LESSING Ausgewählte Werke in drei Bänden Phaidon NATHAN DER WEISE Ein dramatisches Gedicht, in fünf Aufzügen Introite, nam et heic DU sunt Apud Gellium (1779. Berlin, bei Christian Friedrich Voß und Sohn) Nathan der Weise fwer rettete mir meine Reeha? wer? daja. Ein junger Tempelherr, den wenig Tage Zuvor man hier gefangen eingebracht Und Saladin begnadigt hatte. nathan. wie? Ein Tempelherr, dem Sultan Saladia Das Leben ließ? Durch ein geringres Wunder War Recha nicht zu retten? Gott! Der seinen unvermuteten Gewinst Frisch wieder wagte, war es aus mit ihr. Nathan. Wo ist er, Daja, dieser edle Mann? - Wo ist er? Führe mich zu seinen Füßen. Ihr gabt ihm doch vors erste, was an Schätzen Ich euch gelassen hatte? gabt ihm alles? Verspracht ihm mehr? weit mehr? daja. Wie konnten wir? Nathan. Nicht? nicht? daja. Er kam, und niemand weiß, woher. Er ging, und niemand weiß, wohin. { Ohn' alle Des Hauses Kundschaft, nur von seinem Ohr Geleitet, drang mit vorgespreiztem Mantel Er kühn durch Flamm' und Rauch der Stimme nach, Die uns um Hilfe rief. Schon hielten wir Ihn für verloren, als aus Rauch und Flamme Mit eins er vor uns stand, im starken Arm Empor sie tragend. Kalt und ungerührt Vom Jauchzen unsers Danks, setzt seine Beute Er nieder, drängt sich unters Volk und ist - 111 Nathan der Weise Da müssen Herz und Kopfsich lange zanken, Oh Menschenhaß, ob Schwermut siegen soll. Oll siegt auch keines, und die Phantasie, Die in den Streit sich mengt, macht Schwärmer, Bei welchen bald der Kopf das Herz, und bald Das Herz den Kopf muß spielen. - Schlimmer Tausch! Das letztere, verkenn' ich Recha nicht, Ist Rechas Fall: sie schwärmt. daja. Allein so fromm. So liebenswürdig! Nathan. Ist doch auch geschwärmt! daja. Vornehmlich eine - Grille,'wenn Ihr wollt, Ist ihr sehr wert. Es sei ihr Tempelherr Kein Irdischer und keines Irdischen; Der Engel einer, deren Schutze sich Ihr kleines Herz von Kindheit auf so gern Vertrauet glaubte, sei aus seiner Wolke, In die er sonst verhüllt, auch noch im Feuer, Um sie geschwebt, mit eins als Tempelherr Hervorgetreten. - Lächelt nicht! - W^r^ej^? Laßt lächelnd wenigstens ihr einen Wahn,'''- In dem sich Jud' und Christ und Muselman Vereinigen; - so einen süßen Wahn! daja. Auch mir so süß! - Geh, wackre Daja, geh; Sieh, was sie macht, ob ich sie sprechen kann. - Sodann such' ich den wilden, launigen Schutzengel auf. Und wenn ihm noch beliebt, Hiernieden unter uns zu wallen, noch Beliebt, so ungesittet Ritterschaft Vi//him der Weise \ U tiilbtn: find' Ich ihn lOWlfl u.ul bring' Ihn her. nm Ihr unternehmet viel. Macht dann l>ci suUc Wahn der süßern Wahrheit Platz: -Denn. Data, glaube mir, dem Menschen ist ^ \ in Mensch noch immer lieber als ein Engel - * So \MiNt du doch auf mich, auf mich nicht zürnen, Die F.ngelsehwärmcrin geheilt zu sehn? DAJA- Ihr seid so gut und seid zugleich so schlimm. Ich geh'! - Doch hört! doch seht! - Da kommt sie sei 2. Auftritt Recha und die Vorigen recha. So seid Ihr es doch ganz und gar, mein Vater Ich glaubt1, Ihr hättet Eure Stimme nur Vorausgeschickt. Wo bleibt Ihr? Was für Berge, Für Wüsten, was für Ströme trennen uns Denn noch? Ihr