2 Scheitelpunkt der Himmels-kugel 3 Fußpunkt der Himmelskngd, der dem Zenit genau gegenüberliegt 4 Hier sind die Löwen Die Fastnacht wie man sie dazu bringt, sich selbst zu vernichten, denn es braucht nicht viel, und sie setzen in den Zenit2 ihres Himmels den Todeswillen, der aus den Abgründen ihres Nadir5 entsteht. Ja, ich möchte fast sagen, ihre Anwesenheit ist uns teuer, sie fügt sich trefflich in Gottes Plan, 2° denn ihre Sünde stärkt unsere Tugend, ihr Lästern spornt unseren Lobgesang an, ihr zügelloses, entfesseltes Büßertum zügelt unseren Geschmack am Opfer, ihre Gottlosigkeit läßt unsere Gottesfurcht hell erstrahlen, so wie der Fürst der Finsternis mit seiner Rebellion und Verzweiflung vonnöten war, um in vollem Glänze erstrahlen zu lassen die Gloria Dei, Anfang und Ende aller Hoffnung ... Doch wenn eines Tages und nicht mehr nur als plebejische Aus-nähme, sondern als Askese des Wissenden und Gelehrten, dem unzerstörbaren Zeugnis der Schrift anvertraut - die Kunst des Lächerlichmachens annehmbar würde und nobel erschiene und hochherzig und nicht mehr gemein, wenn eines Tages jemand sagen könnte (und dafür Gehör fände): Ich lache über die Inkarnation .,, dann, William, dann hatten wir keine Waffen mehr, um diese Lästerung einzudämmen [...], Dieses Buch hätte den Gedanken rechtfertigen 3° können, die Sprache der einfachen Leute sei Trägerin einer Wahrheit. Das mußte verhindert werden, und das habe ich getan. Du sagst, ich sei der Teufel. Du irrst: Ich bin die Hand Gottes gewesen," „Die Hand Gottes verhüllt nicht, sie schafft." „Es gibt Grenzen, die man nicht überschreiten darf. Gott hat gewollt, daß auf bestimmten 35 Büchern geschrieben steht: HIC SUNT LEONES.4" „Gott hat auch die Ungeheuer geschaffen. Auch dich. Und er will, daß über alles gesprochen wird." Jorge spricht am Beginn des Dialogs die Fa&tnacht an, die Unterbrechung des geistlichen Jahres vor der 40-tägigen Fastenzeit, die mit ihrer Betonung der diesseitigen Sinnenfreude und Ausgelassenheit alljährlich eine wichtige Ventilfunktion für die Bevölkerung erfüllte, ehe dann die Ordnung der Gesellschaft wieder absolute Gültigkeit bekam. 21 Welche beiden Arten von „Lachen" werden hier einander gegenübergestellt? -Diskutieren Sie über die Funktion und die Wirkungsweise von Zensur! Kennen Sie Beispiele von Zensur? Zusammenfassende Stichworte ■ Historischer Hintergrund: Entwicklung vom Personenverbandsstaat zum Flächenstaat; Lehenswesen als politisches Organisationsprinzip; Aufstieg der Ministerialen (Dienst als zentrale Kategorie) - der „Ritter" wird allmählich zum allgemeinen Ideal des gesamten Adels. ■ Höfische Gesellschaft als Kulturträger, dessen Idealvorstellungen in der Literatur gestaltet werden (keine realistische Wirklichkeitsdarstellung!); Ausbildung einer welllichen Kultur nach v langer kirchlicher Dominanz. ■ Epik: höfische Romane Hartmanns von Aue (Leistung und Tüchtigkeit als Kriterien des Artusritters), dagegen der „Parzival" Wolframs von Eschenbach (geistlich ausgerichtetes Gralsrittertum) und der „Tristan" Gottfrieds von Straßburg (Liebe als gcsellschaftssprengende Macht); Heldenepik: „Nibelungenlied" (Zerfall der höfischen Festlichkeit gegenüber archaisch-irrationalen Kräften). ■ Lyrik: Liebeslyrik (Minnesang als vielfach gestaltete literarische Konvention; Rollenlyrik); politische Lyrik (Walther von der Vogelweide). Tips zum Weiterlesen Marion Zimmer Bradley: „Die Nebel von Avalon" (Roman) Dieter Kühn: »Ich Wolkenstein" (biographische Darstellung) Walter Scott: Jvanhoe" (Ritterroman) Irmtraud Morgner: „Leben und Abenteuer der Trobadora Beatriz nach den Zeugnissen ihrer Spielfrau Laura" (Roman) Tankred Dorsl: „Merlin" (Drama) 32 Renaissance Humanismus Reformation Allgemeine Merkmale Die Renaissance Den Begriff „rinasäta", später in französischer Form als „Renaissance" wiedergegeben, verwendete zum erstenmal Giorgio Vasari (1511- 1574), ein italienischer Maler, Architekt und Künstlerbiograph. Er bezeichnete damit eine Rückkehr zur Natur und eine Wiedergeburt der Antike. Im Italien des 15. und 16. Jahrhunderts erlebte diese Neubesinnung eine Hochblüte, die einer ganzen Epoche den Namen gab. Sie stand im Zeichen einer weitgehenden Säkularisierung (= Verweltlichung) des Lebens, die den Geist des Mittelalters allmählich in Frage stellte. Die Autonomie des Menschen wurde zum Leitbild der Epoche: der Mensch empfand sich nicht mehr als ein an überindividuelle Mächte gebundenes Geschöpf, sondern selbst als Schöpfer. Weitgehend ersetzte er dabei den mittelalterlichen (enseifsstandpunkt durch einen Diesseitsstandpunkt, indem er es nun als seine Hauptaufgabe ansah, in der irdischen Welt sein Leben zu reicher Entfaltung zu bringen. Das neue Menschenbild legte allen Nachdruck auf die allseitige und gleichmäßige Entfaltung aller menschlichen Eigenschaften. Man sah im Universalmenschen, im „uomo universale", das höchsle Ideal. Der Grund für diesen allgemeinen Wandel lag vor allem in der Opposition zu althergebrachten Strukturen. Der Aufstieg des städtischen Bürgertums nahm allmählich den Feudalherren und damit auch dem Kaiser- und Papsttum ihre alles bestimmende Macht. Es bildete sich ein städtisches Patriziat, das die wirtschaftlichen und politischen Belange zunehmend bestimmte. In späteren Jahrhunderten wurde die Ausrichtung des Lebens nach wirtschaftlichen Prinzipien sogar durch die religiöse Lehre des Calvinismus legitimiert, der ökonomischen Erfolg als Zeichen göttlicher Auserwähltheit deutete. Die gleichzeitig propagierte Selbstdisziplin im Dienste von Arbeit und Profit wurde zu einem entscheidenden Faktor im bürgerlichen Erziehungssystem der Neuzeit, das sich gesellschaftlich mehr und mehr durchsetzte. Die Vielfalt der italienischen Stadtstaaten war bezeichnend für das politische Bild der Renaissance; besonders eindrucksvoll wirkte das von der Familie der Medici beherrschte Florenz weiter, wo Handel und Kultur in nie gekanntem Ausmaß aufblühten. Man faßte den Staat jetzt tatsächlich als von Menschen geschaffenes Lebensgefüge auf. Moderne Verwaltungsformen wurden ausgebildet. Theorien der Staatskunst entstanden (vgl. unser späteres Beispiel von Machiavelli), wobei man im Zeichen der Staatsräson zwischen Moral und Politik unterschied. Die zunehmende Bedeutung der Berufsbeamten