er Schwarxe Schwan Den it sebe Chronik 2 l'ľtr Kinns Kammer Personen Erster Akt Rudi Goothcin Professor I.iberé lrm, Liberes Tochter Frau I.ibcré Professor Goothein, Rudis 1 hier Dr. Harald von Trut/ Tinchen, Adoptiv- Tochter IJberés Gerold Figilister Seelschopp Bruno Bühnenbild Her Rtindhori^ont leigt die vollkommen realistische Ansicht einer Nervenheilanstalt in Waldumgebimg. Gebaut um die Jahrhundertwende und seitdem nicht verändert. Vor diesem Hintergrund werden so sparsam wie möglich die einzelne» Schauplätze angedeutet: Liberés Arbeitszimmer. Anstaltsgarten. Wohnzimmer und Terrasse der Familie Liberé. Wäscheplatz,. Zimmer 1114. Professor Liberes Arbeitszimmer. Hin Schreibtisch. Zwei Stühle. Professor Coolhein, Rudi, Liberi-. Liberi' im weißen Mantel. Goothein und Rudi im Straßenanz/ig. Rudi ist elegant, aber fast z/' formbeflissen angezogen. Abituranz/ig. lir sieht ein bißchen eingesperrt aus in diesem Anzug. Der Kragen reicht weit am Hals hinauf und ist sehr gestärkt. . luf dem Hoden spielt lincben. Während der ganzen Szene ist Liberi damit beschäftigt, Sahnebesen zusammenzubiegen, lir hat fertige Griffe neben sich liegen. Goothein reagiert z.uweileu mit ärgerlichen Blicken auf Liberes Arbeit, Liberes Beschäftigung macht ihn nervös. GOOTHKIN Was Rudi braucht, ist nicht Sizilien. Hier in Karwang wird er sieh erholen. Sie braucht er, l.ibere, und schon ist er gesund. Kl in Das heilit, Herr Professor, mein Vatet glaubt, ich sei krank. GOOTHEIN Nein, nein, nein. Krank nicht. Entschuldige. Aber die Nerven, l.ibere, zuerst das aufreibende Abitur, und dann mach ich noch den Fehler und sage, da feiern wir doch tlie Verlobung gleich mit. Doch, doch, Rudi, das war ein Fehler. Ich will bei Gott nicht den Unfehlbaren spielen. Ist doch denkbar, du wolltest gar nicht mehr. Da hast du endlich dein Malurum, warst ein freier Mann. Nu hängt dir aber die Ver lobung am Hals. Weil du vorher was versprochen hast. In all dem Druck. W'ie'n Gelübde. Wenn ich's Malurum schalle, verloben wir uns. Das halt' ich nicht bedacht. Also arrangier ich die Feier zu früh und da geht ihm der Gaul durch. Ist doch nur zu verstündlich, |unge. Nur, wie er das dann ab macht, labere, tlaran seh ich, er braucht Frholung. Weigert er sich doch öffentlich, sein Reifezeugnis emgegenzunch men. Öffentlich, Libere, weist er sein Maturum glatt zurück. Wie mir das peinlich war, Libere, icli sitz da unten, testtäglich, und er geht raut" und sagt nein. Verstehen Sie, weil er glaubt, daß die Verlobung jetzt ... RUDI Laß doch die Verlobung aus dem Spiel, Papa. Ks geht um den Prozeß, Herr Professor, zuerst will ich meinen Prozeß hinter mir haben .. . (,<)()'! III IN So redet er seitdem. Hält Reden, l.ibere. Reden! RUDI Zuerst in den Gerichrssaal, Papa, dann nehm ich das Zeugnis. GOOTHEIN Schon gut, Junge. Das erzählst du alles dem Herrn Professor und dabei erholst du dich. RUDI Ich bin nicht besonders mutig, Herr Professor. Ich brauch ein günstiges Klima tür den Prozeß, eine Nachricht über mich, die die Richter betört, eine Nachricht, die die Richter mit geschlossenen Augen einatmen, so schön ist sie. Ich könnte, zum Beispiel, das Volkswagenwerk belagern. <,(><> rill in Hören Sie, Libere, das Volkswagenwerk! RUDI Ich könnte verlangen, daß das Werk dem Staat Israel übereignet wird. Daß das nicht geht, weiß ich auch. Aber ist es nicht rührend, ein Zeichen der Einsicht, der Umkehr-1 Der Angeklagte will das große Werk dem Staat Israel vermachen. \ Verstehen Sie, ich will mich gut stellen mit allen Verwandten meiner Opfer. Dann, meine Herren Richter, bin ich bereit. GOOTHEIN Rudi, mein Junge, nu laß dir doch Zeit. l.ibere, Herrgott, es könnte doch jemand kommen jetzt, und Rudi den Garten zeigen. Mein Freund l.ibere ist ein großer Gärtner, Rudi. l'nd du hast doch was übrig, Rudi, für Blumen. Das hat er von meiner Frau, Libere. Sie kannten sie ja. Das war auch eine große Gärtnerin. libere Ich hab mich spezialisiert, Goothein. Auf Thujen. GOOTH1UN Auf Thujen, Rudi, hörst du. Thujen. LIBER.fi Vielleicht mag er Thujen nicht. GOOTHEIN Ach, das glaub ich nicht. Fr muß sich das alles zuerst einmal ansehen. Nicht wahr, Rudi. R Li Dl Herr Professor, mein Vater will mich los sein. Aber be- denken Sie, wem Sie Unterschlupf gewähren, wenn Sie mich aufnehmen. GOOTHEIN Rudi, Dr. von Trutz wird dir die Thujen zeigen. RUDI Ja, Papa. Ich gehe schon. Zu den Thujen. Rudi gehl. TINCHEN Onkel? LIBERE Ja, Tinchen? TINCHEN Die Thuja heißt auch Lebensbaum. . LIBERE Obwohl sie ... Iii bietet %ur Fortsetzung an. TINCHEN ... vor allem auf Friedhöfen vorkommt. LIBERE Sehr gut, Tinchen. Wissen Sie, Goothein, wie meine schönste Thuja gewachsen ist? (iooTHKiN Nu hören Sc doch endlich mit Ihren Thujen auf, l.ibere. In' daß Se da andauernd wie'n Sträfling so Zeug flechten, find ich, entschuldigen Se schon, das find ich nicht gerade sehr taktvoll. LIBERE Das hab ich angefangen, als ich nach Karwang kam, Goothein. Es beruhigt, i. GOOTHEIN Mich erinnert cs\ Gerade Sie hätten keinen Grund. Jetzt hören Sic doch endlich auf damit. II BERK Entschuldigen Sie. Das ist wahr. Hört auf. Rudi rasch ron rechts. RUDI Schlimmstenfalls, I lerr Professor, könnten Sie, die Kapazität, mir ein Gutachten austüfteln, wenn Sie das vor Ihrem Gewissen, ich meine nicht aus Mitleid sollen Sie, das nicht, aber wenn Sie's verantworten könnten, zu schreiben: dem Rudolph Goothein ist kein Prozeß zu machen, der kommt nicht in Frage wegen unvollständiger Zurechnungstähigkeit. L'nd gegen |uden hat er sowieso nichts. Er bringt um, wie es sich grad gibt. Bitte, Herr Professor, sagen Sie nichts. Was Sie denken, weiß ich auch so. Ich sehe es doch selber ein, jetzt, daß Ihnen das nicht zugemutet werden kann, bloß weil ich vor Feigheit im Kreis herum denk. Kein Gutachten, ich habe Sie um nichts gebeten, Herr Professor. Um nichts und wieder nichts, [entschuldigen Sie, bitte. Er gehl rasch ab. GOOTHEIN So redet er, Libere. So schrecklich durcheinander. 260 261 Libere, jetzt hingen Sic schon Wiedel U1 Rill dicier Drain flechterei. Das ist eint- ganz gemein« Taktlosigkeit, Sic htm sich entzogen damals. Ich hab meine vier Jahre abgemacht. Sozusagen auch für Sie. Jawohl. Ich bin nicht nachtragend. Ich hab ja meinen Vorteil davon. Erst in der Hau ist es mit nämlich aufgegangen, daß ich kein Nervenarzt bin. So von sieben bis zwölf operieren, da wissen Se dann eben, was Sc getan haben. Na ja, vier Jahre Gelegenheit zum Nägelkauen, wer da nicht draufkommt, was los is' mit ihm. Aber dal. jetzt ausgerechnet Sie, I.eibniz . . . Libere schaut auf. Nicht heftig, Lher erstaunt. Entschuldigen Sie, Libere, alter Freund. Jetzt werd ich auch noch taktlos. War nicht meine Absicht, 'ne Fehlleistung, Libere. Für mich heißen Se nu wirklich Libere. Ich trag Ihnen nischt nach. Ich bin froh, daß ich meine vier Jährchcn gleich abgemacht habe. War ja außerhalb auch nischt los. Keine Kohlen. Nischt zum Beißen. Dafür die blühendste Hexenverfolgung. Das war nicht die schlechteste Zeit für'n Happen Sühne. War einfach 'ne Art Kriegsverlängerung. Aber Sie waren ja immer schon 'n bißchen introvertiert. Jede Wette, Sic ham sich mehr aufgebrummt als vier Jahre. Un' die machen Sc jetzt brav hier ab. Das Dumme ist bloß, so 'ne selbstgebasteltc Verurteilung, das kauft Ihnen draußen keiner ab. Wenn Se mal wieder raus wollen aus dem finsteren Karwang, das stell ich mir herb vor, Libere, etwa noch nachträglich in 'n Knast, so direkt weg von Tisch und Bett. LIBERE Das Zuchthaus furcht ich nicht, Goothein. Ich habe trainiert. Fragen Sie meine Frau. Meine Schlafzimmertür hat Beschläge wie eine Zellentür. Ich esse aus Blechgeschirr. Ich flechte soviel wie kaum ein Gefangener. Und ich weiß, das alles gilt nicht. Die Richter und die Zuschauer wollen sich mästen an dir. Mit jedem Geständnis werden sie tetter. Vor lauter Anständigkeit. Die Richter, abends zu Hause, und vormittags stellen sie sich hin, von Schuld keine Ahnung. Das im es, Goothein, daß nu von der Schuld keine Ahnung haben, dalüt ein Kostüm und cm auswendig geiernies Ge mcIii. I Ind das isl die Strafe, Der ausgeliehene Ernst, mit dem sie dich behandeln. Vor Zuschauern, die sich gütlich tun. Am helisien war ihnen der Ciaigen. Auf jeden Fall wollen sie sich sauber vorkommen. Dazu soll ich ihnen dienen. Das vermag ich nicht. Obwohl ich weiß, ohne diese Demütigung, ohne Zuschauer isl alles, was ich hier tu, keine Bestrafung. (iOOTHElN Sie rackern sich ja ganz schön ab, mein Lieber. Aber von mir ist nichts zu befürchten. Wenn ich schon mal einen von früher treff und der fragt mich nach'm Leibniz, da sag ich sofort: der ist in Südamerika, bei den andern, kuriert Kastrationskomplexe von Rindermillionären. Lacht. Aber jetzt sagen Se bloß, was machen wir mit dem jungen. I.IBERE Es war besser, Sie nähmen ihn wieder mit. GOOTHEIN So wie er jetzt ist. Unmöglich. Rennt herum, spielt 'ne fürchterliche SS Charge. Wie mir das peinlich ist, Libere! Jetzt wo die Leute allmählich vergessen. Wenn jetzt der junge solchen Ttnoett'macht, werden die alten Geschichten wieder aufgewärmt. Und der arme Junge, Libere. Der hat sich da was aufgeladen, und ich kann ihm nicht Helten. Ich bin heraus aus der Praxis. LIBERE Ich hab eine Tochter, Goothein. Für die hab ich eine Vergangenheit erfunden. Ein Kind fragt viel. Jahr für Jahr hab ich aufgebaut. Ein ganzes Indien. Tage in Madras erfunden. Reisen nach Bangalore, Kleine Abenteuer am Ozean. Den Strand bevölkert mit Erinnerungen. In jedem Augen-\M blick bin ich gefaßt auf neue fragen. Rudi ist eine Gefahr für Irm. Was, wenn er sich an Irm erinnert? An Hcdi, ihren ', früheren Namen, den ich ausradierte aus ihrem Gedächtnis? Wenn alles plötzlich aufbricht und sie Rosenwang vor sich sieht. Das ist in Indien nicht unterzubringen. (,()(>THIUN Das ist doch abgesackt und weg. Wissen Sie noch, mit wem Sie spielten als Se drei waren? Nec, Libere, nee, nee, das laß ich nicht gelten. I l Ii l Kl Goothcin, in Innen Sir ilm wlrdri niil Ii Ii lilllr Sic I in seinetwillen. Ith Inn mein ilei Huhllgc hu Minen lall Libere nimmt hastig seine I >raht arbeit tu/. GOOTHH1N Sie sind der Richtige, Lcibniz. Sie harn dm Ii mir Kraft, das weiß ich doch, Sie brauchen bloß hinzuschauen, da schmelzen ei'm doch glatt die Fingernägel von der I land Sieht Liberes Arbeit. Libere, nu rangen Se nicht schon wiedet damit an, ja! I.IDIRI. Ach. Entschuldigen Sic, bitte. GOOTHBIN Wenn Sie's wenigstens könnten. Das kann man ja nicht mitanschen. Lr greift ^u. Allein geht das eben nicht. Sehen Sie, der Nebenmann hat die Drahte gebogen. Aber nicht freihändig, mein Lieber, sondern am Dorn, den er vor sich hat, so, übers Kreuz, das hält. Br führt das an seinem Spa~ierstock vor. Und erst wenn alle sechs Drähte gebogen sind, die Einführung ins Lochblatt. |edcr Draht führt genau seinem Ausgangspunkt gegenüber zurück in das Lochblatt. Jetzt die Fixierung. Das untere Ende des längsten Drahtes, des sogenannten Kuppcldrahtes, wird zurückgebogen in die Öffnung des Griffs. Sie sind einfach ein Dilettant, Libere. Ein ganz rosiger Dilettant sind Sic. Als Häftling. l l Hl RI-. |a, ich weiß. Iis wird dunkel. Libere im Anstaltsgarten: Im Hintergrund . Anstaltsfassaden. Vorne links eine vielstämmige Thuja. Man kann die Stämme nicht gleich fahlen. Sie sind keinesfalls so ebenmäßig gewachsen, wie Libere sie sieht. \ br der I huja eine Bank. hiftritt Dr. von Trnt~ und Rudi von rechts: Uber'e geht auf Rudi und l'rut^ RUDI Herr Professor, der Doktor hört und hört nicht auf, mich mir Maturum und Verlobung zu traktieren. Ich denke, ich soll mich erholen hier. 264 I Ml Vi IN I II I I / I Irl 1 (.....I In 111 nlrlfll, ich . . . 111 Hl Nicht diesen Ni......1, bilii Nirm .11 mn V.iiei kann nu liii 1I.1I111 Jetzt allerdings, d.i 1 1 um Ii, .instalt muh anzuzeigen, hier verbirgt, macht er sich mitschuldig. Jetzt läuft der Pro zcß ohne mich. im VON TRUTZ Welcher Prozeß. iti Dl Lieber Doktor von Trutz, jeden Tag, in jeder Zeitung können Sie's lesen. DU VON TRUTZ Hier gibt's keine Zeitung. Kl IM Eine Maßnahme meines Vaters. Er hat Angst, ich lese, daß meine Kameraden verurteilt werden, und les ich das, fürchtet er, dann stell ich mich doch noch. DK VON TRUTZ Herr Goothein ... RUDI I lerr Doktor! DR. VON TRUTZ Rudi, gehen wir noch einmal zurück. Nach der Abiturfeier ... RUDI Herr Professor! I IBHRf Danke, von Trutz. Wir sehen uns nachher beim Essen. Dr. von l'rut^ verbeugt sich knapp und geht. I IUI Rl Gefallt dir mein Garten? RUDI Sie wollten den Brief. Hier ist er. I.IMI-RI geht auf seine l'hiija^u: Eigentlich unsinnig, die Bank so zu stellen, daß man die schone Thuja im Rücken hat, findest du nicht. Rudi ^uckt mit den Schultern. Du zählst die Stämme? Gib zu, du hast die Stämme gezählt. Da, die Stämme dieser Thuja. Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben. Ausgerechnet sieben Stämme. Ohne daß ich was tat an dun Baum. Rl Dl Der Brief, Herr Professor. II Hl.RH Lies ihn vor. RUDI Ich soll den Brief laut vorlesen. I.IHI'Rf Du hast ihn doch geschrieben, sagst du. RUDI Ich sag, ich muß ihn geschrieben haben. LIBERß Dann mußt du ihn auch vorlesen können. 