Die Bibel und die deutschsprachige Literatur und Kultur 5 (12. 11. 2020) Die älteste (althochdeutsche) Zeit: Wessobrunner Gebet (770 – 90) – neun Stabreime schildern die Erde vor der Eschaffung der Welt, das Chaos,das Nichts und die Existenz Gottes; und ein Prosagebet um den rechten Glauben Das Muspilli (825 – 30) – (das Titelwort ist unklar) ein Gedicht von den letzten Dingen – das Schicksal der Seele in Himmel und Hölle, der Weltuntergang, das Erscheinen des Herrn zum jüngsten Gericht Heliand (um 830) – Stabreimgedicht - das Leben Christi, im Mittelpunkt die Bergpredigt – Christus wird zum Stammesfürsten Evangelienharmonie des Mönches Otfried von Weissenburg (863 – 873) - in Endreimen – eine Auswahl aus den Evangelien, aus Schriften der Kirchenväter und Predigtsammlungen Genesis (830) - altsächsisch – nur Bruchstücke erhalten Christus und die Samariterin (um 900) – kurzes episches Lied Hrotsvit von Gandersheim: Werke (vor 970) – die Autorin lebte im Stift Gandersheim - lateinisch geschriebene Lesedramen auf biblische Stoffe, unter dem Einfluss von Terenz – aus praktischen Gründen geschrieben: für Nonnen, die lateinisch lernen sollten Zahlreiche Glossen, auch interlineare Glossen, Übersetzungen von Psalmen, praktische Texte, Liturgie – Vaterunser, Taufliturgie u.s.w. Das Mittelalter Ezzolied (1o63) - eine Art kurze Weltchronik – von der Erschaffung des Menschen bis zum Tode Christi Wiener Genesis (um 1080) – in Reimversen - die biblische Geschichte von der Schöpfung bis zur Geschichte des ägyptischen Josef. Frau Ava – Einsiedlerin in der Nähe des Klosters Melk (um 1130) - „Leben Jesu“ – eine Nacherzählung der Evangelien, dazu Gedichte über „Johannes den Täufer“, über den „Antichrist“ und über „Das Jüngste Gericht“ Legenden, Mariendichtung: „Melker Marienlied“ (um 1130) – das „Marienleben des Augsburger Priesters Wernher (um 1170) Die mittelalterliche Mystik: Meister Eckhart (1260 – 1328) – Unio mystica – Einfluss des biblischen „Hohen Liedes“; Hildegard von Bingen, Heinrich Seuse (1295 – 1366), Johannes Tauler (1300 – 1361). Die Anfänge des deutschen Dramas im Mittelalter (im 12. - 13. Jahrhundert): Der Ausgangspunkt ist die Feier des Osterfestes. Das Osterevangelium wurde mit verteilten Rollen gelesen. Auch die Passionsgeschichte wurde im Wechselgesang vorgetragen. Zunächst in der Kirche, dann vor der Kirche, zunächst lateinisch, dann deutsch, zuerst Kleriker, dann überwiegend Laien. Zuerst oft zweisprachig. Sehr wichtig ist, dass es dabei bald auch komische Elemente gab. Wie z.B. der Salbenverkäufer (=mastičkář). Auf diese Weise beginnt eine Linie des modernen europäischen Theaters, in der tragische und komische Elemente nebeneinander stehen können (wie z.B. bei Shakespeare). Die andere Linie knüpft an das klassische griechische Theater, in ihr sind die tragischen und komischen Elemente streng getrennt. Es gab nicht nur Osterspiele, sondern auch Weihnachts- und Dreikönigsspiele. Einige Beispiele: Benediktbeurer Osterspiel (12. Jahrhundert) – vom Einzug Christi in Jerusalem bis zur Grablegung. Auch burleske Szenen, wie der Wettlauf der Apostel zum Grabe. Im lateinischen Text sind auch einige deutsche Verse. Osterspiel von Muri (Mitte des 13. Jahrhunderts) – das älteste völlig deutsche Stück. Zehnjungfrauenspiel (1320) – aus Eisenach Weihnachtsspiel aus Benediktbeuren (12. Jahrhundert) Auch andere biblische Stoffe wurden dramatisiert: die Schöpfung, der Sündenfall, das Jüngste Gericht. So entstanden das biblische Drama, die Propheten- und Heiligenspiele. Oft auch auf den Marktplätzen, Simultanszenen, mit drastischen und komischen Elementen, sehr viele Rollen, manchmal mehrtägig gespielt. In der Barockzeit wieder erneuert, insbesondere im katholischen Süden. Dort haben sich die Passionsspiele bis heute erhalten. Z.B. in Oberammergau. Eine ähnliche Tradition gab es bei uns in Südböhmen. Das Passional (um 1300) – Leben Christi und Mariä, Leben der Apostel und Evangelisten, Leben einiger Heiligen – an höfischer Dichtung geschult, starke Wirkung auf das spätere Legendenschrifttum. Heinrich von Hesler: Apokalypse und Evangelium Nicodemi (um 1300) - Nacherzählungen in Versen – Typisch für das Interesse der Zeit an apokryphen Evangelien Bordersholmer Marienklage- (um 1470) – von einem Mönch Reborch im Kloster Bordersholm bei Kiel – Verherrlichung Mariä, sehr lyrisch