atmet Wand an Wand mit ihr Und eilt nicht, Eure Recha zu umarmen? Die arme Recha, die indes verbrannte! -Fast, fast verbrannte! Fast nur. Schaudert nicht! Es ist ein garst'ger Tod, verbrennen. O! Nathan. Mein Kind! mein liebes Kind! recha. Ihr mußtet üb Den Euphrat, Tigris, Jordan, über - wer Weiß, was für Wasser all? - Wie oft hab' ich Sathan der Weise Um Euch gezittert, eh das Feuer mir So nahe kam! Denn seit das Feuer mir So nahe kam, dünkt mich im Wasser sterben Erquickung, Labsal, Rettung. - Doch Ihr seid 3- Ja nicht ertrunken; ichj ich bin ja nicht Verbrannt. Wie wollen wir uns freun und Gott, Gott loben! Er, er trug Euch und den Nachen Auf Flügeln seiner unsichtbaren Engel Die ungetreuen Ström' hinüber. Er, Er winkte meinem Engel, daß er sichtbar Auf seinem weißen Fittiche mich durch Das Feuer trüge - Nathan. Weißem Fittiche! Ja, ja! der weiße, vorgespreizte Mantel Des Tempelherrn.) recha. Er sichtbar, sichtbar mich Durchs Feuer trüg', von seinem Fittiche Verweht. - Ich also, ich hab' einen Engel Von Angesicht zu Angesicht gesehn. Und meinen Engel. Nathan. Recha war' es wert Und würd' an ihm nichts Schönres sehn, als er An ihr. recha (lächelnd). Wem schmeichelt Ihr, mein Vater? wem? Dem Engel oder Euch? Nathan. Doch hätt' auch nur Ein Mensch - ein Mensch, wie die Natur sie täglich Gewährt, - dir diesen Dienst erzeigt: er müßte Für dich ein Engel sein. Er müßt' und würde. 115 Sathan der Weise recha. Nicht so ein Engel, nein! ein wirklicher; Es war gewiß ein wirklicher! - Habt Ihr, Ihr selbst die Möglichkeit, daß Engel sind, Daß Gott zum Besten derer, die ihn lieben, Auch Wunder könne tun, mich nicht gelehrt? Ich lieb' ihn ja. Nathan. Und er liebt dich und tut Für dich und deinesgleichen stündlich Wunder, Ja, hat sie schon von aller Ewigkeit Für euch getan. recha. Das hör' ich gern. Nathan. Wie? weil Es ganz natürlich, ganz alltäglich klänge, Wenn dich ein eigentlicher Tempelherr Gerettet hätte: sollt' es darum weniger Ein Wunder sein? - Der Wunder höchstes ist, Daß uns die wahren, echten Wunder so Alltäglich werden können, werden sollen. Ohn' dieses allgemeine Wunder hätte Ein Denkender wohl schwerlich Wunder je Genannt, was Kindern bloß so heißen müßte, Die gaffend nur das Ungewöhnlichste, Das Neuste nur verfolgen. daja (zu Nathan). Wollt Ihr denn Ihr ohnedem schon überspanntes Hirn Durch solcherlei Subtilitäten ganz Zersprengen? Nathan. Laß mich! - Meiner Recha war' Es Wunders n,cht genug, daß sie ein Mensch 116 Kathan der Heise Gerettet, welchen selbst kein kleines Wunder 1 rst retten müssen? Ja, kein kleines Wunder' I )cnn wer hat schon gehört, daß Saladin--- Je eines Tempelherrn verschont? daß je Ein Tempelherr von ihm verschont zu werden Verlangt? gehofft? ihm je für seine Freiheit Mehr als den ledern Gurt geboten, der Sein Eisen schleppt; und höchstens seinen Dolch? recha. Das schließt für mich, mein Vater. - Darum eben War das kein Tempelherr; er schien es nur. -Kömmt kein gefangner Tempelherr je anders Als zum gewissen Tode nach Jersualem; Geht keiner in Jerusalem so frei Umher: wie hätte mich des Nachts freiwillig Denn einer retten können? Nathan. Sieh! wie