Wolfgang Riedel Goethe, Hafis, Mohammed Versuch über das West-Östliche im West-östlichen Divan Meine Damen und Herren, am rechten Ort, mitten in Sarajevo, feiern wir heute „200 Jahre West-östlicher Divan“. Versetzen wir uns also nach Weimar, und zurück in das Jahr 1813! Die Völkerschlacht bei Leipzig hat Napoleon eine vernichtende Niederlage bereitet; seine Armee zieht sich über den Rhein zurück, er selbst wird auf die Insel Elba verbannt. Reisen ist nun leichter möglich, und so reist Goethe nach langer Zeit wieder gen Westen, in die hessische Heimat, und verbringt die nächsten beiden Sommer an den Ufern von Main und Rhein. – Im selben Jahr 1813 bringt sein Verleger Johann Friedrich Cotta auch die erste deutsche Ausgabe des persischen Dichters Mohammed Schemseddin (um 1320-1390), genannt Hafis, zum Abschluss, übersetzt von dem Wiener Orientalisten Joseph von Hammer (später: Hammer-Purgstall). Die knapp 700 Gedichte umfassende Sammlung mit dem Titel Divan („Versammlung“) bekommt Goethe 1814 von Cotta übersandt und beginnt sie sofort zu lesen.[1] In Frankfurt und Wiesbaden trifft er alte Familienfreunde, darunter Jakob von Willemer und dessen spätere Frau Marianne, mit der eine poetische Freundschaft über das gemeinsame Band der Hafis-Begeisterung entsteht. Man liest, diskutiert und dichtet zusammen; Goethe wird vom Feuer der aemulatio erfasst, der wetteifernden Nachahmung, Variation und Transformation des großen Vorbilds. Die fremdländischen Töne und Farben, Themen und Atmosphären werden übertragen, mit Eigenem verwoben, dem eigenen Denken und Dichten anverwandelt. So entsteht in jenen Sommern 1814 und 1815 das Gros der Gedichte, die Goethe dann zu seinem, dem West-östlichen Divan zusammenstellen wird. Bis 1817 kommt noch manches hinzu, einige Gedichte steuert inkognito Marianne von Willemer bei, 1819 erscheint die Buchausgabe (eine erweiterte Fassung folgt 1827 im Rahmen der Werkausgabe letzter Hand).[2] Der West-östliche Divan besteht aus zwei Teilen: Erstens die in elf Bücher gegliederte Sammlung von knapp 200 Gedichten unterschiedlichster Genres: Trinklieder (Schenkenbuch), Liebesgedichte (Buch der Liebe; Buch Suleika), Preislieder auf Hafis und die Dichtung (Buch Hafis), Betrachtungen moralischen und religiösen Inhalts (Buch der Betrachtungen; Buch des Parsen) und anderes mehr. Und zweitens eine gelehrte Abhandlung von gut 150 Seiten Umfang mit dem Titel Besserem Verständnis, die das orientalistische Wissen der Zeit zusammenfasst und mit eigenen Zusätzen ergänzt. Im Unterschied zum Divan des Hafis stellt Goethes west-östlicher so schon formal ein Hybrid dar: Poesie und Prosa, Dichtung und Gelehrsamkeit, beides mischt sich hier zu gleichen Teilen – nicht untypisch für das Spätwerk. Goethe begreift seine Begegnung mit Hafis und Persien als eine Reise, eine imaginäre zwar, aber doch als eine Reise wie einst seine italienische der Jahre 1786-1788, und das heißt, als eine Flucht – aus der Misere, damals der persönlichen in Weimar, jetzt der allgemeinen im Europa der napoleonischen Kriege. Und genau so, noch dazu mit der Anspielung auf eine ganz andere, historisch weit bedeutsamere Flucht, nennt er auch das Eingangsgedicht zu seinem Divan, nämlich Hegire, also Hedschra – das französische Wort für Mohammeds Flucht aus Mekka nach Medina im Jahr 622 war damals auch im Deutschen gebräuchlich. Es beginnt so: Nord und West und Süd zersplittern, Throne bersten, Reiche zittern, Flüchte du, im reinen Osten Patriarchenluft zu kosten […] (11). In zwei Dimensionen wird hier gereist: räumlich gen Osten und zeitlich in die Vergangenheit desselben, in eine kulturgeschichtliche Tiefenzeit vergleichbar der der biblischen Patriarchen. Poetisch-imaginäre Raum-Zeit-Reisen waren in der deutschen Dichtung um 1800 geläufig, vorzugsweise ins antike Griechenland wie in Schillers Elegie Der Spaziergang (1795/1800) oder in Hölderlins Elegie Brot und Wein (1806). Und hier wie dort wurde ein in der modernen Kultur Verlorenes gesucht, die Unschuld der Frühe, die Schiller das „Naive“ nannte und Goethe das „Reine“. Es ging hier nicht um empirische Realitäten, sondern um Ideale und Phantasmen. So ist auch in Goethes Divan vom wirklichen Persien, sei es das um 1800, das des 14. Jahrhunderts oder das der Parsenzeit, nicht wirklich die Rede und kann es auch nicht sein. Was die Gedichte an ‚Persischem‘ geben, ist ein Traumbild aus weiter Ferne, ein poetisches Utopia, freilich eines, das um seinen Charakter weiß und nicht verleugnet, von Wunschprojektionen getragen zu sein. Ich sträube mich daher, den Projektionscharakter unserer je eigenen Vorstellungen vom Fremden so generell zu verdammen, wie es im postkolonialen Diskurs seit Edward Said üblich ist. Foucaultgeblendet, konnte er darin immer nur den – hier westlichen – ‚Willen zur Macht‘, zur diskursiven, symbolischen und realen Machtergreifung über das Andere exprimiert sehen.