schwächte die Stellung des Adels. Aristokraten wurden zu Höflingen; das von Baidassare Casti-glione (1478 -1529) formulierte Ideal des „Cortegiano", der sich klug und beherrscht im komplizierten Beziehungsgeflecht des Hofes zu bewegen wußte, wurde zum Vorbild für den französischen „honnéte homme" und den englischen „gentleman", für aristokratische Lebensformen, an denen sich dann auch das Bürgertum orientierte. Verwellliehung und menschliche Selbstbestimmung Das Streben nach Universalität Die Bedeutung des Bürgertums und seiner Lebensprinzipien Stadtstaaten der Renaissance Der Höfling 33 1 ,b I Die Wissenschaften vom Menschen Die Beschäftigung mit der Antike Der Humanismus In geistiger Hinsicht wurde zu dieser Zeit das geistliche Bildungsmonopol durch den sogenannten Humanismus (lat. „humanitas" = Bildung) abgelöst. Die „Humaniora", die Wissenschaften, die sich vor allem mit menschlichen Belangen beschäftigten, rückten in den Mittelpunkt. Die praktisch orientierte Vernunft und damit in der Folge auch die Naturwissenschaften gewannen immer mehr an Bedeutung. Der Humanismus beschäftigte sich wissenschaftlich mit der Antike, d.h. mit der lateinischen und griechischen Literatur. Darüber hinaus versuchte er, auf Grund der Erkenntnisse der Antike ein neues Welt-und Menschenbild zu schaffen, das nicht mehr durch die Kirche allein, sondern in erster Linie durch irdische und weltliche Ideale bestimmt war. Der Humanist strebte nicht so sehr danach, sich aufs Jenseits vorzubereiten, sondern sich für die irdische Welt in der bestmöglichen Weise auszubilden. Wichtige Folgen des Humanismus waren die Entstehung weltlicher Schulen und Universitäten, die Herausgabe der antiken Literatur im Druck, die Begründung der klassischen Philologie und anderer Wissenschaften, das Eindringen der antiken Mythologie in die Dichtung und eine Trennung der Dichtung in eine volkstümliche und eine gelehrte Bildungsdichtung. Seitenblicke auf die antike griechisch-römische Kultur Philosophie und Dichtkunst Griechisches Marmorrelief: der Komödiendichter Menander bei der Begutachtung einer Maske 1 Daktylus: Versfuß aus einer betonten und zwei unbetonten Silben („Griechenland'); andere metrische Taktarien: Jambus (eine unbetonte, eine betonte Silbe: „Gedicht") Trochäus (eine betonte, eine unbetonte Silbe: „Leben") Anapäst (zwei unbetonte, eine betonte Silbe: „Philosoph") 34 Beinahe jede Art von philosophischer oder naturwissenschaftlicher Betätigung, wie sie in Europa gepflegt wird, hat ihre Wurzel im Geistesleben des antiken Griechenland. Pythagoras, Thaies von Milet und Heraklit von Ephesos suchten als erste bekannte Philosophen nach naturwissenschaftlichen Erkenntnissen, Sokrates (469 - 399 v. Chr.) und Piaton (427 - 347 v. Chr.) gelten als Väter der europäischen Philosophie. Aristoteles (384 - 322 v. Chr.), der Lehrer Alexanders des Großen, war der erste Universalphilosoph, der sieh bemühte, das Wissen seiner Zeit zusammenzufassen. Er wurde jahrhundertelang als höchste wissenschaftliche Autorität anerkannt, und seine Lehren wurden von der Scholastik sogar ins christliche Weltbild integriert. Cicero (106-43 v. Chr.), Seneca (ca. 1-65 n. Chr.) und Plinius der Ältere (23 -79 n. Chr.) waren Vertreter der allrömischen Naturwissenschaft und Philosophie nach dem Vorbild des antiken Griechenland. Homers Epen „Ilias" und „Odyssee" (ca. 800 v. Chr.) begründeten den Ruhm der altgriechischen Dichtung über fast drei Jahrtausende; immer wieder verfaßten Dichter Epen im Versmaß Homers, dem Hexameter, der sechs Daktylen1 pro Verszeile enthält. Die „Äneis" des Vergil (70 -19 v. Chr.), das altrömische Staatsepos, setzte die „Ilias" mit der Geschichte des Troianers Äneas, der das römische Reich gegründet haben soll, fort. In der dramatischen Dichtung waren Aischylos (525 - 456 v. Chr.), Sophokles (496- 406 v. Chr.) und Euripides (480 -406 v. Chr.), die die Mythologie und Geschichte des antiken Griechenland verarbeiteten, wegweisend; ihre Werke werden auch heute noch aufgeführt. Im Sinne dieser Dichter verfaßte der altrömische Philosoph Seneca (ca. 1-65 n. Chr.) seine Tagö-dien, deren Vorbild noch in der Barockzeit weiterwirkte. Aristophanes (445 -385 v. Chr.) geißelte in seinen Komödien Verfallserscheinungen seiner Zeit in allen Lebensbereichen. Der römische Komödiendichter Plautus (254-184 v. Chr.) gilt hingegen als Begründer der Charakterkomödie, deren Weiterwirken beim französischen Dichter Moliere (1622-1673) am deutlichsten festzustellen ist. Zuletzt sei noch erwähnt, daß der Vater der Geschichtsschreibung, nämlich Herodot von Hali-karnaß (ca. 485-425 v. Chr.), ebenfalls der griechischen Antike angehörte. Und das meiste, was wir über die alten Germanen wissen, ist uns durch die Römer Cäsar (100-44 v. Chr.) und Tacitus (ca. 55-122n. Chr.) bekannt. Die Reformation níitxjuSSSiiiKäao«Km5«i ffagacWifra imitIm« n SíííIUI. Mit seinem Rückgriff auf die lateinischen und griechischen Urtexte der Bibel als Glauben squelle war der Humanismus aber auch am Entstehen der Reformationsbewegung beteiligt. Die Reformation richtete sich gegen die Alleinherrschaft, die weltliche Machtausübung und den Dogmalismus der katholischen Kirche. In den Auseinandersetzungen schlug sich aber auch der bekannte Konflikt zwischen Kaiser und Kirche einerseits und den Landesfürsten andererseits nieder. Den Anlaß zum Auftritt des Reformators Martin Luther (1483 _ 1546) bildete der sogenannte Ablaßhandel zum Zweck des Baues der Peterskirche in Rom: für Geld konnte man sich dabei einen Nachlaß der zeitlich begrenzten Strafen für bereits begangene, nicht aber für zukünftige Sünden erkaufen. In der Weiterentwicklung forderte Luther eine von Rom unabhängige Landeskirche und die Einziehung der Kirchengüter zugunsten der Landesfürsten. Schließlich führte die Reformation zu einer Spaltung des christlichen Abendlandes in ein katholisches und in ein protestantisches Lager sowie zu schweren Religionskriegen, deren Folgewirkungen jahrhundertelang andauerten. Luthers Übersetzung der Bibel in die Volkssprache machte ihn aber auch zur literarisch bedeutsamsten Persönlichkeit dieser Epoche des geistigen Umbruchs: Mit seiner Übersetzung des Neuen und des Alten Testaments (1522 und 1534), die sich an der sächsischen Kanzleisprache orientierte, begann