Sturm und Drang, Herbst 2020 NJI_10A Kapitoly z dějin německé literatury I Zdeněk Mareček, 11.11.2020 Natur, Gefühl und menschlichen Individualismus Eine neue Mentalität auch im Ausland Der Aufklärungskult des Rationalismus wurde in Frage gestellt, nicht nur von SuD-Autoren, sondern auch in England, wie ein Zitat aus William Blake (The Marriage of Heaven and Hell, 1793) belegt: „Ohne Gegensätze gibt es keine Entwicklung. Anziehung und Abstoßung, Vernunft und Energie, Liebe und Hass sind notwendig für das menschliche Dasein. Diesen Gegensätzen entspringt, was die Gläubigen Gut & Böse nennen. Gut ist das Passive, das der Vernunft gehorcht. Böse ist das Aktive, das der Energie entspringt. Gut ist Himmel. Böse ist Hölle.“ Zweifelhafte Parallelen? Goethe und Blake waren Zeitgenossen. Blake erwähnt jedoch Goethes Werther nur marginal, Goethe hat Blake vielleicht gar nicht zu Kenntnis genommen. Beide teilten nicht nur bestimmte Mythen, sondern auch die Überzeugung von der Schlüsselrolle des Kampfes: beide lehnten sich gegen die allmählich zunehmende Tyrannei der Ordnung und wurden zu "wegweisenden mentalen Kartographen". Goethe und Blake Walter Tonetto: Blake and Goethe: Psychology, Ontology, Imagination. Johns Hopkins University Press, 1990, Ludwig Klages: Goethe als Seelenforscher (Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts 1928) Goethe als Entdecker des Unbewussten. William Blake (1757-1827): Der Schöpfergott/The Ancient of Days, 179494 Der HERR schuf mich vor langer Zeit, ich war sein erstes Werk, noch vor allen anderen. In grauer Vorzeit hat er mich gebildet; und so war ich schon da, als es die Erde noch gar nicht gab. Lange bevor das Meer entstand, wurde ich geboren. (Sprüche 8:22ff.) Urizen (/ˈjʊrɪzən/) als Verkörperung einer konventionellen Vernunft und Gesetz In Blakes Mythos ist Urizen von Töchtern umngeben, drei von ihnen weisen auf Aspekte des Körpers hin. Außerdem hat er viele Söhne, vier davon stellen vier Elemente dar. Diese Söhne rebellieren gegen ihren Vater, werden aber später beim Jüngsten Gericht vereint. Das jüngste Gericht „Die Menschen werden in den Himmel aufgenommen, nicht weil sie ihre Leidenschaften gezügelt und besiegt oder gar keine Leidenschaften hätten, sondern weil sie ihr Verständnis der Dinge kultiviert haben“. Blake sah im Künstler eine Verbindung zum Göttlichen. Die menschliche Form erschien ihm als lebendige Verkörperung der Gottheit. Der Gott des etablierten Christentums war für ihn eine autoritäre, durch Gesetze beschränkende Gottheit. Jules Massnet: Werther (1892) https://www.youtube.com/watch?v=OPldyViFziI Jonas Kaufmann Massenet schrieb Werther als Fünfziger. In Wien wurde die Oper zuerst auf Deutsch (1892), französich erst um Jahr später aufgeführt (Théâtre Lyrique, Paris, 1893). Jules Massnet Andrei Serban in der Wienere Aufführung verlegt die Handlung in die 1950er Jahre spielen. https://www.youtube.com/watch? v=p90HEtK1Bi0 Pourquoi me Réveiller (Werther liest Lotte Ossian vor) "Was bin ich aufgewacht, du schöne Frühlingszeit? ● ● Am 20. Dezember. Was bin ich aufgewacht? Dein Hauch will mir die Stirn umkosen, Doch, ach, der Tag des Welkens ist nicht weit! Zu bald nur wird der Sturmwind tosen! Was bin ich aufgewacht, du schöne Frühlingszeit? Und kommt der Wandrer dann herab zu mir ins Tal, In meiner Schönheit Fülle mich zu schauen, Sein