[3] Jedoch beziehen sich Projektionen auf das Fremde immer auch kritisch auf das Eigene, auf das von ihm Verneinte und Ausgeschlossene, auf Verlorenes, Zerstörtes und Vermisstes; sie indizieren immer auch den Mangel dessen, was zum humanen Menschendasein fehlt. Sie können sowohl angst- wie wunschgetrieben sein, und sie dienen im einen Fall der Aggression oder Abwehr ebenso wie im anderen der Öffnung und Zuwendung. Man sollte also nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Projektionen sind affektive Investitionen, und als solche fungieren sie im positiven Fall als Vorleistungen der Bereitschaft, sich freundlich auf das Fremde einzulassen. Der illusionäre Anteil darin mag und muss sich, wie auch sonst im Leben, früher oder später auflösen. Aber das heißt noch lange nicht, dass die bereits investierte Sympathie dann zwangsläufig ins Gegenteil umschlägt. In allen Fällen gelingender Fremdbegegnung, im Großen wie im Kleinen, spielt der affektive Vorschuss der Projektion seine Rolle und in den meisten dürfte er es gewesen sein, der die wie auch immer provisorische Brücke baute, über die auch das Realitätsprinzip den Weg zum Fremden und Anderen fand. Und auch in diesem Sinne sah sich Goethe hier als einen „Reisenden“ (878), heute würde man vielleicht konkreter sagen, als Ethnologen, der sich ins Fremde hineinbegibt, mit dem dort Erfahrenen und Gelernten wieder zurückkehrt und es zuhause mitteilt und verbreitet. Nur im Geiste reisend (und wie spätere armchair-anthropologists auf den Flügeln der Lektüre), wusste er, dass er nicht die fremde Wirklichkeit selbst erreicht, sondern nur deren Schattenlinien im Spiegel der Sprache, und selbst dies noch einmal gebrochen durch die Übersetzung in ein anderes Idiom. Sein Bild des Fremden war keine vera icon, sondern ein mediales In between, in dem das Andere noch ein Schemen ist, der erst beginnt, sich zu zeigen. Und so, als ein Mittleres und Vermittelndes, sollte man den West-östlichen Divan auch lesen, und nicht als ein Definitivum der, je nach Standort geglückten oder misslungenen, Interkulturalität. Man ist mit ihm noch nicht ganz beim Fremden, aber auch schon nicht mehr nur im Eigenen, sondern im ‚Zwischen‘, wie damals der Autor selbst, noch lange nicht angekommen, aber auf dem Weg dorthin. Und sich auf diesen Weg gemacht zu haben, bleibt auch in postkolonialer Zeit Goethes Verdienst. In einem Briefentwurf an Cotta vom 15. Mai 1815 nennt Goethe als Antrieb des Divanprojekts die „Absicht …, auf heitere Weise den Westen und den Osten, das Vergangene und Gegenwärtige, das Persische und Deutsche zu verknüpfen, und beiderseitige Sitten und Denkarten über einander greifen zu lassen“. Auf heitere Weise – ein wichtiges Stichwort! Was ihn an Hafis’ Divan so begeisterte, war ja nicht zuletzt die unbeschwerte Lebensfreude, die ihm daraus umso heller entgegengeklungen haben mag, als sie in den europäischen Wirren gelitten hat. So direkt und ausgelassen wie nur je in der westlichen Anakreontik (ihm selbst aus Jugendjahren wohlbekannt) hat Goethe das ungenierte Lob auf ‚Wein, Weib und Gesang‘ wohl lange nicht mehr gehört. Buchstäblich musste ihm so, und zwar in unverhoffter Stärke, das horazische carpe diem/„Pflücke den Tag“ aus dem alten Persien herüberschallen. Eine erstaunliche Wirkung immerhin eines Dichters, der den Beinamen Hafis trug, also der „Bewahrer“, nämlich des Korans, weil er diesen wie viele islamische Gelehrte auswendig kannte und jederzeit korrekt zitieren konnte. Doch zu frommer Buchstabentreue steht seine Poesie in merklicher Spannung. Die meisten Divan-Gedichte sind ja Ghaselen, die zwar heute in erster Linie formal, durch die Reimstruktur definiert werden, die aber ursprünglich rein inhaltlich bestimmt waren als Liebeslyrik. „Gedichte größtenteils bacchantischen und erotischen Inhalts“ avisierte von Hammer im Vorwort zu seiner Übersetzung; auch Goethes Lektüre des Divan dürfte durch diese Zeilen vororientiert worden sein: „Außer einigen wenigen mystischen und moralischen Ghaselen enthalten die meisten derselben nichts als den Ausbruch taumelnder Begeisterung des Lebensgenusses“; ihre Pole seien „Wein und Liebe, Schenken und Mädchen, Rosen und Nachtigallen, Frühling und Jugend, Genuss und Trennung, Frömmler Verspottung und Klosterhohn, Schönheitspreis und Dichter-Selbstlob“.