Eidgenossen, Raiser und Reich Studien zur Stellung der Eidgenossenschaft innerhalb des heiligen römischen Reiches Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Würde eines Doktors der Philosophie der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Basel vorgelegt von Karl Mommsen ans Marburg ©m Basel 1958 Verlag von Helbing & Lichtenhahn Genehmigt von der Philosophisch-Historischen Fakultät auf Antrag der Herren Prof. Dr. E. Bonjour und Prof. Dr. W. Kaegi. Basel, den 1. Juli 1957. Prof. Dr. K. Sohefold Dekan Meinen Schweizer Freunden Die Arbeit erscheint gleichzeitig als Band 72 der «Basier Beiträge zur Geschichtswissenschaft» herausgegeben von Edgar Bonjour und Werner Kaegi Professoren an der Universität Basel Verlag von Helbing & Lichtenhahn, Basel © Copyright 19(58 by Helbing & Lichtenhahn, Verlag, Basel Printed in Switzerland Buchdruekerei VSK, Basel INHALTSVERZEICHNIS Vorwort................................. 9 Historiographische Einleitung....................... 11 Erster Teil Die Stellung der Eidgenossen zum Reich: Reohtliohe und geistesgeschichtliche Aspekte 17 I. Das heilige römische Reich....................... 17 II. Kaiser und Reich als Legitimationsmittel staatlicher Machtausübung..... 31 III. Die Legitimation eidgenössischer Staatlichkeit.............. 39 IV. Kaiser und Reich in der eidgenössischen Ohronistik des 15. Jahrhundorts ... 64 V. Ergebnisse und Folgerungen...................... 97 Zweiter Teil Das politische Verhältnis der Eidgenossen zum heiligen römischen Reich im 14. und beginnenden 1 o.Jahrhundert........................ . 105 I. Die Entstehung der Eidgenossenschaft.................. 106 II. Zusammengehen mit Ludwig dem Bayern................ 108 III. Annäherung an die Luxemburger.................... 119 IV. Erneutes Zusammengehen mit dem Kaiser...........,..... 137 V. Die Eidgenossen und Karl IV...................... 145 VI. Die Eidgenossen als Stützen königlicher Politik zu Beginn des 15. Jahrhunderts 166 1. Die italienische Politik der Eidgenossen und des Reiches bis zum Frieden mit Mailand (1426)........................... 168 2. Die Privilegien und die Entwicklung des Staates in den eidgenössischen Orten 213 Zürich S. 214 - Bern S. 218 - Luzern S. 222 - Waldstätte S. 227 - Uri S. 228 -Schwyz S. 230 - Unterwaiden S. 232 - Zug S. 234 - Glarus S. 235 - Zusammenfassung S.237 Ausblick Die Haltung der Eidgenossen au Kaiser und Reioh im weiteren Verlauf des 15. Jahrhunderts ................................ 243 I. Annäherung an die Kurfürsten und die Reichsopposition.......... 243 II. Die Burgundcrkriege......................... 25Ö III. Die Eidgenossen und die Reiohsreformbestrebungen............ 269 IV. Der Streit um die eidgenössischen Söldner................ 271 y 1. Das burgundische Erbe....................... 271 y 2. Der Kaiser und die Freunde der Eidgenossen im Reich.......... 274 ,^ 3. Maximilian und die Eidgenossen................... 277 Schlussbetrachtung............................ 291 Literaturverzeichnis............................ 299 Abkürzungen............................... 314 Register................................. 315 VORWOBT Als der Verfasser begann, sich mit der Stellung der Eidgenossenschaft zu Kaiser und Reich zu befassen, hatte er eine Untersuchung der Zeit zwischen dem Schwabenkrieg und dem Westfälischen Frieden im Auge. Doch sohon bald musste er, dem damals die Schweizergeschichte noch weitgehend Neuland war, erkennen, dass eine solche Untersuchung ohne neue Bearbeitung der vorangehenden Zeit recht schwierig sein würde. Deshalb entschloss er sich, das 15. Jahrhundert in den Mittelpunkt seines Interesses zu stellen und zu untersuchen, ob sich ein Bruch in der Haltung der Eidgenossen zu Kaiser und Reich in der Zeit vor oder nach dem Schwabenkriege nachweisen Messe. Mit der Zeit musste er allerdings erkennen, dass es angebracht war, auch das 14. Jahrhundert in seine Studien einzübeziehen. Trotz dieser Ausweitung hoffte er lange Zeit, nicht nur die Chronistik, sondern auch die politischen Zusammenhänge bis zu den Mailänder Kriegen zu untersuchen. Leider musste er jedoch darauf verzichten, seine Arbeit auf diese Weise einigermassen abzurunden. Dennoch ist dieser Verzicht zu vertreten, da diese Studien keinesfalls eine ausgewogene und abschliessende Würdigung des Verhältnisses der Eidgenossen zu Kaiser und Reich sein können. Aus der Fülle der vielfältigen Fragen, die die Geschichte der Ablösung der Eidgenossenschaft vom heiligen römischen Reiche mehr oder weniger stark beeinflussten, konnten nur einige, dem Verfasser als besonders wichtig erscheinende Probleme herausgegriffen werden. Manches wurde noch im Vorübergehen kurz gestreift. Aber viele, oft nicht unwichtige Problemkreise eidgenössischer Sonderentwicklung mussten von vornherein übergangen werden. So interessant auch eine Untersuchung der zugewandten Orte sein dürfte -denn ihr doppeltes Abhängigkeitsverhältnis gestattet tiefe Einblicke in das Wesen der Reichszugehörigkeit -, musste auf eine solche verzichtet werden. Ebenso wurden die erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts in die Eidgenossenschaft aufgenommenen Städte und Länder nicht berücksichtigt, obwohl sie aufschlussreiches Vergleichsmaterial liefern könnten. Der Verfasser bedauert es besonders, dass es ihm nicht möglich war, ungedrucktes Material in grösserem Umfange zu verarbeiten. Obgleich die Beschränkung dem Verfasser nicht immer leicht fiel, erachtete er es andererseits für notwendig, der einen oder anderen Frage bis in Einzelheiten hinein nachzugehen, zumal häufig auch Nebensächlichkeiten bedeutsame Rückschlüsse auf die Haltung der Eidgenossen zu Kaiser und Reich erlauben. Das eigentliche Anliegen des Verfassers ist jedoch nicht die Untersuchung einzelner Probleme, die für die Geschichte 9 der Ablösung besondere Wichtigkeit besitzen, sondern er möchte mit diesen Untersuchungen die Geschiohte der Ablösung der Eidgenossenschaft vom heiligen römischen Reiche ganz allgemein zur Diskussion stellen. Dieser zentrale Fragenkreis eidgenössischer Staatsbildung verdient es, dass sich ihm das Interesse der Forschung einmal zuwendet. Deshalb würde es der Verfasser als den schönsten Lohn seiner jahrelangen Bemühungen betrachten, wenn andere einen der angedeuteten Pfade weiterbeschritten. Die Vollendung dieser Studien verdanke ich vor allem der materiellen Unterstützung, die mir immer wieder zuteil wurde. Allen, die daran Anteil hatten, möchte ich an dieser Stelle meinen allerherzlichsten Dank aussprechen. Besondere Dienste leisteten mir Gespräche mit einigen Professoren und Kommilitonen. Sie machten mich auf wichtige Fragen aufmerksam und trugen vor allem zur Klärung vieler Ansichten bei. Beim Lesen der Korrekturen waren mir freundlicherweise Herr Dr. W. Wackernagel und Herr Dr. H. Schweizer behilflich. Für zuvorkommende Bedienung und einige Auskünfte bin ich den Universitätsbibliotheken in Basel und Marburg, der Westdeutschen Bibliothek in Marburg sowie den Staatsarchiven in Zürich, Bern, Luzern und Aarau verpflichtet. Die Klischees der Abbildungen stellten mit ausserordentlicher Zuvorkommenheit das Staatsarchiv Basel und der Verlag Birkhäuser AG zur Verfügung. Namhafte Druckkostenzuschüsse verdanke ich dem Schweizer Nationalfonds zur Förderung wissenschaftlicher Forschung, der Moser-Nef-Stiftung für rechts- und wirtschaftsgeschichtliche Forschung in der Schweiz, der Moser-Nef-Stiftung für Rechtsgeschichte des Historischen Vereins St. Gallen und dem Dissertationenfonds der Universität Basel. Ganz besonderen Dank bin ich meinem Basler Lehrer, Herrn Professor Dr. B. Bonjour, schuldig, der diese Arbeit anregte und mir jederzeit mit Rat und Tat zur Seite stand. Basel, im Oktober 1958 Karl Mommsen HISTORIOGRAPHISCHE EINLEITUNG Die Schweizer Vergangenheit stellt den Historiker vor manche Aufgaben, die trotz intensiver Forschungstätigkeit während mehrerer Generationen noch heute keine eindeutige Lösung gefunden haben. Eine der Fragestellungen, die sowohl nördlich als südlich des Rheines ohne grosse Diskussion akzeptiert wurde, war die Geschichte der Ablösung der Eidgenossenschaft vom heiligen römischen Reich. Nachdem im 18. Jahrhundert in der deutschen Publizistik darüber gestritten worden war, ob die Eidgenossenschaft noch zum Reiche gehöre oder nicht, hatte J. J. Moser nachgewiesen, dass mit dem Westfälischen Frieden die Ablösung erfolgt sei1. Um 1800 versuchte dann der württembergisohe geheime Rat Freiherr Friedrich von Jan mittels vieler Beiego und Akten zu behaupten, dass die Schweizer Kantone noch zum Reichskörper gehörten2. Später befasste sich J. C. Bluntschli in seiner Geschichte des schweizerischen Bundesrechtes mit der Stellung der Eidgenossenschaft zum Reiche. In dem Abschnitt über die Eidgenossenschaft und das Ausland widmete er dem Verhältnis der Eidgenossenschaft zu Kaiser und Reich ein zwanzig Seiten umfassendes Kapitel. Darin legte er dar, dass die Länder «gerade in der Absicht, beim Reich zu bleiben, den Bund schlossen», weil sie auf diese Weise «ihre gewonnene Reichsfreiheit erhalten» wollten3. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts hätten sich dann die Eidgenossen langsam dem Reiche entfremdet, weil das «Kaiserthum dem wirklichen Leben entrückt» und «grossen Theils von österreichischen Fürsten besessen» worden sei, während die Reichsfürsten, auf denen «das Hauptgewicht der Reichsverfassung lag», den Eidgenossen keine Unterstützung gewährten1. Vor allem habe das innere politische Prinzip der Eidgenossenschaft, die republikanische Staatsform, dazu beigetragen, dass die Eidgenossen «der Monarchie und Aristokratie des Reiches gegenüber ihrer Eigentümlichkeit und Selbständigkeit inne» wurden5. Als dann das Reich mit der Reichsreforni von 1495 wieder eine festere Ordnung erhielt, habe sich die Entfremdung der Eidgenossen vom Reiche gezeigt. Bluntschli sieht daher in der Reichsreform den eigentlichen Grund des Schwabenkrieges. Obwohl dieser Krieg 1 J.J.Moser, Gerettete völlige Souverainete der hoehwohllöblichen schweizerischen Eydtgenossensohafft, Tübingen 1731. 8 Freiherr L.JP.von Jan, Das staatsrechtliche Verhältnis der Schweiz zum deutschen Reiche, 1801-1803. 3 J. G. Bluntschli, Geschichte des schweizerischen Bundesrechtes, 1849, S. 227 (zitiert nach der 2.Aufl.). 'a.a.O., S.231. "a.a.O., S.234. 10 11 kein eigentlicher Beichskrieg gewesen sei, habe doch «als Hauptfrage im Hintergrund das Verhältnis der Schweiz zu Deutschland» gestanden6. Da im Basler Frieden von 1499, der zwar die Frage der schweizerischen Unabhängigkeit nicht eigens behandelte, die Erhaltung des bisherigen Rechtszustandes zugebilligt wurde, sei die «Ablösung vom eigentlichen Reichs-körper somit in dem Kriege von Seiten der Eidgenossen behauptet und vom Reiche tatsächlich geduldet» worden7. Als Verwandte des heiligen Reiches hätten die Eidgenossen «noch nicht alle Bande, welche an die vormalige Stellung der Schweiz zu Deutschland erinnerten, gelöst», wozu Bluntschli die Privilegieribestätigungen und den Vorbehalt des Reiches in den eidgenössischen Verträgen zählt8. Währendder Friedensverhandlungen in Münster habe dann Bürgermeister Wettstein «keine Freiheitsbriefe noch Privilegien, sondern Anerkennung der Souveränität» gefordert und durchgesetzt9. Da sich BluntscMis Darstellung des Verhältnisses der Eidgenossenschaft zum Reiche auf das Wesentlichste beschränkt, werden dem Basler Frieden und der These der tatsächlichen Ablösung vom Reiche nur 23 Zeilen gewidmet, so dass jede Begründung seiner Anschauung durch historische Quellen fehlt. Obwohl die knappe Behandlung dieser Frage dazu anregte, das Verhältnis der Eidgenossenschaft zum Reiche auf breiterer Quellengrundlage nochmals zu schildern, fand sich niemand, der BluntscMis Meinung wirklich historisch begründete und die Zäsur nachwies. Dennoch wurde seine Meinung überall widerspruchslos akzeptiert. Da man BluntscMis Formulierung veränderte, indem man anstatt der«staatsrechtlichen» Unabhängigkeit vom «eigentlichen Reichskörper» die Worte staatsrechtlich und vor allem «eigentlichen»fortliess, und die Privilegienbestätigungen als reine Formalien zu bagatellisieren suchte, wurde die These noch vergröbert und verschärft10. K. JKlüpfel und T. Probst schilderten den Vorgang der faktischen Ablösung auf breiterer Grundlage, doch setzten sie sich mit BluntscMis These nicht kritisch auseinander11. Beide Aufsätze konnzeichnet, dass sie weitgehend Österreich und den Kaiser gleichsetzen und in der Feindschaft der Eidgenossen zu Österreich den eigentlichen Grund der Entfremdung vom Reiche sehen. Probst geht auf den Basler Frieden überhaupt nicht mehr ein, da er seine Bedeutung für genügend herausgearbeitet hält. Beide Auf- * Bluntschli, S.237f. 'a.a.O., S.238. 8 a.a.O., 8. 238f. 0 a.a.O., S.241. 10 Vgl. z.B. K.Dändliker, Geschichte der Schweiz, II2, 8.300: Es ehaben sich, lediglich als veraltete Formalitäten, noch gewisse Erinnerungen an dio Zugehörigkeit zum Reiche erhalten»; oder G.Guggenbülil, Geschichte der Schweizerischen Eidgenossenschaft, I, S. 380: «Es entsprach nur dem äussorlichen Belieben ohne innere Berechtigung, wenn die Eidgenossen ihre Städte und Länder auch später noch als Glieder des Reiches bezeichneten.fi 11 K.Klüpfel, Die Lostrennung der Schweiz von Deutschlund, HZ, XVI, 1866. -Tr. Probat, Die Beziehungen der Schweizerischen Eidgenossensehaft zum deutschen Reiche in den Jahren 1486-1499, Arch. f. Schweiz.Gesch., XV, 1866. sätze weichen weder in der Beweisführung noch im Ergebnis von BluntscMis These ab und werden von Oechsli grossenteüs übernommen. Die Untersuchung Oeclislis kann man als den Versuch betrachten, die These BluntscMis mit historischem Quellenmaterial zu unterbauen. Obwohl sie versucht, das Verhältnis der Eidgenossen zum Reiche so umfassend wie möglich darzustellen, leidet sie vor allem daran, dass Oechsli darauf verzichtete, die Stellung der Eidgenossen mit derjenigen deutscher Territorialstaaten zu vergleichen. Bestenfalls zog er bedeutende Ereignisse der Geschichte der schwäbischen Städtebünde heran. Darüber hinaus setzte er weitgehend Kaiser und Reich gleich. In seinem ersten Kapitel schildert Oechsli die wichtige Rolle, die das Reich bei der Entstehung der Eidgenossenschaft gespielt hat und erklärt, dass «der höohste Ergeiz der Eidgenossen lange nur dahin ging, die Reichs-unmittelbarkeit zu erwerben oder zu behaupten»12. Dann betrachtet er die «Ausbildung schweizerischer Landeshoheit durch kaiserliche Privilegien» an Hand der einzelnen Orte. Zur Zeit Kaiser Sigmunds sei diese Entwicklung abgeschlossen. «Gleich den Reichsfürsten führten sie Kriege und schlossen Bündnisse, gaben sich Verfassungen, Gesetze und Verordnungen, handhabten Gericht und Regalien, ertheilten Lehen, erhoben Zölle und Steuern nach ihrem Belieben, regierten sich mit einem Worte in voller Freiheit selber, gleich souveränen Staaten, und diese Selbstregierung basierte durchweg auf dem Rechtsboden kaiserlicher Privilegien... Der Zusammenhang mit dem Reiche war nur noch ein ideeller ohne jede materielle Unterlage13.» Oechsli bringt weder einen Beleg für den Bestand der ideellen Bindung an das Reich im Laufe des 15. Jahrhunderts, noch weist er nach, dass diese ideelle Bindung in der Zeit des Schwabenkrieges für dauernd abgebrochen sei. Im dritten Abschnitt unter dem Titel «Anteil der Eidgenossen an den Reichsangelegenheiten vornehmlich unter Sigismund» berichtet er über die Teilnahme an Reichstagen und militärischen Hilfeleistungen an den Kaiser, die die Eidgenossen nicht als rechtliche, sondern als «moralische Verpflichtung» anerkannt hätten14. Dann folgt der wichtigste Teil der Untersuchung, in dem Oechsli die Spannungen zwischen den Eidgenossen und Friedrich III. während des Alten Zürichkrieges, des Waldshuter Krieges und der Burgunderkriege schildert, ohne auch nur einen der vielen Gegensätze der Reichsfürsten zum Kaiser in der gleichen Zeit zu erwähnen. Vielmehr setzte er voraus, dass mit der Erwerbung der «römisch-deutschen Krone» durch die Habsburger «die Lage der Eidgenossen in Bezug auf Kaiser und Reich nothwendig eine ganz andere werden» musste16. Nach den Burgunderkriegen «drängte Alles, die langjährige Feindschaft des Kaisers, die prinzipielle Verschiedenheit der Staats- und Gesellschaftsformen und die dadurch bedingte gegenseitige Abneigung, so- 12 W. Oechsli, Das Verhältnis der Eidgenossensehaft zum deutschen Reiche, Politisches Jb., V (1890), S.304. "a.a.O., S.401f. 14 a.a.O., S.407. 16 a.a.O., S.432 (Auszeichnung nicht bei Oechsli). 12 13 wie die Unmöglichkeit, die ihr gebührende Stellung im Reiche einzunehmen, die Schweiz auf eine Trennung von Deutschland hin»16. Als sich die Eidgenossen durch den Schwäbischen Bund bedroht sahen, und die Wormser Reichsreformbeschlüsse die eidgenössische Selbständigkeit in Frage stellten, hätten die Schweizer «die Antwort auf die Wormser Beschlüsse i> erteilt, «indem sie die bisher offiziell eingehaltene Neutralität ver-liessen und sich auf Seiten Frankreichs stellten »17. Die dadurch gesteigerte Feindschaft habe dann zum Schwabenkrieg geführt, nachdem zuvor in den Jahren der Verhandlungen zwar Fortschritte erzielt worden seien, aber der Konflikt doch unvermeidbar geworden wäre. Mit dem Sieg der Eidgenossen sei dann im Basler Frieden die «Unabhängigkeit der Schweiz von Seiten Deutsehlands» anerkannt worden. Wenn auch diese Tatsache nicht ausgesprochen wurde, habe man «hüben und drüben das Gefühl» gehabt, dass «mit dem Schwabenkrieg die Trennung zwischen beiden vollzogen sei»18. Als Beweis diente Oechali die Tatsache, dass im definitivenFriedensvertrage ein Passus des Entwurfes fortfiel, der besagte, dass der Kaiser die Eidgenossen als «Glieder des heiligen Reiches wieder zu Gnaden und Hulden kommen lassen» solle. Weiterhin mass Oechsli der Anerkennung der eidgenössischen Exemptionsprivilegien wesentliche Bedeutung zu, ohne daran zu denken, dass die gleiche Exemption vom Reichskammergericht auch den Kurfürsten zugestanden worden war. Oechslis Arbeit zeigte eine ganze Reihe wichtiger Gesichtspunkte auf und untersuchte erstmals das Verhältnis der Eidgenossen zum Kaiser, denn eigentlich müsste sein Aufsatz diesen Titel tragen. Vom Reiohe wird nur sehr vorübergehend gesprochen; Oechsli übersah, dass zwischen Kaiser und Reich ein grosser Unterschied bestand. Ausserdem waren für ihn Reioh und Staat identisch, wie das folgender Gedankengang zeigt: «Es war nicht die Schuld der Eidgenossen, dass dieses Reich nicht mehr im Stande war, den elementarsten Aufgaben des Staates zu genügen, dass an seiner Stelle freie Genossenschaften die Aufgabe übernehmen mussten, den inneren und äussern Frieden zu schützen und das Recht gegen die rohe Gewalt zu schirmen. Wenn der Bund der Schweizer die kräftigste, lebensfähigste dieser Genossenschaften wurde, wenn sie es verstanden, in einem ansehnlichen Gebiet eine relativ gute staatliche Ordnung zu begründen und ein wehrhaftes Gemeinwesen von europäischer Bedeutung zu schaffen, so ist dies der beste Beweis, dass es ihnen an Opferwilligkeit für die Zwecke des Staates nicht gebrach. Da aber das heilige römische Reich nicht mehr fähig war, diese Zwecke zu erfüllen, so ist es begreiflich, dass ihre Opferwilligkeit sieh weniger mehr dieser imaginär gewordenen Grösse, als ihren lokalen Organisationen und ihrer engern Vereinigung zuwandte, die ihnen einzig das verbürgten, was heute jeder Staat seinen Angehörigen als selbstverständlich gewährleistet - Friede und Recht19.» 16 Oechali, S.498. " a.a.O., S.552. 18 a.a.O., S. 616 (Auszeichnung nicht bei Oechali). 18 a.a.O., S.349f. Da Oechsli als Aufgaben des Reiches betrachtete, was der Staat seiner Zeit erfüllte, musste er das Wesen des Reiches verkennen und somit zu seinen Folgerungen gelangen. Da es Oechsli völlig unterlässt, die Haltung f der Eidgenossen mit derjenigen deutscher Reichsglieder zu vergleichen, fehlt ihm eine der grundlegenden ErkermtnisqueUen zur Lösung dieses Problems. Wenn sich diese Forderung auch lange nicht überall verwirklichen lässt, zumal nicht in einer Gesamtsohau, so kann doch nur der Vergleich mit innerdeutschen Staaten dahin führen, den Prozess der Ablösung vom Reiche in seinen einzelnen Phasen zu erfassen. Hätte Oechsli nur eine Geschichte einer deutschen Reichsstadt oder irgendeines Territorialstaates, der wie die Eidgenossenschaft nicht gerade im Zentrum der Reichspolitik und des Reiches stand, konsultiert, so hätte er sicher selbst erkannt, dass die Argumentation des «Juristen» Bluntschli zwar sehr anspricht, aber doch zu sehr vom Staatsdenken des 19. Jahrhunderts ausgeht. Wenn man dem Juristen die Argumentation mit staatsrechtlichen Begriffen seiner Zeit nicht vorwerfen kann, so verwundert es doch, dass der Historiker sie so kritiklos übernahm. Doch muss man Oechsli zugute halten, dass ihm ein Bild des Reiches geliefert wurde, das in dem mittelalterlichen Reich mehr oder weniger nur den Vorläufer eines modernen Nationalstaates sah, der in fränkischer Zeit zwar seine Staatsaufgaben erfüllte, dann aber mit dem Aufkommen des Landesfürstentums in Verfall geraten sei20. Da Oechslis Arbeit offensichtliche Mängel anhafteten, verwundert es, dass seine Meinung so unangefochten akzeptiert wurde. Dies ist nur mit der Bedeutung des Schwabenkrieges zu erklären. Dieser ist ohne Zweifel eine Zäsur in der Geschichte des Verhältnisses der Eidgenossenschaft zum Reiche. Solange über ihn eine Monographie fehlt, die ihn in allgemeinere Zusammenhänge stellt, lag Oechslis Interpretation für den Rückschauenden sehr nahe. Wenn man den Zeitpunkt der Ablösung der Eidgenossenschaft vom Reiche mit den Kriterien Oechslis bestimmen will, müsste man sie wesentlich früher ansetzen. Oechsli selber legt die Zeit Kaiser Sigmunds nahe21. Wenn man jedoch die Orte einzeln betrachtet, könnte man ohne Schwierigkeiten nachweisen, dass viele schon in der Mitte des 14. Jahrhunderts alle wichtigen staatlichen Aufgaben ohne irgendeine bedeutsame Einwirkung des Kaisers erfüllten. Will man die wenigen Funktionen, die das spätmittelalterliche Kaisertum über die reichsunmittelbaren Glieder des Reiches ausübte, ein wenig bagatellisieren, müsste man zum Schluss kommen, dass die «staatliche Unabhängigkeit» de facto schon mit der Erwerbung der Reichsunmittelbarkeit erfolgt sei32. Würde man mit den gleichen Kriterien an die deutsche Gesohichte herantreten, so käme man zum Ergebnis, dass das Reioh de facto etwa mit dem Interregnum oder dem «statutum in favorem prineipum» und de jure spätestens mit dem Westfälischen Frieden zu bestehen aufgehört habe. " Vgl. Oechsli, S.304. " a.a.O., S.401. 