscheinungsrhythmus des Printprodukts. Willkürliche Aktualisierung ist typisch für thematische Hypertexte, die über eine Zeitspanne hinweg um ein Thema herum aufgebaut werden. − Retrospektive Vernetzung: Der freie Zugang zu elektronischen Archiven ist eine zentraler Mehrwert von Online-Zeitungen aus Nutzersicht. Der Autor kann seinem Beitrag „historischen Tiefe“ geben, indem er ihn mit thematisch verwandten Beiträgen aus dem Archiv vernetzt. Der Nutzer kann auf diese Weise Entwicklungen in der Berichterstattung zu einem Thema über einen bestimmten Zeitraum hinweg verfolgen. − Externe Vernetzung: Journalisten können Module und Beiträge der eigenen Site nicht nur untereinander vernetzen. Sie können darüber hinaus aber auch externe Links zu anderen Sites legen. Dies ermöglicht es den Nutzern, eigene Recherchen anzustellen und sich beliebig detailliert und aus verschiedenen Blickwinkeln zu informieren. Die externen Links sollten jedoch deutlich als extern gekennzeichnet sein, damit dem Nutzer klar ist, dass das externe Modul nicht mehr zu dem von der Redaktion verantworteten Inhalten gehört (vgl. 4.3.1 und das Beispiel in Abbildung 6). Für den Nutzer sehr hilfreich, aber arbeitsaufwändig ist es, externe Links in ihrem Stellenwert und in ihrer Funktion durch den Umtext zu kommentieren. Die „Dossiers“ der Neuen Züricher Zeitung beispielsweise stellen eigene Beiträgen zu einem aktuellen Thema zusammen und verknüpfen diese mit Listen kommentierter externer Links. Abbildung 5 zeigt die Linkliste eines Dossiers zum KosovoKonflikt. Wichtig wird die Kommentierung vor allem dann, wenn im Zieldokument Meinungen geäußert sind, die von der Redaktion nicht geteilt werden. − Abbildung 4: Ausschnitt aus Jakob Nielsens Kolumne „Alertbox“ Online-Beiträge, die über offenene Enden verfügen, sind nie fertiggestellt. Sie müssen vielmehr nach ihrer Publikation im Netz, ja selbst nach ihrer Archivierung weiter betreut werden. Der Aufwand der Nach- und Weiterbearbeitung, die metaphorisch als Pflege oder Web-Gärtnern bezeichnet wird, ist unterschiedlich hoch. Diskussionsbeiträge der Leser untereinander können automatisch in Gästebücher oder Leserbriefecken integriert werden. Auch die Kontrolle externer Links läßt sich in Fällen von gelöschten oder umgezogenen Modulen gut automatisieren. Die Zielmodule sollten dennoch hin und wieder auch intellektuell auf inhaltliche Veränderungen, Aktualität und Relevanz überprüft werden. Dies ist v.a. wichtig, wenn externe Links semantisch typisiert oder durch Umtexte kommentiert sind. Ändert sich der Inhalt des externen Zielmoduls, kann es nötig werden, auch den Linktyp zu ändern bzw. den Kommentar umzuschreiben. Mehr Aufwand erfordert die Beantwortung von Emails an die WebRedakteure und Journalisten oder die Organisation thematischer Chats. Solange ein Hypertext noch nicht archiviert ist, sollte er regelmäßig aktualisiert und ergänzt werden, sei es durch weitere externe Links zum Thema, sei es durch eigene Beiträge und Hintergrundinformationen. Zugriffszahlen und Ranking-Ergebnisse können als Entscheidungshilfe dazu dienen, welchen Aufwand man weiter betreibt und wann man den Beitrag archiviert. Offene Hypertexte haben also eine zeitliche Dimension, die dem Leser transparent gemacht werden sollte. Wichtig ist die Angabe des Datums, an dem ein Hypertext bzw. ein Modul erstellt wurde; ebenso wichtig ist das Datum der letzten Änderung. Liegt kein bestimmter Aktualisierungturnus fest, sollte zumindest klar sein, ob das Modul überhaupt noch auf Aktualität überprüft wird oder ob es sich um ein „eingefrorenes“ Modul handelt. Web-Gärtnern kann sich übrigens gerade auch bei älteren Beiträgen lohnen. Während für das Printmedium gilt, dass nichts so alt ist wie die Zeitung von gestern, können im WWW Beiträge sogar umso häufiger aufgerufen werden, je älter sie sind. Dies liegt an der Art der Informationsverbreitung im WWW: Beiträge von hoher Qualität und thematischer Langlebigkeit werden über Linklisten und thematische Kataloge immer weiter verbreitet. Je mehr Links auf den Beitrag zulaufen, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass sie besucht werden. Andererseits gilt die Zahl der Links, die zu einem Modul oder einer Site laufen, als Qualitätsmaßstab für Redaktionen, die WWW-Kataloge wie Yahoo erstellen (vgl. Baumgärtel (1998)). Wenn ein älterer Beitrag noch häufig frequentiert wird, was sich ja im WWW durch Zugriffsstatistiken einfach ermitteln lässt, kann es auch lohnen, ihn mit zeitlich vorwärtsgewandten Links zu versehen, bzw. um aktuelle Entwicklungen zu ergänzen. Ein Beispiel hierfür ist Jakob Nielsens Kolumnenbeitrag „Top Ten Mistakes in Web Design“ von 1996, der im Erscheinungsjahr ca. 50000, im Folgejahr ca. 72000 und 1998 ca. 157 000 Zugriffe verzeichnete, obwohl sich gerade dieser Bereich enorm rasch entwickelt und verändert (Vgl. Nielsen (1998)). Abbildung 4 zeigt das Ende des Beitrags, in dem Nielsen auf einen aktuelleren Beitrag verweist, in dem die „Top Ten Mistakes“ aus der Sicht von 1999 noch einmal neu begutachtet werden. Die Nutzer werden also vom prominenten alten Beitrag zur aktualisierten Version geleitet. 