sinnreich. Jetzt, Daja, nimm das Wort. Ich hab' es ja Von dir, daß er gefangen hergeschickt Ist worden. Ohne Zweifel weißt du mehr. daja. Nun ja. - So sagt man freilich; - doch man sagt Zugleich, daß Saladin den Tempelherrn Begnadigt, weil er seiner Brüder einem, Den er besonders lieb gehabt, so ähnlich sehe. Doch da es viele zwanzig Jahre her, Daß dieser Bruder nicht mehr lebt, - er hieß, Ich weiß nicht wie; - er blieb, ich weiß nicht wo: -So klingt das ja so gar - so gar unglaublich, Daß an der ganzen Sache wohl nichts ist. -dam, Ei, Daja! Warum wäre denn das so 117 Nathan der Weise Tempelherr. Nun, vortrefflich! - Lügt Das Sprichwort wohl, daß Mönch und Weib, und Weib Und Mönch des Teufels beide Krallen sind? Er wirft mich heut aus einer in die andre. daja. Was seh' ich? - Edler Ritter, Euch? - Gott Dank! Gott tausend Dank! - Wo habt Ihr denn Die ganze Zeit gesteckt? - Ihr seid doch wohl Nicht krank gewesen? tempelherr. Nein. daja. Gesund doch? tempelherr. Ja. daja. Wir waren Euertwegen wahrlich ganz Bekümmert. tempelherr. So? daja. Ihr wart gewiß verreist? Tempelherr. Erraten! daja. Und kamt heut erst wieder? Tempelherr. Gestern. daja. Auch Rechas Vater ist heut angekommen. Und nun darf Recha doch wohl honen? tempelherr. Was? daja. Warum sie Euch so öfters bitten lassen. Ihr Vater ladet Euch nun selber bald Aufs dringlichste. Er kömmt von Babylon Mit zwanzig hochbeladenen Kamelen Und allem, was an edeln Spezereien, An Steinen und an Stoffen Indien Und Persien und Syrien, gar Sina Kostbares nur gewähren. 139 Sathan der Weise tempelherr. ^fe nichts' daja. Sein Volk verehret ihn als einen Fürsten. Doch daß es ihn den Weisen Nathan nennt Und nicht vielmehr den Reichen, hat mich oft Gewundert. Tempelherr. Seinem Volk ist reich und weise Vielleicht das nämliche. daja. Vor allen aber Hätt's ihn den Guten nennen müssen. Denn Ihr stellt Euch gar nicht vor, wie gut er ist. Als er erfuhr, wieviel Euch Recha schuldig, Was hätt' in diesem Augenblicke nicht Er alles Euch getan, gegeben! tempelherr. Ei! daja. Versucht's und kommt und seht! Tempelherr. Was denn? wie Ein Augenblick vorüber ist? daja. _Hätt' ich, Wenn er so gut nicht war', es mir so lange Bei ihm gefallen lassen? Meint Ihr etwa, Ich fühle meinen Wert als Christin nicht? Auch mir ward's vor der Wiege nicht gesungen, Daß ich nur darum meinem Ehgemahl Nach Palästina folgen würd', um da Ein Judenmädchen zu erziehn. Es war Mein lieber Ehgemahl ein edler Knecht In Kaiser Friedrichs Heere - Tempelherr. Von Geburt Ein Schweizer, dem die Ehr' und Gnade ward, 140 Sathan der Weise Mit Seiner Kaiserlichen Majestät In einem Flusse zu ersaufen. - Weib1 Wievielmal habt Ihr mir das schon erzählt' Hört Ihr denn gar nicht auf, mich zu verfolgen? dam. Verfolgen! lieber Gott! Tempelherr. Ja, ja, verfolgen. Ich will nun einmal Euch nicht weiter sehn! Nicht hören! Will von Euch an eine Tat Nicht fort und fort erinnert sein, bei der Ich nichts gedacht, die, wenn ich drüber denke, Zum Rätsel von mir selbst mir wird. Zwar möchf Ich sie nicht gern bereuen. Aber seht, Ereignet so ein Fall sich wieder: Ihr Seid schuld, wenn ich so rasch nicht handle; wenn Ich