Blick sucht mich umsonst, erloschen ist der Strahl, ● ● ● ● ● ● ● Die Stätte, da ich stand, deckt Nacht und bleiches Grauen. ● ● »Warum weckst du mich, Frühlingsluft? Du buhlst und sprichst: Ich betaue mit Tropfen des Himmels! Aber die Zeit meines Welkens ist nahe, nahe der Sturm, der meine Blätter herabstört! Morgen wird der Wanderer kommen, kommen der mich sah in meiner Schönheit, ringsum wird sein Auge im Felde mich suchen und wird mich nicht finden. –« ● Was bin ich aufgewacht, du schöne Frühlingszeit?" Un autre est son époux! https://www.youtube.com/watch?v=RprjQDl3f2g Ein Andrer ihr Gemahl! Du guter Gott! ● O hättest Du's gewährt, ● Den Engel mir bescheert, ● Dass ich mit ihm durchs Leben ging! ● In ew'ger Liebe Ahnen, ● Das meinen Geist umfing, ● Wallt ich auf Deinen Bahnen! ● Das ist vorbei ... und ich ... ● Vergib!.. Ich lästre Dich! ● Du weisst, o Gott, ich war geliebt von ihr! ● Für mich ward sie geboren, ● Die einzig mir erkoren. ● Du selbst hast sie mir zugeschworen, ● Sie, Deiner Schöpfung schönste Zier! ● ZWEITER AUFZUG Im September desselben Jahres in Wahlheim. Der Hauptplatz. Im Hintergrunde das protestantische Gotteshaus. Rechts das Wirthshaus mit Hopfengarten. Vor der Kirche verschnittene Linden, welche die Tür frei lassen. ● Lotte wendet sich in Alberts Begleitung nach der Kirche. Werther ist oben auf der Landstrasse erschienen und verfolgt die Vertraulichkeit der beiden Gatten mit sichtbarer Unruhe. ● Warum blieben die Werke dieser Zeit (1767–1785) so lebendig bis heute? Warum blieben die Werke dieser Zeit (1767–1785) so lebendig bis heute? Die Bremer Inszenierung der "Räuber" von Peter Zadek schrieb bundesdeutsche Theatergeschichte. (Foto aus dem Buch:"Spielräume-Arbeitsergebnisse Theater Bremen 1962-1973") Frank Castorf (1951 in Ost-Berlin) Der Hofmeister von Jakob Michael Reinhold Lenz, Schauspielhaus Zürich, 2010 Sodann kommt der Major mit einem Traktor auf die Bühne gefahren. … wie Hunger-Bühler seine Eifersucht nonverbal zum Ausdruck bringt: indem er Heugabel und Schaufel an das untreue Paar verteilt und sie zu Erntehelfern degradiert. ● „So lebte er hin.“ (der Schlusssatz der Büchnerschen Erzählung LENZ) ● ● Claus Peymann Bühne, Kostüme, Lichtkonzept: Achim Freyer, 2013 Und dann zerschlägt Ferdinad das hübsche Instrument mit reichlich Gekeuche auf dem Boden. Rockstars machen so was. Und kleine Kinder. […] Anschließend sagt Luise übrigens recht trocken: "Walter, Gott im Himmel, was soll das?" ● André Mumot zur Auffúhrung im Berliner Ensemble ● Michael Thalheimers Schiller-Rap, Thalia-Theatre Hamburg, 2002 Dušan David Pařízek, Schauspielhaus Hamburg, 2008 Jede Person schmort bei Thalheimer im eigenen Saft, der jeweils andere existiert nur in der Vorstellung - und zwar in vereinfachter, diabolisch oder himmlisch idealisierter Form. Weder körperlich noch sprachlich ist die Grenze zwischen den Einzelwesen überwindbar. ● Stefan Grund Was bleibt, ist die Empfindung, dass die Liebe von innen heraus viel stärker gefährdet ist, als durch die Anfeindungen der Gesellschaft. Jenseits aller Standesfragen setzt Schiller die Gefühle seiner Figuren einer schonungslosen Zerreißprobe aus, der weder sie noch ihr Ideal der Liebe standhalten können. (Ankündigung) Pařízek, https://www.facebook.com/SchauspielhausHamburg/vide os/10150128674814345 Welche Szene aus dem Stück Kabale und Liebe