4. Aufgaben und Strategien bei der Hypertext-Produktion Seit der klassischen Rhetorik werden Texte als Sequenzen von Textteilen, Textplanung als Planung eines Rezeptionswegs konzeptualisiert. In Hypertexten spielt Sequenzierung hingegen nur noch eine untergeordnete Rolle. Strategien der Planung und Ordnung von Hypertexten werden statt dessen häufig mit architektonischen Metaphern erklärt: Der Hypertext-Autor in seiner Rolle als Wissens-Architekt legt die tragenden Bauteile, meist auch ein hierarchisches Grundgerüst, fest und gibt dem Nutzer zu erkennen, wie die Bauteilen miteinander zusammenhängen, welche Funktion sie in Bezug auf das Ganze haben und wo sich der Nutzer selbst am weiteren Ausbau beteiligen kann. Er steht damit vor neue Aufgaben, für die Strategien und Entscheidungshilfen, eine Hypertext-Rhetorik, benötigt werden. Journalisten, die die Gestaltungsprinzipien für das Text-Design kennen, dürften mit einigen wichtigen Aufgaben bereits vertraut sein: Ein Informationskomplex zu einem Thema muss in kleinere informationelle Einheiten zerlegt werden (Modularisierung), die dann wiederum sinnvoll miteinander zu verknüpfen sind (Verknüpfung). Die Mittel und Voraussetzungen sind im elektronischen Medium jedoch anders als im gedruckten: Im Unterschied zu gedruckten Zeitungen präsentieren sich Hypertexte nicht auf physisch fassbaren Textträgern. Die Ganzheit muss vielmehr erst konstituiert und sichtbar gemacht werden. Einige Anregungen, wie dies zu bewerkstelligen ist, finden sich in 4.1.. Die Module stehen nicht in einem fest fixierten Cluster wie auf der gedruckten Zeitungsseite. Sie können vielmehr in verschiedensten Kontexten erscheinen und werden oft nicht von der Einstiegsseite her kommend sondern direkt von einer Suchmaschine aus aufgerufen. Module müssen deshalb so gestaltet sein, dass sie einerseits für sich verständlich sind (stand-alone), dass andererseits der Bezug zu einem übergreifenden Ganzen erkennbar bleibt. Um diese Aufgaben geht es in 4.2.. Das wichtigste neue Gestaltungs- und Strukturierungsmittel in Hypertexten ist der Hyperlink (im weiteren kurz: Link), mit dem die Module untereinander verknüpft sind. Was Links sind und wie man als Texter damit umgeht, wird in 4.3. behandelt. Beim Aufbau und der Planung von Hypertexten lassen sich unterscheiden: − Die Inhaltsebene, auf der die Semantik der Daten und deren mediale Realisierung beschrieben ist. − Die Präsentationsebene, die festgelegt, wie Daten oder Teile davon auf dem Bildschirm angezeigt werden − Die Interaktionsebene, die spezifiziert, was der Nutzer mit den am Bildschirm angezeigten Daten tun kann, welche Interaktionsmöglichkeiten bestehen. Der Journalist ist vornehmlich mit der Inhaltsebene befasst, während Präsentation und Interaktion vom Schnittstellen-Designer geplant, vom Programmierer umgesetzt werden. Nicht alle Aufgaben der Hypertexterstellung und –pflege müssen also von den Textern oder Texterinnen gelöst werden, schon gar nicht, wenn die Online-Redaktion über ein leistungsfähiges XML-basiertes Redaktionssystem verfügt. Ein Journalist sollte jedoch die Zusammenhänge zwischen den drei Ebenen kennen, da er, z.B. im Umgang mit Hyperlinks, auch deren Zusammenspiel berücksichtigen muss. Noch mehr als beim Textdesign in der gedruckten Zeitung ist für die Hypertext-Erstellung wichtig, dass sich Programmierer und Schnittstellen-Designer an einen Tisch setzen mit Textern, Grafikern, mit den Produzenten von Animationen und Videos. Zur Planung und Durchführung des gesamten Erstellungsprozesses gibt es bereits verschiedene Arbeiten (z.B. Gloor (1997), Böhle, et al. (1997), Heyer/ Wolff (1999)). Mir geht es im Folgenden vor allem um die Aufgaben, die die Textgestaltung betreffen. 4.1. Das Ganze konstituieren und sichtbar machen Gedruckte Zeitungen sind physisch greifbare Ganzheiten, die in jeder Ausgabe neue Beiträge enthalten. Sie verfügen über konventionalisierte Anordungs- und Gestaltungsmuster, die das Auffinden von Informationen erleichtern. Diese können zwar von einer Zeitung zur anderen variieren, dennoch bleiben genug Gemeinsamkeiten, damit sich auch neue Leser schnell orientieren können. Im WWW haben sich solche konventionalisierten Gestaltungsformen noch nicht herausgebildet. Im Gegenteil: Jede Online-Zeitung versucht, sich durch ein charakteristisches Design von anderen Sites abzuheben. Dies ist nicht nur Geschäftstaktik, sondern auch Notwendigkeit in einem Medium, in dem der Wechsel zwischen Sites gerade von Anfängern