16 G. Graefen/M. Moll det sich mindestens eine entsprechende Übung in jedem Kapitel. Die Fehlerbeispiele stammen durchaus nicht nur von ausländischen Studierenden, Ein Teil ist aus Texten deutscher Studierender oder Wissenschaftlerlnnen entnommen (ca. 30%). Umgekehrt sind Hausarbeiten ausländischer oder deutscher Studierender gelegentlich auch Lieferanten für positive Beispiele. Die Kapitel sind nicht strikt progressiv aufgebaut und können deshalb auch unabhängig voneinander bearbeitet werden. Aufgrund der unterschiedlichen Bedürfnisse der akademischen Zielgruppen und aufgrund der unterschiedlichen Kursformate schien uns eine eng verzahnte Progression nicht hilfreich. Jedes Kapitel enthält Listen und Tabellen mit Wortschatz, z.T. nach Wortfamilien geordnet, vor allem aber mit Fügungen der Wissenschaftssprache (Redewendungen, Kollokationen, idiomatischen Prägungen). Außerdem finden sich in jedem Kapitel kurze Erläuterungen zum jeweiligen Thema, authentische Textbeispiele, Übungen mit unterschiedlichen Aufgabentypen und knapp gehaltenen Ausführungen zur Wissenschaftssprache und zum wissenschaftlichen Schreiben. Die Übungen sind teils mit dem thematischen Teil verwoben, teils zu eigenen Übungsblöcken angeordnet. Hier finden sich stark gelenkte Übungen (zum Einsetzen, Umformulieren, Kombinieren und Zuordnen), die vor allem der Verfestigung präsentierter Strukturen dienen. Weiter gibt es Übungen zur Textanalyse, in denen Strukturen erkannt und das Bewusstsein für sie geschärft werden soll, und es gibt Schreibübungen zur vorgabengeleiteten Textproduktion. Auf eine größere Anzahl freier Schreibaufgaben (Essays, Aufsätze) haben wir verzichtet, da sich Themen dafür im Umfeld der Studienfächer leicht finden lassen. Einen etwas anderen Stellenwert hat das Kapitel 9: Es enthält zwar auch Übungen, ist aber vorwiegend zum Lesen und auch zum gezielten Nachschlagen geeignet. Es informiert speziell und möglichst knapp über die Bedeutung ausgewählter Substantive und Verben im wissenschaftssprachlichen Gebrauch. Aus den oben genannten Gründen kann und soll es allerdings kein Wörterbuch ersetzen, das normalerweise mehr Informationen über Bedeutung und Gebrauch gibt. Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass Dozentinnen in studienbegleitenden Kursen auf C2-Niveau vor große Herausforderungen gestellt sind. Sowohl die Erklärung wissenschaftssprachlicher Strukturen wie auch die Korrektur fehlerhafter Beispiele ist schwierig; beides bedarf einer sorgfältigen Vor- und Aufbereitung. Erfahrungen mit der Wissenschaftssprache Deutsch sind deshalb wichtig und nützlich. Um Studierende und Lehrende bestmöglich zu unterstützen, haben wir zu allen Übungen und Aufgaben Lösungen vorbereitet, die im Internet unter der Adresse www.wissenschaftssprache.de abrufbar sind. Dort finden sich auch ergänzende Übungsangebote und Hinweise für Lehrende. Diese Internetseite ist nach unserer Einschätzung eine wichtige Ergänzung des Lehrbuchs und somit Teil des Lehrwerks. Wissenschaftssprache Deutsch 17 l Alltägliche Wissenschaftssprache 1.1 Was ist „Alltägliche Wissenschaftssprache"? Wissenschaftliche Texte enthalten unterschiedliches Sprachmaterial: • Fachwörter (Fachtermini) des jeweiligen Faches, • Wörter und Ausdrucksweisen der Gemeinsprache, die in Texten jeder Art vorkommen können, • Wörter und Ausdrucksweisen, die auf das wissenschaftliche Handeln im weiteren Sinne bezogen sind: Forschen, Nachdenken und Analysieren, Austausch mit anderen über wissenschaftliche Themen. Man spricht hier von der Allgemeinen Wissenschaftssprache oder — noch deutlicher - von der Alltäglichen Wissenschaftssprache. Sie ist alltäglich in einem doppelten Sinn: 1. Die sprachlichen Elemente sind überwiegend deutsche Wörter, viele von ihnen werden auch außerhalb der Wissenschaftssprache, in der Umgangs- oder Alltagssprache, benutzt. 