sprachgeschichtlich die neuhochdeutsche Zeit. Die Lutherbibel trug als meistverbreitetes Buch seiner Zeit wesentlich zu einer Vereinheitlichung der geschriebenen Sprache bei, natürlich unterstützt durch die wichtigste Erfindung der neuzeitlichen Literaturgeschichte, den Buchdruck mit beweglichen Lettern (Johannes Gensileisch zu Gutenberg, um 1400-1469). Schon vorher hatte man die teure mittelalterliche Schreibweise auf Pergament durch das billigere Buch aus Papier ersetzt und die Schriftproduktion durch Schreibmanufakturen wesentlich erweitert. Der Glaubensstreit Luthers Bibelübersetzung Die Erfindung des Buchdrucks 35 Die Renaissance im SpannungsVerhältnis zwischen Realpolitik, Humanismus und Reformation (am Beispiel dreier Texte) 1537 erschienen) von Niccolö Machiavelli Beispiel 1: Aus „IL PRINCIPE" (= „DER FÜRST" (1469-1527) Der florentinische Diplomat und Sekretär Machiavelli analysiert in seinem über Jahrhunderte hinweg berühmt gewordenen Buch illusionslos die politischen Vorgänge seiner Zeit. INWIEWEIT FÜRSTEN IHR WORT HALTEN MÜSSEN i Wie löblich es für einen Fürsten ist, sein Wort zu halten und aufrichtig statt hinterlistig zu sein, versteht ein jeder; gleichwohl zeigt die Erfahrung unserer Tage, daß diejenigen Fürsten Großes vollbracht haben, die auf ihr gegebenes Wort wenig Wert gelegt und sich darauf verstanden haben, mit List die Menschen zu hintergehen; und schließlich haben sie sich gegen 5 diejenigen durchgesetzt, welche auf die Redlichkeit gebaut hatten. [...] Ein kluger Herrscher kann und darf daher sein Wort nicht halten, wenn ihm dies zum Nachteil gereicht und wenn die Gründe fortgefallen sind, die ihn veranlaßt hatten, sein Versprechen zu geben. Wären alle Menschen gut, dann wäre diese Regel schlecht; da sie aber io schlecht sind und ihr Wort dir gegenüber nicht halten würden, brauchst auch du dein .■'Wort ihnen gegenüber nicht zu halten. [...] Für einen Fürsten ist es also nicht erforderlich, alle obengenannten guten Eigenschaften wirklich zu besitzen, wohl aber den Ansehein zu erwecken, sie zu besitzen, Ich wage gar zu behaupten, daß sie schädlich sind, wenn man sie besitzt und ihnen stets treu bleibt; daß sie aber nützlich sind, wenn man sie nur zu besitzen 15 scheint; so mußt du milde, treu, menschlich, aufrichtig sowie fromm scheinen und es auch sein; aber du mußt geistig darauf vorbereitet sein, dies alles, sobald man es nicht mehr sein darf, in sein Gegenteil verkehren zu können. Man muß nämlich einsehen, daß ein Fürst, zumal ein neu zur Macht gekommener, nicht all das befolgen kann, dessentwegen die Menschen für gut gehalten werden, da er oft gezwungen ist - um seine Herrschaft zu behaupten -, 20 gegen die Treue, die Barmherzigkeit, die Menschlichkeit und die Religion zu verstoßen. Daher muß er eine Gesinnung haben, aufgrund deren er bereit ist, sich nach dem Wind des Glücks und dem Wechsel der Umstände zu drehen und - wie ich oben gesagt habe - vom Guten so lange nicht abzulassen, wie es möglich ist, aber sich zum Bösen wenden, »bald es nötig ist. 25 Ein Fürst muß also sehr darauf achten, daß nie ein Wort über seine Lippen kommt, das nicht von den vorgenannten fünf Eigenschaften geprägt ist, und daß er, wenn man ihn sieht und hört, ganz von Milde, Treue, Aufrichtigkeit, Menschlichkeit und Frömmigkeit erfüllt scheint. Und es gibt keine Eigenschaft, deren Besitz vorzutäuschen notwendiger ist, als die letztgenannte. Die Menschen urteilen im allgemeinen mehr nach dem, was sie mit den Augen, als 30 nach dem, was sie mit den Händen wahrnehmen. Denn allen ist vergönnt zu sehen, aber nur wenigen, zu berühren. Alle sehen, was du scheinst, aber nur wenige erfassen, was du bist; und diese wenigen wagen nicht, der Meinung der vielen zu widersprechen, welche auf ihrer Seite die Majestät des Staates haben, der sie schützt; und bei den Handlungen der Menschen, zumal bei denen der Fürsten, derentwegen man kein Gericht anrufen kann, sieht man auf den 35 Enderfolg. Laß nur einen Fürsten siegen und seine Herrschaft behaupten, so werden die Mittel dazu stets für ehrenvoll gehalten und von jedermann gelobt werden; [...]. 1 Wie darf es um die Moral eines Herrschers bestellt sein? Womit begründet der Autor seine Ansicht? Wie stehen Sie zu der Legitimation, die Machiavelli dem Politiker zuspricht? Was sagt er über fürstliche „public relations"? Beispiel 2: Aus „TRIUMPH UND TRAGIK DES ERASMUS VON ROTTERDAM" (1934) von Stefan Zweig (1881 -' 1942) Erasmus von Rotterdam (1466 -1536) gilt als größter Humanist, Er erstrebte eine Läuterung des Christentums durch die Antike und eine Versittlichung der Antike durch das Christentum: die Einheit Sokrates-Christus wäre demnach das ideale moralische Leitbild, l Für diese Erziehung zur Humanität weiß der Humanismus nur einen Weg: den Weg der Bildung. Erasmus und die Erasmiker meinen, das Menschliche im Menschen könne nur gesteigert werden vermittels der Bildung und des Buches, denn nur der Ungebildete, nur der Unbe-lehrte gebe sich unbedenklich seinen Leidenschaften hin. Der gebildete Mensch, der zivilisier-5 te Mensch - hier liegt der tragische Fehlschluß ihres Denkens - sei grober Gewalt nicht mehr fähig, und wenn die Gebildeten, die Kultivierten und Zivilisierten die Oberhand gewännen, so müßte das Chaotische und Bestialische von selbst abklingen, Kriege und geistige Verfolgungen zum abgelebten Anachronismus1 werden. In ihrer Überschätzung des Zivilisatorischen mißverstehen die Humanisten die Urkräfte der Triebwelt mit ihrer unzähmbaren Gern walt und banalisieren durch ihren Kulturoptimismus das furchtbare und kaum lösbare Problem des Massenhasses und der großen leidenschaftlichen Psychosen der Menschheit. Ihre Rechnung ist etwas zu einfach: für sie gibt es zwei Schichten, eine untere und eine obere, unten die unzivilisierte, rohe, leidenschaftliche Masse, oben den klaren Bezirk der Gebildeten, der Verstehenden, der Humanen, der Zivilisierten, und die Hauptarbeit scheint ihnen getan, 15 wenn es gelingt, immer größere Teile der unteren Schichten, der unkultivierten, in die obere der Kultur zu ziehen. [...] Nicht einen Augenblick denken Erasmus und die Seinen daran, dem Volk, dem ungebildeten und unmündigen - für sie ist jeder Ungebildete ein Unmündiger - auch nur das geringste Recht einzuräumen, und