2a Dieser Meinung scheint die Stadt Stein am Rhein nahezustehen, wie ihr Freiheitsjubiläum 1957 zeigt. 14 15 Neuerdings hat H. Sigrist in zwei Aufsätzen nachgewiesen, dass Oechslis Interpretation des Basler Friedens nicht zutrifft, sondern eher umgekehrt werden kann; denn,die Eidgenossen wünschten die Streichung des besagten Artikels, weil sie der Meinung waren, der Krieg hätte nichts mit dem Reiche zu tun gehabt, sondern nur Österreich und den Schwäbischen Bund betroffen23. Deshalb wollten sie unter allen Umständen die üble Nachrede vermeiden, dass sie gegen Kaiser und Reich gefochten hätten. Mit diesem Nachweis fällt das entscheidende Argument hinweg, das die These der «faktischen Lösung» der Eidgenossenschaft vom Reiche im Basler Frieden wirklich stützen könnte. Daher möchte die vorliegende Arbeit das Verhältnis der Eidgenossenschaft zum Reiche wieder zur Diskussion stellen. Leider kann das Problem lange nicht so umfassend behandelt werden, wie es notwendig wäre. Dazu fehlen die erforderlichen Vorarbeiten, die die Sonderentwicklung der Schweizerischen Eidgenossenschaft nicht nur generell und oft a priori behaupten, sondern am Detail nachweisen. Da dem Einzelnen der Überblick über die vielfältigen Erscheinungen im Leben der deutschen Territorialstaaten versagt bleiben muss, lässt sich dieser Nachweis nur für Einzelfragen sicher erbringen. Solche Studien dürften sich jedoch nicht auf politische und verfassungsrechtliche Fragen beschränken, sondern müssten auch die wirtschaftlichen Verhältnisse und die soziale Struktur vergleichen. Besonders ergiebig dürften Vergleiche mit den Städten aus verschiedensten Teilen des Reiches sein. Bestand zwischen den Eidgenossen und dem Reich wirklich ein so tiefer Graben, dass hier nur «Bauern» und eine republikanisch-genossenschaftliche Regierungsform und dort nur der «Adel» und monarchischaristokratische Kräfte in unversöhnlichem Gegensatz standen ? Besass die ständisch gegliederte Lebensform nicht auch für die Eidgenossenschaft eine Bedeutung, die der des Reiches, wenn auch nicht gleich, so doch nicht wesentlich verschieden war 1 Zumindest strebten die führenden Schichten der Eidgenossenschaft einen Lebensstil an, der dem des Adels entsprach, und den sich die Maiores et Meliores der eidgenössischen Orte viel eher leisten konnten als viele süddeutsche Adelige. Wenn auch die vorliegende Arbeit diese sehr wichtigen Kriterien beiseite lässt, darf ihre Bedeutung nicht übersehen werden. Leider war jedoch der Verfasser genötigt, die Untersuchung auf einige verfassungsrechtliche Fragen und ihren geistesgeschichtlichen Hintergrund zu beschränken, um dann die politische Haltung der Eidgenossen zum heiligen römischen Reiche in einzelnen, willkürlich herausgegriffenen Perioden darzustellen. *s H.Sigrist, Schweizer Beiträge zur allgemeinen Geschichte, V und VII. BKSTBB TEIL DIE STELLUNG DER EIDGENOSSEN ZUM REICH RECHTLICHE UND GEISTESGESCHICHTLICHE ASPEKTE I. Las heilige römische Reich Eine Untersuchung des Verhältnisses der Eidgenossenschaft zum heiligen römischen Reich hängt wesentlich davon ab, was unter dem Begriff Eidgenossenschaft und was unter dem Wort Reich verstanden wird. Wir sahen an Oechslis Aufsatz, dass die Gleichsetzung von Reich und Staat sowie von Eidgenossenschaft und Staat oder Staatenbund zu Ergebnissen führte, die, wenn sie konsequent zu Ende gedacht würden, es überflüssig machten, die Frage nach dem Verhältnis der Eidgenossenschaft zum Reiche überhaupt zu stellen. Daher ist es notwendig, zunächst einmal die Begriffe zu klären. Was die alte Eidgenossenschaft gewesen ist, braucht nicht näher untersucht zu werden, da sich mit ihr die Schweizer Geschichtsforschung genügend auseinandergesetzt hat, so dass Missverständnisse nur schwer aufkommen können. Selbst bei oberflächlicher Kenntnis der eidgenössischen Vergangenheit ist jedermann das lockere Gefüge der alten Eidgenossenschaft klar. Obwohl Dir jede zentrale Gewalt fehlte, bildete sie eine Einheit. Wenn man das Wesen der Eidgenossenschaft im «Herbst des Mittelalters» mit einer verfassungsrechtlichen Formel umschreiben will, könnte man sagen, dass sie eine Einung verschiedener autonomer Territorien war, die immer mehr den Charakter eines Staatenbundes annahm, während sich gleichzeitig die einzelnen Orte durch die Erwerbung der Landeshoheit zu modernen Staaten entwickelten. Eine Definition dessen, was das spätrnittelalterliche Reich charakterisiert, fällt wesentlich schwerer, weshalb weiter ausgeholt werden muss. Das Reich und die Reichsidee des frühen und hohen Mittelalters stehen so im Zentrum der Forschung, dass durch die Fülle der Arbeiten, die sich direkt oder indirekt damit befassen, kaum ein Pfad führt1. In den späteren 1 Aua der Fülle der Literatur über das Reich sei nur einiges angeführt: gute Zusammenfassung bei R.Folz, Ľidée de l'limpire, 1952; A.Dempj, Sacrum Imperium, 1929; P.Ko-schaher, Europa und das römische P»echt, Kap. I-VI, 1947; H.Mitteis, Der Staat des hohen Mittelalters, 1948 und 19S3; P.E.Schramm, Kaiser, Rom und Renovatio, 1929; Th.Mayer, Fürsten und Staat, 1950; H.Heimpel, Reich und Staat im Mittelalter, in Deutsches Mittelalter, 1941, oder Arch.f.öff.Reoht, NF, XXVII, 1936; W.Holtzmcmn, Das mittelalterliche 16 17 Zeiten, in denen sich die wichtigeren politischen Entwicklungen auf dem Boden der nationalen Staaten und der Territorien ahspielten, interessiert das Reich und die Reichsidee den rückschauenden Betrachter wesentlich weniger, obwohl es sich sicher lohnen würde, die Bedeutung des heiligen römischen Reiches für die Ausbildung der modernen Staaten, zu denen nicht nur die europäischen Nationalstaaten, sondern auch die Länder und Ländchen der Reichsglieder gerechnet werden müssen, einmal zu untersuchen. Wie die Bedeutung des Wortes, so war auch das Wesen des hochmittelalterlichen Reiches vielschichtig2. Neben dem engeren Reich, dem Regnum, stand das Imperium als Reich im weiteren Sinne. Kann man erstes als Herrschaft des Königs über mehrere Stämme bezeichnen, so bestand das Imperium in der Oberherrschaft des Kaisers über mehrere Regna: Deutschland, Burgund und Italien3. Das Reich bezeichnet somit hier wie dort eine Art von Hegemonie des Kaisers, die in der Ausübung der Macht zwar starke Unterschiede zeigte, da sie einmal über Herzogtümer ausgeübt wurde und sich einmal über mehrere Reiche erstreckte. Darüber hinaus symbolisierte der Kaiser als Schirmer der Kirche die Einheit der christlichen Welt, deren höchste weltliche Würde er in den Augen aller bekleidete. Das Reich war gleichzeitig national und universal, wie es gleichzeitig Herrschaft und Genossenschaft war4. Berief sich die Reichsidee auf römisch-christliche Traditionen, so fusste sie auch auf germanischen Anschauungen. Das Reich konnte «Staat» sein und Machtpolitik treiben, wie es auch nur Überstaat sein konnte, der mehr im Bewusstsein der Zeitgenossen als in der politischen Wirklichkeit lebte. Doch gehören alle diese so verschiedenen Teile zum Wesen des mittelalterlichen Reiches. Die Forschung der letzten Jahrzehnte hat herausgearbeitet, dass schon das karolingische Reich mit seiner Grafschaftsverfassung kein zentraler Staat war, wie man sich das im 19. Jahrhundert mehr oder weniger vorstellte5, und nachgewiesen, dass neben der königlichen Herrschaft noch autonome Herrschaftsverbände bestanden, so dass der Staat sich nicht hierarchisch von oben nach unten gliederte, sondern gleichermassen von unten her bestimmt wurde8. Vor allem wandte sich der mittelalterliche i Lehenstaat an die Person, was vielfältige Überschneidungen ermöglichte. Imperium und die werdenden Nationen, Abh. d. Arbeitsgemeinschaft f.Forsehung des I Landes Nordrhein-Westfalen, VII, 1952; O. Ladner, Das heilige Boich des mittelalterlichen Westens, in Welt als Geschichte, XI (1951); G. Barradough, Einheit Europas im Mittel-I alter, ebendort. - Vgl. K.S. Bader, Volk - Stamm - Territorium, HZ, 176 (19S3); H. Beu- mann, Das imperiale Königtum im 10. Jahrhundert, in Welt als Geschichte, X (1950); vgl. auch Gebhardts Handbuch der deutschen Geschichte, ed.H. Grundmann, 8. Aufl., 1964. 2 Vgl. Basl, in Gebhardts Handbuch, 1954, S. 646. - Heimpel, in Deutsches Mittelalter, S.Dlff. s Vgl. Heimpel, a.a.O., S. 65, 66ff. - Gebhardts Handbuch, S. 626, 646. 4 Vgl. Th. Mayer, Fürsten und Staat, S.220, «Teilhabe am Reichs. - K.S. Bader, Volk -Stamm - Territorium, HZ, 176, S.475; id., Territorialbildung und Landeshoheit, Bl.f. Landesgesch., XC (1953), S. 109ff. 5 Z.B. noch H.Brunner, Grundzüge der deutsehen Rechtsgcschichte, 1927, S. 155. -Eine Ausnahme bildet O.von Gierke, Genossenaehaftsrecht, I,S. 149f. « Vgl. B.Mitteis, Staat des hohen Mittelalters, S.öl. - Bosl, in Gebhardts Handbuch, besonders S. 597, 689ff„ 603f., 616. Es bestanden gleichsam mehrere Rechtsordnungen nebeneinander, die j geistliche und die weltliehe, Landrecht und Lehenrecht, lokal begrenztes und allgemeines, vom Herrscher gesetztes und Gewolmheitsrecht, die teilweise miteinander konkurrierten und kollidierten, während den modernen Staat eine einzige Rechtsordnung charakterisiert. Solange das Lehenswesen und mit ihm die Einheit von kirchlicher und weltlicher Macht noch nicht erschüttert war, konnte der «Lehenstaat» einigermassen reibungslos Herrschaftsfunktionen ausüben. Daher kann man mit Recht von einem «Staat des hohen Mittelalters» sprechen. Nachdem die Einheit geistlicher und weltlicher Macht durch den Investiturstreit erschüttert worden war, begann die langsame Zersetzung des Reiches als Lehenstaat. Innerhalb des Reichsgebietes übernahmen die Fürsten selbständig neue, sich ergebende Aufgaben, die das Reich nicht erfüllen konnte, und führten die ihnen übertragenen Funktionen des Reiches mit steigender Selbständigkeit durch. Damit verbanden sich die ersten Anfänge einer geregelten Verwaltung, die dahin tendierte, anstatt gewisse Personenkreise bestimmte Gebiete zu beherrschen7. Diesen lange Zeit andauernden und erst mit der Französischen Revolution abgeschlossenen Prozess bezeichnet man als Territorialstaatsbildung. Da es in den ausserdeutschen Ländern den Königen gelang, die Bindungen des hohen Adels an die Krone zu erhalten, ja zu festigen, konnten sie diese Bildung von Flächenstaaten unter ihrer Kontrolle halten. Weil die Glieder im Gebiet des mittelalterlichen Reiches die Territorialstaatsbildung durchführten, entwickelte sich in Deutschland und Italien der moderne Staat innerhalb der Einzelstaaten. Deshalb war das heilige römische Reich nie Staat im eigentlichen Sinne, da es weder alle Funktionen ausübte, die das Wesen des Staates ausmachen, noch «das Monopol legitimer Gewaltanwendung» besass, mit welchem man den Charakter des Staates zu umschreiben pflegt8. Wenn man das Reich des hohen Mittelalters als « Lehenstaat» bezeichnen kann, so umfasst das aber nur einen Teil dessen, was das Imperium ausmachte. Neben und über dem Lehenstaat stand die Idee des Reiches, die \ mit dem Begriff der einen Christenheit und der einen Kirche so eng verbunden war, dass diese Idee nicht davon gesondert betrachtet werden kann9. Die politische Macht spielte für die Reichsidee eine untergeordnete Rolle. Wesentlich war vor allem der symbolische Gehalt, der die weltliche Herrschaft in dem christlichen Glauben begründete10. Das Reich wurde als ' Vgl. K.S.Bader, Territorialbildung und Landeshoheit, S. 114; id., Volk - Stamm -Territorium, S.470f. - Ťh. Mayer, Analekten zum Problem der Entstehung der Landeshoheit vornehmlich in Süddeutschland, Bl. f. Landesgesch., IXO (1952), S. 91. - Mittels, Staat, S.3B9f., 430ff. 8 Nach der Definition Max Webers. - Vgl. Mitteis, Staat. - Th.Mayer, Analekten. 8 Vgl. W. Holtzmann, Das mittelalterliche Imperium und die werdenden Nationen, S. 10: Das Kaisertum ist «mehr eine geistige Grösse, gehört mehr dem Bereich der Kirche und ', Religion an». S. 9: «mehr eine Einrichtung der Kirche als des Staates». io ygit jp0iZj L'idée de ľEmpire. - Dempf, Sacrum Imperium. - Barraelough, Medieval Empire. 18 19 Fortsetzung des antiken römischen Imperiums angesehen, das nach den Prophezeiungen Daniels als das vierte und letzte der grossen Weltreiche galt, welchem die Herrschaft des Antichrist und das Weltgericht nachfolgen würden11. Der Kaiser versinnbildlichte die Einheit des christlichen Abendlandes. Er besass und beanspruchte keine Weltherrschaft im Sinne einer staatlichen oder überstaatlichen Machtstellung, sondern das Kaisertum bestand mehr in einer «geistigen auetoritas», die sich zwar allgemeiner Achtung erfreute, aber keinen Gehorsam erzwingen konnte und wollte.12. Die politische Macht des deutschen Königs beruhte auf dem Lehenstaat, der durch das Kaisertum eine besondere Weihe erhielt. Andererseits setzten die Kaiser des hohen Mittelalters die Macht ihres Lehenstaates für die wirklichen und für vermeintliche Belange des römisch-universalen Kaisertums und seiner christhch-kirchlichen Aufgaben ein, so dass keine scharfe Trennung beider Sphären möglich ist. Daher ist «das Kaisertum in seiner Idee keine rechtlich genau umgrenzte Herrschaft, sondern die höchste Ausdruckssteigerung der römisch-christlichen Universalitätsidee»13. Die deutschen Kaiser konnten die Funktionen der obersten weltlichen Autorität nur sehr bedingt ausüben, da sie in dauerndem Interessenkonflikt mit nationalen und einzelstaatlichen Aufgaben standen. Da der Kaiser zur Wahrung seines Ansehens einer gewissen Machtgrundlage bedurfte, stritten sich die Interessen des Reiches im engeren Sinne und später die seiner Hausmacht mit den Pflichten als Träger des weltlichen Schwertes der Christenheit. Auch büsste das Kaisertum durch die immer wieder ausbrechenden Konflikte mit dem Papsttum, als der obersten geistlichen Autorität, stark an Ansehen ein. Deshalb war die Wirklichkeit sehr weit vom Ideal entfernt, so dass man vergebens nach einem Zeitpunkt sucht, der als Blütezeit des mittelalterlichen Reiches im Sinne der Reichsidee bezeichnet werden könnte. Dennoch darf die Bedeutung dieses Gedankens nicht gering veranschlagt werden, weil in der engen Verbundenheit mit dem christlichen Glauben die grosse Wirksamkeit des Reichsgedankens lag. Heinrich Mitteis hat in seinen Untersuchungen zur mittelalterlichen Verfassungsgeschichte gezeigt, dass das Reich als «Lehenstaat»in der Zeit Friedrichs II. zu bestehen aufgehört habe, um den Frühformen des modernen Staates in Gestalt der Territorialstaaten Platz zu machen. Die Reichsidee, die sich für Mitteis der historischen Kritik entzieht, lebe zwar noch weiter14. Obwohl in der gleichen Zeit auch die Reichsideo an allgemeiner Bedeutung verlor, weil sich neue Staatsanschauungen zu entwickeln begannen, und obwohl die europäischen Nationalstaaten gegenüber dem 11 Vgl. Dempf, Folz. 12 S.Hollzmann, Der Welthcrreohaftsgedanke dos mittelalterlichen Kaisertums und die Souveränität der europäischen Staaten, HZ, 159 (1939), S. 252ff. - W.Holtzinarm, a.a.O., .. I S. 10: Das Kaisertum war die 6 vom Glauben postulierte oberste weltliche Gewalt auf Erden». 1 Dio Kaiser erfüllten diese Funktion «ohne die politischen Konsequenzen daraus zu ziehen». 13 H.Krause, Kaiserrecht und Bezeption, S.14, Abh.d. Heidelberger Akad.d.Wiss., phü.-hist.Kl., 1952. "Müteis, Staat, S.2, vgl. S.lff., 400f., C09f. realen Hegemonieanspruch Friedrichs II. ihre Selbständigkeit zu begründen suchten, ist es fraglich, ob mit dem Verfall des Lehenstaates .schon ein Verfall des Reiches begonnen hat. Wenn Mitteis Lehenstaat und Reich gleichsetzt, betrachtet er nur einen Teil dessen, was der mittelalterliche Mensch unter Reich verstand. So berechtigt es für den modernen Verfassungshistoriker sein mag, im Reich des hohen Mittelalters nur die Vorformen des modernen Staates zu untersuchen, so muss man sich jedoch darüber klar sein, dass die Staatlichkeit des Reiches nur einen Teil dessen umfasst, was das Wesen des Reiches ausmachte. Wenn man den Weltherrschaftsanspruoh des mittelalterlichen Kaisertums mit Robert Holtzmann als «geistige auetoritas» auffasst16, so überdauerte diese den Lehenstaat des hohen Mittelalters noch um eine beträchtliche Zeit. Es lässt sich sogar die Meinung vertreten, dass diese Art von Kaisertum ihrem Ideal nooh in der Zeit des Konstanzer Konzils nahe kam, als es der Autorität Kaiser Sigmunds gelang, ein allgemeines Konzil zur Beseitigung der Kirchenspaltung zu versammeln. Der Kaiser brauchte also nicht unbedingt eine reale Macht von dem Ausmass des hochmittelalterlichen Reiches hinter sich zu haben, um Aufgaben lösen zu körinen, die dem Kaiser von der Rcichsidee vorgeschrieben wurden. Deshalb sollte man von einem Verfall des Reiches seit dem Interregnum nur sprechen, wenn man hinzufügt, dass damit das Reich in erster Linie verfassungsrechtlich als Lehenstaat betrachtet wird, und die vom Reichsbegriff nicht zu trennenden überstaatlichen und geistigen Funktionen nur insofern berücksichtigt werden, als sie für den Lehenstaat von Bedeutung waren. Von der Betrachtung des modernen Staates ausgehend gehörte die Zukunft sicher don modernen Staaten, die sich innerhalb der Territorien entwickelten, nachdem die Versuche, im Reiche eine Staatswerdung einzuleiten, gescheitert waren. Dennoch bestand das Reich noch annähernd sechshundert Jahre, während derer es allerdings immer weniger staatliche Funktionen ausübte und praktisch alle Macht verlor. Eine so lange andauernde «Verfallszeit» sollte aber zur Vorsicht mahnen, dem Reiche Funktionen zu unterschieben, die dem Staate zukommen, dem Reiche und der mittelalterlichen Reichsidee aber fremd sind. Den Verfall des Reiches beklagten vor allem dio Historio-graphen des 19. Jahrhundorts, die mehr oder weniger von einem Reichsbegriff ausgingen, der im hochmittelalterlichen Reiche einen Vorläufer des gewünschten starken Nationalstaates sah. Sie urteilten bewusst oder unbewusst, stärker oder schwächer, von einem modernen staatlichen Denken her, das sich einen politischen Körper ohne eine gewisse festgelegte, hierarchische Ordnung und die Möglichkeit einer zwangsweisen Durchsetzung der einzigen Rechtsordnung nicht leicht vorstellen kann. Erst Erscheinungen der neuesten Zeit, wie das britische Empire, das durch keine, alle Teile gleichmässig umfassende, staatsrechtlich fassbare Bindung zusammengehalten wird, oder auch paneuropäische Bemühungen schärfen un- 15 B.Holtzmann, HZ, 159, S.251ff. 20 21 seren Blick, um das seltsame Wesen zu erfassen, das das heilige römische Reich im späteren Mittelalter und in der beginnenden Neuzeit darstellte. Gerade neuere landesgeschichtliche Untersuchungen haben die eigenständige Bedeutung der Stämme und Territorien auch im frühen und hohen Mittelalter erwiesen, so dass sich die Frage stellt, ob das Reich nicht auch in der Epoche des Lehenstaates mehr ein Überstaat war, der gegenüber den engeren Bezirken des Regnums nur eine intensivere Oberherrschaft ausübte als gegenüber den ausserdeutschen Gebieten18. Obwohl nicht bestritten werden kann, dass mit der Stauferzeit ein gewisser Verfall des Reiches einsetzte, so erhebt sich dennoch die Frage, ob wir es nicht vielmehr mit einem Wandel einer politischen Institution zu tun haben. Das Verfallsprodukt blieb nicht nur deshalb so lange noch bestehen, weil es Träger einer besonderen Idee war, sondern weil es als Träger dieser römischchristlichen Idee noch Aufgaben zu erfüllen hatte, die der werdende Staat noch nicht übernehmen konnte. An die Stelle des Lehenstaates trat langsam, durch viele Heine Veränderungen hervorgerufen, ein politischer Körper, der mit dem alten Namen, alten Traditionen und einer Anzahl alter Aufgaben einen neuen Inhalt verband. Der Wandel bestand im wesentlichen darin, dass das Reich zu seinem alten Zustand als Überstaat, so wie es vor der gesteigerten staufischen Reichsidee bestand, zurückfand. Die Veränderung lag weniger in einem «Verfall» des Reiches als darin, dass sich innerhalb der politischen Welt der moderne Staat entwickelte, ohne das Reich in diesen Prozess einzubeziehen. Daher verlor der Kaiser an Macht, und das Reich begann sich auf einen kleiner werdenden Raum einzuschränken17. Abgesehen von dem Wandel der Rcichsverfassung und der langsamen Auflösung des Lehensbandes verengte sich das Reich mit der Verselbständigung der europäischen Nationalstaaten, die durch die Auseinandersetzungen mit den Hegemonieansprüchen des Kaisers und des Papstes hervorgerufen und vom sich entwickelnden Staatsdenken unterstützt wurden, immer stärker auf den Raum des eigentlichen Reiches und den der deutschen Nation. Wenn das Reich auch seine universale Bedeutung verlor und der Geltungsbereich des Reichsgedankens kleiner wurde, so blieb doch der überstaatliche Charakter des Reiches erhalten; denn die hochmittelalterlichen Kaiser besassen gegenüber den italienischen Gebieten nicht mehr Einfluss, als sie in späteren Zeiten auf die deutschen Territorialfürsten ausüben konnten. Beim Studium der juristisch-historischen Literatur, die im ausgehenden Mittelalter und in der beginnenden Neuzeit das Reich ihrer Zeit behandelte, drängt sich die Erkenntnis auf, dass diese Autoren nur Teile dessen schildern, was das Reich wirklich war18. "Vgl. Heimpel, Deutsches Mittelalter, 8.55, 66ff. - Bader, Territorialbildung und Landeshoheit; id., Volk - Stamm - Territorium. - Th. Mayer, Fürsten und Staat; id., Analekten. - Vgl. auch Bosl in Gebhardts Handbuch, S. 626ff. « Vgl. Mitteis, Staat, S. 343. 