oft gar nicht bemerkt wird (vgl. die Studie von Bucher in diesem Band). Die Homepage, das konsistente Design, das identifizierende Logo, die Positionierung und Gestaltung der Navigationsleisten dienen wesentlich dazu, eine Site mit designerischen Mitteln als Ganzheit zu konstituieren (vgl. dazu v.a. Lynch/ Horton (1997)). Dies ist eine Aufgabe für die Interface-Designer; für die Texter liegen diese Aspekte meist schon fest. Das charakteristische Gestaltungskonzept und die Navigationsangebote bilden den Rahmen, innerhalb dessen er im Kleinen seine eigene Verknüpfungsstrategien entwickeln und transparent machen kann. Als Hilfe für den Erstbesucher kann zusätzlich eine sog. „guided tour“ angeboten werden, auf der die Be- nutzer mit den wichtigsten Rubriken, deren Funktion und den Interaktionsmöglichkeiten vertraut gemacht werden. Ein schlicht gestaltetes, aber funktional gut gemachtes Beispiel für eine solche Tour findet sich in der NZZ Online unter der Rubrik „Hilfe/Index“. Die kleineren Ganzheiten, die Online-Beiträge, drehen sich, wie gedruckte Beiträge auch, um ein Thema und lassen sich einer bestimmten Rubrik zuordnen. Durch Rubrizierung wird der Beitrag in der Site verankert. Das Thema, in einem weiten Sinne verstanden als der im Beitrag behandelte Redegegenstand, spielt für die Konstitution von Hypertexten eine tragende Rolle und ist auch eine wichtige Grundlage für die Orientierung der Nutzer. Als thematischer Kern von online-Beiträge kommt z.B. in Frage: − Ein Ereignisverlauf, über den fortlaufend aktuell berichtet wird, wobei es sich um ein Ereignis mit schematischem Verlauf (z.B. die Tour de France) handeln kann oder um eine Entwicklung mit unbestimmter Dauer und unvorhersehbarem Verlauf (z.B. die Krise im Kosovo). − Ein punktuelles Ereignis, das durch eine eigene Site vor- und nachbereitet wird, z.B. die Sonnenfinsternis 1999. − Eine Kontroverse in Politik und Gesellschaft, z.B. die Gesundheitsreform oder die Haltung der katholischen Kirche zum Schwangerschaftsabbruch. − Eine Person, die vorgestellt wird, entweder aus Anlass eines aktuelles Ereignisses (z.B. ein Portrait von Johannes Rau anlässlich seiner Wahl zum Bundespräsidenten) oder als Online-Portrait ohne aktuellen Bezug. − Eine Geschichte, d.h. ein abgeschlossener Ereignisverlauf, der journalistisch aufbereitet wird. Aus dem Typ des Themas ergibt sich, welche Module zur Kerninformation und welche zur Peripherie, zum Hintergrund, gehören. Die Art des Themas bestimmt auch die Strategien der Zerlegung und Verknüpfung sowie den Turnus der Aktualisierung. Beispielsweise lebt ein Hypertext zu einem laufenden Sportereignis wie der Tour de France vornehmlich von seiner Aktualität. Daneben sollte es dem Nutzer möglich sein, die zeitliche Entwicklung nachzuverfolgen, Hintergründe und Meinungen abzurufen und eigene Meinungen zu äußern. Ein Hypertext zu einer Kontroverse legt die perspektivische Zerlegung in befürwortende und ablehnende Meinungen und Argumente nahe (vgl. auch 4.3.3.). Wichtig sind v.a. offene Enden mit Leserbeteiligung mittels Diskussionsforen, Chats, Online-Umfragen etc. (vgl. 3.2.). Für Online-Reportagen und Online-Portraits sind Aktualität und Offenheit weniger bedeutsam. Sie sollten dafür die multimedialen Mehrwerte nutzen, d.h. neben Text auch Fotos, Ton- und Videodokumente zum Erzählen bzw. Portraitieren nutzen. Sie sind meist als relativ abgeschlossene Web-Packages konzipiert (vgl. die Beispiele in Meier (1999, 109ff)), die nach Bedarf als Hintergrundinformation mit Hypertexten zu Ereignissen und Ereignisverläufen verknüpft werden. Für Hypertexte sind im Kleinen dieselben Aufgaben zu lösen wie für Sites im Großen: Der Umfang und die Struktur des Ganzen sowie die Zugriffsmöglichkeiten auf die Bestandteile müssen dem Besucher erst sichtbar gemacht werden. Hierzu dient insbesondere die Homepage des Hypertextes (vgl. (Bucher 1999), Meier (1999, 67f), Storrer (1999b)). Sie fungiert als Einstieg, Wegweiser und als Dreh- und Angelpunkt beim Herumstöbern im Informationsangebot. Homepages müssen attraktiv und anregend gestaltet sein und verschiedene Zugriffswege zu den Informationen anbieten. Regelmäßige Besucher sollten schnell zu Neuigkeiten und Aktualisierungen hingeführt werden. Email-Adressen der Journalisten, LeserbriefFunktionen und Diskussionen zum Beitrag sollten über direkte Links verfügbar sein. Bei umfangreichen Hypertexten können zusätzlich Module mit grafischen Übersichten (sog. Web views) über die Struktur angeboten werden. Die XML-basierte Technologie wird künftig die automatische Generierung solcher Übersichten auf der Grundlage von Metadaten und semantischer Auszeichnung erleichtern. 