2. Es handelt sich dabei nicht nur um Begriffe, sondern auch um Verben und vor allem viele idiomatische Wortkombinationen, sogenannte Fügungen. Sie sind für jeden Wissenschaftler notwendig, um seinen Alltag zu bewältigen. Der folgende Textausschnitt aus einer Monographie über die Sprachgeschichte der deutschen Universitäten enthält viele Beispiele für typische und beliebte Redewendungen (Fügungen) der Alltäglichen Wissenschaftssprache (AWS). 1.2 Typische idiomatische Fügungen der Wissenschaftssprache Aufgabe: Lesen Sie den Textausschnitt. Markieren Sie die Fügungen, die Ihrer Meinung nach in allen Fächern verwendet werden können. Vergleichen Sie dann mit der Tabellendarstellung weiter unten. Die Aspekte, unter denen das Thema ,Latein und Deutsch' in den vorangegangenen drei Kapiteln betrachtet wurde, dienten dem Zweck, die im Mittelpunkt dieser Arbeit stehende These historisch zu verankern und zu belegen. Mit jedem der gewählten Zugänge - dem sozialgeschichtlichen, wissenschaftsgeschichtlichen und sprachgeschichtlichen - konnte die These erhärtet werden: Der innerhalb der Universität an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert einsetzende Sprachenwechsel, die Ablösung des Gelehrtenlateins durch die Volkssprache, stellt kein isoliertes, auf rein Sprachliches zu reduzierendes Phänomen dar, sondern ist verknüpft mit einem gesellschaftlichen Funktionswandel der Institution .Universität' selbst und mit einem Denkstilwandel der in ihr betriebenen Wissenschaft. Auch der folgende Exkurs „Die europäischen Universitäten zwischen Latein und Volkssprache" wird diese These noch einmal stützen. Engt man die Perspektive auf die Merkmale, Sprachenwahl', gesellschaftliche Funktion' und »wissenschaftlicher Denkstil' ein, dann lassen sich vor dem Hinter- 18 G. Graefen / M. Moll Wissenschaössprache Deutsch 19 grund der bisherigen Ausführungen zwei unterschiedliche Typen von Universität charakterisieren: die mittelalterliche^niversitafräef€m Existenzform sich gegen Ende des 17. Jahrhundert aufzulösen beginnt und im Laufe des 18. Jahrhunderts durch den zweiten Typus, die neuzeitliche Universität, ersetzt wird. Die Tabelle 2 [folgende Seite] stellt die Kennzeichen beider Typen, wie sie in den vorangegangenen beiden Kapiteln^eskriptiv und argumentativ erarbeitet worden sind, noch einmal in übersichtlicher Form gegenüber. Selbstverständlich handelt es sich bei einer solchen Gegenüberstellung um eine zugespitzte Typisierung. Für einzelne Merkmale, dieHerTieuzeitlichen Universität beigelegt werden, wie zum Beispiel eine stärker praxisorientierte und berufsbezogene Ausrichtung der Wissenschaften, gab es schon im 16. und 17. Jahrhundert fruchtbringende Ansätze. Umgekehrt bewahrt die Universität bis heute in Teilen der akademischen' Selbstverwaltung und der akademischen Prüfungen (Magister, Promotion, Habilitation) eine gewisse Autonomie, in der noch Relikte mittelalterlicher Traditionen greifbar sindTTJehnoch hat sich gerade an der Geschichte der Universität Halle und an der Person Christian Thomasius' gezeigt, daß der Wandel von der mittelalterlichen zur neuzeitlichen Universität in der hier typisierten Weise nicht nur im historischen Rückblick konkret zu (rekonstruieren ist, sondern von den Zeitgenossen auch als ein solcher empfunden und von den Beteiligten intendiert wurde. 