Herta Müller Geb. 1953 2002 in Prag, die Adenauer-Stiftung „Europa im Wandel“ Mit Eginald Schlattner Plán • Banát a Sedmihradsko / Siebenbürgen • historický kontext • exotika země za železnou oponou • teprve represe, pronásledování tajnou policií Securitate a lhostejnost spisovatelských kolegů ji přivedly k psaní • spojení angažovanosti a neotřelého vyjadřování • preciznost metafor jako sebeobrana před literáckostí • Josef Zierden, in:Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur • Kateřina Žáková: Schamlos und schön. Zur Darstellung der Männerliebe in Herta Müllers Roman Die Atemschaukel. 2014 • Aneta Lontrasová: „Securitate ist noch im Dienst.“ Geheimdienst als Thema in Herta Müllers Büchern und ihre Polemik gegen öffentliche Personen und Verbände. 2013 • Marie Dedíková: Raumfigurationen in Herta Müllers Werken Herztier und Niederungen. 2013 • Marişescu, Tonia: Raumfigurationen in Herta Müllers „Niederungen“. In: Mauerschau 5. S. 70-81, S. 73. Duisburg: Universitätsverlag Rhein-Ruhr 2010. Im Internet unter http://www.uniedue.de/imperia/md/content/germanistik/mauerschau /mauerschau5_marisescu.pdf, Herta Müller, Sekundärliteratur • Herta Müller • Text und Kritik, Band 155 • Edition Text und Kritik, München 2002 • "who, with the concentration of poetry and the frankness of prose, depicts the landscape of the dispossessed" • Herta Müller, Sekundärliteratur Nobelpreiskommitee, Peter Englund • HM zeichne "mittels der Verdichtung der Poesie und Sachlichkeit der Prosa Landschaften der Heimatlosigkeit“. • Sie habe durch ihr eigenes Schicksal eine wirkliche Geschichte zu erzählen - "und dabei geht es nicht nur um das tägliche Leben in einer Diktatur, sondern auch darum, wie es ist, ein Außenseiter zu sein". • Díky koncentrovanosti básnického výrazu a věcnosti prózy zachycuje krajiny ztracené domoviny. • Díky svému individuálnímu osudu může vyprávět skutečný příběh, nejen o všedním životě v diktatuře, nýbrž co to znamená odcizit se prostředí, v němž máme žít. Nitzkydorf oder Nitchidorf Banat • Herrschaftsbereich eines Ban (serbisch/kroatisch/ungarisch für Graf/Markgraf) • Donauschwaben: Pfälzer, Schwaben, Bayern, Hessen und Elsässer. • Banat im Jahre 1913: 500.835 Einwohner, davon Rumänen fast 170.000, Deutschen (166.000), Ungarn (80.000) und Serben (70.000) 40 km na východ od Timisoara / Temeswar • „abgeschottet, so weit weg von der Welt“, „wie eine Kiste in der Landschaft steht“, • eine Kiste, „in der man geboren wird, heiratet, stirbt.“ • Zwei Kirchen: eine rumänisch-orthodoxe und eine römisch-katholische • • Izolovaná (vesnice), vzdálená světu, jako krabice uprostřed krajiny • Krabice, do které se člověk narodí, kde se vdá a umře. Heinrich Zillich • Sein Entwicklungsroman Zwischen Grenzen und Zeiten (1936) preisgekrönt, während der 7. Berliner Dichterwoche von Adolf Hitler empfangen. • In der Zeit des Kalten Krieges erschienen seine Bücher zusammen mit denen anderer NS-Autoren wie z. B. Hans Grimm in der Firmengruppe des Verlegers Herbert Fleissner, so in Zillichs altem Verlag Langen-Müller, sowie bei Bertelsmann. Zillich war ab 1952 Sprecher und ab 1963 Ehrenvorsitzender der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen. • Adolf Meschendörfer, Eginald Schlattner Als Autor des Roman "Die Stadt im Osten„ 1937 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Universität Breslau und übersiedelte aus Lronstadt nach Deutschland. Auch nach 1945 wichtiger Vertreter der Rumäniendeutschen Literatur. 