[4] Und der Orientalist Stefan Weidner stimmt im Nachwort zur Neuausgabe direkt ein: „Die Gedichte von Hafis wecken auf eine heute fast verpönte Art Vergnügen. Sie heitern auf, stimmen froh, trösten, bringen zum Lachen, und erregen … Staunen. Selbst wenn sie Existentielles streifen, sind sie spielerisch“, allfällige „Dramatik“ sehe sich meist durch „Komik“ und „Selbstironie“ aufgehellt.[5] Eine Poesie der Jouissance, so möchte man fast mit Lacan sagen, wird hier beschrieben, oder sublimierter und mit Goethe, eine Poesie der Heiterkeit. Und zwar einer im damaligen Sinne ‚naiven‘ Heiterkeit, noch unverbogen von den Bedrängnissen der Hypermoral, wie sie schon damals von religiösen und ethischen Rigorismen ausgebildet waren, sei es vom Pietismus auf dieser oder reiner Vernunftethik auf jener Seite. Zu beidem wusste Goethe seit jeher sicheren Abstand zu halten: „Prophete rechts, Prophete links, / Das Weltkind in der Mitten“ (1774). Unbeschwerte Augenblicke, Serenität im Hier und Jetzt – was Goethe in den Sommerfrischen der Jahre 1814 und 1815 an Main und Rhein suchte, fand er so auch in Hafis’ Divan; zur poetisch beschwingten Geselligkeit jener Wochen hätte kaum eine andere Dichtung besser passen können. Doch Goethe vernahm auch die Spannung, die diese Heiterkeit umgibt, den „völligen Widerspruch“ (174) etlicher Divan-Verse zu zentralen Suren und Geboten des Korans. Man hat sich daher immer schon gefragt, wie der Dichter Hafis mit dem Koranbewahrer zusammengehe und ob sein Lob der Lüste nicht allzu gewagt und häresienah sei. Vor allem das Lob des Trinkens! Die Sure 5 (eine medinensische, die mit ihrem schärferen Urteil ältere mekkanische, die in diesem Punkt weniger entschieden sind, gemäß dem Abrogationsprinzip aufhebt) bezeichnet den Wein und Rausch als „Werk des Satans“, das Feindschaft und Hass befördere und den Menschen von Gott abziehe (Vers 90-91). Dito das Besingen des Eros, genauer der Homoerotik, denn die Prostitution in den Schenken war eine männliche. Nun ist Homosexualität zwar historisch im islamischen Kulturkreis gut und anhaltend belegt, sie war aber immer wieder auch extrem verpönt und wurde mit entsprechend schweren Strafen belegt (im Iran steht darauf seit der Revolution von 1979 die Todesstrafe). Zwar lässt sich dies nicht unmittelbar aus dem Koran ableiten, aber doch aus dem Hadith, der damit verbundenen Überlieferung. Der Widerspruch mancher Divan-Ghaselen dazu ist also eklatant. Und eben dies faszinierte Goethe. Denn er sah sich selbst in vergleichbarem Spannungsverhältnis stehend: einerseits ein ‚Bewahrer‘ des kulturellen Erbes, auch des religiösen, seit der Antike („Wer nicht von dreytausend Jahren / Sich weiß Rechenschaft zu geben, / Bleib im Dunkeln unerfahren, / Mag von Tag zu Tage leben“, 59), andererseits aber kein konfessionell oder orthodox gebundener Geist mehr. Als Spinozist/Pantheist, für den Gott die Natur selber und in Steinen und Pflanzen ebenso wie in allem Menschlichen anwesend war, sah er im sinnlichen Daseinsgenuss keinen Abfall vom Göttlichen, sondern eine Form der Teilhabe an ihm. Der für den frommen Divan-Leser sofort aufspringende „Widerspruch“ war für Goethe gar nicht existent. Und eben hier tat sich sein eigenes, ganz analoges Spannungsverhältnis auf, denn die pantheistische Versöhnung von Gott und Natur, von Sittlichkeit und Sinnlichkeit war für christliche Orthodoxien genauso schwer zu akzeptieren war wie jener Widerspruch bei Hafis für islamische. Eines von Goethes bekanntesten Gedichte auf Hafis, Offenbar Geheimnis (32-33), huldigt ihm denn auch genau in diesem Sinne. Schon der Titel ist ein spinozistisches Schibboleth, das Goethe auch sonst gern gebrauchte (liegt das Göttliche im Wirklichen und Sinnlichen zutage, ist das Geheimnis offenbar). Auch in den expliziteren Ghaselen ist für ihn daher Hafis „mystisch rein“ (33). Nicht so bei den heimischen „Wortgelehrten“. Sie nennen ihn zwar mit zweitem Beinamen „die mystische Zunge“ (Goethe greift hier einen Topos der islamischen Divan-Deutung auf: lisān al-ġaib), doch das Verständnis dahinter sei ein anderes, ihm zufolge falsches: „Sie haben … den Werth des Worts nicht erkannt“ (32). Denn durch theologische Dogmen gehemmt, konnten sie den Wortlaut der strittigen Verse, ihren buchstäblichen Sinn nicht akzeptieren und waren daher genötigt, sie metaphorisch zu lesen. Mit dem Ergebnis, dass nun das Lob des Eros und der Trunkenheit überführt war in etwas völlig anderes, dass es ‚in Wahrheit‘ ein ganz Unleibliches