1. Ausdrücklich betont werden soll, daß für eine bis in die Gegenwart reichende Charakterisierung der Universitätsgeschichte die neuzeitliche Universität noch genauer differenziert werden müßte. So wäre der Typus Halle und Göttingen, der hier für den Umriß der neuzeitlichen Universität vor allem herangezogen wurde, von dem im 19. Jahrhundert entwickelten Typus Berlin zu unterscheiden. Seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts hat sich dann noch ein weiterer Typus herausgebildet, die Universität als Großbetrieb. Da die hier vorgeschlagene Charakterisierung der neuzeitlichen Universität aber grundlegend für alle drei soeben genannten Typen ist und zudem unser Untersuchungszeitraum die beiden letzten Typen (Typus Berlin, Typus Universität als Großbetrieb) nicht mehr umfaßt, wird auf eine Ausführung und Berücksichtigung dieser Differenzierung verzichtet. (Auszug aus: Jürgen Schiewe 1996) Textausschnitt und Fußnote typische Fügungen der AWS Die Aspekte, unter denen das Thema .Latein und Deutsch' in den vorangegangenen drei Kapiteln betrachtet wurde, dienten dem Zweck, die im Mittelpunkt dieser Arbeit stehende These historisch zu verankern und zu belegen. Mit jedem der gewählten Zugänge - dem sozialgeschichtlichen, wissenschaftsgeschichtlichen und sprachgeschichtlichen - konnte die These erhärtet werden: Der innerhalb der Uni- - Thema X wird unter einem Aspekt betrachtet - X steht im Mittelpunkt der Arbeit - eine These wird ... verankert und belegt - ein Zugang wird gewählt - These X wird erhärtet vorsität an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert einsetzende Sprachenwechsel, die Ablösung des Gelehrtenlateins durch die Volkssprache, stellt kein isoliertes, auf rein Sprachliches zu reduzierendes Phänomen dar, sondern ist verknüpft mit einem gesellschaftlichen Funktionswandel der Institution ,Universität' selbst und mit einem Denkstilwandel der in ihr betriebenen Wissenschaft. Auch der folgende Exkurs „Die europäischen Universitäten zwischen Latein und Volkssprache" wird diese These noch einmal stützen. Engt man die Perspektive auf die Merkmale , Sprachenwahl', .gesellschaftliche Funktion' und .wissenschaftlicher Denkstü' ein, dann lassen sich vor dem Hintergrund der bisherigen Ausfuhrungen zwei unterschiedliche Typen von Universität charakterisieren-, die mittelalterliche Universität, deren Existenzform sich gegen Ende des 17. Jahrhundert aufzulösen beginnt und im Laufe des 18. Jahrhunderts durch den zweiten Typus, die neuzeitliche Universität, ersetzt wird. Die Tabelle 2 [folgende Seite] stellt die Kennzeichen beider Typen, wie sie in den vorangegangenen beiden Kapiteln deskriptiv und argumentativ erarbeitet worden sind, noch einmal in übersichtlicher Form gegenüber. Selbstverständlich handelt es sich bei einer solchen Gegen-überstellungung um eine zugespitzte Typisierung. Füll einzelne Merkmale, die der neuzeitlichen Universität beigelegt werden, wie zum Beispiel eine^tärker praxisorientierte und berufsbezogene Ausrichtung der Wissenschaften, gab es schon im 16. und 17. Jahrhundert fruchtbringende Ansätze. Umgekehrt bewahrt die Universität bis heute in Teilen der akademischen Selbstverwaltung und der akademischen Prüfungen (Magister, Promotion, Habilita- - X stellt ein Phänomen dar - X stellt kein isoliertes Phänomen dar - das Phänomen ist nicht auf X zu reduzieren - das Phänomen ist verknüpft mit X - Wissenschaft wird betrieben - der folgende Exkurs - eine These stützen - F engt die Perspektive auf A ein - zwei Typen lassen sich charakterisieren - vor dem Hintergrund von D - vor dem Hintergrund der Ausführungen • die Tabelle stellt die Kennzeichen von D und D gegenüber • die Kennzeichen, wie sie ... erarbeitet wurden ■ etwas deskriptiv und argumentativ erarbeiten ■ es handelt sich bei X um A ■ eine Typisierung ist zugespitzt ■ D werden Merkmale beigelegt ■ für ein Merkmal gab es Ansätze • ein Ansatz ist fruchtbringend • umgekehrt ... 