ist auf dem Foto? ● Welche Unterschiede Peymann fallen Ihnen auf? ● ● Spätere Spuren von Goethes Essay Von deutscher Baukunst (1773)? KONEČNÝ, Michal. Die Landschaft zwischen Eisgrub (Lednice) und Feldsberg (Valtice) als Erinnerungsort. In Liechtensteinische Erinnerungsorte in den böhmischen Ländern. Vaduz: Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Vaduz, 2013. s. 141-148 ● ● Hansenburg (1807-1809) Franzensburg, eine Wasserburg in Laxenburgurg (18011836) ● Wörlitz (angelegt 1769 bis 1773, bis 1813 erweitert) Ankläge an das Zeitalter der Ritterkultur bedeuteten im Zusammenhang mit der nachlassenden Freimauerei eine Zuwendung zum Irrationalen, aber auch eine Abkehr von dem antikisiernden Neoklassizismus, mit dem sich das revolutionäre Frankrei indentifizierte. Wörlitz unter Leopold III. von Anhalt Dessau Das Schloss von Otranto (The Castle of Otranto) ein Roman von Horace Walpole (1764, dt. 1794). So entstand die Romangattung des Schauerromans (englisch: „Gothic Novel“). Der Roman regte Schillers Dramnepläne an: ● ● Die Baraut in Trauer (eine Frotsetzung von Karl-Moor-Geschichte) Die Kinder des Hauses (Die Nemesis treibt einen, Untersuchungen gegen einen Feind anzustellen und hitzig zu verfolgen, bis dadurch sein eigenes längst veraltetes Verbrechen ans Licht kommt.(heißt es in Schillers Zusammenfassung der Handlung). ● Musik in der Sturm-und Drang-Zeit Hören Sie sich Carl Philipp Emanuel Bach an: https://www.franziskakleinert.de/c-p-e-bach/ ● 1753, Fantasie für Klavier in c-Moll Sie ergänzte als letztes der 18 Probestücke das Lehrwerk Der Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Wolfgang Wiemer: Carl Philipp Emanuel Bachs Fantasie in c-Moll - ein Lamento auf den Tod des Vaters? die unmissverständlichen B-a-c-h-Motive, […] deuten darauf hin, dass das Werk nach dem Vorbild einer nach den Regeln der Rhetorik gestalteten Trauerrede gestaltet ist. Wesentlich ist, dass Bachs Sohn seine Komposition auch mit der Tonsprache der berühmten Chromatischen Fantasie BWV 903 seines Vaters verbindet. Ich bin ein deutsches Mädchen! Klopstock war langlebig und zählte (neben Lessing) zum Freundeskreis CPhEB Friedrich Gottlieb Klopstock, Musik C. Ph. E. Bach: Vaterlandslied (Oden, Band 1, Leipzig 1798, S. 299-301) Ich bin ein deutsches Mädchen! Zorn blickt mein blaues Aug' auf den, Es hasst mein Herz Den, der sein Vaterland verkent! Wie war die Beziehung der SuD-Autoren zu Klopstock? Haydn und Mozart als SuD-Komponisten? ● Hören Sie sich an: ● Joseph Haydn: Sinfonie Nr. 26 d-Moll "Lamentatione" (1768) Kammerorchester Basel | Giovanni Antonini (Haydn2032 live) ● ● https://www.youtube.com/watch?v=RAXZwIEHc_Y ● Wolfgang Amadeus Mozart: Sinfonie Nr. 25, g-Moll, KV 183 (1773 war Mozart 17 Jahre alt) ● WDR Sinfonieorchester unter der Leitung von Andrea Marcon, 26.01.2018 ● https://www.youtube.com/watch?v=mWGr0OalmrI Miloš Forman verwendete KV 183 am Anfang seines Films Amadeus. Gliederung des Votrages Geschichtlicher Rahmen 1.Programmatische Texte 2.Gottfried August Bürgers Lenore 3.Goethes Willkommen und Abschied 4.Jakob Michael Reinhold Lenz: Der Hofmeister 5.Friedrich Schiller: Die Räuber, Kabale und Liebe 6.Johann Wolfgang Goethe: Die Leiden des jungen Werthers 7.Wilhelm Heinse: Ardinghello Geschichtlicher Rahmen ● Sturm und Drang: Friedrich Heinrich Jacobi an Wieland (November 1774): Für