obwohl sie zwar abstrakt die ganze Menschheit lieben, hüten sie sich 20 sehr, mit dem vulgus profanum 2 sich gemein zu machen. Blickt man näher zu, so ist bei ihnen stall des allen Adelshochmuts nur ein neuer gesetzt, jener dann durch drei Jahrhunderte weiterwirkende akademische Dünkel, der einzig dem Lateinmenschen, dem Universitätsgebildeten, den Anspruch zuerkennt, über Recht und Unrecht, über sittlich und unsittlich zu entscheiden. Die Humanisten sind ebenso entschlossen, im Namen der Vernunft die Welt zu 25 regieren wie die Fürsten im Namen der Gewalt und die Kirche im Namen Christi. [...] Weil das Volk für ihn nicht vorhanden war, weil er es für unfein und eines Gebildeten für unwürdig hielt, um die Gunst der Masse zu buhlen und sich mit Ungebildeten, den „Barbaren" überhaupt einzulassen, hat der Humanismus immer nur für die happy few und niemals für das Volk existiert, und sein platonisches Menschheitsreich ist im letzten ein Wolkenreich geblie- 30 ben, eine kurze Stunde lang die ganze Welt überlcuchtend, wundervoll anzuschauen, ein reines Gebilde des schaffenden Geistes, und von seiner Höhe selig niederblickend auf eine verdunkelte Welt. Aber einem wirklichen Sturm - schon ballt er sich im Dunkel - wird dieses kühle und künstliche Gebilde nicht standhalten und kampflos der Vergänglichkeit anheimfallen. 2. Welche positiven Ideale und welche Schwächen sieht Stefan Zweig im Humants- mus? - Notieren Sie in Stichworten! Ideale Schwächen 1 unzeitgemäße Erscheinung 2 das einfache Volk .3 Welche Kräfte waren nach Zweigs Darstellung im Endeffekt stärker als der Humanismus des Erasmus von Rotterdam? m \ \ r Der österreichische Autor Stefan Zweig mußte vor den Nazis flüchten und beging im brasilianischen Exil Selbstmord. Setzen Sie Zweigs Kommentar zu der von ihm erlebten historischen Entwicklung in Beziehung! Politische Gebrauchs- literatur: die Flugschrift 1 wallfahrte 2 einer, der etwas vortäuscht; beliebtes Schimpfwort für die Katholiken der Folgezeit Beispiel 3: Aus der Kampfschrift „VON DER FREIHEIT EINES CHRISTENMENSCHEN" (1520) von Martin Luther (1483-1546) Im Zusammenhang mit der Reformation zeigte sich eine neue Funktion von Literatur. Sie war nun nicht mehr wie bisher religiösen oder ständisch-feudalen Zwecken untergeordnet, sondern sie wurde zu einem Medium der geistigen und politischen Auseinandersetzung. Diese neue Funktionalisicrung der Literatur wurde zum einen durch die Lutherische Bibelübersetzung ermöglicht, denn durch sie erst konnte die frühneuhochdeutsche Sprache zu einem geeigneten Mittel geistiger Konfrontation eingesetzt werden. Dazu kam aber auch ein neues literarisches Medium: die Flugschrift. Als Gebrauchsschrift und Kampfschrift in einem war sie vor allem geeignet, in Kürze starken Einfluß auf große Bevölkerungsteile zu nehmen. i Zum ersten. Das wir grundlich miegen erkennen, was eyn Christen mensch sey, und wie es gethan sey umb die freyheyt, die yhm Christus erworben und geben halt, davon S. Paulus viel schreybt, will ich setzen dyße zween Beschluß: Eyn Christen mensch ist eyn freyer herr ruber alle ding und niemandt unterthan. 5 Eyn Christen mensch ist eyn dienstpar knecht aller ding und yderman unterthan. Diese Unterscheidung begründet Luther mit der menschlichen Zwiegestalt aus Geist und Körper; er formuliert damit ein erstes Dokument für die jahrhundertelange Trennung zwischen Innerlichkeit und äußerer Realität, die später nicht zuletzt die Aufklärungszeit prägen wird. io Wichtig sind aber auch die folgenden Punkte: Czum Vierden, Alßo hilffet es die seele nichts, ob der leyp heylige kleyder anlegt, wie die pric-ster und geysllichen thun, auch nit, ob er ynn den kirchen und heyligen Stetten sey, Auch nit, ob er mit heyligen dingen umbgah, Auch nit, ob er lcyplich bette," faste, walle1 und alle gute 15 werck thue, die durch und ynn dem leybe geschehen mochten ewiglich. Es muß noch allis etwas anders seyn, das der seelen bringe und gebe frumkeyt und freyheyt. Denn alle diße obgenanten stuck, werck und weyßen mag auch an sich haben und leben eyn boeßer mensch, eyn gleyßner2 und heuchler. Auch durch solch weßen keyn ander volck, denn eyttell gleyßner werden. Widderumb schadet es der seelen nichts, ob der leyp unheylige kleyder tregt, an 20 unheyligen certen ist, yßt, trinckt, wallet, betlet nit, und lessil alle die werck onstehen, die die cebgenanten gleyßner thun. Czum funfften, Halt die seele keyn ander dinck, widder yn hymel noch auff erden, darynnen sie lebe, frum, frey und Christen sey, den das heylig Evangely, das wort gottis von Christo geprediget. Wie er selb sagt Joh. 11. „Ich byn das leben und aül'fcrstehung, wer do glaubt yn 25 mich, der lebet ewiglich". Item 14. „Ich byn der weg, die warheyt und das leben". [,..] Und Christus umb keyns andern ampts willen, den zu predigen das wort gottis, kummen ist. Auch alle Apostel], Bischoff, priester und gantzer geystlicher stand alleyn umb des worts willen ist beruften und eyngesetzt, wie woll es nu leyder anders gaht. Czum sechsten, Fragistu aber „wuchs ist denn das wort, das solch grosse gnad gibt, Und wie 30 sol ichs gebrauchen?" Antwort: Es ist nit anders, denn die predigt von Christo geschehen, wie das Evangelium ynnehelt. Wilche soll seyn, und ist alßo gethan, das du heerist devnen gott zu dir reden, Wie alle deyn leben und werck nichts seyn für gott, sondern mießsist mit allem dem das ynn dir ist ewiglich vorterben, 5 Benennen Sie die Hauptthesen aus den zitierten Abschnitten! Welche Konsequenzen ergeben sich daraus? Der Theologe Thomas Müntzer (1490 -1525) ging weiter als Luther und verkündete erstmals das Prinzip der Souveränität des Volkes: „Die Gewalt soll gegeben werden dem gemeinen Volk." Als Folge davon verlangte er eine völlige Umordnung der Gesellschaft, die auf einer Gütergemeinschaft aufbauen sollte. In seiner „HOCHVERURSACHTEN SCHUTZREDE" (1524) gegen Luther schrieb er: l Sieh zu, die Grundsuppe des Wuchers, der Dieberei und Räuberei sind unsere Herren und Fürsten; sie nehmen alle Kreaturen als Eigentum: die Fische im Wasser, die Vögel in der Luft, das Gewächs auf Erden muß alles ihrer sein, Jes. 5. Darüber lassen sie dann Gottes Gebot ausgehen unter die Armen und sprechen: Gott hat geboten, du sollst nicht stehlen; es hilft 5 ihnen aber nicht. So