1957 wurde Schlattner verhaftet und 1959 wegen „Nichtanzeige von Hochverrat“ verurteilt. Er war bis zur Pensionierung evangelischer Pfarrer in Rothberg (Roşia) bei Hermannstadt (Sibiu) und auch Gefängnispfarrer in Gherla. Nach dem Erscheinen des Romans „Rote Handschuhe“ (2000), in dem Eginald Schlattner die Hauptfigur ihre Situation als Gefangene der Securitate beschreiben lässt, wurde seine Rolle im Schriftstellerprozess kontrovers. Aus den Folterverhören dieser Zeit gingen Protokolle hervor, aufgrund derer ehemalige Weggefährten wie z.B. Wolf von Aichelburg oder Hans Bergel, die z.T. zu langen Haftstrafen verurteilt wurden, Schlattner war als „Zeugen der Anklage“. Rumunští Němci • Im Februar 1942 bzw. im Mai 1943 schloss Deutschland Abkommen mit Ungarn bzw. Rumänien: die wehrfähigen Deutschen aus Nord- und Südsiebenbürgen zur Waffen-SS, in Einheiten der Wehrmacht, in die deutsche Rüstungsindustrie sowie in die Organisation Todt, eine technischen NSSpezialtruppe, die im Krieg Aufgaben im militärischen Bauwesen übernahm. Rund 15 Prozent von ihnen fielen im Krieg. Von den Überlebenden konnten nur wenige Tausend nach Rumänien zurückkehren, wo sie verhaftet und zum Teil jahrelang in Gefangenschaft gehalten wurden. • • Deportace 1945 • im Januar 1945 die arbeitsfähige deutsche Bevölkerung Rumäniens – Männer zwischen 17 und 45 und Frauen zwischen 18 und 30 Jahren – zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert. Ungefähr 15 Prozent der insgesamt 75000 Deportierten kamen dabei ums Leben, von den Heimkehrenden wurden viele aus der Sowjetunion in die neu gegründete DDR entlassen, andere gelangten in die Bundesrepublik Deutschland sowie nach Österreich. Entrechtung • Den Rumäniendeutschen wurde zwischen 1946 und 1950 das Wahlrecht verwehrt. Durch das Agrarreformgesetz vom 23. März 1945 verloren sie ihren landwirtschaftlichen Grundbesitz sowie ihre Häuser mit lebendem und totem Inventar. Damit wurde den rumäniendeutschen Bauern – im Jahre 1945 machten sie noch 77 Prozent der gesamten deutschen Bevölkerung aus – ihre wirtschaftliche Lebensgrundlage entzogen. • Nach dem Tode Stalins die Zwangslager bis 1964 aufgelöst, ein Teil der enteigneten Häuser und Höfe wurde an die Betroffenen zurück gegeben. • Auswanderung • Zwischen 1973 und 1977 erreichten die Aussiedlerzahlen durchschnittlich 7200 Personen pro Jahr. 1978 erreichte Bundeskanzler Helmut Schmidt mit Rumäniens Staats- und Parteichef Nicolae Ceauşescu eine Vereinbarung, wonach Rumänien sich verpflichtete, jährlich zwischen 12000 und 16000 Deutschen die Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland zu gestatten. Im Gegenzug sagte der Bundeskanzler die Zahlung eines Pauschalbetrags pro Aussiedler zu. Dieser Betrag stieg von 5000 DM im Jahre 1978 auf 7800 DM zum Zeitpunkt der Wende an. Auswanderung, Klaus Iohannis gewann 2014 gegen Victor Ponta, auch jetzt in der Stichwahl am 24. November 2019 hat er gute Chancen • 2012 lebten noch 36.000 Menschen deutscher Herkunft in Gesamtrumänien. • Temeswar, Timisoara, nach Bukarest die zweitgrößte Stadt des Landes. • Hermannstadt, Sibiu, 154.458 • Kronstadt, Brașov • Cluj-Napoca (bis 1974 Cluj, dt. Klausenburg, ung. Kolozsvár) • „Mein Vaterland war ein Apfelkern“, 2014 • Gespräch mit Angelika Klammer: ein ungewöhnlicher Lebensweg, der vom Kind, das Kühe hütet, bis zur weltweit bekannten Schriftstellerin im Stadthaus in Stockholm führt. • „Die Landschaft der Kindheit legt Spuren für den Landschaftsblick aller weiteren Jahre. Die Kindheitslandschaft sozialisiert ohne Hinweis. Sie schleicht sich in uns hinein.