Kaiser Franz Joseph I. und Kaiser Wilhelm II. während einer Galavorstellung in der Wiener Hofoper aus dem um 1900 entstandenen "Buch vom Kaiser". Seit 1879 bestand der Zweibund zwischen dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn. Wilhelm I., König von Preussen und Deutscher Kaiser (ab 1871) * 22.3.1797 im Berliner Schloss † 9.3.1888 im Palais Kaiser Wilhelm in Berlin Begräbnisstätte: Mausoleum im Park von Schloss Charlottenburg Regierungszeit: seit 1857 Stellvertreter seines erkrankten Bruders Friedrich Wilhelm IV.; seit 1858 Prinzregent; Regierungsantritt 18.10.1861; Proklamation zum Deutschen Kaiser 18.1.1871 Vermählt am 11.06.1829 mit Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach 2 Kinder Schon durch seine Geburt, als Sohn der legendären Königin Luise, ist Wilhelm mit dem preussischen Mythos verbunden. Die napoleonische Zeit, aber auch die Befreiungskriege haben ihn tief geprägt. Vielleicht ist er auch durch den Umstand, dass ihm das Königtum eigentlich nicht bestimmt war, Zeit seines Lebens und selbst noch als Kaiser mehr Soldat gewesen als Herrscher. Durch die Kinderlosigkeit der Ehe seines Bruders fiel ihm 1858 das Amt des Prinzregenten und 1861 die Krone zu. Die Erinnerungen an die 48er Revolution prägten Wilhelm I. und nahmen ihn gegen Konstitutionalismus und Parlamentarismus englischer Prägung ein. Im Verfassungskonflikt um die Heeresreform 1862 hätte er lieber die Abdankung gewählt, als seine königlichen Rechte beschneiden zu lassen. Soweit kam es jedoch nicht, da er mit der Ernennung Bismarcks einen Mann zur Seite hatte, der gegebenenfalls Mehrheiten und öffentliche Stimmungen ignorierte. Gegen Parlamentsmehrheit und öffentliche Meinung setzten sie gemeinsam die Heeresreform durch. Gegen alle deutschen Fürsten verweigerten sie sich der österreichischen Bundesreform und gegen die Volksstimmung führten sie 1864 den Krieg gegen Dänemark. Erst mit dem Sieg über Österreich im Jahr 1866 begann sich die öffentliche Meinung zu ändern. Mag in allen diesen Konflikten Bismarck der nach Außen sichtbarer Handelnde gewesen sein, Legitimität gewann sein Tun nur durch das Vertrauen, das ihm der König entgegenbrachte. König Wilhelm zog an der Spitze der seit 1867 verbündeten deutschen Staaten in den Krieg gegen Frankreich, der bereits am 2. September 1870 mit dem Sieg von Sedan entschieden war. Am 18. Januar 1871 wurde Wilhelm I. in Versailles zum Deutschen Kaiser proklamiert, eine neue Würde, die er zunächst nur widerwillig akzeptierte. Er befürchtete, „dass das alte Preussen damit zu Grabe getragen wurde“. Als Wilhelm am 9. März 1888 starb, trauerte nicht nur Preussen, sondern ganz Deutschland um ihn. Er wurde an der Seite seiner Eltern im Mausoleum im Park von Charlottenburg beigesetzt. August Bebel Politiker, Publizist 1840 22. Februar: August Bebel wird als Sohn eines preußischen Unteroffiziers in Deutz bei Köln geboren. 1860 Bebel läßt sich in Leipzig nieder. 1861 Mitglied des Gewerblichen Bildungsvereins, in der Folgezeit Selbststudium und geistige Auseinandersetzung mit den Schriften von Ferdinand Lassalle (1825-1864). 1863 Teilnahme am ersten Vereinstag Deutscher Arbeitervereine. 1864 Selbständiger Drechslermeister in Leipzig. 1865 Bebel wird Vorsitzender des Arbeiterbildungsvereins. Im gleichen Jahr Bekanntschaft mit Wilhelm Liebknecht, unter dessen Einfluß er sich dem Marxismus annähert. 