18 Vgl. Heimpel, Dietrich von Nieheim, Deutsches Mittelalter, S. 127f. - B.Most, Lupoid von Bebenburg, Dt. Aren., IV. - B. Wolf, Idee und Wirklichkeit des Reiches im deutschen Ihre historische und juristische Bildung liess sie mehr über das Reich schreiben, wie sie es sich vorstellten, als über das Reich, wie es tatsächlich bestand19. Teils wollten sie reformerisch wirken, teils musste das Reich in eine juristische Theorie passen. Ausserdem orientierten sie sich vor allem an der Reichsideo des hohen und späten Mittelalters, ohne deren Voraussetzungen zu berücksichtigen20. Da sie selber schon überwiegend staatlich dachten, sahen sie im mittelalterlichen Kaisertum eine Machtfülle und eine Grösse, die diese nie, eher aber das römische Reich der Antike, besessen hatte. Daher sprachen sie hin und wieder von einem Verfall des Reiches. Je nach ihrer politischen Stellung und ihrer Kaiserfreundlichkeit finden sich Klagen über den Verfall der weltumspannenden Kaiserherrlichkeit. Abgesehen davon, dass mit Verfall oft nur das Reichsgut oder einzelne kaiserliche Rechte gemeint sind, scheinen solche Äusserungen meist der Art zu sein, wie man die Vergänglichkeit der guten alten Zeit bedauert, so dass man sie nur vorsichtig interpretieren sollte, zumal die Verbindung des Reichsgedankens mit eschatologischen Vorstellungen Verfallsäusserungen immer dann leicht hervorrief, wenn das Weitende erwartet wurde21. Noch Pufendorf stellte den Zustand des Reiches in seinem Werk «de statu im-perii» keinesfalls so abschätzig dar, wie seine vielzitierte Formulierung, das Reich sei einem «monstro simile», auszudrücken scheint. Da er das Reich in die aristotelischen Regierungsformen nicht einordnen konnte, nannte er die Regierungsform des Reiches monströs, einen Ausdruck, den schon Bartolus (1314-1357), welcher «jeden als Ketzer bezeichnete, der den Kaiser nicht als Herrn der Welt anerkenne», gebraucht hatte22. Pufendorj spricht zwar auch von den Krankheiten, von denen das Reich befallen sei, und gibt einige Reform vorschlage, die weniger dadurch in Erstaunen setzen, dass sie geäussert werden, als dadurch, dass nur sehr geringe Forderungen erhoben werden23. Von einem staatlichen Denken her sollte man eigentlich vermuten, dass nachdem WestfälischenFrieden ein so grosser Rechtsdenker wie Pufendorf oder ein Staatsrechtler von dem Format eines /. J. Moser oder auch ein Philosoph wie Leibniz das Reich als eine Fiktion gegeisselt hätten, da doch alle Souveränität bei den Fürsten lag, und weder der Kaiser noch das Reich staatliche Aufgaben erfüllen konnten. Im Grunde genommen waren alle Autoren, die sich mit dem Reiche befassten, recht zufrieden damit, einem so seltsamen politischen Körper anzugehören, und wünschten Reohtsdenken des 16. und 17. Jahrhunderts, Reich und Recht in der deutschen Philosophie, I, S.33ff. 12 Vgl. Koschaker, S.71ff. - Wolf, Grosse Rechtsdenker, S.60; id., Idee und Wirklichkeit, S. 62. 20 Das zeigen z.B. die wiederholten Drucke des Lupoid von Bebenburg zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Vgl. Most, Dt.Arch., IV, S. 444. - Wolf, Rechtsdenker, S. 29ff., 61. 21 Dass solche Gedanken im Denken und Handeln des ausgehenden Mittelalters und der beginnenden Neuzeit eine oft entscheidende Rolle spielten, ist allgemein bekannt. 22 Zitiert nach Most, Dt. Arch.JV, S.461. - Vgl. Wolf, Rechtsdenker, S.304f. 33 Vgl. Wolf, Rechtsdenker, S. 304. - Bader, Volk - Stamm - Territorium, HZ, 176, S. 476. 22 23 gar nicht, dass dem Reiche eine wesentlich festere Form gegeben werde, die ihm eine Entwicklung zu einem wirklichen Staate ermöglicht hätte24. Den am römischen Recht geschulten Juristen war das Wesen des Reiches schwer verständlich, weil sie das Reich zu einem Staate machen wollten, obwohl sie selbst wieder und wieder erkannten, dass die Staatlichkeit bei den Reichsgliedern lag25. Sowohl das römische Recht, wie die verschiedenen Regierungsformen innerhalb des Reiches, als auch die sehr grossen ständischen Unterschiede zwischen dem Kaiser, den grossen und kleineren Fürsten und den republikanischen Städten verwehrten ihnen, den weitgehend genossenschaftlich-staatenbundartigen Charakter zu erkennen, den das Reich teilweise schon immer besass, teilweise mehr und mehr angenommen hatte. Wenn auch die juristisch-staatsphilosophische Literatur nicht allein das Wesen des Reiches erhellen kann, so Meiert sie uns doch eine Reihe von Gesichtspunkten, die für die Erkenntnis des Reiches von besonderer Wichtigkeit sind. Seitdem die Schriften des Aristoteles wiederaufgefunden und studiert wurden, befasste man sich mit den verschiedenen Regierungsformen und entschied sich mit dem Vorbild für das «imperium mixtum», das monarchische, aristokratische und demokratische Elemente in sich vereinigte, als der besten Regierungsform20. Jede Nation bemühte sieh nachzuweisen, dass ihr Staat das «imperium mixtum» am besten verkörpere27. Daher mussten die Zeitgenossen die Reichsverfassung als eine Regierungsform begreifen, die dem aristotelischen Ideal sehr nahe kam. In den Darstellungen der Reichsreformbestrebungen des 15. Jahrhunderts durch die neuere Historiographie schwingt durchweg das Bedauern mit, dass damals keine wirkliche Zentralisation des Reiches erreicht wurde. Obgleich das Scheitern der Reiohsreform vom Gesichtspunkt des Nationalstaates her zu beklagen ist, so muss doch daraufhingewiesen werden, dass die Reichsreformbestrebungen keine zentralistische und keine, im Sinne des modernen Staates, staatliche Lösung anstrebten. Vielmehr tendierten die Wünsche aller Beteiligten, des Kaisers, der Fürsten und der Städte, dahin, den gewachsenen, sehr ungleichmässigen Zustand des Reiches durch 24 Vgl. Wolf, Idee und Wirklichkeit des Reiches. Diese sehr verdienstvolle Arbeit Wolfs genügt meines Erachtens nicht, um die zeitgenössischen Anschauungen über das Reioh zu klären. Fruchtbringend, wenn auch sehr mühsam, wäre es sicherlich, zur Ergänzung der Wolfschen Untersuchung den Reichsbegriff der Publizistik und der GeschiehtschrBibung herauszuarbeiten. a« Vgl. GierJx, III, S. 691f. 28 Vgl. ü. W. und A.J.Carlyle, History of mediaeval political theorie in the west, VI, S.523f., sowio fortlaufend in diesem Bande. - Vgl. auch W.Berges, Die Fürstenspiegol des hohen und spätenMittelalters,besondersS.21und öfter.-Dempf, S.427.-Gierfre,III,S.677f. - Nur einige Vertreter dieser Anschauung seien genannt: Thomas von Aquin, Gerson, Machiaveüi, Calvin, Althusius, Theodor Zwinger; Bodin erklärte erstmals, dass eine gemischte Hegierungsform nicht möglich sei, da die Souveränitäfnicht geteilt werden könne. Er unterscheidet deshalb zwischen Staatsform (status reipublicae) und Regierungsform (forma gubernandi). !' So auch Josias Simler für die Eidgenossenschaft: «Sic Helvetiorum respubhea ex Optimatu et populi imperio mixta est.» De republico Helvetiorum, fol. 121 v, 1576; deutsche Ausgabe ed. Leu, 1735, S. 387. - Vgl. Carlyle, z.B. S.161f. (Gerson), vgl. V. eine Art von Verfassung rechtlich zu regeln. Kein Teil wollte die eigenen • Rechte zwecks einer Stärkung des gesamten Reiches opfern, sondern jedes Reichsglied trachtete danach, durch die Reform des Reiches die eigenen Rechte und die eigene Unabhängigkeit zu sichern und wenn möglieh zu stärken. Weil der Zustand des Reiches weder die Freiheit der einzelnen Reichsglieder gewährleistete, noch irgendwelche gemeinsame Aktionen ermöglichte, die sowohl zur Erhaltung der eigenen Autonomie - allgemein gültig formuliert: zur Wahrung des Landfriedens im Reiche - als auch zur Abwehr äusserer Angriffe notwendig erschienen, bemühte man sich um eine Reorganisation des Reiches. Wenn man sich dazu bereit fand, eine allgemeine Reichssteuer zu zahlen, um ein Reichsheer zu unterhalten, so war das kein Novum, sondern sollte eine gleichmässigere Belastung der Reichsteile und eine Kontrolle der Gelder bewirken. Der bisherige, willkürliche Zustand der Reichsfinanzen sollte durch eine rechtliche Regelung ersetzt werden. Gleichermassen sollte durch das Reichskammergericht die kaiserliche Gerichtsbarkeit nur in neue, geregeltere und unabhängigere Rechtsformen gegossen werden. Nur indirekt schuf das Reichskammergericht neues Recht, indem es die Rezeption des römischen Rechtes begünstigte und rechtsvereinheitlichend wirkte. Prinzipiell galten auch vor ihm die älteren Privilegien. Neben der Kreiseinteilung, die man als regionale Einungen ähnlich den Landfriedensbünden bezeichnen könnte, war das eigentlich Neue an der Reiohsreform das Reichsregiment, das die kaiserliche Macht beschränken und für schnellere und gerechtere Erledigung von Reichsaufgaben sorgen sollte. Aber das Scheitern des Rcichsregiments zeigt, dass es den Reichsgliedern nicht auf eine Verstaatung des Reiches ankam, sondern dass sie nur den bisherigen Zustand ihrer alten Rechte gesichert wissen wollten. Deshalb sahen die Zeitgenossen und noch lange Zeit ihre Nachfahren in der Reichsreform einen grossen Erfolg, obwohl sie nach langwierigen Verhandlungen nur teilweise durchgesetzt werden konnte28. Um dem Wesen des spätmittelalterlichen und neuzeitlichen Reiches näher zu kommen, muss man sich immer wieder fragen, was diesen seltsamen politischen Körper noch zusammenhielt. Nachdem die Reichsglieder mehr und mehr selbständige Staaten geworden waren, und der Kaiser ausser seiner Hausmacht keinerlei Macht mehr besass, stand den ■ mächtigeren Landesfürsten scheinbar nichts mehr im Wege, den Reichsverband zu verlassen. Vom machtstaatlichen Denken her betrachtet, scheint die Zugehörigkeit zum Reiche für die mittleren und grösseren Landesfürsten keine besonderen Vorteile geboten zu haben. Abgesehen von den selten gezahlten Reichssteuern, zwang die Teilnahme an Reichs- \ tagen, Kreistagen, Huldigungsgesandtschaften usw. zu finanziellen Auf- \ Wendungen, die höchstens das Prestige wahrten, aber keinen politischen Ge- ! winn einbrachten. Dennoch vollzog ausser der Eidgenossenschaft und den ; 28 Vgl. zur Reichsreform Bader, Kaiserliche und ständische Reformgedanken in der Reiohsreform des endenden IC. Jahrhunderts, Hist. Jb., LXXIII (1954), S.74ff. 24 25 Niederlanden kein deutscher Landesfürst, Brandenburg-Preussen durch die Königskrönung 1701 bestenfalls indirekt, einen Schritt, der dahingehend interpretiert werden könnte, dass sein Land nicht mehr zum Reiche gehöre29. Mag es auch seheinen, dass eine Erklärung des Landesfürsten, er sei souverän, genügt hätte, um sich von dem Reiohe zu lösen, so zeigt doch das Beispiel Mecklenburgs, dass ein solcher Versuch an den Landständen oder den Untertanen scheiterte. Als Herzog Karl Leopold von Mecklenburg-Schwerin die Rechte seiner Landstände aufheben wollte, riefen diese den Kaiser um Schutz an, weil der Herzog gegenüber den Ständen erklärt hatte, seine Gewalt sei unbeschränkt. Der Kaiser betrachtete dies als Verletzung der ihm gebührenden Achtung, verhängte eine Reichsexekution und setzte nach längerem Rechtshandel den Herzog ab (1728). Diese Ereignisse können nicht als ein Beweis für die kaiserliche Macht dienen, da sie mit dem Ausgang des nordischen Krieges eng verbunden waren. Sie lassen jedoch erkennen, dass es nicht allein vom Willen der Kirsten abhing, ob sie den Kaiser noch als ihren Oberherren anerkennen wollten. Die Reichsstandschaft blieb ein erstrebenswertes Ziel der kleinen Grafen und Freiherren, mochte auch der Reichstag immer seltener zu einem Beschluss gelangen, der einige politische Bedeutung besass. Die Teilnahme am Reichstage brachte zwar keine realen Vorteile, aber er blieb doch ein wichtiger Kristallisationspunkt innerdeutscher Politik. Selbst als das Reich auf dorn Reichstag keine eigentlich staatliehen Funktionen mehr erfüllte, sorgte er noch dafür, dass zwischen den schärfsten politischen Gegnern das politisch-diplomatische Gespräch nicht abriss, eine zwischenstaatliche Aufgabe, deren Bedeutung gewiss nicht klein ist. Sogar in der Zeit, als kaum mehr ein Beschluss zustande kam, spielte der Reichstag doch als Zentrum politischer Meinungsbildung eine Rolle. Selbst die gesetzgeberische Tätigkeit des Reichstages war in den letzten Jahrhunderten des Reiches nicht ganz bedeutungslos, obwohl es im Beheben eines jeden Reichsgliedes stand, die gefassten Beschlüsse in seinem Staate einzuführen. So wenig wesentlich diese Funktionen des Reichstages gewesen sein mögen, so trugen sie doch dazu bei, eine völlige Auflösung desReiches zu verhindern. Neben dem Reichstag und neben der Reichs- und Rechtstradition muss der Stellung des Kaisers besondere Bedeutung zur Erhaltung des Reiches zugemessen werden. Mochte seine politische Macht, die er als Kaiser über die Glieder des Reiches ausüben konnte, noch so gering sein, und war die Wortbedeutung Reich beinahe gleichbedeutend mit der «Libertät der deutschen Fürsten» geworden, so fiel dennoch auf die Glieder des Reiches ein wenig von dem Glanz, den die Kaiserkrone nooh immer ausstrahlte. Wenn ihr Anblick auch keinen Ablass der Sünden mehr mit sich brachte, so blieb sie doch die angesehenste Krone des Abendlandes. Welcher Aoh- 39 Da Friedrich I. dazu die Zustimmung des Kaisers einholte, darf man dio Königskrönung von 1701 kaum in einem solchen Sinne auffassen, wenigstens nicht für die Person des ersten Preussenkönigs. Auch Sachsen und Hannover blieben zumindest formell im Reiohsverband, als diese Fürstenhäuser die polnische bzw. die cnglisohe Krone erworben hatten. tung sich die Kaiserkrone immer noch erfreute, spiegelt sich nicht zuletzt in den Bestrebungen der französischen Könige, diese Krone für ihr Haus zu erwerben. Von Philipp August bis zu Ludwig XIV. trachteten französische Könige und französische Publizisten, die dem Kaisertum zuerst jede Oberhoheit über ihren Staat abstritten, immer wieder nach der Kaiserwürde, obwohl ihr keine reale Macht, sondern nur ein höherer Nimbus anhaftete30. Konnte sich der Kaiser in der Spätzeit des Reiches mit der Macht seiner Vorgänger im hohen Mittelalter nicht messen, so war doch manches von der kaiserlichen Würde noch bestehen gehheben. Von der mittelalterlichen Reichsidee besass vor allem der Gedanke, Kaiser und Reich seien die Verteidiger der Christenheit, noch lange besonderes Gewicht. Im hohen Mittelalter hatte man den Schutz der Kirche als die vornehmste Aufgabe des Kaisers angesehen. Nachdem die Reformation die Einheit der Kirche völlig zerstört hatte - Ansätze dazu lagen schon in gewissen national kirchlichen Bestrebungen des Mittelalters -, wandelte sich diese kaiserliche Pflicht des «defensor ecclesiae» in die des Verteidigers der Christenheit. Die Türkengefahr Hess diese Aufgabe nicht aus dem allgemeinen Bewusstsein der Zeit verschwinden. Da es nahelag, den Türken .als Antichrist zu bezeichnen, sorgte die Bedrohung aus dem Osten dafür, dass der mittelalterliche Reichsgedanke mit seinen eschatologischen Komponenten aktuelle Bedeutung behielt. Deshalb wurde der Türkenkrieg als eine überkonfessionelle Angelegenheit aller christlichen Staaten betrachtet. Doch blieb er, wie es dem Reichsgedanken entsprach, in erster Linie eine Aufgabe des Kaisers. Trotzdem suchten sich die Reichsglieder einer Unterstützung des Kaisers im Ttirkenkriege, so weit es nur eben ging, zu entziehen, da sie nicht ohne Grund befürchteten, eine wirkliche Hilfeleistung werde die Stellung des Kaisers stärken und zu einer Hegemonie des Hauses Habsburg führen. Dennooh wagte es kein Reichsglied, dem Kaiser offen die Unterstützung im Türkenkriege zu versagen, da es sich niemand leisten konnte, den Gedanken abzulehnen, Kaiser und Reich seien zur Verteidigung der Christenheit verpflichtet. Die Türkengefahr war eines der wenigen politischen Probleme, dio den Gegensatz der Konfessionen im 16. und 17. Jahrhundert zu überbrücken vermochten. Die Türken bedrohten die gesamte Christenheit und wurden als das Erscheinen des Antichristen aufgefasst. Sie waren deshalb erheblich daran beteiligt,?wenn ein Auseinanderfallen des Reiches verhindert wurde31. a" Vgl. G.ZelUr, Les rois de France, candidats a l'Empire, essai Sur l'ideologie imperiale en France, .Rev.hist., 173 (1934), S.274. - 0 .J. Burcklmrdl, Vier historische Betrachtungen, S. 50ff: Ludwig XIV. und die Kaiserkrone, 1953. 31 Die Bedeutung dor Türkongefahr spiegelt sich besonders in den Flugschriften, aber auch in den Briefwechseln der Humanisten. Erst mit dem Devolutionskrieg 1667 begann die Flugschriftenliteratur die Franzosen mit den Türken gleichzusetzen und sah durch die Hegemoniebestrebungen Frankreichs die europäische Freiheit stärker bedroht als durch die Türken. Vgl. z.B. Briefwechsel Melanchtons, Corpus Keformatorum, I-IX. - R.Meyer, Die Flugschriften der Epoche Ludwigs XIV, Basler Beitr.z.Gesch.wiss., L (Diss. Basel) 1955, S.66ff., 201, 203. Noch 1684 leistete die Eidgenossenschaft durch Pulverlieferungen einen Beitrag zum Türkenkrieg; vgl. EA, VI, 1, S. 111, 322, 380, 392ff., 396, 451. 26 27 Neben diesen politischen Paktoren und der ideellen Reichstradition war der Gedanke, einzelstaatliche Herrschaft werde durch Kaiser und Reich legitimiert, von sehr unterschiedlicher, aber doch grosser Wichtigkeit, um das Reich in seiner Spätzeit zu erhalten. Da die Legitimation der Herrschaft durch Kaiser und Reich am Beispiel der Eidgenossenschaft näher behandelt wird, übergehen wir diese Frage, zumal sie für die deutschen Reichsstädte und Landesfürsten noch zu untersuchen ist32. Zusammenfassend können wir sagen, dass die Reiehsverfassung im Laufe der Zeit starken Veränderungen unterlag, obwohl neuere Forschungen gezeigt haben, dass diese lange nicht so gross waren, wie man angenommen hat. Das Reich des hohen Mittelalters muss als Lehenstaat betrachtet werden, in dem der König in erster Linie das Reich vertrat, wenn auch der hohe Reichsadel eine «Teilhabe am Reiche» besass33. Wie man das Imperium als eine kaiserliohe Oberherrschaft über mehrere Regna bezeichnen kann, so war das Reich auch eine Herrschaft des Königs über mehrere Stämme. Es gliederte sich durch die Lehenshierarchie von der Spitze aus nach unten, ohne dass diese Gliederung einen absoluten Vorrang beanspruchte. Da dem «Reichsvolk» in den Anschauungen der Zeit wesentliche Bedeutung zukam, und die Autonomie sowohl der Stämme als auch kleinerer Verbände gewahrt blieb, war der Lehenstaat auch von unten her aufgebaut34. Als sich die enge Verbindung zwischen dem König und dem hohen Adel lockerte und die Fürsten immer grössere Selbständigkeit in ihren Gebieten errangen, beanspruchten sie auch immer mehr Anteil am Reich. Besassen zuerst nur wenige hochadelige Familien eine «Teilhabe am Reich», so dehnte sich mit dem Vordringen des ständischen Gedankens der Kreis der Fürsten, die sich als Repräsentanten des Reiches betrachteten, weiter aus. Wohnten schon dem Reiche des frühen und hohen Mittelalters genossenschaftliche Elemente inne, so verstärkten sich diese besonders seit dem Interregnum, nachdem der Versuch der Staufer gescheitert war, den Prozess der Staatswerdung auch im Reiche einzuleiten. Je selbständiger die Reichsglieder wurden, desto grösseren Anteil am Reiche beanspruchten sie85. Diese Entwicklung spiegelt sich sehr anschaulich in der Formel «Kaiser und Reich»36. Da es die mittelalterliche Urkundensprache hebte, eine Aus- 32 Vgl. F.Ercale, Dal Comune al Prineipato, saggi sulla storia del diritto pubblioo del rinaseimento italiano, 1929. 33 Th. Mayer, Fürsten und Staat, S. 219ff. - Mittels, Besprechung von Brunner, Land und Herrschaft, HZ, 183 (1941), S.280. 31 Vgl. Th.Mayer, a.a.O., S.236. 