In diesem Büchlein ist aufgezeichnet ein Streit, dergestalt, daß einer, dessen Liebste gestorben ist, den Tod zur Rede stellt, woraufhin sich der Tod verantwortet. So bestreitet der Kläger jeweils ein Kapitel und der Tod das andere, bis zum Ende: insgesamt 34 Kapitel, in denen man eines feinsinnigen Gedichts Gewandtheit wohl findet. Der Ackermann beginnt seine Anklage so: DER ACKERMANN. Das 1. Kapitel Grimmiger Zerstörer aller Länder, schädlicher Verfolger aller Welt, grausamer Mörder aller Leute, Ihr Tod, Euch sei geflucht! Gott, Euer Schöpfer, hasse Euch, Unheils Auswuchs sei mit Euch, Unglück hause verheerend bei Euch, gänzlich entehrt seid immer! Angst, Not und Jammer verlassen Euch nicht, wo Ihr umgeht; Leid, Trübsal und Kummer, die geleiten Euch allenthalben; leidige Anklage, schandvolle Erwartung und peinigende Strafe, die bedrängen Euch heftig an jedem Ort! Himmel, Erde, Sonne, Mond, Gestirne, Meer, Gewoge, Berg, Gefilde, Täler, Auen, der Hölle Abgrund, auch alles, was Leben und Wesen hat, sei Euch feind, mißgünstig und verfluche Euch in alle Ewigkeit! In Schlechtigkeit geht unter, in jämmerlicher Unbehaustheit schwindet hin, und in der unwiderruflichen strengsten Achtung durch Gott, alle Menschen und sämtliche Geschöpfe haltet aus für alle Zukunft! Schamloser Bösewicht, Euer böses Angedenken lebe und dauere ohne Ende! Angst und Schrecken trennen sich von Euch nicht, Ihr seid, wo Ihr seid! Von mir und der Allgemeinheit sei über Euch wahrhaft Zeter geschrien mit gewundenen Händen! 2. und 3. Kapitel 9 DER TOD. Das 2. Kapitel Hört, hört, hört, neue Wunder! Grauenhafte und unerhörte Anklagen richten sich gegen uns. Von wem die kommen, das ist uns ganz unbekannt. Doch Drohen, Fluchen, Zeterschreien, Händewinden und alle Angriffe haben wir bislang allseits gut überstanden. Gleichwohl, mein Sohn, wer Du auch bist, gib Dich zu erkennen und tu kund, was für ein Leid Dir von uns widerfahren sei, um dessentwillen Du uns so ungebührlich behandelst, wie wir es von früher her kaum gewohnt sind, obwohl wir doch manchen beschlagenen, hochstehenden, ansehnlichen, mächtigen, wichtigen Leuten den Garaus gemacht haben, wodurch Witwen und Waisen, Ländern und Leuten Leid zur Genüge zugefügt wurde. Du tust ganz so, als ob es Dir ernst sei und Dich Not heftig bedränge. Deine Anklage ist ungeformt und ungereimt, woraus wir schließen, Du wollest um Form und Reimes willen Dein Ansinnen nicht entkräften. Bist Du aber tobsüchtig, rasend, betäubt oder sonstwie von Sinnen, so warte und halt ein und sei nicht zu schnell dabei, so heftig zu fluchen. Gib acht, daß Du nicht Sorgen Dir einhandelst durch späte Reue. Glaube nicht, daß Du unsere herrliche und gewaltige Macht jemals schwächen könntest. Gleichwohl, nenne Dich und verschweige nicht, inwiefern Dir von uns so drückende Gewalt entgegengebracht worden sei. Gerechtfertigt wollen wir werden, gerechtfertigt ist unser Tun. Wir wissen nicht, wessen Du uns so verwegen bezichtigst. DER ACKERMANN. Das 3. Kapitel Ich werde ein Ackermann genannt, vom Vogelkleid ist mein Pflug, ich wohne im Böhmerland. Haßerfüllt, widerborstig und widerstrebend werde ich Euch gegenüber immer sein, denn Ihr habt mir den zwölften Buchstaben, meiner Freuden Hort, aus dem Alphabet grausamst herausgerissen, Ihr 4. Kapitel 11 habt meines Glückes helle Sommerblume mir aus meines Herzens Anger schmerzlich ausgejätet, Ihr habt mir meines Heils Anker, meine auserwählte Turteltaube arglistig entwendet, Ihr habt nicht wiedergutzumachenden Raub an mir begangen. Beurteilt es selbst, ob ich nicht mit Recht zürne, wüte und klage. Von Euch bin ich eines freudenreichen Daseins beraubt, eines Tag für Tag erfüllten Lebens enteignet und allen beglückenden Ertrags verlustig gemacht worden. Froh und munter war ich früher zu jeder Stunde; kurz und angenehm waren mir allezeit Tag und Nacht, beide freuden-und genußreich in gleichem Maß; ein jedes Jahr war mir ein gnadenreiches Jahr. Nun heißt es: Kratz ab! Bei trübem Trank, auf dürrem Ast, betrübt, finster und zerstört sieche dahin und heule ohne Unterlaß! So jagt mich der Wind, ich treibe durch des wilden Meeres Fluten, die Sturzseen haben überhand genommen, mein Anker hält nirgends. Darum will ich ohne Ende schreien: Ihr Tod, Euch sei geflucht! DER TOD. Das 4. Kapitel Wunder nimmt uns ein so unerhörter Angriff, wie er uns noch nie begegnet ist. Bist Du ein Ackermann, zu Hause im Böhmerland, so dünkt uns, Du tust uns gewaltig unrecht, denn lange Zeit haben wir in Böhmen nichts Besonderes vollbracht, außer jetzt kürzlich in einer befestigten, schönen Stadt, auf einem Berg wehrhaft gelegen; der haben vier Buchstaben - der achtzehnte, der erste, der dritte und der dreiundzwanzigste - im Alphabet einen Namen geflochten. Da haben wir einer seligen Tochter unsere Gnade erwiesen; ihr Buchstabe war der zwölfte. Sie war ganz rechtschaffen und makellos, waren wir doch anwesend, als sie geboren wurde. Da schickte ihr Frau Ehre einen Prachtmantel und einen Ehrenkranz; die übergab ihr Frau Saide unzerrissen 5. Kapitel 13 und unbefleckt. Den Mantel und den Ehrenkranz brachte sie unversehrt mit sich bis in die Grube. Unser und ihr Zeuge ist der Erkenner aller Herzen. Bester Gesinnung, freundlich, treu, aufrichtig und überaus gütig war sie gegenüber allen Leuten. Wahrlich, eine so Zuverlässige und so Liebenswerte kam uns niemals in die Hände. Es sei denn diese, die Du meinst, sonst kennen wir niemand. DER ACKERMANN. Das 5. Kapitel Ja, Herr, ich war ihr Liebster, sie meine Aimee. Ihr habt sie hingerafft, meine süße Augenweide; sie ist fort, mein Schutzschild gegen Ungemach; weg ist meine nie irrende Wünschelrute. Hin ist hin! Da stehe ich armer Ackermann allein. Verschwunden ist mein heller Stern am Himmel, zur Ruhe gegangen ist meines Heils Sonne, auf geht sie niemals mehr. Nicht mehr auf geht mein strahlender Morgenstern, versunken ist sein Glanz; keinen Leidvertreib habe ich mehr, die finstere Nacht ist allenthalben vor meinen Augen. Ich glaube nicht, es gäbe etwas, das mir jemals wieder wahre Freude bringen könnte, denn meiner Freuden stolzes Bannerzeichen ist, ach, mir hingesunken. Zeter und Mordio sei geschrien aus Herzensgrund über das Jahr, über den verwünschten Tag und über die leidige Stunde, da mein fester, harter Diamant zerbrochen ist, da mein wahrer, richtungweisender Leitstab erbarmungslos mir aus den Händen gerissen wurde, da der Weg zu dem mein Heil erneuernden Jungbrunnen mir versperrt wurde. Ach ohne Ende, Weh ohne Unterlaß und Fall in unaufhörlichen Untergang sei Euch, Tod, zu Euerm eigensten Erbe gemacht! Schmachbefleckt, schandsüchtig, ehrlos und mißmutig sterbt, und in der Hölle verfault! Gott beraube Euch Eurer Macht und lasse Euch zu Staub zerfallen! Ohne Ende habt ein teuflisches Dasein! 