preise, nämlich die spirituellen Erfahrungen der Vereinigung mit dem Geist Gottes und der Entzückung durch ihn. Der Divan wird so zu einem anderen Text, einer locutio impropria, die wie jede Mystikerschrift islamischer, christlicher oder jüdischer Provenienz den raptus zum Göttlichen und die unio mystica mit ihm in Sprachbildern beschreibt, die unweigerlich Anleihe am Sinnlichen oder Erotischen nehmen müssen. Dies aber fand Goethe gerade nicht „rein“, denn der wörtliche Sinn, der „Werth des Worts“ selbst, werde so verdeckt oder gar gelöscht. Goethe erkannte in der metaphorischen Leseweise der islamischen Theologen eine Variante der panreligiösen, ihm auch christlich bekannten Deutungsmethode der Allegorese. Sie betreibt, technisch gesprochen, Texthermeneutik als Überschreibung. Der Sinn des Geschriebenen wird von der Wörtlichkeit wegverschoben auf etwas, das so nicht dasteht, von dem aber die Interpretation sagt, dass es ‚eigentlich‘ gemeint sei. Das geschriebene Wort selbst rückt so in den Status der ‚Uneigentlichkeit‘, sein Literalsinn wird marginalisiert. Mit Goethe: Das Wort verliert seinen angestammten „Werth“. Solcherart neutralisiert, kann es als Mittel zu neuem Zweck dienen, als bloße Trägermaterie des vom Interpreten Hinzugesagten, der ‚übertragenen Bedeutung‘, die sich wie ein Palimpsest über die wörtliche legt. Goethe zieht daher den Ton ein wenig an: Die Schriftgelehrten, um die inkriminierten Verse zu entschärfen, verfälschten sie nur; ihr Versuch, sie ins Gegenteil umzudeuten, produziere nur „närrisches“, nämlich spitzfindige bis lächerliche Verleugnungen der Sinnlichkeit. Aus Hafis’ „reinem“ Krug „verschenken“ sie so „ihren unlautern Wein“ (32) – den Goethe also weniger aus theologischen denn aus philologischen Gründen so nennt. Denn nicht nur handle es sich dabei um eine Überschreibung des Hafis’schen Wortlauts, sondern diese werde auch noch im Namen des Dichters selbst („In deinem Namen“, 32) verbreitet. Dies alles zeige freilich nur, dass die „Wortgelehrten“ Hafis „nicht verstehn“ (der, so Goethes unausgesprochene Intuition, womöglich wie er selber denkt). Weshalb sie auch „nicht zugestehn wollen“, dass der sinnenfrohe Dichter, auch „ohne fromm zu seyn“ im orthodoxen Sinn, dennoch „selig“ sein kann (33), also, denn das meint das Wort hier: nah bei Gott. Goethes Kritik ist harsch – aber ist sie auch falsch? Er konnte nicht ahnen, welche Extremformen muslimische Gläubigkeit, gepaart mit der Überzeugung, im Besitz der alleinigen religiösen Wahrheit zu sein, in unseren Tagen noch annehmen würde. Doch dass ein Ajatollah wie Ruhollah Khomeini, dessen theokratisches Regiment gleichwohl dem iranischen Volk nicht seinen liebsten Dichter wegnehmen konnte, Hafis in altbewährter Weise allegorisierte,[6] um ihn im persischen Dichterkanon halten zu können, wäre Wasser auf seine Mühlen gewesen. Für einen grundaufgeklärten Christen wie Goethe, der seinen Lessing, dessen Nathan (1778) und die Ringparabel daraus in seinem Kopf und seinem Herzen trug, gab es keinen Grund, dem Islam reserviert oder gar feindlich gegenüberzustehen.[7] Für ihn war er ein Phänotyp des immergleichen Gottesglaubens, nicht anders als Christen- und Judentum. Mehr noch, der reine Monotheismus des Islam musste für einen, der längst mehr dem Gott der Philosophen als dem der Bibel huldigte, weit vernunftgemäßer erscheinen als die christliche Dreifaltigkeitslehre oder gar der verdeckte Polytheismus des katholischen Heiligenkults. Aber er war deshalb noch kein heimlicher Moslem. Zwar gab es in der islamischen Goetheliteratur immer wieder diese These,[8] doch sie ist falsch; sie spricht nur für den Eindruck, den Goethes Divan in der islamischen Welt hinterlassen hat. Schon der junge Goethe feierte Mohammed enthusiastisch, in einer seiner sogenannten Sturm-und-Drang-Hymnen, Mahomets Gesang von 1772. Im Bild des Flusses, der aus Bergeshöhen kommt, Bäche und Zuflüsse mitnimmt und wächst, Länder und Städte befruchtet und sich schließlich ins Meer ergießt und so zum Ursprung zurückkehrt, zeichnet er Mohammed als Kulturbringer und Zivilisationsheros, der die Menschheit voranbringt und hochzieht in ihrer Entwicklung. Er rückt ihn so in die Gruppe der „Genies“, wie man damals sagte, ein, die mehr als andere sehen und einsehen und als Nachfahren der einstigen ‚Dichter und Seher‘ die Gattung schrittweise humanisieren, ihr „Fortschritte in der Geistigkeit“[9] bringen, wie man anachronistisch aber nicht falsch mit Freud auch sagen könnte. So sah Schiller im geschichtsphilosophischen Poem Die Künstler (1788) die