20 G. Graefen / M. Moll tion) eine gewisse Autonomie, in der noch Relikte mittelalterlicher Traditionen greifbar sind. Dennoch hat sich gerade an der Geschichte der Universität Halle und an der Person Christian Thomasius' gezeigt, daß der Wandel von der mittelalterlichen zur neuzeitlichen Universität in der hier typisierten Weise nicht nur im historischen Rückblick konkret zu (rekonstruieren ist, sondern von den Zeitgenossen auch als ein solcher empfunden und von den Beteiligten intendiert wurde. Fußnote: Ausdrücklich betont werden soll, daß für eine bis in die Gegenwart reichende Charakterisierung der Universitätsgeschichte die neuzeitliche Universität noch genauer differenziert werden müßte. So wäre der Typus Halle und Göttingen, der hier für den Umriß der neuzeitlichen Universität vor allem herangezogen wurde, von dem im 19. Jahrhundert entwickelten Typus Berlin zu unterscheiden. Seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts hat sich dann noch ein weiterer Typus herausgebildet, die Universität als Großbetrieb. Da die hier vorgeschlagene Charakterisierung der neuzeitlichen Universität aber grundlegend für alle drei soeben genannten Typen ist und zudem unser Unterst chungszeitraum die beiden letzten Typen (Typus Berlin, Typus Universität als Großbetrieb) nicht mehr umfaßt, wird auf eine Ausführung und Berücksichtigung dieser Differenzierung verzichtet. - eine gewisse ... - an / in / bei D hat sich gezeigt, - in der hier typisierten Weise - ein Phänomen rekonstruieren (konkret) - F betont A ausdrücklich - für eine Charakterisierung - N muss genauer differenziert werden - A ist von D zu unterscheiden - F zieht A (einen Typus) heran - etwas bildet sich heraus - eine Charakterisierung wird vorgeschlagen - eine Charakterisierung ist grundlegend - der Untersuchungszeitraum umfasst A - auf eine Ausfuhrung wird verzichtet VVi.'.scnschaftssprachc Deutsch ' I 1.3 Einsetzübung: Sprachgeschichte der Universität 1 iic Übung basiert auf dem obigen Textauszug von Jürgen Schiewe. Aufgabe: Füllen Sie die Lücken mit passenden Ausdrücken aus dem oben gl nwin ten Textauszug. Zusätzlich zu den im Original verwendeten FOj'.itnp n können auch noch andere Vorschläge gemacht werden. I >us Thema „Latein und Deutsch" wurde bisher unter verschiedenen (i) ^__betrachtet. Die Ausführungen (Ii....... _, die Hauptthese der Arbeil tu (3). / / Es gibt einen sozialgeschichtlichen und einen sprachgeschichtli<:li (4) _zum Thema. Der Sprachenwechsel ist nichl •"" • rein sprachliches Phänomen zu (5)_. Die bisher weite Perspektive der Arbeit soll nun auf drei Merkiiiiii» (6)_werden. Zwei Typen von Universitäten l.i ■ " vor (7)__der bisherigen Ausfuhruiiii* >H unterscheiden. Die Kennzeichen der beiden Typen sind in den vm in gegangenen Kapiteln (8)__worden. DioTnlwDi (9)_________. die beiden Typen einander (10)_ Diese (11) zeigt die Differenzen sohl Mm Dagegen könnte eingewendet werden, dass die Typisierung zu m hl (12)_ist. Tatsächlich ist der (13)__zwischen den Typen w>ni.