26, rudi Ich kann ihn auswendig, so ist es nicht. Bloß, laut hah ich ihn noch nicht gelesen. Verzeihen Sie also, wenn der Vortrag noch Mängel hat. I.IBHRi: Bitte. RUDI Rosenwang, zweiter März, zweiundvierzig. Bitte nicht unterbrechen, Herr Professor. Rosenwang, zweiter März, zweiundvierzig. Betreff Aktion 14 f i} in den Konzentrationslagern, Bezug Verfügung Amtsgruppenchef Dora, Strich Dora-lda, Strich eins, Strich a-zet, Punkt, Doppelpunkt, 14 f 15, Strich, O, te. Strich S, Strich Geheim ... UBKRI- Bitte, Rudi, laß das doch weg. Rudi Tagesbefehl-Nummer Drci-vier-Strich-vicr-drei. An die Lagerkommandantur Groß-Rosen. Uns erscheint der 24. März 1942 als Ankunftstag der geeignetste, da wir in der Zwischenzeit von anderen Konzentrationslagern beliefert werden und für uns arbeitstechnisch ein Zwischenraum notwendig ist. Sollte es Ihnen möglich sein, die Häftlinge in Omnibussen anzuliefern, so schlagen wir Ihnen die Anlieferung in zwei Transporten zu je 107 Häftlingen und zwar am Dienstag, den 24. März und Donnerstag, den 26. März vor. Die Gemeinnützige Krankentransportgesellschaft wäre Ihrerseits termingerecht zu verständigen. Wir bitten Sie, zu unseren Vorschlägen Stellung zu nehmen und uns den endgültigen Bescheid zukommen zu lassen, damit wir dementsprechend weiter disponieren können. Gezeichnet Rudolf Goothcin. Gibt ihm den Brief. So. Jetzt. Der Herr Professor schweigt. LIBERE Wie alt bist du? RUDI Das ist schon meinem Vater eingefallen, mich danach zu fragen. LIBERE Du hast ihm den Brief gezeigt? RUDI Nein. LIBERE Warum nicht? RUDI Ich weiß nicht. Ich traute mich nicht. Mein Vater ist, verstehen Sie, er ist sehr gütig. Aber nachdem ich den Brief 266 gefunden harte, als alles wieder auftauchte, plötzlich wiin melte es mir im Kopf, das Gedächtnis liefert mir, was 11 Ii nicht will, läßt aufmarschieren Figur um Figur, ich komm jetzt schon einen Film danach drehen, so genau seh ich wilder, wie es war, das wirkte sich wohl aus, Papa jedenhll-, sorgte sich. Was ist, fragt er, hast du Pilze gegessen. Nein, sag ich, ich bilde mir bloß was ein, mein Gedächtnis wird au! einmal so hell, sag ich, und ich such zu Hause nach dem Koppel, das muß doch noch da sein, sag ich, aber da gtiili Papa ein, kommt wie der Lehrer mit dem Schwamm, der die Sauerei wegwischen will von der Tafel, und er schafft es nicht. Der Brief, da hilft kein Schwamm, auch nicht der Geburtsschein, den er mir vorhält, der Brief trägt meinen Namen und der Brief ist echt. LIBERO Der Geburtsschein wohl auch. Kl Dl Gefälscht um mich zu decken. Mein Vater liebt mich, verhätschelt mich, verstehen Sie. I IBI-Rf. Du mußt ihm den Brief /eigen. RUDI Nein. Niemals. Herr Professor, bitte. Mein Vater und ich, wir sind nicht so gegeneinander, wie man das oft hört. Vielleicht weil ich von meiner Mutter nicht mehr kenne als ein paar Fotos, die nicht zusammenpassen. Auf jedem Foto eine andere Person. Firnen solchen Brief, Herr Professor, den meinem Vater zeigen, ich könnte nie mehr sprechen mit ihm. LIBERE Also hast du ihn geschrieben. RUDI Zuerst hab ich mich natürlich gewehrt. Vorsicht, sagte ich mir, Vorsicht, Rudi. Du hättest diesen Brief geschrieben. I ml vergessen. Das Koppel gelragen, und vergessen. So was einfach vergessen. Mein Gott, Vorsicht, dann kann jetzt jeder kommen, mir in die Schuhe schieben, was er will. Ich kann es vergessen haben. Aus Kellern, Dachboden, I lunde können kommen, solche Briefe in der Schnauze. Kinder Schiffchen falten aus dem Papier, das den Mord mit meinem Namen besiegelt. Also Vorsicht, sagte ich. F.s ist auch Papas Name. Da ist die Schuld, Herr Professor, ein ungeheurer z6i Kittel. Jetzt, wem paßt er? Also frag ich Papa. Womit, Papa, hast du dein Leben so verbracht? Imitiert: Ach Junge, was tut ein Chirurg von einem Schlamassel zum anderen, Lin Chirurg operiert eben. Daneben hat er noch seinen Goldfisch. Und sein Klavier. Wieder als Rudi: Plötzlich wußte ich: es ist ein Glück, einen schrulligen Vater zu haben. Lächelnd seh ich, daß er älter wird, l'nd ich weiß, er muß schon immer ein bißchen so gewesen sein. Besorgt um den Goldfisch. L'nd in der Klinik immer pünktlich. Du warst also immer Chirurg, Papa? Imitierend: Aber ja, Junge. Schon in früher Jugend hab ich immer gern was zerlegt. Als Rudi: Und dann hat er's eilig, Herr Professor. Imitierend: Junge, ich hab heut vier Mägen und ein I lerz. Erhol dich, Junge, dein Vater muß in die Klinik. Rudi schlägt mich einer Schnake auf seinem Ilandrük-ken. I.IBKRH Was . . . was tust du da. RiiOl Line Schnake. I.IM-.RI-. Du tötest Schnaken? RUDI Sie wollen mich ablenken, Herr Professor. Schnaken! Bitte, sagen Sie meinem Vater nichts von dem Brief. I.IBKRH Du mußt es ihm sagen. rudi Schonen wir den armen Mann vor dem Detail. Mörder, das ist schön allgemein. Daß sein Sohn ein Morder ist, daran wird er sich gewöhnen. I.IBKRH Du spielst dich auf, Rudi. RUDI Stimmt. II Hl HI Spielst den Täter. RUDI Ich üb die Rolle wieder, die ich früher spielte, dann vergaß. I.IBKRH Das prickelt angenehm, solang man weiß, man hat sich das selber ausgedacht. Hat man aber wirklich was getan, Rudi, dann hat man Blei im Nacken. Der Kopf dreht sich nicht mehr. Du kannst nicht mehr nach hinten schauen. Du aber mischst dich einfach ein. Päppelst dir Lrinnyen auf. Stopfst sie aus mit Stroh. Damit du was zum Gruseln hast. Hochmut ist das. Du spielst mit der Schuld. Lädst dir Morde auf, die dich nichts angehen. Und dabei schaust du dir zu. KL'Dl Muß ich doch, Herr Professor. War ich's, war ich's nicht. Könnte ich's gewesen sein? Sic waren damals in Indien, sagt Papa. Ich weiß nicht, wie ich mit Ihnen reden soll. Wer nicht hier war zu der Zeit, weiß nicht, wozu er iinstand gewesen wäre. : i Iii r i Ich weiß es, Rudi. rudi Möglich, Sie haben mal ein Krokodil gequält, Mosquitos vergiftet, was! Bitte, I lerr Professor, zündet einer vor Ihnen eine Zigarette an und beim ersten Zug qualmt ihm der Rauch so blaugelb dick aus dem Mund, woran denken Sie da? An Nikotin, Teerprodukt, Kranzgefäße oder Verbrennung indi scher Witwen? |a? Ich seh sofort Kamine, besonders plump breit-rechteckige Kamine. L'nd es riecht so. i.ibkrk Rudi, ich hab das Rauchen verboten in Karwang. RUDI Oh, schön. Also doch eine passable Anstalt für mich. UM.Kl. Line solche Thuja, zum Beispiel, findest du nicht so schnell wieder. Ls wundert mich, daß du nicht siehst, wie eigenartig sie gewachsen ist. falls du bemerkt hast, wie sie aussieht mit ihren sieben Stämmen, sag es ruhig. Mich erschreckst du nicht damit. Von hier Rudi, vielleicht siehst du's von hier aus. Erfährt ihn so, daß Rudi die Thuja von der Seite sieht. rudi Besser, Sie sagen gleich, was Sie damit auskundschaften wollen. Ich bin nicht aufgelegt, über Gewächse zu plaudern. i.ibkrh Merkwürdig, Rudi, manchmal friere ich unter deiner Verachtung, aber manchmal tut es mir richtig wohl, daß du mich so scharf verachtest. RUDI Ich, Sie verachten, Herr Professor! Ich mache mir hoch stens Sorgen um Sie. Ls könnte ja sein, Sie ruinieren an mir, wenn Sie mich nicht gradekriegen, Ihren guten Namen. LIBERK Ein guter Name, Rudi, ist ein Pseudonym. Rudi Also ist der Name meines Vaters mein Pseudonym. Also brauch ich endlich meinen wahren Namen. Sagen Sie's meinem Vater, sein Name bleibt unversehrt, ich bin getauft 268 durch mein Handwerk von damals. Sagen Sie's meinem Vater: ich habe gestanden. Sagen Sic ihm, es ist so: sein Sohn ist der Schwarze Schwan. Und wenn es ihn tröstet: einmal hatte ich sogar einen Augenblick der Schwäche, wie ein Mensch. Das war im Spätherbst. Ich vor dem Block, die Wolken schon mit kalten Rändern, messerscharf, vom Wind geschliffen, ich schon mit wärmerer Unterwäsche, wohlig eingefaßt fühlt man sich da, und vom Tor her die Omnibusse der Gemeinnützigen Krankentransportgcscllschaft Berlin. Das war 'ne Firma, Herr Professor, haftete unbeschränkt dafür, daß aus Groß-Rosen und sonst woher das Material gesund ankam, auf mich zu, und ich stand in wärmerer Unterwäsche als die, schwenkte den Daumen links, den Daumen rechts, grad wie der Daumen Lust halte, bis die Kleine kam, da sag ich: Halt, der Daumen bleibt stehen, sie schaut so, ich sag: wie heißt 1111? Hedi, sagt sie. So, sag ich, Hedi. LIBBRE Was sagst du? RUDI I ledi heißt sie. LIBERE Hedi? RUDI Hedi. Und ich frage: wer bin ich? Der Schwarze Schwan, sagt sie. Da gibt's nichts zu grinsen, schrei ich, ich heiß Rudi, schrei ich und schwenk den Daumen nach rechts, weil ich sie, so grad aus Laune, leben lassen will, sie aber geht nach links, nach links, ihren Alten nach, läßt mir zwei Namen zurück, Hedi. Und ich nicht mehr Rudi. Ich der Schwarze Schwan. Getauft von der. Und tatsächlich, der Name paßte. Ein Name, der nicht paßt, bröckelt ab, hält sich keine vierzehn Tage. Der Schwarze Schwan, das paßte so gut wie meine wärmere Unterwäsche, faßte mich ein, eine Silhouette mit dem Dolch gezogen, ich sah mich gehn in diesem Namen, konnte ihn lesen in den Augen, die auf mich zukamen den Herbst und den Winter, all die Jahre. LIBBRE Setz dich, Rudi. Setz dich hierher. RUDI Das ist der Unterschied, Herr Professor. Ich kann mich nicht mehr setzen. In mir ist ein Lärm. Schüsse, Güterzüge, 270 Qebcjl, und immer die durchdringende Tischglocke des Vor- L sitzenden. Ein Lärm ist das, Herr Professor, daß man taub | werden mochte. LIBERfi Du dekorierst dich mit Gewissen. Aber du spürst nichts. Was du daher erzählst, berührt dich nicht. Rl'Dl Oh, Herr Professor, Sie sind wirklich ein Kenner. LIBERE Von Schuld hast du nicht mehr Ahnung als ein Ruh ter. Du prahlst. Ri'DI Das ist doch das Schlimme. Ich spür's, daß ich prahle. Ich weiß, was geschah, ich seh mich alles tun, was ich tat, und es tut mir nicht leid. So helfen Sie mir doch. LIBERE Da schau diese Thuja an. Die sieben Stämme. Siehst du denn nicht den Leuchter, Mensch! Siebenarmig, diesen I .euchter. Rl'Dl Also ein Leuchter. Ach so, ja, natürlich, so ein Leuchter soll das sein. LIBERE Du willst ein Monier sein, man schüttet dir einen Kübel Blut hin und du sagst, was soll die rote Farbe. Gib's auf, Rudi. Rl'Dl Ich frage nur, wie Übt man das, Reue, I lerr Prolessor, so, daß es einen brennt. LIBERE Geh, Rudi, geh. Vor diesem Baum, so zu prahlen, so unbeschwert, so harmlos, bitte, geh jetzt. Kl Dl Entschuldigen Sie bitte, I lerr Professor, in punkto Pietät hapert's bei mir. Schon in der Schule an jedem Feiertag fehlte mir das Talent, meinem Gefühl zu übersetzen, was das Ehrenmal meinr. Entschuldigen Sic mich also bitte hei Ihrem boraniscliejl_SiHiv«iir, dem siebenarmig leuchtenden Gewis-scjTsrcj4iii*it. Und sehen Sie bitte, wie ich mir jetzt Mühe gebe. Solort wird jetzt ins Taschentuch der Knoten gemacht. So. Jetzt hab ich auch mein Mahnmal. Portabile. Immer griff* bereit. Oder müssen es sieben Knoten sein? Oder sieben Millionen Knoten? Das will ich fleißig überlegen, Herr Professor. Adieu. Ergebt. Liberi bleibt vor seiner Thuja. 271 Wohnzimmer, offen z»r Ttrrastt, Es falle» auf einzelne indische Souvenirs; ein Buschmessei; ein Schachtisch, dessen Platte ton einem lilefanten Heiraten und. Professor Tibere, Frau Libere, Irm, Dr. ron Trutz- Inn sitzt unbequem. Die anderen stehen, schauen aneinander vorbei. I V. von Trutz steht neben irm, wirft einen Blick in ihr Buch. Irm blättert, Zum Lesen ist sie nicht aufgelegt, aber sie weiß nicht, was sie sonst tun soll. Frau Tibere, im übertrieben ausgeschnittenen Kleid, an der offenen Terrassentür. FR AU I.IBI-Ri; Eine Luft ist das. Man tappt von einem nassen Lappen in den anderen. Feuchtes Spinnweb ist das, keine Luft. Schwaden, Schlieren und keine Luft. Warum wird die Partie nicht aufgebaut? Was ist, ihr Herrn, heute seid ihr dran. Ich habe frei heute, Irm. Kein Mensch kann heute abend von deiner Mutter eine Schachpartie verlangen. Das Buschmesser müßte man nehmen, die triefenden Schwaden kreuz und quer zerfetzen, bis Luft einströmt von irgendwoher. Es muß doch noch irgendwo Luft geben, die man atmen kann, die man spürt, die ausgibt. Harald? OK. VON TRUTZ Liebe Schwiegermama? Irm schaut unwillig auf. FRAU UBERS Weißt du, warum Schlangen so nackt sind? DR. VON TRUTZ zögernd, schaut querst 9U Irm: Wenn man bedenkt, aus welcher Zeit die Reptilien ... FRAU LIBERE Harald, da unterm Schulterblatt, bitte, kratz mich. Die Schnaken haben sich eingestellt auf uns. Sie kennen genau die Stellen, wo wir nicht hinkommen mit der Hand. Tiefer, Harald, noch ein bißchen, ja, da, jaaa. HR. von TRUTZ Sie ziehen dich vor. FRAU LIBUR f. Z" Harald, aber gegen ihren Mann gemeint: Das ist alles, was ich jetzt habe von meinem süßen Blut, daß mich die Schnaken vorziehen. Mein Gott, Irm, früher, wir hatten Gäste, ein Haus, jedes Lest mußte dreimal gefeiert werden, so- 272 v Irl I ic mhli Ii 111> 11 wir, I. chic «.in Ii dnill Wo du lllllli. il Ii -,i 1 in Bonmot < >b 1 Umkmbuffi itarb, odet <>l> ein Zeppelin verbrannte ... im Parterre um Scideiii.ipcten ... mul lotst und man schief angeschaut, wenn man eine Schnake um bringt, die einen eine Stunde lang gepiesackt hat. Da uu Iii. Harald, das kitzelt, zuletzt lach ich noch. Lachen und Kau dien verholen, die Anstaltsleitung. Danke, Harald. T>>. von Trutz tntt zurück, verbeugt sich,geht wieder z>' Irm. Tr will seine Hand auf ihre Schulter legen. Sie entzieht sich ein wenn; Er bemerkt das und greift verlegen mit der rechten Hand an sein linkes Ohrläppchen. 1 KAU LIBERÉ Wenn ihr weg seid, wer kratzt mich dann? 1 IUI.RH Ich, liebe Hille. ■•RAU l.lBI.Ri: Du! Du züchtest sie ja, die Biester. LIBERÉ Nur die Thujen. 