6. Kapitel 15 DER TOD. Das 6. Kapitel Ein Fuchs gab einem schlafenden Löwen einen Backenstreich, darum wurde ihm sein Balg zerrissen. Ein Hase zwackte einen Wolf, noch heute ist er darum ohne Schwanz. Eine Katze krallte einen Hund, der gerade schlafen wollte, immer muß sie des Hundes Feindschaft ertragen. So willst auch Du Dich an uns reiben. Doch glauben wir: Knechte bleiben Knechte, Herren Herren. Wir wollen beweisen, daß wir recht urteilen, recht richten und recht handeln in der Welt, niemandes Adel schonen, großes Können nicht würdigen, keinerlei Schönheit beachten, Gabe, Liebe, Leid, Alter, Jugend und allerlei anderes nicht schätzen. Wir tun es wie die Sonne, die scheint über Gut und über Böse. Wir unterwerfen Gut und Böse unserer Gewalt. Alle die Meister, die die Geister zu beherrschen wissen, müssen uns ihren Geist überantworten und überlassen. Die Kobolde und die Zauberinnen können sich vor uns nicht retten; es hilft ihnen nichts, daß sie reiten auf Stöcken, daß sie reiten auf Böcken. Die Arzte, die den Menschen ihr Leben verlängern, müssen uns anheimfallen; Wurzeln, Kräuter, Salben und allerlei Apothekenpülverchen können ihnen nicht helfen. Sollten wir nur den Schmetterlingen und den Heuschrecken Rechenschaft ablegen über ihr Geschlecht, mit dieser Rechenschaft würden wir sie doch nicht zufriedenstellen. Ja, sollten wir gegen Bestechung, um Glückes oder um Unglückes willen die Leute leben lassen, die Kaisertümer der ganzen Welt wären nun unser, alle Könige hätten ihre Kronen auf unser Haupt gesetzt, ihre Zepter unserer Hand anvertraut, der päpstliche Stuhl samt Mitra wäre nun in unserer Gewalt. Laß es sein, Dein Gefluche, erzähle nicht vom Papstfelsen neue Märchen! Hau nicht nach oben, dann fallen Dir die Späne nicht in die Augen! 7. und 8. Kapitel 17 DER ACKERMANN. Das 7. Kapitel Könnte ich fluchen, könnte ich schelten, könnte ich Euch schmähen, auf daß es Euch mehr als schlecht erginge, das hättet Ihr in aller Erbärmlichkeit wohl von mir verdient. Wenn auf großes Leid große Klage zu folgen pflegt, so wäre ich ein Unmensch, würde ich einer so trefflichen Gottes -gäbe, die niemand denn Gott allein verleihen kann, nicht nachweinen. Wahrlich, trauern werde ich immer; entflogen ist mir mein ehrenreicher Falke, meine vortreffliche Frau. Mit Recht klage ich, denn sie war von hoher Geburt, ein reicher Sproß der Ehre und eine ihre Gefährtinnen überragende Person, aufrichtig und zurückhaltend im Wort, reinen Leibes, gut und fröhlich im Umgang. Ich schweige lieber, ich bin zu armselig, die ganze Ehre und Vortrefflichkeit, die Gott selbst ihr eingepflanzt hat, vollständig auszumalen. Herr Tod, Ihr solltet es selber wissen. Wegen eines so großen Kummers muß ich Euch rechtmäßig fordern. Wahrlich, wäre nur ein wenig Gutes in Euch, es würde Euch selber dauern. Ich will mich abwenden von Euch, nichts Gutes sagen, mit all meiner Kraft will ich Euch ewig zuwider sein. Alles, was die göttliche Schöpfung ziert, möge mir beistehen, Euch entgegenzuwirken! Euch hasse alles, was da ist im Himmel, auf Erden und in der Hölle! - DER TOD. Das 8. Kapitel Des Himmels Thron den guten Geistern, der Hölle Grund den bösen, irdische Länder hat Gott uns zum Erbteil gegeben. Dem Himmel Friede und Lohn gemäß guten Taten, der Hölle Pein und Strafe gemäß Sünden, der Erde Kloß und des Meeres Strom mit allem, was sie enthalten, hat uns der mächtige Herrscher aller Welt anbefohlen, auf daß wir alles Uberflüssige ausroden und ausjäten. Streng Deinen Kopf an, dummer Mensch, denk nach und grab mit des 9. Kapitel 19 Geistes Grabstichel in die Vernunft, so findest Du: Hätten wir seit des ersten, lehmgebatzten Mannes Zeit die Vermehrung und Ausbreitung der Menschen auf der Erde, der Tiere und des Kriechzeugs in der Wüste und im Unterholz, der schuppentragenden und schlüpfrigen Fische im Wasser nicht ausgemerzt, vor kleinen Mücken könnte sich jetzt niemand retten, vor Wölfen wagte sich niemand hinaus. Auffressen würde ein Menschenkind das andere, ein Tier das andere, ein jeder belebte Körper den anderen, denn an Nahrung würde es ihnen gebrechen, die Erde würde ihnen zu eng. Dumm ist, wer da die Sterblichen beweint. Laß sein! Die Lebenden mit den Lebenden, die Toten mit den Toten, wie es bisher gewesen ist. Bedenke genauer, Dummkopf, worüber du klagen mußt! DER ACKERMANN. Das 9. Kapitel Unwiderruflich meinen höchsten Schatz habe ich verloren. Soll ich da nicht traurig sein und verzweifelt? Verzweifelt muß ich bis an mein Ende ausharren, entledigt aller Freuden. Der gütige Gott, der mächtige Herr, räche mich an Euch, böser Trauerbringer! Enteignet habt ihr mich allen Glücks, beraubt erfüllten Lebens, entwöhnt großer Ehre. Große Ehre hätte ich, wenn nicht die Gute, die Reine dort, Herr, ihre Schuld bezahlte mit ihren Kindern, den in reinem Nest geborenen. Tot ist die Henne, die da ausbrütete solche Küken. O Gott, gewaltiger Herr! Was für ein Anblick bot sich mir, wenn sie so voller Anstand einherging und alle Ehrsamkeit zu pflegen verstand und die Menschen, sie liebevoll betrachtend, sagten: Dank, Lob und Ehre habe die Zarte, ihr und ihren Nestlingen gewähre Gott alles Gute! Wüßte ich dafür Gott recht zu danken, wahrlich, ich täte es mit vollem Recht. Welchen armseligen Mann hat er schon so reichlich beschenkt? Man sage, was man wolle: Wen Gott mit einer reinen, anständigen und schönen Frau begabt - 10. Kapitel 21 diese Gabe heißt Gabe und ist auch eine Gabe mehr als jede irdische, äußerliche Gabe. O allermächtigster Himmelsgraf, welche Wohltat ist dem geschehen, den du mit einem reinen, makellosen Gemahl vermählt hast! Freue dich, ehrbarer Mann, einer reinen Frau, freue dich, reine Frau, eines ehrbaren Mannes. Gott gebe euch Freude beiden. Was weiß davon ein Dummkopf, der aus diesem Jungbrunnen nicht getrunken hat? Obschon mich ein drückender Kummer erfaßt hat, danke ich dennoch Gott von Herzen, daß ich die unberührte Tochter erkannt habe. Euch, übler Tod, Feind aller Menschen, gelte der Haß Gottes in alle Ewigkeit! DER TOD. Das 10. Kapitel Du hast nicht aus der Weisheit Brunnen getrunken, das merke ich an Deinen Worten. In das Wirken der Natur hast Du nicht geschaut; in die Mischung weltlicher Dinge hast Du nicht gelugt; in irdisches Wechselspiel hast Du nicht geguckt; ein unverständiges Hündlein bist Du. Schau, wie die entzückenden Rosen und die starkduftenden Lilien in dem Garten, wie die kräftigenden Kräuter und die herzerfrischenden Blumen in den Auen, wie die feststehenden Felsen und die hochgewachsenen Bäume in wildem Gefilde, wie die kraftstrotzenden Bären und die übermächtigen Löwen in unheimlichen Ödländern, wie die riesenhaften starken Recken, die gewandten, außerordentlichen, hochgelehrten und zu allerlei Meisterschaft fähigen Leute und wie alle irdischen Kreaturen, wie geschickt, wie lebenslustig, wie stark sie auch sind, wie lang sie sich behaupten, wie lang sie es treiben, zunichte werden und vergehen müssen allenthalben. Und wenn nun alle Menschengeschlechter, die gewesen sind oder noch werden, vom Sein zum Nicht-Sein kommen müssen, welchen Vorzug sollte die Angetraute, die Du beweinst, besitzen, daß es ihr nicht ergehe wie allen andern 11. Kapitel 23 und allen andern wie ihr? Du selber wirst uns nicht entkommen, wie wenig Du das jetzt auch erwartest. »Alle hinterdrein«, muß jeder von Euch sagen. Deine Klage ist umsonst, sie hilft Dir nicht, sie kommt aus stumpfem Sinn. DER ACKERMANN. Das 11. Kapitel < rott, der mich und Euch in seiner Gewalt hat, traue ich wohl zu, mich vor Euch zu beschützen und wegen der besagten Schandtat, die Ihr an mir begangen habt, in aller Strenge an Euch zu rächen. Gaukelhaftes stellt Ihr mir vor, Falsches bringt Ihr mir dar und wollt mir mein ungeheures Sinnenleid, Vernunftleid und Herzensleid aus den Augen, ms dem Sinn und aus dem Gemüt schlagen. Ihr schafft es nicht, denn ich trauere um das schmerzlich Verlorene, das ich niemals wiedergewinnen kann. Gegen alles Weh und l) ngemach meine heilende Arznei, Gottes Dienerin, meines Willens Vollbringerin, meines Leibes Pflegerin, meines An-sehens und ihres Ansehens tägliche und nächtliche Beschützerin war sie unermüdlich. Was ihr anvertraut wurde, das wurde von ihr ganz, rein und unbeschädigt, oft sogar vermehrt zurückgebracht. Ehre, Anstand, Reinheit, Milde, Treue, Besonnenheit, Fürsorge und Umsicht lebten stets an ihrem Hof. Die Scham hielt ihr stets den Ehrenspiegel vor Augen. Gott war ihr gütiger Schirmherr. Er war auch mir gütig und gnädig um ihretwillen. Heil, Glück und Gelingen •■landen mir bei um ihretwillen. Das hatte sie vor Gott erworben und verdient, der reine Haussegen. Gnädigen Lohn und Sold gebe ihr der gütige Belohner aller treuen Söldner. Allererhabenster Herr, sei ihr gnädig, denn ich selbst kann ihr nichts mehr wünschen. Ach, ach, ach, schamloser Mörder, Herr Tod, übler Lasterbalg, der Henker sei Euer Richter und binde Euch mit den Worten »vergib mir« in seine Folterwiege! 