kulturhistorische Rolle der Genies, und so sahen er und Goethe wohl auch sich selbst. Goethe begreift Mohammed also nach dem Archetyp des poeta vates; er schätzt ihn sowohl als Dichter, nämlich des Korans (das Gabriel-Narrativ glaubt er nicht), wie zugleich als Seher, als „Propheten“. Das impliziert zugleich, dass er ihn nicht als den ‚Gesandten‘ begreift, als der er im Islam gilt. Dieser Ausdruck war damals im Deutschen zwar noch nicht geläufig, man sprach vom Propheten, wohl aber das Wissen um den Anspruch auf Definitivität und insofern Exklusivität der ihm anvertrauten Übermittlung der Gottesbotschaft. Doch in diesem Punkt geht Goethe nicht mit (siehe den leicht beschwipsten Mohammed-Spott im Schenkengedicht Dichter, 111). Für ihn ist Mohammed ein Prophet unter vielen, ein – fraglos großer – Zeuge der theologia perennis.[10] Damit rückt dieser freilich in eine größerer Nähe zu den Dichtern, als ihm wohl lieb gewesen wäre. Denn sie werden in Sure 26 bekanntlich als „Irrende“ bezeichnet, weil sie den „Lügnern“ Glauben schenken (Vers 221-224) – ganz analog zu Platons Dichterkritik, wonach diese lögen, weil sie, und vor allem Homer, Falsches und Unsittliches über die Götter erzählten. Aber solche Dichterkritik war für Goethe untragbar. Für ihn sucht auch der Dichter Wahrheit. Ganz in den Spuren des poeta-vates-Topos stellt er in Besserem Verständnis Poet und Prophet als Brüder im Geiste und Kehrseiten desselben dar (157). Auch deshalb macht Goethe Hafis, den Dichter, so stark, nämlich als positiv ergänzende Gegenfigur zu Mohammed, dem Propheten. Mit ihm holt Goethe in sein Bild vom Islam das herein, was islamische wie christliche Theologen nicht immer leicht zu integrieren wussten, die Poesie mit all ihren Freiheitsgraden, auf die Goethe nicht verzichten kann noch will. Denn sie lässt nicht nur die Phantasie spielen, sondern öffnet auch Denkräume und führt wie kaum ein anderes Medium seiner Geistigkeit den Menschen „außer sich hinaus ins unbedingte Freie“ (160). Es ist diese polare Konstellation von Mohammed und Hafis, die, neben Goethes Selbsterkennung in letzterem, seine Begeisterung für dessen Dichtung erhellt. Sie nimmt „von der Fülle der Welt“ ihr Theil“ und wendet sich zugleich, in anderen Gedichten, „den Geheimnissen der Gottheit“ zu. So zwischen „Sinnlichkeit“ und „Religionsübung“ hin und her pendelnd, sabotiert sie die Spaltungslogik eines jeden frommen Rigorismus (heute: Fundamentalismus), der, um das eine konsequent zu tun, das andere nicht nur lassen, sondern von sich abspalten und verleugnen muss. Die Hafis-Lektüre befördere so „eine sceptische Beweglichkeit“ (175), wie sie Goethe nicht allein in der eigenen Kultur schätzt, sondern wie selbstverständlich auch in der islamischen annimmt und begrüßt. Es ist dies aber zugleich auch die „Beweglichkeit“ seiner eigenen Dichtung, die in den Römischen Elegien (1795) das Glück der Sinne preist und im Zyklus Gott und Welt (1816/17) der Ahnung des Göttlichen Raum gibt. Folgerichtig weist auch sein Divan beides auf, einige der besten naturphilosophisch-metaphysischen Gedichte Goethes finden sich in ihm: Selige Sehnsucht (24f.), Wiederfinden (96f.), Höheres und Höchstes (131-133). „Sceptische Beweglichkeit“ – sie ist Voraussetzung und Rahmen der Goetheschen Zuwendung zum Islam, zu Mohammed und zum Koran. Bei aller Empfänglichkeit sieht er auch Grenzen, die er nicht übersteigen will. Sich festzulegen liegt ihm daher fern, er bleibt in mobiler Halbdistanz, freundlich und ambivalent zugleich. Schon die angestrebten Balancen von Poet und Prophet, Dichtung und Theologie, Sinnenkunst und Frömmigkeit könnten ohne solche Beweglichkeit, die sich stets in zwei Richtungen zugleich orientiert, nicht gelingen. Besieht man diese Gegensätze genauer, erkennt man schnell, dass die angestrebte Äquilibristik des Konträren letztlich nur von einer, nämlich der jeweils ersten Seite aus geleistet werden kann, nicht von der zweiten, die hier immer wieder die größte Mühe hatte und weiter haben wird. Was zeichnet die Poesie also aus, dass sie solches, jedenfalls der Möglichkeit, nach vermag? Ich nehme die Spur bei Hammer auf, der im Vorwort zu seiner Hafis-Ausgabe die persische Dichtung beiläufig einmal in die Nähe der „romantischen“ rückt.