mich vorher erkund' - und brennen lasse, Was brennt. da ja. Bewahre Gott! Tempelherr. Von heut an tut Mir den Gefallen wenigstens und kennt Mich weiter nicht. Ich bitt' Euch drum. AuchJaßt Den Vater mir vom Halse. Jud' ist Jude. Ich bin ein plumper Schwab. Des Mädchens Bild Ist längst aus meiner Seele, wenn es je Da war. daja. Doch Eures ist aus ihrer nicht. Tempelherr. Was soll's nun aber da? was soll's' daja. Die Menschen sind nicht immer, was sie scheinen. Tempelherr. Doch selten etwas Bessers. (Ergebt.) 2? Wer weiß! 141 Nathan der Weise Wartet doch! DAJA. Was eilt Ihr? Tempelherr. Weib, macht mir die Palmen nicht Verhaßt, worunter ich so gern sonst wandle. DAJA. So geh, du deutscher Bär! so geh! - Und doch Muß ich die Spur des Tieres nicht verlieren. (Sie gehl ihm von weitem nach) ZWEITER AUFZUG 1. Auftritt Szene: des Sultans Palast Saladin und Sittah spielen Schach siTTAH. Wo bist du, Saladin? Wie spielst du heut? saladin. Nicht gut? Ich dächte doch. ^ITTTAH- . „ Für mich; und kaum. Nimm diesen Zug zurück. saladin. Warum? sittah. |-> 0 . Wird unbedeckt. Der Spnnger saladin. ist wahr. Nun so' sittah. Ich in die Gabel. S° Zieh' saladin. Wieder wahr s.k u sittah. Was hilft dir *Jl^sl^Ch ^ icn setze vor: und du 142 Nathan der Weise recha. Nur einen Blick noch! - Ah! die Hecke Die mir ihn stiehlt. daja. Kommt! kommt! Der Vater hat Ganz recht. Ihr lauft Gefahr, wenn er Euch sieht Daß auf der Stell' er umkehrt. RECHA- Ah! die Hecke! nathan. Und kömmt er plötzlich dort aus ihr hervor: So kann er anders nicht, er muß euch sehn. Drum geht doch nur! DAJA- Kommt! kommt! Ich weiß ein Fenster, Aus dem wir sie bemerken können. recha. Ja? (Beide hinein) 5. Auftritt Nathan und bald darauf der Tempelherr Nathan. Fast scheuMch mich des Sonderlings. Fast macht Michleinei-auhe Tugend stutzen. Daß Ein Mensch doch einen Menschen so verlegen Soll machen können! - Ha! er kömmt. - Bei Gott! Ein Jüngling wie ein Mann. Ich mag ihn wohl, Den guten, trotz'gen Blick! den drallen Gang! Die Schare kann nur bitter sein: der Kern Ist's sicher nicht. - Wo sah ich doch dergleichen? -Verzeihet, edler Franke.'.. / * 161 \jihun der Weise Daß ich mich untersteh', Was1 Erlaubt.. nathan- , . ., Tempelherr. Was. Jude? was^ nathan. Euch anzureden . _ . tevpelherjl Kannichs wehren? Doch Sur kurz. nath.av Verzieht, und eilet nicht so stolz, Nicht so »erächüich einem Mann vorüber. Den Ihr auf ewig Euch verbunden habt. Tempelherr. Wie das? - Ah, fast errat' ichs. Nicht? Ihr seid.. nathw Ich heiße Nathan; bin des Mädchens Vater, 4 Das Eure Großmut aus dem Feur gerettet, Und komme... Tempelherr. Wenn zu danken: - spart's! Ich hab* 1 Um diese Kleinigkeit des Dankes schon Zu viel erdulden müssen. - Vollends Ihr, Ihr sad mir gar nichts schuldig. Wüßt' ich denn, Daß dieses Mädchen Eure Tochter war? Es ist der IcBApelhernyiifliciH. dem Ersten Dem Besten beizuspringen. .dcssen-Not Se seim Mein Leben »ar mir ohnedem In diesem Augenblicke lästig. Gern, ?!