12. Kapitel 25 DER TOD. Das 12. Kapitel Konntest Du richtig messen, wägen, zählen oder dichten, ms hohlem Kopfe ließest Du nicht eine solche Rede. Du Milchst und bittest ohne schickliche Form und ohne Notwendigkeit. Was bringt solche Eselei? Wir haben vorhin gesagt: Was beschlagen, hochstehend, ehrenvoll, fruchtbar, tüchtig ist, ja alles, was lebt, muß von unserer Hand abhanden kommen. Dennoch führst Du große Reden und bell, mptest, all Dein Glück sei in Deiner reinen, braven Frau yylogen. Soll Deiner Ansicht nach das Glück in den Frauen liegen, so wollen wir Dir raten, daß Du bei diesem Glück Ucibst. Paß aber auf, daß es nicht zum Unglück gerate! Sag ums: als Du damals Deine gepriesene Frau nahmst, fandest I >n sie brav oder machtest Du sie erst brav? Fandest Du sie brav, so suche mit Verstand: Du wirst noch zahlreiche reine, brave Frauen auf Erden finden, von denen Dir eine zur I lief rau werden mag. Hast Du sie aber brav gemacht, so freue Dich: Du bist der lebendige Meister, der noch eine brave Frau heranziehen und formen kann. Ich sage Dir aber noch ein anderes: Je mehr Glück Dir zuteil wird, desto mehr Unglück widerfährt Dir. Hättest Du früher auf Glück verzichtet, so wärest Du jetzt vom Unglück befreit. Je größer das Glück, das Du kennenlernst, desto größer das Unglück* Glück zu entbehren. Weib, Kind, Schatz und alles irdische Gut muß ein bißchen Freude am Anfang und mehr Leid am Ende bringen. Alles irdische Glück muß zu Unglück werden. Unglück ist des Glückes Ende, der Freude rinde ist Trauer, nach Lust muß Unlust kommen, des Wol-lons Ende ist Widerwille. Auf ein solches Ziel bewegt sich alles Lebendige hin. Lerne Deine Lektion besser, willst Du von Schlauheit gackern! 13. Kapitel 27 DER ACKERMANN. Das 13. Kapitel Aul Schaden folgt Spott - das erfahren die Betrübten stän-dig. So geschieht es auch mir geschädigtem Mann durch I iich. Des Glücks entwöhnt, an Unglück gewöhnt habt Ihr mich. Solange Gott will, muß ich das von Euch erdulden. 1 )och, wie beschränkt ich auch bin, wie wenig ich auch bei kundigen Meistern Weisheit aufgesogen habe, so weiß ich doch, daß Ihr meines Ansehens Räuber, meines Glücks I >icb, meiner schönen Zeit Stehler, meiner Lust Vernichter und all dessen, was mir lustvoll das Leben und vielverspre-i hend gemacht hat, Zerstörer seid. Worüber soll ich mich nun noch freuen? Wo soll ich nun Trost suchen? Wohin soll ich nun Zuflucht nehmen? Wo soll ich eine Heilstätte finden? Wo soll ich aufrichtigen Rat holen? Hin ist hin! All meine Freude ist mir vor der Zeit verschwunden, zu früh ist sie mir entglitten; allzu schnell habt Ihr sie mir entrissen, die Treue, die Treffliche, indem Ihr mich zum Witwer und meine Kinder zu Waisen so gnadenlos gemacht habt. Verstoßen, einsam und verzweifelt bleibe ich, von Euch nicht entschädigt; Entschädigung vermochte ich von Euch nach einer großen Untat noch nie zu bekommen. Wie steht es damit, Herr Tod, Brecher aller Ehen? Von Euch kann niemand Gutes erlangen; nach einem Verbrechen wollt Ihr niemandem Genüge tun, niemanden wollt Ihr entschädigen. Ich stelle fest, Mitleid hat bei Euch keinen Platz. Fluchen eid Ihr gewöhnt, gnadenlos seid Ihr ohne Ausnahme. Doch eben solche Wohltaten, wie Ihr sie den Leuten erweist, sol-che Gnade, wie sie den Leuten von Euch zuteil wird, solche Belohnung, wie Ihr sie den Leuten gebt, solches Ende, wie Ihr es den Leuten antut, schicke Euch der, der die Gewalt hat über Leben und Tod! Fürst himmlischer Heerscharen, entschädige mich für den ungeheuren Verlust, den riesigen Schaden, die unselige Trübsal und die schmerzliche Verwaisung! Zugleich räche mich an dem Erzschuft Tod, Gott, aller Untaten Rächer! 14. Kapitel 29 DER TOD. Das 14. Kapitel Nutzlos geplappert! Besser geschwiegen als dumm geschwätzt! Nach dummer Rede Streit, nach Streit Feindschaft, nach Feindschaft Kampf, nach Kampf Verletzung, nach Verletzung Schmerz, nach Schmerz späte Reue - so muß es jeder Wirrkopf erfahren. Streit suchst Du mit uns. I )u klagst, daß wir Leid zugefügt haben Deiner ach so gu-tcn Frau! Ihr sind Güte und Gnade erwiesen worden. In blühender Jugend, in prächtiger Verfassung, in besten Ta-l'.cn, in bester Achtung, zur besten Zeit, in unbeschädigtem Ansehen haben wir sie in unserer Gnade aufgenommen. I >as haben gelobt, das haben erstrebt alle Philosophen, denn sie meinten: Am besten ist es zu sterben, wenn am besten zu leben. Nicht gut gestorben ist, wer das Sterben ersehnt hat. Zu lange gelebt hat, wer uns ums Ende angefleht hat. Jammer und Verdruß dem, der die Bürden des Alters aufgeladen bekommt; mit all seinem Reichtum ist er arm dran. Im Jahr, da die Himmelfahrt offen war, an des Hirn-melspförtners Kettenfeiertag, als man zählte vom Anfang der Welt 6599 Jahre, bei eines Kindes Geburt, da ließen wir die selige Dulderin dieses flüchtige Exil verlassen, mit der Absicht, daß sie zu Gottes Erbe, in ewige Freude, in immerwährendes Leben und zu unendlicher Ruhe, wie sie es wohl verdient hat, gnadenvoll kommen möge. Wie sehr Du uns auch feind bist, wir wollen Dir wünschen und gönnen, daß Deine Seele mit der ihren dort in der himmlischen Wohnung, Dein Leib mit ihrem Gebein hier in der irdischen Gruft vereint sein möge. Bürge wollten wir sein, daß Du ihrer Güte teilhaftig würdest. Schweig, halt ein! Sowenig Du der Sonne ihr Licht, dem Mond seine Kälte, dem Feuer seine Hitze, dem Wasser seine Nässe nehmen kannst, sowenig kannst Du uns unserer Macht berauben. 15. Kapitel 31 DER ACKERMANN. Das 15. Kapitel beschönigender Ausrede bedarf der Schuldige wohl. So .uich Ihr. Süß und sauer, sanft und hart, freundlich tadelnd zeigt Ihr Euch gewöhnlich denen, die Ihr zu betrügen hofft. 1 )as ist an mir sichtbar geworden, wie gut Ihr Euch herauszureden versteht. Doch weiß ich, daß ich die Ehrenvolle, (ianzschöne Eurer übergroßen Ungnade wegen schmerzlich entbehren muß. Auch weiß ich wohl, daß zu solcher (iewalt außer Gott und Euch niemand mächtig ist. Also, von Gott werde ich nicht so sehr gepeinigt: Hätte ich gegen (rott gefehlt, was leider oft vorgekommen ist, so hätte er es an mir gerächt oder es hätte die Unwandelbare an mir gutgemacht. Ihr seid der Übeltäter! Deshalb wüßte ich gerne, wer Ihr wäret, was Ihr wäret, wo Ihr wäret, woher Ihr wäret, zu was Ihr gut wäret, daß Ihr so viel Macht habt und ohne Fehdeansage mich so belangt, meinen lustvollen An-^cr verödet, meinen starken Turm untergraben und gefällt habt. O Gott, aller betrübten Herzen Tröster, tröste mich und entschädige mich armen, betrübten, verstoßenen, auf sich selbst verwiesenen Mann! Uberzieh, Herr, mit Plage, entferne wieder, leg in Fesseln und vernichte den gräßlichen Tod, der Dein und unser aller Feind ist! Herr, in Deiner Schöpfung ist nichts Gräßlicheres, nichts Schrecklicheres, nichts Bittereres, nichts Ungerechteres als der Tod. Er trübt und stört Dir Deine ganze irdische Herrschaft. Eher das Brauchbare als das Unbrauchbare nimmt er fort; schädliche, alte, kranke, unnütze Leute läßt er oft hier, die guten und nützlichen rafft er sämtlich hin. Richte, Herr, richte über den falschen Richter! 