alle alles in der Welt, liebster Wieland, wollte ich das innige Gefühl, von eigener Kraft zu leben, zu dauern, zu wirken, das ich in mir habe, nicht missen; […] und wie viel köstlicher als die Behaglichkeit geliehener Ruhe, Sicherheit und Heiligkeit ist die Wonne dieser Freiheit. ● Jacobi war ein wohlbestallter 1772 erfolgte Beamter Hofkammerrat der Herzogtümer Jülich und Berg mit der Aufgabe, deren Zoll- und Handelswesen zu reformieren. ● ● Rokoko-Haarstil Offenes Haar, Schiller-Kragen Was für eine Epoche war (1767–1785), politisch und kulturell? 1763 Friede zu Hubertusburg ●1763 Macpherson: Ossian, beendet den Siebenjährigen Temora Krieg ● Generalschulreglement in ● 1764 Kaiserkrönung des Preußen Habsburgrs Josephs II. in ● 1764 Johann Joachim Frankfurt a. M. Winckelmann: Geschichte der Kunst des Altertums ● (1768 wurde Winckelmann in einem kleinen Gasthaus im italienischen Triest - erdolcht, er 50 Jahre alt) ● Winkelmanns klassische Archäologie: edle Einfalt und stille Größe Weimarer Klassik übernimmt seine Beschreibung, Skulpturen (wie etwa der LaokoonGruppe) liege «eine edle Einfalt und eine stille Größe» inne. im Unterschied zur Verspieltheit des Rokoko. SuD bevorzugt den Norden. ● Synoptische Tabelle 1770: Ludwig XVI. heiratet Marie Antoinette Cook nimmt Australien als Besitz der britischen Krine in Besitz ● ● ● 1767 Hamburgische Dramaturgie 1768 M. Denis übersetzt Ossian ● 1772 Goethe: Von deutscher Baukunst ● 1772, erste Teilung Polens 1774: Ludwig XV. Gest. ● 1773: Herder: Briefwechsel ber Ossian ● 1775: Beginn des nordamer. Unabhängigkeitskrieges ● 1776 Dt. Erstaufführung von Hamlet in Hamburg ● Herzogtum Weimar Patriotische Phantasien von Justus Möser (1720 – 1794) brachte die Prinzen Carl August und Constantin Goethe näher. ● 1775 kommt der 26jährige Goethe ins thüringische Weimar ● ● Synoptische Tabelle 1777 Aussterben der bayerischen Wittelsbacher, Joseph II.erhob Ansprüche auf Niederbayern und die Oberpfalz. Im Frieden von Teschen 1779 erkannte Österreich die pfälzische Nachfolge an. Bayern musste allerdings das Innviertel an Österreich abtreten. ● ● 1780 Lessings Erzierhung des Menschengeschlechts ● 1781, Die Räuber von Schiller im Selbstverlag erschienen ● 1782 Heißluftballon der Brüder Montgolfier ● 1785, Anton Reiser, ein psychologischer Roman von Karl Philipp Moritz ● ● Toleranzpatent Josefs II. 1786, Goethes Italienreise 1786, Mozart, Le nozze di Figaro ● Programmatische Texte des SuD (1744 in Mohrungen, Ostpreußen; 1803 in Wiemar) ● Johann Gottfried Herder Fragmente über die neuere deutsche Literatur (1766–1767) ● Je entschiedener unsere Werke deutsch und modern sind, um so verwandter werden sie den Griechen sein. Was uns ihnen gleich macht, ist allein die gleiche, unbefangene, geniale Schöpferkraft. ● ● Hamann und Herder Hamann ist die Bibel zwar vom rationalistischen Standpunkt aus durchaus anfechtbar (siehe Riemarus), mit den Augen „eines Freundes, eines Vertrauten, eines Liebhabers“ enthält sie aber die „Strahlen der himmlischen Herrlichkeit“. Herder zufolge übersehe die rationalistische Kunstauffasung die allgemeine Naturgesetzlichkeit der räumlich-zeitlichen Bedingtheit, diese Naturgebundenheit der Kunst. Shakespeare sei des Sophokles Bruder, beide stellen Menschen in Übereinstimmung mit ihrem Volkscharakter dar. Von deutscher Art und Kunst I. Auszug aus einem