“ zwei Menschentypen, und die unterscheiden sich in der Art, wie sie Landschaft spüren (MVieA) • Die einen steigen gerne auf einen Berg, stehen mit den Füßen dicht unter den Wolken und beherrschen das Tal, mit dem Kopf, mit dem Blick. Die kriegen oben einen freien Atem, da wird ganz groß geschnauft und die Brust weitet sich. Und die anderen fühlen sich, wenn sie oben stehen und hinunterschauen, erst richtig verloren. Ich gehör zu den Verlorenen, mir schnürt sich der Hals zu. Je größer der Ausblick ist, desto beengter und bedrängter bin ich. • Jedni rádi stoupají na kopec, stojí nohama těsně pod oblaky a ovládají údolí, hlavou, pohledem. Nahoře začnou dýchat volněji, zhluboka se nadechnou a hruď se jim otevře. Druzí se nahoře, jak tam tak stojí a dívají se dolů, cítí teprve skutečně ztracení. Patřím k těm ztraceným, hrdlo se mi zúží. Čím větší výhled, tím více jsem vystrašená a zahnaná do kouta. Zeitwahrnehmung • Ich dachte auch, dass alle Atemzüge, die man tut, gezählt werden. Dass sie sich wie Glaskügelchen auf einer Schnur auffädeln und eine Kette bilden. Und wenn die Atemkette eine Länge hat, die vom Mund bis zum Friedhof reicht, dann stirbt man. Weil der Atem unsichtbar ist, kennt kein Mensch die Länge seiner Atemkette. Und darum weiß kein Mensch, weder von sich selbst noch vom anderen, wann er stirbt. • Také jsem si myslela, že vdechy a výdechy jsou všechny spočítány. Že se navlékají jako skleněné korálky na šňůru a tvoří řetízek. A když ten řetěz vdechů a výdechů dosáhne délky od úst ke hřbitovu, člověk umře. A protože je dech neviditelný, člověk délku svého řetízku nezná. A proto člověk neví, kdy on ani ti ostatní zemřou. Wie viele Kühe hatten Sie denn zu hüten? • Die meiste Zeit hatten wir drei Kühe und ein paar Monate kamen dann noch zwei, drei Kälber dazu. Und wenn die Kälber das nötige Gewicht hatten, mussten wir sie dem Staat abliefern. Drei Kühe, aber jede Kuh ist ein Riesending und nicht so gutmütig, wie sie aussieht, sondern wild und kräftig wie ein Traktor, sehr stur und jähzornig. • Většinou jsme měli tři krávy a na pár měsíců jsme měli navíc dvě nebo tři telata. A až měla telata potřebnou váhu, museli jsme je předat státu. Tři krávy, ale každá kráva je obrovská a ne tak dobrosrdečná, jak vypadá, ale divoká a silná jako traktor, velmi tvrdohlavá a vzteklá. „Mein Vaterland war ein Apfelkern“, 2014 • „Sie schwelgen bis heute in einem abstrakten Heimatbesitz aus der Ferne.“ Die Verstrickungen mit der Securitate sind nie aufgearbeitet worden, davon ist Müller überzeugt. Die seien eben „fürs Heimatalbum ziemlich peinlich. Darüber wird in der Landsmannschaft seither geschwiegen.“ • Ještě dnes se zdálky opájejí jakýmsi abstraktním vztahem k domovině. • Kdo z nich spolupracoval se Securitate, se do alba vzdálené vlasti jaksi nehodí. O tom krajanské spolky už dlouho mlčí. Dankesrede sagte Müller damals in Stockholm • Alle Dorfleute lebten in einer alten Zeit, wurden schon alt geboren. Man muss das Dorf irgendwann verlassen, wenn man jung werden will, dachte ich. Im Dorf waren alle vor dem Staat geduckt, aber untereinander und gegen sich selbst kontrollwütig bis zur Selbstzerstörung.