Jakub Julius David: Ein Poet? Jan Budňák, 1911: Der vorliegende Beitrag stellt diesbezüglich fest, dass Davids Bild vom Christentum dessen weltbejahende, intuitive Komponente (z. B. Erzählung Filippinas Kind) hervorhebt, im Gegensatz zu dem bei ihm als bedrückend erscheinenden Judentum (z. B. Roman Das Höferecht). „Dieser Empfänglichkeit fürs Leid, für fremdes wie eigenes, verdanken sich Davids Erzählungen.“ (Florian Krobb, Nachwort zu Verstörte Zeit) Todesarten bei Ingeborg Bachmann Der Fall Franza, (entstanden 1966,veröffentlicht 1979 gemeinsam mit Requiem für Fanny Goldmann) Malina, entstanden 1967, veröffentlicht 1971 „Wieviel hält ein Mensch aus, ohne zu krepieren?“ Franza wird am Fuße der großen Pyramide von Gizeh von einem Weißen vergewaltigt und schlägt sich an einem der Quader den Kopf ein und stirbt anderntags in Kairo. Jakob Julius David (1859 – 1906) Einer der wenigen anständigen Menschen der hiesigen Literatur (Karl Kraus, die Glosse Die Grüßer) Ich bat ihn mit mir nicht zu sprechen, da die Kritik im Mittelgang es bemerken und ihm nach dem Leben trachten würde. Es geschah: … sei mit ihm ins Theater gegangen. A. Hillischer Davids Biographie Sein Vater starb an der Cholera, die 1866 von Preußen nach Mähren einschleppt wurde, und wurde in Fulnek begraben. Der Sohn fast taub und stark kurzsichtig: Mein Auge sieht die schöne Welt verschwommen, Und nur gedämpft, gedämpft und leise kommen Des Lebens Laute in mein krankes Ohr. 1889. Gustav Lohner im Roman Höferecht. Vor allem sein Wiener Roman Am Wege sterben (1900, zuerst 1899 in der Neuen Freien Presse) über das Leben von fünf Studenten aus Mähren und Schlesien in Wien widerspricht dem Klischee vom prächtigen Wien der Jahrhundertwende. Am ausführlichsten wird Simon Siebenschein im Roman Am Wege sterben porträtiert, der zum Armenarzt wird. Auch Davids Bauerndarstellung entsprach nicht der Idealisierung der Scholle in der damals populären Heimatliteratur. Roman Rocek: J. J. David oder Die vorweggenommene Moderne: „Dichter zwischen den Zeiten, den Moden, allen Geschmacksrichtungen und allen Weltanschauungen“ 1889 Promotion (Zur Psychologie Heinrich Pestalozzis, 33 Manuskriptseiten!). Die Schrift endet mit einem resignativen Bekenntnis zu Darwins Lehre über den „Kampf ums Dasein“: Nicht der starke, der schwache Mensch ist für sich und die Welt ein Unglück. Der Starke unter Starken ist nie gefährlich … Der Mensch ist sich selbst der Nächste. Kein Schäferglück, der Kampf ums Dasein harrt seiner, und in ihm muß die Erziehung bestehen lehren. Davids Biographie 1891 heiratete David die Katholikin Juliane Ostruszka Jakob Julius David wurde in die Freimaurerloge Zukunft aufgenommen, für deren Zeitschrift Zirkel er Beiträge schrieb. 