1 r AL MB!.Kl. Eben, daß das Ungeziefer besser gedeiht bin Glück, Irm, daß wenigstens du herauskommst aus diesem Dschungel. DR. von TRUTZ In Indien, könnt ich mir denken, war es noch feuchter als hier in Karwang. Tran Liberi lacht kurz und grell auf. Ich war nie in Indien, entschuldige. Ich dachte bloß ... Bricht verlegen ab. LIBERÉ Lassen Sie sich nicht einschüchtern. Sie haben vollkommen recht, von Trutz. Schlagt nach einer Schnake. FRAU LIBERÉ Wie, Hermann, du schlägst nach Schnaken. Ha rald, hast du das gesehen, der Professor hat eine Schnake-erledigt. Wie erklären wir uns das. LIBERÉ Ganz einfach, liebe Hille. Die Schonzeit ist vorbei. PRAU LIBERÉ Das will ich mir merken. Harald, hilf mir. Das Monstrum, ich kann es nicht mehr sehen. Sie geht rasch z/'dem niederen Tisch, dessen Platte von einem Elefanten getragen wird. Harald kommt sofort und greift DR. von TRUTZ Aber wohin? Wir haben so ziemlich alle Möglichkeiten durch. 275 FRAU LIBERE Hermann, wieso verbietest du mir nicht, den Schachtisch zu verschleppen? Wieso wird heute niemand gezwungen, mit dir Schach zu spielen? Bist du krank? liöerf, Nein. Pause. IRM Warum hast du eigentlich Rudi nicht mitgebracht, Papa? I.IBKRK Weil er Ruhe hraucht. FRAU Li berk Hinter meinen Sessel damit, dann ist er mir aus den Augen. SU tragen den Tisch hinter Vrau /Jber'es Sessel. irm Wenn du den Tisch los sein willst, wir nehmen ihn mit. frau libere Da es sich um ein indisches Souvenir handelt, mußt du deinen Vater fragen. i.ibkrk Der Tisch ist eine Erinnerung, irm ... frau Uli kr f. Woran? li berk Das weißt du so gut wie ich. frau i.ibkrk Für Indien hab ich, scheint es, kein Gedächtnis. Mir ist, wir wären nachts durchgereist. Ein Reiseführer hat ein paar komische Namen geleiert. Morgens waren wir wieder hier. I.ibkrk Das ist das unerforschliche Gedächtnis der Frauen, von Trutz. frau ubers Nein, Harald, das halt ich nicht aus. Sobald ich die Hand über die Scssellehne streck, hab ich Angst, ich berühr den Elefanten. / larald kommt %h Hilfe. Zurück, wo er war und eine Decke drüber. Zu ihrem Mann: Falls du nichts dagegen hast. libere Aber Hille, du sollst dich wohlfühlen hier. Erschrickt. Mein Gott, wo ist Tinchen? frau i.ibkrk Das wissen wir doch nicht. irm Mit mir spricht sie ja nicht. Sag ich was, rennt sie weg. libere Sie ist ein Kind. frau i.ibkrk Ein dreißigjähriges. libere Aber ein Kind. I RAU LIBERE Da hat man einmal Glück gehabt, das eigene Kind normal, dann muß er eins adoptieren, das für immer von der Gehirnhautentzündung geschlagen bleibt. Sie wirft eine Decke über den Schach tisch. IRM So ein armes Wesen sollte einfach sterben können, das wäre das beste, findest du nicht, Papa. i.ibkrk laut: Irm! FRAU i.ibkrk rasch: Du bist sie los in ein paar Tagen. Ihr heiratet und ich ... verkomm mit Tinchen im Geschlappere dieser grünen Finsternis. Wenn ich mal besonders übermütig bin, leg ich die Hand auf die Türschwelle und stelle mir vor, ein Zug fährt darüber. Das große Lokomotivengeräusch. Line Sekunde ohne Froschgeciuak. Ach Irm, ich in der Stadt, als erstes würd ich Schaufenster einwerfen, Leute beschimpfen, Polizisten beleidigen, bis sie gemein werden, einkaufen links und rechts, mir Paketchen nachtragen lassen wie eine Negerkönigin. Anzünden sollte man diesen Wald. Petroleum in jeden Tümpel. Nichts als eine einzige nasse Schweinerei die sogenannte Natur. Ein Turnlehrer bist du gerade nicht, I larald, aber Irm wird dich ein Leben lang lieben dafür, daß du sie hier rausgcholt hast. Und gleich in ein I loch haus. Wievielte Etage, Irm? IRM ^uckt mit den Schultern. DR. VON TRUTZ rasch: Siebzehnte. FR Ali LIBERE Inn! Siebzehnte Etage. Rundherum Dächer. Straßen. Fäne Stadt aus Stein, trocken und kühl. dr. von trutz Manchmal kommt mir vor, sie freut sich gar nicht. irm Wie oft willst du's eigentlich hören pro Tag, daß ich mich treue? Nimm mich mit oder nimm mich nicht mir, aber spiel nicht andauernd den Weihnachtsmann. DR. VON trutz Irm, in der Stadt, bei mir, du wirst die Tür immer offen finden. Ob du hinaus willst oder herein. FRAU LIBERE Er ist einfach zu nachsichtig mit dir, das ist sein fehler 274 irm Dabei weiß er, was der Hauslehrer gemacht hat mit mir. LIBERE Von wem? irm Von mir. frau libere Das wäre nicht nötig gewesen. dr. von trutz Ich begreife nur nicht, warum man dieses Scheusal nicht der Polizei übergeben hat. er au LIBERE Mit der Polizei haben wir's nun mal nicht. Jeder sein eigener Richter. Das müßtest du eigentlich gelernt haben in den drei Jahren. Gedächtnis genügt. LIBERE Wenn man eins hat. dr. von trutz Zum Vergeben haben wir keine Macht, Herr Professor. Wir sind trotz allem keine Pfarrer. er Ali libere Verglichen mit uns bist du einer. irm Ach Mama, jetzt redest du wieder, als wären wir weiß Gott was für eine Familie. er AU libere Ich schweige. libere Irm hat recht. Du redest. ER AU LIBERE Ich schweige. 1.ihere Du redest! Also, von Trutz, Sie täuschen sich. Da Sie fast so wenig Gedächtnis haben wie meine Frau, wissen Sie nicht, was es heißt, einen Menschen seinem Gedächtnis zu überlassen. dr. von trutz Oh, ich könnte Ihnen heute noch wörtlich wiederholen, was unser Kompaniechef immer vor dem Angriff sagte. Ich weiß leider noch sehr genau, daß ich zwei Kilometer vor Kiew einen Platten hatte. In Minsk ging mir das Kölnisch Wasser aus. Und als aus dem Dunst der Flbrus auftauchte, hatte ich den Schnupfen. Und . .. LIBERE Das sag ich doch. Sie merken sich alles Mögliche, aber Sie haben kein Gedächtnis. FRAU LIBERE Wie meine Frau. LIBERE Ahnlich, liebe Hille. FRAU LIBERE Weil ich dein . .. dein heiliges Indien nicht auswendig kann. Frag doch lrm einmal aus über Indien. LIBERE rasch: Sie war zu jung. Irm, bitte, schau jetzt endlich, wo Tinchen so lange bleibt. 276 Irm ab. FRAU LIBERE Woher haben wir also den entsetzlichen Elefan tentisch, lieber Hermann? i.ibere Ich weiß es. Du weißt es auch. FRAU LIBERE Also, paß auf, Harald. Strandfest, am Ozean, dreißig, vierzig riesige Zelte, der Maharadscha von Sowiesu Pur, dreihundert Gäste beim Eis, beim Tee, beim Eistcc, plötzlich die Elefantenherde ... LIBERE I lör auf. er a u 1.1 ber e Zelte, Gäste, Gedecke wirbeln durch die Luft.. . libere Hille! FRAU LIBERE Du rettest die Maharani, er schenkt dir dafür den Elefantentisch. Liberi lacht gezwungen, Dr. von Trut% lacht ebenfalls. LIBERE Fs ist Ihnen klar, sie will mich parodieren. dr. Von trutz Ich kenne die Szene, Professor. »Indisches Grabmal«. FRAU i.ibhre War es nicht »Tiger von Fschnapur«. dr. von trutz Jetzt werd ich unsicher. Man hört Tinchen singen. Dann kommt sie, hin/er ihr Irm. Tinchen ist halbwegs wie ein Jungmädel angezogen. Schwarzer Rock, weiße Hluse, ein Dreieckstucb. Sie ist ^irka dreißig fahre alt, aber schwer rau Gestalt. In der I fand hält sie einen Aluminiumtopf, schüttelt Um wie eine Sammelbüchse. Münzen scheppern. TINCHEN Wildgänse rauschen durch die Nacht mit schrillem Schrei nach Norden l'nstete Fahrt habt Acht habt Acht die Welt ist voller Morden. frau LIBERE Aufhören. Sie soll endlich aufhören. irm nach dem Lied: Ich kann sagen, was ich will, Papa, sie tut, als höre sie nicht. tinuhen Keiner soll hungern und frieren. Für das Winter hilfswerk, eine Spende bitte. i.ibere Komm, Tinchen, komm zu mir. Erholt Münzen ausder Tasche, wirft sie hinein. 2-11 FRAU LIBERE Hab ich dir nicht verboten, du ungezogenes Kind ... Tim in \ Tante, die Scharführerin hat gesagt: die Uteren verstehen uns nicht. Keine ist zu vornehm für die Sammelbüchse. Wir betteln nicht. Wir dienen. Keine ist zu vornehm zum Dienen. FRAU LIBERE Gib mir den Topf. TINCHEN Und wenn dann gezählt wird bei der Sonnwendfeier ... FRAU LIBF.RF. Gib her. Sie entreißt ihr den Topf. M in i< I■'. Mille. FRAU LIBERE Fkelhaft. Hin Zahn. Rasierklingen. Knopfe. TINCHEN Nichts ist so klein, es kann doch nützlich sein. Der Vierjahresplan sagt dir, laß nie Papier ... FR \ l l IBF.RE Aufhören! Woher ist das Zeug? TINCHEN Die von Zimmer 104 geben immer am meisten. Und der Groschen ist von Rudi. Frau Liberi %iebt ihr die Bluse aus. Nicht, Tante, die Uniform. Zur Sonnwendfeier ... FRAU LIBERE ?// Irin: I lol ihr die Jacke. IRM 1 larald, hörst du, die Jacke. DR. VON TRUTZ Begleite mich wenigstens. IRM Dann hol ich sie eben allein. DR. VON TRUTZ Nein, bitte bleib, ich hol sie schon. Dr. von Trut% cd). FRAU I.IBER F. Dir darf man gratulieren, lrm. Man wünscht sich zwar immer einen Mann, der einen Nagel gerade in die Wand schlagen kann, weißt du, so mit klingenden Schlägen sie begeistert sieb , die dann immer fester und dumpfer werden. Aber wozu auch! Hast du gesehen, Hermann, wenn er lrm einen Stuhl hinstellt und sie setzt sich, dann berührt er sie zuletzt noch an der Schulter. So lieb isr er. IRM Mach nur einen Trottel aus ihm. Nur weiter so. FRAU LIBERE Ich! Du behandelst ihn, wie er es nicht verdient. Nur du. 27K 1 IN( Ii EN Im Wald, Tante, hat er ihr die Tasche nachgetragen. Mit dem Mund. IRM Das ist nicht wahr, du lügst, du .. . du .. . 1.IBF.RE lrm, bitte, sie meint es doch nicht so. Harald kommt mit der Jacke. Frau Liber'e %iebt 'Tineben die Jacke an. knöpft sie falsch. FRAU I.IBERE Danke, Harald. Zu Tineben: Wenn du noch einmal so ungezogen bist, mußt du sofort auf dein Zimmer. LIBERE Komm, Tinchen, setz dich hier her. T.r knöpft ihr die Jacke richtig. FRAU LIBERE 1 larald, zum letzten Mal, hilf mir, so sieht es aus wie ein Altar, wie ein Sarg. Sie reißt die Decke vom Tisch, die den lisch bis %MM Tiifsboden hin verbarg. I.IBF.RE Hille, du tyrannisierst uns ganz schön mit diesem Tisch. FRAU UBERS Der tyrannisiert mich. LIBERE Mein Gott, so schau halt nicht hin. FRAU LIBBRE Ich muß. LIBBRE Von Trutz, Sie sehen, das ist ein Fall. Wir müssen meine Frau behandeln. Was schlagen Sie vor. Zwanghafte Fixierung aul ein harmloses Möbelstück, DR. VON TRUTZ Fnttabuisicren. LIBERE AlSO, liebe Hille, jetzt wollen wir's endlich wissen. Woher haben wir diesen Tisch. Scharf: Woher? FRAU LIBERE Aus ... aus ... Sag es doch selber. I.IBF.RE Woher? FRAU LIBERE Na ja, dann eben aus Benares. 1.IBF.RE Richtig, aus Benares. Und von wem? FR A Li LIBERE sagt auf: Benares ist berühmt durch die Toten-verbrennungen. Die Witwen stiegen aut den Holzstoß zum toten Gatten, ein Jüngling legte Feuer, manchmal sprang die Witwe schreiend zur Erde - persönlicher -, verstehst du, Harald, es ist nicht jeder Frau Geschmack für die Seele ihres Mannes zu sühnen, es gibt Frauen, die wollen einfach weiterleben, und wär's auch als Witwe - sagt nieder auf—, aber die 279 Angehörigen scheuchten die Witwe unter Schmähungen auf den Holzstoß zurück. UBER.fi Das haben wir natürlich nicht mehr erlebt, von Trutz. So war es früher. Aber der Tisch, Hille, von wem ... FR AU LlBliR F. Leichenverbrennungen dagegen ... LIBERfi Das ist bekannt, Hille. Der Tisch ... I K VU LIBERfi Für Arzte sehrbeeiucm, Harald. Du kannst praktisch jeden umbringen, der wird so schnell verbrannt, da gibt es keine Schererei. LIBERfi Sic sehen, von Trutz, die Patientin meidet das Objekt, um das es ihr geht. Spielen wir lieber eine Partie. FRAU LIBERfi Der Benares-Duft, Harald, ein widerwärtig riechender Dampf, am Ufer rußgeschwärzte Männer, mir eisernen Stangen stochern sie in die Scheiterhaufen, rundum Knochen, meterhoch die Asche, und warum das alles? Hm die Geister der Verstorbenen zu zähmen. Als müßte jeder Lebende ein schlechtes Gewissen haben, bloß weil er noch lebt. Ist das so? LIBERfi Ja. FRAU LIBERfi Harald, ist das so? DR. von TRUTZ Auf jeden lall, Professor, Ihre brau hat ein lebhaftes Gedächtnis, das ist nicht abzustreiten. FRAU LIBERfi Überhaupt kein Gedächtnis hab ich. Ich will auch keins. Ich pfeif auf Gedächtnis. Ich lebe. Bloß der, mein lieber Gatte, der will partout, daß ich mir eins anlege, ein sorgsam gehegtes, von allem Unkraut gereinigt, daß nicht plötzlich schwarze Tulpen blühen, aber dann schon lieber gar keins als so ein Schnittlauchbeet von einem Gedächtnis. i.ibere Bist du imstande und sagst, woher wir den Tisch haben, oder willst du weiterphanrasieren? FRAU LIBERfi Der Tisch ist ... ist aus Benarcs. LIBERfi Gut. Und von wem? FRALi LIBERfi Von gequält buchstabierend Mandayan Ka- rumpurath. LIBERfi Wer war das? FRAU LIBERfi Unser Freund. Direktor von Socony-Oil. LIBERfi Im Jahre? FRAU LIBERfi 1941. I IBERE Bravo, liebe Hille. Jetzt die Partie, von Trutz. FRAU LIBERfi Aber warum hat er uns den Tisch geschenkt? LIBERfi Einfach so. Fin Andenken an unsere Freundschaft. 1 RAI LIBI-Rfi Harald, unser Freund Mandavan hatte seine Frau umgebracht. LIBERfi Was sagst du da? FRAU I.IBERE Na ja, sie war schwer krank, stell ich mir vor, vielleicht unheilbar, im Köpf, verstehst du, also erlöst er sie, so was gibt's ja, nachher wird sie verbrannt, er opfert Reis auf dem Scheiterhaulen, um sich vor den Belästigungen durch die Tote zu schürzen, aber es gelingt ihm nicht, sagen wir, er leidet, hält es nicht mehr aus, will sich stellen, der Polizei, der irdischen Gerechtigkeit, da greift mein Mann ein und lehrt Mandavan, wie man das macht, täglich an die Toten denken und doch gut weiterleben, wie man bloß durch Drandenken alles ins reine bringt. LIBERfi Hille! FRAU LIBERfi Verstehst du, er lehrt ihn nicht etwa Vergessen, womit dem Armen geholfen gewesen wäre, nein, er lehrt ihn das Vegetieren. Und dafür schenkt uns der den Flcfantcn-tisch. Zur Strafe, sozusagen. Daß auch wir ein Leben lang daran denken. Ich, zum Beispiel, die mit der ganzen Sache nichts zu tun hatte. Ist das eine akzeptable Version? LIBERfi Ja, wenn du jetzt noch zugibst, daß an dieser Geschichte kein Wort wahr ist. ER AU LIBERfi Das stimmt. LIBERfi Und wir spielen endlich unsere Partie. I R Al LIBERfi Auf dem Elefantentisch. LIBERfi Aus Benares. l-RAl' I.IBERE Viel Vergnügen. Sit geht, alle schauen ihr nach. Iis wird dunkel. 