1889 erschien unter dem Pseudonym Bjarne P. Holmsen ein Text von Johannes Schlaf und Arno Holz. Niels Thienwiebel, ein Alkholiker, der einst als Hamlet-Darsteller berühmt wurde, nennt Menschen aus seiner Umgebung mit Namen der Hamlet-Figuren. Seinen Nachbar Ole Nissen, einen Maler, nennt er Horatio. Wer ist Horation bei Shakespeare Schlaf? Wie nennt er seine Frau und seinen Sohn? Wer ist Yorick bei Shakespeare? Welche Assoziationen löst die Verbindung von Papa und Hamlet aus? Dem Pathos der romantischen Shakespeare-Übersetzung von August Wilhem Schlegel steht die Jämmerlichkeit der Existenz von Niels gegenüber: II "Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage: Ob's edler im Gemüt, die Pfeil' und Schleudern Des wütenden Geschicks erdulden, oder...oder?... Scheusslich! Der grosse Thienwiebel hielt wieder inne. "Nicht zum Aushalten das! Nicht zum Aushalten!!" Die fünf kleinen gelben Lappen hinter dem Ofen die dort an einer Waschleine zum Trocknen aufgehängt waren, hatten ihn wieder total aus dem Konzept gebracht, "Ekelhaft!" Er hatte sich jetzt, die Hände in seinen Schlafrocktaschen vergraben, erbittert vor das Fenster aufgepflanzt. Der Himmel drüben über den Dächern war tiefblau; in den nassen Dachrinnen, von denen noch gerade der letzte Schnee tropfte, zankten sich bereits die Spatzen; es war ein prachtvolles Wetter zum Ausgehn. "Armer Yorick!" Noch um eine Nuance verdüsterter hatte sich jetzt der grosse Thienwiebel wieder rücklings über das kleine, niedrige, mit blauem Kattun überspannte Sofa geworfen und starrte nun über die Spitzen seiner grünen, ausgetretenen Pantoffeln weg melancholisch zu Amalien hinüber. Ihre dünnen lehmfarbenen Haare waren noch nicht gemacht, ihre Nachtjacke schien heute schmutziger als sonst und stand vorn natürlich wieder offen; der kleine rote Spiessbürger, den sie, auf ihr Fussbänkchen gekauert, nachlassig aus einem Gummischlauch saugte, sah auf einmal hässlich aus wie ein kleiner Frosch. "Armer Yorick!" Herr Thienwiebel hatte sich seufzend erhoben und setzte jetzt seine Wanderung von vorhin wieder fort. "...oder? oder... Sich waffnend gegen eine See von Plagen, Durch Widerstand sie enden. --Sterben--schlafen--Nichts weiter!--" Vor dem Fenster konnte er sich jetzt wieder nicht versagen, eine kleine Pause zu machen. Die Sonne draussen ging gerade unter. Die Dacher sahen fuchsrot aus. Aber ein Blick auf seinen alten, abgenutzten Schlafrock unten liess ihn sich wieder zusammennehmen und seinen Monolog von neuem beginnen. "Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage: Ob's edler im Gemüt Ae, Quatsch!!" Mit einem Ruck war jetzt der Shakespeare, den er sich eben aus seiner Schlafrocktasche gerissen, auf den Tisch geflogen, wo er die Gesellschaft einer Spirituskochmaschine, eines braunirdenen Milchtopfs ohne Henkel, eines alten, berussten Handtuchs, einer Glaslampe und einer Photographie des grossen Thienwiebel in Morarahrnen vorfand. In der in der Ermordungsszene kommt der Sekundenstil zum Ausdruck, in dem es zu einer Deckung von Erzählzeit und erzählter Zeit kommt. Niels: Was macht man nu bloss? Man kann sich doch nicht das Leben nehmen?!" Er hatte jetzt ebenfalls zu weinen angefangen. "Ach Gott! Ach Gott!." Sein Gesicht lag jetzt mitten auf ihrer Brust. Sie zuckte! "Ach Gott! Ach Gott!!" Der dunkle Rand des Glases oben quer über der Decke hatte wieder unruhig zu zittern begonnen, die Schatten, die das Geschirr warf, schwankten, dazwischen glitzerten die Wasserstreifen. "Ach, nich doch Niels! Nich doch! Das Kind--ist ja schon wieder auf! Das--Kind schreit ja! Das--Kind, Niels!...Geh doch mal hin! Um Gottes willen!!" Ihre Ellbogen hinten hatte sie jetzt fest in die Kissen gestemmt, ihre Nachtjacke vorn stand weit auf. Durch das dumpfe Gegurgel drüben war es jetzt wie ein dünnes, heisres Gebell gebrochen. Aus den Lappen her wühlte es, der ganze Korb war in ein Knacken geraten. "Sieh doch mal nach!!" "Natürlich! Das hat auch grade noch gefehlt! Wenn das Balg doch der Deuwel holte! ..." Er war jetzt wieder in die Pantoffeln gefahren. "Nicht mal die Nacht mehr hat man Ruhe! Nicht mal die Nacht mehr!!" Das Geschirr auf dem Tisch hatte wieder zu klirren begonnen, die Schatten oben über die Wand hin schaukelten. "Na? Du!! Was gibt's denn nu schon wieder? Na?...Wo ist er denn?...Ae, Schweinerei!" Er hatte den Lutschpfropfen gefunden und wischte ihn sich nun an den Unterhosen ab. "So'ne Kalte! Na? Wird's nu bald? Na? Nimm's doch, Kamel! Nimm's doch! Na?!" Der kleine Fortinbras jappte! Sein Köpfchen hatte sich ihm hinten ins Genick gekrämpft, er bohrte es jetzt verzweifelt nach allen Seiten. "Na? Willst du nu, oder nich?!--- Bestie!!" "Aber--Niels! Um Gottes willen! Er hat ja wieder den--Anfall!" "Ach was! Anfall!--- Da! Friss!!" "Herrgott, Niels..." "Friss!!!" "Niels!" "Na? Bist du--nu still? Na?--Bist du--nu still? Na?! Na?! " "Ach Gott! Ach Gott, Niels, was, was--machst du denn bloss?! Er, er--schreit ja gar nicht mehr! Er...Niels!!" Sie war unwillkürlich zurückgeprallt. Seine ganze Gestalt war vornüber geduckt, seine knackenden Finger hatten sich krumm in den Korbrand gekrallt. Er stierte sie an. Sein Gesicht war aschfahl. "Die... L-ampe! Die...L-ampe! Die...L-ampe!" "Niels!!!" Sie war rücklings vor ihm gegen die Wand getaumelt. "Still! Still!! K--lopft da nicht wer?" Ihre beiden Hände hinten hatten sich platt über die Tapete gespreizt, ihre Knie schlotterten. "K--lopft da nicht wer?" Er hatte sich jetzt noch tiefer geduckt. Sein Schatten über ihm pendelte, seine Augen sahen jetzt plützlich weiss aus. Eine Diele knackte, das Öl knisterte, draussen auf die Dachrinne tropfte das Tauwetter. Tipp............................................... ...............Tipp ..................................... ... Tipp ............................................. ................. Tipp.................................. ............................................