|. . , als die Tabelle nahelegt: Bestimmte (14)__ I I 22 - G.Graefen/M.MoIl heutigen Universität waren ansatzweise schon im 16. und 17 Jh. festzustellen. Für die Forschung kommt es darauf an, den historischen Wandel in seinen Phasen und Stufen zu (15)__ In Berlin hat sich später ein anderer Typ von Universität als in Freiburg (16)_,_._. Wenn man den Untersuchungszeitraum auf das 20. Jh. (17)____, tritt die moderne Massenuniversität in den (18)____. Wissenschaftssprache Deutsch 23 2 Begriffserläuterung und Definition 2.1 Einführung Eine Begriffserläuterung (man kann auch von Begriffsbestimmung sprechen) ist eine lexikalische Definition. Sie hat, ebenso wie eine wissenschaftliche Defini-lion, immer zwei Seiten, ähnlich wie eine mathematische Gleichung, „X" ist dabei eine Bezeichnung für die Sache (im weiteren Sinne), die definiert wird: „X" = Y Deflniendum — Definiens (Bezeichnungen der Logik) Eine Universität ist eine in mehrere Fakultäten gegliederte [die Gesamtheit der Wissenschaften umfassende] Anstalt für wissenschaftliche Ausbildung und Forschung (Bedeutung laut Duden-Universalwörterbuch) „X" kann ein Gegenstand sein, aber auch eine Handlung oder ein Vorgang. Wenn „X" noch wenig erforscht wurde, sprechen die Wissenschaftler gern von einem Phänomen. Alle Fächer haben beide Arten von Begriffen. Ein Beispiel für einen Vorgangsbegriff aus dem Fach Jura: die Beschwerde, noch genauer: Beschwerde einlegen. Eine Definition ist eine fachliche Bedeutungsangabe, oft mit einer Erklärung verbunden. Im Unterschied zu einer Wortdefinition im Wörterbuch informiert die wissenschaftliche Definition eines Terminus darüber, welches Verständnis das zuständige Fach von X hat. Meist handelt es sich um eine knappe Darstellung des gesicherten Wissens. Wenn ein neuer Begriff eingeführt wird, ist auch eine Festlegung der Bedeutung notwendig (Nominaldefinition). Diese erste Definition ist manchmal umstritten. Dann beginnt ein Prozess der Diskussion mit dem Ziel der Einigung auf ein gemeinsames Verständnis. Fortschritte im Wissen führen zu Veränderungen der Definition. Berühmte Beispiele sind die physikalischen Definitionen von Licht und Wärme.1 Definitionen können also nicht von Studenten geschaffen werden, sie werden im Fach ausgearbeitet. Wissenschaftler können Benennungen und Definitionen vorschlagen, je nach Autorität der Person und Überzeugungskraft der Definition werden sie allgemein übernommen. Eine studentische Arbeit gibt oft eine Erläuterung eines (Fach)Begriffs. Das ist also eine Wiedergabe der Definition auf Basis der Fachliteratur, mit oder ohne Zitat. Die ausführlichere Darstellung des Begriffsinhalts nennt man auch die Explikation eines Begriffs. Sie ist mehr oder weniger lang, je nach Lesern oder Zuhörern. 1 Vgl. z. B. die Einträge bei Serres / Farouki: Thesaurus der exakten Wissenschaften. 24 G. Graefen / M. Moll Für die Sozial- und Geisteswissenschaften ist es fast normal, dass viele Fachbegriffe von verschiedenen Wissenschaftlergruppen (auch Ansätze oder Schulen genannt) verschieden aufgefasst und auch definiert werden. Eine wissenschaftliche Arbeit kann dann nicht einfach die Definition nennen, sondern oft nur eine oder mehrere Auffassungen referieren. Definitionen werden also wiedergegeben. Einige wichtige sprachliche Mittel dafür zeigt die folgende Aufstellung, links logisch, rechts mit grammatischen Angaben: Idiomatische Fügungen: Begriffserläuterung und Wiedergabe einer Definition X ist Y (ein) N ist ein N unter X versteht man Y unter (einem) D versteht man einen A im Fach X versteht man unter D A bei X handelt es sich um Y bei (einem) D handelt es sich um einen A X wird als Y aufgefasst (ein) N wird als (ein) N aufgefasst X besteht in Y (ein) N besteht in (einem) D F definiert