280 2X1 Wäschep/a/z- Irm nimmt die Wäsche ab. Rudi kommt, sieht sich vorsichtig um, dann tritt er plötzlich %u Irm. RUDI Weiß. Schön weiß, Irm, das schafft bei mir bloß noch der Tod. Ja, ich bin heute tief gestimmt. Niederträchtig. Übermütig. Kennen Sie Jo-jo? Macht die Bewegung. Spielt einer mit mir, Jo-Jo. Und dann heißt es: Rudi ist launisch. Verstehen Sie. Rudi ist nicht launisch. Mit Rudi wird Jo-Jo gespielt. Das ist der ganze Witz. Rudi greift nach der Wäsche. Leider nicht trocken, Irm. IRM Trockener wird die Wäsche hier nie, Rudi. rudi Ach. Meine Anteilnahme, Irm. Was für ein Leben, nie ganz trockene Wäsche. Als meine Mutter noch ... die Wäsche war spröd vor Trockenheit, und steif. Vor Trockenheit knisterte die, als meine Mutter ... wie würden Sie das sagen? irm Als Ihre Mutter ... RUDI Ja, meine Mutter, als sie noch . .. ik\i Lebte. RUDI Noch Wäsche abnahm. Wir rannten unter der Wäsche hindurch, obwohl die Wasche fast bis auf den Boden hing. Hin Geschwader tief gehender Fregatten, Irm. Schwere Segel. Schwer und gebläht. Und wir unten durch, das sagte ich schon. Ja, ja, die Muttersprache. Das hat man davon. Überfrachtet, meine Muttersprache, der Ballast rollt, lang macht sie das nicht mehr. Da muß was über Bord, Irm. Immer der Arger mit der Wäsche. Auf dem Wäscheplatz. Vom Fenster aus sah ich Sie zwischen der Wäsche. Meine Mutter, denk ich, lauf herunter, und treffe Sie. irm Dann werd ich Sie eben in Zukunft für meinen Vater halten. K i Di Und ich werde mich auf dem Kopf kratzen, bis Sie zugeben, daß ich es bin. Das hat Ihr Vater nichr, diese platonische I Krätze, gegen die es keinen Schampon gibt. Wenn ich allein bin, Irm, bürst ich mir stundenlang den Kopf, kaum ist er . I 282 trocken, fängt diese höhere Unreinheit wieder an zu jucken und ich kratze, bis die Arme schmerzen. irm Weiß das mein Vater? RUDI Ach, Sie Lämmchen! Der hat es mir sogar empfohlen. Solang ich nicht bereuen kann, hab ich auch nichts getan. Sagt er. Und er hat recht. |etzl üb ich also Reue. Sehen Sie, hier sitzt das Gedächtnis. Von hier aus wird die Kopfham angegriffen. Das Gedächtnis sendet einfach, was es hat. Das erzeugt tue ewige Krätze. Der Vorrar ist unendlich. Dafür isl gesorgt. Ach, Irm, lassen Sie uns Englisch sprechen. Da kommen einem nicht immer solche Wörter in die Quere. Krätze, zum Beispiel! Lassen Sie uns eine Sprache sprechen, in der ich nicht weiß, was Krätze heißt. irm Bitte nicht Englisch. Ki Di Nichts ist so lustig wie eine Fremdsprache. Line Ballon fahrt ist das, eine Fremdsprache. Es geht bloß so dahin. Die Erde wird ungenau und ringsum wird es mit einem Mal warm. irm Ich krieg eine Gänsehaut bei Englisch. Kl Di greift nach einem Leintuch: Ich hclf Ihnen. Das kann ich nämlich. Sie st raffen ein Leintuch, dann falten sie es zusammen. ikm Jetzt bin ich wieder Ihre Mutter. RUDI Dann müssen Sie rufen: nun lassen Sic doch endlich die Kinder! IRM Ich seh keine. rudi Da, sehen Sie nicht, ein Buh, ein Mädchen. Nun lassen Sie doch die Kinder! irm Nun lassen Sie doch die Kinder! rudi Aber nicht zu mir, sondern zu dem Mann. Zu dem schwarzen Mann da. irm Was ist das für ein Mann? RUDI So'n schwarzer Mann. Den gibt's ja wohl in jeder Jugend. Vielleicht sogar in Indien. irm Ich weiß nichts mehr von Indien. Papa sagt, ich habe ein schlechtes Gedächtnis. 28, RUDI Das ist was Gutes, ein schlechtes Gedächtnis. Was hab ich davon, daß ich noch jeden schwarzen Mann weiß, der vorbeikam am Wäscheplatz. i r m Mit einer Mütze. Rl di Nehmen Sic doch die Mütze aus dem Mund, sagte meine Mutter zu dem. irm Die schwarze Mütze. RUDI Sie erschrecken mir ja die Kinder! Ich lief dem nach. Meine Mutter rief. Der hatte lange Stiefel. irm Einen Dolch? Kl Dl Natürlich einen Dolch. Ihm geborten alle Omnibusse. Wir wurden eingefangen. Das Mädchen und ich. Krst wenn die Omnibusse leer waren, durften wir wieder ins Freie. Ks gibt Kranke, die stecken an, verstehen Sie. Sogar die Vorhänge wurden zugezogen. Mit Tischen und Stühlen bauten wir ein Barackenlager. Wenn Verdunkelung war, durften wir alles. Das Mädchen hatte einen langen Zopf, den klemmte ich in die Schublade. Zuerst lachte sie, dann schrie sie. Die Bauernkinder haben die Omnibusse jedesmal gezählt. Mach dich bloß mausig, sag ich, dann kommst du in'n Backofen von mei'm Vater. Das war im Krieg, Irm. Da hat er wohl als Bäcker gearbeitet. Mußte ja jeder was anderes tun als er wollte, Krieg ist Krieg. Verstehen Sie. Der Bäcker wird Soldat. Der Doktor wird Bäcker. Der Rauch roch so. Noch beim Frühstück. Die Klapsmühle raucht-wieder! Ich hatte immer Streit mit diesen Bauernjungen. Und meine Mutter hatte keinen Appetit. Luftveränderung. Immer hieß es bei uns Luftveränderung. AEnn>te~1ci soll ich gerade mit Ihnen nichts reden. Weil Sie doch nicht gesund sind. Rl'DI Wer möchte schon gesund sein, Irm. Nach allem. Krank bin ich ja nicht. Nur mein Gedächtnis spukt. Ein wilder Verkehr durch alle Kammern. Wo doch alles hübsch getrennt untergebracht werden sollte. Eine Kammer für die Toten. F.ine Kammer für jene Toren. Finc Kammer für den Schul- 284 28, anhing. Und eine für die großeil Ferien. Das Leichengift macht mir zu schaffen. Soll ich Ihnen den Korb reintragen? IRjM Nein, das dürfen Sie nicht. RUDI Ja, richtig, ich bin ansteckend. Aber Sic auch, wissen Sie das. IRM Fs wäre viel lustiger hier, wenn man mit Ihnen reden dürfte. Kl DI Alles Gute, Inn. Der |o-Jo-Spieler windet mich hinauf. Die Stimmung steigt. Ich könnte Ihnen schreckliche Vorschläge machen. Auf Wiedersehen. IRM Bleiben Sie doch noch. Ich bleibe doch auch noch. Sogar das Gewitter wartet noch. Fxtra wegen uns. Meistens sind Sie so traurig, daß man gar nicht reden kann mit Ihnen. RUDI Wer einen fröhlichen Vater hat, wird leicht ein mieser Kerl. IRM Ich habe auch so was erlebt mit einem Frühstück. RUDI In Indien? IKM Vielleicht hatten wir da auch so'n Wäschcplatz. RUDI Wäscheplätze wird es überall geben. IRM Und Ruß? RUDI Ruß wahrscheinlich auch. IRM laut und rasch: Rudi, der Ruß! RUDI nach einer Schrecksekunde: Ich sag es ja, wie meine Mutter. Irm, Irm, mit Ihnen kann man spielen. Aber sobald ich die I land ausstrecke nach Ihnen, merk ich, ich erreiche Sic nicht. IRM Wann wollen Sie eigentlich heiraten? RUDI Nie. IRM Schade. Um Sie. K Li m Mein [o-Jo-Spieler läßt das nicht zu. Stellen Sic sich vor, meine Frau streckt die I land herüber, da fällt es dem ein, er läßt mich fallen, meine Frau greift ins Leere, erschrickt, \ kriegt graue Haare, ich komm später zurück und bin mit einer Greisin verheiratet. IRM Sie wären mir lieber als der Doktor. RUDI Ich muß arbeiten. An mir. Sagt der Professor. An Heira- 286 ten ist da gar nicht zu denken. Mein Vater kommt. Der will was sehen. Und er soll was sehen. Helfen Sie mir? IRM Ja, Rudi, gern. RUDI Das /immer 104 kennen Sie? IRM Bruno kenn ich, den Gärtner. RUDI Und Seelschopp und Figilister und Gerold. IRM Papa sagt, das wird nichts mehr mit denen. RUDI Sehr nette Leute, Irm. Ich bin ein Laie, aber ich behaup te, mit denen ist was anzufangen. Mich behandeln sie zwar wie ein Flaschenkind. Dann wollen sie mich gleich wieder prügeln. Wir sind schon richtig befreundet. IRM Und was soll ich dabei? RUDI Ich muß doch arbeiten an mir, der Prolessor will es, mein Vater will es. Also werde ich meine Freunde von 104 mobili sieren, und dann führen wir meinem Vater und dem Professor was vor. IRM Und ich? RUDI Sie könnten mitmachen. Wenn Sie dabei sind, kommt mir vor, geht alles noch mal so gut. IRM Rudi, könnte ich nicht auch so einen schwarzen Zopf gehabt haben? RUDI Die hieß nicht Irm. IRM Den du in die Schublade klemmtest. Und in die Tür. RUDI Den ich abschnitt. IRM Als du der Schwarze Schwan warst. RUDI Ließ ich I ledi nach links gehen. Ich hatte sie ... hatte ich sie nicht nach rechts . .. aber sie ging nach links. Freiwillig. IRM Davon habe ich auch gehört. RUDI Ja. Man sprach viel davon. Freiwillig ging die nach links. IRM Nenn mich Hedi. | RUDI Nein. IRM Bloß so. Zur Probe. | RUDI Nein. IRM Es regnet. Die Wäsche, j RUDI Also? 287 IRM Dankeschön. RUDI Bei mir bedankt man sich nicht. IRM Doch. Sie haben mir geholfen die Wäsche zusammenzulegen. Und unterhallen haben Sie mich auch. .V» nimmt den Korb. Rudi will helfen. Nein, nicht. RL DI Bis morgen. Irm ab. Titteben hat schon gewartet. TINCHEN von der Seite: Rudi. RI Dl Ach Tinchen, du. TINCHEN Immer redest du so lang mit lrm. Rl'DI Sie begreift so schwer. TINCHEN Mir hat sie meine Kleiderkarte geklaut. RUDI Was hat sie? TINCHKN Und hinten drauf war ein Autogramm von Möhlers. Das wollt ich nachher bei der Sonnwendfeier tauschen gegen Prien. RUDI Gib zu, dich schickt der Onkel. TINCHKN Der Onkel darf nichts wissen. Hr mag doch Prien nicht. RUDI Ich auch nicht. TINCHHN Wen magst du? RUDI schweigt. TINCHKN Verstehe, Rudi. Feind hört mit. Aber zur Sonnwendfeier gehst du mit mir und nicht mit Irm, daß du's weißt. RUDI Mensch, Tinchen, Sonnwendfeier, so was Langweiliges. TINCHEN Und wenn ich dir eine Pistole verschaffe? Kl Dl Was für eine Pistole? TINCHHN Onkel hat eine, in der Schublade, eine echte, du könntest ins Feuer schießen. RUDI Oder in den Himmel. TINCHKN Oder in die Welt. RUDI Abgemacht, Fräulein Häuptling, ich erwarte die Pistole. TINCHEN Abgemacht. RUDI Tinchen, es regnet. TINCHEN Bleib. Spiel jetzt mit mir. Zählt ab: Ir/e ditze Silberschnitze Itze ditze drauß. Drauß bist du noch lange nicht Sag mir erst wie alt du bist. Rudi reißt sich los, rennt weg. 11\< hen Rudi! Es wird dunkel. I.ibere bei seinen Drahtarbeilen, i'incheu spielt am Roden. TINCHHN Onkel? Ii BURK Ja, Tinchen? TINCHHN Darf ich dich was fragen, Onkel? I IUI.Kl. Aber natürlich, mein Kind. TINCHHN Ich muß doch bei der Sonnwendfeier den Spruch sagen mit der Vorsehung. Was ist das eigentlich, die Vorsehung? Ii m-.R H Das ... tlas ist ... so ... GOOTHB1N rasch: Mensch, I.ibere, das sind aber miese Nachrichten. Sie hängen, hör ich. Das Pulver verschossen, die Festung unversehrt. Herrgott, I.ibere, was haben Sie früher für Gehirne ausgeräumt. i.ibere Sie können ihn gerne wieder mitnehmen. goothein Reden wir doch mal Tachclcs. Wo sehen Sie die Wurzel? Und quälen Sc mich bitte nicht mit Ihrem Dilettantismus da. I jber'e hört auf %u flechten. Die Wurzel, I.ibere. I.IBHRH Das Schlüsselcrlcbnis war dieser Brief. Gibt ihm den Brief. 2X9 IRM Dankeschön. rudi Bei mir bedankt man sich nicht. IRM Doch. Sie haben mir geholfen die Wäsche zusammenzulegen. Und unterhalten haben Sie mich auch. Sie nimmt den Korb. Rudi will helfen. Nein, nicht. rudi Bis morgen. hm ab. Tineben hat schon gewartet. TINCHEN von der Seite: Rudi. Rudi Ach Tinchen, du. tinchen Immer redest du so lang mit Irm. rudi Sie begreift so schwer. tinchen Mir hat sie meine Kleiderkartc geklaut. rudi Was hat sie? tinchen Und hinten drauf war ein Autogramm von Mölders. Das wollt ich nachher bei der Sonnwendfeier tauschen gegen Prien. rudi Gib zu, dich schickt der Onkel. tinchen Der Onkel darf nichts wissen. Ef mag doch Prien nicht. rudi Ich auch nicht. tin ch en Wen magst du? rudi schweigt. TINCHEN Verstehe, Rudi. Feind hört mit. Aber zur Sonnwendfeier gehst du mit mir und nicht mit lrm, daß du's weißt. rudi Mensch, Tinchen, Sonnwendfeier, so was Langweiliges. tinchen Und wenn ich dir eine Pistole verschaffe? rudi Was für eine Pistole? tinchen Onkel hat eine, in der Schublade, eine echte, du könntest ins Feuer schießen. rudi Oder in den Himmel. tinchen Oder in die Welt. rudi Abgemacht, Fräulein Häuptling, ich erwarte die Pistole. T1NCHF.n Abgemacht. 2SX rudi Tinchen, es regnet. iinchen Bleib. Spiel jetzt mit mir. Zählt ab: Itze ditze Silberschnitze Itze ditze drauß. Drauß bist du noch lange nicht Sag mir erst wie alt du bist. Rudi reift sich los, rennt weg. tin ch EN Rudi! Es wird dunkel. Libere bei seinen Drahtarbeiten. 'Tinchen spielt um Hoden. TINCHEN Onkel? LIBERE Ja, Tinchen? TINCHEN Darf ich dich was fragen, Onkel? UBERE Aber natürlich, mein Kind. TINCHEN Ich muß doch bei der Sonnwendfeier den Spruch sagen mit der Vorsehung. Was ist das eigentlich, die Vorsehung? libere Das ... das ist ... so ... GOOTHEIN rasch: Mensch, Libere, das sind aber miese Nachrichten. Sie hängen, hör ich. Das Pulver verschossen, die Festung unversehrt. Herrgott, Libere, was haben Sie früher lür Gehirne ausgeräumt. I.IBERE Sie können ihn gerne wieder mitnehmen. CioOTHEIN Reden wir doch mal Tachelcs. Wo sehen Sie die Wurzel? Und quälen Sc mich bitte nicht mit Ihrem Dilettantismus da. Libere hört auf %n flechten. Die Wurzel, Libere. I.IBERE Das Schlüsselerlebnis war dieser Brief. Gibt ihm den Brief. 289 GOOTHEIN überfliegt den Brief: Rosenwang, zweiter Marz, zweiundvierzig. Betreff Aktion 14 f 13 in den Konzentrationslagern ... An die Lagerkommandantur Groß-Rosen. Uns erscheint der 24. März 14142 als Ankunftstag ... Konzentrationslagern beliefern werden und für uns arbeitstechnisch ein Zwischenraum notwendig ist ... Häftlinge anzuliefern, ... Krankentransportgesellschaft ... damit wir dementsprechend weiter disponieren können. Gezeichnet Rudolph Goot-hein. |a. Solche Briefe hat man schreiben müssen. Fürchterlich, Libere. Der arme Junge. Wo er bloß diesen unglückseligen Brief her hat. LIBERE Aus einem Buch. GOOTHEIN Mein Gott, und ich glaubte, ich hätte alles vernichtet. LIBERE Lin-hunderr-sieben. Am 24. März. GOOTHEIN Sein Geburtstag. LIBERE Sein Geburtstag. GOOTHEIN Was machen wir, Libere? Was machen wir bloß.