4.2. Die Bestandteile zum Ganzen in Bezug setzen Wenn bislang von Info-Modulen die Rede war, blieb es offen, ob es sich hierbei um Einheiten der Inhaltsebene oder der Präsentionsebene handelt. Die Frage nach den Bestandteilen eines Hypertextes erfordert jedoch eine Differenzierung: Was der Texter auf Inhaltsebene als Modul festlegt, kann auf der Präsenationsebene nur Teil einer Bildschirmeinheit sein. Die Frames in HTML sind ein Beispiel dafür, dass eine Seite aus mehren Flächen mit unterschiedlichen Modulen zusammengesetzt sein kann. Auch jetzt ist es schon möglich, Seiten erst auf Anfrage aus in Datenbanken gespeicherten Einzelbauteilen zusammenzusetzen. In der auf XML basierenden WWW-Technologie wird dies weiter erleichtert und gefördert. Es macht deshalb Sinn, das Modul als Einheit der Inhaltsebene von der Seite als Einheit der Präsentationsebene auch terminologisch zu unterscheiden. Der Texter gestaltet die Module und plant gemeinsam mit dem Schnittstellengestalter, wie sie auf den Bildschirm präsentiert werden. In diesem Zusammenspiel müssen zwei Aufgaben gelöst werden: Die Funktion der Module im Kontext des Hypertextes bzw. der Site sollte erkennbar sein (-> 4.2.1.). Die Module sollten inhaltlich-thematisch kategorisiert sein, um das Auffinden der Module durch Such- und Navigationswerkzeuge zu erleichtern (-> 4.2.2.). Abbildung 5: Kommentierte externe Links in der NZZ-Online 4.2.1. Kontextualisierung und Identifikation von Modulen auf Seiten Nach der 10. GVU Nutzerumfrage (GVU-10 1988) kommen fast ebenso viele Nutzer über Suchmaschinen auf eine Site wie über Hyperlinks. In den wenigsten Fällen „landen“ sie dabei auf der Homepage, also der Seite, die für den Einstieg konzipiert wurde. Sie können vielmehr auf beliebige Seiten eines Hypertextes gelangen. Aus diesem Grund muss jede Seite im Web für sich stehen können. Die Eigenschaft „stand-alone“, wie sie die Stilratgeber fordern (z.B. Lynch/ Horton (1997), Pfaffenberger (1997)), heißt jedoch nicht, dass der Inhalt ohne Bezug auf das übergreifende Ganze interpretierbar sein soll. Vielmehr muss die funktionale und thematische Zugehörigkeit zu größeren Einheiten deutlich erkennbar sein. Als Minimalanforderung gilt deshalb, dass von jeder Seite aus Links zum Einstieg ins übergreifende Ganze führen, also zur Homepage des Hypertextes bzw. zur Homepage der zugehörigen Site. Ebenso wichtig sind das Datum der Erstellung bzw. der letzten Änderung und die Angabe des Autors bzw. eines für den Textinhalt Verantwortlichen. Wenn sich der Beitrag einer gedruckten Ausgabe zuordnen läßt, sollte auch diese vermerkt sein. Meist werden diese identifizierenden Angaben automatisch erfasst und angezeigt, müssen also nicht vom Autor selbst hinzugefügt werden. Ein viel benutztes Mittel zur Kontextualisierung der Seiten sind standortsensitive Navigationsleisten: Diese zeigen die wichtigsten Rubriken an und markieren die Rubrik, zu der die aktuelle Seite gehört. In Abbildung 5 zeigt die farbliche Hervorhebung der Rubrik „Dossiers“ in der linken sitebezogenen Navigationsleiste, dass das Modul zu einem Dossier gehört. Die oben angezeigte Navigationsleiste führt dann zu rubriken-internen Einstiegspunkten: zur Homepage des zur Seite gehörigen Dossiers, zur Liste der momentan weiter gepflegten Dossiers und zur Liste der bereits archivierten Dossiers. In Abbildung 2 zeigt der Drehknopf oben rechts, dass das Modul zur Rubrik „Bildung&Wissen“ der „ZEIT Online“ gehört. Im OnlineJournal Telepolis (vgl. Abbildung 6) wird die aktuelle Rubrik durch Pfeile markiert. Der Entwurf und die Gestaltung der Navigationsmittel ist Aufgabe des Interface-Designers. Zu den Aufgaben des Texters gehört es, das im Modul behandelte Teilthema sprachlich in Bezug zum übergreifenden Thema zu setzen und dem Nutzer durch Links sinnvolle Angebote für die Weiterreise zu machen. Je schneller der von außen kommende Nutzer erkennt, wo er ist, worum es geht und wo er weitere Module zum Thema findet, desto höher ist die Chance, ihn zum weiteren Durchstöbern des Angebots zu motivieren. Wichtige Mittel hierzu sind prägnante Überschriften und die Hervorhebung von Schlüsselwörtern. Andere relevante Faktoren sind die Art und Anzahl der thematischen Links und die Qualität der Linkexplikation (vgl. 4.3.1.). 