35 Vgl. Gierke, I, S. 509:«In der That sehen wir seit dem offenkundigen Verfall der Lehensverfassung allmälig die alte Anschauung des Reiches als eines grossen Herrschaftsverbandes... durch eine andere Idee ersetzen, nach welcher der Kaiser nur der erwählte Hauptmann einer gewillkürten, auf der ISinung der Stände beruhenden Friedens- und Rechtsgenossenschaft ist.o 88 Vgl. R.Smend, Zur Geschichte der Formel «Kaiser und Reich» in den letzten Jahrhunderten des alten Reiches, Festschrift K.Zeumer, S. 43Sf., 1910. - Vgl. dazu jedoch H.Härtung, Hist.Vjschr., 1913, S.52. sage auf doppelte Weise zu klären, bestand anfänglich zwischen beiden Begriffen kaum ein Unterschied. Mit dem Ausspruch Konrads II. gegenüber den Bürgern Pavias: «Si rex periit, regnum remansit», lässt sich die Lösung des Reichsbegriffes von der Person des Königs fixieren37. Obgleich dieser Ausspruch das Reich nur zu einer von der Person des Königs getrennten «juristischen Person»erhebt, erhielten allein schon durch das Wahlprinzip die Grossen des Reiches steigenden Einfluss auf das Reich. Verfassungsrechtlich fand ihre wachsende Bedeutung einen Niederschlag in der Bildung des Kurkollegs und in den Willebriefen, durch welche die Kurfürsten seit Rudolf von Habsburg ihre Zustimmung zu Verleihungen von bedeutenderen Reichslehen und Reichsrechten erteilen mussten. Konnten die Kurfürsten anfangs nur zusammen mit dem König das Reich repräsentieren, so bildete sich bald die Anschauung heraus, dass sie auch ohne ihn im Namen des Reiches sprechen konnten. Die Rhenser Beschlüsse von 1338 hatten deshalb eine so durchschlagende Wirkung, weil die Kurfürsten als legitime Vertreter des Reiches anerkannt waren. Durch die Goldene Bulle wurde diese Anschauung gesetzlieh festgelegt und teilweise noch verstärkt. Daher gelten auch im Sprachgebrauch die Kurfürsten in ihrer Gesamtheit als Repräsentanten des Reiches. Doch sollten die Kurfürsten das Reich nicht lange allein verkörpern, wenn sie auch ihre hervorragende Stellung, im Namen des Reiches auftreten zu können, nicht einbüssten. Als sich nach dem Interregnum die Hoftage in eigentliche Reichstage verwandelten, errangen nicht nur die Fürsten, sondern auch die Reichsstädte mit der Zeit ein Teilnahmerecht. Damit veränderte sich auch langsam der Reichsbegriff, so dass schliesslich alle auf den Reichstagen vertretenen Reichsstände das Reich bildeten. Obwohl immer weitere Kreise am Reiche Teil hatten, löste sich der Reichsbegriff noch nicht von der Person des Königs, sondern beide bildeten zusammen erst das Ganze. Eine Reihe politischer Ereignisse, angefangen von Absetzungsplänen mittelalterlicher Kaiser, über die Absetzung Wenzels bis zur befürchteten Unterdrückung der protestantischen Konfession durch den Kaiser und der Gefahr einer europäischen Hegemonie des Hauses Habsburg, veranlassten, dass sich der Reichsbegriff in steigendem Masse von der Person des Kaisers löste. So verstand man unter Reich oft nicht viel anderes als die in Opposition zum Kaiser stehenden Reichsstände, und schliesslich bedeuteten Reich und die «Lihertät der deutschen Stände» das gleiche, wenn auch die Gesamtheit des Reiches erst in der Einheit von Kaiser und Reich lag38. Diese Teilung gab den Juristen Anlass zu manchem Disput, wenn sie die Regierungsform des Reiches festlegen wollten. Manche vertraten die Meinung, das Reich sei trotz aller ständischen Aufgliederung eine Monarchie, 3' Wipo, Gesta Chuonradi imperatoris, Scr.rer.Germ., S.30. - Vgl. Th.Mayer, Fürsten und Staat, S. 220. 33 Schon Bertold von Heimeberg konnte Maximilian vorwerfen, er habe Österreich dem Reich entfremdet. 28 29 während die meisten es eher als eine Aristokratie mit dem Kaiser als «pri-mus inter pares » ansehen wollten. Daneben fand die Auffassung, dass in der gemischten Regierungsform des Reiches das Reichsvolk durch den Reichstag als demokratischem Element vertreten werde, während die Kurfürsten die Reichsaristokratie darstellten und der Kaiser die Monarchie repräsentiere, zahlreiche Anhänger39. Unter allen Betrachtungen des heiligen römischen Reiches in seiner Spätzeit ist für unser Thema vielleicht die Bodins am interessantesten. Er widerspricht der Ansicht, dass das Reich eine Monarchie sei. Für ihn ist das Reich eine Aristokratie und der Reichstag der eigentliche Träger der Souveränität40. Doch war Bodin, wie er selbst berichtet, nicht immer dieser Meinung, sondern glaubte, «que les Princes et villes Imperiales ont leur estat souverain a part, et que les estats (generaux) de l'Empire sont comme ceux des ligues Suisses»41. Wenn auch Bodin diese Meinung sehr bald geändert hat, so haben sie, wie aus seinem Text ersichtlich, noch andere vertreten. Bodin gab diese Ansicht auf, da die eidgenössischen Orte die Träger der Souveränität waren, während er dem Reichstag die Souveränität zusprach, weil dieser die Reichsglieder in Acht und Bann erklären konnte42. Dennoch ist ein Vergleich beider Körperschaften lohnend. Das Reich wie die Eidgenossenschaft setzten sich aus Gliedern zusammen, die vom staatlichen Gesichtspunkt aus völlig unabhängig waren und nur durch wenige, allgemein gültige Rechtsnormen miteinander verbunden wurden. Fanden die Reichsglieder ihre Vertretung im Reichstag, der die Einheit des Reiches symbolisierte, so wurde in der Tagsatzung die Einheit der Eidgenossenschaft ausgedrückt. Hier wie dort verhandelten bevollmächtigte Vertreter, die über ihre begrenzte Vollmacht hinaus handlungsunfähig waren. Weder die Tagsatzung noch der Reichstag konnte seine Glieder zwingen, gefasste Beschlüsse anzunehmen oder durchzuführen. Darin, dass sich der Reichstag in drei Stände gliederte, deren Stimmen nicht ganz ebenbürtig waren, und darin, dass die Stände nach Stimmenmehr entschieden, scheint ein wichtiger Unterschied zu liegen. Aber auch in der Eidgenossenschaft 38 Vgl. Wolf, Idee und Wirklichkeit, fortlaufend. - F.Härtung, Verfassungsgesohiehto, S. 96. - Qierke, III, S. 568ff. 40 «Disons aussi de l'eatat d'AUemagne, queplusieurs croyent, et mesmes des plus seavans d'Allemagne ont publie par escrit, que e'estoit une Monarchie. J'en ay touch6 ci dessus quelquo mot, mais il faut icy monstrer que c'est un estat Aristocratique.fl J. Bodin, Six livres de la republique, 1094 (Cartier), S. 320. 41 «Putabam ego quidem antea Prinoipes ac civitates Imperiales habere iura maiestatia, nec alienis Imperiis et legibus, sed iure .tantum foederis ac societatis inter ae obligari; quemadmodum Helvetii inter ipsos singulas habent civitatos, ao imperia a so invieem divisa: sed ab hao sententia discessi...» Lateinische Ausgabe Lyon 1586, S. 223; Frankfurt 1594, S.359; 1601, S.349; französische Ausgabe S. 322. - Vgl. J .Mormu-Reibd, Jean Bodin et le droit public compare, 1933. 12 Französische Ausgabe, S. 322: «Mais la difference est bien grande: car chacun Canton est souverain, et ne souffre loy, nl eommendement des autres, et n'ont autre Obligation entr'eux que d'ailiance offensive et defensive, oomme nous avons dit en son licu: mais l'Empire d'Allemagne est uni par les estats g6neraux, qui mettent les villes et les Princes au ban Imperial, et dospoullent les EmperBurs de leur estat par puissance aouveraine.» Dennoch betrachtet Bodin die Eidgenossenschaft als Aristokratie. bestanden Unterschiede zwischen den Orten, den Zugewandten und den genieinen Vogteien, von denen zwar nur die Orte ein Recht auf Vertretung in der Tagsatzung besassen, aber auch Zugewandte in Fragen, die sie betrafen, hinzugezogen wurden. Auch scheint die Geschäftsführung beider Institutionen sehr ähnlich gewesen zu sein, wie viele Titel und Ausdrücke zeigen43. Dem Gegensatz der Fürsten und Städte im Reiche könnte man den der Städte und Länder in der Eidgenossenschaft gegenüberstellen. Auf beiden Seiten war die Konfessionsfrage lange Zeit das heikelste Problem. Das Reich wie die Eidgenossenschaft wurden nicht durch eine Macht zusammengehalten . Dieser Hinweis auf die Ähnlichkeit der verfassungsrechtlichen Struktur beider Institutionen möge genügen, um zu zeigen, dass zwischen dem Reiche und der Eidgenossenschaft noch nicht die krassen Gegensätze von radikaler Demokratie und deutschem Nationalstaat Bismareksoher Prägung bestanden. Diesem Gegensatz widersprechen vor allem die ständischen Unterschiede, die die alte Eidgenossenschaft ebenso kannte wie das heilige römische Reich. Diese Unterschiede waren zwar in der Eidgenossenschaft nicht so scharf und trennend wie im Reich, was sich damit erklären lässt, dass die Eidgenossen nur ausnahmsweise jungem Beamtenadel angehörten. Ein Vergleich der inneren Struktur der Eidgenossenschaft mit der des Reiches, der hier nur angedeutet werden konnte, vermag wie nichts anderes den genossenschaftlichen Charakter des Reiches im «Herbst des Mittelalters» und in der beginnenden Neuzeit zu demonstrieren. //. Kaiser und Reich als Legitimationsmittel staatlicher Machtausübung Nachdem von verschiedenen Gesichtspunkten aus versucht wurde, das Wesen des Reiches zu erhellen, soll nun noch eine der wesentlichsten Funktionen, die Kaiser und Reich noch lange Zeit ausübten, gesondertbetrachtet werden, wobei es wiederum leider nicht möglich ist, dem Problem in der notwendigen Breite nachzugehen. Erst die allerneueste Zeit sieht den Staat als eine Gegebenheit an, die sich weder durch das Recht noch duroh eine andere Norm letztlich begründen lässt. So begnügt sich die heutige Staatsrechtslehre mit der Feststellung, dass der Staat und damit die Rechtsordnung durch einen Akt der Macht und nicht des Rechtes geschaffen wurde. Damit bricht das Denken über den Staat die letzte Brücke ab, die den Staat und die staatliche Rechtsordnung mit einer nicht allein juristisch erfassbaren Ordnung menschlichen Seins verband. Dem Staat fohlt also jegliche Begründung seiner Maehtausübungsbefugnis ausserhalb seiner selbst. Mag der moderne Mensch auch ohne eine solche Begründung auskommen, so konnten es jene 43 Beide kennen z.B. Abschiede, eine ähnliohe Sitzordnung, Reichsstand - Stand der Eidgenossenschaft usw. 30 31 Zeiten nicht, die noch ein geschlossenes Weltbild besassen, in das sich auch die staatliche Macht einordnen musste. Die letzte Legitimation staatlicher Machtausübung in einer Norm, die ausserhalb der rein rechtlich erfassbaren Sphäre lag, bestand in dem Gedanken der Volkssouveränität, der durch die neuen Anschauungen seine eigentliche Bedeutung verliert44. Begründete die Idee von der Volkssouveränität in ihrer modernen Gestalt die staatliche Rechtsordnung innerweltlich mit dem Willen des Volkes, so weist eine der Wurzeln dieses Gedankens, nämlich die Anschauung, dass der Wille des Volkes den Willen Gottes spiegelte, auf die Verankerung staatlicher Macht im göttlichen Rechte hin. Bevor sich der Gedanke der Volkssouveränität durchgesetzt hatte, gab es keine andere Legitimation des Staates und des Rechtes als im Willen Gottes, wenn auch verschiedene Wege beschritten wurden,um vom Staate zu Gott zu gelangen. Obwohl die Lehre von der Souveränität des Pürsten den Gedanken der Volkssouveränität vorbereitet hatte, so wird doch erstero durch die enge Verbindung mit dem absolutistischen Gottesgnadentum gekennzeichnet. Die Souveränitätsidee entwickelte sich gerade dort, wo die Verbindung weltlicher Herrschaft mit dem göttlichen Rechte durch ein ausgeprägtes Gottesgnadentum selbstverständlich erschien46. Neben dem Gottesgnadentum finden sich im Laufe der Geschichte die verschiedensten Abwandlungen der Begründung weltlicher Macht in der religiösen Sphäre. Von der antiken Göttlichkeit des Herrschers über das Priesterkönigtum bis zur Volkswahl als Gotteswahl standen viele Variationen zur Verfügung. Dabei war es nicht notwendig, dass sich die Legitimation der Macht auf eine Herleitungsart beschränkte, sondern verschiedene Begründungen konnten nebeneinander benutzt werden. Besonders der mittelalterliche Mensch brauchte eine Verankerung weltlicher Macht in seinem Glauben, wie auch der christliche Staat der europäischen Frühzeit eine geistliche Stütze nicht entbehren konnte. Alle Gewalt musste sich auf Gott berufen können, was nur möglich war, wenn sie sich durch den Nachweis ihrer Rechtmässigkeit legitimieren konnte. Eine Herrschaft, die sich nur auf die Macht stützte, war für den mittelalterlichen Menschen nicht denkbar, denn die «gleichmässige Herrschaft des Rechtsgedankens gehört zu den Grundlagen aller mittelalterlichen Staatsanschauungen»46. Wer es versuchte, über die herrschenden Rechtsanschauungen hinaus sich allein auf die Macht zu stützen, galt wie Friedrich II. als Antichrist und als Tyrann. Da das Recht in seinen vielfältigen Formen, die das Mittelalter kannte, 44 Vgl. z.B. H.Kdsm, Der Wandel des Souvoränitätsbegriffes, Studi fllosofloo-giuridioi dedicati a Giorgio Dal Vecehio, II, S. 1 ff. " In Frankreich wurde «die Herleitung des Absolutismus aus göttlichem Becht sogar 1682 ein Staatsgesetz». M.GShring, Weg und Sieg der modernen Staatsidee in Frankreich, 1946, S. 113; vgl. S.104 (1614). 49 R.Holtzmann, Der Weltherrsehaftsgedanke des mittelalterlichen Kaisertums und die Souveränität der europäischen Staaten, HZ, 159 (1939), S.259. - Vgl. Augustin, Do Civitate Dei, IV, 4, «Remota iustitia quid sunt regna nisi magna latrocinia». - Vgl. Carlyle. einen absoluten Vorrang vor der Macht besass, hatte die Legitimation der Herrschaft, ja jedes einzelnen Rechtes eine wesentlich grössere Bedeutung als in der Neuzeit, in der die Legitimation staatlicher Gewaltanwendung mehr und mehr zum propagandistischen Schilde verblasste, hinter dem sieh die reine Machtpolitik zu verbergen suchte. Im Gegensatz zur Neuzeit tragen die Machtkämpfe des Mittelalters den Charakter von Kollisionen verschiedener Rechte. Daher ist der mittelalterliche Herrscher in erster Linie der «rex iustus», der als gerechter Richter Rechtsstreitigkeiten schlichtet und selber dem Rechte unterworfen ist. Aus der absoluten Herrschaft des Rechtsgedankens entspringt auch die Wichtigkeit, die das Gewohnheitsrecht und damit verbunden das Widerstandsrecht im Mittelalter besassen. Da jede Herrschaft nicht Macht-, sondern Rechtsausübung war, die sich auf das göttliche Recht zurückführen lassen musste, galt jede Rechtsverletzung als Sünde gegenüber Gott, die sowohl von geistlichen wie von weltlichen Gerichten oder sogar durch die Fehde geahndet werden konnte. Deshalb sah man Aufruhr als eine Todsünde an, die nur gegenüber dem Tyrannen erlaubt war; denn dieser verletzte selber die Rechtsordnung und seine Gewalt konnte sich daher nicht «auf Gott als ihren Stifter berufen»47. Das Spätmittelalter betrachtete als Tyrannei vor allem die unrechtmässig erworbene Herrschaft, während es eine an sich legitime Gewalt, die gegen das Recht verstiess, noch eher billigen wollte. Jede Usurpation von Rechten, worunter nicht nur weltliche oder kaiserliche Rechte, sondern auch Simonie gezählt wurden, verhinderten eine rechtsgültige Herrschaft. Bartolus will auf die «Tyrannis ex defectu tituli» die «lex Iulia majestatis» angewendet sehen, und Thomas von Aquin ist der Meinung, dass Gott «violentia» und «simonia» als Grundlagen der Herrschaft nicht anerkennt48. Die Überordnung des Rechtes über die Macht und über den Staat im Mittelalter verlangte eine Legitimation jeder Herrschaft. Wenn auch schon im Spätmittelalter Gedanken geäussert wurden, die der Staatsräson zuzu-gehören scheinen, und wenn seit Machiavelli die Herrschaft des Rechtes über den Staat gebrochen zu sein scheint, so bedeutet das noch nicht, dass der Staat auf eine Begründung seiner Macht in der Rechtssphäre verzichtete. Neben dem machtstaatlichen Denken, das die abendländische Geschichte der neueren Zeiten scheinbar beherrscht, lässt sich der Gedanke, dass dem Staate gegenüber Innen wie Aussen durch das Recht Fesseln angelegt werden müssten, verfolgen49. Obwohl der Reohtsgedanke der Macht " F.Schönstedt, Studien zum Tyrannenbegriff und zum Problem des Tyrannenmordes im Spätmittolaltcr, phil.Diss. Leipzig 1936, S.37 (Druck 1938). 18 a.a.O., vgl. fortlaufend. - D.Schilling, Luzerner Chronik, S. 67. - Wolf, Idee und Wirk, lichkeit, S.77 (Zwingli). 48 F.MeinecM, Die Idee der Staatsräson in der neueren Geschichte, S. 36: «Eine Erbsohaft von ungeheurer Wirkung hat trotzdem das christliche und germanische Mittelalter dem modernen Abendlande hinterlassen, nämlich das schärfere und schmerzhaftere Gefühl für die Konflikte der Staatsräson mit der Sittlichkeit und dem Reohte, das immer sich regende Gefühl, dass rücksichtslose Staatsräson eigentlich Sünde sei, Sünde wider Gott und die göttlichen Normen, Sünde ferner auch wider die Heiligkeit und die Unantastbarkeit guten alten Rechtes.» (F. Meineche, Werke, I, S. 33.) 32 33 immer wieder unterlag, darf seine Bedeutung auch im zwischenstaatlichen Leben nicht zu gering veranschlagt werden. Zu allen Zeiten lag in der öffentlichen Meinung eine Quelle staatlicher Macht, weshalb jeder Staat darauf i bedacht war, sein Prestige zu wahren und seine Machtausübung durch sitt- J liehe und rechtliche Normen zu legitimieren. Neben dem Gottesgnadentum war die Zweischwertertheorie in all ihren i Abwandlungen für das Abendland die bedeutungsvollste Legitimation der ' Herrschaft. Zusammen mit dem Lehenrecht führte die Lehre von den zwei Schwertern jede Rechtsfunktion und jede Machtausübung, die von der Spitze der Lehenshierarchie gebilligt worden war, auf Christus als Herren der Welt zurück. So bestand die tiefere Bedeutung aller Privilegien, besonders aber ihrer Bestätigungen darin, dass der Privilegierende die untergeordnete Rechtsordnung anerkannte und in der höheren Stufe sanktionierte. Mit der Huldigung und der Privilegienbestätigung erklärten beide Teile, der Huldigende wie der Privilegierende, die Rechte des anderen Teiles für gültig. Daher besassen die feierlichen Lehensverleihungen des Kaisers wie die Bestätigung von Privilegien, Freiheiten, Rechten usw. auch dann noch eine nicht zu unterschätzende Bedeutung, als sie zu reinen Formalien herabgesunken zu sein schienen. Bezeichnenderweise betrachtete die Gerichtspraxis der Land- und Hofgerichte, wie auch des Reichskammergerichts, Privilegien erst dann als gültig, wenn sie durch den regierenden Kaiser bestätigt waren. Wenn es auch neben der Zweischwertertheorie andere Möglichkeiten gab, eine Herrschaft rechtmässig zu begründen, so war sie doch so wichtig, dass niemand an ihr vorbeigehen konnte. Daher bestand eine der wesentlichsten Funktionen, die Kaiser und Reich nach dem Verfall des Lehenstaates ausübten, darin, dass sich das Denken vom Staate an ihnen und gegen sie entwickelte. H. Krause hat neuerdings nachgewiesen, dass die Anschauung, das römische Recht sei Kaiserrecht und beanspruche deshalb besondere Geltung, dem «Corpus iuris» den Eingang im Abendland eröffnete und die Rezeption, wenn nicht ermöglichte, so doch stark erleichterte60. Weil das Reich des Mittelalters als die Fortsetzung des römischen Reiches der Antike angesehen wurde, bedeutete für die Legisten «Imperium romanum» und das mittelalterliche Reich das gleiche. So betrachteten die Legisten, als sie mit dem römischen Recht auch den antiken Staatsbegriff kennen lernten, ursprünglich das Reich allein als Staat. Sie sorgten für eine weitgehende Aufnahme römisch-rechtlicher Vorstellungen in den Reichsgedanken, obgleich die überkommenen Anschauungen nicht aufgegeben wurden. Durch das römische Recht kam vor allem der Gedanke auf, der Kaiser besitze wie die antiken Imperatoren, mit denen der mittelalterliche Kaiser gleichgesetzt wurde, eine absolute Herrschaftsgewalt. Jetzt erst kam die Ansicht auf, der Kaiser sei Quelle allen Rechtes und stände über den Gesetzen51. 50 H.Krause, Kaiserrceht und Rezeption, Abh.d.Heidelberger Akad., Hist.-phil.Kl., 1962. - Vgl. auch Koschaker, S.79f., 114f. 51 Vgl. Krause, sowie für die Eidgenossenschaft: D.Schilling, Berncr Chronik, I, S. 109: Als die Staufer, gestützt auf derartige Gedanken, einen faktischen Hegemonieanspruch über die «reguli» erhoben, begann das nationale Königtum sich in verstärktem Masse dagegen zu verteidigen. Auch es berief sich auf das römische Recht, um seine Selbständigkeit theoretisch zu begründen. Durch die Aufnahme römisch-rechtlicher Auffassungen und normanischer Traditionen drängte der stauflsche Reichsgedanke zu einer Verstaatung des Reiches hin und sprengte damit selber die Einheit der Reichsidee. Bisher bestand in der Theorie eine gewisse Harmonie zwischen dem weltlichen und geistlichen Schwerte, die untrennbar auf einander bezogen waren. Beanspruchte nun der Kaiser eine von der geistliehen Macht stärker gelöste Autarkie, so strebte der Reichsgedanke damit einer Verweltlichung zu, die sich für den Staat mit der Zeit durchführen liess, für die mittelalterliche Reichsidee aber die Aufgabe ihrer wirkungsvollsten Teile bedeuten musste. Gegen diese Ausdehnungstendenz und die Verselbständigung kaiserlicher wie auch päpstlicher Machtansprüche wandte sich das nationale Königtum52, dessen Publizisten in diesen Auseinandersetzungen die Grundlagen des modernen Staatsdenkens schufen. Auf dem römischen Recht fussend und nach dem Wiederauffinden der Schriften des Aristoteles auch diesen benutzend, begründeten die Publizisten und Denker die Unabhängigkeit und Eigenstaatlichkeit Englands und Frankreichs vom Reiche53. Sie bemühten sich nachzuweisen, dass die nationalen Könige auf der gleichen Stufe mit dem Kaiser ständen und ihre Herrschaft auf einer ebenso guten christlichen Grundlage ruhe. Die kaiserliche Autorität wird von ihnen weder abgestritten noch entwertet, sondern die Ebenbürtigkeit der königlichen Herrschaft mit der Machtstellung des Kaisers im Reiche dargelegt. Schon allein die Formel «rex est imperátor in regno suo» zeigt, dass das beginnende Staatsdenken ohne deň Begriff des Imperators noch nicht auskam und die Unabhängigkeit und Eigenständigkeit des Staates gerade in der Auseinandersetzung mit dem Kaiser und dem universalen Reichs- und Kirchengedanken durchdacht wurde54. Rechtsdenker wie Bartolus sahen den Zwiespalt zwischen Reiehsidee und Staatlichkeit und bemühten sich, die Kluft zu überbrücken. Doch die moderne Staatsidee wurde mit der Zeit immer selbständiger. Kein noch so kaiserfreundlicher Jurist konnte und wollte die Unabhängigkeit der Nationalstaaten bezweifeln. Dennoch blieb der Kaiser weiterhin das Symbol der Einheit der Christenheit, vielleicht gerade deshalb, weil der staufische Versuch, das Reich zum Staate worden zu lassen, gescheitert war. «Der keiserlichen maiestat, von der doch al weltlich gnade und geleit messen solten.» -J. Knebel, Diarium, Basler Chroniken, II, S. 176, zwischen Weihnachten und 5. II. 1476: «Zu hanthabung der keyeerlichen krön als dem brunnen der gerechtigkeit.» - N. Büsch, Basler Chroniken, III, S. 398: <<... uwer keyserliche majestát als dorn brunnen der gerechtikeit und schirmer des heiligen richs undertonen...» 