% Die Dominanz des Anderen und die - Analytik der Macht jtfefrsche und »Die Ordnung des Diskurses« (1971) pas bereits erwähnte Interview mit Paolo Caruso aus dem gleichen Jahr, in dem die Archäologie des Wissens erschien, faßt die theoretischen Grundmotive. Foucaults prägnant Zusammen.1 Vom Strukturalismus, so Foucault, übernehme er dreierlei: erstens den »Gedanken des Verschwindens des Subjekts« (SdW, 24), weil dessen Erlebniswirklichkeit ganz den unbewußt determinierenden Strukturen unterworfen sei; zweitens den Gedanken der Auflösung des »Sinns«, verstanden als »unmittelbar gelebte Bedeutung« (SdW, 9), deren Analyse zu ersetzen sei durch die Analyse der unbe-\vußten Strukturen, die die »formalen Bedingungen des Erscheinens von Sinn« artikulieren (SdW, 8); und drittens den Gedanken der Auflösung von »Geschichte« im Sinne des Ideals einer »evolutiven, linearen Bewußtseinsge-schichte« (SdW, 14). Vom Strukturalismus unterscheide ihn jedoch, daß er nicht vorrangig nach jenen strukturalen Bedingungen des Erscheinens von Sinn frage, sondern vielmehr nach denen seiner Unterbrechung oder Veränderung. Es gehe ihm primär um die diskontinuierlichen, geschichtlichen Bedingungen unmittelbar gelebter Bedeutungen. Außerdem verabsolutiere der Strukturalismus das linguistische Modell und unterwerfe »Bedeutungen, die nicht eigentlich sprachlicher Natur sind«, dem »Modell der Sprache« (SdW, 9). Es ist 63 deutlich, daß Foucault hier die nicht-diskursiven Praktiken meint, die er in der Archäologie des Wissens den diskursk ven Praktiken gegenübergestellt hatte. Dies ist, zusammengenommen, der genaue Sinn der Behauptung, Foucault sei Post-Strukturali st. Es ist die These der Die Ordnung des Diskurses genannten Antrittsvorlesung Foucaults am College de France vorn 2. Dezember 1970 (Vordre du discours), daß der Diskurs! bzw. die diskursiven Praktiken nicht-diskursiven Bedingungen unterstehen: der Macht und dem Begehren. Eine ähnliche These hatte zwar bereits die Archäologie des Wissens (99f.) vertreten, doch nun wird das grundlegende! Bedingungsverhältnis dieses Buches geradezu auf den Kopf gestellt. Die Praktiken sind nicht von den (in der Archäologie noch autonomen) Diskursen abhängig, so heißt es nun, sondern diese hängen umgekehrt von jenen ab, von der Macht und dem Begehren. Foucault akzentuiert nun die bereits in der Archäologie beschriebene Materialität und Ereignishaftigkeit des Diskurses bzw. der Aussagen. Es ist das Ziel der Macht, die bedrohlichen Kräfte und Gefahren des Diskurses unter Kontrolle zu halten, »zu bändigen, sein unberechenbar Ereignishaftes zu bannen, seine schwere Materialität zu umgehen.« (OdDis, 7). In einer delikaten Umkehrung der bekannten These von Jacques Derrida, der abendländische Geist sei »logozentrisch«, behauptet Foucault, er sei im Gegenteil von einer tiefen »Logophobie« beherrscht, von einer »stumme(n) Angst, vor jenen Ereignissen, vor jener Masse von gesagten Dingen, vor dem Auftauchen all jener Aussagen, vor allem, was es da Gewalttätiges, Plötzliches, Kämpferisches, Ordnungsloses und Gefährliches gibt, vor jenem großen und unaufhörlichen Rauschen des Diskurses.« (OdDis, 35). 