-1 LIBERE Sie müssen zugeben, daß Sie es waren, der diesen Briet schrieb. GOOTHEIN Das geht nicht. Der Junge hängt an mir. I.llfl Kl- Wenn Mc es nicht waren, war er es. GOOTHEIN Was haben Sie aufgebaut, Ihrem Kind zuliebe! Und von mir verlangen Sie, daß ich meinen Sohn hineinzieh in die schlimmen Geschichten von damals. II BERK Ihr Sohn ist schon drin. GOOTHEIN Lr hat einen so guten Kern. Sie wissen nicht, wie eng wir sind, er und ich. Lr würde es einfach nicht glauben. LIBERI. Vielleicht. Aber vielleicht spielt er bloß. Quält sich vor uns. Bis wir es nicht mehr aushalten. FJnc zweckvollc Vortäuschung, deren er sich bewußt ist. Lr will uns zwingen, alles zuzugeben. GOOTHTTiN Nee, nee, das nicht, Libere. So ist er nicht. Heimtückisch war er nie. Das ist 'ne echte ethische Hypertrophie, Libere. 'ne ethische Uberkompensation, weil er mit der Ver- 290 lobung nicht zu Rande gekommen ist. Das nimmt er sich übel. Und so heizt er sich auf. Der Brief ist da bloß der Tropfen, der noch gefehlt hat. Die ganze Skrupulosität is' \ nischt als 'ne Übcrkonipensation für 'ne eingebildete Insuffizienz. Da konfabuliert er eben. Also, Libere, daß ich Ihnen das sagen muß, ist ja wohl 'n Wirz. Wer is'n nu eigentlich der Neurosen-Spezialist, Sie oder ich. misere Lr lähmt mich, Goothein. GOOTHEIN Wachen Sc auf, Libere, ich bitt Sie. LIBERE Lr spielt mir was vor. Jedes Stichwort sitzt. Ich müßte endlich meine wahre Rolle übernehmen. Et Spricht auf mich ein. Und ich, ich bleibe stumm. Ich habe, was war, gezähmt. In ein kleines Nagetier verwandelt. Wenn mir mal der Kaffee nicht schmeckt, bin ich schon stolz. Vielleicht gelingt es Ihrem Sohn. Nimmt den Telephonbörer ab. Rudi soll jetzt kommen. Und, von Trutz, sajjcn Sie ihm, sein Vater ist da. Und beiläufig fragen Sie ihn, ob er gleich mit mochte mit seinem Vaier. Ja. Legt den Hörer auf. GOOTHEIN Daß er ein Judenhasser sei, wirft er sich nicht mehr vor, sagt der Doktor. Das ist schon was. LIBERI: Ja. Er will ein gewöhnlicher Mörder gewesen sein. Unterschiedslos umgebracht zu haben, das war schon eine Erlösung. Aufgenommen in eine Legion von Mördern. Kameradschaft aus ein paar tausend Jahren. Motive, Umstände jede Menge. Der Verteidiger redet, am Ende würde man selber begreifen, warum man zustach. Uberhaupt zugestochen zu haben, das genügte schon. Aber wir wissen doch gar nicht mehr, wie und warum. Goothein, warum? Wissen Sie das nc ich? GOOTHEIN Nu fangen Se nicht schon wieder an, Libere. LIBERI Und jetzt sollen wir hinstehn und Auskunft geben, daß ein ganzer Gerichtssaal vor Verständnis und Verachtung schauern kann. CiOOTMEIN I htm Se mich deshalb hergebeten, daß Se wieder die ollen Kamellen aufwärmen können, Libere. Sie sind ja 291 schlimmer .ils 'n Kriegskamerad. I Iii igi iii s.iki-i im in, I ibcir, wird denn dadurch irgendwas besser? Das im dm Ii bloll u << Bedürfnis bei Ihnen und darüber vergessen Sc, warum Sc mich herbestellt ham. I IBERE Ich hab es nicht geschafft. goothein Was ham Se nicht geschafft? LIBERI Das Geständnis. GOOTHEIN Das verlangt auch keiner von Ihnen. Dazu isl mein |unge nicht hier, Libere, daß er sich Geständnisse an hören soll. LIBERE Vielleicht hätte es ihm geholfen. GOOTHEIN Libere, allmählich zweifle ich an Ihnen. liberi. Ich auch, Goothein. Deshalb ließ ich Sie rufen. Ich stell mich nämlich jetzt seinem Hochmut. Ein Mörder! Rudi glaubt, das sei was Besonderes. Die elende Glätte, mit der das vor sich ging. Das waren doch ganz normale Tage. Nur daß I man das Gefühl hatte, was Schlechtes gegessen zu haben. Eine besondere Übelkeit. Andauernd. Aber mehr war es doch nicht. (iooTHEIN Libere, Libere, Ihnen fehlen einfach die paar Jahre Zuchthaus. Die Quittung fehlt Ihnen. Aber ich kann se Ihnen doch nicht ausstellen. Ich weiß nicht, was Se immer noch wollen von mir. LIBERE Goothein. Ich will sagen, hätte man einen umgebracht, möglich, daß einem der nachginge, mir einem ganz bestimmten Gesicht, die Augen vielleicht. Wahrscheinlich die Augen. GOOTHEIN Und bei uns mischt sich's eben. Das stimmt schon. Wenn ich manchmal träum, dann sind's Zahlen. Aber nu allen Ernstes, Libere, warum Inn ich hier. LIBERE Weil ich Schluß mache. Entweder er oder ich. Ich kann ihn nicht behandeln. Also stell ich mich ihm. Hier wird er eintreten. Rudi, werde ich sagen, lassen wir das Versteckspielen, du hast nie was getan, das weißt du. Aber hast du dir einmal überlegt, was du getan hättest, wenn es an dir gewe-, sen wäre, damals, wenn du alt genug gewesen wärst, etwas 292 zu tun? Ja, du Ihm lein heraus. Allein dein Geburtsdatum 1 m.11 hl dich EU einem fabelhaften Kerl. Tausendmal besser als (lein Vater. Als alle Väter zusammen. Und das genießt du. Ii.impclsl herum auf jedem, der das Pech hat, dreißig Jahre lltei /u Min, der mit hineingerissen wurde, der Gelegenheil Ii.nie, seine entsetzlichsten Eigenschaften kennenzulernen. I 'ml du, der prahlende Gewisscnsheld, woher weißt du so ii her, du hättest dich damals so makellos bewährt? Man muß (Gelegenheit gehabt haben, vorher kennt man sich nicht. Ihne, versuch dich, versuch dich an mir. Dann drück ich ihm die Pistole in die I land. Wie schwer es ist, abzudrücken, kann ihn nur die Pistole lehren. GOOTHEIN Ist das nicht zu riskant? 1 ilil-.RE Diese Art Leben hier riskiere ich gern. i.i x ITHEIN Entschuldigen Sie, wenn ich dabei an Rudi dachte. Zu riskant um seinetwillen. / V. von V'rtit^ eilig von rechts. DR. von tr t'tz Er weigert sich, hierherzukommen. Auf Zimmer 104, sagt er, empfangt er Sie. GOOTHEIN Was soll das heißen, Libere. DR. VON TRUTZ Seine Anspielungen, es isl unüberhörbar, ich habe daraufhingewiesen, der Affektdruck steigt, wir sind zu passiv, Rudi hat die Initiative, der Herr Professor, mit Verlaub, scheint zu staunen. Die Politischen von Zimmer 104, das pure Gift für Rudi. Komme ich mit dem Assoziationsprotokoll, mit der Reizworttabelle, der Herr Professor winkt ab. Jedes methodische Vorgehen wird mir unmöglich gemacht. Ich muß das jetzt sagen, lattschuldigen Sie. Möglich, er treibt zu auf eine offensive Entladung. GOOTHEIN Libere! libere Kommen Sie. TINCHEN Onkel. LIBERE Ja, mein Kind! TINCHEN Rudi ist schon ein toller Hecht, Onkel, findest du nicht? 29? I.IKURI Ja, mein Kind. TINCHEN Und die Vorstellung, Onkel, du hast mii vi sprochen ... LIBERE Später, Tinchen, wir müssen zu Rudi. Beide rasch ab. TINCHEN spielt: Machet auf das Tor, machet auf das Tor es kommt ein goldner Wagen. W;is will er denn? Was will er denn? Kr will die Letzte haben. Iis wird dunkel. Pause. /.wtlli i U.l /immer 104: Anstaltsmöbel für die vier Insassen Gerold, Brunn, I lyilisler und .Seelschopp. Die vier stellen gerade das Mobiliar um. Rudi zrK/ ihnen, wie er es haben will. Alle sind in Füle. Offenbar tteht etwas bevor. Irm steht dabei, weiß nicht, was sie hier soll. in in Und wer seinen Text vergißt, hört auf, fragt mich, verbanden; Improvisiert einer, fliegt er raus. nid M> Jawohl, Herr Adjutant. Hi Hl Das gilt vor allem für dich, Gerold. <.l KOI.D Ach Rudi, ich bin dir treuer als das hell dem Fuchs. 111 Dl Bei den Lebensläufen, immer kommt ihr ins Plaudern und Ausschmücken. Wenn ihr euch jetzt nicht beherrscht, habt ihr mich hier zum letzten Mal gesehen. Insassin Rudi. Mensch Rudi. Du bist aber ganz schiin nervös. Wenn hier einer durchdreht, bist du's. ihm Rudi, konnten Sie nicht wenigstens andeuten, was Sie vorhaben. Mein Vater wird, wenn er mich hier sieht, sofort tragen. im Dl Vorerst schauen Sic einfach zu. Amüsieren sich. Das genügt. Gerold, der Schaukelstuhl, prima. t.l.ROI.D Ach Rudi, dir zulieb organisier ich den I lerodes ins Kinderheim. Ubere und Coothein treten rasch ein. 1 K.II.ISTI'R Achtung. RUDI Ah, unser verehrtes Publikum. Guten Tag, lieber Vater. GOOTHEIN Guten Tag, |unge, wie gellt es dir? RUDI Ach, Papa, es könnte jeden Tag besser gehen. Ich muß richtig aufpassen, daß meine Nachtigall nicht zu groß wird, weil sie doch jemands Fule sein kann. Das weiß man ja leider nie. <.(>(> 1 HEIN Rudi, ich habe dir Bücher mitgebracht. 294 Kl Dl Dankt-. Leider les ich nicht mehr. Meine Hände, Papa, sobald ich lese, fromm verfolge, wie die Welt zwischen zwei Buchdeckeln aussieht, gleich tropft mir Blut ins Buch, ich schau auf und sehe, wie meine rechte Hand die linke blutig kratzt und die linke wehrt sich nicht. Als wollten sie mitein ander darstellen, was ich lese. goothein Rudi, ich kenn dich, du übertreibst. Da schau, Tolstoi, Shakespeare. Kl Dl Laß sehen. Nimmt ein linch, schüttelt es. Gut. Ich schenk es Irm! Nimmt ein ^weites, schüttelt es. Akzeptiert. Für Sie, Irm. Das müssen Sie sich angewöhnen, Irm, jedes Buch zuerst schütteln. Manchmal lallen Zettel raus oder alte Briefe. Die sind in Ordnung. Gibt Irm die liikher. Papa! goothein Ja, Rudi? Kl Dl Du wolltest was sagen? i.ooTIllUN Nein. |a. Natürlich, wie es dir geht. Du fühlst dich besser, kommt mir vor. RUDI Ach Papa, so gut auch wieder nicht. Je mehr ich mich mit mir abgeben muß, desto weniger überzeugt mich der Mensch. Was für eine Arbeit, um so was intakt zu halten. Trainiere ich die Arme, verkommen die Beine. Lud wenn ich die Beine trainier, schrumpf ich oben. Offensichtlich sind wir so gedacht, daß immer mehr verkommt als man erhallen kann. Na ja, wenn man den Forlgang bedenkt. Unsere Bestimmung, Herr Professor, der man sich nicht durch die flucht in so eine Urne entziehen soll. Schließlich sind wir doch, hoff ich, ein Posten im Haushalt des großen Verwesers. Mit uns wird gerechnet. Wir haben zuviel Urnen verschickt, damals. Da ist zuwenig verwest. Kein Wunder, ist die Balance beim Teufel. Papa! goothein Ja, mein Junge. RUDI Du wolltest was sagen? goothein Ich. Ach Rudi, ich glaub, ich nehm dich mit. Wenn du willst. RUDI Wie steht der Prozeß? 296 goothein Welcher Prozeß? RUDI Du hast mich nicht angezeigt? goothein Rudi, hinge, ich dich anzeigen. RUDI Affenliebe, Herr Professor, finden Sic nicht auch. Er macht sich zum Komplizen. Na ja. Spielen wir also weiter. Aul Teufel komm raus, sozusagen. Das Stichwort gab der I lerr Professor. Kaum war ich hier, sagt er: Du päppelst dir Hrinnyen auf. Das war ein Vorwurf. Weiß ich doch von der Schule, Hrinnyen, das ist nicht zum Lachen. Also hab ich mir crnsi den Kopf zerbrochen. Zum Glück fand ich Freunde hier. Ärmere Verwandte. Hxpcrtcn, was Hrinnyen betrifft. Hrinnyen, ausgestopft mit Stroh, wird der Herr Professor sagen. Aber doch mit Stroh aus ihrem eigenen Kopf, das immerhin. Dank der Hilfe dieser meiner Freunde bin ich imstande, ein positives Spiel zu geben. Du, lieber Papa, wirst sie als Darsteller hoher schätzen, wenn du weißt, wer sie sind - vielleicht dient uns der Herr Professor mit ein paar Daten und: wofür sie sich halten. Gerold! Gerold tritt vor. Gerold ist der Siar in unserem Spiel. GEROLD Den Schuldigen spiel ich, den Doktor F., den spiel ich mit Schminke und mit Klamotten und spiel ihn von innen, liebe Leut, denn ich kenn, was ich spiel, aus dem Effeff. Weil ich doch selbst ein Mörder bin. Was Bach die Orgel, war mir die Pistole Fangschuß hier und Fangschuß da, wo hall ein Fangschuß fällig war. Zu Befehl: blitzschnell. Zu Befehl: in die Holl. Zu Befehl, zu Befehl, zu Befehl. I.IBLRÜ %u Goothein: Funker im Kessel von Tscherkassv. Stirn-hirnverlctzung. 297 I HU III Miel |i, Ii. Im i ( ii rnlil i.i.roi n Aul den Kopl zu sag ii Ii IIiiicii, daß Sil gcrudi \\ u der ilalwi sind, das denn In /u verhielten, u Ii halle keinen umgebracht. LIBBRB Du hast mich wieder einmal durehseliaui, (icrold. gerold Und warum dann der Kopfschuß? Und warum lullt der dann akkurat so, dal} mir das Gewissen anlangt zu sin gen, und singt und singt, und ein Fangschuß nach dem ande ren kracht mir im Kopfe aus alten Zeiten. RUDI Gerold! Stopp! Papa, du siehst, man muß die Welt sehui zen vor so einem. Bilder sich ein lächerlich scharfes Gewissen ein, plappert immer bloß von seiner Schuld. LIBERE Die er nicht hat. gerold Wer keinen Kopfschuß hat, kann kein Gewissen haben . .. RUDI Gerold! Du kommst ins Plaudern. Du bist jetzt Dokter F. Verstanden! gerold Zu Befehl. Zu Befehl. Zu Befehl. Dokter F. tritt ^ur Seite. RUDI Jetzt meine lieben Frinnyen, her mit euch. Zuerst Seelschopp, der üble Seelschopp. seelschopp hastig, kurzatmig: Ja. Ja. Ja. Haar her, zünd mir Wolfsaugen an, her die Krallen vom Tiger und ein Stimmchen, Rudi, zum Schikanieren. liberi ~// Cioothein: |üdischer Grafiker, stellte Pässe her, kam nach Dachau, dann nach Thcresienstadt. Typisches KZ-Syndrom. RUDI Unser Seelschopp weiß, wie Frinnyen tun. seelschopp Ach ich war ein schlimmer Fälscher fälschte ich doch Untermenschen machte richtige Menschen draus. Aus )osef Grün hab ich I lans Braun gemacht. Immer nachts, wenn es Nacht war, nachts. 298 Draußen Stiefel, ich hin Aquarium 1 MildliM Ii. sagen die Stiefel, doldllM h Daniel See Im hopp, (lolilliselu hell Ni hau, wir werten jetzt Sand in deine Kiemen Si hau jct/l werten wir. Werft doch, schrei ich. Su sagen: Goldfischchen gleich. Wertl doch sehtet ich, wert! doch, endlich, schrei ich, schrei ich. RUDI Das reicht. Verehrtes Publikum, unsere erste Frinnvc. Mcktol Geh, Alekto, geh und üb dich im Quälen. m II schopp Ja. Ja. Ja. Citht yir Seite. .....11 Iii IN Rudi. / .ihere hält Goothein, der auf stehen uill, heftig zurück. in Dl Pschscht. Bruno! BRUNO Hier! I.IBERS Fünf |ahre als Gärtner auf dem Obersalzberg. Dementia simplex. Mit Versündigungswahn. HR I NO Melde gehorsamst, die Wege sind gerupft wie die nackteste Cians. Mein Führer kann kommen. Seines Fußes wird ein Unkraut nicht sein. Ki 1)1 Bruno, du bist .Megära. Unsere zweite Frinnye. BRUNO Megära hat verstanden. Aber Bruno bittet noch. Kl DI Was bittet Bruno noch? BRUNO Meld dem Führer, bilt ich dich, ilaß ich mit dem Schaufelstiel seine F'reva nicht gebaut. Bin doch ein Tierfreund wie Fr selbst. Ilaben seine Hunde auch, die Fr strenger haben sollte, mir die Beete oft versaut, gehaut hab ich sie nie. Das war Anton, mein Gehilfe, der bei Woronesch gebüßt hat. Mit Bauchschuß. Meld dem Führer, bitt ich dich, wenn Fr von der Insel kommt, 299 \v | »* •«, du F.r ■ uli des Gymnasiums. MI (IARA Als müsse man sieh wundern nlicr soviel KapUttM TISIPHONE Er grämt sich, weil der I Icltnkthrertcppich lehli Das Glockcnbimbam. Der Kuli iler kit/ligcn lunglrau. F.r hüstelt. Kratzt im Dreck der Stralk'iibjlinschienen. MEGARA Die pappigen Lippen schmier) er tut) der trockenen Zunge. TISIPHONE Wenn er mich erst sieht, wetten, ihm bleibt die Luft weg. MIX.