53 Bezeichnenderweise liess der französische König das römische Hecht als Lehrfach an der Pariser Universität 1219 verbieten. Koschaker, S. 76. 63 Vgl. Koschaker, S. 77. ~ B.Scholz, Weltstaat und Staatenwelt in der Anschauung des Mittelalters, Z.f.dt.Goistoswiss., IV, 1941/42. 64 Vgl. Koschaker, S. 79. - A.Schulte, Der deutsehe Staat, 1933, S. 294. 34 35 Für das nationale Königtum spielte die Zweischwertertheorie kaum je eine Rolle zur Legitimation der eigenen Herrschaft, da der sakrale Charakter des Königtums von jeher eine hervorragende Bedeutung besass und die königliche Herrschaft im göttlichen Rechte genügend verankerte. Die Lehre von den zwei Schwertern wurde für sie erst wichtig, als sie sich mit ihr auf Grund des gesteigerten Hegemonieanspruches sowohl des weltlichen als auch des geistlichen Hauptes der Christenheit auseinandersetzen mussten. Die Frucht dieser Auseinandersetzungen waren die Anfange des Staatsdenkens, ja der moderne Staat überhaupt. Die Territorialstaaten nördlich und südlich der Alpen konnten die Zweischwertertheorie noch nicht entbehren, da ihre Fürsten noch in der Lehenshierarchie standen, obgleich sich die Lehensbande sehr gelockert hatten. Besassen sie auch eine besondere Stellung auf Grund ihrer Geburt, so konnten sie sich doch auf keinen geheiligten Charakter ihrer Machtausübung berufen. Wenn auch mit der Zeit das Gottesgnadentum von den Fürsten des Reiches immer stärker betont wurde, so verliessen sie die Lehenshierarchie noch lange nicht und zum grössten Teil überhaupt nicht. Daher ist es sehr schwierig, festzustellen, wann im einzelnen Falle das Gottesgnadentum als eigenständige Legitimation anerkannt wurde. Zumindest die altgläubigen Juristen betrachteten die Zweischwertertheorie noch lange nach der Reformation als die einzige Grundlage einzelstaatlicher Herrschaft. Die Lehre der Reformatoren, jede Obrigkeit sei direkt Gott verantwortlich, machte eine direkte Begründung einzelstaatlicher Macht möglich. So sehr auch Luthers Obrigkeitslehre von den Fürsten freudig aufgenommen wurde, so wenig wollte Luther die Autorität des Kaisers angetastet wissen55. Vielleicht ist darin der Grund zu sehen, warum die deutschen Landesfürsten nicht stärker den Weg einer direkten Legitimation ihrer Staatlichkeit beschritten. Mochten die Fürsten ihren Staat schon durch das Gottesgnadentum als hinreichend legitimiert betrachten, so war eine direkte Begründung der Machtausübung im göttlichen Recht bei den republikanisch oder aristokratisch regierten Städten wesentlich schwieriger. Deshalb legten diese auf die Oberhoheit des Kaisers grossen Wert, denn durch diese liess sich die Rechtmässigkeit der städtischen Herrschaft jederzeit beweisen. Obwohl dem Mittelalter die Lehre von der Volkssouveränität nicht unbekannt war, wurde sie dennoch nicht auf die Stadtstaaten und republikanischen Gemeinwesen angewandt, was sich durch die besondere Art der mittelalterlichen Volkssouveränitätsanschauungen erklärt. Die Ansicht, ein einstimmiger Beschluss einer Körperschaft sei vom Willen Gottes inspiriert, ist uralt. Alte Rechtsbräuche, das kirchliche wie das Königswahlrecht, belehren uns, dass nur einhellige Wahlen anerkannt wurden. Wenn die Wähler nicht einer Meinung waren, unterwarf sich die Minorität oder ver-liess die Wahlversammlung, um möglicherweise auch ihren Kandidaten einstimmig zu wählen. Formell wurden nur einstimmige Beschlüsse ge- 55 Vgl. Wolf, Idee und Wirklichkeit, S.70f. fasst, wobei den durch Geburt oder Amt Angeseheneren die Entscheidung mehr oder weniger zufiel, während die ständisch unter ihnen stehenden nur zustimmten. Waren die bevorrechteten Wähler einer Meinung, hatten die anderen keinen Einfluss mehr, mochten sie auch zahlenmässig die Majorität bilden. Diese Abstimmungsart war in den republikanischen Städten nicht oder \ nur sehr beschränkt möglich. Ihre Wahlen und Ratsbeschlüsse wurden durch das Stimmenmehr gleichberechtigter Wähler entschieden, ohne dass auf Standosunterschicdo besondere Rücksicht genommen wurde. Kannten die Städte keine einstimmigen Beschlüsse, so konnten sie sich auch nicht direkt auf Gott berufen und die Rechtmässigkeit ihrer Herrschaft mit ihrer göttlichen Einsetzung auf Grund des einhelligen Willens des Volkes begründen. Überhaupt bewegten sich alle Volkssouveränitätslehren des Mittelalters um den Gedanken der ursprünglichen Einsetzung des Herrschers. Das Volk habe zwar den Herrscher eingesetzt, aber es habe dabei weniger im eigenen Interesse gehandelt, denn als Werkzeug göttlichen Willens. Diese Theorien wurden zwar zu einigen grundsätzlichen Fragen der Tagespolitik wie zur Frage nach der Absetzbarkeit des Fürsten herangezogen, aber im allgemeinen bestand zwischen den Anschauungen über die ursprüngliche Einsetzung des Herrschers durch das Volk und den politischen Tagesfragen noch ein tiefer Abgrund. Eine Begründung der alltäglichen politischen | Entscheidungen konnte die Volkssouveränitätslehre des Mittelalters noch nicht abgeben. Dazu benötigte sie eine Lösung des Staate's vom christlichen Glauben. Erst die Renaissance erschütterte die Anschauung, dass sich ein christlicher und rechtmässiger Staat auf Gott zurückführen lassen müsse, als sie den Staat als menschliches «Kunstwerk» zu betrachten begann. Doch gelang es weder Machiavelli noch seinen Nachfolgern, den Staat von allen Bindungen an eine höhere Norm zu lösen und ihn völlig zu verweltlichen. Obgleich die Renaissance auch der republikanischen Staatsform wieder zu grösserem Ansehen verhalf, verschwand die Republik aus I der Wirklichkeit der italienischen Staatenwelt immer mehr. Trotz des antiken Vorbildes und der Achtung durch die Humanisten vermochte sich : diese Staatsform in Italien nicht zu erhalten. Sie widersprach dem ständi- ! sehen Bewusstsein und besass noch keine Verankerung im göttlichen Recht, \ die gleichzeitig auch ohne Berufung auf Kaiser oder Papst ihre juristische 1 Selbständigkeit begründete. Die monarchische Staatsform war ihr überlegen, da sich ein Gottesgnadentum eines einzelnen Fürsten leichter vorstellen Hess, zumal die Zugehörigkeit zur Herrscherfamilie eine besondere Legitimation mit sich brachte. Die kirchliche Weihe und verschiedene andere Vorstellungen erleichterten, dass sich der Gedanke, der Herrscher stehe in einem besonderen Verhältnis zu Gott, durchsetzte, mochte man auch das Volk als Instrument Gottes betrachten, das den ersten Fürsten in sein Amt eingesetzt hatte. Für die italienischen Stadtstaaten hatte schon Bartolus die Theorie der 36 37 de facto Unabhängigkeit entwickelt und vertrat die Ansicht, dass die Städte Italiens gleich Fürsten anzusehen seien, die nur de jure vom Kaiser abhingen. Diese Ansicht hat sieh auch weitgehend in der Praxis durchgesetzt ; denn die Staaten Italiens bemühten sich im ausgehenden Mittelalter immer wieder, durch Rechtstitel, wie den des Reichsvikariats, einen Anschluss an die zwei Schwerter zu erlangen. Obwohl ihnen diese Titel keinen Machtzuwachs verschafften, waren sie dafür zu mancher Leistung bereit und opferten in erster Linie sehr grosse Geldbeträge. Wenn sie wegen Spannungen mit dem Kaiser von diesem keine Legitimation ihrer Staatlichkeit erlangen konnten, wandten sie sich an den Papst56. Wenn man dem die Sclbstherrlichkeit der italienischen Staaten im lf4. und 15. Jahrhundert gegenüberstellt, lässt sich die Bedeutung erkennen, die Kaiser und Reich als Legitimationsmittel der Einzelstaatlichkeit be-sassen. Verschaffte den italienischen Städten vor allem der Titel des Reichsvikars eine Begründung ihrer Macht, so erfüllten die Bestätigungen ihrer Rechte und Freiheiten durch kaiserliche Privilegien diese Funktion für die Reichsstädte nördlich der Alpen. Die Gedankengänge des Bartolus wurden, obgleich mit grossem zeitlichen Abstand, nördlich der Alpen übernommen und selbst das Reichskammergericht schloss sich seiner Ansicht an67. Da auch in Deutschland seit dem Ende des 15. Jahrhunderts die Reichsstädte, die nur die Oberherrschaft des Kaisers anerkannten, als «superiorem non recognoscens» galten, dürfen wir vermuten, dass man von einer Untersuchung ihrer staatsrechtlichen Auffassungen ähnlich der Ercoles für die italienischen Staaten ein ungefähr entsprechendes Ergebnis erwarten kann und sich das Verhältnis der Reichsstädte zum Kaiser nicht allzusehr von dem der italienischen Staaten des 14. Jahrhunderts unterschied. Nach diesem Versuch, die Legitimation staatlicher Machtausübung durch Kaiser und Reich aufzuzeigen, wenden wir uns den Eidgenossen zu, um zu untersuchen, auf welche Weise sie ihre Staatlichkeit begründeten. 60 Vgl. für Italien: F.Eroole, Dal Commune al Principato, Saggi Bulla storia del diritto pubblioo del rinaseimento italiano, Ooll.stor., XVI, 1929, der seine Untersuchungen selbst zusammenlasst: «Cosl, conchiudondo, il dissidio fra la tradizione imporialistica e le aspira-zioni autonomistiche e nazionali erasi, della metä del socolo XIV in poi, tacitamento com-posto in base a un duplice riconoseimento: riconoseimento, da parte dcirimperatore o del Papa, - su quelle terre eho al Papa, per volont» dell'Imperotore, spettavano, - del diritto del Popolo di ogni singola communitas civium di governarsi da se: riconoseimento, da parte del Popolo, del diritto doll'Imperatore.'o del Papa, di legittimore e consacrare, in nome di Dio e della legge universale ed eterna, dal Sacro Romano Impero simboleggiata e compresa, le forme di governo, che il Popolo si fosse liberamente date, o che, da queste, si fossero, con l'es-presso e tacito assenso del Popolo, naturalmcnte svolte. E cosl, mentre Imperatoro o Papa, i due monarohi universali del mondo cristia.no e cattolico, non piü rivali, ma concordi ora, e, nella calma e nella serenitä della giustizia imparzialo c suprema, assunti quasi presse il trono di Dio che essi rappresentano in terra, guardan dall'alto; dal basso, al'infuori della loro volontä e del loro diretto intervento, ma col necessario concorso del loro riconoseimento, sorge e si forma, su da schietta fönte popolare, il diritto pubblico del nostro Rinaseimento, mirabürnente spontaneo ed'originale; e, dal Gomune attraverso la repubblica aristoeratica e demoeratica, attraverso la Signoria, attraverso il Principato, si svolge lo Stato moderno.» S. 354. - Vgl. betr. Filippo Maria Visconti, B. Thommen, Urkunden zur Schweizergeschichte aus österreichischen Archiven, III n. 163, S. 192f. " Vgl. Gierke, III, S.664 (Ulrich Tenglers Laienspiegel), S.696f. III. Die Legitimation eidgenössischer Staatlichkeit Wie jeder Staat im Spätmittelalter benötigte auch die Eidgenossen- / schaft eine Rechtsgrundlage ihrer Herrschaftsausübung. Das Gottes-gnadentum war für die genossenschaftlich organisierte Eidgenossenschaft -nicht anwendbar. Obwohl es anscheinend sehr nahe lag, durch eine Erweiterung der Lehre von der Volkssouveränität auf die Republik die eigene Staatlichkeit zu begründen, findet sich eine solche Lehre oder ein Hinweis \ auf derartige Gedanken nicht. Die eidgenössische Historiographie des 15.! und 16. Jahrhunderts kennt weder Anspielungen auf die Lehre von der Volkssouvoränität, noch sucht sie die Staatlichkeit der eidgenössischen Orte auf eine eigenständige Weise zu begründen. Sie hält sich auch in späterer Zeit streng an die überkommenenRechtsanschauungen58. B. Feiler teilt in seiner Borner Geschichte mit, dass der Berner Rat zwar den Begriff der Souveränität kennt und benutzt, aber noch im 17. Jahrhundert als j Sammelbegriff für Regalien gebraucht, ohne darin «den letzten Quell Staat- j licher Überlegenheit» zu entdecken59. Das ist eigentlich gar nicht verwunderlich, da es eine allzu bekannte Tatsache ist, dass sich im Gebiete der Schweiz alte und älteste Rechtsanschauungen besonders lange erhielten. Deshalb darf man nicht erwarten, auf dem Gebiete des Staates hier neue, für die Zeit revolutionäre, Staatstheorien anzutreffen. Deshalb fanden dort auch Gedanken, wie der der Staatsräson, einen geringen Niederschlag. Das mittelalterliche Rechtsdenken blieb noch lange, vielleicht sogar bis in unsere Tage hinein, vorherrschend. Damit soll nicht gesagt w'erden, dass die Eidgenossenschaft nie Machtpolitik getrieben hähe_, sondern vielmehr, dass sich die Machtpolitik stärker im Rahmen des Rechtes hielt, als das bei anderen Staaten der Fall war. Ausserdem gilt das mehr für die Ihnen- als für die Aussenpolitik. Während sich die europäischen Staaten im Zeitalter des Absolutismus bemühten, ihre Macht durch eine zentrale und einheitliche Verwaltung zu steigern, konnten die eidgenössischen Orte ihre Herrschaft bis zur Französischen Revolution noch in einer Weise ausüben, die weitgehend den frühen . t Formen des modernen Staates entsprach. Im kleinen Raum der eidgenössi- ' sehen Orte brauchte man keinen zentralisierend wirkenden Verwaltungs-^ apparat. Ausserdem fiel ein wesentliches Motiv zur Ausbildung einer i Beamtenverwaltung - die Steuerkraft des Bürgers besser auszunutzen -bei den eidgenössischen Orten fort, da das Pensionenwesen dem Staate so viel einbrachte, dass er auf eine straffe Besteuerung verzichten konnte. Das Fehlen einer einheitlichen Verwaltung und, damit verbunden, die weitgehende Selbstverwaltung der Untertanen ermöglichte das Fortleben alter 58 Vgl. die Einleitungen in Schweizer Chroniken, in denen sicli meist der Verfasser über seine Staatsauffassung äussert, sowie deren Auf bau. Z .B. Schilling, Luzerner Chronik (1513): i ^ «Esistnott, dz ein jeglicher wyser, demdandie er von gott kumpt und das wältliche schwort zu regieren entpfolenwirt...» S. 25; Tschudi bringt zuerst 100 Seiten reine Reichsgeschichte, Anshelm, Stumpf. 51 B. Fetter, Geschichte Berns, II, S. 300, 544. 38 39 Rechtsanschauungen. Da der «gemeine Mann» so grossen Einfluss auf die Politik der Orte besass, konnte er Neuerungen auf dem Gebiete des Rechtes grossenteils verhindern. Der bedeutende Einfluss der unteren sozialen Schichten erklärt die besonders grosse Bedeutung des «alten Rechts» und des Herkommens in der Eidgenossenschaft. Deshalb zeigen alle Äusse-/ rungen über staatliche oder sonst wichtige Rechte die Tendenz, alles Recht mit möglichst alten Rechtstiteln zu begründen. Dies allgemein menschliche Bestreben überwiegt in der Eidgenossenschaft in einem solch starken Masse, dass ihm besondere Bedeutung zukommt. Doch interessiert die Tatsache, dass Rechte und Fakten der Vergangenheit in die graue Vorzeit zuruckprojiziert werden, wenig, wohl aber, welche Rechte in die Vergangenheit zurückversetzt werden und auf wen sie bezogen werden, weil sich daraus einige wichtige Schlüsse auf die Zeitanschauung ziehen lassen. Um die Besiedlung des Landes Schwyz und des Haslitales als recht-i massig erscheinen zu lassen, ist wohl die Geschichte vom Herkommen der ' Schwyzer und Oberhasler entstanden. Das Land, in dem sich die von den ■ Schweden oder Goten und den Friesen abstammenden Siedler niederlassen wollten, «wild was und nieman vormals da wonhaft was»00. Daraufhin v baten die Siedler den Herren des Landes, den Grafen von Habsburg, ihre Niederlassung zu gestatten. Während im Herkommen unklar ist, ob das Land den Grafen von Habsburg oder zum Herzogtum Österreich gehört, ist Schradin der Meinung, es sei österreichisch61. Doch schon Eiterlin berichtet von einer gesonderten Herkunft der drei Länder, schaltet Habsburgösterreich als Landesherren aus62 und verbindet die Besiedlung gleich mit der Erlangung der Reichsfreiheit, da eine Gesandtschaft der Länder «von dem helgen Römischen rieh die selben gegne» empfangen habe03. Gleichermassen, nur weiter ausgeschmückt, schildert Brennwald die Besiedlung der Innerschweiz, setzt bei der Verleihung des Landes durch das Reich jedoch hinzu: «Inen ward ouch vergunen, regenten und obern under inen zu. wellen»01. Im ersten Teil des Herkommens wird die Niederlassung der kriegerischen Irmerschweizer als ein friedlicher Vorgang geschildert, der sich völlig im Rahmen des Rechtes abspielte. Der zweite Teil dieser Schrift ist für uns . noch wichtiger, weil dort die Erwerbung der Reichsfreiheit berichtet wird. Diese Erzählung wollen wir dann mit den Schilderungen der Herkunft der Reichsfreiheit und einiger besonderer Rechte in der Historiographie vergleichen. Zur Zeit Alarichs und des Kaisers Honorius bitten im Herkommen die 60 Herkommen der Schwyzer und Oberhasler, ed. J.Biichtold, Bibl.ält.Schriftwerke d. dt. Schweiz, I, 1877, S.184, 14. « a.a.O., S. 183/84. - N.Sehradin, Kronigk diss Kriegs gegen den romschen konig... eins teils und der... Eidgenosschaft des andern, Sursco 1500, S. 11. <™ P.JStterlin, Kronika der loblichen Eydgnoschaft, Basel 1607, fol. 8v-fol. 10v. 88 a.a.O., fol. 10; vgl. fol. 8v, fol. 9v. Völlig eindeutig äussert sich Mtterttn nicht, da er nur vom Besiedlungsrecht spricht und andererseits schreibt, dass die Eidgenossen fl von nyemantz andern beherschot warent» bis in die Zeit Rudolfs von Habsburg, fol. 10v; vgl. fol. 11. " H. Brennwald, Schweizer Chronik, ed.R.Luginbühl, QSG, NF, I, 1, S.258, 15. beiden Häupter der Christenheit - schon die gemeinsame Nennung von Kaiser und Papst ist interessant - die Schwyzer und Oberhasler um Hilfe, weil die Christenheit von einem heidnischen Könige bedroht ist. Diese ziehen mit Alarich nach Rom und unter ihrem Vorstreit wird der Sieg über die Heiden erfochten. Als Dank für ihre Hilfe begehren die Innerschweizer, «keinem weltlichen gewalt, usgenommen dem christenlichen keiserlicheh! gewalt, undertänig und gehorsam sient; ouch keinem geistlichen gebot,! usgenommen dem heiligisten vater dem bapst zu sinen ziten, ouch dem erwirdigen bischofe, under dem wir gesessen sind»66. Kaiser und Papst veri leihen ihnen die Reichsunmittelbarkeit, darüber hinaus Abgabenfreiheit sowie die Feldzeichen der beiden Täler. Diese Erzählung bleibt in ihren wesentlichen Zügen bei allen Chronisten erhalten, wenn auch die Rechte näher spezifiziert werden und man die Abgabenfreiheit fallen lässt, um damit die Zinse der Länder an die Fraumünsterabtei in Zürich und an Habsburg zu erklären66. Auch wird die Erwerbung der Reichsfreiheit nicht immer in die Völkerwanderungszeit versetzt. J. Simler, Stumpf folgend, meint, «Kaiser» Ludwig der Fromme habe den Ländern «rogatu Romani Pontificis autonomiam multasque alias immunitates concessisse» wegen der Verteidigung Roms gegen die Sarazenen67. Aegidius Tschudi lehnte die Sage vom Herkommen in dieser Form ab, betrachtete die Reiohsfreiheit der Eidgenossen aber dennoch als altes Recht. Doch äussert er sich nicht ganz eindeutig. Für ihn steht allein fest, «dass dieselben Waldstett je weder deren von Habspurg-Oesterrich ald andrer Herren gewesen, dann allein des Römsohen RichsJ daran si sich selbs uss Irem fryen Willen, lut Irer Keiserlichen Fryheiten ergeben»08. Die Reichsunmittelbarkeit der drei Länder wird als uraltes Recht dargestellt, neben dem es kein anderes Herrschaftsrecht über die Eidgenossen je gegeben hat. Ehemalige Rechte anderer Fürsten oder Herren, vor allem j Rechte Österreichs, werden abgestritten oder stark herabgemindert. Allein das Reich hat für die Eidgenossen als Oberherr eine Bedeutung, die 1 Tschudi in einer vereinzelten Bemerkung leicht herabzumindern beginnt. Ähnliches können wir für die Städte feststellen. Die Luzerner Chronistik verfolgt zwar die Geschichte ihrer Stadt nicht bis in die Völkerwanderungszeit zurück, beruft sich aber auf die hochgeachtete Gestalt des heiligen Kaisers Karl. Melchior Russ, der jüngere, und Peterman Etterlin berichten, Karl der Grosse habe den Luzernern auf dem Rolandszuge die Harsthörner, Herkommen, S.195, 6. - Vgl. Brennwald, I, S.271ff. " Brennwald, I, S.272f. " J.Simler, De republicaHelvetiorum, 1576, fol. 4v; deutsche Ausgabe ed. H. J. Leu, 1735, S. 30. - Vgl. A.von Bonstetten, QSG, XIII, S.258. - Vgl. ouch Justingor, S. 339, Sohwyz sei seit vielen hundert Jahren reichsfrei. Gesagt zum Jahre 1250. » Aeg.Tsehudi, Gallia comata, S.209; id., Chronicon Helvetiae, ed.Iselin, S. 107. Der Nachsatz ist höchst interessant, da er leise eine andere Auffassung über das Reich anzudeuten scheint. Doch darf man die Stelle nur mit äusserster Vorsicht intorprotioron, da nur in diesem Zusammenhang, meines Wissens, an zwei Stellen ähnliches geäussert wird, die im Gesamtrahmen der Chronik keine Bedeutung haben; denn der ganze Aufbau der Tschudisohen Chronik spricht für die Beibehaltung der überkommenen Anschauung. 