“ • Všichni vesničané žili v starých časech, staří se už rodili. Kdo chce omládnout musí z vesnice někdy odejít, myslela jsem si. Na vesnici se všichni krčili před státem, ale mezi sebou navzájem byli posedlí sebezničujícím kontrolováním. • Titelerklärung „Niederungen“, ein Zitat von Johannes Brobowski • [Der Titel] bezieht sich auf „Wir, die in den Niederungen leben, wir verstehen den Tod, denn er ist uns nicht fremd, weil wir zusammen mit ihm aufgewachsen sind“. Beim Lesen dieser Stelle ist mir das Wort „Niederungen“ aufgefallen, und das erschien mir dann sehr treffend für den Text. Es bezieht sich auf die Banat-Ebene. Eine Niederung ist noch tiefer als eine Ebene. Und es bedeutete im übertragenen Sinn das niedrige Bewußtsein, die niedrige Beschäftigung, das Abgegrenztsein, das Nicht-In-die-Höhe-blicken-Wollen und das Nicht-über-sich-hinausschauen-Können. • Henke, Gebhard: Mir erscheint jede Umgebung lebensfeindlich. Ein Gespräch mit der rumäniendeutschen Schriftstellerin Herta Müller. In: Süddeutsche Zeitung 16.11.1984. • [Titul] se vztahuje na My, kteří žijeme v nížinách, chápeme smrt, protože nám není cizí, protože jsem s ní vyrostli. • Nízké smyšlení, nízké počínání, vyloučení, neochota dívat se do výšky a neschopnost překročit vlastní stín. Nestbeschmutzerin der banat-schwäbischen Gemeinschaft • Niederungenen, Brutalität der Bilder • oříšky bez jádra misky bez obětin předsíňky mrákot úryvky dávné hudby studánky zasypané oblohy zatažené noci bez dnění dvířka zapadlá křtitelničky vyschlé vody bez zrcadlení • • Nížiny, brutální detaily • Úkoly: • Princip koláže? • Od koho jsou české verše? • Je v textu obsažena misogynie? • Srovnejte básnivé metafory české a střízlivý popis HM: • Vnímání času a věku stařen, 31 • Za zimních odpolední sedávají u oken a samy sebe vplétají do punčoch z vlny, která škrábe, a punčochy se dlouží, až jsou dlouhé jako zima, mají paty a mají palce u nohou, jako by mohly chodit. • A nosy nad pletacími jehlicemi se prodlužují a lesknou jako vařené maso. Chvilku na nich ulpí a visí kapky a zatřpytí se, spadnou do zástěry a mizí. • Na zdech visí svatební snímky. Ve vlasech mají těžké věnce a věnečky mají na těsných, plochých jupkách. Na břichu mají překřížené hezké štíhlé ruce a mají mladé, ale smutné obličeje. Vnímání času a věku stařen, 31 • A na dalších snímcích mají v náručí děti a kulatá ňadra se po blůzkami boulí a za nimi stojí vůz naložený do hůry senem. • Během pletení jim vyraší na bradě vousy, světlají a šednou. Někdy vous zabloudí do punčochy. • Knírky rostou s věkem, chlupy rostou i z nosních dírek a bradavic. Jsou obrostlé vlasy a chlupy a nemají ňadra. A když jsou se stárnutí hotovy, tak se podobají mužům a rozhodnou se zemřít. Anti-Heimat-Poetik • Der Bürgermeister, der im Dorf Richter genannt wird, hält im Gemeindehaus seine Sitzungen. Unter den Anwesenden gibt es Raucher, die abwesend rauchen, Nichtraucher, die nicht rauchen und schlafen, Alkoholiker, die im Dorf Säufer genannt werden und die Flaschen unter den Stühlen stehen haben, sowie Nichtalkoholiker und Nichtraucher, die schwachsinnig sind, was im Dorf anständig genannt wird, die so