ÄRA Daß er heimkommt, scheint es, freut ihn nicht. TISIPHONE Ich stampf ihm mit einem Fullchcn jeden Morgen in seinen Teppich die Mulde von Shitomir. M KClÄR A Ich laß aus den Augen das Mündungsfeuer springen und mit dem Knöchel markier ich den Knall. TISIPHONE Was er abwirft, klaub ich auf. Was er loswerden will, bind ich ihm auf Leih und Seele. AI.KKTO Bitte, keine grobe Tour. Lin feiner Mörder braucht feine Pfleg. Verstanden. Mal 'ne polnische Anekdote. Hin Name wie Treblinka. Schreit nicht vom rauchenden Blut. Bleibt im Bild. Hr ist gewöhnt an Bilder. Was Wirkliches erreicht so einen Dokter nicht. MKCiÄRA Ich werd gedenken des blutroten Frühlings bei Lemberg. tisiphone Ich sing ihm das jiddische I.iedel. MEGARA Beseufzen werd ich den würgenden Herbst der l'krainc. AI.KKTO Daß er glaubt, er kann heimkehren jetzt, als hätte er I lasen in Ungarn gejagt, zeigt, er braucht uns. Achtung. Der Dokter I: tritt ein und stellt sieb gm Monolog. Cleich^eitig entrollt Rudi ror den Schranken der Insassen eine vom Krieg verstörte Hansfassade. DOKTER F. Des Lebens Pulse zucken irr, geschändet 302 cli 111 Vinn . \ .Heiland, die A111.1, Inn Du siinksl. Lud Stinkend hat die Nacht geendet in der .1111 Himmel deutsch die Sonne schien. / he diii 111, kin und schauen einander erstaunt an. Geplatzt die Sonnwendfeier, der Zauber futsch. Schieß noch ein bissei, schlag noch ein bissei, Iriß noch ein bissei aus der Schlachterschüssel schubs noch ein bissei die Todeskutsch. Daß sich ein solches Werk vollende Genügte hier ein Geist für tausend Hände. U.EKTO Der Herr Dokter tut sich leid. Soviel spürt man. in iisTER F. Ach, ihr Erinnyen. Wo ich den Kopf hindreh, da seid ihr schon. Wenn ich mir dem Fernglas auf den Mond schauen könnte, zuerst sähe ich euch. Das ist kein Vorwurf, bitte. Ich mach mir klar, versteht das doch, daß ihr jetzt immer um mich seid. Die Weichsel ist nicht breit genug, die Oder nicht breit genug. Das war ein schlimmer Krieg war das. Der Globus geniert sich, weil wir drauf sind. Wir haben uns ja auch übel, weiß Gott warum, so übel haben wir, so übel uns, daß Ratten jetzt Schneeglöckchen sind gegen uns, so übel, wenn man bloß wüßte, wie's dazu kam, so übel haben wir uns aufgeführt. Und jetzt schaut her, wo ist der Haufen, wo die Tuchfühlung, der Vordermann, weg. Jetzt bring's hübsch unter zwischen Schläfe und Schläfe, dahinein pack jetzt Gestank, Geschrei, die blauen Gesichter. riSlPHONE Wenn er so weitermacht, uns nicht zu Wort kommen läßt . . . DOKTER K Fans ist gleich klar: der Platz des Arztes war in der Baracke. Ich horte mehr, als ich sah und sah viel mehr als ich tat. /)ie drei pfeifet! durch die /.ahne. O nein, ich red mich nicht raus. Die Baracke in Brandenburg, Litzmannstadt, Shitomir, Lemberg, Linz, Theresiensiadt, ich habe sie mitgebracht. Diese aufreibenden Verlegungen! Eine Durchführung des wissenschaftlichen Auftrags war glatt un- möglich |a, glaubt denn wer, der Ar/1 diungl null 1I.111.11 Ii, daß man ihm u cílíc*. Mens» hcnlli im Ii /ir.< liulisl r \\ u « in n weil im Tierversuch. Die Mykologie isl |iing. Dci haul|ia thogene Pilz triumphiert seil Menschengedenken. Abel wll waren weit in vitro und in vivo, und hallen dm Ii keine Polinnen. Hatte Subouraud Polinnen? Nein. Malte Plaul Po linnen? Nein. Diese armen Polinnen. Hielten den Kosen kränz davor. Mit der Nadel mußte ich durch eleu R<.senkran/ durch. Ich hin doch gegen Gewalt. Schrecklich dann die bakteriellen Begleitinfektioncn. Knoten in Kirschgröße. Aber die Aktinomyces israeli sind nicht meine Erfindung, das ist Laiengeschwätz. Diese armen armen Polinnen. Der Arzt will doch helfen, versteht sich. Und draußen um den Lehmplatz die Birkenstämme, am dritten Tag blutig. Ich hab sie abwaschen lassen. Man behauptet, der Arzt sei abgehärtet. Dagegen nicht! MEGÄRA Der bringt uns um alles. TISIPHONE Ks scheint, er braucht uns nicht. A LEK TO Mir kommt es schlau vor. Er hofft, wenn er so redet, gehen wir. ix)K TI K l'. Bitte, bleibt. Darf ich mich setzen. ALEKTO Vor der Baracke auf dem Lehmplatz ... DOKTER F. eifrig: Im Winter Schnee, ich weiß, sie standen, barfuß, ohne Stühle, barfuß im Schnee, bis an die Knöchel. ALEKTO Sobald einer knickte, wegrutschte, umfiel ... DOKTER i . Kin Schuß. Ich hab es gehört. O ja, glaub bloß keiner, so was sei angenehm zu hören. ALEKTO Du willsi dich also setzen, Dokter. DOKTER l". Sonst fall ich ohnmächtig um, mir zur Krlösung, versteht ihr, die Ohnmacht, ein Schwamm wischt von Schläfe zu Schläfe die schlimmen Daten aus. Sitzend aber bleib ich wach und krall mich an der Erinnerung kaputt. Versteht ihr, darum muß ich sitzen. ALEKTO (řeht ihm den Stuhl. TISIPHONE Saditjes poschalsta. MI l, Alt A ScdnU'le sl. in >K I I H I- ( Klei K Ii leg, mich gleich ms Bell und ihr zieht mir dii Kluit an, da, die Häftlingskluft, das wird mir die Träume '.al/cii, glaubt nur. Solang einer wach ist, wehrt er sich, wi-denpricht er dem Schrecklichen, er muß ja weiteratmen, ■.< Malend ist er geliefert, ein polnisches Gumacht genügt und die galizischc Wanze, ein unausdenkbares Ungeheuer, kommt so die Wand lang, daß es dem Schlafenden die Herzklappen zerdeppert, er ist das Opfer seiner Opfer und sie können endlich umgehn mit ihm wie die Karpatenkatzc, wenn sie satt ist, mit der beldmaus umgeht, die sie peitscht und beutelt und balgt und sorgfältig zerbeißt, ohne sie zu loten. Bringt mir die Häftlingskluft. Bitte. W.I5KTO nervös: Ja-doch, bringt sie ihm. Tisiphone und Megära bringen den Schlafanzug. Sie helfen dem Dokter aus Jacke und 1 lemd und ziehen ihm den gestreiften Kittel über. Der Dokter legt sich auf das liett. i IS1PHONE Daß er den Pyjama anzieht als I läftlingskluft ... \i.liKTO Kr überrascht mich. Hätte jemand ihn so bußwürdig erwartet? MEGARA Keiner, der ihn kennt. riSIPHONE Ich meinerseits werde, wenn der Pflegling mir so entgegenkommt, eher müde. Tisiphone gähnt und schläft ein. MEGÄRA Alles will er selbst besorgen, das schläfert wirklich ein. Megära schläft ein. ALEKTO Tisiphone, Megära, he ... singt wenigstens, begleitet seinen Schlaf, stellt seinem Traum die Weichen, hallo, he. Zum ersten Mal erleb ich das, sie verschenken eine Nacht, die beste Zeit, so hat er sie betört. Zum Dokter: Schläfst du? DOKTER F. Nein. Springt auf. Laß uns was tun. Komm, faß an. Schau doch, Alekto. Dein Mißtrauen, obwohl es mich beleidigt, meinen Krnst verhöhnt, ich begreif es ja. Du kannst mir nicht trauen, trau ich mir denn selber? Nein. Ich trau mir nicht. Ich weiß nur, will ich was gutmachen von all dem, was nicht gutzumachen ist, muß ich am Leben bleiben, und ge- 504 3°i Sund. Aul (Uni Bett liegend fmltcn mli tili Adern /usaminrn, übermorgen lieg ich und verröchle, also hui sieh's. .uc I >n Schuld bleibt ungcsühnl zurück. Verwaist. BcRreifsl du. Sie klagt in einen leeren Himmel. Und ich bab einen leichten eiligen Tod gehabt. Die pure Erlösung. I Iii! mir, daß i< Ii mich kräftige. Nur wenn ich kräftig bin, kannst du mli Ii quälen. Al.l'.KTO Wenn du nicht immer alles selber sagen wolltest, was meines Auftrags ist ... dokter f. Doch nur, daß du siehst, wir sind einig. Wenn du Lust hast, kannst du mal den Hörer abnehmen, ob wir noch Anschluß haben. Schließlich soll man draußen ruhig i il.ili ren, daß ich wieder da bin, und wer ich bin, verschweig es keinem, eine Sau von einem Wissenschaftler. Ich fühle mich schmutzig, schmutzig durch und durch, ich kann es mil mel ner Auffassung nicht mehr vereinbaren vom Arzt, ich werde den weißen Kittel nicht mehr anziehen, anfangen will ich mil nichts als meinen Händen und Gutes tun. alekto Geht das nicht zu schnell. Du, Gutes tun? DOKTER F. hektisch: Ich Wissenschaftler ich, das Schwein, was ich tun mußte gegen meinen Willen, infizieren armes weißes Menschenfleisch, die Polin hielt immer den Rosenkranz davor, die schrecklichen Erfahrungen, ich zwinge sie, Gutes zu tun. Während Dokter l\ spricht, vervollkommnet Rudi die Wiederau! bau-Ausstattung. lir zieht vor der Ruiuenfassade eine neue Hochhausfassade hoch. Aus Silberpapier; naiv, selbst gebastelt. Soll das denn bloß Grausamkeil gewesen sein für nichts und wieder nichts. Die Kenntnis, widerwillig erworben, jetzt soll sie zum Heil gereichen. Alckto, wir produzieren. Mitlei. Medikamente. Und du und die zwei, ihr bleibt bei mir und kontrolliert in jeder Sekunde, ob ich vergesse. Ich vergesse nichts. Mein Absender wird immer Theresienstadt heißen. Und wo ich hinschau: der Lehmplatz vor der Baracke. Die blutigen Birken. Weck die zwei, es ist sowieso allerhand, jetzt 306 «( Millen, weck sie, los, aul Tisiphone, an die Arbeit Megära, hui Hinten und Sinnieren wird das Schreckliche bloß taul. I 1 i|iliiiiK ni'. Telefon. Megära an die Maschine. Alekto, du ■ iiiw tiisi du- Prospekte. Meine Griseofulvine werden aufräumen mit dem Salbenschwindel. Hie drei lirinnyen formieren sich z.u einer Arbeitsgruppe. Dokter I bedient sie mit Befehlen. Sie arbeiten pantomimisch. Da^u eine i oukrete Musik. . Iis Arbeitsplatz wird am besten ein Insassenbett tr wählt. Meklo steht, Megära sitzt aul dem destell, Tisiphone sitzt .inj der Bett kaute. Megära diktierend: Werde ich also um 1 1 Uhr 1 \ in Franktun landen . .. Zu Tisiphone: Der Anwalt soll schon vor eil . . . Megära diktierend: Falls Sie sich weiterhin weigern sollten, sehen wir uns gezwungen, andere Maßnahmen ... Alekto Über die Schuller: Lauter, Alekto, ein Prospekt muß schreien, hier die Sporenmanschette ums Haar viel zu harmlos, das Haar wird erwürgt von ihr, das muß herauskommen, gralisch, grafisch, grafisch muß das ... Zu Tisiphone: Alarmieren wir das Kartcllamt, daß er endlieh weiß, der Tropf ... Zu Megära: Verlangen wir Fairness, wie wir selber Fairness zu üben nie müde ...Zu Alekto: Zentralnervensystem rot, die ganze Fläche brandrot und hier unter Mucormykose grün, fett grün ein Strich. Zu Tisiphone: Ich bin schon weg, nicht vor Montag .. . Zu Megära: .. . freue ich mich, Ihnen, den Experten der Arbeitsmedizin, vom a gen zu dürfen, wie sehr die Fußmykosc mit ihren tiefgreifenden Hautzerstörungen die Leistungskraft des arbeitenden Menschen beeinträchtigt. Zu den drei lirinnyen: Die Konkurrenz, bloß keine Schwäche jetzt, die Konkurrenz ist verwirrt. Sie disponieren schon verkehrt. Jetzt wird aufgekauft. Aber leise, leise, leise. Ich frag mich überhaupt: sintl wir nicht zu laut, nach allem? Meine gestrengen Fumeniden, ihr seid großartig, ja das seid ihr, aber solltet ihr nicht manchmal an das denken, was war? Bitte, stöhnt manchmal ?°7 auf, fletsch) auch ruhig au, slräubi il.is Ihn, u tgilicl .Ich Blick. Danke. Die drei arbeiten sanfter weiter, lir treibt sie an. Zu Tisiphone: Kann er nicht sofort liefern, hat er ausgeliefert Zu Megära: ... an Lizenzproduktion nicht länger interei siert. Zu Alekto: ... so nicht, Alekto, zwei Ausrufezeichen, den ganzen Wortsalat weg, weg, weg. Ach das Parlando der Blätter im Juni. Die Amseln im Abend rot. Liebe Konkurrenz, ich will Sie nicht melancholisch m.i chen. Ich selber bin melancholisch. Hab ich doch 48 Prozent Ihrer Anteile in meine Hand gebracht und weiß nicht, wie Sie das aufnehmen werden? Stimmt es nicht traurig, am Ziel zu sein. Solch ein Gewimmel, schön zu sehn wie Buer sich mit Eifer milk. Jetzt steh Gewimmel, schweig Gedröhn. Klatscht in die Hände. Die drei stehen auf. lir wird feierlich. Das war kein Mensch, der das vergißt, was wir getan unmenschlich, blind. Laßt uns von Zeit zu Zeit daran denken, daß wir für immer schuldig sind. Dann wird ein Gott uns gnädig lenken. Kurze Schweigeminute. Dann klatscht er wieder in die Hände. Der Betrieb geht weiter. Zu Megära: ... übernehmen wir ab sofort Ihre Produktionskapazität. Zu Tisiphone: Rückllug am selben Tag ... Zu Alekto: ... einfacher, Alekto, einfacher: Hygiene ist kein Luxus ... oder noch besser: ist Hygiene Luxus. Fragezeichen. Die Musik, eine Mischung aus Arbeitsgeräusch und Rhythmus, wird grell, liinen Augenblick lang geht die Szene als Pantomime weiter, dann ertönt Rudis Gong. Die Insassen hören jäh auf, gehen zu den Schränken. RUDI Herr Professor, lieber Papa, so wird gespielt. Und siehe: die Schuld schläft ein wie das Kätzchen in der Sonne. Bittet 308 hm 1,1,/,;/ Schaukelstuhl. Liebe Irin, geben Sie uns im Epilog I ine Vorstellung unseres künftigen Befindens. Alles Zeitliche II uns untenan, wir sind reif für den Schaukelstuhl, die Erinnerung frißt uns aus der Hand. Erfreuen Sie uns bitte um einer hübschen Begebenheit aus Kinderjahren. Indien, /um Beispiel. Die Palme küßt den Wölkensaum, der I >/e.m ... na Irm, was tut denn der Ozean? Pause. Ich war doch nicht in Indien. Bitte, Irm. 111 m (chaut Rudi an, schaut ihren Väter an. 