40 41 Kriegstrompeten der Luzerner, verliehen69, wobei man trotz der unklaren Formulierung wohl unterstellen muss, dass damit auch andere Rechte auf Karl bezogen werden sollen. So betrachtet Brennwald auch das Luzerner Stadtrecht als eine Verleihung Karls des Grossen, der die Stadt auch «in schirm des römischen richs» nahm, während Russ die Handveste und die Reichsfreiheit Luzerns erst Rudolf von Habsburg zuschreibt70. Wenn auch die Zugehörigkeit Luzerns zum Kloster Murbach nicht verschwiegen wird, so werden doch die Rechte der Stadt nicht auf das Kloster, sondern auf kaiserliche Verleihung zurückgeführt'1. Dementsprechend vertritt der Luzerner Diebold Schilling die Meinung, seine Vaterstadt sei nur durch Wortbruch österreichisch geworden72. Da Zürich drei Stadtheilige besitzt, erzählt die Zürcher Chronik gleich von dreimal zwei Gründern, nämlich drei Kaisern und drei Königen. Unter diesen gab Cäsar ihr den Namen Thuregum7 3, während Karl der Grosse und Ludwig der Fromme als die letzten Stifter der Stadt gelten, da Karl die Propstei und Ludwig die Fraumünsterabtei gründeten74. Brennwald erweitert diese Geschichte, indem er Cäsar das Stadtreeht und Regalien ver-' leihen lässt75. Da er die Gründung der Fraumünsterabtei vorverlegt, schliesst er mit Karl dem Grossen, über den er allerlei Sagen und Legenden ' berichtet, die Zahl der sechs Gründer ab. Anfangs habe das Reich einen - Reichsvogt nach Zürich gesandt. Nachdem aber Zürich, «umb das heilig römisch rieh so vil verdient, das inen aller gewalt übergeben und kein vogt me dahin gesetzt ward»76. In der Zürcher Geschichtsschreibung spielt die Reichsfreiheit keine so hervorragende Rolle wie in den Ländern und in Luzern. Dafür sucht man der Stadt durch ein enges Verhältnis zum heiligen Kaiser Karl eine besonders hervorragende Stellung zu verschaffen, so dass die Reichsfreiheit als eine selbstverständliche Vorbedingung der Bedeutung der Stadt erscheint. In Bern konnte man die junge Gründung der Stadt nicht umgehen. Die Berner Historiographie gedenkt ihres Stadtgründers mit hoher Achtung, aber gerade der Wandel seines Bildes ist sehr aufschlussreich. Während in den knappen Notizen der Chronica de Berno über den Tod des Zähringers nur berichtet wird: «1218 obiit Berchtoldus zeringie et vivus rexit Bernam XXVII annis»77, behandelt Justinger auch die Erwerbung der Reichs-unmittelbarkeit und der Handveste. Nicht dem Todo des Stadtgründers, sondern seinen Bemühungen verdankt Bern sowohl die Handveste wie die Erlangung der Reichsfreiheit. Nach der älteren Fassung der Chronik erreichte Berchtold die Zustimmung Friedrichs IL, Bern zur Reichsstadt zu •° Ellerlin, fol. 6. - M.Buss, Luzerner Chronik, ed. J.SchmeUer, Geschforsch., X, S.24. Brennwald, I, S.252f. - Russ, S.45f. " Vgl. auch Tschudi, S.203. - Vgl. Simler, lat. fol. 28, dt. S.78. «.Schilling, Luzerner Chronik, ed.Durrer-Hilber, 1932, S.27. '3 Zürcher Chronik, ed. J.Dierauer, QSG, XVIII, S.7f. « a.a.O., S. 3-24. - Bonstetten, QSG, XIII, S.2B4f. 's Brennwald, I, S.69. '■ a.a.O., I, S. 93; vgl. I, S. 107. - Vgl. auch Tschudi, I, S.33. " Chronica de Berno, od. Studer, im Anhang zu Juslinger, S. 295. erheben, und bewog den Kaiser zum Erlass der Handveste noch zu Lebzeiten des Gründers78. In der zweiten Fassung bemüht sich Berchtold schon bei Heinrich VI: um die Reichsfreiheit, und die Stadt war schon vor seinem Tode Reichsstadt79. Die Handveste wird in der zweiten Fassung mit Zustimmung der Fürsten verliehen, aus denen der Spiezer Schilling Kurfürsten werden lässt80. Ganz anders sieht bei Anshelm die Erwerbung der Reichsfreiheit aus: Es «ist kuntlich, dass die loblich stat Bern in nidern, usseren Burgun... in des römschen richs und deshalb in des Römschen keisers eigenschaft ie und ie gwesen, dem herzogen von Zermgen, irem stiftherren, nit witer verpfiieht, dann so wit im als belehnotem Stifter oder gesetztem landvogt von sinem herren, dem Römschen Koiser, mocht gc-büren»81. Anshelm bezweifelt auch, dass Berchtold von Zähringen Bern gegründet habe, denn er hält es für unwahrscheinlich, dass in so kurzer Zeit eine so grosse Siedlung entstanden sei. Berchtold habe sie «gomert und gestärkt». «Dahar die bürg Bern und ire Burger ir schirm und friheit nit von irem landsfursten von Zehringen, sunder von irem oberherren, keiseren Heinrichen und Fridrichen hond enpfangen, von allen nachkommen Röm-scher keiseren und klingen bestát, und ie nach notturft gebessert82.» Wenn die Berner Chronisten die Erwerbung der Reichsfreiheit ihrer Stadt auch nicht in die graue Vorzeit verlegen können, so streben sie dennoch alle danach, diese möglichst nahe, an die Gründung der Stadt heranzurücken, obwohl dadurch die Gestalt des Gründers herabgesetzt wird. Diese wenigen Beispiele aus der Schweizer Chronistik Hessen sich beliebig vermehren. Auch in Akten und Briefen finden sich ähnliche Hinweise auf die alten Freiheiten und Rechte, die die Eidgenossen durch militärische Hilfeleistungen auf Romzügen und Heidenkriegen erworben hatten. Doch schon dieser knappe Überblick zeigt die allgemeine Tendenz der Schweizer Geschichtsschreibung des 15. und 16. Jahrhunderts, Freiheiten und Rechte der Eidgenossen allein auf kaiserliche Verleihungen zurückzuführen und damit ihre Rechtmässigkeit zu belegen. Aus diesem Grunde wird versucht, alle andern Inhaber von Herrsehaftsrechten in wachsendem Masse auszuschalten, oder es wird wenigstens ihre Bedeutung für die eidgenössische Geschichte herabgemindert. Nachdem alle Zwischengewalten aus dem politischen Leben der Eidgenossenschaft schon lange verschwunden waren, will man sie auch für die ältere Zeit aus dem Geschichtsbild verdrängen, um das Reich an ihre Stelle zu setzen. Obwohl von früheren Besitzern von Herrschaftsrechten keinerlei Gefährdung der eidgenössischen Selbständigkeit mehr zu erwarten war, strebte die Historiographie in die Richtung, 78 Justinger, S.318f. " a.a.O., S. 10,13.-Vgl. Brennwald,I,S. 204f.: BeimTode Berchtolds «beleip Bern an dem römischen rieh». - Btterlin, fol. 34v, der Justinger so zusammenfasst, dass der reichsstädtische Charakter der Stadt noch stärker betont wird. 80 Schilling, Spiezer Chronik, ed. Bioesch, 1939. 81 V. Anshelm, I, S.14. "s a.a.O., I, S.48. - Vgl. Tschudi, I, S. 115/16, sowie B. Tschachtlan, Bemer Chronik, der die Vorfahren Berchtolds fortlässt. - Justinger, S. 12, 9 Anm. 42 43 alle Herrschaftsverhältnisse innerhalb der Eidgenossenschaft nur mit kai- ' serlichen Verleihungen zu begründen. Daher erhalten Reich und Reichsfreiheit eine gesteigerte Bedeutung zugewiesen. Vorerst sei nur die Frage gestellt, welche Gründe diese Tendenz hervorgerufen haben mögen. Ähnliche Beobachtungen lassen sioh an den Darstellungen der Entstehung der Eidgenossenschaft machen, die uns näher an eine Erklärung heranführen werden. Die früheste Schilderung der Entstehung der Eidgenossenschaft findet sich im älteren Justinger: 1250 entstand Krieg zwischen den Ländern und Habsburg, weil sich Schwyz und Unterwaiden, die «einer herschaft von hapsburg» angehörten, mit Uri, «gehört an das gotzhus ze zürich genant frowenmünster», zusammengeschlossen hatten; denn die Herrschaft und deren Vögte «Buchtend nüwe rechte und nüwe fünde, darzu si die wiben frävenlichen angriffend und mutwillen mit in tribend»83. Die Länder wandten sich an «das römsche rieh, wan die von Switz vor gar vil hundert Jahren an das rieh gehortend»84. Als diese Kämpfe länger andauern, verkaufen die Habsburger ihre Rechte an Österreich. Das geht eine Zeitlang gut, als aber die Österreicher auch «nüwe rechtung und nüwe dienst und fünde» suchten, brachen die Feindseligkeiten mit dem Morgartenkriege wieder aus. Der amtliche Justinger berichtet darüber: «Vor alten langen ziten, e daz bern gestift ward, hatten gross kriege die drye waltstette switz, ure und underwalden, des ersten mit der herschaft von kyburg, darnach mit der herschaft von habsburg, am lesten mit der herschaft von österich86.» Dann wird von der Zugehörigkeit der drei Länder und den neuen Rechtsansprüchen der Herrschaft berichtet. Dabei wird der Satz von den Übergriffen der Vögte plastischer dargestellt und ein wenig verschärft. Hinzu kommt die Erwähnung, dass die Länder vom Reich versetzt worden und «von alter har verbunden» seien86. Diebold Schilling bringt diese Erzählung in seiner amtlichen Chronik im Wortlaut Justingers, macht aber die Zugehörigkeit von Schwyz und Unterwaiden zu Habsburg dadurch fraglich, dass er ein «als man seit» hinzusetzt und diese Tatsache damit als Gerücht charakterisiert87. Auch die Verpfändung der Waldstätte lässt er fort. 83 Justinger, S.339. 84 a.a.O., S.339f. 86 a.a.O., S.45f. 86 a.a.O., S.46. " Schilling, Eaksimileedition, ed.H.Bioesch und P.Hilber, I, S.69. - Vgl. Justinger, S.46. - Tschachtlan setzt zu Justingers Bemerkung, er wisse nicht, wie weitgehend die Rechte Österreichs gewesen seien, hinzu: «Wol meint man, dass si der hersohaft gehorsam wurdind nach wisung der alten rechtungen, wer aber uf si mit gewalt utzit getrungen, damit wolten si nit ze schaffen hoben.» Auch Schilling, Berner Chronik, botont die Unrechtmässig -keit des österreichischen Handelns stärker, wenn er Justingers Satz: «Darnach gedachten die Eidgenossen, wie man si bekriegte so mit grossem gewalte, und viengen etwas an sich Sterken mit ir naohburen» (S.48, 10) in «Darnach wurdend die eidgenossen betrachten, wie man si also mit unrechten bekriegte und stärkten sich ouch...» veränderte. Faks., I, S. 71. - Vgl. auch Schilling, Spiezer Chronik, S. 23, der Justingers Formulierung noch etwas näher steht, aber auch von «unrecht» spricht. Melchior Russ bringt die gleiche Geschichte, ohne dass man sicher bestimmen kann, ob er dabei Justinger oder Schilling ausschrieb. Für letzten spricht, dass er den bedeutungsvollen Zusatz Schillings übernahm und erweiterte: «Schwitz und Unterwaiden zugehören solten, als man seytt und geschriben vindt, einer herschafft von habsburg.» Dann schiebt Muss die Apfelschusszene ein, lässt aber den Satz Justingers fort, die Länder seien von alters her miteinander verbunden gewesen, weil er der Meinung ist, dass der Ewige Bund kurz vor dem Morgartenkriege geschlossen wurde, als «sy die herschafft über ziechen wolt»88. Das Weisse Buch von Samen gibt auf wenigen Seiten einen Abriss der Schweizergeschichte bis zu den Walliser Streitigkeiten vor 14708B. Doch kann man es kaum eine Chronik nennen, da es keine fortlaufende historische Darstellung eines annähernd geschlossenen Zeitraumes bietet, sondern im wesentlichen nur begründet, warum die Eidgenossenschaft entstanden ist, und warum die übrigen der acht Orte sowie die Leventina, Appenzell und das Wallis sich der Eidgenossenschaft angeschlossen haben. Das Schwergewicht sowohl der Schilderung wie der Bedeutung dieses Werkes liegt in der Erzählung der Entstehung der Eidgenossenschaft. Aber auch hier will der Verfasser woniger die historischen Ereignisse beschreiben, als viel mehr nur den Nachweis erbringen, dass die Eidgenossenschaft nicht durch Aufruhr gegen ihre rechtmässige Herrschaft entstanden sei, sondern der berechtigten Gegenwehr gegen tyrannische Unterdrückung durch die österreichischen Vögte ihren Ursprung verdankt. Der Obwaldner Schreiber selber gibt dies als Zweck seiner Arbeit an, wenn er sich auch nicht juristisch und nicht sehr präzis ausdrückt: «Item. Der anefang der dryer Lendern, Ure, Switz und Underwalden, wie sy dahar gar erlich komen sind90.» Daher wird der Tatbestand der tyrannischen Herrschaft der Vögte recht breit und ausführlich dargestellt. Daneben wird unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass ihre Bedrückung nicht nur eine unrechtmässige Ausübung der Herrschaft darstellte, sondern vor allem als Versuch geschildert, «wie sy die Lender vom Rieh bringen möchten gantz in iren gewalt», indem die Vögte Rechte usurpierten91. So scheint der Verfasser des Weissen Buches die Reichsfreiheit der Ur- i kantone mit der vom «Römschen Rych» erteilten Freiheit, «da ze ruiten / und da ze wönen» gleichzusetzen. Zumindest verlegt er die Erwerbung der 88 Russ, Geschforsch. X, S.E8, 62. 89 cd.H.G.Wirz, QW, III (Chroniken), I, 1948, niedergeschrieben um 1470. 98 a.a.O., S.3; vgl. S.2, sowie den Schluss der St.-Qaller Handschrift: «Und also ist der grand und Ursprung der Eidtgnossen Rund von den dryon Lendern erlich harkon und, ob Gott wil, beliben und bestan in Eowigkeit. Die drü Lender und ander Eidtgnossen sind ouch sidhar gefryet von Bäpsten, Keisern und Künigen und ire Fryheiten und grechtigkeiten erlangt durch keiser Maximilianum und durch Bapst Julium zü Meylandt.» S. 30. Diesem Schreiber schien die Reichsfreiheit der Eidgenossen noch nicht klar genug hervorgehoben, da er durch dieson Zusatz die Rechtmässigkeit der eidgenössischen Staatsbildung noch unterstreichen will. Zur Interpretation von «erlich» vgl. Schweizer Idiotikon, I, S. 393, 1. Hier wäre es wohl am besten durch «legitim» wiederzugeben. 91 a.a.O., S.7; vgl. S.5. 44 45 Reichsfreiheit in Zeiten, die lange vor Rudolf von Hahsburg lagen, da in seinen Augen die Reichsfreiheit schon unter diesem Könige ein altes Recht war, das Rudolf zu bewahren versprach92. Dementsprechend wird zwischen Habsburg und dem Reich scharf unter- 1 schieden, da der ganze. Freiheitskampf als ein Kampf um die Erhaltung der Reichsfreiheit erscheint. Doch nimmt die sachliche Behandlung dieser Frage keinen sehr grossen Raum in der Erzählung ein; denn die Schilderung der Bedrückung durch die Vögte liess sich besser durch Berichte tyrannischer Beherrschung ausschmücken als der knappe Nachweis, dass durch die Usurpation von Rechten und durch den Versuch, die Eidgenossen vom Reiche zu entfremden, auch eine «tyrannis ex dofectu tituli» vorlag83. Peterman Etterlin sucht seine verschiedenen Quellen miteinander zu verbinden. Nachdem er die Anfänge Einsiedeins und Luzerns geschildert hat, erzählt er vom Herkommen der Länder, die bis in die Zeit Rudolfs von Habsburg «nye keynen herren gehept anders dann, das sy ir gegnen von dem Romischen Rieh entpfangon»94. Rudolf von Habsburg habe die Eidgenossen durch Gesandte gebeten, «das sy im undertenig werent zu des Richs banden und im hulttent. So wolt er inen ein bescheidne Stür zü mütten, die zu dess Richs banden von inen göttlichen und sust zü nye-mantz andren handen nemenn, woltte sy ouch darzü Schützen und Schirmen als ein getrüwer vogt des Richs, darzü trüwlichen bevogten mit Frommen byderben lütten, und sy von dem Riehe nit ze verlassen, darzü so woltte er sy fryen, und lassen beliben wie sy harkomen werent»95. Nach dem Tode Rudolfs erfolgten Übergriffe der Vögte, die die Länder vom Reich drängen wollen, was zum Schwur der drei ersten Eidgenossen führt. Nach der Tellensage berichtet er vom Burgenbruch und der Vertreibung der Herrschaft, die daraufhin ihre Ansprüche an Österreich verkauft. Die Eidgenossen erkennen die österreichische Herrschaft im Rahmen der alten Rechte an, und eine Zeitlang herrscht Ruhe. Neue Übergriffe führen dann zum langandauernden Morgartenkriege, «darnach solioher ir rechter pund... gemacht, uffgericht und geschworen ward»90. In einem . besonderen Absatz wird die Unrechtmässigkeit des Handelns der Herrschaft und ihrer Vögte den Taten der Eidgenossen gegenübergestellt und daraus die Billigkeit des Vorgehens der Waldstätte abgeleitet. Nachdem Breunwald die Sage vom Herkommen ausführlich erzählt hat, 02 QW III. 1, S. 3; vgl.: «Kling Rudolf... bat sy, das sy imm undertenig weren zü des Rycbs handen, so wölti er innen ein bescheidne Stür zü muten, dem Rieh ze geben und nieman anders, und wölt sy öueh zü des Rychs handen schirmen, als des Ryohs getrüwen, und sy ge-trülichen mit frömen lüten bevögton zü des Richs handen und vom Rieh nit vorlassen, und da by so wölt er sy by allen iren rechten, fryhoiten, gnaden und alten harkömenheiten lassen bliben und anders nit besweren.» S. 6. Man beachte den Nachdruck auf die Roiehßfreiheit durch den wiederkehrenden Ausdruck: «zu des Richs handeno. 83 Auch die Teilenlieder und Tellenspiole haben im wesentlichen den Sinn, in volkstümlicher Form den Gedanken wachzuhalten, der Ursprung der Eidgenossenschaft sei rechtlich nicht anfechtbar. " EtterUn, fol. 11; vgl. oben, S. 40, Anm. 63. 95 a.a.O., fol. 11. 01 a.a.O., fol. 21. stellt er die Vorgeschichte des Freiheitskampfes am Morgarten dar. Lange Zeit regierten sich die Eidgenossen selber. Dann schenkte ein römischer Kaiser die Reiohssteuer Uris an die Fraumünsterabtei, und die Reichsabgaben in Schwyz und Unterwaiden wurden an die Grafen von Habsburg verpfändet. Während des Interregnums forderten diese Grafen mit Gewalt höhere Abgaben und Leistungen. Daraufhin verbanden sich die drei Länder und.boton der Herrschaft Recht vor dem künftigen Könige. Da das nichts half, begann ein Krieg zwischen den Waldstätten und dem Adel bis zur Wahl Rudolfs von Habsburg zum Könige. Auf Klagen beider Teile erlegte König Rudolf den Pfandschilling, und die Länder wurden öster- 1 reichisch. Der den Waldstätten feindliche Adel zog fort. Doch unter den / Erben Rudolfs von Habsburg begannen die österreichischen Vögte die 1 Waldstätte erneut mit Abgaben und neuen Lasten zu beschweren und zwangen die Bewohner, Burgen zu bauen. Brennwald- schmückt dann die Untaten der Vögte plastischer aus, berichtet von den drei Eidgenossen und erzählt die Tellengeschichte, die den Aufstand der Länder und den Burgenbruch auslöste. Als dann Herzog Leopold zum Rachezug gegen die Waldstätte aufbrechen wollte, erboten sich die Eidgenossen vor dem Herzog zu Recht und baten, der Herzog solle auch ihre Klage hören. Sie wollten sich dann seinem Urteil unterwerfen und für begangene Unreohtmässig-keiten Sühne leisten. Als Leopold, nur dem Adel vertrauend, dies abschlug, schlossen die Länder den Ewigen Bund97. Johannes Stumpf schildert die Anfänge der Eidgenossenschaft ähnlich. Doch auch bei ihm stehen diese Ereignisse nicht am Beginn der eidgenössischen Geschichte, die für Stumpf mit den Helvetiern der antiken Schriftsteller beginnt98. Zürich, Konstanz, Schaffhausen, St. Gallen, Bern, Solo-thurn, Genf, Lausanne und die drei Länder sind für ihn «allzeit» reichsfrei gewesen99. Er kritisiert einige Geschichtsschreiber der Zeit Friedrichs III., weil diese «fürgaben, dass sich die Schwyter in dess hauss Oesterreychs landen nidergelassen und gesetzt haben, so doch näher dann in 300 jar und drüber die Fürsten von Oesterrcych in disen Helvetischen landen kein eigenschaft gehabt, bis auff die zeyt Konig Rudolfs»100. Als Anhänger Rudolfs von Habsburg hätten sich die Länder mit dem Adel verfeindet, weshalb sie sieh zusammentaten, «ire Keyserliche Privilegia und Lands-freyheiten zuerhalten und... zu beschirmen»101. Der Adel beklagt sich bei König Rudolf über die Eidgenossen, weshalb dieser die Verpfändung der Länder an den Adel löst, so dass die verpfändeten Reiohsrcchte jetzt Österreich zugehören. Da Stumpf die Verpfändungsgeschichtc nicht recht behagt, meint er, sie sei nur von sehr kurzer Dauer gewesen, weil sich die Waldstätte selbst wieder gelöst hätten durch die Erlogung der Pfandsumme. Vor allem legt er aber Wert darauf, dass weder Habsburg noch »' Brennwald, S. 272-288. 118 Wie auch für seine Zeitgenossen vgl. Brmnwuld, I, S. 1. "» J.Stumpf, Schwytzer Chronik, 1606, fol. 340 v. 1"' a.a.O., fol. 294. - Vgl. Herkommen, oben, S. 40f. 101 a.a.O., fol. 342. 