4.2.2. Inhaltlich-thematische Kategorisierung von Modulen Die in Online-Zeitungen angebotene Informationstiefe und –breite kann erst dann voll ausgeschöpft werden, wenn der Selektionsprozess durch Retrievalsoftware unterstützt wird. Diese wiederum ist umso treffsicherer, je mehr Informationen zu den Modulen verfügbar sind, z.B. über die semantische Auszeichnung von Texte und/oder die Erfassung von Metadaten (vgl. Knorz/ Möhr (1999)). Die inhaltlich-thematische Kategorisierung von Modulen erlaubt es, Sitemaps zu generieren, die die thematische Nähe zum aktuell rezipierten Modul visualisieren. Sie unterstützt weiterhin Formen der individuellen Nachrichtenzustellung, bei der ein Nutzer nicht mehr selbst im Internet recherchiert, sondern aufgrund von Themen- und Interessensvorgaben in bestimmtem Turnus über Email zugeschickt bekommen (vgl. Meier (1999, 92ff)). In Hypertexten lassen sich Module zum thematischen Kern abgrenzen von Modulen mit verschiedenen Typen von Hintergrundinformation. Man kann differenzieren zwischen faktenorientierten Modulen und meinungsorientierten Modulen, zwischen Modulen, die von der Redaktion geschrieben wurden und solchen, die Meinungen und Beiträge von Lesern enthalten. Welche Unterscheidungen gemacht werden und wie fein die Kategorisierung sein soll, wird sicherlich abhängen von der Zielsetzung und dem Umfang einer Online-Zeitung, evtl. von den Vorgaben eines Redaktionssystems. 4.3. Die Bezüge zwischen den Bestandteilen sichtbar machen Hyperlinks halten die Bestandteile des WWW im Großen und die darin verankerten Sites und Hypertexte im Kleinen zusammen. Das Konzept der Links wird häufig über das Konzept des Verweises erläutert, wie es aus gedruckten alphabetischen Nachschlagewerken bekannt ist (vgl. Blumenthal, et al. (1988)). Tatsächlich haben Links und Verweise manches gemeinsam: Sie haben einen Ursprung und ein Ziel, an dem weitere Informationen zu den am Ursprung behandelten Inhalten zu finden sind. Sie haben für den Rezipienten Angebotscharakter, d.h. sie können, müssen aber nicht verfolgt werden. Nicht zuletzt können sowohl Verweise als auch Links ins Leere laufen, d.h. auf ein Ziel zeigen, das nicht oder nicht mehr auffindbar ist. Die Analogie sollte aber nicht zwei wichtige Unterschiede zwischen Links und Verweisen verdecken: - Links sind notwendig: Man kann sich gedruckte Nachschlagewerke ohne Verweise vorstellen, Hypertexte ohne Links sind undenkbar. Dies gilt besonders für navigatorische Links, die zu den jeweils zentralen Dreh- und Angelpunkten der zugehörigen Site führen. „Waisen” (orphan pages) nennt man Module, die nicht durch Links an Homepages oder andere zentrale Knotenpunkte angebunden sind. Sie bleiben ohne Bezug zu einem übergreifenden Ganzen und werden auch nicht gefunden. Aber auch thematische Links sind für den Hypertext-Autor ein unverzichtbares Mittel zur Strukturierung von Sites, zur Rezipientenführung und zur Aufmerksamkeitssteuerung. - Links sind appellativ: Bei Hyperlinks ist die Verweisverfolgung automatisiert, das Linkziel muss also weder selbst erschlossen noch durch Hin- und Herblättern aufgefunden werden. Ein Link kann durch einen einfachen Mausklick schnell aktiviert werden, was die Wahrscheinlichkeit der Verweisverfolgung erhöht. Linkanzeiger besitzen eine stark appellative Kraft für den Nutzer, der vor dem Monitor sitzt und diesen mit der Maus in der Hand auf mögliche Absprungstellen erkundet. Beim Umgang mit Links sind Aufgaben auf allen drei Ebenen der Hypertextmodellierung zu lösen (vgl. auch Bucher (1999, 22ff)): − auf der Inhaltsebene ist zu spezifizieren, welcher Aspekt des Linkursprungs in welcher Relation zu welchem Aspekt des Linkziels steht (Typisierung). − auf der Interaktionsebene ist festzulegen, auf welche Art der Link aktiviert werden kann (Aktivierung) und auf welche Weise das Zielmodul am Bildschirm sichtbar gemacht wird (Traversierung) − auf der Präsentationsebene ist festzulegen, wie die Links als solche erkennbar gemacht werden (Link-Kennzeichnung) und wie dem Nutzer die Art des Linkziels und der Linktyp deutlich gemacht werden kann (Link-Explikation). Die Aufgaben sind nicht unabhängig voneinander: Wenn Links auf der Inhaltsebene semantisch typisiert sind, kann der Typ des Links auf der Präsentationsebene automatisch in einem Etikett eingeblendet und damit zur Link-Explikation genutzt werden. Verschiedene Typen von Links können auf der Präsentationsebene durch eine charakteristische Form voneinander unterschieden werden, z.B. könnten interne und externe Links in verschiedenen Farben oder Schriftschnitten erscheinen. Für jeden Linktyp kann auf der Interaktionsebene ein geeigneter Traversierungsmodus festgelegt werde. Für die in Kuhlen (1991, 16) angegeben Modi der Traversierung, die ersetzende, die parallele und die eingebettete Anzeige, lassen sich z.B. folgende Strategien angeben - Bei der eingebetteten Anzeige wird das Linkziel entweder an der Stelle des Linkanzeiger in das Dokument eingefügt oder in einem kleinen pop-up-Fenster über den Linkursprung gelegt. Der Modus bietet sich an für kleine Zusatzinformationen, die dem Rezipienten behilflich sein können, die im aktuellen Aufmerksamkeitsbereich stehende Textpassage bes- ser zu verstehen, also z.B. für Definitionen zu Fachausdrücken, für erklärende und illustrierende Bilder, für Beispiele, die einen Argumentationsverlauf stützen, für Fußnoten und Literaturangaben. - Bei der parallelen Anzeige werden Linkursprung und Linkziel nebeneinander auf dem Bildschirm