1 IUI RH Irm, hörst du? Du bist dran. 1R M rennt zu ihrem Väter: Papa, ich weiß nicht, er hat mir nichts gesagt vorher, glaub mir, Papa. 1 uti.Rf: Tu ihm doch den Gefallen. Erzähl etwas aus Indien. ihm In Indien dagegen saßen wir abends auf der hölzernen Veranda und hörten, nein, in Indien dagegen, vor allem in Südindien kann man während der Regenzeit, während der Regenzeit gibt es dort ... so gut wie keine trockene Wäsche. In Indien dagegen .. . Nein. Papa. Ich kann nicht. Jetzt nicht. Hl 'DI Schade, Freunde. Sehr schade. So kommen wir um das Schiinste. Wie es sein wird, wenn wir in gebändigter Erinnerung schaukeln, das erfahren wir nicht. Indien versagt uns seinen Zauber. Indien gibt kein Gastspiel in Karwang. Schade, schade, schade. liOOTHEIN Rudi, Junge, laß diesen Firlefanz. Komm, ich nehm dich mit. Nach Hause. Du gehörst nicht hierher. RUDI Hört ihr, Freunde, was ich zu hören bekomme. Ich gehöre nicht zu euch, nicht ins Gehege der Schuld. Also muß ich nun doch meine Geschichte erzählen, die sich messen kann mit jeder hier anwesenden Geschichte, lieber Vater. Und sie sträubt sich nicht, wie sich Indien sträubt. Sie gibt sich mit Ort und Datum und östlich von Grccnwich. Sagen wir, Rosenwang zweiter März zweiundvierzig, betreff Aktion 14 l'i; erscheint uns der vierundzwanzigste März als geeigneter Ankunftstag, als der geeignetste überhaupt, weil ich da Geburtstag habe und wir in der Zwischenzeit von anderen Kon- 5°9 zentrationslagcrn beliefert werden und für uns arbeitsteeh nisch ein Zwischenraum ... GOOTHEIN Rudi, was soll das? Die Insassen rücken mit Rudi zusammen langsam vor gegen Liberi und Gootbein. RUDI .. . und für uns arbeitstechnisch ein Zwischenraum .. . GOOTHEIN Rudi, ich bitte dich ... RUDI ... arbeitstechnisch ein Zwischenraum notwendig ist. GOOTHEIN Libere, ist das das Resultat der Behandlung? RUDI Sollte es Ihnen möglich sein, die I läftlinge in Omnibussen anzuliefern ... GOOTHEIN Libere, so tun Sie doch was. RUDI ... in Omnibussen anzuliefern ... GOOTHEIN Rudi. RUDI ... so schlagen wir Ihnen die Anlieferung ... GOOTHEIN Rudi, Junge, mein Junge. RUDI ... schlagen wir Ihnen die Anlieferung in zwei ... GOOTHEIN Libere, kommen Sie. Gootbein ab. Libere folgt langsamer. RUDI ... in zwei Transporten vor ... LIBERE ruft \uruck: lrm, bitte. hm folgt zögernd. RUDI hinter herrufend: Falls wir gerade große Wasche haben, müßten wir die Arbeit leider unterbrechen, weil der Ruß ... der Ruß ... verstehen Sic doch, der Ruß . . . Sehr ihr. Freunde, an meiner Geschichte sind sie nicht interessiert. So geht es also nicht. Gerold, hast du meine Pistole gut verwahrt? GEROLD rennt%um Bett: Die Pistol ist im Schuh. Der Schuh ist im Betr. Das Bett ist hier. Hier ist die Pistole. T.r holt sie und gibt sie Rudi. RUDI Mal sehen, ob wir mit so was die Uhr wieder zum Gehen bringen? GEROLD Sonst schießt du ihr einfach die Zeiger kaputt. RUDI Das ist ein guter Rat, Gerold. Danke. Es wird dunkel. II obn~immer und Terrasse. Trau Libere und Dr. von Trut^. Trau I Uteri bat eine Liste, Dr. von Trut% legt die Gegenstände in ver ii biedene Kisten. dk von TRUTZ Fin Tranchierbesteck. Mt \i libere macht nach kurzem Suchen einen Haken: Fin Tranchierbesteck. Mit Horngriff. Von Onkel Hans aus Offenburg. tut von TRUTZ Eine Pfanne. i ii \ i LIBERE Eine Schnellbratpfanne, von Oma Gütz, im VON TRUTZ Eine Tortenschaufel. i Ii \i LIBERE Fine versilberte Tortenschaufel von Tante Gudrun. dk VON TRUTZ Fine Platte mit Silberaufsatz. i l< \U LIBERE Massiv Silber, Harald. Das ist von Tante Mara, also massiv Silber. ok VON TRUTZ Ich bitte um Entschuldigung. Was ist denn das für ein Tuch. i k \u LIBERE Badetücher, Harald. Du warst zu lang in Ruß (and und Karwang. Badetücher, von meiner glücklichen Cousine Elli. Am Freitagabend, Harald, werdet ihr baden. Dann hüllt ihr euch in diese Tücher. Das ist das Leben, I larald, wenn man weiß, Freiragabend wird gebadet. Glaubst du, hier schaut jemand ilarauf, wann du badest? Die Asseln sielleicht, die die rostigen Rohren raufkriechen. Vergiß das nie, Harald, Freiragabend . . . dk von trutz ... wird gebadet. Wird gemacht, Mama! Ein Tauchsieder. i r.\i libere Manche baden erst am Samstagabend. Aber ich finde Freitag besser. Viel besser. dr VON TRUTZ Ein Tauchsieder, Mama. l RAU LIBERI-: Tauchsieder, das könnte Onkel Hermann sein, Tauchsieder? lrm kommt. 310 i 1 1 lrm, weißt du noch, von wem der Tauchsieder kam? IRM Nein. TRAU Ii berk Wie sollst du auch. I last ja nie einen Verwandten zu Gesicht bekommen. Wenn ich nicht heimlich Briefe geschrieben hätte, wüßte von der ganzen Verwandtschaft keiner, daß du heiratest. Leg den Tauchsieder mal weg. Komm, lrmchen, beteilige dich. irm Was soll ich tun? fr Al! libere Mein Gott, du fragst aber auch. Wer heiratet eigentlich. Du oder ich? dr. VON TRUTZ, hastig: Ein Besteck kästen. i rai libere Tafelsilber, zwölffeilig. Von deiner Patin, lrm. dr. VON TRUTZ HA. L. Du hast zwei Vornamen, lrm? irm Ich weiß nur einen. fr Al UBER !•'. Der erste ist nicht so .. . so ... besonders schön Wir haben ihn damals, ihrer Patin zulieb, nehmen müssen. DR. von TRUTZ Helga? frau libere Helga war ja noch nicht schlimm. dr von trutz. Hanne? FR Al' libere Auch nicht. Ich darf es euch gar nicht sagen. Der Herr Professor muß sich wohl zerstritten haben mit deiner Patin. irm Hedi! FRAU LIBERE Um Gottes willen, Inn. Bitte, vergeßt den Namen sofort wieder. Papa wird rabiat, wenn er diesen Namen hört. dr. VON TRUTZ. Wo hab ich das bloß gehört, Hedi? Erst neu lieh. Der Professor hat doch recht. Ich hab kein gutes Gc dächt nis. frau LIBERE rasch, ablenkend: Harald, du weißt sogar noch, dali dir in Kiew das Kölnisch ausging! dr. VON trutz Nein, vor Kiew hatte ich den Platten. frau libere Aber als der Elbrus auftauchte, hattest du einen Schnupfen. dr. VON TRUTZ Das stimmt. Aber das Kölnisch ging mii schon vor Minsk aus. i, I RAU LIBERE Also hast du ein gutes Gedächtnis. Laß dir nichts einreden. DR. VON TRUTZ. Ich weiß nicht, hab ich euch das einmal erzählt von dem Kompaniechef, der vor jedem Angriff sagte ... Der Professor ist eingetreten. FRAU LIBERE Was hat er gesagt? i IBERS Na, von Trutz, was hat er denn gesagt? DR. VON TRUTZ Ach, so wichtig ist das nicht, ! lerr Professor. I RAU I.IBERF. Ich möchte jetzt endlich wissen, was dieser Kompaniechef gesagt hat. DR. VON TRUTZ Später, Mama, es hält jetzt bloß auf. I IBERE So eilig hat man's. IRM Papa. Sie rennt *u ihm. LIBERE lrmchen. Ein paar Tage wird man uns schon noch gönnen. i RAU LIBERE Es ist nicht jedermanns Sache, in Karwang zu verkümmern. Harald hat noch eine Karriere vor sich. DR. VON TRUTZ. Es muß nicht gleich eine Karriere sein. Einfach ein Wechsel, nicht wahr. I IBF.RE Ja natürlich. I R U UBER I Du denkst bloß an dich. Was aus lrm wird, küm mert dich nicht. I.IBERE Doch, liebe Hille, das kümmert mich. Wenn lrm fort will ... aber will sie denn ... FRAU LIBERE Sie weiß doch gar nicht, wie es ist. Aber wir wissen, was sie versäumt, wenn sie hier bleibt, i IBERE Was versäumt sie denn hier, Hille? FRAU LIBERE Alles. Das Leben. l IBF.RE Ja, richtig. Keine Sorge, lrm. Ich rede nicht auf dich ein. Deine Mutter hat recht. Sie hat wirklich recht. FRAU LIBERE Ich geh mit lrm. I IBERE Ach. i RAU LIBERE Jawohl. i ibf.RE Mhm. Das ist ja ein großer Aufbruch, plötzlich. IRM Wir reden doch bloß, Papa. Ohne dich? Ich kann es mir 3i* 513 nicht vorstellen. Als wir zum ersten Mal ins Ried gingen, hast du gesagt: wo es mich tragt, trägt es dich auch. FR Al: I.IBKRK Und wer hat es soweit kommen lassen? Wer hat uns eingesargt hier, daß wir uns keinen Schritt mehr zutrauen? LIBERE Ich. FRAU LIBERE Du bist womöglich noch stolz darauf? I.IBERE Nein, Hille. FRAU LIBERE Ich fahre mit Irm. Mit Harald. Ich bleibe nicht hier. LIBERE Ich habe es gehört. FRAU LIBERE Du glaubst es nicht. LI BERK Doch, ich glaube es. IRM Mama kommt ja wieder zurück. FR ALI LIBERE Das werden wir sehen. LIBERE Ich muß noch hinüber. Er geht. IRM Papa. LIBERE Bis zum Essen, Irm. Libere ah. FRAU I.IBKRK Und ich sage euch, er läßt mich nicht gehen. Aber ich mußte es ihm ins Gesicht sagen. Mir ist schon viel besser jetzt. Ur kann mich doch nicht zum Tod verurteilen, hier, bloß weil er nicht Manns genug ist, zuzugeben, daß er einmal einen ... einen Fehler machte. Was haben wir noch, Harald? DR. VON TRUTZ Eiöe Garnitur Obstmesser. IRM Hedi. Das paßt doch. FRAU LIBERE Kinder, die Tortengabel, drei Salztaßchen, hier noch die Zitronenpresse, daß wir nicht durcheinanderkommen. IRM Hedi! Harald, du wirst mich Hedi nennen. FRAU LIBERE Das wird er nicht. IRM Der Name hat auf mich gewartet, kommt mir vor. Der ist mit mir aufgewachsen. Neben mir. Immer mitgewachsen. Jetzt treff ich ihn endlich. F.r paßt. Irm werf ich ab. Irm gibt's nicht mehr. Jetzt üben wir Hedi. Bis wir's laut sagen können, und ungeniert: Hedi. 3>4 FRAU I.IBKRK liiiift aiil Irm %u: Irm, Kind. Komm. Irm. Mein lrmchen. Mein armes Kind. Sie streichelt Irm. IRM Mama, Harald, bitte. Da ist Besuch für mich. I orne links an der Terrasse erscheint Rudi. Irm hat ihn querst gesehen. 1 RAI I.IBKRK Ich kann ja gehen. Aber Harald ... tja, Harald, das entscheidest du am besten selbst. Sie wartet einen .Augenblick, dann geht sie. l)K VON TRUTZ nach einer Pause: Irm, soll ich sagen, es macht mir nichts aus, wenn du mich wegschickst. IRM Bitte, Harald. DR. VON TRUTZ Und wenn ich nachgebe, verachtest du mich. Irm schweigt. Gut, Irm, ich gehe. Aber denk nach, ob wir nicht beide einen Fehler machen. Du, weil du mir den Grund nicht sagst, und ich, weil ich gehe, ohne zu wissen, warum. Gebt, bleibt noch einmal stehen. Ich bin sicher, es ist ein Fehler. Irm nimmt hastig ihr Nähzeug und fängt an %u sticken. RUDI Ich hab die Pistole. Gehst du mit. Zur Thuja. Ich möchte die Pistole auf dich richten. Vielleicht kommt was über mich, ich drück ab, und schon begreif ich meinen Vater. IRM Und dazu wollen Sie mich .. . Sie bricht ab. rudi Das Gericht muß feststellen, daß kein Grund vorhanden IRM Sag Hedi zu mir, zur Probe, Rudi. Bloß einmal. Kl di Bei der Thuja, nicht hier. Komm. IRM (deich, Rudi. Bloß dieses Monogramm noch. rudi Du hast jetzt schon Angst. Wahrscheinlich bring ich gar nichts zustande. Ohne den Apparat. Das ging doch immer so: sieben Englein um dich stehn. Der Erste sagt: Du siehst aus wie ein Opfer. Der Zweite holt dich. Der Dritte verlädt dich. Der Vierte beruhigt dich. Ich mach den Daumen krumm. Der Sechste hat schon den Ofen geheizt. Und der Siebte sagt: so, jetzt geh rein. Da wurde immer in der Kette gearbeitet. Jeder hat nur ein Wort gerufen. Den Satz, der da entstand, hat keiner gehört. Gott vielleicht. Oder das Ausland. Was ja fast aufs selbe rauskommt. Gehn wir? 3' 5 ihm Wenn ich bloß wüßte, warum, leb begreif es nicht, Rudi. rudi Irm, da ist nichts zu begreifen. Glaubst du, die haben es begriffen. Gerade weil es dir ganz unbegreiflich ist, gerade deshalb eignest du dich. Stell dir vor, du stehst am Küchentisch, hast den Lauch schon geholt, es ist Dienstag, und Juli, draußen, über deiner Sonnenblume steht eine Hummel, dann fahr ich vor, der Fahrer öffnet den Schlag, er hat den Zettel, unsere Schritte auf dem Kiesweg, er geht vor mir her, fragt zum Fenster hinein: Gocthestraße 17, Professor Libere? Ja, dann sind wir richtig. Wir wollen bloß die Tochter holen. Mehr weiß der Fahrer nicht. Fr ist so einer, der sonst Möbelstücke holt. Deine Mutter wendet sich also an mich. Aber ich bin stumm. Der Fahrer hat nicht einmal den Motor abgestellt. Fs ist Dienstagvormittag. Mitte Juli. Wir fahren ab. Passieren ein Tor. Du wirst nach links geschickt. Jetzt sag mir, was es da zu begreifen gibt? I K St schweigt. kudi Los! Sag! Begreifst du das? irm Nein. rudi Na also. irm Sag Hedi. rudi Hedi gibt es nicht mehr. irm Ich kann es beweisen. rudi Dein Vater kann mir sogar beweisen, daß ich anno zweiundvierzig kaum aus den Windeln raus war. IHM Das sieht man, daß du nicht älter bist als ich. rudi Ja, das sag ich auch. Du bist ein anderer Jahrgang, sag ich. Rudi, sag ich, was geht's dich an. irm Ja, Rudi, ja. rudi Dann frag ich aber, warum willst du jetzt ausgerechnet Hedi heißen? irm Ich heiß so. Ich hatte einen schwarzen Zopt. rudi Den ich einklemmte. irm Und abgeschnitten hast du ihn. rudi Mit dem Dolch. 