46 47 Österreich eine «rechtung, oberkeit noch beherrschung an den dreyen Reychslendern gehabt» hätten, «dann die Landvögt in bemelten Lendern sind nit Oberherren, sonder allein Vögt und Richter gewesen, ihnen von ^ dem Reyoh und nit von der Herrschafft Oesterreych gegeben, als ihre Privilegia klarlich aussweysen»102. Nach dem Tode Rudolfs von Habsburg versuchte der König Albrecht, die Waldstätte Österreich zu unterwerfen. "Unter Heinrich VII. erlangten die Eidgenossen die Bestätigung ihrer Rechte. Als er starb, versuchten die Reichsvögte, Österreich zur Herrschaft über die Länder zu verhelfen, was durch die Doppelwahl Eriedrichs des Schönen und Ludwigs des Bayern begünstigt wurde. Auf die damit verbundene Bedrüclnmg erfolgt der Sohwur der drei Eidgenossen, die Teilengeschichte und die Vertreibung des Adels mit dem Burgenbruch. Nach Morgarten wird der Ewige Bund geschlossen103. Obwohl Aegidius Tschudi die Herkommenserzählung für eine Erfindung hält, folgt er in seiner Darstellung der Entstehung der Eidgenossenschaft weitgehend Brennwald. Die Eidgenossen sind «frye Lüt, die uss fryem Willen des Richs Beherrschung angenommen, und allein uff ein Keiser oder Künig, und das Romisch Rieh, und niemand änderst uffsächen zu haben schuldig, lut der Fryheit-Briefen»104. Wegen Streitigkeiten mit dem Kloster Einsiedeln waren die Eidgenossen lange Zeit in des Reiches Acht und hatten dem Reich «lange keine Gehorsame geton»105. Deshalb unterstellten sie sich auf befristete Zeit Herren, leisteten aber dennoch dem Reich Hilfe und Zuzug; denn den Herren hat «die Oberkeit und Landts-Regierung nützit angehört: der Blutbann was des Richs»106. Als die Eidgenossen dem Gegenkönig Otto IV. nicht huldigen wollton, setzte dieser einen Grafen von Habsburg zum Reichsvogt und stattete ihn mit besonderen Rechten aus10'. Während des Interregnums nahmen die Länder, «die ein Pundt zesammen haftend uff usgände Jarzalen», Rudolf von Habsburg zum Schirmherren, mit dem sie gut auskamen108. König Albrecht war den Eidgenossen wegen ihrer Unterstützung Adolfs von Nassau übel gesinnt und bestätigte ihre Freiheiten nicht. Als die Waldstätte sahen, dass Albrecht ihre Lande Österreich unterwerfen wollte, machten die Länder «heimlich ein Ver-ständnuss und Pact zesammen, und versprachend einandern, vom Römischen Rieh und Iren Fryheiten nit ze stan, und ein andern dabi ze handhaben und ze schirmen, wo man si davon trängen wolt»109. Albrecht wird als Entfremder von Reichsgut geschildert, der von den Eidgenossen fordert, dass sie sich seinen Kindern unterwürfen. Als die Waldstätte das abschlagen, setzt Albrecht keinen Reichsvogt über die Länder, sondern lässt die l»a Stumpf, fol. 342v. «» a.a.O., Kap. L-LIII, fol. 340-344v. 104 Tschudi, Chronicon Helvetieum, I, S.219f. 105 a.a.O., S.104. ID° a.a.O., S. 107. a.a.O., S.107. i»8 a.a.O., S.154. a.a.O., S.220. Blutgerichtsbarkeit von den österreichischen Amtleuten in Luzern und Rotenburg ausüben. Gegen deren Übergriffe beschweren sich die Länder beim König und bitten um einen Reichsvogt110. Anstatt die Unterdrückung abzustellen, schickt Albrecht besonders scharfe Landvögte, Gessler und Landenberg, die die Waldstätte tyrannisieren. Nach der Erzählung einzelner Schandtaten schildert Tschudi den Bund der drei Eidgenossen und die Vorbereitungen zum Aufstand, wobei er bemerkt, der «inländisch Adel» stehe auf der Seite der Landleute111. Nach der Vertreibung der Vögte schwören die Waldstätte einen zehnjährigen Bund112. Die Ermordung Albrechts bewahrt sie vor einer kriegerischen Auseinandersetzung mit dem österreichischen König. Als die Anwälte der Eidgenossen nach ihrer Stellungnahme zum Morde gefragt werden, geben sie «einhellige Antwurt, wie wol si jetz Gelegenheit, sich etlicher mass ze rächen der grossen Tyranny und Schmach, so inen vom Kunig besohechen, der Inen ir Fryheit nie bestatten, sunder si davon trengen und in ein dienstliche Underthänigkeit durch sine Amptlüt understanden zu bringen, sigind si doch nit so rachgirig, wie aber umb si wol beschuldt wäre»113. Heinrich VII. anerkennt die Haltung der Waldstätte, indem er ihre Freiheiten bestätigt und vermehrt, während er die Königsmörder verurteilt. Als die Sehwyzer mit dem Kloster Einsiedeln in Streit geraten, unterstützen die Österreicher die Abtei im ausbrechenden Kriege. Da die Eidgenossen Ludwig dem Bayern anhingen, verhängt Friedrich der Schöne wegen des Überfalls auf das Kloster die Reichsacht114. Als Herzog Leopold sie aus diesen Gründen angreift, verteidigen sie sich am Morgarten. «Nach dem Strit... verbündend sich die dry Waldstett einer ewigen hilffliehen Pündtnuss, dann Sie biss ze diser Zit von etlichen hunderten Jaren har allweg zesammen verbunden gewesen, doch allein uff sondere Anzal Jaren, da Sie allweg Nüwe uffgericht, oder die Alton verstreckt habend, und ward jedem Herrn innert und ussert Lands sin gebürliche Rechtung vorbehalten»115. Als letztes Beispiel aus der eidgenössischen Chronistik des 16. Jahrhunderts sei noch Josias Simler angeführt, weil sein Werk «De republica Helvetiorum» noch im 18. Jahrhundert Bedeutung besass und als Handbuch eidgenössischen Staatsrechts benutzt wurde, das J. B.von WaldUrch mit seiner Bunds- und Staatshistorie auf naturrechtlicher Grundlage verbessern wollte. Sinder schildert die Entstehungsgeschichte der Eidgenossenschaft etwa folgendermassen: Unter Friedrich II. und während des Interregnums kam es zu Übergriffen des Adels116. Deshalb wählten sich die Länder um 1261 Rudolf von Habsburg zum «Hauptmann» und ver- 110 Tschudi I, S. 225-230. 111 a.a.O., S.236ff. 112 a.a.O., S.240. 113 a.a.O., S.243. 111 a.a.O., S.268. 116 a.a.O., S.276. 118 Simler, fol. 5v f.; dt. ed.H.J.Leu, S.36f. 48 49 trieben den sie bedrängenden Adel117. Nachdem Rudolf von Habsburg König geworden war, beklagte sich der Adel bei ihm über Rebellion der > Länder118. Rudolf stellte den Frieden wieder her und setzte Landvögte über die Waldstätte. Sein Nachfolger Albrecht sandte entgegen dem Herkommen fremde Vögte ins Land, weil sich die Eidgenossen Österreich nicht freiwillig unterwerfen wollten119. Nun wurden die «frey Reichsländer... mit Gewalt und Tyranney darvon getrungen»120. Diese schickten «crescente Tyrannide legati... ad Imperatorem», was jedoch keine Hilfe, sondern schärfere Bedrückung auslöste121. Nach der Schilderung einzelner Untaten berichtet Simler, wie die Stauffacherin ihren Gatten aufforderte, «wo redliche Leuth... die gleiche tyranney leiden müssen», sich zu beraten; denn «Gott der Herr, deme all unbülicher Gewalt missfalle, werde sie erhören»122. Dem Bund der drei Eidgenossen folgt die Tellengeschichte, und an den Burgenbruch schliesst Simler ein zehnjähriges Bündnis der Länder an. König Albrecht wollte den Aufstand rächen, wurde aber erschlagen. Durch die Einsiedler Streitigkeiten und die Doppelwahl des Jahres 1314 veranlasst, zog Herzog Leopold gegen die Waldstätte. Auch jetzt wollten die Eidgenossen die Streitigkeiten noch rechtlich regeln, doch Leopold schlug das ab. Naoh dem Siege am Morgarten wurde der «immerwährende Bund» geschlossen123. Aus dieser Übersicht erkennen wir, dass sich die Darstellungen der Entstehung der Eidgenossenschaft im wesentlichen nach zwei Richtungen hin ausweiten. Schon in dem ältesten Bericht wird von einer unrechtmässigen Ausübung der Herrschaft durch die Vögte gesprochen. Daneben spielt das Reich eine Rolle, da es sich um die Erhaltung der Reichsfreiheit der Länder handelte. In erster Linie wird die Erzählung von der Bedrückung durch die Vögte ausgebaut. Schon im amtlichen Justinger fanden wir den ersten Ansatz dazu. Besonders die Innerschweizer Chronistik malt die Untaten der Vögte immer breiter aus, ohne dass damit gesagt werden soll, dass diesen Sagen und Anekdoten ein historischer Kern fehlt124. Durch diese Geschichten wird nicht nur ein bunteres Bild entworfen, sondern sie dienen dazu, den unrechtmässigen Charakter der Vogtherrschaft klar und präzis zu belegen. Doch erst bei Brennwald fällt der Ausdruck «Tyrann», obwohl Simler, lat. fol. 7v; dt. S. 40. 118 a.a.O., fol. 8: «. ..nobiles hai'um regionům populumrebellionis apud illum accusavere, Uli vicissim nobiles iniuriarum reos agere: eaoterum rex Rudolphus utraque parte audita, et inspeotis pagorum privilegiis, pro Ulis sententiam tulit...»; dt. S. 40. 119 a.a.O., lat. fol. 9-12; dt. S.47ff. 120 a.a.O., lat. fol. 12:«SeromaniTmperij populos habere ämultislmperatoribus privilegia ampla et immunitates, quibus nunc tyrannide gravi oppressi spolientur»; dt. S.49. 121 a.a.O., lat. fol. llv; dt. S.49f. 122 a.a.O., dt. S. 53; lat. fol. 14: «Deumenimcuiomnisiniustavisac tyrannis disciplet... ů Das könnte auch Thomas von Aquin formuliert haben! 128 a.a.O., lat. fol. 12-24; dt. S.50-69. lai Konfrontiort man die Erzählungen von der Entstehung der Eidgenossenschaft mit den gleichzeitigen Anschauungen über Widerstandsrecht und Tyrannei, so möchte man vermuten, dass unter Berücksichtigung des Rechtsdenkens in der Eidgenossenschaft an den Erzählungen wesentlich mehr der Wahrheit entspricht, als man auf Grund der Urkunden annehmen kann. die Tatsachen schon bei Justinger den Begriff umschreiben126. Dafür gebrauchen die Historiographen des 16. Jahrhunderts den Ausdruck sehr häufig, da sie durch Gegner der Eidgenossenschaft angeregt wurden, schärfere Formulierungen zu gebrauchen. Für sie sind die Vögte vor allem deshalb Tyrannen, weil sie ihre Gewalt entgegen dem Rechte ausüben. Die zweite Tendenz der Berichte über die Anfänge der Eidgenossenschaft, die wachsende Bedeutung des Reiches und der Reichsfreiheit, steht damit im Zusammenhang, obwohl es im ersten Augenblick nicht so scheint. Wir sahen schon, dass die Schweizer Chronisten die Herrschaft der Orte allein auf Verleihungen kaiserlicher Rechte stützen oder wenigstens zu stützen streben, ohne dass wir diese Tatsache, allein betrachtet, verstehen konnten. An den Darstellungen der Entstehung der Eidgenossenschaft sahen wir, dass das schwierigste Problem für die Chronisten darin bestand, die Herrschaft österreichischer Vögte zu erklären. Sie suchen dafür immer neue Gründe, von denen einer einfallsreicher als der andere ist. Warum diese Bemühungen, eine plausible Erklärung für die Herrschaft der Österreicher zu finden, ohne dass man auf die Reichsunmittelbarkeit verzichtet ? 7^ Alle Geschichtsschreiber sind der Meinung, die Vögte üben ihre Rechte nur an des Reiches statt aus und vorsuchen diese Rechte dem Reiche zu entfremden. Dadurch wird nicht nur die «alte Reichsfreiheit» der Waldstätte bedroht, sondern auch die Rechte des Reiches sollen diesem zugunsten Habsburg-Österreichs entzogen werden. Deshalb schildert Aegidius Tsohudi zum Beispiel seitenlang die Entfremdung von Reichsgut durch König Albrecht, dem ärgsten Widersacher der Eidgenossen126. Die Eidgenossen wollen ihre Freiheit bewahren, aber sie handeln nicht nur aus purem Eigennutz, sondern durch ihren Widerstand gegen den Versuch, sie Österreich Untertan zu machen, erhalten sie die Rechte des Reiches in den Waldstätten. Ihr Widerstand gegen die Tyrannei der Vögte ist deshalb rechtmässig, weil sie nicht nur gegen eine tyrannische Herrschaft fechten, sondern weil Österreich ihm nicht zustehende Herrschaftsrechte mit Gewalt usurpieren wollte, die dem Reiche gehörten oder vom Reich rechtmässig durch Privilegien den Eidgenossen verliehen worden waren. Die schweizerische Historiographie bemühte sich also um den Nachweis, dass nicht nur eine unrechtmässig ausgeübte Herrschaft vorlag, sondern auch eine «tyrannis ex defectu tituli»127. Gelang dieser Nachweis, so war die Rechtlichkeit und Unanfechtbarkeit des Handelns der Waldstätte eindeutig erwiesen. Da dies nicht ganz einfach war, trachteten die Chronisten danach, die Reichsfreiheit der Orte so früh wie nur irgend möglich anzusetzen, alle Zwischengewalten aus der eidgenössischen Vergangenheit zu verdrängen, und beriefen sich, so oft es nützlich, schien, auf das Reich als Quelle der Herrschaftsrechte. Wir sahen oben, dass Aufruhr im späten Mittelalter als Todsünde betrachtet wurde, falls nicht Tyrannei eine Er- 128 Brennwald, I, S. 278,19. 120 Tschuäi, Chronicon, S. 222-224. 127 Vgl. obon, S. 38. 50 51 I hebung rechtfertigte, die eigentlich eine Usurpation von Herrschaftsrechten voraussetzte. Da die Eidgenossen nicht den Glauben der Zeit ändern konnten, musste mindestens die Darstellung ihrer Vergangenheit zeigen, dass sie sich mit der Schaffung ihres Gemeinwesens nicht versündigt hatten. Aus dem gleichen Grunde legte die Chronistik seit Justinger in steigendem Masse Wert auf die Rechtmässigkeit oder wenigstens die «Billigkeit» des Handeins der Eidgenossen128. Bei der Entstehung der Eidgenossenschaft griffen nach allen Darstellungen die Eidgenossen erst dann zu den Waffen, als alle Versuche auf dem Rechtswege, sei es durch Beschwerden ; beim König, sei es durch Rechtsvorschläge gegenüber der Herrschaft, gescheitert waren. Aber auch sonst legt die Chronistik wie auch die Politik des 14. und 16. Jahrhunderts grossen Wert auf die Rechtlichkeit. In diesem Zusammenhang sei noch auf einen weiteren Punkt hingewiesen, der in der Historiographie und in der Publizistik eine wachsende 11 Bedeutung erlangte: die Adelsfeindschaft der Eidgenossen. Die Auseinandersetzung darüber spielt zwar keine so entscheidende Rolle für unser Problem, doch berührt sie die Dinge am Rande. Justinger berichtet vom Adel der Umgebung Berns, einmal feindlich, wenn er zu den Gegnern der Aarestadt gehört, einmal freundlich, wenn er auf selten der Stadt steht. Trotz allen Berichten über die Feindschaft des Adels zu Bern kann man ihn so wenig wie andere Schweizer Chronisten prinzipiell adelsfeindlich nennen. Doch verzeichnen alle immer wieder Streitigkeiten mit dem Adel und berichten von Gehässigkeiten auf beiden Seiten. Besonders seit dem Alten Zürichkrieg finden sich häufig solche Äusserungen wie: die Eidgenossen wären «vertilger des adels, durch den die heilig römsch kilch und ire glider habent trost und uffenthalt»129. Diesen Vorwurf der Österreicher und ihrer Gesinnungsgenossen, den Felix Hemmerli auf Grund seiner Kenntnis eidgenössischer Geschichte mit schlagkräftigen Argumenten unterbaut hatte, nahmen die Eidgenossen je länger je weniger hin. Ihre Chronisten antworteten zum guten Teil auf diese Vorwürfe, indem sie zeigen, dass es nicht an den Eidgenossen lag, wenn der Adel aus der Eidgenossenschaft beinahe verschwunden war. So leitet Brennwald nach einem kurzen Überblick über die alten Helvetier seine Chronik mit einer langen Liste Schweizer Adelsgeschlechter ein und begründet ihr Fehlen in der Eidgenossenschaft seiner Zeit130. Tschudi beginnt den Teil seiner Chronik, der mehr die eigentlich eidgenössische Geschichte behandelt, mit Sprichwörtern über den Adel. 128 Über die Billigkoit in den Reohtsanschauungen vgl. Wolf, Reohtsdenker, Zasius; besonders Wolf, Quellenbuch zur Geschichte der Rechtswissenschaft. - Vgl. Simler: «Rcm-publicam vero nostram summa aequitate constitutam esse, et iustitiae laudae olam Semper fuisse... constat.» Lat. fol. 128v; dt. S.413; vgl. auch das Folgende, besonders dt. S.437; lat. fol. 139. 120 Dieser Ausspruch bei Edlibach, ed. M. Usteri, S. 87; vgl. S.85. Sonst noch häufig anzutreffen; vgl. besonders Polemik im Schwabenkrieg, i»» Brennwald, I, S. 18-66, 238, 10. «Do Adam grub und Eva spann, wo war denn da der Edelmann.» Wozu Tschudi bemerkt, ein Kaiser hätte hinzugesetzt131: «Ich bin ein Mann wie ander Mann, Wan dass mir Gott der Eeren gan.» Dann behandelt er das Wesen wahren Adels, der sich nicht auf das Privileg besonderer Geburt allein berufen dürfe und fügt deshalb noch den Spruch an. «Lebt der Adel on Vernunfft, so hört er in die Buren-Zunfft.» Auch Stumpf und Simler setzen sich mit dem Adel im allgemeinen wie in der Eidgenossenschaft breit auseinander. Sie suchen die Behauptung, die Eidgenossen seien adelsfeindlich, nach Kräften zu widerlegen132. Auch diese Diskussion zeigt, vielleicht noch besser als anderes, dass die Eidgenossen nicht als Feinde der bestehenden ständischen Gesellschaftsordnung gelten wollten, sondern sich bemühten, ihre besondere soziale Ordnung in die allgemein herrschende einzuordnen, und die Ansicht vertraten, ihre Ordnung stünde innerhalb der allgemeinen. Wenn auch von der inneren Struktur der Eidgenossenschaft Sozialrevolutionäre Wirkungen ausgegangen waren, so getraute man sich nicht, dies offen zuzugeben, geschweige denn damit Propaganda zu treiben, sondern man trat den Gegenbeweis an. Man wollte also nicht nur auf politischem Gebiet keine Sonderrollc spielen, sondern auch die geltende Gesellschaftsordnung nicht verletzen. Stellen wir diesen Gesichtspunkt neben den Gedanken der Legitimation eidgenössischer Staatlichkeit durch Kaiser und Reich, so lässt sich schlies-sen, dass die Eidgenossen konservativ an einer Gesellschaftsordnung festhielten, die sie im politischen Leben stärker als andere durchbrochen hatten, und auch ihre Herrschaft mit einer Rechtsgrundlage rechtfertigten, die sich streng im Rahmen des Herkommens hielt. Die Herleitung der Staatlichkeit von den kaiserlichen Verleihungen war eine allgemein anerkannte und galt ganz abgesehen davon, welches Recht im einzelnen Lande bevorzugt wurde. In der älteren Zeit war keine andere Legitimation so gut durchdacht wie die Herleitung von der Zweischwertertheorie durch die Legisten. Diese Theorie besass für die Eidgenossen besondere Bedeutung, weil sie durch den Hinweis auf ihre alte Reichsfreiheit jeden Vorwurf, 131 Th.Zwinger, Theatrum vitae humanae, erzählt, Maximilian I. (!) habe diesen Spruch an der Wand hängen gehabt, den zweiten eigenhändig darübergeschrieben. S. 1670. -Tschachtlans Veränderungen des Justingerschen Textes weisen schon in diese Richtung. 138 Simler, Einleitung. - Stumpf, fol. 291v, 312ff., 340 v. - Ellerlin, fol. 11: «Der Adel wird auch für andere Stände gehret, haben ire eigene herrschaften, Sitz, Schlösser, Gericht, Titel etc.; doch dörffen sie kein krieg füren, kein Tyranney treiben u. müssen auch yedem.. recht geben un nemmen vor der Oberkeit der Stat oder lands, darunter si gesessen.» — Vgl. ferner Clingenberger Chronik, S. 4. 52 53 ihre Herrschaft beruhe auf einer Tyrannis oder Anarchie, weil sie nicht rechtmässig, sondern durch Aufruhr entstanden sei, abwehren konnten. Kaiser und Reich besassen für sie damit eine besondere Bedeutung, auf die sie nicht ohne Grund und ohne eine andere Legitimation ihrer Herrschaft verzichten konnten. Diese Argumentation mag ein wenig konstruiert erscheinen, da für frühere Zeiten der eidgenössischen Geschichte der Nachweis, dass diese Gedanken auch gedacht wurden, nicht geführt werden kann, weil die Quellen darüber zu wenig mitteilen. Erst in der Reformationszeit werden diese Betrachtungen niedergeschrieben. Da Johannes Stumpf in der Vorrede zu seiner Schweizerchronik gerade unsere Gedankengänge als Zweck seines Werkes bezeichnet, führen wir ihn als Beispiel dafür an, dass die Gedanken der Legitimation der Einzelstaatlichkeit eine nicht zu unterschätzende Bedeutung besassen. Bei anderen Chronisten finden sich ähnliche Gedanken, jedoch selten so Mar und so knapp zusammengefasst: «Es wirdt auch in disem werck gar grundtlich erwisen, dass sich der ursprünglich anfang der loblichen Eydgnoschafft, gar nit mit aufrůr, ungehorsame, Verachtung rechter ordenlicher Oberkeit, unbillichem hass zur Herrschafft, oder durch abwerffen von jemands gebürlichen pflichten und schulden (als villeycht bey vilbemelter Eydgnoschafft abgünstigen mochte fürgewendt werden), sonder vil mehr durch handhabung althärgebrachter freyheiten und gerechtigkeiten, wider alle die, so sie daran understůnden zübekrenoken, und sie darvon zůtreyben, Item durch abwerfen unträg-licher beschwarden, schindereyen, exactionen, und tyranney dess bösen ungerechten gewalts (welchen Gott an dem armen frommen und betrengten volek nit länger sähen wolt) erhebt hat und auff kommen ist. Dann da wirt sich auch klarlich befinden, dass kein Statt noch Land in der Eydgnoschafft in solche Eydgnössisohe pündnuss je kommen ist, sie seye dann zuvor an ihrer freyheit beschwecht, und die mit gewalt zůerhalten zum höchsten benotiget, ja mit besonderem tratz, unbill, můtwillen und angelegtem gewalt in die pündt getrengt worden. Also dass nit unbillich hernach etwan vil Keyser, König und Fürsten soliohe pündnuss und frey wesen der Eyd-gnossen (darin sie von Gottes gnaden von anfang härgestanden sind, und nach stahnd, und mit Gottes gunst und hilff auch furter bestahn werden) für rechtmässig, billich und redlich erkennt und mit iren Keyserlichen und Köniklichen Privilegien nit allein zum höchsten und besten bestätiget, begnadet und befreyet, sonder auch selbs offtermals sieh zu gemeinen Eydgnossen, als zu ehrlichen, frommen und biderben leüten und nit als zu einem abgefallnen und auffrůrigen volek, gefreündet, mit inen pünd-nussen, Vereinigung und verstendmissen auffgericht und löblichen gemacht und gehalten haben: welches zwar nach auff disen tag nit nun alle erbaren verjähen, sonder auch die missgünstigen loblicher Eydgnoschafft (ob gleych wol mit Unwillen) bekennen müssen133.» 133 ÄrMmp/jVoirede, vor der Widmung.-ÄhnlichformuliertÄimrer,Einleitung,fol. * 3ff.: dPlorisque enim persuasum est maiores nostros oecisa aut eiecta omni nobilitate, novam Auf diese Weise lernen wir auch den Vorwurf kennen, gegen den sich die eidgenössische Geschichtsschreibung zur Wehr setzte. Josias Simler formulierte ihn im Lateinischen noch präziser: «alii vero forte nos ut barbaros et nobilitatis atque Kgitimae gubernationis hostes accusant, et maiorum nostrorum victorias contemnunt, et seditionis damnant»184. Gleichzeitig teilt Johannes Stumpf die Entgegnung der Schweizer mit, die ihnen als wirksamstes Argument gegen solche Verunglimpfungen zu Gebote stand, und die wir schon in der älteren Chronistik nachzuweisen versuchten. Gegenüber solchen Vorwürfen verteidigten sich die Eidgenossen aber nicht nur mit der Feder der Geschichtsschreiber, sondern auch mit der der Kanzlisten und Ratsschreiber. E. Feller hat verschiedentlich aufgezeigt, dass sich der Berner Rat nach der Reformation wohl auf die götthohe Einsetzung der Obrigkeit berief, aber dennoch seine Herrschaftsgewalt von den kaiserlichen Privilegien ableitete, wie das zum Beispiel in der Stadtsatzung von 1539 geschah: «Wir der Schultheis, räth unnd burger, genant die zweyhundert, der statt Bernn bekennent offenntlich und füegent zu wüssen menngklichem mit diesem brieff, das wir flyssigklich bedacht unnd betrachtet habennt, dz aller gwalt uff erdterich den mennschen - die dann gott irem schöpffer durch Adams fal unghorsam des rechten unbekannt unnd zu dem ergaren geneigt worden - durch Ordnung gots irs erschaffers uffgsetzt unnd geben ist, fürnemlich der ursach, das der selb gwalt anstatt unnd als ein werchzüg gots uff erdterich die gütten und frommen vor denen, so dz recht nit erkennen noch erwegen, dessglychen ire begirdenn nit vertruckenn mögen, sonnders durch freuelen gwalt oder arglist herfür brechen lassenn und desshalben allwegen zu nachtheyl unnd veruortheylung der frommen schirmen, erredtten und behalten soll. Diewyl dann durch sönndere hilff und fürsechung gots ein ersame, fürsichtige oberkeit diser loblichen statt Bernn unnd harkomen, dann der from fürst hertzog Berchtold vonn rempublicam, quae non tarn respublica quam anarohia sit, instituisse: et si sit aliqua respubliea, nobiles tarnen ab ea exeludi, neque ullum inter nobilem et plebeim discrimen esse. Quam vero vana et improba sit haec calumnia, facile videbunt, quicumque haec nostra legerint. Primum enim quod foedera attinet, etsi pagi aliquot Austriorum imperio paruerunt, certum tarnen est, maiorem partem liberam et sui iuris fuisse, ideoque optimo et aequissimo iure potuisse foedus inter se facere. Deinde illi pagi qui Austrijs, paruerunt, conditionibus certis eorum imperio subiecti fuerunt, et multa privilegia habuere, quae cum Ulis prao-fectorum improbitate eriperentur, et atroeibus atque notorijs iniurijs afficerentur, coacti sunt alibi defensionem quaerere. Veruntamen in přimis et antiquissimis foederibus excipiunt Austriorum iura, et ostendunt se paratos esse ad omnia illis praestanda, ad quae iure et legibus tenerentur, cum vero illi nolent his contenti esse, sed eos prorsus opprimere cona-rentur, armis sese in libertatem asseruere. Ipsae autem foedermn conditiones nullam sedi-tionem Spirant, nihil iniustum sanciunt, sed humanitatis et aequitatis plenae sunt, ideoque Romani Impcralorcs Holvetiorum foedera approbarunt et confirmarunt, nova quoque privilegia et immunitates amplas ipsis elargiti sunt.» 134 Simler, Einleitung, fol. * 5 v. - Vgl. auch die Schriften der Gegner der Eidgenossen, wie Hemmerli, Pirkheimer. - Vgl. auch SimZßr, fol. 2: «Sunt tarnennonnulli, quiodioingentigentis Helveticae, nimis impudenter anarchiam nobis ohijoiunt, ac maiores nostros, caosis aut in ordinem redaotis nobilibus, sese in hanc libertatem praeter ius et aequum vendicasse ahmt: alii etsi agnoscunt gravibus nobilium iniuriis, et eontumelijs maiores nostros ad arma pro-vocatos esse, ipsos tarnen iustae defensionis modum excessisse arbitrantur.» 