^£BSttdie^e£eruTeiL, E» für ein andres Leben in d.e Schanze ^^rureinarKlres-uenn'sauduiur Leben einer Judin *are •NATHAN. ' Groß! 162 Nathan der Wrm- Groß und abscheulich! - Doch die Wendung läßt Sich denken. Die bescheidne Größe flüchtet Sich hinter das Abscheuliche, um der Bewundrung auszuweichen. - Aber wenn Sie so das Opfer der Bewunderung Verschmäht: was für ein Opfer denn verschmäht Sie minder? - Ritter, wenn Ihr hier nicht fremd Und nicht gefangen wäret, würd' ich Euch So dreist nicht fragen. Sagt, befehlt: womit ICinn man Euch dienen? Tempelherr. Ihr? Mit nichts. Nathan. Ich bin Ein reicher Mann. Tempelherr. Der reichrc Jude war Mir nie der beßre Jude. Nathan. Dürft Ihr denn Darum nicht nützen, was demungeachtet Er Beßres hat? nicht seinen Reichtum nützen? Tempelherr. Nun gut, das will ich auch nicht ganz verreden; Um meines Mantels willen nicht. Sobald Der ganz und gar verschlissen, weder Stich Noch Fetze länger halten will: komm' ich Und borge mir bei Euch zu einem neuen Tuch oder Geld. - Seht nicht mit eins so finster! Noch seid Ihr sicher; noch ist's nicht so weit Mit ihm. Ihr seht, er ist so ziemlich noch Imstande. Nur der eine Zipfel da Hat einen garst'gen Fleck; er ist versengt. Und das bekam er, als ich Eure Tochter 163 »aihan i,, Wehe Durchs Feuer trug. 9 Nathan. Es ist doch sonderbar. ^ Daß so cm böser Fleck, daß so ein Brandmal Den Vitt» ein beßres Zeugnis redet als Sc» eigner Mund. Ich möcht' ihn küssen gleich -Den Flecken.' - Ah. verzeiht' - ich tat es ungern. T» MPliHf AR Was? natmav Eine Träne fiel darauf, n vPLiHUUL Tut nichts! Ei hat der Tropfen «etat - (Bald aber fingt Mich dieser Jud' an zu verwirren.) NATHAN. Win Ihr woM so gut und •rUr+w Euem Mantel Auch einmal meinem Mädchen? TOiÄLHUUL Was damit? Nathan Auch ihtra Mimrl wrf rhnm Fleck zu drücken. i Eure ! ■tek I Euch, wie Ihr wollt Ich find' , Auch luer Euch aus. Ihr wart zu gut, zu kmmW *■ Um bofbehet zu Gefühl: der Dienstferugkai. der Vater Ihr trugt für ihren guten \ Da» Madchen. I IM I loht ihre Prüfung; floht, um nicht zu siegen \ULh dafür dank' ich Euch -rEMPELHERR Ich muß gestehn, Ihr wißt, wie Tempelherren denken sollten. n um an. Nur Tempelherren? sollten bloß? und bloß Weil es die Ordensregeln so gebieten? Ich weiß, wie gute Menschen denken, weiß, Daß alle Länder gute Menschen tragen. rEMPELHERR Mit Unterschied doch hoffentlich? sathan. Jawohl; An Färb', an Kleidung, an Gestalt verschieden. Tempelherr. Auch hier bald mehr, bald weniger, als dort. NATHAN. Mit diesem Unterschied ist's nicht weit her. Der große Mann braucht überall viel Boden; Und mehrere, zu nah gepflanzt, zerschlagen Sich nur die Äste. Mittelgut, wie wir, Findt sich hingegen überall in Menge. . ^Jidu^e^C Nur muß der eine nicht den andern mäkeln; Nur muß der Knorr den Knubben hübsch vertragen; Nur muß ein Gipfelchen sich nicht vermessen^-»"-^ u. Daß es allein der Exde nicht entschossen. Tempelherr. Sehr wohl gesagt! Doch kennl Ihr auch das [Volk, Das diese Menschenmäkelei zuerst Getrieben? Wißt Ihr, Nathan, welches Volk Zuerst das auscrwählte Volk sich nannte? Wie? wenn ich dieses Volk nun, zwar nicht haßte, Doch wegen seines Stolzes zu verachten Mich nicht entbrechen könnte? Seines Stolzes, 165 \attun der Heue Den es auf C'hmi und Muselman vererbte. Nur sein Gau sei der rechte Gott! - Ihr stutzt. Daß ich. em Christ, ein Tempelherr. so rede? Wenn rui und »o die fromme Käserei. Den bessern üoti zu haben, diesen bessern Der ganzen Weh ah besten aufzudringen. ^.