tun, als würden sie zuhören, die aber an etwas ganz etwas anderes denken, falls es ihnen überhaupt gelingt, an etwas zu denken. (N. 129.) Anti-Heimat-Poetik • 103: Starosta, kterému říkáme rychtář, předsedá na obecním úřadě schůzím a zasedáním. Mezi přítomnými jsou kuřáci, kteří s nepřítomným pohledem kouří, nekuřáci, kteří nekouří a spí, alkoholici, kterým ve vsi říkáme ožralové a pod jejichž židlemi stojí láhve, a pak nealkoholici a [ne]kuřáci, kteří jsou na hlavu a slabomyslní, čemuž ve vesnici říkáme řádní občané, a kteří předstírají, že poslouchají, ale myslí na něco úplně jiného, pokud se jim vůbec daří myslet. • I cizinci, kteří dorazí do vsi, nejprve vyhledají národní výbor. • Záchod, který stojí na zadním dvorku národního výboru, je záchod natolik veřejný, že nemá ani dveře an i střechu Dekonstruktion des Heldenmythos: das kindliche WörtlichNehmen einer von der Dorfgemeinschaft gepflegten Redewendung • Die Helden, die im Dorf Gefallene genannt werden, sind, um zu beweisen, dass sie nicht vergebens gestorben sind, was im Dorf den Heldentod gefunden haben genannt wird, weil man wahrscheinlich annimmt, dass sie ihn gesucht haben, auf demselben Friedhof gleich zweimal begraben: einmal im Grab der jeweiligen Familie und einmal unter dem Heldenkreuz. In Wirklichkeit liegen sie aber irgendwo in einem Massengrab, was im Dorf im Krieg geblieben genannt wird. (N. 137 f.) Vesnická kronika, 110 • 109: Mrtví z vesnice se ujedli k smrti, upili k smrti, čemuž ve vsi říkáme, že se udřeli k smrti. • Výjimku tvoří hrdinové, o kterých se předpokládá, že se k smrti probojovali. […] Abychom dokázali, že nezemřeli nadarmo, čemu ve vsi říkáme, že nalezli hrdinskou smrt, protože se pravděpodobně předpokládá, že ji hledali, jsou hrdinové, kterým ve vsi říkáme padlí, na tomtéž hřbitově pohřbeni dvakrát: jednou v rodinném hrobě a jednou pod křížem hrdinů. Ve skutečnosti ale leží někde v masovém hrobě, čemuž ve vsi říkáme, že zůstali ve válce. Niederungen / Nížiny • „Seitdem das Dorf immer kleiner wird, weil die Leute, wenn nicht nach Deutschland, dann wenigstens in die Stadt abwandern, werden die Kerweihfeste immer größer und die Trachten immer festlicher (…) Da aber im Banat alle Dörfer Nachbardörfer sind, beteiligen sich an allen Kerweihfesten dieselben Paare, dieselben Zuschauer und dieselbe Musikkapelle.“ • 104, Od té doby, co se vesnice vylidňuje a zmenšuje, protože se lidé stěhují do Německa, a když ne do Německa, tak alespoň do města, jsou posvícenské zábavy větší a honosnější a kroje slavnostnější (…) Protože v Banátu jsou všechny vesnice sousední, účastní se všech posvícenských slavnostní tytéž páry, totéž obecenstvo a tatáž hudba. Wenn man Kindheit aufschreibt, wird sie schlimmer, als sie war. (Apfelkern, 18) • Ich wusste nämlich, es ist nicht normal, wenn ich denke, dass die Pflanzen nachts herumlaufen, dass das Leben unsere Atemzüge auf eine Kette fädelt und abmisst, dass uns die Erde frisst. Das war surreal. Aber genauso surreal ist doch auch die Religion, die kam noch dazu: Gott ist überall, er sieht alles. Die Toten kommen in den Himmel. • Als ich nach der Messe auf dem Heimweg zu meiner Großmutter gesagt habe, das Herz der heiligen Maria ist eine durchgeschnittene Wassermelone, hat sie geantwortet: »Das kann sein, aber das darfst du nie jemandem sagen.