Briefwechsel über Ossian und die Lieder alter Völker. ● II. Shakespear. III. Von Deutscher Baukunst. ● IV. Versuch über die Gothische Baukunst. Livorno, 1766. ● IV. Versuch über die Gothische Baukunst. ● ● V. Deutsche Geschichte. Gegen das Nachahmen fremder Kulturen, sei es Antike, sei es der französische Klassizismus. Der Mensch sei mehr ein sinnliches als ein rationales Wesen, deshalb wettert Herder gegen „sylbenzählende Kunstrichter“ und gegen die papierene Poesie: Je entfernter von künstlicher, wissenschaftlicher Denkart, Sprache und Letternart das Volk ist: desto weniger müssen auch seine Lieder fürs Papier gemacht, und tote Lettern Verse sein. James Macpherson (1736-1796) Fragments of Ancient Poetry, collected in the highlands (1760) angeblich ein Werk eines gälischen Sängers Ossian, Aufzeichnung einer sehr alten gälischen mündlichen Überlieferung, die er in Schottland gesammelt habe. Da sie älter als englische oder irische Literaturdenkmäler sein sollten, förderten sie den schottischen Nationalismus. ● Macpherson 1762 Fingal. An Ancient Epic Poem in Six Books; Together with Several Other Poems, Composed by Ossian, the Son of Fingal, 1765 The Works of Ossian, the Son of Fingal. Samuel Johnson: Journey to the Western Isles of Scotland (1775) Samuel Johnson (1709-1784) unternahm 1773 eine Reise und veröffentlichte seine Journey to the Western Isles of Scotland (1775). Darin geht er von der Fälschung Macphersons aus: "in those times nothing had been written in the Earse [i.e. Gaelic] language". Briefwechsel über Ossian und die Lieder alter Völker, 1773 Lieder eines ungebildeten sinnlichen Volks sind, die sich so lange im Munde der väterlichen Tradition haben fortsingen können – »So etwas kann Macpherson unmöglich gedichtet haben! so was läßt sich in unserm Jahrhunderte nicht dichten!« mit ebendem innern Zeugnis rufe ich jetzt ebenso laut: »Das läßt sich wahrhaftig nicht singen! in solchem Ton von einem wilden Bergvolke wahrhaftig nicht fortsingen und erhalten! folglich ist's nicht Ossian, der da sang, der so lange fortgesungen wurde!« ● ● Ossian Malvina wird mit Oscar verlobt, dem einzigen Sohn des Dichters Ossian. Als ihr Verlobter früh stirbt, pflegt sie seinen blinden Vater bis zu dessen Tod. Anne-Louis Girodet-Trioson Auszug aus einem Briefwechsel über Ossian und die Lieder alter Völker Ein Dichter, so voll Hoheit, Unschuld, Einfalt, Thätigkeit, und Seligkeit des menschlichen Lebens, muß,[…] gewiß würken und Herzen rühren, die auch in der armen Schottischen Hütte zu leben wünschen, und sich ihre Häuser zu solchem Hüttenfest einweihen … Ossian Singing, Nicolai Abildgaard, 1787 (Lehrer von Caspar David Friedrich und Oto Runge) ● Positive Zuschreibungen einem „wilden Volk“ Gefühlsbetont ● Lebendig, Ungekünstelt Schöpferisch Leidenschaftlich Intuitiv Dunkel, düster ● ● ● ● ● Goethe: Von deutscher Baukunst 1773, dem Erbauer des Straßburger Münster, Erwin von Steinbach, gewidmet: Steinbach habe nur seine eigenen Ideen miteingebracht und keine fremden Gedanken zugelassen, wobei er sich vorrangig von seinen Gefühlen habe leiten lassen. Goethe setzt ein Denkmal dem Genie des Straßburger Münsters Als ich auf deinem Grabe herumwandelte, edler Erwin, und den Stein suchte, der mir deuten sollte: »Anno domini 1318. XVI. Kal. Febr. obiit Magister Ervinus, Gubernator Fabricae Ecclesiae