sie nun alle Menschen nötigen, den armen Ackersmann, Handwerksmann und alles, was da lebt, schinden und schaben, Micha 3, und wenn einer sich dann am allergeringsten vergreift, so muß er hängen. Da sagt dann der Doktor Lügner auch noch: Amen. Dabei machen die Herren das selber, daß ihnen der arme Mann feind wird. Die Ursache des Aufruhrs wollen sie nicht wegtun, wie kann es auf die Dauer gut werden? Wenn ich lo das sage, muß ich aufrührerisch sein, wohlan! Müntzer stellte sich in den Bauernkriegen (1524/25) eindeutig auf die Seite der Bauern, die in Südwest- und Mitteldeutschland gegen die brutale Unterdrückung durch ihre katholischen Landesherren rebellierten. Luther hingegen trat mit seiner Schrift „WIDER DIE RÄUBERISCHEN UND MÖRDERISCHEN BAUERN" (1525) vehement gegen die gewalttätigen Folgen der Bauernkriege auf. Die Aufstände wurden grausam niedergeschlagen, Thomas Müntzer wurde gefoltert und exekutiert. Literarische Werke der Zeit Das erste große Werk des Frühhumanismus war der „ACKERMANN AUS BÖHMEN" des Rektors der Lateinschule und Stadtschreibers von Saaz, Johann von Tepl (um 1400). Beispiel 4: Aus „DER ACKERMANN AUS BÖHMEN" (ca. 1401) von Johann von Tepl Die Dichtung ist ein Streitgespräch zwischen dem Ackermann und dem Tod: Der Ackermann beschuldigt den Tod des Mordes an seiner Frau, die er ihm im Kindbett genommen hat. Er verteidigt das Recht auf Leben und irdischen Genuß, Der Tod hingegen vertritt den Standpunkt von der Nichtigkeit des Lebens und spottet über Jammer und Ohnmacht des Menschen. Im 33. von insgesamt 34 Kapiteln fällt Gott seinen Richtspruch, indem er den Ackermann wegen der Klage um den Tod seiner Frau zurechtweist und den Tod wegen seines Spottes tadelt. In dem folgenden Dialog enthüllt sich das unterschiedliche Menschenbild der beiden Dislat-tanten: i DER TOT: Dein kurze vermmft, dein abgesniten sinne, dein holes herze wellen aus leuten mer machen, dann sie gewesen mugen. Du machest aus einem menschen, was du wilt, es mag nicht mehr gesein, dann als ich dir sagen wil mit vrlaub1 aller reinen frawen: Ein mensche wirt in sunden 5 empfangen, mit vnreinem, vngenantem vnflat in muterlichem leibe generet, nacket geboren vnd ist ein besmiret binstock, ein ganzer vnlust, ein vnreiner mit2, ein kotfaß, ein wurmspeise, ein stankhaus, ein vnlustiger spulzuber, ein faules as, ein scbimelkaste, ein bodenloser sack, ein lochcrctc taschc, ein blasebalk, ein geitiger5 slunt, ein stinkender leimtigel, ein vbel-riechender harnkrug, ein vbelsmeckender eimer, ein betriegender tockenschein4, ein leimen io raubhaus, ein vnsetig leschtrog vnd ein gemalte begrebnuß. Es merke wer da welle: ein iegli-ches ganz gewurktes mensche hat neun locher in seinem leibe, aus den allen fleusset so vnlustiger vnd vnreiner vnflat, das nicht vnreiners gewesen mag. 1 Verlaub 2 noch dazu 3 gierig 4 Puppenschein 39 5 kunstvoll 6 Geister 7 Wunderkräfte 8 das femrei-chende Gehör 9 vollkommen Die Satire 20 DER ACKERMAN: Ffe't euch, böser schandensack! wie vernichtet, vbel handelt vnd vneret ir den werden menschen, gotes aller liebste creature, damit ir auch die gotheit swechet! [..,] Wo hat ie werkman gewurket.so behendes vnd reiches werkstuck, einen so werkberlichen5 kleinen kloß als eines menschen haubet? In dem ist kunstenreiche kunsl allen gotern6 ebentewer7 verborgen: da ist in des äugen apfel das gesichle, das aller gewissest gezeuge, meisterlich in spiegeis weise verwirket; bis an des himels klare zirkel wurket es. Da ist in den oren das ferre gewurket gehören8, gar durchnechtiglichen9 mit einem dünnen feile vergitert zu prufung vnd vnder-scheit mancherlei süsses gedones. Da ist in der nasen der ruch durch zwei loch« ein vnd aus geend, gar sinniglichen verzimmert zu behegelicher senftigkeit alles lustsames vnd wunnc-sames riechens, das da ist nar der sele. Da sint in dem munde zene, alles leibfuters tegeliches malende einsacker; darzu der Zungen dünnes blat den leuten zu wissen bringend ganz der leute meimmg; auch ist da des smackes allerlei koste lustsame prufung. Dabei sint in dem köpfe aus herzengrundc geende sinne, mit den ein mensche, wie ferre er wil, gar snellc reichet; in die gotheit vnd darvber gar klimmet der mensche mit den sinnen. Vergleichen Sie die Argumente! Inwiefern prallen hier mittelalterliche Gedanken und die neue zukunftsweisende Haltung des Humanismus aufeinander? Beispiel 5: Aus „DAS NARRENSCHIFF" (1494) von Sebastian Brant (1458-1521) Der Straßburger Humanist schuf damit die erfolgreichste Satire seiner Zeit (Satire = die spöttisch-kritische Darstellung von Mißständen aller Art). Das „Narrenschiff" war bis zu Goethes „Werther" das meistverbreitete literarische Werk im deutschen Sprachraum und wurde zum Vorbild für die spezielle Literaturgattung der Narrenliteratur. Die in unseren Beispielen enthaltenen Motive der närrischen Schiffahrt als Lebensmetapher, des Glücksrads der Fortuna und des Todes als Lebenshintergrund sind für die besprochene Epoche überaus charakteristisch. 1 Aus; EINE VORREDE Alle Lande sind jetzt voll heiliger Schrift Und was der Seelen Heil betrifft: 3 Voll Bibeln, heiliger Vater Lehr Lind andrer ähnlicher Bücher mehr, So viel, daß es mich wundert schon, Weil niemand bessert sich davon. |a, Schrift und Lehre sind veracht't, io Es lebt die Welt in finstrer Nacht Und tut in Sünden blind verharren; Alle Gassen und Straßen sind voll Narren, Die treiben Torheit an jedem Ort Und wollen es doch nicht haben Wort. Den Narrenspiegel ich dies nenne, In dem ein jeder Narr sich kenne; Wer jeder sei, wird dem vertraut, Der in den Narrenspiegel schaut. [...] 40 ©etilen, folgt mtS lntttcrioaniit! Sßir fßljrctt tnä Scfjlamfjcitlaiii Uni) Stechen iioclj in «cfjfnmm ittiti <2im&. 