1903 Wiener Zeitung 1905 Bronchialkrebs, 1910 bekam er auf dem Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 0, Reihe 1, Nummer 52) ein Ehrengrab. Jakob Minors Rede, Gedenkverse Heinrich Glücksmanns Jacob Julius David Ein Poet und andere Erzählungen, Reclam Nr. 5154, mit einer Einleitung von Heinrich Glücksmann Philipp Reclam jun., Lpz. Heinrich Glücksmann Glücksmann Heinrich war Journalist und Schriftsteller aus Rakschitz (Rakšice, Mähren) , als Jude musste der 74jährige ins Exil gehen und starb 1947 in Argentinien. Er besuchte die Schauspielschule und die Univ. in Wien, seit 1882 Redakteur bei verschiedenen Ztgn. in Ungarn, 1894 Feuilleton-Redakteur der „Wiener Allg. Zeitung“, 1900 beim „Wiener Tagblatt“, 1903 Chefredakteur bei der „Neuen Zeitung“, 1896, bis 1919 Hrsg. der Freimaurerzeitung „Der Zirkel“, 1919–23 der „Wiener Freimaurer-Zeitung“, seit 1910 Dramaturg des Dt. Volkstheaters, ging 1938 in die Emigration. Jakob Julius David: Ein Poet? Der erste Leitartikler des Blattes sagt mit einer vernichtenden Höflichkeit: Wo hat´s gebrannt? Bernhofer vergaß den Brandort – bei der Augartenbrücke – zu erwähnen. Sie schildern da den Brand, sehr schön, will ich ihnen zugeben, sehr poetisch und in einer Novelle auch wirklich wirksam. Aber, Herr! Unserem Publikum haben Sie keine Novellen zu erzählen – vorläufig wenigstens nicht, /…/ Unsere Leser wünschen alles zu wissen, was sich in der Welt begibt; aber nur die Tatsachen, Herr, merken Sie sich das, nichts als die Tatsachen! Ein Poet? B: - man war auch bisher immer mit meinen Leistungen zufrieden … Wortmann: Bei einer Zeitung gibt es kein: war, da gibt es nur ein: ist! /…/ Sie haben ein Weib zu Hause und denken an das und vergessen darüber das Wichtigste. Und Sie haben´s nicht im Kopfe – und nur dort darf´s bei einem Journalisten sitzen – sie haben´s vielleicht im Herzen. Und das taugt nichts, Herr! Suizidarten Suizid als eine besonders literarisch ergiebige Todesart, weil sie seit jeher als Anlass für moralische, sozialktirische oder existenzphilosophie Betrachtungen dient. Statistik Brünns 1889 und 1890 Geburten: Lebend geborene, ehelich: 2086 bzw. 2102; enehelich: 837 bzw. 822 Selbstmord 1890, insgesamt 25: Gift: - ● 0 Erhängen: 9 männlich, 1 weiblich ● Erschießen: 6 mänlich ● Ertränken: 4 männlich, 3 weiblich ● Sonstiger: 2 männlich ● Vgl. Lungenschwindsucht: 381 männlich, 361 weiblich ● Aus Lebensüberdruß zum Denken greifen: ein Selbstmord, durch den man sich das Leben gibt. *Karl Kraus Suizidalität, die Neigung zum Selbstmord,wobei der Suizid selbst nur angedeutet oder völlig ausgespart bleibt. Ist der Suizid für Davids Erzählungen bedeutend und trägt er zur Prägung von Subjektidentitäten bei? Wie attraktiv sind Berichte über Suizidalität und Suizid für die damalige Feuilletonistik? Versuchen wir den Text von Ein Poet? kritisch lesen Leo Popper: Der Kitsch Motto: „Der Dilletant wird nie den Gegenstand, immer nur sein Gefühl über den Gegenstand schildern.“ Goethe: Dilettantismus in der pragmatischen Poesie. Heine und die Folgen In den ersten Ausgaben der Fackel findet man einerseits Lanz von Liebenfels und H. S. Chamberlain, andererseits Else Lasker Schüler oder Berthold Viertel. Franz Schamann: Ein Mährisher Dichter, 1908 Arbeiterzeitung, Di, 29. Dezember 1908 Also teilt der Dichter das Schicksal des Staates, dem er entsprossen ist, dessen Siege ohne Frucht bleiben, dessen Niederlagen aber nimmer gutzumachen sind und vergiftend weiterschwären? Wie naturaliastisch ist David? Jakob Julius Davids Naturalismen Peck, Clemens In: Sonderweg in Schwarzgelb? / Roland Innerhofer, Daniela Strigl (Hg.). - Innsbruck, 2016. - S. 153-