16. Kapitel 33 DER TOD. Das 16. Kapitel Was schlecht ist, das nennen gut, was gut ist, das nennen schlecht unsinnige Leute. Genau so machst es auch Du. Falscher Rechtsausübung bezichtigst Du uns, unrecht tust Du uns damit; darüber wollen wir Dich aufklären. Du fragst, wer wir sind. Wir sind Gottes Hand, Herr Tod, ein gerechter, tätiger Schnitter; unsere Sense geht ihren Gang: weiße, schwarze, rote, braune, grüne, blaue, blasse, gelbe und allerlei Prachtblumen und Gräser mäht sie vor sich nieder, ungeachtet ihrer Pracht, ihrer Kraft, ihrer Vorzüge. So hat auch das Veilchen nichts von seiner schönen Farbe, seinem vollen Duft. Schau, das ist Gerechtigkeit! Uns haben als gerecht eingestuft die Römer und die Poeten, denn sie kannten uns besser als Du. Du fragst, was wir sind. Wir sind nichts und sind doch etwas. Deshalb nichts, weil wir weder Leben noch Wesen noch Form noch Substanz haben, nicht Geist sind, nicht sichtbar, nicht greifbar sind. Deshalb etwas, weil wir des Lebens Ende sind, des Wesens Ende, des NichtWesens Anfang, ein Mittleres zwischen ihnen beiden. Wir sind eine Schickung, die alle Leute zu Fall bringt. Die großen Hünen müssen vor uns fallen. Alle Wesen, die über Leben verfügen, müssen vor unserm Angesicht verwandelt werden. Großer Dinge haben wir uns zu verantworten. Du fragst, wie wir sind. Unbestimmbar sind wir, doch sahst Du uns zu Rom in einem Tempel an eine Wand gemalt: ein Mann, mit verbundenen Augen auf einem Ochsen sitzend. Dieser Mann hielt eine Hacke in der rechten Hand und eine Schaufel in der linken, damit kämpfte er auf dem Ochsen. Gegen ihn schlug, warf und stritt eine große Menschenmenge, verschiedenste Leute, jedes Menschenkind mit seinem Handwerkszeug; da war auch die Nonne mit dem Psalter. Die schlugen und bewarfen den Mann auf dem Ochsen. Gemäß unserer betrüblichen Aufgabe führte der Tod seinen Kampf und begrub sie alle. Pythagoras vergleicht uns mit der Erscheinung eines Mannes, der Basiiis- 17. Kapitel 35 kenaugen hatte - die schweiften bis an die Grenzen der Welt - und vor dessen Blick sterben mußte jede lebende Kreatur. Du fragst, woher wir wären. Wir sind vom irdischen Paradies. Da setzte uns Gott ein und nannte uns bei unserm rechten Namen, als er sagte: »Am Tag, da ihr von der Frucht eßt, werdet ihr den Tod erleiden.« Deshalb schreiben wir uns so: Wir, Tod, Herr und Herrscher auf Erden, in der Luft und im Meeresstrom. Du fragst, wozu wir gut sind und waren. Schon vorhin hast Du gehört, daß wir der Welt mehr Nutzen als Schaden bringen. Hör auf, gib Dich zufrieden und danke uns, daß Dir von uns solche Güte erwiesen wurde. DER ACKERMANN. Das 17. Kapitel Ein alter Mann darf Neues vorbringen, ein gelehrter Mann Unbekanntes, ein weitgewanderter und einer, dem nicht zu widersprechen ist, Gelogenes, denn angesichts unbekannter Dinge sind sie nicht zur Rechenschaft zu ziehen. Wenn Ihr denn auch so ein alter Mann seid, so vermögt Ihr wohl zu dichten. Obschon Ihr im Paradies ins Dasein gefallen seid als Schnitter und Euch des Rechts rühmt, so verfehlt Eure Sense doch das Recht. Prächtige Blumen rodet sie aus, die Disteln läßt sie stehen; Unkraut bleibt, die guten Kräuter müssen verderben. Ihr behauptet, Eure Sense mähe vor sich hin. Wie ist es dann damit, daß sie mehr Disteln als ansehnliche Blumen, mehr Mäuse als Kamele, mehr schlechte Leute als gute unversehrt läßt? Nennt mir, mit dem Finger zeigt mir: Wo sind die guten, geachteten Leute, wie sie vor Zeiten lebten? Ich denke, Ihr habt sie hingerafft. Mit ihnen ist auch meine Liebste; die Aschenflocken dagegen sind übriggeblieben. Wo sind sie hin, die auf Erden lebten, mit Gott sprachen, sich an ihm Huld, Gnade und Rechenschaft verdienten? Wo sind sie hin, die auf Erden wohnten, unter 18. Kapitel 37 ilcm Gestirn wandelten und die Planeten bestimmten? Wo sind sie hin, die sinnigen, die gelehrten, die gerechten, die tätigen Leute, von denen die Chroniken so viel berichten? Ihr habt sie alle und meine Zarte ebenso ermordet; die Verachtenswerten sind noch da. Wer ist daran schuld? Wagtet Ihr die Wahrheit zu bekennen, Herr Tod, Ihr würdet Euch selber nennen. Ihr protzt damit, wie gerecht Ihr richtet, niemanden schont, wie Eure Sense ein Grasbüschel ums andere abmähe. Ich stand dabei und sah mit eigenen Augen zwei ungeheure Scharen Kriegsvolk - jede hatte über 3000 Mann miteinander kämpfen auf grüner Heide. Die wateten im Blut bis an die Waden. Unter ihnen saustet Ihr und braustet kräftig an allen Ecken und Enden. Im Heer tötetet Ihr etliche, etliche ließt Ihr stehen. Mehr Knechte als Herren sah ich tot liegen. Da klaubtet Ihr einen aus den anderen heraus wie eine weiche Birne. Ist das recht gemäht? Ist das recht gerichtet? Geht so Eure Sense vor? Nur her, liebe Kinder, nur her! Reiten wir ihm entgegen, entbieten wir Lob und bezeigen wir Ehre dem Tod, der so gerecht richtet. Gottes Recht richtet schwerlich ebenso. DER TOD. Das 18. Kapitel Wer von den Dingen nichts weiß, der kann von den Dingen nichts sagen. So ist es auch uns gegangen. Wir wußten nicht, daß Du so ein trefflicher Mann wärest. Wir kennen Dich lange, wir hatten Dich aber vergessen. Wir waren dabei, als Frau Weisheit Dir die Weisheit einflößte, als Herr Salomon auf dem Totenbett Dir seine Weisheit anvertraute, als Gott all die Gewalt, die er Herrn Moses in Ägypten verliehen hatte, Dir verlieh, als Du einen Löwen beim Bein packtest und ihn an die Wand schlugst. Wir sahen Dich die Sterne zählen, des Meeres Sandkörner und seine Fische berechnen, die Regentropfen veranschlagen. Wir sahen mit Vergnügen 19. Kapitel 39 den Wettlauf gegen den Hasen. Zu Babylon vor dem Sultan sahen wir Dich Speis und Trank würdevoll kredenzen. Als Du das Banner für Alexander führtest, da er Darius besiegte, da schauten wir zu und gönnten Dir wohl den Ruhm. Als Du in der Akademie und in Athen mit hochgelehrten Meistern - die auch über Göttliches unübertrefflich zu sprechen wußten - Außerordentliches vollbrachtest, da sahen wir, was uns überaus freute. Als Du Nero unterwiesest, daß er gut handeln und geduldig sein sollte, da hörten wir wohlwollend zu. Wir staunten, daß Du Kaiser Julius in einem Schilfkahn über das wilde Meer brachtest, ungeachtet aller Sturmwinde. In Deiner Werkstatt sahen wir Dich ein edles Gewand aus Regenbogen schaffen; in das wurden Engel, Vögel, Tiere, Fische und allerlei Gestalten - da waren auch die Eule und der Affe ~ in Form von Einschlägen eingewebt. Herzhaft lachten wir und rühmten Dich dafür, als Du zu Paris auf dem Glücksrad saßest, auf der Haut tanztest, in der schwarzen Kunst wirktest und die Teufel in ein seltsames Glas banntest. Als Dich Gott in seinen Rat berief zum Gespräch über Frau Evas Fall, da zuallererst wurden wir auf Deine Weisheit aufmerksam. Hätten wir Dich früher erkannt, wir wären Dir gefolgt, wir hätten Deine Frau und alle Leute ewig leben lassen. Das hätten wir Dir allein zu Ehren getan, denn Du bist fürwahr ein kluger Esel! DER ACKERMANN. Das 19. Kapitel Gespött und Mißhandlung müssen die Leute oftmals um der Wahrheit willen aushalten. So geht es auch mir. Unmöglicher Dinge rühmt Ihr Euch, unerhörte Werke vollbringt Ihr, Gewalt übt Ihr gar zu viel aus. Wirklich übel seid Ihr mit mir umgesprungen; das verdrießt mich über die Maßen. Wenn ich aber deswegen Einspruch erhebe, so kommt Ihr mir spitz und werdet zornig. Wer Böses tut, will nicht 