60 In diesen Spiegel sollen schauen Die Menschen alle, Männer, Frauen; Die einen mit den andern ich mein'; Die Männer sind nicht Narrn allein, Man findet auch Närrinnen viel, Denen ich Kopftuch, Schleier und Wil1 Mit Narrenkappen hier bedecke. Aus: VON CLÜCKES ZUFALL Der ist ein Narr, der hochauf steigt, Daß seine Scham der Welt er zeigt, Und sucht stets einen höhern Grad Und denkt nicht an des Glückes Rad. Was hochauf steigt in dieser Welt, Gar plötzlich oft zu Boden fällt. Kein Mensch so hoch hier kommen mag Der sich verheißt den künftgen Tag, Und daß er Glück dann haben will, Denn Klotho2 hält ihr Rad nicht still, Oder den sein Reichtum und Gewalt Vorm Tod einen Augenblick erhalt'. Aus: SICH DES TODES NICHT VERSEHEN AU die wir leben hier auf Erden, Ihr lieben Freund', betrogen werden, Weil wir nicht vorzusehn gewohnt Den Tod, der unser doch nicht schont. Wir wissen, und es ist uns kund, Daß uns gesetzet ist die Stund, Und wissen nicht wo, wann und wie? Doch ließ der Tod noch keinen hie, Wir sterben all und fließen hinnen Wie Wasser, die zur Erde rinnen. Darum sind wir gar große Narren, . Daß wir nicht denken in viel Jahren, Die uns Gott deshalb leben laßt, Daß wir uns rüsten auf das best' Zum Tod und lernen, daß wir hinnen Einst müssen, ohne zu entrinnen. [...] O Tod, was hast du für Gewalt, Dieweil du hinnimmst jung und alt! O Tod, wie ist so hart dein Nam' Für Adel, Macht und hohen Stamm; Für den zumal, der Freud und Mut Allein gesetzt auf zeitlich Gut! Der Tod mit gleichem Fuß zertritt Des Königs Saal, des Hirten Hütt: Er achtet Pomp nicht, Macht noch Gut, Dem Papst er wie dem Bauern tut. Nach gleichem Recht der Tod hinführt Das, was das Leben je berührt. BoiTgluckeefall ©eri(leYanair SerfHcJet §ocrj öomittraanflcf ffnfcrjanbvnb fämotf TQtit) fuc§et (Uts ejn §6vem grab Vni> cjbencfet nit an cfäic?es rab ISitfurfdjen bm bot Tflp/r «"bei Ptrocfen ffeßeit ftiinbt All bi'e vff erben feSen fjnbc ©as wir firfefjeam't Bf 5? t ] von tat. velum (Schleier der Nonnen) 2 eine der drei griechischen Schicksals-göttinen, die den menschlichen Lebens faden spinnen Das Xarrcnschiff, gedruckt in Basel 1494. 75 der insgesamt 116 Holzschnitte schuf mit ziemlicher Sicherheit Albrecht Durer in seiner Basler Zeit, 1492. Er war damals 21, Brant war 54 jähre alt und gerade Dekan der juristischen Fakultät geworden. Dichter und Illustrator arbeiteten vermutlich eng zusammen. - 1 r Der Meislersang Das Fastnachtsspiel 1 manchmal; v=u, vv-u Durch seine Dramen und Fastnachtsspiele wurde der Nürnberger Schuhmachermeister Hans Sachs (1494-1576) zum bekanntesten Dichter des 16. Jahrhunderts. Seine 4725 Meisterlieder sind zwar ziemlich vergessen, damals war der von seßhaften Bürgern aus dem Handwerkerstand nach festen Regeln betriebene Meistersang allerdings eine wichtige kulturelle Institution. Überall in Deutschland entstanden Meistersingerschulen (Hauptzentren: Mainz und Nürnberg). Richard Wagner (1813-1883) hat Hans Sachs zur Hauptfigur seiner Oper „Die Meistersinger von Nürnberg" gemacht. Beispiel 6: Aus „DER FARENDT SCHULER IM PARADEISS" (1550) von Hans Sachs Ein Student macht einer Bäuerin weis, er habe im Paradies ihren verstorbenen ersten Mann getroffen. Es gehe ihm dort schlecht, und man müsse ihm Geld und andere Dinge bringen, die ihm das Leben angenehm machen. Die Bäuerin gibt ihm das Verlangte. Ihr gegenwärtiger Mann, dem sie alles erzählt, durchschaut den Schwindel, und er reitet dem Studenten nach. ■ Als er jemanden nach dem Übeltäter fragt, ahnt er nicht, daß er den Gesuchten bereits vor sich hat. Dieser schickt ihn in eine bestimmte Richtung und verspricht, inzwischen auf das Pferd aufzupassen. Später kommt der Bauer zurück: Der Pawr kumbt, sieht sich vmb und spricht:1 Botz leichnam angst, wo ist mein Pferdt? fa, bin ich frumb vnd ehrenwerdt, So hat mirs der bößwicht hin ghritten, Er daucht mich sein dückischer Sitten, Hat auch das gelt vnd kleider hin. Der gröst Narr ich auff erden bin, Das ich traudt diesem Schalck vertrugen. Schaw, dort kumbt auch mein Weib herzogen, Ich darff jr wol vom Roß nit sagen, Ich troet jr vor hart zu schlagen, Das sie so einfeltig het eben Dem lantzpscheissr das dinglich geben, Vnd ich gab jm doch selb das Pferdt, Viel grösser streich wer ich wol werdt, Weil ich mich klüger dünck von sinnen. Ich wil etwan ein außred finnen. Die Pewrin kumbt vnnd spricht: Schaw, bist zu fusen wider kummen, Hat er das gelt von dir genummen? Der Pawr spricht: Iha, er klagt mir, der weg wer weit, Auff das er kumb in kurtzer zeit Ins Paradeiß, zu deinem Mann, Das Pferdt ich jm auch geben hann, Das er geritten kumb hienein, Bring auch das Pferdt dem Manne dein. Mein Weib, hab ich nit recht gethan? Die Pewrin spricht: Iha, du mein hertzen lieber Man, Erst vermerck ich dein trewes hertz. Ich sag dir das in keinem schertz. Wolt Gott, das du auch stürbest morgen, Das du nur sehest vnuerborgen, Wie ich dir auch geleicher weiß Nach schicken wolt ins Paradeiß. Nichts ich so weit zu hinterst het, Das ich dir nit zu schicken thet: Gelt, kleider, Kelber, genß vnd Sew, Das du erkennest auch mein trew, Die ich dir hindn vnd foren trag. Der Pawr spricht: Mein Weib, nichts von den dingen sag, Solch Geistlich ding sol heimlich sein. Die Pewrin spricht: Es weiß schon die gantz dorff gemein. Der Pawr spricht: Ey, wehr hats jn gesagt so baldt? Die Pewrin spricht: Ey, eh du nein riedts in den Waldt, Hab ichs gesagt von trumb zu endt, Was ich meim Mann hab hin gesendt Ins Paradeiß, gar mit andacht. Ich mein, sie haben mein gelacht Vnd sich alle gcfrewdt mit mir. Der Pawr spricht: Ey, das vergelt der Teuffei dir! Sie haben all nur dein gespodt! Wie hab ich ein Weib, lieber Gott! -Geh nein, rieht mir ein Millich ahn. Die Pewrin spricht: Jha, khumb hernach, mein lieber Man. ^1 7 Wovor warnt Sachs in seinem Fastnachtspiel? 42 Bekannte Volksbücher aus dieser Zeit sind das „BUCH VON DEN SCHILDBÜRGERN" Das Volksbuch oder das „LALEBUCII", das seine satirischen Angriffe gegen kleinbürgerliche Torheit und verwaltungsmäßige Dummheiten richtet, sowie der „TILL EULENSPIEGEL" (deutsch 1515), die Geschichte eines Bauernkncchts, der es mit seinen Streichen besonders auf die Handwerksmeister und Bürger abgesehen hat. Beispiel 7: W[% Aus dem Volksbuch „HISTORIA VON D. JOHANN FAUSTEN", 1587 erstmals gedruckt Mi und verbreitet vom Frankfurter Buchdrucker Johann Spieß Faust hat tatsächlich gelebt (Georg Faust wurde 1480 in Knittlingen in Württemberg geboren und starb 1540 bei Staufen im Breisgau) und war der Überlieferung gemäß ein hochbegabter Mensch, der nach dem Studium der Medizin, Philosophie und Theologie durch die Welt bummelte und als Zauberer und Hexenmeister von sich reden machte. l Fausts Bildung: Als D. Faust eines ganz gelernigen und geschwinden Kopfs zum Studieren qualifiziert und geneigt war, ist er hernach in seinem Examine vor