sichtbar. Der Modus bietet sich an, wenn der Vergleich zweier Module Verständnis und Erkenntnis fördert; also z.B. Links zwischen Pro- und Kontra-Argumenten zu einer strittigen Position oder Links zwischen Modulen, in denen zwei Stadien eines Ereignisses miteinander verglichen werden. − Bei der ersetzenden Anzeige wird der Linkursprung vollständig durch das Linkziel ersetzt. Der Modus bieten sich an, wenn das Zielmodul relativ groß ist oder wenn der Rezipient das aktuelle Modul für unbestimmte Zeit nicht mehr benötigt. Sie eignen sich für navigatorische Links oder für thematische Links in Linksammlungen, die als eine Art Web-Bibliographie genau dazu gedacht sind, den Rezipienten zu interessanten Dokumenten zu einem Thema zu führen und ihn dort ungestört weiterstöbern zu lassen. Da bei der ersetzenden Anzeige das Ausgangs-Modul verlassen wird, ist die Explikation des Linkziels besonders wichtig. Abbildung 6: Beitrag mit externem Quellen-Link im Online-Journal TELEPOLIS 4.3.1. Link-Kennzeichnung und Link-Explikation in HTML Die Gestaltungsmöglichkeiten für Links sind in HTML gegenüber ausgereiften Hypertextsystemen sehr eingeschränkt. Funktion und Semantik von Links können nicht explizit kodiert werden. Der Modus der Traversierung läßt sich nur bedingt kontrollieren. Links sind grund- sätzlich unidirektional und können einen Linkurspung nur mit genau einem Linkziel verknüpfen. Module und Links sind keine gleichrangigen Objekttypen, die direkt verändert, hinzugefügt und gelöscht werden können. Links sind in HTML vielmehr Teile von Dokumenten und müssen als solche in jedem Dokument einzeln bearbeitet werden. Aufbau und die Pflege von Links in großen Hypertexten wird damit zu einem mühsamen Geschäft. Die Tatsache, dass Links nicht typisiert werden können, erschwert die Aufgabe der Linkkennzeichnung und Linkexplikation. Dies ist ein Problem, das auch den Texter betrifft, und zwar dann, wenn es sich um textuelle Linkanzeiger (sog. Aktionswörter) handelt, die in den laufenden Text eingebunden sind. Zunächst zur Linkkennzeichnung: In HTML werden Aktionswörter vom Browser durch farbliche und typografische Eigenschaften kenntlich gemacht. Die ersten Browsergenerationen kennzeichneten Linkanzeiger durch blaue Einfärbung und Unterstreichung. Es wurde dabei farblich unterschieden zwischen Links, die ein Nutzer innerhalb eines bestimmten Zeitraums schon verfolgt hat, und solchen, die in diesem Zeitraum nicht aktiviert wurden. Inzwischen können Typografie und Farbe beeinflusst werden, und zwar sowohl vom Autor (über HTML-Kodierung) als auch von den Nutzern (über Browsereinstellungen). Der Preis für diese Wahlmöglichkeiten auf beiden Seiten besteht darin, dass Aktionswörter unsichtbar werden, wenn der Autor sie durch eine Farbe kennzeichnet, die der Nutzer für seinen Seitenhintergrund gewählt hat. Von blauen Hintergrundfarben oder der weißen Einfärbung von Links ist deshalb abzuraten. Neben der Unterscheidung von bereits verfolgten und noch nicht verfolgten Links bietet HTML keine Möglichkeit, verschiedene Präsentationen für unterschiedliche Typen von Links festzulegen. Die wichtige Unterscheidung von internen und externen Links beispielsweise musste bislang über eingefügte Grafiken verdeutlicht werden. Vorbildlich war in dieser Hinsicht von jeher das Online-Journal „Telepolis“, das alle externe Links durch ein Pfeilsymbol markiert (vgl. Abbildung 6). In Ermangelung von Linktypen in HTML musste die Link-Explikation lange Zeit vom Linkträger selbst geleistet werden. Aktionswörter in einem laufenden Text haben in diesem Fall eine dreifache Funktion: Sie tragen erstens in regulärer Weise zur Textbedeutung bei. Sie fungieren zweitens als Schaltflächen, die per Mausklick aktiviert werden können, um das Linkziel auf den Bildschirm zu holen. Sie müssen, unterstützt von dem sie umgebenden Kontext, dem Nutzer eine möglichst genaue Vorabinformation darüber geben, wie das Linkziel beschaffen ist, welche Beziehung hinter der Verknüpfung steckt und was das Linkziel zum aktuell rezipierten Modul beiträgt. Viele Aktionswörter sind mit dieser „Dreifachbelastung“ überfordert, verleiten zu falschen Erwartungen oder bleiben vage. In sog. Hyperfiction-Anwendungen, in denen künstlerisch mit dem neuen Medium gespielt wird, mag dies ein stilistischer Effekt sein, der beim Nutzer auf Entdeckungsfreude und Spass an Überraschungseffekten setzt. Für den Nutzer einer Online-Zeitungen mit einem konkreten Informationsziel vor Augen ist jede Zusatzinformation über die Art des Linkziels und die dahinterstehende Beziehung hilfreich. Im WWW ist dies besonders wichtig, da es u.U. relativ lange dauert, bis das Linkziel am Bildschirm erscheint und die Relevanz des Links abgeschätzt werden kann. Eine Möglichkeit, um Linkanzeiger von der Aufgabe der Linkexplikation zu entlasten, sind Link-Etiketten. Die vom Autor zu beschriftenden Etiketten werden angezeigt, wenn der Nutzer mit dem Mauszeiger über den grafischen Linkanzeiger oder eine sensitive Stelle in einer „image map“ fährt. In Abbildung 1 kann der Nutzer aus dem Link-Etikett erfahren, dass die Abbildung des Volksempfängers ein Linkträger ist, der zu den Modulen des Hypertextes führt, die die Geschichte des Radios zur NS-Zeit 1933-45 behandeln. Lange Zeit konnten nur die grafischen Linkanzeiger etikettiert werden, inzwischen lassen sich auch in HTML auch textuelle Linkträger etikettieren. Bislang wird von dieser Möglichkeit jedoch noch kaum Gebrauch gemacht. 