Artikelgebrauch Anmerkungen zur Semiotik Semiotik (auch Zeichenlehre) ist eine wissenschaftliche Disziplin, die sich mit Zeichensystemen aller Art beschäftigt. In der strukturalistischen Linguistik wird jedes sprachliche Zeichen bilateral betrachtet. Es besteht aus zwei Teilen: → Der Signifikant ist die lautliche bzw. schriftliche Form des Zeichens; Der Signifikant bezieht sich auf das Signifikat → Das Signifikat (oder der Referent) ist das außersprachliche Konzept, das mentale Bild von einem Zeichen → Nehmen wir das sprachliche Zeichen Hund, ist die Folge von Buchstaben H u n d und ihre lautliche Realisierung [hʊnt] der Signifikant, die Vorstellung von einem Hund ist das Signifikat (der Referent). (Für mehr detaillierte Erklärung sucht nach Semiotik und strukturalistischer Linguistik.) Regeln für Artikelgebrauch Eine Nominalphrase wird fast immer durch einen Artikel determiniert. Bei der Entscheidung, welche Kategorie der Artikel in der Nominalphrase zu benutzen ist, spielt der Referent eine entscheidende Rolle. 1. Ist der Referent ein Unikum? Unika sind Referenten, die in einem Kontext einmalig (unik) sind. Im Kontext unserer Realität sind typische Unika z.B. das Internet, die Erde, die Sonne, die Welt, der Teufel… Falls der Referent unik ist, benutzt man einen bestimmten Artikel. → z.B.: „Datenschutz im Internet bezeichnet die Anwendung des Datenschutzes bei über das Internet übertragenen Daten.“ → z.B.: „Die Sonne ist der erdnächste und am besten erforschte Stern.“ 2. Ist der Referent ein Spezifikum? Die Spezifizität des Referenten ist beim Artikelgebrauch sehr wichtig. → z.B.: „Ich will einen Bruder.“ In diesem Fall ist der Referent unspezifisch. Die Spezifizität des Referenten kann man mit der Partikel irgend testen. Die Partikel irgend betont die nicht-Spezifizität des Referenten. Wenn es semantisch möglich ist, die Partikel irgend vor den unbestimmten Artikel zu stellen, ist der Referent unspezifisch: „Ich will irgendeinen Bruder.“ → z.B.: „Ich habe einen Bruder.“ In diesem Fall ist der Referent spezifisch. Das Hinzufügen der Partikel irgend führt zu einem semantisch abweichenden Satz: „Ich habe *irgendeinen Bruder.“ Wenn der Referent spezifisch ist, kommt die Ersterwähnung in Frage. Erwähnt man einen spezifischen Referenten zum ersten Mal, benutzt man den unbestimmten Artikel. Bei allen weiteren Erwähnungen desselben Referenten benutzt man den bestimmten Artikel (Anapher). → z.B.: „Es war einmal ein Mann und eine Frau, die wünschten sich schon lange vergeblich ein Kind, endlich machte sich die Frau Hoffnung, der liebe Gott werde ihren Wunsch erfüllen.“ (Brüder Grimm, Rapunzel) 3. Ist der Referent ein Generikum? Generika entstehen durch Abstraktion gemeinsamer Merkmale einer Gruppe von Referenten derselben Klasse. Wenn man Nomina in einem Kontext generisch benutzt, stellt man die gemeinsamen Merkmale aller typischen Referenten jenes Nomens in den Vordergrund. Generika benötigen einen bestimmten Artikel, auch wenn der generische Referent immer unspezifisch ist. → z.B.: „Jedes Wochenende fährt Hans mit dem Bus nach Hause.“ Es ist unbekannt mit welchem spezifischen Bus Hans nach Hause fährt, wichtig ist, dass er für seine Heimfahrt als Verkehrsmittel Bus benutzt – der Referent ist unspezifisch, das Wort Bus wird in diesem Kontext generisch verwendet. → z.B.: „Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung.“ Kaiser Wilhelm II. hat höchstwahrscheinlich an kein spezifisches Pferd gedacht, sondern an das Konzept des Pferdes, an die Qualitäten, die die typischen Pferde aufweisen im Kontrast zu den Qualitäten eines typischen Automobils. Topic drop und V2-Regel topic: das (kontextuell) bereits Bekannte Topic drop: Ellipse des topikalisierten pronominalen Objekts bzw. Subjekts vor V2 V2-Regel: Das Verb steht im Hauptsatz an der zweiten Stelle, auch bei Topic drop Deutsch Bairisch V2: Ich weiß das. I woas dés. V2 + topic drop: Ich weiß Ø. I woas Ø. V2, invers: Das weiß ich. Dés woas=i. + topic drop: Ø Weiß ich. Ø Woas=i. Bairisch: Personalpronomina und ihre klitischen Formen Sg. Pl. 1 i, =i mia, =ma 2 informell du, =st és, =s formell Si, =S 3 general ma, =ma sé, =s maskulin éa, =a feminin sé, =s neutrum as/is, =s (auch proklitisch: s=) Das linguistische Zeichen = für Klitika wird im Deutschen durch ein Apostroph ’ ersetzt.