den Rectoribus so weit kommen, daß man 5 ihn in dem Magistrat examiniert, und neben ihm auch 16 Magistros, denen ist er im Gehöre, Fragen und Geschicklichkeit obgelegen und gesieget, also daß er seinen Teil genugsam studieret hat, war also Doctor Theologiae. Daneben hat er auch einen thummen, unsinnigen und hoffärtigen Kopf gehabt, wie man ihn denn alle Zeit den Speculierer genennet hat, ist zur bösen Gesellschaft geraten, hat die h. Schrift ein Weil hinter die Thür und unter die Bank 10 gelegt, ruch- und gottlos gelebt, wie denn diese Historia hernach genugsam bezeuget. Aber es ist ein wahr Sprichwort: Was zum Teufel will, das läßt sich nicht aufhalten, noch ihm wehren. Zudem fand D. Faustus seinesgleichen, die gingen um mit Chaldäischen, Persischen, Arabischen und Griechischen Worten, figuris, characteribus, conjurationibus, incantationi-bus, und wie solche Namen der Beschwörung und Zauberei mögen genennet werden. Das 15 gefiel D. Fausto wohl, speculierl und studiert Tag und Nacht darinnen, wollt sich hernach keinen Theologum mehr nennen lassen, ward ein Wekmensch, nannte sich einen D. Medi-cinae, ward ein Astrologus und Matbematicus und zum Glimpf ein Arzt. Half auch erstlich vielen Leuten mit der Arznei, mit Kräutern, Wurzeln, Wassern, Tränken, Recepten und Cli-sticrenDameben war er redsprechig, in der göttlichen Schrift wohlerfahren. Er wußte die 1 Darmspülung 20 Regel Christi gar wohl: Wer den Willen des HERRN weiß und thut ihn nicht, der wird zwiefach geschlagen. Item, niemand kann zweien Herren dienen. Item, du sollst Gott den HERRN nicht versuchen. Dies alles schlug er in den Wind, setzte seine Seel ein Weil über die. Überthür, darum bei ihm keine Entschuldigung sein soll. 25 Erfüllt von einem unstillbaren Erkenntnisdrang, schließt Faust mit dem Teufel einen Pakt: Ich, Johannes Faustus, D., bekenne mit meiner eigenen Hand öffentlich, zu einer Bestätigung und in Kraft dieses Briefs: Nachdem ich mir fürgenommen, die Elcmcnta zu spcculicrcn, aus den Gaben aber, so mir von oben herab beschert und gnädig mitgeteilt worden, solche 30 Geschicklichkeit in meinem Kopf nicht befinde, und solches von den Menschen nicht erlernen mag; so hab ich gegenwärtigem gesandten Geist, der sich Mephostophiles nennet, ein Diener des höllischen Prinzen in Orient, mich untergeben, auch denselbigen, mich solches zu berichten und zu Ichren, mir erwählet, der sich auch gegen mir versprochen, in allem unterthänig und gehorsam zu sein. Dagegen aber ich hinwider gegen ihm verspreche und 35 gelobe, daß, so 24 Jahr, von Dato dieses Briefs an, herum und vorüber gelaufen, er mit mir nach seiner Art und Weis, seines Gefallens zu schalten, walten, regieren, führen Macht haben solle, mit allem, es sei Leib, Seel, Fleisch, Blut und Gut, und das in Ewigkeit. Hierauf absage ich allen denen, so da leben, allem himmlischen Heer und allen Menschen; und. das muß sein. 40 Aus Fausts Wettfahrten: Er kam auch unsichtbar für des Papsts Palast, da sähe er viele Diener und Hofschranzen, und die Gerichte und Speisen, so.man dem Papst auftrug, und so überflüssig, daß Faust darnach zu seinem Geist sagte: „Pfui, warum hat mich der Teufel nicht auch zu einem Papst 43 r gemacht?" D. Faustus sähe auch darinnen alles seines gleichen, als Übermut, Stolz, Hochmut, Vermessenheit, Fressen, Saufen, Hurerei, Ehebruch und alles gottlose Wesen des Papstes und seines Geschmeißes, also daß er hernach weiters sagte: „Ich meinte, ich wäre ein Schwein oder Sau des Teufels, aber er muß mich noch länger ziehen; diese Schweine zu Rom sind gemästet, und alle zeitig zu braten und zu kochen." Und dieweil er viel von Rom gehört, ist er mit seiner Zauberei drei Tag und Nacht unsichtbar in des Papsts Palast blieben, und hat der gute Herr Faustus scithero nicht so viel gutes gegessen noch getrunken. Einmal stund er unsichtbar vor dem Papst; wenn nun der Papst essen wollt, so machet er ein Kreuz für sich; so oft das dann geschähe, blies D. Faustus ihm in das Angesicht. Einmal lachte D. Faustus, daß mans im ganzen Saal hörte, dann weinete er, als wenn es ihm Ernst wäre; und wußten die Aufwärter nicht, was das wäre. Der Papst beredete das Gesinde, es wäre eine verdammte Seele, die bäte um Ablaß, darauf ihr auch der Papst Buße auferlegte. D. Faustus lachte darob und gefiel ihm solche Verblendung wohl. Als aber die letzten Gerichte auf des Papstes Tisch kamen, und D. Faustum hungerte, hub er, Faustus, seine Hand auf, alsbald flogen ihm Gerichte und Speisen in die Hand mitsamt der Schüssel und er verschwand also damit samt seinem Geist auf einen Berg zu Rom, Capitolium genannt, und aß allda mit Lust. Er schickte auch seinen Geist wieder hin, der mußte ihm den besten Wein von des Papstes Tisch bringen, samt den silbernen Bechern und Kannen. Da nun der Papst solches alles gesehn, was ihm geraubt worden, hat er in derselbigen Nacht mit allen Glocken zusammen läuten lassen, auch Meß und Fürbitt für die verstorbene Seel lassen halten, und in großem Zorn den Faustum oder die verstorbene See) in das Fegefeuer condemmniert und verdammt. D. Faustus hatte indeß gut fegen mit des Papstes Speis und Trank. Das Silbergeschirr aber hat man nach seinem Abschied hinter ihm funden. Faust wird vom Teufel geholt: Es geschähe aber zwischen zwölf und ein Uhr in der Nacht, daß gegen dem Haus her ein großer ungestümer Wind ginge, so das Haus an allen Orten umgäbe, als ob es alles zu Grunde gehen und das Haus zu Boden reißen wollte. Darob die Studenten vermeinten zu verzagen, sprangen aus dem Bett und hüben an, einander zu trösten, wollten aus der Kammer nicht; der Wirt lief aus seinem in ein ander Haus. Die Studenten lagen nahe bei der Stuben, da D. Faustus innen war, sie hörten ein greuliches Pfciffcn und Zischen, als ob das Haus voller Schlangen, Nattern, und andrer schädlicher Würmer wäre. Indem gehet D. Fausti Thür auf in der Stuben, der hub an, um Hülf und Mordio zu schreien, aber kaum mit halber Stimm. Bald hernach höret man ihn nicht mehr. Als es nun Tag ward, und die Studenten die ganze Nacht nicht geschlafen hatten, sind sie in die Stuben gegangen, darinnen D, Faustus gewesen war. Sie sahen aber keinen Faustum mehr, und nichts, denn die Stuben voller Bluts gesprützet. Das Hirn klebte an der Wand, weil ihn der Teufel von einer Wand zur