4.3.2. Typisierung von Links in XLink Die Vorschläge der XML Linking and Adressing Languages (Xlink vgl. www.oasisopen.org/cover/xll.html), erweitern die Ausdruckskraft von Links erheblich. Zunächst werden einfache Links (simple links), zu denen auch die aus HTML bekannten Links zu rechnen sind, unterschieden von erweiterten Links (extended links). St.Laurent (1998, 284f) charakterisiert die Unterschiede zwischen den beiden Typen recht treffend als „I am here – click to go there“ für den einfachen Link und als „I am one part of a set – treat me as such and explore“ für den erweiterten Link. Erweiterte Links können einen Linkursprung mit verschiedenen Linkzielen verbinden. Auf diese Weise können verschiedene Module zu einem Linkmuster zusammengebunden werden, das dann beispielsweise in einem Auswahlmenü auf dem Bildschirm erscheint. Aber auch die einfachen Links in Xlink lassen sich wesentlich feiner als bisher in ihren Eigenschaften beschreiben. Der Vorschlag sieht sowohl eine Typisierung von Links (link role), als auch eine Typisierung der Linkziele (content role) vor. Beide sind für Programme gedacht, die festlegen, wie sich ein Typ auf der Inhaltsebene und auf der Präsentations- und Interaktionsebene verhält. Hierfür bietet Xlink zwei neue Optionen: Erstens kann man zwischen drei Arten der Traversierung wählen („embed“, „replace“ und „new“). Zweitens lässt sich festlegen, ob die Aktivierung des Links vom Nutzer ausgeht, oder ob sie unter Vorgabe bestimmter Systemparameter automatisch erfolgt. Zur Link-Explikation für den menschlichen Endnutzer können sowohl die Links selbst (link title) als auch das Linkziel (content title) etikettiert werden. Typisierung und Etikettierung können, wenn sie richtig eingesetzt werden, die Semantik des Links und des Linkziel auf der Präsentationsebene sehr detailliert beschreiben und die Zielgenauigkeit der Navigation deutlich verbessern. 4.3.3. Linktypen und Linkmuster für Online-Zeitungen Wie geht man nun mit dieser neuen Möglichkeiten um, konkreter gefragt: was sind geeignete Linktypen und Linkmuster für Online-Zeitungen? Zu dieser Frage kann es zum aktuellen Zeitpunkt noch keine endgültigen Antworten geben; mit den neuen Gestaltungsformen muss erst noch experimentiert werden. Linktypen und Linkmuster aus gelungenen Hypertexten können für ähnlich gestrickte Anwendungen wieder verwendet werden; auf diese Weise werden sich mit der Zeit neue journalistische Darstellungsformen etablieren. Allerdings muss man auch nicht ganz von vorn beginnen. Erstens gibt es in der Hypertextliteratur bereits verschiedene Vorschläge zur textsortenübergreifenden Typisierung von Links (z.B. Horn (1989, 42ff), DeRose (1989), Parunak (1991), Kuhlen (1991, 102ff) und Hammwöhner/ Kuhlen (1994)), aus denen im Folgenden ein paar grundlegende Kategorien kurz erläutert werden. Zweitens können die Linktypen und Linkmuster auf Zerlegungs- und Verknüpfungsstrategien zurückgreifen, die Blum/Bucher (1998) für das Textdesign im gedruckten Medium entwickelt haben (vgl. auch Bucher (1999) und Bucher (in diesem Band)). Einige auf diesen Ansatz aufsetzende Anregungen zur Strukturierung hypertextueller Online-Beiträge schließen meinen Beitrag ab. Eine geläufige Kategorisierung von Links ist die nach der relativen Position des Linkziels. Interne Links verknüpfen Module derselben Site miteinander, externe Links führen aus der Site heraus. Interne Links können weiter unterteilt werden in intratextuelle Links, die verschiedene Teile desselben Dokuments miteinander verbinden, und intertextuelle Links zwischen verschiedenen Modulen desselben Hypertextes (vgl. Kuhlen (1991, 107)). Links können entweder ganze Module (nodes) miteinander verknüpfen oder bestimmte Teile von Modulen (points). Entsprechend lassen sich Links einteilen in node-to-node-Links, node-to-pointLinks, point-to-node-Links und point-to-point-Links. Eine weitere Unterscheidung ist die zwischen statischen Links, die fest mit einem oder mehreren Linkzielen verdrahtet sind, und dy- namischen Links, deren Ziel beim Aufruf des Moduls oder sogar erst beim Aktivieren des Links nach bestimmten Vorschriften generiert werden. Auf der