[11] Er meint damit zwar die europäische, „katullisch“ bis petrarkistische Liebeslyrik der Frühen Neuzeit, aber um 1800 waren zeitgenössische Assoziationen bei diesem Wort fast nicht zu vermeiden. Sehen wir von da aus auf Goethes Divan zurück, fällt der Blick sogleich auf ein weiteres Preisgedicht auf Hafis, das den Titel Unbegrenzt trägt und mit den oft zitierten Versen beginnt: Daß du nicht enden kannst das macht dich groß, Und daß du nie beginnst das ist dein Loos. (31) Der Zweizeiler hat es in sich. Zunächst einmal besitzt er eine antiaristotelische Pointe. Nach Aristoteles ist ein Kunstwerk – hier das Drama – durch „Anfang, Mitte und Ende“ gekennzeichnet und alles „Schöne“ überhaupt durch „Ordnung, Gleichmaß und Abgegrenztsein“ definiert.[12] Aber das gilt für den späten Goethe nicht mehr. Wilhelm Meisters Wanderjahre, Faust II und auch der Divan sind offene Kunstwerke, die klassizistische Erwartungen an Symmetrie und Rundung enttäuschen. Sie neigen sich eher dem Antiklassizismus der Romantik zu. Jean Pauls Definition des „Romantischen“ als das „Schöne ohne Begrenzung, oder das schöne Unendliche“[13] ist daher von der poetischen Praxis des späten Goethe deutlich weniger weit entfernt, als des letzteren hartnäckige Vorbehalte gegen den Jüngeren nahelegen könnten; und zum Titel unseres Gedichts passt sie wie angegossen. Doch das ist nicht nur oberflächlicher Gleichklang, im Gegenteil. Der West-östliche Divan lässt sich in recht präzisem Sinne als romantisches Werk begreifen. Nämlich im Sinne Friedrich Schlegels, genauer seines 118. Athenäumsfragments (1798) und der darin gegebenen Definition der „romantischen Poesie“ als „progressiver Universalpoesie“.[14] Mit Goethes Divan im Kopf lesen sich h die berühmten Sätze des Fragments geradezu wie eine vorweggenommene Charakteristik des erst zwanzig Jahre später erschienenen Werks. Denn „progressiv“, das meint ja unendlich fortschreitend, offen, zeitlich wie räumlich ‚unbegrenzt‘ – daher Universalpoesie. Man denkt dabei natürlich sofort auch an Goethes Begriff „Weltliteratur“, aber es ist auch umgekehrt nur schwer vorstellbar, dass er, als er ihn 1827 prägte, sich des Schlegelschen Ausdrucks nicht mehr bewusst gewesen sein sollte. Grenzüberschreitend-unbegrenzt: auf diesen Charakterzug der Dichtung zielte ja auch Goethes Wort. Er selbst hatte denn auch von früh an seine Fühler nach allen Seiten ausgestreckt, und von überall her aufgenommen, vom Griechen Pindar, von den Römern Properz und Ovid, den Modernen wie Shakespeare oder Diderot, von der chinesischen Literatur (Chinesisch-deutsche Jahres- und Tageszeiten, 1830) und eben auch von der persischen. Aber das 118. Athenäumsfragment wollte neben solcher poetischen Universalkommunikation und neben dem Synkretismus von Formen und Gattungen vor allem auch die nicht-poetischen Diskurse ins universalpoetische Totum integriert wissen. Dichtung, „Philosophie“ und „Rhetorik“ sollen wieder zusammenkommen und überhaupt „Poesie und Prosa, Genialität und Kritik, Kunstpoesie und Naturpoesie“ sich verbinden. Die „Poesie“ soll „gesellig“, also ein Element des Sozialen (wenn man so will, ein soziologischer Faktor) werden und „das Leben und die Gesellschaft“, wozu naturgemäß auch Kultur und Religion gehören, „poetisch machen“. Der „Witz“ (meint: esprit, Geist, Wissenschaft) soll „poetisch“ werden und umgekehrt die Kunst sich mit „Bildungsstoff“, also Gelehrsamkeit und Wissen, „sättigen“. Und dies alles soll schließlich der „Humor beseelen“, es ins Serene heben, durchheitern. Der West-östliche Divan erfüllt dies alles recht genau, vieles natürlich schon als Verbindung von Dichtung und Abhandlung. Ich würde nicht zögern, ihn als Musterfall progressiver Universalpoesie anzusehen, als große poetische Intergrationsmaschine, wenn die technoide Metapher einmal erlaubt ist. Und als eine solche agiert er auch, und damit komme ich zum Schluss, im Konfliktfeld der Interreligiosität. Das Diverse und Differente, ja das Konträre und einander Widersprechende findet in ihm Platz und kommuniziert miteinander, ohne sich zu insultieren oder zu verdrängen. Und auch hier ist es der Humor, der große Sprengstoffentschärfer, der, gern in Verbindung mit Ironie (auch sie ein Kernmotiv der romantischen Poetik), das Extreme um seine Spitzen kupiert, es herunterstimmt in die Sphäre humaner Bekömmlichkeit. Als Poesie des weiten Herzens realisiert der West-östliche Divan auch auf diesem Feld, was Schlegel nur als abstraktes Ideal hinschrieb, schöpferische magnaminitas. Man kann es daher selber als ironische oder humoristische Pointe der Literaturgeschichte um 1800 nehmen, dass ausgerechnet der alte Goethe schaffend erfüllte, was eine vollmundige Jugend sich einst versprochen hatte. Nicht von ungefähr also mein Lob des West-östlichen Divans und des Begriffs „Universalpoesie“. Denn in ihren Schmelztiegeln mag am Ende auch der Anteil des Teufels im Monotheismus zerschmelzen, die „mosaische Unterscheidung“, genauer ihre potentielle Sprengkraft.