« Damit war das Thema abgehakt. Auf solche Ausrutscher hat meine Großmutter manchmal auch gesagt: »Denk nicht dorthin, wo du nicht sollst.« Werk • "Herztier" 1994, • "Im Haarknoten wohnt eine Dame" 2000, • "Der König verneigt sich und tötet" 2003, • "Die blassen Herren mit den Mokkatassen 2005, • "Atemschaukel" 2009. • Aus Gesprächen mit dem Lyriker Oskar Pastior hervorgegangen. • (* 20. Oktober 1927 in Hermannstadt, Siebenbürgen; † 4. Oktober 2006 in Frankfurt am Main) Herta Müller: Nullpunkt der Existenz. Mit Oskar Pastior in der Ukraine. In: Neue Zürcher Zeitung, 21.10.2006. Atemschaukel, Lager Nowo-Gorlowka • 2010 wurde bekannt, dass Oskar Pastior für die Securitate als Informeller Mitarbeiter unter dem Decknamen Otto Stein gearbeitet hat. • „Als Oskar Pastior 2006 so plötzlich starb, hatte ich vier Hefte voller handschriftlicher Notizen, dazu Textentwürfe für einige Kapitel.“[9] Müller hielt nicht nur Pastiors Erlebnisse aus dem Lager, sondern auch Details fest. Atemschaukel • 64 kurze Abschnitte über Leopold Auberg, den Ich-Erzähler des Romans aus Hermannstadt • vom "Hungerengel" • vom "Blechkuss", • von "Kartoffelmenschen" • der "Atemschaukel„ • 1950, durften diejenigen, die nicht in die "Mörtelgrube" sprangen, nicht erschossen wurden, nicht verhungerten, nach Hause. • Mörtelgrube • Wir sind mit Schaufeln und Holzlatten zur Mörtelgrube gerannt, nicht schnell genug, der Bauleiter stand schon da. Wir mussten alles aus den Händen fallenlassen. Ruki na sad, Hände auf den Rücken – mit einer erhobenen Schaufel hat er uns gezwungen, tatenlos in den Mörtel zu schauen. Die Irma Pfeifer lag mit dem Gesicht nach unten, der Mörtel machte Blasen. Erst schluckte der Mörtel ihre Arme, dann schob sich die graue Decke bis zu den Kniekehlen hoch. […] Der Hinterkopf, kahlgeschoren mit den verkrusteten Läusebissen, hielt sich noch oben wie eine halbe Zuckermelone. Als auch der Kopf geschluckt war, nur noch der Buckel herausschaute, sagte der Bauleiter: Schalko, otschin Schalko. (Seite 68). Atemschaukel • zwölf Tage stinkend, hungrig und durstig, bevor sie in der Nacht an einem unbekannten Ort ausgeladen wurden. • Notdurft im gemeinsamen Waggon verrichten • "Vielleicht wurde in dieser Nacht nicht ich, aber der Schrecken in mir plötzlich erwachsen". • „ geschlechtlich stillgelegt . . . die Halbverhungerten sind nicht männlich oder weiblich, sondern objektiv neutral wie Objekte wahrscheinlich sächlich.“ "Ich wollte langsam essen, weil ich länger was von der Suppe haben wollte. Aber mein Hunger saß wie ein Hund vor dem Teller und fraß." • Die Suppe heizte mich bis in die Zehen. Meine Nase tropfte. Abadschij, warte, sagte die Russin und brachte aus dem Nebenzimmer ein schneeweißes Taschentuch. Sie gab es mir in die Hand und drückte meine Finger zu, als Zeichen, dass ich es behalten soll. Sie schenkte es mir. Und ich wagte nicht, mich zu schnäuzen. Was da geschah, ging weit über das Geschäftliche des Hausierens und mich und sie und ein Taschentuch hinaus. Es betraf ihren Sohn […] Mir war es peinlich, dass ich da war, dass ich nicht er war. (Seite 76ff) der Diebstahl von Brot als das schlimmste Verbrechen • der Brotdieb Karli, dem alle Zähne ausgeschlagen werden und über den alle Insassen urinieren Karli Halmen spuckte, ohne ein Wort, zwei Zähne aufs Bett. Der Akkordeonspieler führte Karli am Nacken zum Wassereimer