20. Kapitel 41 Unterordnung und Strafe erdulden, sondern mit Hochmut aller Leute Sache abtun; er mag nur achtgeben, daß ihm nicht Unwille daraufhin begegne. Nehmt ein Beispiel an mir: Wie unzulänglich, wie übertrieben, wie ungnädig, wie ungerecht Ihr mir auch mitgespielt habt, dennoch dulde ich es und räche es nicht, wie ich von Rechts wegen sollte. Noch heute will ich Besserung geloben, sollte ich mich irgendwie ungebührlich oder unhöflich Euch gegenüber verhalten haben; belehrt mich darüber, ich will es bereitwillig wiedergutmachen. Ist dem nicht so, so entschädigt mich oder belehrt mich, wie ich meinen großen Kummer überwinde. Wahrlich, so benachteiligt wurde noch kein Mann. Trotz alledem mögt Ihr immer meine Einsichtigkeit sehen. Entweder Ihr macht gut, was Ihr an meiner Trauerabwenderin, an mir und an meinen Kindern Böses begangen habt, oder kommt deswegen mit mir vor Gott, der da mein, Euer und aller Welt gerechter Richter ist. Ihr könntet mich leicht durch Bitten bewegen. Ich wollte es Euch selber überlassen. Ich traute Euch wohl zu, Ihr würdet Eure Ungerechtigkeit selber einsehen und mir dann Genugtuung verschaffen für die große Untat. Strebt nach Einsicht, sonst müßte der Hammer den Amboß treffen, Härte gegen Härte stehen! Es komme, wozu es kommen muß! DER TOD. Das 20. Kapitel Mit Schmeichelei werden die Leute besänftigt, Einsichtigkeit hält die Leute bei Laune, Geduld bringt die Leute zu Ehren. Ein zorniger Mann kann über einen anderen nicht urteilen. Hättest Du Dich zuvor im guten an uns gewandt, wir hätten Dich im guten belehrt, daß Du nicht ungebührlich den Tod Deiner Frau beklagen und beweinen solltest. Hast Du nicht den Philosophen gekannt, der im Bade sterben wollte, oder in seinen Büchern gelesen, daß niemand beklagen soll den Tod der Sterblichen? Wußtest Du s nicht, 20. Kapitel 43 so wisse jetzt: Sobald ein Menschenkind geboren ist, sogleich hat es den Kontrakt besiegelt, daß es sterben muß. Des Anfangs Geschwister ist das Ende. Wer ausgesandt wird, der ist verpflichtet wiederzukommen. Was einmal geschehen muß, dem soll sich niemand widersetzen. Was alle Leute erleiden müssen, dem soll ein einzelner nicht widersprechen. Was ein Mensch entleiht, das soll er wiedergeben. Als Fremde richten alle Leute sich auf Erden ein; von etwas zu nichts müssen sie werden. Schnellfüßig läuft dahin der Menschen Leben; eben noch lebendig, im Handumdrehen tot. Um die Rede kurz zu machen: Ein jeder Mensch ist uns ein Sterben schuldig, ist es ihm doch vererbt zu sterben. Beweinst Du aber Deines Weibes Jugend, so tust Du unrecht: So schnell ein Menschenkind ins Leben kommt, so schnell ist es alt genug zu sterben. Du glaubst vielleicht, das Alter sei ein kostbarer Schatz? Mitnichten! Es ist kränkliche Mühsal, häßliches Frösteln und allen Leuten unangenehm. Es taugt nichts und ist für alle Dinge ungeeignet. Zeitige Apfel fallen gern in den Kot, reife Birnen fallen gern in die Pfütze. Beklagst Du dann ihre Schönheit, so handelst Du kindlich: Eines jeden Menschen Schönheit muß entweder das Alter oder der Tod vernichten. Alle rosenfarbenen Mündlein, alle roten Wänglein müssen bleich werden, alle klaren Augen müssen trüb werden. Hast Du nicht gelesen, wie Hermes, der Philosoph, lehrt, daß sich ein Mann hüten soll vor schönen Frauen, und feststellt: Was schön ist, ist auch mit täglicher Fürsorge kaum zu halten, denn alle Leute begehren es; was häßlich ist, das ist leicht zu halten, denn es mißfällt allen Leuten. Laß gut sein! Beklage nicht Verlorenes, das Du nicht wiedergewinnen kannst! 21. und 22. Kapitel 45 DER ACKERMANN. Das 21. Kapitel Gutgemeinten Tadel im guten aufnehmen: so soll es ein weiser Mann halten, höre ich die Weisen sagen. Euer Tadel ist ja auch erträglich. Wenn dann aber ein guter Tadler auch ein guter Ratgeber sein soll, so beratet und belehrt mich, wie ich so unsagbares Leid, so bohrenden Schmerz, so über die Maßen große Trübsal aus dem Herzen, aus dem Gemüt und aus dem Sinn ausmerzen, austilgen und austreiben soll. Bei Gott, unsagbarer Kummer ist mir widerfahren, als mein gedeihlicher, treuer und zuverlässiger Haussegen mir so rasch entrissen wurde. Sie tot, ich Witwer, meine Kinder sind Waisen geworden. O Herr Tod, alle Welt klagt über Euch und ich ebenso. Doch nie gab es einen so schlechten Menschen, der nicht irgendwo gut gewesen wäre. Ratet, helft und zeigt den Weg, wie ich ein so schweres Leid vom Herzen entfernen könnte und meinen Kindern eine so reine Mutter zu ersetzen wäre; sonst muß ich immer mißmutig und müssen sie immer traurig bleiben. Und das braucht Ihr mir nicht übelzunehmen, sehe ich doch, daß selbst unter vernunftlosen Tieren ein Gatte um des andern Tod trauert aus angeborenem Zwang. Hilfe, Rat und Wiedergutmachung seid Ihr mir schuldig, denn Ihr habt mir den Schaden verursacht. Sollte das nicht geschehen, dann würde Gott in seiner Allmacht überhaupt keine Rache üben. Gerächt muß es werden und sollten dafür Hacke und Schaufel noch einmal bemüht werden. DER TOD. Das 22. Kapitel Ga, ga, ga, schnattert die Gans, man predige, was man wolle. Ein solches Garn spinnst auch Du. Wir haben vorhin dargelegt, daß nicht zu beklagen sein soll der Tod der Toten. 22. Kapitel 47 Da wir nun einmal ein Zöllner sind, dem alle Menschen Zoll zahlen müssen, weshalb sträubst Du Dich? Wahrlich doch: wer uns täuschen will, der täuscht sich selber. Laß es Dir eingehen und versteh: Das Leben ist um des Sterbens willen geschaffen; wäre das Leben nicht, wir wären nicht, unser Geschäft wäre nichts, damit wäre auch nicht der Welt Ordnung. Entweder bist Du wirklich von Leid erfüllt oder Unvernunft haust bei Dir. Bist Du ohne Vernunft, so bitte Gott, Vernunft zu verleihen; bist Du aber von Leid erfüllt, so hör auf, laß gut sein. Halte Dir vor Augen, daß ein Hauch ist der Menschen Leben auf Erden. Du erbittest Rat, wie Du Leid aus dem Herzen bringen kannst. Aristoteles hat es Dich längst gelehrt, daß Freude, Leid, Angst und Hoffnung, diese vier, alle Welt bekümmern und besonders jene, die sich vor ihnen nicht zu hüten wissen. Freude und Angst verkürzen, Leid und Hoffnung dehnen die Zeit. Wer diese vier nicht ganz aus dem Gemüt vertreibt, der muß allezeit sorgenvoll sein. Nach Freude muß Trübsal, nach Glück Unglück hier auf Erden folgen. Glück und Unglück müssen beieinander sein. Des einen Ende ist des andern Anfang. Mit Unglück und Glück ist es nichts anderes, als wenn ein Mensch sich etwas in den Kopf setzt und davon nicht lassen will - wie ja auch mit Genügsamkeit niemand arm und mit Unersättlichkeit niemand reich sein kann, denn Genügsamkeit und Unersättlichkeit sind nicht im Besitz noch überhaupt äußerliche Dinge, sondern im Gemüt. Wer nicht alles Glück aus dem Herzen treiben will, der muß allgegenwärtiges Unglück allezeit ertragen. Treibe aus dem Herzen, aus dem Sinn und aus dem Gemüt die Erinnerung an das Glück, sogleich bist Du des Trauerns enthoben. Sobald Du etwas verloren hast und es nicht wiedergewinnen kannst, tu, als sei es Dir nie zuteil geworden; dahin fliegt im Handumdrehen Deine Trauer. Willst Du das nicht tun, so hast Du manches Unglück vor Dir. Denn nach eines jeden Kindes Tod widerfährt Dir Kummer, nach Deinem Tod auch Kummer ihnen allen, Kummer Dir und ihnen, wenn 23. Kapitel 49 Ihr Euch trennen müßt. Du willst, daß ihnen die Mutter ersetzt werde? Kannst Du vergangene Jahre, gesprochene Worte und verlorene Jungfräulichkeit wiedergewinnen, so gewinnst Du auch die Mutter Deiner Kinder wieder. Ich habe Dir genug geraten. Kannst Du es verstehen, stumpfer Pickel? DER