[15] Seit sie wieder aus der Latenzphase getreten ist, fragen wir uns, was dagegen hilft. Gewalt ist es nicht, sie macht alles nur schlimmer, Toleranz ist es auch nicht (vor allem, wenn sie einseitig ist), sie kann sich gegen Aggressoren nur sehr schwer wehren. Am Ende wird nur Sublimierung helfen – auf Seiten der Aggression![16] Das ist heute und in naher Zukunft nicht gegeben und klingt auch sehr nach Utopie. Aber die Poesie kann es als Ideal imaginieren und im Spielraum des ‚Als ob‘, der Fiktion, vor Augen stellen. Auch sie stoppt damit die Misere nicht, aber sie erhält die Hoffnung und bewahrt vor Zynismus, und das ist schon sehr viel. Jan Assmann hat einmal geschrieben, das Menschenfreundliche am antiken Polytheismus sei seine „Übersetzbarkeit“[17] gewesen. Die verschiedenen Göttersysteme konnten sich berühren, vermischen, ineinander gleiten und sich dergestalt mühelos tolerieren. Dieser Übersetzbarkeit würden sich die Eingottreligionen verschließen. Das ist wohl so, gilt aber nicht für die Poesie! Der berühmteste Text, der gezeigt hat, wie die Übersetzung der drei Monotheismen ineinander ginge, ist ein poetischer, ein Drama mit Erzählung: Lessings bereits erwähnter Nathan der Weise und seine Ringparabel. Ein Text überdies, dem auch die Zeit und die Dauerverwendung als Schullektüre nichts von seiner Kraft nehmen konnten. Und auch Goethes Divan führt diese Übersetzbarkeit vor, im leichtfüßigen Überblenden von Hafis und Goethe, Islam und Spinozismus, Östlichem und Westlichen: The twain shall meet – im Spiel- und Freiheitsraum der Poesie scheint die Entnegativierung des berühmten Diktums möglich. Ihre „sehr ernsten Scherze“ (Goethe zum Faust II am 13. März 1832 an Wilhelm von Humboldt)[18] retten das Erbe der überlieferten Religionen und humanisieren es zugleich durch konstante Dementierung von Unbedingtheitsansprüchen. Indem sie dem ‚metaphysischen Bedürfnis‘ einen Weg aufzeigen, ohne ‚Gewissheitsgewissheit‘ – die Gewissheit, in religiösen Fragen Gewissheit zu besitzen – auszukommen, machen sie es moderneverträglich, also lebbar in einer Welt, in der es den Monotheismus (auch den „exklusiven“) immer nur im Plural gibt. Dies mag manchem hart klingen, aber Tatsache ist, dass die Ausschließlichkeitsansprüche exklusiver Monotheismen allenfalls systemintern die gewünschte kulturintegrative Wirkung zeigen, extern aber nicht. Hier erhöhen sie vielmehr die Entropie (aber auch das ist, wie die Geschichte zeigt, häufig erwünscht – offensive Mission, Kreuzzug, Dschihad). Gibt mehrere Monotheismen gleichzeitig gibt, versagt ihre Logik ohnedies und wird nur um so destruktiver, je exklusiver sie gelten will. Will sie sich durchsetzen, gibt es Krieg; soll Frieden sein, muss sie folglich zurückstecken. In einer pluralen Welt können monotheistische Religionen daher nur unter Bereitschaft zu einem Mindestmaß an Selbstrelativierung koexistieren, wenn also auf allen Seiten ein wenigstens rudimentäres Kontingenzbewusstsein ins religiöse Selbstgefühl einfließen darf. Eine Prise ‚Als ob‘, ein Gran ‚Es ist Glauben, nicht Wissen‘, eine Messerspitze ‚Es könnte auch alles anders, vielleicht sogar Fiktion sein‘, mit einem Wort, eine homöopathische Dosis „sceptischer Beweglichkeit“ würde bereits helfen, den anderen ihre Lebens- und Glaubensformen zu lassen. Goethes ‚Poetisierung des Monotheismus‘ lehrt dies. Doch werden wir es auch lernen? Goethe war und ist nicht der einzige, der als Dichter „Arbeit am Mythos“ (nach Hans Blumenberg[19]) als ‚Arbeit am Monotheismus‘ betrieb.[20] Innerhalb der deutschen Literatur aber war er mit Lessing einer der ersten. Doch die Arbeit der Literatur insgesamt an diesen Fragen ist „unbegrenzt“ und „progressiv“; sie geht ununterbrochen weiter, nicht nur bis heute, auch in Zukunft. In ihrer „sceptischen Beweglichkeit“ ist sie aber auch elastisch und biegsam, dass sie gebrochen werden kann, ist nicht zu befürchten. Eher bricht, was sich für unbeweglich und festgegründet hält. ________________________________ [1] Der Divan von Mohammed Schemseddin Hafis. Aus dem Persischen zum erstenmal ganz übersetzt von Joseph von Hammer. 2 Bde. Stuttgart 1812-1813. Neuausgabe: Hafis: Der Divan. Aus dem Persischen von Joseph von Hammer-Purgstall. Mit einem Nachwort von Stefan Weidner. München 2007. [2] Johann Wolfgang Goethe: West-östlicher Divan. Neue, völlig revidierte Ausgabe. Hg. Hendrik Birus. 