X als Y N definiert (den) A als (einen) A X setzt sich aus Y zusammen (ein) N setzt sich aus (den) D zusammen F definiert Y durch Y N definiert (den) A durch (einen) A mit D meint F A N (= Wort, Ausdruck) meint A Folgende Besonderheiten sind hier zu beachten: 1. Man muss unterscheiden zwischen dem Reden über die Sache und Reden über einen Begriff (also über das Wissen über X oder die Bedeutung von X). Letzteres geht z.B. so: a) Der Ausdruck „Schreibprozess" bezieht sich auf einzelne Schreibvorgänge, die ... b) Der Begriff Schreibprozess bezieht sich auf einzelne Schreibvorgänge, die ... c) „Schreibprozess" ist ein Terminus der neueren Schreibforschung. Dabei ändert sich auch der Gebrauch des bestimmten Artikels: a) Mit „deutsche Schrift" meint man im Allgemeinen eine sogenannte gebrochene Schrift, die bis 1941 in Gebrauch war. b) Mit der Bezeichnung deutsche Schrift meint man im Allgemeinen eine sogenannte gebrochene Schrift, die bis 1941 in Gebrauch war. Fehlerhafte Formulierung: Mit der deutschen Schrift meint man ... Wissenschaftssprache Deutsch 25 Die Variable „X" entspricht nicht immer einem einzelnen Nomen (vgl. die kursiv gedruckte Wortgruppe im Beipiel) Bl „In der Mathematik versteht man unter der Abbildung einer Menge A in eine Menge B ein Objekt, das es gestattet, jedem Element von A ein Element von B zuzuordnen." (aus: Serres / Farouki 2000, S. 3) ;(. Begriffserklärungen können auch durch Abgrenzungen erläutert und konkretisiert werden: B2 „Ein Interview besteht immer aus mehreren Fragen und Antworten; wenn nur eine Frage vorkommt (nach Haller minimal drei), kann man nicht von einem Interview sprechen." (aus einer studentischen Hausarbeit) 2.2 Übungen zu Begriffserläuterung und Definition 2.2.1 Übung zur Textanalyse: Ein Ausdruck - zwei Fachbegriffe Aufgabe: Lesen Sie die beiden folgenden Begriffsbestimmungen und markieren Sie die charakteristischen Formulierungen. Fusion (Physik, Atomphysik) Unter Fusion versteht man die Verschmelzung leichter Atomkerne zu schwereren. Von allen Paaren leichter Atomkerne, die verschmelzen können, liefert die Reaktion zwischen den beiden schweren Isotopen des Wasserstoffs - Deuterium und Tritium - die größte Energieausbeute bei der niedrigsten Plasmatempera-l.ur. Dabei wird ein schnelles Neutron frei, das achtzig Prozent der insgesamt gewonnenen Energie mit sich trägt. (aus: Komplexe Systeme verstehen, 2003) Fusion (Betriebswirtschaftslehre) Als Fusion bezeichnet man den Zusammenschluss von Unternehmen, die beim Zusammenschluss auch ihre rechtliche Selbständigkeit aufgeben, so dass nach dem Zusammenschluss nur noch eine rechtliche Einheit (Firma) existiert. Sie kann sich entweder durch Aufnahme (Gesellschaft A nimmt die Gesellschaft B auf; danach besteht nur noch das Unternehmen A) oder durch Neubildung (die Gesellschaften A und B bilden zusammen ein neues Unternehmen C) vollziehen. (aus: Woll 1990) 2.2.2 Übung: Formulierungen sammeln Aufgabe: Welche Verben und anderen Formulieningen für Begriffserläuterung, Explikation und Definition kennen Sie neben den oben genannten noch? Notieren Sie Beispiele aus Ihrem Fach oder Fachbereich. 26 G. Graefen / M. Moll 2.2.3 Übung zum Definieren: Scherz und Wahrheit Aufgabe: Antworten Sie in ganzen Sätzen auf die Fragen. Verwenden Sie die Antwortvorgaben und das Verb aus dem Fragesatz, 2.2.4 Übung: erläuternde Zusätze formulieren Oft folgt nach einem Begriff oder einer Behauptung direkt eine kurze Erläuterung im Text, die in Form eines Zusatzes angeschlossen ist. Mögliche Einleitungen für Zusätze: und zwar/das heißt (d.h.)