funktional-operationalen Ebene lassen sich Links einteilen in navigatorische Links, die vornehmlich dazu dienen, von einem inhaltsbezogenen Modul zu einem strukturbezogenen Modul (einer Homepage oder einer grafischen Strukturübersicht) zu gelangen, und thematische Links, die inhaltsbezogene Module untereinander verknüpfen. Die thematischen Links können bezüglich ihrer Funktion und Semantik näher spezifiziert werden. Welche und wieviele Linktypen unterstützt werden, hängt ab von der Funktion und dem Thema des Hypertextes. Link-Inventare für deskriptive Texte wurden auf der Grundlage der Rhetorical Structure Theory (Mann/ Thompson (1988)) entwickelt; Anwendungen dazu finden sich in Hammwöhner (1990, 21f), Storrer (1997) und Lobin (1999). Inventare von Linktypen für narrative Texte können auf die Kategorien der sog. Geschichtengrammatiken (vgl. z.B. Thorndyke (1972)) zurückgreifen. Für argumentative Texte wurden bereits Linktypologien auf der Basis der Argumentationstheorie von Toulmin (1976) eingesetzt (vgl. z.B. Streitz, et al. (1989)). Linktypen und Linkmuster für Hypertext-Beiträge in Online-Zeitungen können auf der Basis der Zerlegungsstrategien und Anordnungsmuster in Blum/ Bucher (1998, 25f, 43f und 86) entwickelt werden. Die thematische Zerlegung eines globalen Themas in kleinere Teilthemen entspricht einer Verknüpfung der Module durch Teil-Ganzes-Relationen zu einer Themenhierarchie, in der auf verschiedene Weise navigiert werden kann: − Die vertikale Navigation, das „Zooming“ (vgl. Hahn, et al. (1990, 214)), führt von einer Homepage, einer „Web view“ oder einer Zusammenfassung ausgehend, zu den Modulen, in denen Teilaspekte des Thema im Detail abgehandelt sind. Im Gegensatz zur gedruckten Zeitung kann die Hierarchie beliebig tief sein, kann ständig ausgebaut und aktualisiert werden und neben eigenen Modulen auch Module anderer Sites durch externe Hyperlinks einbinden. − Die horizontale Navigation basiert dann auf den Links, die Module quer zum hierarchischen Grundgerüst miteinander verknüpfen. Sie können typisiert werden nach ihrer Funktion – z.B. Erläuterung, Vertiefung, Veranschaulichung, Beispiel – und nach ihrer Relevanz für das Globalthema, z.B. thematischer Kern, flankierender Beitrag. Journalistisch interessant sind v.a. Quellen-Links, die eine Aussage in einem Bericht oder Kommentar mit dem Dokument verbinden, auf dem die Aussage oder Bewertung beruht und damit dem Nutzer die Möglichkeit geben, sich ein eigenes Urteil zu bilden. Der externe Link in Abbildung 6 führt beispielsweise zu dem Dokument, aus dem im Text zitiert wird. − Die topografische Navigation kann unterstützt werden für Themen, deren Struktur sich durch eine Landkarte (im geografischen oder im übertragenen Sinn) visualisieren läßt. − In offenen Hypertexten sollte über die Themenhierarchie auch eine zeitliche Strukturierung der Module nach ihrer Aktualität gelegt werden, die eine chronologische Navigation er- möglicht. Hypertexte, die sich um eine Kontroverse drehen, lassen sich sehr gut nach dem Prinzip der perspektivischen Zerlegung organisieren: Von einem Module ausgehend, auf dem die Streitfrage kurz erörtert wird, können Pro- und Kontra-Links zu Beiträgen führen, die von der Redaktion, von Interviewpartnern oder aber von den Lesern durch E-mail-Beiträge verfaßt sind. Eine feinkörnigere Zerlegung könnte die von Toulmin (1976) vorgeschlagenen Kategorien (z.B. Daten („data), Behauptung („claim“), Argumentationsbasis („backing“)) heranziehen, mit der man die Binnenstruktur von Argumentationen beschreiben kann. Die perspektivische und die thematische Strukturierung lassen sich kombinieren, indem ein komplexer Streitpunkt, z.B. die Diskussion um die Gesundheitsreform, in verschiedene Einzelfragen unter- gliedert wird, die dann wieder aus unterschiedlicher Perspektive diskutiert werden. Auch hier ist eine darüberliegende zeitliche Sortierung wertvoll, mit der sich der Verlauf einer Diskussion verfolgen läßt. Die Arbeit mit Linktypen und Linkmustern muss sicherlich, um für das tägliche Zeitungsgeschäft überhaupt praktikabel zu sein, durch XML-basierte Redaktionssysteme unterstützt werden. Damit diese jedoch den kreativen Umgang mit dem neuen Medium nicht durch starre Vorgaben einengen, ist es wichtig, dass die Journalisten an der Festlegung von Zerlegungsund Verknüpfungsmustern beteiligt sind. Diese können zum aktuellen Zeitpunkt ohnehin nicht auf dem Reißbrett entworfen und fest verdrahtet werden. Vielmehr sollte ein System es ermöglichen, die Muster erfolgreicher Hypertexte als wiederverwendbare Schemata abzuspeichern und für ähnliche Themen neu zu nutzen. Und der Erfolg eines Hypertextes, dies gehört zu den großen Vorteilen des Online-Mediums, lässt sich über Zugriffszahlen sehr gut messen. 5. 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