andern geschlagen hatte. Es lagen auch seine Augen und etliche Zahn allda, ein greulich und erschrecklich Spcc-takel. Da hüben die Studenten an, ihn zu beklagen, und zu beweinen, und suchten ihn allenthalben. Letztlich aber funden sie seinen Leib heraußen bei dem Mist liegen, welcher greulich anzusehen war, dann ihm der Kopf und alle Glieder schlotterten. Welche Elemente des Humanismus lassen sich in den Textstellen aus dem „Faustbuch" erkennen? Wie beurteilt der Verfasser den Humanismus, und wie werden die Wissenschaften gesehen? Ist der Verfasser Katholik oder Protestant? Begründen Sic Ihre Entscheidung! Bildende Kunst 44 Seitenblicke Die eigentlichen Höchstleistungen der Renaissance entstanden auf dem Gebiet der Malerei und Plastik. Albrecht Dürer (1471 -1528) gilt als größter deutscher Maler und Kupferstecher dieser Zeit. Zum Inbegriff des frühneuzeitlichen Universalgenies wurden die Italiener Leonardo da Vinci (1452-1519) und Michelangelo Buonarotü (1475-1564, Abb. auf S. 46: „David", und im Farbteil „Sixtinische Kapelle"). In der Musik war die Renaissance das Zeitalter der großen Vokalpolyphonie. Giovanni Pierluigi da Palestrina (1526-1594) wendete einen neuen, für die Kirchenmusik verbindlichen Stil an. Daneben gab es in den Madrigalen äußerst kunstvolle weltliche Chorlieder als Gegenstücke zu den geistlichen Motetten. Aber auch die Weltliteratur dieser Zeit weist große Namen auf: Lodovico Ariosto (1474-1533) schrieb das berühmte Epos „Der rasende Roland". Der Franzose Francois Rabelais (1494-1553) wurde durch seine groteske Satire „Gargantua und Pantagruel" berühmt. Michel de Montaigne (1533-1592) schuf die neue Literaturgattung des Essays. Miguel de Cervantes Saavedra (1547— 1616) schrieb den unsterblichen „Don Quijote". Über die Bedeutung des englischen Dramatikers William Shakespeare (1564-1616) für die deutsche Dramatik wird im Zusammenhang mit der Aufklärung noch zu sprechen sein (einige Titel: „Othello", „König Lear", „Richard III.", „Der Kaufmann von Venedig", „Romeo und Julia", „Ein Sommernachtstraum"1). Sein „HAMLET", der an seiner Mutter und ihrem Mann deren Mord an seinem Vater rächt und selbst dabei zugrunde geht, wurde zu einer der faszinierendsten Gestalten der neuzeitlichen Literatur - als Modcllfall des modernen, zwischen Handeln und Reflexion zerrissenen Menschen, auf den bis heute immer wieder literarisch Bezug genommen wurde (Goethe: „WILHELM MEISTERS LEHRJAHRE", 1795/96; Heiner Müller: „DIE HAMLETMASCHINE", 1977). Beispiel 8: Aus „HAMLET" (1602) von William Shakespeare t HAMLET: Sein oder Nichtsein dann, das ist die Frage: Was ist das Edlere, im Geist zu dulden Schleuder und Pfeil des rasenden Geschicks, -5 Oder sich waffnen, einem Meer von Plagen Trotzen und so sie enden? Sterben, schlafen, Nicht mehr; wir sagen Schlaf, um so zu enden Das Herzweh und des Lebens tausend Stöße, Die Fleisches Erbteil sind. Eine Vollendung, 10 Aufs innigste zu wünschen. Sterben, schlafen, Schlafen, vielleicht auch träumen: Ah, da hakt sichs! - Denn was im Todesschlaf an Träumen käme, Wenn wir dem sterblichen Wirrwarr entschlüpft sind. Das muß uns anhalten. Da steckt die Rücksicht, 15 Die hilft dem Unglück zu so langem Leben; Denn wer ertrüg Geißeln und Spott der Zeit, Des Unterdrückers Tat, des Stolzen Hochmut, Die Qual verschmähter Lieb', des Rechtes Aufschub, Die Willkür hoher Stellung und die Tritte, 20 Die duldsames Verdienst vom Unwert hinnimmt, Wenn er sich selbst ad acta legen könnte Mit einem bloßen Stich? Wer trüg' die Last Und stöhnt' und schwitzt' unter der Müh des Lebens, Wenn nicht das Graun vor etwas nach dem Tod, 25 Dem unentdeckten Land, aus dem kein Wandrer Zurückkommt, unsern Willen ratlos machte, So daß wir lieber unsre Übel tragen Als fliehn zu anderen, die wir nicht kennen? So macht Bedenken jeden von uns feige, 30 Und des Entschlusses angeborne Farbe Krankt, übertüncht von der Gedanken Blässe; Und mancher hohe, folgenschwere Vorsatz Gerät aus diesem Grunde aus der Bahn Und büßt den Namen Tat ein. (Übers.: Erich Fried) Musik Weltliteratur 1 Der romantische Komponist Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809-1847) schrieb zu diesem Stück eine berühmte Bühnenmusik. 45 Formulieren Sie Hamlets Argumentation mit eigenen Worten! Welches Dilemma beschreibt er? Michelangelo Buonarotti, David, 1501-04 Zusammenfassende Stichworte ■ Renaissance: Wiedergeburt der griechisch-römischen Antike, ausgehend von Italien. Allgemeine Bezeichnung für die Epoche des 15./16. Jahrhunderts. Besondere Verwendung des Begriffs auch im Zusammenhang mit Baukunst und bildender Kunst. ■ Humanismus: Geisteskultur in Wissenschaft und Dichtung zur Zeit der Renaissance. Ziel: Wiederbelebung des antiken Menschenbilds; Idealvorstellung: Autonomie des Menschen. Säkularisierung des Weltbilds. D Reformation: Nach Martin Luthers Kritik an kirchlichen Mißständen und Reformversuchen schließlich Glaubensspaltung. Hauptursache: Bestrebungen, von der Vormundschaft Roms unabhängig zu werden; Konflikt zwischen Landesfiirsten und zen-tralistischer Kirchen- bzw. Kaiserherrschaft. D Schrifttum/Dichtung: Philologische Bearbeitungen und Neuausgaben antiker Schriftsteller, besonders aber auch der Bibel aus dem Altgriechischen bzw. Lateinischen. Luthers Bibelübersetzung als Wegbereiteriti der neuhochdeutschen Schriftsprache. Erfindung des Buchdrucks (Johannes Gutenberg). Satiren (Sebastian Brant), Fastoachtspiele (Hans Sachs), Volksbücher („Faustbuch"). Tips zum Weiterlesen Erasmus von Rotterdam: „Lob der Torheit" (Satire) Stefan Zweig: „Castellio gegen Calvin oder Ein Gewissen gegen die Gewalt" (Roman) Erik Erikson: „Der junge Mann Luther" (psychologische Darstellung der Persönlichkeit Luthers) Dieter Forte: „Mariin Luther & Thomas Münzer oder Die Einführung der Buchhaltung" (Variante des modernen epischen Theaters und des Dokumentartheaters; „Münzer" ist eine absichtliche Namensänderung) Das Zeitalter des Barock 1 Betrachten Sie die Bilder auf dieser und der nächsten Seite genau und finden Sie Stichworte, die zu den Bildern passen! Vergleichen Sie dazu auch die Abbildung einer Skizze von Franz Anton Maulpertsch im Farbteil! 46 links: Luftaufnahme des Schlosses Vuux-lc-Victome rechts: Salzburger Dom I barocker Stich) Foltenzenc, zeitgenössische Darstellung 47