/unter anderem (u.a.) / darunter (auch) / zum Beispiel (z.B.) / wie z.B./so zum Beispiel / beispielsweise / etwa /also / insofern als / besonders / insbesondere Aufgabe: Formulieren Sie die folgenden Sätze mit Hilfe der o.g. Einleitungen um. Die erläuternden Zusätze sind in Klammem angegeben. I VVi::scnschaftssprache Deutsch 27 Beispiel: Es gibt nur zwei Wortarten im Chinesischen. (Begriffswörter und Funktionswörter.) I ösung: Es gibt nur zwei Wortarten im Chinesischen, nämlich Begriffswörter und Funktionswörter. 1. Es gab mehrere Vorbedingungen für die Industrielle Revolution in England am Ende des 18. Jahrhunderts, (wichtig: Veränderungen in der Landwirtschaft) 2. Der Schreibprozess ist eine komplexe Einheit. (Gesamtheit von mehreren Teilprozessen) 3. 1812 war Napoleon auf der Höhe seiner Macht. (Sein Reich hatte die größte Ausdehnung.) d. Einige deutsche Präpositionen verlangen den Genitiv, (jenseits,) !>. Als Peripherie bezeichnet man beim Computer die Geräte und Geräteteile im Umkreis der Zentraleinheit und des Arbeitsspeichers. (Tastatur, Maus, .Bildschirm, Drucker...) < lithographischer Hinweis: Abkürzungen wie z.B. sollen am Satzanfang ausgeschrieben werden: 7,iim Beispiel ist... 7..2.S Einsetzübung: Der Arbeitsbegriff Aufgabe: Ergänzen Sie die Lücken in der folgenden Begriffsbestimmung. Der (1)__der Arbeit ist ein Grundkonzept der Mechanik, also jenes Zweigs der Physik, der sich mit Kräften und deren Einfluss auf die Bewegung von Körpern (2)_. Die von einer äußeren Kraft verrichtete Arbeit wird als das Produkt aus der Kraftkomponente in Weg-lichtung des Objekts und dem von dem Objekt zurückgelegten Weg (3)___Etwas konkreter (4)__sie die Verände- rung der Energie des Objekts unter der Einwirkung der betreffenden Beispiel: Was ist ein Anrufbeantworter? - jemand, der Fragen am Telefon beantwortet? - ein Apparat, der die Nachricht eines Anrufers aufnehmen kann? Lösung: Ein Anrufbeantworter ist nicht jemand, der Fragen am Telefon beantwortet, sondern ein Apparat, der die Nachricht des Anrufers aufnehmen kann. 1. Worauf bezieht sich das Wort „Brieftasche"? - die Tasche des Briefträgers? - das Portemonnaie? 2. Worum geht es bei dem Begriff Gastfreundschaft? - spontane Freundschaft zwischen den Gästen? - die Tatsache, dass eine Familie oder Kultur gern Gäste empfängt? 3. Wie ist das Wort „Fundbüro" zu definieren? - ein Büro, das man vorher lange gesucht hat? - eine Sammelstelle für gefundene Sachen? 4. Was versteht man unter einem Arbeitnehmer? -jemand, der jede Arbeit annimmt? - ein Arbeiter oder Angestellter, der bei einer Firma arbeitet? 5. Was meint man mit dem Wort „rezeptfrei"? - ein ohne Rezept gekochtes Essen? - ein Medikament ohne Arztrezept? 28 G. Graefen / M. Moll Kraft dar.... Bei der an einem System verrichteten Arbeit (5) eine algebraische Größe: Wenn die äußeren Kräfte dem System tatsächlich Arbeit zuführen, ist diese Arbeit eine positive Größe. (gekürztes Stichwort „Arbeit" aus: Serres / Farouki 2000, S. 51) 2.2.6 Schreibübung: Begriffe erklären Aufgabe: Formulieren Sie zu folgenden Benennungen und Begriffen aus dem Hochschulleben kurze erklärende Texte: die Vorlesung, das Semester, „s.t", die Publikation, die Habilitation, das Kolloquium, das Forschungsprojekt, das Studentenwerk, die Mensa, das Stipendium Beispiele für den Textanfang: Bei einer Vorlesung handelt es sich um ... „Vorlesung" ist eine Bezeichnung für... Die Abkürzung „s.t." steht für ... 