1866 Gemeinsam mit Liebknecht gründet Bebel die Sächsische Volkspartei, als deren Abgeordnete beide ein Jahr später in den Norddeutschen Reichstag gewählt werden. Er heiratet in Leipzig die Tochter eines Eisenbahnarbeiters. 1867 Als Vorsitzender des Verbandes Deutscher Arbeitervereine, der Mitglied der Internationalen Arbeiterassoziation (IAA) wird, wirkt Bebel auf die politische, ideologische und organisatorische Trennung von der liberalen Bourgeoisie hin. 1869 Bebel und Liebknecht gründen in Eisenach die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP), deren Programm und Statuten von Bebel auf marxistischer Grundlage entworfen wurden. 1871 Bebel wird Mitglied des Deutschen Reichstags, dem er bis zu seinem Tode ohne Unterbrechung angehört. 1872 Verurteilung zu zwei Jahren Festungshaft wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" gemeinsam mit Liebknecht und zu weiteren neun Monaten wegen " Majestätsbeleidigung ". In Haft Studium der Werke von Karl Marx (1818-1883) und Friedrich Engels (1820-1895) und eigene Arbeiten zur Strategie und Taktik der Sozialdemokratie. 1878-1890 In der Zeit der "Sozialistengesetze" wird Bebel im Reichstag zum schärfsten Kritiker der politischen Zustände im Deutschen Reich. Die SAP kann trotz scharfer Repressionen ihre Stimmenzahl bei Reichstagswahlen verdreifachen. 1879 "Die Frau und der Sozialismus", Bebels wichtigstes publizistisches Werk, erscheint illegal in Deutschland. Mehrfach ergänzt und umgearbeitet, wird es bis zur Jahrhundertwende zur meistgelesenen marxistischen Schrift. 1891 Bebel ist maßgeblich an der Ausarbeitung des "Erfurter Programms" der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), wie sich die Partei seit einem Jahr nennt, beteiligt. 1892 Bebel wird in den Parteivorsitz gewählt. Die SPD entwickelt sich zur Massenpartei. 1900 Er wendet sich im Reichstag gegen die Intervention des deutschen Imperialismus in China. 1903 Auf dem Dresdner Parteitag der SPD bekennt sich Bebel zum revolutionären Marxismus: "Ich will der Todfeind dieser bürgerlichen Gesellschaft und Staatsordnung bleiben, um sie in ihren Existenzbedingungen zu untergraben, und sie, wenn ich kann, beseitigen." 1909-1913 Bebel hält sich nach dem Tod seiner Frau überwiegend in der Schweiz auf. Er arbeitet an seiner Biographie "Aus meinem Leben". 1912 Auf dem Sozialistenkongreß in Basel während des Balkankriegs hält Bebel eine vielbeachtete Rede über Frieden und Völkerverständigung. 1913 13. August: August Bebel stirbt in dem Schweizer Kurort Passugg an einem Herzleiden. An der Trauerfeier in Zürich nehmen Zehntausende von Menschen teil, darunter führende Vertreter sozialistischer Parteien aus zahlreichen Ländern. Wilhelm Liebknecht Politiker, Publizist 1826 29. März: Wilhelm Liebknecht wird als Sohn des hessischen Regierungsbeamten Ludwig Christian Liebknecht und dessen Ehefrau Katharina (geb. Hirsch) in Gießen geboren. 1832 Nach dem Tod seiner Eltern wächst Liebknecht bei Verwandten auf. 1832-1842 Schulbesuch mit Abschluß des Gymnasiums in Gießen. 1848 Februar: Teilnahme an den revolutionären Kämpfen in Paris. September: Liebknecht beteiligt sich als Freischärler an der republikanischen Erhebung von Gustav von Struve (1805-1870) in Baden und gerät in Untersuchungshaft. 1849 Nach seiner Freilassung im Mai tritt Liebknecht in die Badische Volkswehr ein und nimmt als Adjutant Struves an den Reichsverfassungskämpfen teil. Die Niederlage der Revolution zwingt ihn zur Flucht in die Schweiz, wo er dem Genfer Arbeiterverein beitritt. Persönliche Bekanntschaft mit Friedrich Engels (1820-1895). 