ACKERMANN. Das 23. Kapitel Auf die Länge wird man der Wahrheit gewahr. So lange gelehrt, ein wenig schließlich verkündet. Eure Sprüche sind nett und witzig, was ich nun durchaus empfinde. Doch sollten Freude, Glück, Lust und Kurzweil aus der Welt vertrieben werden, öde dastehen würde die Welt. Dafür will ich mich an die Römer halten. Die haben es selbst geübt und haben es ihren Nachkommen vermittelt, daß sie Glück hochschätzen, turnieren, stechen, tanzen, Wettlaufen, springen und anständige Vergnügungen pflegen sollten in müßiger Stunde, auf daß sie derweil von allem Schlechten befreit wären. Denn die menschliche Vorstellungskraft kann nicht untätig sein. Entweder Gutes oder Schlechtes muß die Vorstellung allezeit hervorbringen; selbst im Schlaf kann sie nicht untätig sein. Würden nun der Vorstellung gute Gedanken genommen, so würden sich schlechte in ihr einnisten. Gute aus, schlechte ein, schlechte aus, gute ein: Dieses Wechselspiel muß bis ans Ende der Welt währen. Seitdem Freude, Anstand, Scham und andere gute Sitten aus der Welt vertrieben sind, seitdem ist sie von Bosheit, Schande, Untreue, Spott und Verrat übervoll geworden; das seht Ihr täglich. Sollte ich nun die Erinnerung an meine Allerliebste mir aus dem Sinn schlagen, schlechte Erinnerung würde mir in den Sinn zurückkommen. Um so eher will ich meiner Allerliebsten ständig gedenken. Wenn große Liebe in großen Kummer verwandelt wird, wer mag das schnell vergessen? Schlechte Leute tun das. Gute Freunde denken stets 24. Kapitel 51 aneinander. Weite Wege, lange Jahre scheiden nicht enge Freunde, Ist mir ihr Körper auch tot, in meiner Erinnerung lebt sie mir doch immer. Herr Tod, Ihr müßt aufrichtiger raten, soll Euer Rat einen Nutzen bringen; andernfalls müßt Ihr Fledermaus wie bisher der Vögel Feindschaft ertragen. DER TOD. Das 24. Kapitel Dem weisen Mann soll Liebe nicht allzu lieb, Leid nicht allzu leid bei Gewinn und bei Verlust sein. Daran hältst Du Dich nicht. Wer um Rat bittet, aber dem Rat nicht folgen will, dem ist auch nicht zu raten. Unser gutgemeinter Rat kann bei Dir nichts fruchten. Es sei Dir nun lieb oder leid, wir wollen Dir die Wahrheit ans Licht bringen, es höre, wer da wolle. Deine beschränkte Vernunft, Dein gestörter Sinn, Dein hohles Herz wollen aus Leuten mehr machen, als sie sein können. Du magst aus einem Menschenkind machen, was Du willst, es kann doch nicht mehr sein, als was ich Dir sagen werde, mit Erlaubnis aller reinen Frauen. Ein Menschenkind wird in Sünde empfangen, mit unreinem, unsäglichem Unflat im Mutterleib genährt, nackt geboren und ist ein beschmierter Bienenstock, ein ausgemachtes Dreckstück, ein schmutziges Triebwesen, ein Kotfaß, eine verdorbene Speise, ein Stinkhaus, ein ekliger Spülzuber, ein fauliges Aas, ein Schimmelkasten, ein bodenloser Sack, eine löchrige Tasche, ein Blasebalg, ein Gierschlund, ein stinkender Lehmtiegel, ein übelriechender Harnkrug, ein übelduftender Eimer, eine trügerische Totenlarve, eine lehmige Räuberhöhle, ein unersättlicher Löschkrug und geschminkte Trübsal. Es höre, wer da wolle: Ein jedes fertige Menschenkind hat neun Löcher in seinem Leib, aus denen allen tritt so ekliger und dreckiger Unflat, daß es nichts Schmutzigeres geben kann. Ein so schönes Menschenkind sahst Du nie, daß Dir nicht, hättest Du Luchsaugen und 25. Kapitel 53 konntest sein Inneres durchdringen, darüber grausen würde. Nimm weg und zieh ab einer schönen Frau den Schnei-Jerglanz, so siehst Du eine jämmerliche Puppe, eine rasch welkende Blume, ein kurz währendes Trugbild und einen bald zerfallenden Erdklumpen. Zeige mir eine Handvoll Schönheit bei all den schönen Frauen, die vor hundert Jahren gelebt haben, ausgenommen die gemalten an den Wänden, und Dir gebühre des Kaisers Krone dafür. Laß hingehen Glück, laß hingehen Unglück, laß fließen den Rhein wie andere Gewässer, Esel, bauernschlauer Götterknabe! DER ACKERMANN. Das 25. Kapitel Pfui, böser Giftsack! Wie verkleinert, mißhandelt und entwürdigt Ihr den edlen Menschen, Gottes allerliebste Krea-lur, womit Ihr auch die Gottheit erniedrigt! Jetzt erst muß ich feststellen, daß Ihr ein Lügner seid und im Paradies nicht eingesetzt, wie Ihr behauptet. Wäret Ihr im Paradies ins Dasein gefallen, so wüßtet Ihr, daß Gott den Menschen und alle Dinge erschaffen hat, sie vollkommen erschaffen hat, den Menschen über sie alle gesetzt hat, ihm die Herr-schaft über sie alle aufgetragen und sie seinen Füßen unterworfen hat - auf daß der Mensch die Tiere des Landes, die Vogel des Himmels, die Fische des Meeres und alle Früchte der Erde beherrschen sollte, wie er es auch tut. Sollte demnach der Mensch so erbärmlich, arg und schmutzig sein, wie Ihr behauptet, fürwahr, so hätte Gott ein gar unsauberes und unnützes Werk vollbracht. Sollte Gottes allmächtige, edle Hand ein so unsauberes und unflätiges Menschenstück geschaffen haben, wie Ihr angebt, ein tadelnswerter und unvollkommener Schöpfer wäre er. Dann träfe auch nicht zu, daß Gott alle Dinge und den Menschen über ihnen rundum gut erschaffen hätte. Herr Tod, laßt Euer unnützes Geschwätz! Ihr schmäht Gottes allerfeinstes Werk. Engel, Teu- 25. Kapitel 55 fei, Kobolde, Klagemütter, das sind Geister in Gottes /wangsherrschaft. Der Mensch ist das allerachtbarste, das .liiergeschickteste und das allerfreieste Werkstück Gottes. Sich selber gleich hat Gott es gebildet, wie er auch selbst am Anfang der Schöpfung gesprochen hat. Wo hat je ein Werkmeister ein so geschicktes, vielfältiges Werkstück, eine so kunstfertige kleine Kugel geschaffen wie des Menschen I laupt? In dem befindet sich Außerordentliches, kunstvoll allen Göttern verborgen. Da ist im Augapfel der Gesichts-.iim, der zuverlässigste Zeuge, meisterlich nach Art eines Spiegels gebildet; bis zum klaren Himmel dringt er. Da ist in den Ohren das weit reichende Gehör, unübertrefflich mit einem dünnen Häutchen überzogen, zur Prüfung und Unterscheidung manch süßen Getöns. Da ist in der Nase der i echselbank gedreht werden; auch dann noch wird das Leben oft genug mit Hohn durchsetzt sein. Ein Mann, der in der Ehe lebt, kann keinen Mittelweg finden: Ist er zu gutmütig, ist er zu streng, immer trägt er den Schaden davon. Sei er nur halb gutmütig und halb streng, so gibt es auch da kein Mittleres, zum Schaden oder zur Strafe gereicht es »loch. Jeden Tag eine neue Zumutung oder Keifen, jede Wo-i lie eine befremdliche Verordnung oder Muffeln, jeden Mo-ii.it eine neue unerfreuliche Verunreinigung oder Vergraulen, jedes Jahr neue Kleider oder tägliches Gezanke muß ein beweibter Mann ertragen, er stelle es an, wie er wolle. Woran es nachts fehlt, sei alles übergangen; aus Altersgründen schämen wir uns. Wollten wir nicht die anständigen Frauen schonen, von den unanständigen könnten wir noch viel mehr zum besten geben. Bedenke, was Du lobst: Du kannst nicht Gold von Blei unterscheiden! DER ACKERMANN. Das 29. Kapitel l'Yauenschmäher müssen geschmäht werden, sagen der Wahrheit Meister. Wie ergeht es Euch dann, Herr Tod? I uer unverständiges Frauenschmähen - auch wenn es mit 29. Kapitel 65 der Frauen Erlaubnis geschieht, ist es doch wahrlich schändlich für Euch und schmachvoll für die Frauen. In manches weisen Meisters Schrift liest man, daß ohne weib-liche Lenkung niemand mit Glück durchs Leben gehen Linn, denn der Besitz von Weib und Kind ist nicht der ge-ringste Teil des irdischen Glücks. Mit einer solchen Wahrheit hat den trostreichen Römer Boethius Philosophia, die weise Meisterin, zur Ruhe gebracht. Ein jeder erfahrene und verständige Mann wird