2 Bde. Berlin 2010 (= Revidierte Sonderausgabe von: Johann Wolfgang Goethe: Sämtliche Werke, Briefe, Tagebücher und Gespräche. I. Abt., Bd. 3.1-2: West-östlicher Divan. Hg. H. Birus. Frankfurt am Main 1994). Divanzitate werden nach dieser derzeit besten (und bestkommentierten) Ausgabe mit Seitenzahlen in Klammern nachgewiesen und beziehen sich immer auf die Erstfassung 1819. Eine serbische Auswahlübersetzung hat Branimir Živojinović vorgelegt: J.V. Gete: Zapadno-istočni divan ∙ Herman i Doroteja. Novi Sad 2004. [3] Edward W. Said: Orijentalizam. zapadnjačke predodžbe o Orijentu. Sarajevo 1999. Die englische Originalausgabe Orientalism erschien 1978, eine Neuausgabe mit neuem Vorwort 1995; die deutsche Erstausgabe (Orientalismus) erschien 1981, eine Neuübersetzung 2009. [4] In: Hafis, Divan (Anm. 1), S. 32. [5] Ebd., S. 981. [6] Nach Weidner, ebd., S. 982. [7] Dazu grundlegend Katharina Mommsen: Goethe und die arabische Welt. Frankfurt am Main 1988. Unter ungleich griffigerem Titel kam 2001 eine gekürzte Fassung heraus, zwar mit einem etwas aufdringlichen Herausgeber-Nachwort, aber dafür ohne jegliche editorische Rechenschaft über Auswahl, Kürzungen oder andere Eingriffe: K. Mommsen: Goethe und der Islam. Hg. Peter-Anton von Arnim. Frankfurt am Main ^42015. Hoch zu rühmen, dass Vedad Smailagic von diesem wichtigen Buch, in der Fassung von 2001, eine bosnische Übersetzung vorgelegt hat: K. Mommsen: Goethe i islam. Sarajevo 2008. Vgl. ferner dies.: „Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen“. Goethe und die Weltkulturen. Göttingen 2012. [8] Weidner (Anm. 1), S. 983f. [9] Sigmund Freud: Der Mann Moses und die monotheistische Religion (1939), II. Teil, Kap. c. [10] In Persien lässt er diese schon in vorislamischer Zeit, im vorzoroastrischen Natur- und Sonnenkult beginnen (Buch des Parsen, 122-124: Vermächtnis alt persischen Glaubens; Besserem Verständnis, 148ff.: Aeltere Perser). In ihm erkennt er die vor- und frühgeschichtliche Matrix des eignen Pantheismus. Mohammed wird so im West-östlichen Divan von zwei persischen Frömmigkeitsformen, der der Parsen und der des Hafis, sowohl zeitlich umrahmt wie irenisch umstellt. Zum Buch des Parsen Hamid Tafazoli: Der alte Iran in Goethes Divan. In: XXX. Deutscher Orientalistentag 2007: Orientalistik im 21. Jahrhundert – Welche Vergangenheit, welche Zukunft. Hg. Rainer Brunner u.a. im Auftrag der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft. Online-Publ. Halle 2008 [urn: nbn:de:gbv:3:5-93042]. [11] Hafis, Divan (Anm. 1), S. 12. [12] Aristoteles: Poet. 1450 b29 und Met. M 1078 a36-b1; siehe schon Birus’ Divan-Kommentar (Anm. 2), S. 1004f. [13] Jean Paul: Vorschule der Ästhetik (1804/1813). Hg. von Norbert Miller. München ^21974, S. 88 (V. Programm, § 22). Auch dies schon bei Birus (Anm. 2), S. 1005. [14] Friedrich Schlegel: Kritische Schriften. Hg. Wolfdietrich Rasch. München ^31971, S. 38f. [15] Nach Jan Assmann: Moses der Ägypter. Entzifferung einer Gedächtnisspur. München/Wien 1998, S. 17-23: Die mosaische Unterscheidung; ders.: Die mosaische Unterscheidung oder der Preis des Monotheismus. München/Wien 2003, bes. S. 19-48: Die mosaische Unterscheidung und das Problem der Intoleranz; ders.: Monotheismus und die Sprache der Gewalt. Wien 2006. Assmann ist für seinen Begriff der mosaischen Unterscheidung und die dahinterstehende Diagnose viel gescholten worden, aber das war erwartbar und gibt seiner Diagnose irgendwie auch noch einmal recht. Er hat sich auch ausführlich mit dieser Kritik befasst und ihr fast mehr Ehre als verdient erwiesen (Assmann 2003). Was blieb, als der Rauch sich legte, war ein großes Theorem über a Monotheismus (den er nun präzisierend „exklusiven Monotheismus“ nannte; Assmann 2006, S. 24ff.) und das Wissen um eine systemische Gefahrenquelle in ihm, die nun einen Namen bekommen hatte, der nicht mehr vergessen werden kann. [16] Zum Sublimierungsbedarf der Gegenwartskultur versuchsweise Verf.: Ästhetische Distanz. Würzburg 2019, S. 27-47: Unbegriffenes im Affektraum der Gegenwart. [17] Assmann 1998 (Anm. 19), S. 19f. [18] Dazu Verf.: Goethes Faust und das moderne Wissen. In: ders.: Um Schiller. Studien zur Literatur- und Ideengeschichte der Sattelzeit. Würzburg 2017, S. 431-442. [19] Hans Blumenberg: Arbeit am Mythos. Frankfurt am Main 1979. [20] Ein herausragender Autor in diesem Kontext ist zweifellos Thomas Mann (Joseph und seine Brüder, 1933-43; Das Gesetz, 1944); aus diesem Blickwinkel zum Josephsroman Verf.: Mondgrammatik. Mythische Denkform bei Thomas Mann. In: ders.: Nach der Achsendrehung. Literarische Anthropologie im 20. Jahrhundert. Würzburg 2014, S. 52-68.