1850 Wegen seiner Initiativen zur Vereinigung der deutschen Arbeitervereine in der Schweiz wird Liebknecht verhaftet und des Landes verwiesen. Über Frankreich gelangt er nach London, wo er dem Bund der Kommunisten beitritt. 1850-1862 Exil in London, dort regelmäßige persönliche Kontakte mit Karl Marx (1818-1883) und Engels. Seinen Lebensunterhalt bestreitet Liebknecht notdürftig mit Privatunterricht, Vorträgen und als Zeitungskorrespondent. 1862 Nach einer Amnestie für die Teilnehmer an der Revolution 1848/49 kehrt Liebknecht nach Deutschland zurück. 1863 Eintritt in den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV) von Ferdinand Lassalle (1825-1864). 1869 Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Deutschlands (SDAP) in Eisenach. Liebknecht wird einer der Führer der Partei und leitet die Herausgabe des Parteiorgans "Der Volksstaat". 1871 Liebknecht begrüßt die Ausrufung der Pariser Kommune und stimmt im Norddeutschen Reichstag gegen einen neuen Kredit für den Krieg gegen Frankreich. 1872 Im "Leipziger Hochverratsprozeß" wird Liebknecht zu zwei Jahren Festungshaft verurteilt. 1874 Wahl in den Deutschen Reichstag. 1875 Maßgebliche Beteiligung am Zusammenschluß von SDAP und ADAV zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) in Gotha. 1876 Liebknecht wird Redakteur des neu gegründeten Parteiorgans "Vorwärts" und tritt in seinen Beiträgen für die Durchsetzung der marxistischen Theorie in der SAP ein. 1878-1890 Unter dem "Sozialistengesetz" nutzt Liebknecht seine Position im Reichstag zu heftiger Kritik an den politischen Verhältnissen. Er nimmt an zahlreichen internationalen Sozialistenkongressen in Frankreich, England, der Schweiz und den USA teil. 1891 Liebknecht wird Chefredakteur des "Vorwärts". Auf dem Erfurter Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) begründet er das neue Parteiprogramm, das von marxistischen Grundsätzen geprägt ist. 1891-1900 Noch im hohen Alter tritt Liebknecht auf Hunderten von Partei- und Volksversammlungen in ganz Deutschland als Referent auf. Als Siebzigjähriger wird er 1896 wegen " Majestätsbeleidigung" noch einmal zu vier Monaten Gefängnis verurteilt. 1900 28. Juli: Bei seinem letzten öffentlichen Auftritt wendet sich Liebknecht in Dresden in scharfer Form gegen die Kolonialpolitik des Deutschen Reichs. 7. August: Wilhelm Liebknecht stirbt in Charlottenburg bei Berlin. Mehr als 150.000 Menschen geben ihm das letzte Geleit. Theodor Mommsen Historiker 1817 30. November: Theodor Mommsen wird in Garding (Schleswig) als Sohn eines Pfarrers geboren. 1834-1838 Besuch des Gymnasiums in Altona. 1838-1843 Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Kiel. Promotion über das römische Recht. 1844-1847 Stipendium für altertumswissenschaftliche Forschungen in Italien. 1848 Journalist bei der "Schleswig-Hosteinischen Zeitung". Mommsen unterstützt oppositionelle Forderungen nach liberalen Reformen und einem deutschen Einheitsstaat. Er ist Mitglied des liberalen "Deutschen Vereins". Er erhält eine Professur für römisches Recht in Leipzig. 1851 Mommsen wird seine Professur aberkannt, weil er den Verfassungserlaß des sächsischen Königs kritisiert hat. 1852 Ruf als ordentlicher Professor an die Universität Zürich. 1854 Ordinarius an der Universität Breslau. Heirat mit Marie Reimer, der Tochter seines Leipziger Verlegers. 