es mir bezeugen: Keine männliche Tugend kann bestehen, sie werde denn bestimmt durch weibliche Tugend. Man sage, was man wolle: Eine anständige, schöne, schamhafte und in ihrer Ehre untadelige Frau < i freut das Auge mehr als alles andere auf Erden. Einen so mannhaften Mann sah ich nie, der nicht vor allem dadurch Mut geschöpft hätte, daß er durch der Frauen Zuspruch geleitet wurde. Wo die Tüchtigen zusammenkommen, da sieht man es alle Tage: Auf allen Plätzen, an allen Höfen, bei allen Turnieren, bei allen Heerfahrten vollbringen die Frauen immer das Beste. Wer in der Frauen Dienst ist, der muß jeder Untat entsagen. Rechte Sittsamkeit und Ehrbarkeit lernen die Edlen in ihrer Schule. Irdisches Glück haben die Frauen in ihrer Gewalt; sie erreichen, daß ihnen zu Ehren alles Schöne und Angenehme auf Erden geschieht. Der drohende Zeigefinger einer reinen Frau ermahnt und erzieht mehr als alle Waffen einen tüchtigen Mann. Kurzum, ohne Schmeichelei: der ganzen Welt Erhalt, Garantie und Zukunft sind die edlen Frauen. Gewiß, bei Gold Blei, bei Weizen Unkraut, bei allerlei Münzen Abschläge und bei Frauen Weibsbilder muß es geben. Doch die guten sollen nicht für die schlechten büßen. Das glaubt mir, Hauptmann von Schlacht! 30. Kapitel 67 DER TOD. Das 30. Kapitel Einen Kolben für einen Klumpen Gold, einen Knöchel für «inen Topas, einen Kiesel für einen Rubin hält ein Narr. 1 )en Heuschober eine Burg, die Donau das Meer, den Mäusebussard einen Falken nennt der Tor. Genau so lobst Du der Augen Lust, die Ursachen dafür bedenkst Du nicht. I )enn Du weißt nicht, daß alles auf der Welt entweder Gier des Fleisches oder Gier der Augen oder Ubermut des Leiwens ist. Die Gier des Fleisches ist auf Wollust, die Gier der Augen auf Besitz, der Ubermut des Lebens auf Ehre gerichtet. Der Besitz bringt Habgier und Geiz hervor, die Wollust führt zu Unkeuschheit, die Ehre verursacht Übermut und Ruhmsucht. Aus Besitz muß Wagemut und Angst, aus Wollust Schlechtigkeit und Sündhaftigkeit, aus Ehre Eitelkeit stets erwachsen. Könntest Du das begreifen, Du würdest Nichtigkeit überall auf der Welt finden. Und erführest Du dann Glück oder Unglück, das würdest Du geduldig ertragen, uns auch unbehelligt lassen. Aber sosehr ein Esel Leier spielen kann, sosehr kannst Du die Wahrheit begreifen. I )arum haben wir mit Dir solche Mühe. Ais wir Pyramus, den Jüngling, und Thisbe, die Maid, die beide ein Herz und eine Seele waren, trennten, als wir König Alexander der ge-samten Weltherrschaft beraubten, als wir Paris von Troja und Helena von Griechenland vernichteten, da wurden wir nicht so sehr getadelt wie jetzt von Dir. Wegen Kaiser Karl, Markgraf Willehalm, Dietrich von Bern, des Starken Bop-pen und des Hürnen Seifried haben wir nicht ähnlich viele Scherereien gehabt. Den Aristoteles und den Avicenna beklagen noch heute viele Leute, dennoch bleiben wir unbelä-stigt. David, der geduldige, und Salomon, der Weisheit Schrein, starben, da wurde uns mehr gedankt als gezürnt. Die einstmals waren, die sind alle dahin; Du und alle, die jetzt sind oder noch werden, müssen ihnen alle nach. Dennoch bleiben wir Tod hier Herr! 31. Kapitel 69 DER ACKERMANN. Das 31. Kapitel Die eigene Rede überführt häufig einen Mann und besonders einen, der jetzt so und danach anders redet. Ihr habt vorhin gesagt, Ihr wäret etwas und doch nicht ein Geist und wäret des Lebens Ende und Euch wären alle Irdischen anvertraut; nun aber verkündet Ihr, wir müßten alle dahin und Ihr, Herr Tod, bliebet hier Herr. Zwei widersprüchliche Reden können nicht beide wahr sein. Sollen wir alle aus dem Leben scheiden und soll irdisches Leben überhaupt ein Ende haben und seid Ihr, wie Ihr sagt, des Lebens Ende, so schließe ich: Wenn es kein Leben mehr gibt, wird auch kein Sterben und Tod mehr sein. Wo kommt Ihr dann hin, Herr Tod? Im Himmel dürft Ihr nicht wohnen, der ist den guten Geistern vorbehalten; kein Geist seid Ihr nach Eurer Rede; wenn Ihr dann nichts mehr auf Erden zu schaffen habt und die Erde keinen Bestand mehr hat, so müßt Ihr geradewegs in die Hölle. Da müßt Ihr ohne Ende ächzen, da werden auch die Lebenden und die Toten an Euch gerächt. Nach Eurer Flatterrede kann sich niemand richten. Sollten alle irdischen Dinge so arg, kläglich und unnütz erschaffen und gebildet sein? Das hat man Ihm seit Anbeginn der Welt noch nie vorgeworfen. Tugend hochgehalten, Schlechtigkeit verabscheut, Sünde bemerkt und bestraft hat Gott bisher. Ich denke, in Zukunft wird er es genauso machen. Ich habe von Jugend auf vorlesen gehört und gelernt, wie Gott alle Dinge erschaffen habe. Ihr sprecht nun davon, wie alle irdischen Lebewesen ein Ende nehmen müssen. Piaton und andere Philosophen lehren, daß bei allen Dingen des einen Zerstörung des anderen Entstehung sei, daß alle Dinge auf Ewigkeit gegründet seien und daß die Schöpfung, in der sich des Himmels Lauf aller Dinge und auch der Erde von einem ins andere verwandelt, ewig sei. Mit Eurer Wankelrede, auf die niemand bauen kann, wollt Ihr mich von meiner Klage abschrecken. Deshalb appelliere ich mit Euch an Gott, meinen Heiland, Verderber! Damit gebe Euch Gott ein böses Amen! 32. Kapitel 71 DER TOD. 32. Kapitel ()ft kann ein Mann, der anfängt zu reden, wenn er nicht un-i erbrochen wird, nicht mehr aufhören. Du bist aus demselben Holz geschnitzt. Wir haben gesagt und sagen weiterhin damit wollen wir aber Schluß machen Die Erde und alles, was sie enthält, ist auf Unbeständigkeit gegründet. In dieser Zeit ist sie veränderlich geworden, denn alle Dinge haben sich verkehrt: Das Hintere nach vorn, das Vordere nach hinten, das Untere zu Berg, das Obere zu Tal, das Verkehrte zu Richtigem haben die allermeisten Leute gewendet. In des Flammenfeuers Beständigkeit habe ich das ganze Menschengeschlecht gestoßen. Ein Trugbild festzuhalten, einen guten, treuen, zuverlässigen Freund zu finden, beides ist beinah gleich möglich geworden auf Erden. Alle Men-schen sind mehr zu Schlechtigkeit als zu Güte bereit. Tut jetzt überhaupt jemand Gutes, so tut er es in Sorge um uns. Alle Leute mit all ihrem Getue sind voller Eitelkeit heute. Ihr Leib, ihr Weib, ihre Kinder, ihr Ansehen, ihr Besitz und alles, was sie zustande bringen, geht samt und sonders dahin, in einem Augenblick verschwindet es, mit dem Wind verweht es; weder der Abglanz noch der Schatten haben Bestand. Merke, erkenne, sieh und schau, was jetzt die Menschenkinder auf Erden treiben: wie sie Berg und Tal, Stock, Stein und Gefilde, Alpen, Wildnis, des Meeres Grund, der lüde Tiefe um irdischen Gutes willen durchforschen bei Re-^en, Sturm, Donner, Hagel, Schnee und allerlei Ungewit-iern; wie sie gerade Stollen und tiefe Schächte in die Erde hineingraben, der Erde Adern durchstoßen, Erzbrocken suchen, die sie um ihrer Seltenheit willen über alles lieben; wie sie Baumstämme wälzen, Gewänder abstecken, Häuser schwalbengleich zusammenkleben, Baumgärten pflanzen und propfen, das Erdreich beackern, Weinberge anlegen, Mühlwerke errichten, um Abgaben einzutreiben, I'ischerei, Weidwerk und Wildwerk ausüben; große Viehherden zusammentreiben, viele Knechte und Mägde haben, 32. Kapitel 73 hohe Pferde reiten, von Gold, Silber, Edelsteinen, Prunkgewändern und allerlei anderen Gütern Häuser und Kisten voll haben, Wollust und Vergnügen pflegen, nach denen sie Tag und Nacht gieren und trachten. Was ist das alles? Alles ist Eitelkeit und Schädigung der Seele, Vergänglichkeit wie der gestrige Tag, der vergangen ist. Mit Kampf und mit Raub gewinnen sie es, denn: je mehr besessen, desto mehr geraubt. Zu weiterem