Argentinensis«, und ich ihn nicht finden, keiner deiner Landsleute mir ihn zeigen konnte, daß sich meine Verehrung deiner an der heiligen Stätte ergossen hätte, da ward ich tief in die Seele betrübt, und mein Herz, jünger, wärmer, töriger und besser als jetzt, gelobte dir ein Denkmal, wenn ich zum ruhigen Genuß meiner Besitztümer gelangen würde, von Marmor oder Sandsteinen, wie ich's vermöchte. Shakespeare-Kult im 18. Jh. Jochen Schmidt: Die Geschichte des GenieGedankens in der deutschen Literatur Philosophie und Politik 1750-1945 - Band 1 . Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1985 Lessing argumentiert in der Hamburgischer Dramaturgie noch abwägend, Gerstenberg, Herder und Goethe schwärmen für Shakespeare. Herder über Shakespeare: ein "Sterblicher mit Götterkraft begabt": Da aber Genie bekanntermaßen mehr ist, als Philosophie, und Schöpfer ein ander Ding, als Zergliederer: so war's ein Sterblicher mit Götterkraft begabt, eben aus dem entgegengesetztesten Stoff, und in der verschiedensten Bearbeitung dieselbe Würkung hervorzurufen, Furcht und Mitleid! und beide in einem Grade, wie jener erste Stoff und Bearbeitung es kaum vormals hervorzubringen vermocht! Herders Shakespeare einer theatralischen Praxis entrückt „hoch auf einem Felsengipfel sitzend! zu seinen Füßen Sturm, Ungewitter und Brausen des Meers; aber sein Haupt in den Strahlen des Himmels!« so ist's bei Shakespeare!“ Mir ist, wenn ich ihn lese, Theater, Akteur, Kulisse verschwunden! Lauter einzelne im Sturm der Zeiten wehende Blätter aus dem Buch der Begebenheiten, der Vorsehung der Welt! - einzelne Gepräge der Völker, Stände, Seelen! ● Herders Shakespeare Die griechische Tragödie entstand gleichsam aus einem Auftritt, aus dem Impromptus des Dithyramben, des mimischen Tanzes, des Chors. Dieser bekam Zuwachs, Umschmelzung: Äschylus brachte statt einer handelnden Person zween auf die Bühne, erfand den Begriff der Hauptperson, und verminderte das Chormäßige. Sophokles fügte die dritte Person hinzu, erfand Bühne - aus solchem Ursprunge, aber spät, Herders Shakespeare hob sich das griechische Trauerspiel zu seiner Größe empor, ward Meisterstück des menschlichen Geistes, Gipfel der Dichtkunst, den Aristoteles so hoch ehret, und wir freilich nicht tief genug in Sophokles und Euripides bewundern können. […] »das Künstliche ihrer Regeln war - keine Kunst! war Natur!« Shakespeare half die eigenen Tendenzen der Geniezeit zu legitimieren, sein Werk wurde dafür intsrumentalisiert. Auch Shakespeare wird einst überholt Garrick, der Wiedererwecker und Schutzengel auf seinem Grabe, muß so viel ändern, auslassen, verstümmeln , und bald vielleicht, da sich alles so sehr verwischt und anders wohin neiget, auch sein Drama der lebendigen Vorstellung ganz unfähig werden, und eine Trümmer von Kolossus, von Pyramide sein wird, die jeder anstaunet und keiner begreift. "Glücklich, daß ich noch im Ablaufe der Zeit lebte, wo ich ihn begreifen konnte". das bloße Shakespearisieren überwinden Goethes Götz wird implizit als neuer deutscher Shakespeare bezeichnet. Aber nach einem ersten Brief Herders musste Goethe das bloße Nachahmen, das bloße Shakespearisieren überwinden. Kurze Szenen mit Verstößen gegen die Einheit der Ortes und der Zeit blieben, aber es kam eine neue Leitmotivstruktur der zweiten Fassung hinzu. Die zweite Fassung hat schon Herder gelobt.