1854-1856 Veröffentlichung der ersten drei Bände der "Römischen Geschichte". 1858 Berufung an die Preußische Akademie der Wissenschaften in Berlin. Herausgeber der Quellensammlung "Corpus Inscriptiorum Latinarum". 1861-1888 Ordentlicher Professor für römische Geschichte an der Berliner Universität. 1863-1866 Mitglied der Deutschen Fortschrittspartei im preußischen Abgeordnetenhaus. 1870/71 Mommsen plädiert im deutsch-französischen Krieg für eine Annexion Elsaß-Lothringens. Er wird dafür aus der französischen Gesellschaft für Altertumsforschung ("Société nationale des Antiquaires de France") ausgeschlossen. 1873-1879 Erneut Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses. 1874/75 Rektor der Berliner Universität. 1879 Mommsen kritisert im Berliner Antisemitismusstreit den Historiker Heinrich von Treitschke (1834-1896) für dessen Warnungen vor einem gefährlichen Einfluß des Judentums in Deutschland. 1881 Reichskanzler Fürst Otto von Bismarck (1815-1898) erhebt eine Beleidigungsklage gegen Mommsen, der in einem Wahlkampfaufruf dessen Sozialpolitik kritisiert hat. Mommsen wird freigesprochen. 1881-1884 Mitglied des Reichstags für die linksliberale Partei ("Secessionisten"). 1885 Publikation von Band 5 der "Römischen Geschichte". Den vierten Band hat Mommsen nicht mehr verfaßt. 1902 Er wird für seine "Römische Geschichte" mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. 1903 1. November: Theodor Mommsen stirbt in Charlottenburg. Dreiklassenwahlrecht Nach Gründung des Deutschen Reichs wurde der Reichstag nach dem allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlrecht gewählt; wahlberechtigt waren alle Männer ab 25 Jahren. Demgegenüber hielt vor allem Preußen an seinem ungleichen, indirekten Dreiklassenwahlrecht fest, nach dem das Abgeordnetenhaus und die Gemeindevertretungen gewählt wurden. Dieses 1849 von König Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861) verordnete Wahlrecht teilte die Wähler nach ihrem direkten Steueraufkommen in drei Klassen ein. Den Preussischen Landtag bildeten das Herrenhaus und das Abgeordnetenhaus. Dabei ging das Abgeordnetenhaus aus Wahlen hervor, die nach dem im Wahlgesetz vom 30. Mai 1849 festgelegten Wahlverfahren abgehalten wurden. Dieses schrieb eine indirekte Wahl vor, in der die sogenannten Urwähler lediglich die Wahlmänner bestimmten, welche dann die Abgeordneten wählten. Dabei wurden die Urwähler in den Gemeinden oder Wahlbezirken gemäß dem erbrachten Aufkommen direkter Steuern in drei Klassen unterteilt. Die erste Klasse bildeten die Höchstbesteuerten, die das erste Drittel der Steuersumme aufbrachten. Der zweiten Klasse gehörten die Bezieher mittlerer und kleiner Einkommen, die das zweite Steuerdrittel aufbrachten an. Der dritten Klasse wurden alle diejenigen zugerechnet, die mit ihren geringen Einkommen das letzte Drittel aufbrachten oder sogar ohne Steuerpflicht waren. Jede Klasse bestimmte dann die gleiche Anzahl der Wahlmänner. So umfaßte 1908 die erste Klasse der am höchsten Besteuerten nur vier Prozent der Wähler, durfte aber ebenso viele Wahlmänner stellen wie die dritte Klasse mit rund 82 Prozent der Wahlberechtigten. Zudem begünstigte die Wahlkreiseinteilung die dünnbesiedelten Agrargebiete im Osten. Bei ihren Protesten gegen das undemokratische Dreiklassenwahlrecht mit seiner öffentlichen Stimmabgabe wurden die Sozialdemokraten von fortschrittlichen Liberalen unterstützt.