Kampf und Streit hinterlassen sie es. Oh, die sterbliche Menschheit ist beständig in Angst, in Trübsal, in Leid, in Sorge, in Furcht, in Schrecken, in Krankheit, in Siechtum, in Trauer, in Betrübnis, in Jammer, in Kummer, in Elend und in mancherlei Widerwärtigkeit. Und je mehr an irdischem Gut ein Mensch besitzt, desto mehr Widerwärtigkeit begegnet ihm. Noch das Allerschlimmste aber ist, daß ein Menschenkind nicht wissen kann, wann, wo oder wie wir über es urplötzlich herfallen und es antreiben, den Weg der Sterblichen zu gehen. Diese Last müssen tragen Herren und Knechte, Männer und Frauen, Reiche und Arme, Gute und Schlechte. O schmerzliche Aussicht, wie wenig denken an dich die Toren; wenn's zu spät ist, wollen sie alle fromm werden. Das ist alles Eitelkeit über Eitelkeit und Belastung der Seele. Darum laß Deine Klage sein und tritt in welchen Stand Du willst: Du lindest Fehler und Eitelkeit darin. Doch wende Dich ab vom Schlechten und tue das Gute, suche den Frieden und halte ihn stets! Mehr als alles andere liebe ein reines und lauteres Gewissen! Und zum Beweis dafür, daß wir Dir recht geraten haben, kommen wir mit Dir vor Gott, den Ewigen, den Großen und den Starken. 33. Kapitel 75 Des Fürsten von vielen Residenzen Rede, des allmächtigen Gottes Urteil. Das 33. Kapitel I )er Frühling, der Sommer, der Herbst und der Winter, die vier Beieber und Betreiber des Jahreslaufs, die entzweiten sich in großem Streit. Jeder von ihnen rühmte sich der guten Absicht seiner Tätigkeit und wollte der Beste sein. Der hrühling sagte, er belebe und lasse schwellen alle Früchte. Der Sommer sagte, er mache reif und rund alle Früchte. I )er Herbst sagte, er ernte und bringe ein in den Stadel, die Keller wie die Häuser alle Früchte. Der Winter sagte, er verzehre und verbrauche alle Früchte und vertreibe alle gif-tigen Würmer. Sie rühmten sich und stritten heftig. Sie hat-ten aber vergessen, daß sie sich einer übertragenen Herrschaft rühmten. Ebenso macht Ihr beide es. Der Kläger beklagt seine Verlustsache, als ob er ein Erbrecht auf sie hätte; er bedenkt nicht, daß sie von Uns verliehen wurde. I )er Tod rühmt sich gewaltiger Herrschaft, die er doch nur von Uns zu Lehen erhalten hat. Jener beklagt, was ihm nicht gehört; dieser rühmt sich einer Herrschaft, die er nicht aus sich selber hat. Doch der Streit ist nicht ganz ohne Ursache, und Ihr habt Euch beide gut geschlagen: Jenen zwingt sein Leid zu klagen, diesen der Angriff des Klägers, die Weisheit auszusprechen. Darum gebühre Dir, Kläger, die Ehre, Dir, Tod, der Sieg! Jeder Mensch ist verpflichtet, dem Tod das Leben, den Leib der Erde, die Seele Uns zu überantworten. 34. Kapitel 77 Hier bittet der Ackermann für die Seele seiner Frau. Von den roten Buchstaben nennen die großen den Kläger. Das Kapitel hat die Form eines Gebets und ist das 34. Kapitel Immerwachender Wächter aller Welt, Gott aller Götter, I lerr, wunderbarer Herr aller Herren, Allmächtiger aller I Deister, Fürst aller Fürstentümer, Brunnen, aus dem alles (iute fließt, Heiliger aller Heiligen, Krönender und Krone, belohnender und Lohn, Kurfürst, in dessen Kurwürde alle Kür steht, wohl ihm, der sein Lehen von Dir empfängt! Der Engel Glück und Freude, Präger der allerhöchsten Formen, .ilter, greiser Jüngling, erhöre mich! O Licht, das nicht empfängt anderes Licht, Licht, das verdunkelt und verfinstert alles äußerliche Licht; Leuchten, vor dem verschwindet alles andere Leuchten, Leuchten, dem gegenüber alle Lichter Dunkelheit sind, dem aller Schatten zu Leuchten wird; Licht, das im Anbeginn gesprochen hat: ■werde Licht«; Feuer, das unauslöschlich ewig brennt, Anlang und Ende, erhöre mich! Heil und Seligkeit über alles Heil und alle Seligkeit, Weg ohne alle Irrung zum ewigen Leben, Bestes, ohne das nichts Besseres ist, Leben, dem alle Dinge leben, Wahrheit über alle Wahrheit, Weisheit, die alle Weisheit umschließt, aller Gewalten Mächtiger, rechte und gerechte Hand, Beschauer und Heiler aller Gebrechen, Vollverfügender über alle Kräfte, Notanker, dem alle guten Dinge sich nähern und an dem sie sich festhalten wie am Weisel der Bienen, Ursache aller Sachen, erhöre mich! Alle Krankheiten heilender Arzt, Meister aller Meister, alleiniger Vater der ganzen Schöpfung, immer und überall gegenwärtiger Beobachter, aus dem Mutterleib in die Erdengruft eigenverantwortlich Geleitender, Bildner aller Formen, Fundament aller guten Werke, aller Welt Wahrheit, Kasser aller Unreinheit, Belohner aller guten Dinge, aller Gerechten Richter, Eines, aus dessen Anfang alle Dinge in Ewigkeit nie mehr herausfallen, erhöre mich! 34. Kapitel Nothelfer in allen Ängsten, fester Knoten, den niemand losen kann, vollkommenes Wesen, das aller Vollkommenheit mächtig ist, aller heimlichen und niemand bekannten Sachen wahrhaftiger Kenner, ewiger Freuden Spender, irdischer Genüsse Störer, Wirt, Mitbewohner und Hausgenosse aller guten Leute, Jäger, dem alle Spuren unverborgen sind, .iiier Sinne feine Eingießung, Lenker und Zusammenhalter ,iller Mittelpunkte und Umfange, gnädiger Erhörer aller zu Dir Flehenden, erhöre mich! Naher Beistand aller Bedürftigen, Trauerabwender aller ,\uf Dich Hoffenden, der Hungrigen Ernährer, Sättigung, der Bedürftigen Labung, Siegel der allerhöchsten Majestät, Vollender der himmlischen Harmonie, alleiniger Kenner aller menschlichen Gedanken, unvergleichlicher Bildner aller menschlichen Antlitze, Planet, Mächtiger aller Planeten, allwirkender Einfluß aller Gestirne, des Himmelshofs mächtiger und freundlicher Hofmeister, Zwang, unter dem alle himmlische Ordnung aus ihrer unverbrüchlichen Fügung nie heraustreten kann, helle Sonne, erhöre mich! Ewige Lampe, ewiges Dauerlicht, recht fahrender Schiffer, Deine Kogge geht niemals unter! Bannerführer, unter dessen Banner niemand sieglos wird, der Hölle Gründer, des Erdkloßes Former, des Meeres Zügler, der Luftturbulenzen Mischer, der Feuersglut Anfacher, aller Elemente Schöpfer, des Donners, des Blitzes, des Nebels, des Hagels, tles Schnees, des Regens, des Regenbogens, des Mehltaues, des Windes und all ihren Zusammenwirkens alleiniger Schmiedemeister, des ganzen himmlischen Heers gewaltiger Herzog, sich nie versagender Kaiser, allermildester, aller-stärkster, allerbarmherzigster Schöpfer, erbarme Dich und erhöre mich! Schatz, aus dem alle Schätze entsprießen, Ursprung, aus dem alle reinen Ausflüsse fließen, Geieiter, mit dem niemand irre geht, aus nichts etwas, aus etwas nichts zu machen allein vermögender Schöpfer, aller Weilwesen, Zeitwesen und Immerwesen allmächtiger Beieber, Erhalter und 34. Kapitel 81 Vernichter, dessen Wesen seinerseits, so wie Du in Dir seiher bist, niemand ermitteln, umreißen, entwerfen und abbilden kann, höchstes Gut über allem Gut, allerwürdigster ewiger Herr Jesus, empfange gnädig den Geist, empfange i;ütig die Seele meiner allerliebsten Frau, die ewige Ruhe schenke ihr, mit Deiner Gnaden Tau labe sie, unter dem Schatten Deiner Flügel halte sie, nimm sie, Herr, in die vollkommene Erfüllung, wo Erfüllung zuteil wird den Geringsten wie den Größten. Laß sie, Herr, woher sie gekommen ist, wohnen, in Deinem Reich bei den ewigen, seligen Geistern. Mich schmerzt Margaretha, meine auserwählte Frau. Gönne ihr, gnadenreicher Herr, sich in Deiner allmächtigen und ewigen Gottheit Spiegel ewig zu beschauen, zu erkennen und zu erfreuen, wo alle Engelschöre ihr Licht gewinnen. Alles, was unter des ewigen Fahnenträgers Fahne gehört, es sei, welche Kreatur es sei, helfe mir aus Herzensgrund selig und andächtig zu sprechen: Amen.