*^S^ In ihrer schwärzesten Gestalt sich mehr Gezagt als hier? als itzt? Wem hier, wem itzl Die Schuppen «cht vom Auge fallen... Doch Sa bind, wer wiU' - Vergcßt. was ich gesagt. Und laßt mich! "* ~ ii MittHiM Ja. bei Gott, das habt Ihr. Nathan! Dm habt Ihr! - Eure Hand* - Ich «chame mich. Euch einen Augenblick verkanht'zu haben SAiMA-x Und ich bm stolz darauf. Nur da* Gemeine \ erkennt man sehen Und das Seltene ; man schwerlich - Nathan, ja; Wir mimen, müssen Freunde werden. Mrta/i tet Wn„ nathan. Is schon. -Wie wird sich meine Rectalen!. I nd ah! welch e.ne heitre Ferne schließt Sich meinen Blicken auf! - Kennt ,ie nur erst' [i mpelherr. Ich brenne vor Verlangen. - Wer stürzt dort Aus Eurem Hause? Ists nicht ihre Daja? Nathan. Jawohl. So ängstlich? Tempelherr. Unsrer Recha ist Doch nichts begegnet!. 6. Auftritt Die Vorigen und Doja eilig daja. Nathan! Nathan! nathan. Nun? daja. Verzeihet, edler Ritter, daß ich Euch Muß unterbrechen. Nathan. Nun, was ists? tempelherr. Was ists? daja. Der Sultan hat geschickt. Der Sultan will Euch sprechen. Gott, der Sultan! Nathan. Mich? der Sultan? Er wird begierig sein, zu sehen, was Ich Neues mitgebracht. Sag' nur, es sei Noch wenig oder gar nichts ausgepackt. daja. Nein, nein; er will nichts sehea will Euch sprechen. Euch in Person, und bald, sobald Ihr könnt. 167 \jiha« der Hfl" Vert-se.r der We.. und des Gesetzes. * M'1 R-h,Zußhien Traun. ein schöner Titel! -r^Tsulun. eh ich mich dir ganz vertraue. JSüfc, du »ohL dir ein Geschichtchen zu Erzählen? »UAHv Warum das nicht1 Ich b.n stets Em Freund gewesen von Geschichtchen, gut Erzintt. Nathan. Ja, erzählen, das ist nun Wohl eben meine Sache nicht. salám* S0"0"wieder So aouSbescheiden1 - Mach'! erzähl', erzähle! Nathan. Vor grauen Jahren lebt' ein Mann in Osteel Der einen Ring *on unschätzbarem Wert Aus lieber Hand besaß Der Stein war ein Opal der hundert schöne Farben spielte, L'nd hatte die geheime Kraft, vor Gott Und Menschen angenehm zu machen, wer In dieser Zuversicht ihn trug. Was Wunder, Daß ihn der Mann in Osten darum nie Vom Finger ließ und die Verfügung traf. Auf ewig ihn bei seinem Hause zu Erhalten? Nämlich so. Er ließ den Ring Von seinen Söhnen dem geliebtesten; Und setzte fest, daß dieser wiederum Dm Jung von seinen Söhnen dem vermacSC D« 'hm der liebste sei; und stets der liebste, Ohn -^hn der Geburt, m Kraft allein Nathan der Weise Des Rings, das Haupt, der Fürst des Hauses werde. -Versteh mich, Sultan. saladin. Ich versteh' dich. Weiler! Nathan. So kam nun dieser Ring, von Sohn zu Sohn. Auf einen Vater endlich von drei Söhnen; Die alle drei ihm gleich gehorsam waren. Die alle drei er folglich gleich zu üeben Sich nicht enibrechen konnte. Nur von Zeit Zu Zeit schien ihm bald der, bald dieser, bald Der dritte, - so wie jeder sich mit ihm Allein befand und sein ergießend Herz Die andern zwei nicht teilten, - würdiger Des Ringes; den er denn auch einem jeden Die fromme Schwachheit hatte zu versprechen. Das ging nun so, solang