64 :. Aus Angst will die Macht den Diskurs bändigen, ver-fcnappen' kontrollieren und organisieren. Foucault zählt eine Reihe von Praktiken der Diskurskontrolle auf: den Ausschluß, das Verbot, die Tabuisierung von Themen, die "Ritualisierung von Redesituationen, die Entmündigung der Wahnsinnigen, die Grenzziehung zwischen wahr und falsch (bzw. dem, was jeweils für das eine oder das andere gehalten wird). Man sieht: Foucault kehrt zurück zur Domäne von Wahnsinn und Gesellschaft, zur Analyse sozialer Praktiken und zur Repressionstheorie dieses Buches. Weitere Praktiken der Diskurskontrolle sind der Kommentar, der den Zufall des Diskurses dem Spiel unendli-eher Wiederholung ein und desselben unterwirft, das Prinzip des Autors, das ihn der Identität eines Schöpfersubjekts unterwirft, die Disziplinen, die ihn in eine Vielfalt von Regelsystemen hineinzwängen wollen, und die Institutionen, in denen Wissen nach bestimmten Regeln erworben und verwaltet wird. Am Ende faßt Foucault die Praktiken der Diskurskontrolle zu vier Prinzipien zusammen, denen er die Gegenprinzipien seiner eigenen Philosophie gegenüberstellt: 1 Dem Prinzip »Schöpfung« kontrastiert das Gegenprinzip der Umkehrung: an die Stelle schöpferischer Instanzen treten die Ereignisse der Verknappung und Ausschliessung von Diskursen. 2. Dem Prinzip evolutionärer Einheit (verschiedener Zeiträume) kontrastiert das Gegenprinzip der Diskontinuität: die historischen Ereignisse vernetzen sich zu in sich vielfältigen, kontingenten und diskontinuierlichen »Serien«. 3. Dem Prinzip der Ursprünglichkeit kontrastiert das Gegenprinzip der Spezifität: an die Stelle einer ur- 65 sprünglichen Bedeutsamkeit der Welt tritt die spezifische Flegelhaftigkeit einer gewaltsamen Zurüstung des Seienden. 4. Dem Prinzip der Bedeutung kontrastiert das Gegenprinzip der Äußerlichkeit: an die Stelle diskursimmanenter: Bedeutungen treten die äußeren Möglichkeitsbedingun-5 gen der Diskurse. Bezeichnet das erste Gegenprinzip das Verfahren der Ufti tik (!), so verwendet Foucault in Beziehung auf die drer anderen Gegenprinzipien erstmals den Methodenbegriff, der seine Forschungen in den siebziger Jahren anleiten wird: die Genealogie. Wir sahen eben, wie Foucault an den Strukturalismus anknüpft und sich zugleich von ihm löst:; Die kritische Genealogie ersetzt die strukturalistische Prämisse zeitlos-invarianter, geschlossener Regelzusammenhänge durch die Annahme eines veränderlichen und offe~ nen »Spiels« vielfältiger und kontingenter Ereignisse. Die radikale Dezentrierung einheitlicher Strukturen zu einem offenen Spiel differentieller, d.h. in sich heterogener und diskontinuierlicher Beziehungen, gilt gemeinhin als Kennzeichen des Post- oder Neostrukturalismus2 — ja, der Begriff »Vielfalt« gilt darüber hinaus als Zauberwort der »Postmoderne« schlechthin.3 Wenn ich oben im Hinblick auf Wahnsinn und Gesellschaft von einer Genealogie repressiver Praktiken sprach, dann war diese Bezeichnung etwas voreilig. Foucault eignet sich Begriff und Verfahren der Genealogie erst in einer erneuten Auseinandersetzung mit Nietzsche gegen Ende der sechziger Jahre an. In dem 1971 erschienenen Aufsatz »Nietzsche, die Genealogie, die Historie« (SdW, 83ff.) stellt er der metaphysischen Theorie idealer, hinterweltlicher Ursprünge Nietzsches Genealogie der Herkünfte gegen- 66 fi I- ^{iber Der Genealoge geht von einer gegenwärtigen Pro-X'kjgmjage aus. die auch ihn umtreibt, und fragt zurück nach -