3 '6 irm Du hattest bloß ein Messer. Der andere hatte den Dolch. Der Schwarze Schwan. rudi Ihm gehörten die Omnibusse. IRM Wenn er weg war, warst du der Schwarze Schwan. Ich ging auf dich zu. rudi Ich ließ dich nach rechts gehen. irm Und ich ging nach links. Wie die, über die man sich wunderte. rudi Die freiwillig in den Ofen ging. irm Immer wenn sie uns in das Zimmer sperrten, spielten wir das. rudi Wenn sie die Fenster verdankelten. IRM Wir haben es bloß gespielt, Rudi. Das weißt du, wir haben es bloß gespielt. rudi Und beim Frühstück roch es dann so. irm Sag jetzt llcdi zu mir. rudi Nein, lrm. Hedi heißt der Ruß auf unserer Kindcrwä sehe. Hedi ging nach links. Komm, lrm, gehen wir. irm Wieso denn jetzt noch die Pistole, Rudi. rudi Mein Vater läuft weg. Den Brief überläßr er mir. Mit meinem Namen. IRM Ich möchte deine Haare berühren, Rudi . . . rudi Ich bin der Sohn meines Vaters, Irm. Recht hat er, wenn er den Brief nicht annimmt. Was ein Vater tut, das härte auch der Sohn getan, wenn's an ihm gewesen wäre. Besonders einer, der sich so früh übte wie ich. Komm, lrm, zur Thuja, probieren wir, ob ein Unterschied ist. Ob ich nichts bin als sein Sohn. irm Ich möchte gern leben, Rudi. RUDI Bei so einer Feier am FTirenmal sah ich einen, kaum hatte der seinen Kranz gelegt, da schaut er auf die Uhr. Das war ein imponierender Mensch, Irm. ich würde mich immer beherrschen. Und eine Wut kriegen gegen die Toten, weil ich nicht auf die Uhr schauen darf. Irm, wo führt denn das hin? IRM Ich möchte gern Kinder, Rudi. Und mir ist schon bald egal von wem. RUDI Leg ihnen nur gleich Pistolen in die Wiege. IRM Ich hab zwar den Doktor, Rudi, aber manchmal denk ich, wie es war, wenn, Rudi, wenn dazu noch Liebe käme. RUDI So hat jeder seine Probleme. Ich möchte gern ein Feuer erfinden ohne Rauch. irm Wenn du da bist, Rudi, möchte ich Regenwasser trinken. RUDI Und so tun, als war die Wäsche nie rußig geworden. IRM Ich bin noch nie Straßenbahn gefahren, Rudi ... Jetzt weiß ich warum. Aber ich werde meinen Vater nicht unterbrechen, wenn er von Indien erzählt. RUDI Gehn wir jetzt zur Thu|a, Irm. IRM Fr soll von Indien erzählen, bis er selbst daran glaubt. Mein Vater soll in Indien gewesen sein! RUDI Meiner soll nicht in Indien gewesen sein. ikm Wirf die Pistole weg. Es hat doch keinen Sinn mehr, jetzt. RUDI Wieso soll es jetzt auf einmal einen Sinn haben. Fin Schuß und noch ein Schuß. Du und ich. Das war doch gang und gäbe. Einhundertsieben am vierundzwanzigsten ... IRM (üb mir die Pistole. RUDI Einhundertsieben am ... IRM Ich bin noch nie Straßenbahn gefahren, Rudi. RUDI Wir rotten wenigstens die Kinder der Mörder aus. IKM Ich könnte leben, Rudi. Mit dir. RUDI Diese zwei Schüsse härten sogar einen Sinn, Irm. Es wäre eine in alle Winkel der Welt reichende Beruhigung. IRM Wenn du da bist, Rudi, vergehl Papa, wie ein Schneefleck, den die Sonne trocknet. RUDI Wir nähmen nicht teil an den Grausamkeiten der nächsten Generation, Irm. Bedenk. IRM Wenn wir zusammen lebten, Rudi ... Kl Di Wir würden alles vergessen. IRM Ja. Rudi. Endlich. Heucheln oder vergessen, Rudi. Teilnehmen geht nicht. Rudi, bitte vergessen wir. RUDI Zur Thuja jetzt, oder ... IRM Du kannst den Rauch nicht halten. Er vergeht einfach. Du kannst zwar die Hände ringen. 318 RUDI Am Ehrenmal. So tun als ob. ihm Nachher mußt du doch zum Mittagessen. RUDI Der Magen kennt kein Bedauern. Denn der Magen will seinen Schellfisch haben. IRM Weil wir leben. Kl DI Es lebe die Luftveränderung. IRM Du hast doch auch Appetit. KU Dl Darum sag ich, zur Thuja jetzt ... IRM Rudi, ich war ein Gedächtnis nur für dich. KU Dl Ich danke. irm Noch in fünfzehn Jahren könnte ich dir sagen, daß dir heut ein Haar quer in die Stirn hing. RUDI Ich wüßte nicht, was wichtiger wäre. ikm konnte dir sagen, daß dein linker Schuh nicht so fest gebunden war wie dein rechter. Kl 1)1 In einem solchen Gedächtnis will ich keinen Platz. IRM Von dir könnt ich mir alles merken. RUDI Du willst das Gras sein, das darüber wächst. IRM Ich bin es, Rudi. Und du bist es. Pause. Rudi. KU Dl Wir zwei in einem Schlafzimmer, ich müßte Sie ununterbrochen beleidigen. Gehen Sie. Es war krumm und gemein, Sie aufzufordern, bloß weil wir einmal unter einem Tisch herumkrochen. Entschuldigen Sie. Jedes Wort jetzt, gegen meinen Willen wird es eine Beleidigung, weil ich verlangte, was man verlangen darf, wenn man noch liebt, sonst aber nicht. Entschuldigen Sie. Irm gebt, Tintben bat sehen gewartet, bis Irm gebt. TINCHEN Quatsch doch nicht immer so lang mit der. Hast du die Kleiderkarte? RUDI schweigt. TINCHEN Auf dich ist auch kein Verlaß. Kommst du jetzt wenigstens mit? Du hast es versprochen, in Dl Was? I'INCHEN Daß du mitkommst zur Sonnwendfeier. Immer bloß 519 mit lrm quatschen, das kannst du. Rudi, komm doch. Mit der Pistole zur Sonnwendfeier, das war toll, Rudi. Bitte. RL Di Wo machst du deine Sonnwendfeier. TINCHEN Bei der Thuja. Ich hab schon Stroh und Holz und Papier. RUDI Also, gehn wir. Bitte. TINCHEN Prima und du schießt in das heuer. RUDI Also, los, gehn wir, TINCHEN Sag: im Gleichschritt Marsch. RUDI Im Gleichschritt Marsch. TINCHEN marschiert voraus und singt: Unsre Fahne flattert uns voran. Unsre Fahne ist die neue /.eil. Und die Fahne führt uns in die Ewigkeit. Ja die Fahne ist mehr als der Tod. Goothein und Frau Libere von rechts ins Wohnzimmer. FRAU LIBERE Mir schwebt ein Leben vor, Goothein, ein Lehen! Nicht so etwas Eingesargtes. Was ist denn das hier; eine Brautschau für die Würmer, in die Länge gezogen. Übrigens, ist das jetzt so in der Welt, daß man einer Dame kein Feuet mehr gibt, wenn sie dasteht und zeigt, daß sie rauchen will? GOOTHEIN Oh, ich bitte sehr um Verzeihung. Das kommt vom Zuhören, lir nimmt die Streichhölzer vom Tisch, will Teuer geben, aber die Streichhölzer zünden nicht1. I RAI LIBERE Moder, Goothein. Schimmel und Moder. Ich sag Ihnen, der Teufel nimmt keinen aus Karwang, aus Angst, der löscht ihm die Hölle durch seine bloße feuchte Anwesenheit. GOOTHEIN Tatsächlich, eins feuchter als das andere. Das ist ja widerlich. Jetzt stehen Sie mit der kalten Zigarette. Ich war Raucher. Ich kann mir vorstellen, wie Ihnen zumute ist. ER AU LIBERE Nur wenn Besuch kommt darf ich. GOOTHEIN So streng ist er geworden. FRAU LIBERE Mit uns. Als könnten wir was dafür, daß er aufs falsche Pferd gesetzt hat. War er tot, Goothein, ich würde trauern, wirklich, ich ging auf sein Grab, weinen würd ich um ihn, aber ich würde weiterleben. Er dagegen verlangt lebenslängliche Leichenwachc. Bloß weil er es nicht über sich bringt, zu büßen. Aber uns mit verrecken zu lassen, das schafft er. Da schaut er zu, so mild wie er ist. Sie haben Ihre Sache ins reine gebracht. Alle Achtung, Goothein. Das nenn ich einen Mann. GOOTHEIN Er ist eben feiner. Zuchthaus, das ist nicht für jeden. Der würd sich doch schon wegen der Notdurft genieren. Ich kenn ihn. FRAU LIBERE Prost, Herr Goothein! Auf die Lebendigen! GOOTHEIN Prost, liebe 1 lille. Sie trinken, ls' schon ein Jammer, daß Sie hier so dahinleben. Sie müßten mal raus. Luftveränderung. Eine Frau wie Sie, wirklich, das Leben ist nicht lang genug, daß man's so verschenken dürfte. Wie war denn das: ich lad Sie einfach ein. Einverstanden? i K \u LIBERE Und ob. Ich komm sowieso in die Stadt. Mit lrm. Er weiß es bereits. Und sagt nichts. Das ist seine neueste Schikane. F.r erwähnt es überhaupt nicht, daß ich wegfahre. Wahrscheinlich glaubt er, im letzten Augenblick kusch ich noch. Da täuscht er sich aber. Am Samstag bin ich fort! Für immer! Wenn ich daran denk, am Samstag schon in der Stadt, Was tun Sie am Samstag? «iOOTiiEiN Am Samstag ... Moment ... am Samstag, war da nicht was? I RAU LIBERE Sagen Sie's, wenn Sie mich nicht sehen wollen. GOOTHEIN Nein, nein, wunderbar, wenn ich frei bin. Wenn ich frei bin, müssen wir uns sehen. Unbedingt. Probiert hastig die Streichhölzer. Das ist aber doch zu ärgerlich mit diesen Streichhölzern. i KAI LIBERE Wenn ich frei bin. Das muß man sagen können, verstehen Sic. Sonst pfeif ich auf alles. Wenn ich frei bin. Ich weiß es. Ich bin frei, am Samstag bin ich frei. Wenn Sie frei sind, rufen Sie an. Wenn nicht, dann geh ich ins Kino. Ich will endlich wieder einmal weinen. Sie fängt an krampfhaft z» beulen. 321 GOOTHEIN Das ist ... wenn er jetzt kommt, ich meine, liebe gnädige brau, die Nerven, jetzt brauchen Sie gute Nerven, wenn Sic's tarsächlich schaffen wollen. I:RAI' LIBERE Irm mußte ich verheiraten, das Kind drangeben, es war die einzige Möglichkeit, Goothcin. Das geht aufsein Konto. Sie wird sich scheiden lassen, wenn wir einmal Hoden unter den Füßen haben. Wir werden Freunde finden. goothein Sicher, gnädige Frau. Dr. ron Trut* mit Irm. FRAU LIBERE Ach, die Kinder. Habt ihr Papa nicht mitgebracht. IRM FJr zieht sich um. FRAU UBERS Was? Herr Gootheim, das ist Ihr Einfluß. IRM Fr sagt, weil es der letzte Abend ist. GOOTHEIN Wie geht es Rudi jetzt, Doktor? E>R. von TRUTZ Das müssen Sie den Chef fragen. Fr hat mich sozusagen ausgeschaltet. Dr. von Tnit^ schaut hilflos zyt Irin. FRAU I.IBERS Harald, sei nicht so atemberaubend korrekt. Der Professor kommt. Zum ersten Mal im dunklen \n~ng. GOOTHEIN Na, Gott sei Dank, Libere. Wie geht es Rudi jetzt? LIBERS Goothein, Sic entschuldigen, ich kann es nicht sehen, wenn meine brau auf Feuer wartet. I:r %ieht ein Streichholz aus der Schachtel, streicht es an, es brennt sofort. GOOTHEIN Taschenkünstler. Das hat er bei sich gehabt. I-IBERF Der Umgang mit feuchten Streichhölzern will gelernt sein. ER Al! UBERS Womit wir wieder in Indien sind. GOOTHEIN Was macht Rudi, Libere. Libere geht %um Tisch, auf dem eine /'lasche und die vorbereiteten (.läser stehen. Diesmal nehm ich ihn mit. Sie haben vollkommen recht, Libere, ich muß selber sprechen mit ihm. LIBERE Hörst du, Irm, Rudi geht zurück in die Stadt, also ist ein Abschied mehr zu feiern. Ihre Braut, von Trutz, sieht aus, als könnte sie einen Schluck gebrauchen. GOOTHEIN Libere, ich frage nach Rudi. UBERS Ja, das höre ich, daß Sie nach Rudi fragen. Und ich finde es sehr begreiflich, Goothein, daß Sie nach Rudi fragen. GOOTHEIN Wo ist er jetzt? IIB FRF Nicht auf seinem Zimmer. GOOTHEIN Ich hoffe, er hat sich beruhigt. UBERS Goothein. Wie soll er sich beruhigt haben? Ich bin daraufgefaßt, daß er sich nicht beruhigt hat. Wo ist Tinchen? I RAU UBERS Ich kann sie ja nicht anbinden. UBERS Irm? Irin flickt mit den Schultern. UBERS Was ist denn das für Feuer. Bei der Thuja. Die Thuja brennt. FRAU LIBERI. Sonnwendfeier. Dein Tinchen. Und sag ich was, rennt sie zu dir und du nimmst sie in Schutz. Em Schuß. \lle in den (..arten außer Libere und Frau Libere. IKM kommt mit 'Uneben: Papa, Rudi . . . tinchen mit Rußflecken: Nie glaubt sie einem, Onkel. Ich sag den Spruch. Rudi neben mir. Das Feuer brennt prima. Fertig der Spruch. Jetzt, sag ich, schieß ins Feuer. Er schaut mich an. Schießt und trifft sich selber. Ehrenwort, Onkel. Dr. von Trut^, Trau Libere, dann Cootbeiu. DK VON TRI TZ Suizid. GOOTHEIN Leibniz. Lcibniz. iib FRF: schweigt. GOOTHEIN An welcher Krankheit, Leibniz. Bitte, sagen Sie mir die Krankheit. LIBERE schweigt. GOOTHEIN Er war zart. Das haben Sie nicht bemerkt, Leibniz, wie zart er war. libere schweigt. GOOTHEIN Schweigen Sie nicht! Sie Ungeheuer! Sie sind ein Ungeheuer! Kein Arzt! Längst kein Arzt mehr! Gehen wir, I .cibniz. {22 irm Papa. Sie rennt ihrem Vater. libere Hedi, mein Kind. Von Trutz, Hedi ... Irm bleibt bei Ihnen. Hedi, ich wollte dich bewahren ... Mama wird dir sagen ... Hille, du wirst es ihr sagen. frau uber f. Hermann ... LIBERE Du wolltest immer, daß ich gehe, jetzt geh ich, du bist sozusagen frei. Leb wohl. Er will gehen. tinchen Die Sonnwendfeier, Onkel, komm du doch mit, bitte. libere Tinchen, jetzt nicht. Ich muß in die Stadt. irm Papa, ich will mit. libere Bitte, Hedi, bleib. Lr geht. Dr. von Trul^ und brau Liberi halten Irm zurück. Goothein will mit Liberi gehen. libere Ich würde es vorziehen, allein zu gehen. Geht. frau libere Irm. Irmchen. Ich werde dir alles erklären. irm Zu mir kein Wort. frau libere Papa selber will, daß du alles erfährst. irm Es geht mich nichts an. Ich will von euch nichts hören. Nichts. Von Harald will ich was hören. Harald, bitte, erzähl du doch, sag, was hat dieser Kompaniechef immer gesagt vor dem Angriff? Libere tritt wieder ein. goothein Eeibniz. TINCHEN Onkel, prima, du kommst mit mir ... libere Von Trutz, bringen Sie Tinchen aufs Zimmer. TINCHEN Dann soll Irm auch. Immer darf Irm länger aufbleiben als ich. libere Tinchen, geh jetzt. Dr. von Trut^ führt Tineben hinaus. libere Ja. Goothein, ich bleibe. Es war überstürzt, vorher. Ich ging nur Ihretwegen. Sie scheinen es zu verlangen. Rudis Tod wäre, wenn ich mich stellte, doch ein bißchen erträglicher. Das meinen Sic doch? Ein bißchen weniger sinnlos, ja? Ich im Gerichtssaal, ein Urteil, öffentlich, eine schöne Wir- 3*4 kung. Die Zuschauer, ich, die Gerechtigkeit, jeder bekäme seine Portion. Ich hätte endlich meine Quittung. Das Einschlafen kein Problem mehr. Das meinen Sie doch. Fragen Sic meine Frau, wie es ist: einschlafen ohne Quittung. Das Enttäuschende, Goothein, man schläft dann doch ein. Ich lehe noch, Sie sehen's ja, ich lebe, und wie ich lebe, nicht wahr, Hille. Es ist erträglich, ja, ja, es ist und ist erträglich. Ich habe meine Souvenirs. Ich hatte sie. Rudi hat sie mir kaputtgemacht, die Bußattrappen, den Gedächtnisgips. Jetzt, bloß noch ein Ärgernis, soll ich also hingehen, mich auslöschen lassen, daß Rudi ein Opfer ist, mit Wirkung. So wollen Sie's doch. Ich soll seinem Tod den Sinn nachliefern. Mich in den Gerichtssaal stellen. Eine Erleichterung für alle. Die Schuld eine Blume, wohlgefällig durch den Duft der Reue, ja? Ein Labsal für jeden. Goothein, ich kann das nicht. Ich, ich bin mir nicht verständlicher als Ihnen, glauben Sic mir das, bitte. Ich kann nichts erklären. Ich weiß bloß: ich kann mich nicht anderen zuliebe trennen von mir und sagen: der war's. Ich bin mir selbst ein miserabler Richter. Und einen besseren, fürchte ich, gibt es nicht. GOOTHEIN schweigt. libere Bitte, lassen Sie sich nicht hindern, Herr Goothein. goothein Rudi hat uns getrennt. Izr will gehen. frau libere Herr Goothein, bitte bleiben Sie doch. libere Hille! Entschuldigen Sie, Herr Goothein. Hinausbegleiten muß ich Sic nicht. Sie kennen den Weg. goothein Ja. Ich kenne ihn. lirgeht. libere Und wir sollten wohl, sobald Harald zurück ist, unsere Abschiedsfeier zu finde bringen. Pause. Hille. Hedi. IRM Nicht, Papa. Hedi gibt es nicht mehr, sagte er. Sie memo riert sorgfältig Rudis Sat%: Hedi heißt der Ruß auf unserer Kinderwäsche. Ich heiße Irm. libere Ich heiße Libere. Vorh bang. 325