es ging. - Allein Es kam zum Sterben, und der gute Vater Kömmt in Verlegenheit. Es schmerzt ihn, zwei Von seinen Söhnen, die sich aufsein Wort Verlassen, so zu kränken. - Was zu tun? - Er sendet insgeheim zu einem Künstler, Bei dem er, nach dem Muster seines Ringes, Zwei andere bestellt und weder Kosten Noch Mühe sparen heißt, sie jenem gleich. Vollkommen gleich zu machen. Das gelingt Dem Künstler. Da er ihm die Ringe bringt. Kann selbst der Vater seinen Musterring Nicht unterscheiden. Froh und freudig ruft Er seine Söhne, jeden insbesondre. Gibt jedem insbesondre seinen Segen - 195 194 \J(AJ« der H"" ladse,„enR.n,-un^nrb, -Du hörst doch, Sul| 2^:h-..-.K,mmm.« deinem Märchen * —^-^W, bin zu Ende, f j^Twas noch folgt, versteht sich ja von selbst - J Kaan «r der Vater tot. so kömmt ein jeder Mit seinem Ring, und jeder will der Fürst m. Des Hauses sein. Man untersucht, man zankt, Man^tV Umsonst; der rechte Ring war nicht Erweislich; - I tmKj, o«, fout. anekher er da Sultans Antwort erwartet), q Fast so unerweislich als I Uns itzt - der rechte Glaube. i salamv Wie? das soll Die .Antwort sem auf meine Frage?... SATHAN. Soll Mich bloß entschuldigen, wenn ich die Ringe Mir nicht getrau' zu unterscheiden, die Der Vater m der Absicht machen ließ. Damit sie nicht zu unterscheiden wären. salamn. Die Ringe! - Spiele nicht mit mir! - Ich dfcfl Daß die Religionen, die ich dir 1 Genannt, doch wohl zu unterscheiden wären, { Bb auf die Kleidung, bis auf Speis- und Trani!(fcJjH Nathan Und hurvpn seilen ihrer Grundrecht. -1 1 Denn gründen alfe'sich nicht auf Geschichte?1*' M v**coneben oder überliefert! - Und * Ocschictae muß doch wohl allein auf Treu Nathan der Wtise Und Glauben angenommen werden? - Nicht' - Nun, wessen Treu und Glauben zieht man denn Am wenigsten in Zweifel? Doch der Seinen? Doch deren Blut wir sind? doch deren, die Von Kindheit an uns Proben ihrer Liebe Gegeben? die uns nie getäuscht, als wo Getäuscht zu werden uns heilsamer war? - Wie kann ich meinen Vätern weniger Als du den deinen glauben? Oder umgekehrt. - Kann ich .von dir verlangen, daß du deine Vorfahren Lügen^strafst, um meinen nicht Zu widersprechen? Oder umgekehrt. Das nämliche gilt von den Christen. Nicht? - saladin. (Bei dem Lebendigen! Der Mann hat recht. Ich muß verstummen.) Nathan. Laß auf unsre Ring' Uns wieder kommen. Wie gesagt: die Söhne Verklagten sich; und jeder schwur dem Richter. Unmittelbar aus seines Vaters Hand Den Ring zu haben. - Wie auch wahr! - Nachdem Er von ihm lange das Versprechen schon Gehabt, des Ringes Vorrecht einmal zu Genießen. - Wie nicht minder wahr! - Der Vater. Beteu'rte jeder, könne gegen ihn Nicht falsch gewesen sein; und eh er dieses Von ihm, von einem solchen lieben Vater. Argwohnen lass1: eh muss1 er seine Brüder, So gern er sonst von ihnen nur das Bette Bereit zu glauben sei, des falschen Spiels \aiha» der Weise Bezeihen und er -olle die Verrater Vhot -.Inden »issen; sich schon Und nun. der Richter? - m.ch verlangt zu höl^ du den Richter sagen lassest. Sprich! chter sprach: Wenn ihr mir nun den Vafcp S,cht bald zur Stelle schafft, so weis' ich euch M Von meinem Stuhle. Denkt