2.2.7 Übung: Definitionen aus Sachinformationen gewinnen Aufgabe: Formulieren Sie mit Hilfe der Informationen aus dem nachfolgenden Text eine knappe Definition (Bedeutungsangabe) dessen, was ein „Assistent" an Universitäten ist. Wissenschaftliche und künstlerische Assistenten Der wissenschaftliche Assistent hat wissenschaftliche Dienstleistungen in Forschung und Lehre zu erbringen, die auch dem Erwerb einer weiteren wissenschaftlichen Qualifikation förderlich sind. Entsprechend seinem Fähigkeits- und Leistungsstand ist ihm ausreichend Zeit zu eigener wissenschaftlicher Arbeit zu geben. Zu seinen wissenschaftlichen Dienstleistungen gehört es auch, den Studenten Fachwissen und praktische Fertigkeiten zu vermitteln und sie in der Anwendung wissenschaftlicher Methoden zu unterweisen. Im Bereich der Medizin gehören zu den wissenschaftlichen Dienstleistungen auch Tätigkeiten in der Krankenversorgung. Der wissenschaftliche Assistent ist einem Professor zugeordnet und nimmt seine Aufgaben unter dessen fachlicher Verantwortung wahr. [...] Die Absätze 1 bis 3 gelten für „künstlerische Assistenten" entsprechend. (aus: Handbuch für den wissenschaftlichen Nachwuchs 2003) 29 WlHm'iischaftssprache Deutsch 2.2.8 Übung: Studentische Produktionen beurteilen / verbessern \»l|;abe: Lesen Sie die Beispiele aus studentischen Hausarbeiten Und formulieren Sie Verbesserungsvorschläge. 1, „Heutige Fachsprachen sind sehr spezialisiert und weisen einen großen Umfang auf. Im 19. Jh. wurden aufgrund der dringenden Notwendigkeit viele neue Begriffe erfunden." „Es wird über den Unterschied zwischen Lexikographie und Lexikologie diskutiert. Die beiden Begriffe befassen sich mit dem Wortschatz." 1. „Xenologie ist Fremdheitsforschung (...) Die Xenologie ist interdisziplinär und kommt vom Griechischen xenos - fremd und logos - Begriff." i. „Daraus ergibt sich die Schwierigkeit, den Begriff präzise definieren zu können." „Die Wortart ist ein zentraler Begriff der Grammatik und hängt primär von der Struktur der zu beschreibenden Sprache sowie von der Zielsetzung der Grammatikbeschreibung ab." 30 G. Graefen / M. Moll „Eine weitgreifende und meiner Meinung nach plausiblere Definition leistet Niederhauser: (Zitat)." Unter Kommunikation wird in dieser Arbeit verstanden, dass sie aus „Prozessen von Produktion und Reproduktion zu rekonstruieren (ist)... „Zu viel Lärm, weite Distanz, Schwerhörigkeit, Formulierungsprobleme beim Sprechen, verschiedene Dialekte von den Beteiligten; sind die Faktoren, die die Fehlkommunikation in diesem Fall definieren könnten." „Unter Publikation versteht man ein wissenschaftliches Schreiben, das von einem Thema handelt." Wiiifu-iLschaftssptache Deutsch 31 » Thematisierung, Kommentierung und Gliederung I litniit ein Text für den Leser verständlich wird, muss der Autor für das Wissen, du« er vermitteln will, eine zweckmäßige Darstellung finden. Man spricht hier •im <•/ / hierfiir. I« I „Im Folgenden wird der Versuch unternommen, verschiedene Bestimmungen von Text gegeneinander abzugrenzen. Dies geschieht, indem ..." (aus einer studentischen Hausarbeit) Aufgabe: Analysieren Sie ein oder zwei Textbeispiele (z.B. aus Kap. 8). Wie wird dort sprachlich deutlich gemacht, was gerade Thema ist und was Thema werden soll? Markieren Sie die Textstellen. 1,1.1 Übung: Thematisierung, Anknüpfung und Neuthematisierimg in wissenschaftlichen Texten Vulnabe: Lesen Sie die folgenden Beispiele und markieren Sie - die einleitenden Ankündigungen durch Unterstreichen, - die Anknüpfungen und Neuthematisierungen (farbig). Itiilspiel: Der folgende Beitrag legt den thematischen Akzent auf Fragen der Modellbildung und der Entwicklung wissenschaftlicher Schreibfähigkeiten. Dabei...