und drückte seinen Kopf unters Wasser. Es blubberte aus Mund und Nase, dann röchelte es, dann wurde es still. Der Trommler zog den Kopf aus dem Wasser und würgte ihm den Hals, bis Karls Mund so hässlich zuckte wie Fenjas Mund. Ich stieß den Trommler weg, zog aber meinen Holzschuh aus. Und es hob mir derart die Hand, dass ich den Brotdieb beinah totgeschlagen hätte. Der Advokat Paul Gast hatte bis dahin von seinem Bett oben zugeschaut. Er sprang mir auf den Rücken, riss mir den Schuh weg und warf ihn an die Wand. Karli Halmen lag angepisst neben dem Eimer und kotzte Brotschleim. (Seite 112f) Für und wieder Auch Nebenfiguren geschätzt: Kapo Prikulitsch und seine Geliebte Bea, Rasierer Enyeter, David Lommer, ein Jude, der versehentlich in Gorlowka landete, Advokaten Gast, der seiner Frau die Suppe stahl und sie verhungerte. Ilse Radisch: "Gulag-Romane lassen sich nicht aus zweiter Hand schreiben",. Vgl. Primo Levi, Imre Kertesz und Warlam Schalamow. • Vom Hungerengel, 86 • Ich habe keine Angst vor dem Schaufeln, sondern vor mir. Also davor, dass ich beim Schaufeln noch an etwas anderes denke, als dass ich schaufle. Das ist mir die erste Zeit manchmal passiert. Es zehrt an den Kräften, die man zum Schaufeln braucht. Die Herzschaufel bemerkt sofort, wenn ich nicht ganz bei ihr bin. Dann schnürt eine dünne Panik mir den Hals zu. […] Der Hungerengel stellt meine Wangen auf sein Kinn. Er lässt meinen Atem schaukeln. Die Atemschaukel ist ein Delirium und was für eins. Ich hebe den Blick, da oben stille Sommerwatte, die Stickerei der Wolken. Mein Hirn zuckt mit einer Nadelspitze am Himmel fixiert, besitzt nur noch diesen einen festen Punkt. Und der phantasiert vom Essen. Denemarková, 80 • Nemám strach ze skládání uhlí, nýbrž ze sebe, Tedy z toho, že při skládání ulhlí pomyslím ještě na něco jiného než nato, že skládám uhlí. To se mi zpočátku stávalo. To stravuje síly, které jseou k skládání ulí tolik zapotřebí. Lopata srdcovka okamžitě zpozorn, když nejsem v duch s ní. Pak mi krk sešněruje mírná panika. • Nebojím se házení lopatou, bojím se sám sebe. Tedy toho, že budu u házení lopatou myslet ještě na něco jiného, než že házím lopatou. Zpočátku se mi to někdy stávalo. Vysiluje to a sílu člověk potřebuje na házení lopatou. Má milovaná lopata hned pozná, když nejsem myšlenkami u ní. Pak mi sevře hrdlo jemná panika. Denemarková, 80 • Anděl hladu si klade mou tvář na svou bradu. Rozhoupe mi dech. Rozhoupaný dech je delirium a jaké delirium. Zvednu pohled, nahoře ztichlá, výšivka mračen. Rozum těká, jako by byl špičkou jehly připíchnut k obloze, rozum se drží jen toho pevného bodu, jiný už nemá. A fantazíruje o jídle. • Anděl hladu si opře mé tváře o svou bradu. A rozhoupe můj dech. Houpačka dechu je delirium a jaké. Zvednu oči, nahoře je tichoučká letní vata, výšivka v oblacích. Můj mozek se zachvěje, připíchnutý špičkou jehly na nebesa, zbývá mu už jen tenhle pevný bod. A nebesa si básní o jídle. Der König verneigt sich und tötet • HM im Interview mit Renata Schmidtkunz, 39. • Ich mag das Wort „Heimat“ nicht. Es wurde in Rumänien von zweierlei Heimatbesitzern in Anspruch genommen. Die einen waren die schwäbischen Polka-Herren und Tugendexperten der Dörfer, die anderen die Funktionäre und Lakaien der Diktatur. • HM: Ich glaube, „Heimat“ ist das ,was man nicht aushält und nicht loswird.