ihr. daß ich, Rätsel Zu lösen, da bin? Oder harret ihr, » Bis daß der rechte Ring den Mund eröffne? -Doch halt! Ich höre ja. der rechte Ring Besitzt die Wunderkraft, beliebt zu machen. Vor Gott und Menschen angenehm. Das muß Entscheiden' Denn die falschen Ringe werden Doch das nicht können' - Nun; wen lieben zwei . Von euch am meisten1 - Macht, sagt an! Ihr schweigt? Die Ringe wirken nur zurück? und nicht Nach außen'1 Jeder hebt sich selber nur Am meisten? - 0. so seid ihr alle drei Betrogene Betruger! Eure Ringe i Sind aDe drei nicht echt. Der echte Ring Vermutlich ging verloren. Den Verlust Zu bergen, zu ersetzen, ließ der Vater Die drei für einen machen. ' SALADW Herrlich! herrlich! vathax. Und also, fuhr der Richter fort, wenn ihr Nicht meinen Rat. sUlt meines Spruches wolll: Geht nur! - Meui R» isl aber der; jnr nehml D»e Sache völlig, wie sie lieg,. Hat von Euch jcd€r semenlüng von seinem Vater: Kaihan der Weise So glaube jeder sicher seinen Ring Den echten. - Möglich, daß der Vater nun Die Tyrannei des einen Rings nicht länger In seinem Hause dulden wollen! - Und gewiß Daß er euch alle drei geliebt und .gleich Geliebt: indem er zwei nicht drücken mögen. Um einen zu begünstigen. - Wohlan! Es eifre jeder seiner unbestochnen. Von Vorurteilen freien Liebe nach! Es strebe von euch jeder um die Wette, Die_Kraft des Steins in seinem Ring an Tag <. (.i^*«^». t\n Zu legen! komme dieser Kraft mit Sanftmut, «rv>w«v«Jx >. Mit herzlicher Verträglichkeit, mit Wohltun, ^^^^?Vr^Jl Mit innigster Ergebenheit in Gott \«^{o^f^'^»^ Zu Hilf! Und wenn sich dann der Steine Kräfte Bei euern Kindes-Kindeskindern äußern: So lad' ich über tausend tausend Jahre' Sic wiederum vor diesen Stuhl. Da wird Ein weisrer Mann auf diesem Stuhle sitzen Als ich und sprechen. Geht! - So sagte der Bescheidne Richter. saladin. Gott! Gott! Nathan. Saladin, Wenn du dich fühlest, dieser weisere Versprochne Mann zu sein... saladin (der auf ihn zustürzt und seine Hand ergreift, die er bis zu Ende nicht wieder fahren läßt)- Ich Staub? Ich Nichts! O Gott! 199 198 Sathan ihr Weise Waa ist dir, Sultan? Nathan, lieber Nathan! - NATHAN. uusend deines Richters £Ä »ich. um. - Sein Rich.erstuh. .st «cht ; hk-uk-CK-h! - Geh! - Aber se. mem Freund. Nathan. Und weiter hätte Saladin m.r mehts Zu sagen? saladin. Nichts. nathan. Nichts? saladin. nichts. - Und warum? Nathan. Ich hätte noch Gelegenheit gewünscht, Dir eine Bitte vorzutragen. saladin. Braucht's Gelegenheit zu einer Bitte? - Rede! Nathan. Ich komm' von einer weiten Reis', auf welch Ich Schulden eingetrieben. - Fast hab' ich Des baren Gelds zuviel. - Die Zeit beginnt Bedenklich wiederum zu werden; - und Ich weiß nicht recht, wo sicher damit hin. -Da dacht' ich, ob nicht du vielleicht, - weil doch Ein naher Krieg des Geldes immer mehr Erfordert, - etwas brauchen könntest. saladin (ihm steif in die Augen sehend). Nathan! -Ich will nicht fragen, ob Al-Hafi schon Bei dir gewesen; - will nicht untersuchen, Ob dich nicht sonst ein Argwohn treibt, mir dieses Erbieten freier Dings zu tun... nathan. " . . „9 Ein Argwohn: lft saladin. Ich bin ihn wert. - Verzeih mir! - denn was lu» 200