54 55 Z&ringenn, on zwyfel durch Ordnung gots bewegt unnd gereitzt, hat ie die statt Bernn für dz erst darumb gestifftet unnd ze buwen beuolchen, dz die erbaren, frommen unnd fridens- ouch der biiligkeit begirigenn, so der zyt wider und für tyranischer herrenn gwalt lyden oder besorgenn und forchten müesstent unnd kein glyohs noch billichs verhoffenn mochtennt, sich in die selbige statt versamlenn unnd semlichem gewalt, unbill unnd unrechten enntwychen könntcnt, als die cronigken dz heytter anzougennt, zu dem dz die genannte statt Bernn durch Werbung irs stiffters, us willenn gots beschechen, vor den oberstenn Europe - dz ist der cristennheyt - re-gennten, mit namen des heyligen richs fürgesatzten künigen und keyseren gnad funden, dz sy mit fylen fryheitten höchlich unnd rychüch vonn inen begäbet, dero höchste ist, dz ire inwonenden burger uss inen selbs amptlüt, rath und uffsacher oder pfleger erwellenn und ordnen unnd über sich selbs Ordnungen und Satzungen machen mögennt nach eere des heyligen rychs, ouch lob und nutz derselben statt Bernn, alles nach usswyssung der fryheit brieffen unnd guldiner bullen, genannt die hanndtueste, do dz heytter innhalttent. Nachgenntz ist ouch bemelte statt Bernn, dero inwoner sich allwegenn irs ampts beflissen, in beschirmung der gütten, als sy für unnd für durch ire widerwerttigen mit gwalt unnd unrecht an-geuochten worden, durch ritterliche gogenwer unnd obligenden sigen, die sy mit hilff unnd bystand gots erlanngt, dermass uffganngen, gesterckt, in rüwige fryheit komen unnd mit volckrychen necken begäbet, unnd würt ouch durch eroffnung göttlichs wortts unnd willens dess rechten täglich also unnderwysen, dz mengklich one widerred erkennen mag, dz einer statt Bernn amptlüt, räth unnd diener zu beschützung der guttenn vor den bösen von gott verordnet sind. Sytmals dann nun ein ersame, fürsichtige bürgerschafft und oberkeit der statt Bernn sich vonn anfanng - als wir wol wüssent - biss uff diesen tag irs vonn gott bovolchnen ampts, wie das vor-erlüttert, hertzlich beflissen und wir ouch nach irem exempel unnd in sonnderheit unnsers herren gots beuelch, dz wir - im sye lob - us sinem wortt berichtet, ze thünd von hertzen bogerennd unnd desshalb ernnst-liohen nachtrachtenns gepflegt, durch was füg unnd wog semliche beschirmung zum geschicktestem! erstattet werden möge, haben wir gsehen unnd nach grundtlichem erwegen befunden, das weder daheim in frid noch kriegen glyche beschützung one Satzungen behalten werden unnd desshalb kein herrschafft oder regiment one Ordnungen unnd Satzungen beston mag. Dann ie ougenschinlich warhaift, dz die communen unnd Versandungen der mennschen, so durch stattutten, gesatzte unnd geschrybne recht geurtheylet unnd geregiert, nit allein in irem wesen unrecht belyben, sonnders mit der zyt, ie grösser, herlicher unnd fryer worden, unnd dagegen die lannd, stett oder herrschafften, die durch sonndriger lütten güt-düncken geuallen und gwalt urtheylen unnd regierung haben unnd dulden müessen, gar nit bestannden, sonnders unnderganngen und zu nüt worden sind. Diewyl wir dann kein fuglicher mittel zu Vollstreckung unsers ampts, dann geschrybne recht erfinden noch erdenncken mogent, harumb so habennt wir us krafft unnsers beuelchs, von gott geben, unnd unnsers gwalts, durch künig und keyser verlyhen, gefryet unnd sunst mit eerlichem tittel erobert, als Obstädt, zu fürderung gots eer, dem heyligen rych und unser statt Bernn zu lob unnd allen inwoneren derselben, ouch allen in der statt Bernn gricht gsessnenn unnd allen denen so der statt Bernn recht honnd, frommen, nutz, notturfft, trost unnd wolstannd über unns unnd dieselben unnseren zytlich Ordnungen, potte, verpotte, Satzungen, rechte unnd straffenn zum theyl nüwlich angsehen und verordnet, zum theyl us unser handueste unnd alten gsatzbücheren und rödelen, unnd zum theyl von altharbrachten gewonntten, aber ungeschrybnen gfttten brächen zu-samen in ein buch, ordenlich mit geschrifft verfasst inlyben lassen, also dz die gmeinlich unnd sonnderlich durch unns, die unseren unnd unser ewig nachkomen, gehanndhabet unnd geschützt, ouch stat gehallten unnd darnach geurtheylet werdenn soll, damit allen menschen, rychen unnd armmenn, mit hochen oder nidern stänndenn begabten, frembdon und heimischen etc. by uns billiche glychheit unnd glychs recht widcrfare unnd gehalltenn werde. Doch wellennt wir unns unnd unnsern nachkomen hiemit unnser fryheit, durch künig und keyser orlannget, nit vonn hannden enntfrembdet, genomen, noch unns dero enntzigen, sonnders lutter vorbhalten haben, mit namen so dick unnd vyl es unns und unnsern nachkomen füegen unnd von sonderm lob unnd eer wegen, vorab gottes und demnach unnser statt Bernn not sin beduncken würt, dz wir voll-mechtigen gwalt habent, die gerichtlichen Satzungen in disorm buch ver-griffenn, gmeinlich oder ettlich in sonnderheit, gar oder zum theyl, ab-zethund, ze widerrüeffen, ze ermdern, ze mindern, ze meren, ze uerbes-seren, unnd allwegen nach der zyt unnd den löuffenn - darnach all mennsch-lieh Satzungen gerichtet sin sollennt - ze ordnenn unnd ze schickenn. Soverr unnd als lanng aber dasselbig mit gmeinem oder mererm unnserm rath nit beschicht unnd vollzogen würt, so sollennt unnd wellent wir unnd unnser nachkomen zu allen zytten nach hierinn verschrybnenn stattutten, Satzungen unnd rechten urtheylen unnd hanndien by unnsern harumb zu gott geschwornnen eyden, one betrug, fund, arglist, gwalt unnd geuerd »13B. Als man in Bern den Souveränitätsbegriff kennengelernt hatte, änderte man seine Haltung nicht, sondern bezeichnete die Summe der Regalien als Souveränität, die immer noch von der Reichsgewalt abgeleitet wurden. Bern «betrachtete sich als ihr Träger in seinen Grenzen »136. Der Berner Rat entwickelte «seine Reichsprivilegien zu einer Gesamtvollmacht, mit der er unter anderem seine Ehegesetzgobung begründete»137. Dementsprechend 135 SRQ, 2,1, 1, Stadtrecht von Bern von 1539, S.261ff. Anstatt mehrerer Beispiele sei eines in extenso gegeben, um die Vorbindung von göttlicher Einsetzung und kaiserlichen Privilegien aufzuzeigen. 186 ygl. R.Feller,T)ev Staat Bern in der Reformation, Gedenkschrift zur Vierhundertjahrfeier der bernischen Kirchenreformation, II, 1928, S.6; vgl. S. 130ff. - Dio häufigen Berufungen auf die kaiserlichen Freiheiten in den Schweiz. Rechtsquellen z.B. SRQ, 2, II, 1, 2, S.94, N.46 (1598). Feller, Geschichte Berns, II, S. 300; vgl. auch S.298ff., 544ff., sowie a.a.O., S. 132f. 56 57 hielten die Eidgenossen gegenüber ihrem aargauischen Untertanengebiet noch längere Zeit an der Fiktion fest, dass sie diese Städte nur «zu des ( Reichs handen» als Pfandschaft besassen. So schwört 1464 Aarau «vorab i dem heiligen römischen riche als für ein fry und unbetwungen richstatt i und darnach der statt von Bern»138. Für Luzern lässt sich aus Segessers Rechtsgesohichte ähnliches herauslesen, wenn Segesser auch diese Frage nicht direkt anschneidet139. Für die übrigen Orte kann nur vermutet werden, dass sich ihre Haltung nicht wesentlich von der Berns unterschied, wenn sie auch zum Teil nicht ganz so lange an dieser Art der Legitimation ihrer Staatlichkeit festhielten. Für die zugewandten Orte erübrigt sich ein Hinweis, da ihre Bindungen an das Reich länger und fester bestehen blieben140. Wir können hier auf den Nachweis verzichten, dass auch die übrigen Orte ihre Staatlichkeit auf das Reich zurückführten, weil wir eine Reihe anderer Anzeichen besitzen, die das ebenso eindeutig beweisen. So müssen Münzbilder und Wappen, deren symbolische Bedeutung nicht hoch genug angeschlagen werden kann, als Beweis einer sinnbildlichanschaulichen Legitimation der eidgenössischen Rechtsordnung und des Staates aufgefasst werden. Wenn man an die Auseinandersetzungen denkt, die 1501 entstanden, als Basel vor Freiburg und Solothurn als Ort aufgeführt wurde, oder sich an die dauernden Vorrangstreitigkeiten der europäischen Gesandten während des 17. und 18. Jahrhunderts erinnert, so 138 SRQ, 16,1, l,S.120f. (1464); vgl. ebondort, S. 389f., N. 329/30, S. 455-489, besonders 481ff.; SRQ, 16,1, 1, S.176.N.73 (1513); für Baden vgl. SRQ, 16,1,2,1, S. 90, N. 47, Bestätigung der Rechte durch Sigmund 1434; 16,1, 2, 1, S.93ff„ N.49/52, Bestätigungen durch Friedrich III. 1442; S. 122f., N. 71, Bestätigung durch Maximilian I. 1487; S. 250, N. 233, Bestätigung durch Bern 1563; S.257f., N.250, gleiches 1598; für Brugg: 16, I, 2, 2, S.79, N.42 (1493), Eid bei Bürgeraufnahme: «...der sol schweren dem helgen römschen rieh, demnach unser genadigen herschaft und oberkeit von Bern, des gelich unser statt nutz zu fürdern...» Privilegbestätigungon: S.61, N.29 (1479); S.170, N.91 (1513); S.174, N.95 (1627); für Bremgarten: 16, I, 4, Privilegbestätigungen, bzw. Anerkennung der Freiheit: S.93, N.57 (1516);S.128f., N.84 (1611); S.170f., N.121 (1653); vgl. auch die Stadtöffnung von 1649, S.161f.,N.117: «Wir der Schultheis, dein und gros rftth und die bürgere gemeingk-lich der statt Bremgarten im Ergeoüw thuond kund..., dass unser statt von dem heiligen römischenrychund den allerdurohlüchtigistengrossmechtigisten unserengnedigistenherren römischen keyseren und künigen, darzuo dem hochloblichen huss von Österych..., mit ihren freyheiten, handuestinen, rechten, Ordnungen, Statuten, eehaftinen und zuogehörden begäbet, geehret und gefreyet, auch dero mit guoten keyserlichen, küngkhlichen und fürstlichen bullen versehen und unserer gnedigen herren und oberen den Eydgnosson von den aoht alten orthen brief und siglen vilfaltig bestetiget und in oraft des allessen von altem har kommen; dem ist also: ö - Für die Haltung Luzerns gegenüber Sempach vgl. Z. f. Schweiz, Recht, XXIV (NF II), Bestätigung der Privilegien 1620. - Für die andern aargauischen Städte vergleiche die Bände der Schweiz.Reohtsquellen, z.B. Zofingen, 16,1, 5. 139 Ä.Ph.von Segesser, Reehtsgeschichte der Stadt und Republik Lucern, besonders III, S.244ff. Vgl. dazu vor allem die Quellenzitate bei L.F.von Jan, Das staatsrechtliche Verhältnis der Schweiz zum deutschen Reiche, I, S. 352-396, II, S. 302ff., sowie SRQ, z.B. 14,1, 1, S.377, wo 1602 die Schirmorte Zürich, Luzern, Schwyz, Glarus erklären, dass der Abt als Fürst des Reiches und Stand der Eidgenossenschaft, «von Römischen Kaysern und Königen höchlich mit privilegia und fryheiten... dotiert», dass er einen Wochenmarkt bewilligen könnte. Die Eidgenossen hätten dazu nichts zu sagen, allerhöchstens zu raten. Vgl. auch dort die Verleihung des Blutbannos 1613, S. 238, N. 13. erhalten diese Formalien oder «Erinnerungen»141 doch bedeutend mehr Gewicht, als gemeinhin angenommen wird. Die Überhöhung der Stadtwappen sollte doch nichts anderes versinnbildlichen, als dass hier eine i autonome Stadt ihre Rechte und ihre Staatlichkeit von dem über ihr / stehenden Reiche ableitete142. Eine besonders wichtige Rolle spielte die kaiserliche Autorität auf dem. Gebiete des Strafrechtes. Hier hat sich die mittelalterliche Auffassung des Herrschers als des Richters noch sehr lange erhalten. Mit ihr verband sich in der frühen Stauferzeit die Ansicht, der Kaiser sei die Quelle allen Rechtes143. Diese Anschauung wirkte sich besonders auf dem Gebiete des Strafrechtes aus, das als eigentliche Herrschaftsfunktion angesehen^wurde. Wie wir schon aus einem Tscliudi-TAt&i sahen, galt im Mittelalter und noch lange darüber hinaus die hohe Gerichtsbarkeit oder das Blutgericht als besonderes Hoheitsrecht, das gleichsam die Obrigkeit als solche charakterisierte111. Wer die hohe Gerichtsbarkeit besass, wurde als Inhaber der Herrschaft betrachtet, obgleich die Erwerbung der Landeshoheit nicht immer von der Blutsgerichtsbarkeit ausging und es auch Herrschaften gab, in denen ein fremder Herr das Blutgericht ausübte. Sehr gut spiegelt sich diese Anschauung zum Beispiel im Twingherrenstreit, den Th. Fricker so anschaulich und rechtskundig beschrieb145. Bezeichnenderweise wurden damals Bern die hohe Gerichtsbarkeit und die Mannschaftsrechte zuge-sprachen, was uns zeigt, dass in diesen Rechten die wesentlichsten Staatsfunktionen gesehen wurden. Kein Akt staatlicher Gewaltanwendung bedarf sowohl für die ausübende Person wie für die Allgemeinheit so sehr der Legitimation, wie das Fällen eines Todesurteils oder eine Hinrichtung. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass gerade auf diesem Rechtsgebiet die Berufung auf kaiserliche Verleihung oder auf kaiserliches Recht, ganz gleich, was man im einzelnen darunter verstand, oder woher diese Anspielungen stammten, am häufigsten vorkommt und am längsten erhalten blieb. Schon in den Zeiten, als noch gesetzte Reiehsvögte über den reichsunmittelbaren Gebieten standen, war das Blutgericht eine der wenigen Aufgaben geblieben, die den Vögten im Namen des Kaisers zustand. Hier war deshalb der kaiserliche Einfluss und die Wirkung allgemeiner Rechtsbe- 141 Vgl. Bluntschli, Bundesrecht, S.239. 142 Für Wappen und Münzen vgl. HBLS, sowie A.Luschin von Ebengreut, Allgemeine Münzkunde, S.201. - Simler, dt. S.481. 113 Krause, besonders S.24, 133f. - Vgl. Clingenberger Chronik, S.185. 111 Vgl. oben, S. 48, sowie HBLS, III, S.481, Gerichtsbarkeit. 145 QSG, I, Th. Fricker, Twingherrenstreit. In so konzentrierter Form spiegeln sich selten die Rechtsansehauungen, wie auch die Anschauungen über das Verhältnis der Stadt Bern zum Reiche, besonders S. 29 und 45-49. S. 124 sagt Frankel, der Vertrotcr des hergebrachten Rechtes und der Rechtlichkeit: «Min herr Schultheis bekennt allwegen in sinen urteilen als ,der obristen herrsohafV zü. Da weiss ich nit, welche er meint ? Wir hend biss iez, und gloub noch, den keiser oder Römischen König für unser houpt und oberen erkennt... Ist dieselb meinung, so hend wir warlich dor stat nutz wol betrachtet. Denn der keiser bedarf sin wol, das wir im solches narrenwerk züsprechind...» - Vgl. Feiler, Geschichte Berns, I, S. 339ff. sowie S. 325ff. 58 59 Stimmungen am grössten. Daher war es in älterer Zeit selbstverständlich, dass im Blutgericht mehr oder weniger stark Reichsrecht wirksam wurde. Nachdem die Reichsvögte als Vorsitzende des Blutgerichtes von den reichsfreien Städten und Ländern selber gewählt wurden, kam deshalb die Berufung auf das kaiserliche Recht und die kaiserliche Verleihung immer stärker auf. Nachdem das Blutgericht von den Gliedern selber ausgeübt wurde, war eben eine besondere Legitimation nötig146. In den Schweizer Gebieten wird die niedere Gerichtsbarkeit meist als autonomes Recht des betreffenden Gerichtes behandelt, das nur selten Verweise auf kaiserliches Recht kennt, weil es meist auf Gewohnheitsrecht und Satzungen beruht147. Es benötigt auch keine andere Legitimation als den rechtmässigen Besitz des niederen Gerichtes. Im Blutgericht wird dagegen in der Regel auf irgendeine Art auf Kaiser oder Reich Bezug genommen. Das beste Beispiel dürfte Luzern sein, wo bis zum 10. Oktober 1730 «fortwährend bei jedem Falle, wo man in Luzern über das Blut richtete, die Freiheitsbriefe römischer Kaiser und Könige, über Leben und Tod der Menschen nach Recht oder Gnade zu richten, feierlich angerufen, vorgelegt und verlesen» wurden «zum Zeichen, dass man den Kaiser kraft seiner göttlichen Mission, als den höchsten Herren über Leben und Tod anerkannte und fortwährend gleichsam vermöge seiner Delegation das Blutgericht verwaltete»148. Man möchte nun annehmen, dass diese Gewohnheit sich über 1648 hinaus erhalten habe, weil niemand auf den Gedanken gekommen sei, das Formular abzuändern. Doch hatte 1661 in Luzern jemand angeregt, diese Verlesung wie in Basel abzuschaffen, da man jetzt souverän sei. Trotzdem beschloss der Luzerner Rat: «obwohl U.G.H. von sich selbsten ein fryer souveräner Stand sind, jederzyt für anständig gehalten worden, das es nit in Abgang kommen solle »149. Wenn in Luzern vor dem Bluturteil die Privilegien verlesen wurden, so berief man sich sonst meist nur auf das kaiserliche Recht150. In der älteren Zeit wurde das Gericht häufig noch unter freiem Himmel «an des richs offener (oder freier) Strasse» abgehalten151. Doch blieb dieser Rechtsbrauch nicht allzu lange erhalten, da der Prozess immer mehr ins Rathaus ver- 146 Vgl. Krause, S. 110 u. sonst. 147 SRQ, 14, I, 2, S.222, Öffnung Winzenberg 1460: «Es haut ain... vogt... zerichten um alles... nach keiserliohen rechten... usgenommen das für die hochen gricht gehört.» Vgl. 2, II, 1, 1, 8.103, N.44: 1562 Lehenrecht Obersimmental. 148 Segesser, IV, S. 178. 148 a.a.O., III, S. 37; vgl. IV, S. 178. 150 Nähere Untersuchungen über die anderen Orte mussten hierfür unterbleiben, so dass ein negativer Beweis nieht angetreten werden kann. 161 Vgl. z.B. SRQ, 16, II, 5, S.265; 2, II, 1, 1, S. 103. - Vgl. dazu auch die Bemerkungen Simlers und die Anmerkungen Leus dazu. Simler, ed. Leu, S. 466 (lat. fol. 147 v f.), Zürich, Schaff hausen (der Blutrichter behielt in Zürich den Titel Reiohsvogt bis 1798); Bern, S. 519; Luzern, S.620; Appenzell, S.654; Zug, S.556; Urseren, S.557; St.Gallen, S.587; Graubünden, S. 600; Wallis, S. 615. In Bern fand das Blutgericht «an der richs Strassen in unser erützgasse zu Bern» statt, die keine Durchgangsstrasse, sondern eine zum Rathaus führende Quergasse ist! SRQ, 2,1, 1, S.41. legt wurde. Durch das langsame Eindringen des Inquisitionsverfahrens war es im 17. und 18. Jahrhundert die Regel, dass auch Blutgerichtsfälle hinter geschlossenen Türen des Ratsaales verhandelt wurden153. Häufig wurden dennoch formell das Blutgerichtsverfahren oder Teile davon öffentlich durchgeführt, nachdem das eigentüche Urteil im Rat schon gefällt worden war. Wurde schon häufig beim Ort, an welchem das Blutgericht abgehalten wurde, auf Kaiser und Reich hingewiesen, so behielt auch der Leiter des Gerichtes lange Zeit, zum Teil bis zur Französischen Revolution, den Namen «Reichsvogt»153. Regelmässig weisen die Blutgerichtsordnungen in allen Gegenden der Schweiz auf das Richten nach kaiserlichem Recht hin. Gewöhnlich beginnt der Prozess mit der Erklärung, dass «alles nach dem keiserlichen rechten» ausgeführt werde, und wird mit einer ähnlichen Erklärung, das Urteil sei «nach dem keiserlichen rechten ergangen», abgeschlossen154. Für Bern hat H. Bmnefahrt nach- 152 Es wäro oinmal zu untersuchen, aus welchen Gründen sich die Art der Prozessführung veränderte. Sind da römisch-rechtliche Einflüsse am Werk ? Vgl. J. J. Blumer, Staats- und Rechtsgeschichte der schweizerischen Demokratien, II, 1, S. 147, der ein Schreiben von Sehwyz an den Kanzler des Kaisers zitiert, das anfragt, ob Schwyz.anstatt mit der Gemeinde mit dem Rat oder mit «eim besatztem gerieht» Bhitgericht anhalten dürfte. Als Motiv erscheint hier die schnellere Strafverfolgung (1612). 153 Z.B. in Zürich und Schaff hausen, vgl. Simler, oben, Anm. 151. - Blumer, II, 2, S. 61 f. Der «Reichvogt» muss bei der Vollstreckung zu Pferde anwesend sein in Glarus, Appenzell AR, Nidwaiden. In Appenzell für die Untersuchung von Malenzsachen die « Reichskammer ». Vgl. Blumer, II, 2, S. 58. 154 Als Beispiel einer solchen Ordnung sei die Ordnung des Engelbergor Tales angeführt, obwohl sie nicht die allgemein übliche ist: Um das Blutgericht abzuhalten, begeben sich die Räte zum Abt und Ammann und Statthalter, fordern von diesem das «kaiserliche Schwert». Der Abt übergibt das Schwert dem Weibel. «Nachdeme nun den richtern das schwert überreioht, und ein herr prälat selbsten auf die grichtstatt einen reichsvogt oder richter über das bluot zuoerkiesen und zuosetzen aufziehen wollte, wirt ime durch den Schwertträger das keyserliche Schwert vorgetragen, welchem vorgahnt zwen weybel mit hellenbarten. Den herren prälaten volgent immediate ein oder zwen conuentualen und dor ammann, auf selbigen der Statthalter und die rhät.» Auf der Gerichtsstatt angekommen fordert der Weibel mit folgenden Worten das kaiserliche Schwert: «Dieweyl mir und menigklichen ganz wol bekannt, das zuo solchen nottwendigen proceduren das keyserliohe schwert, das ist gewaltsame recht über das bluot zuorichten vonnoten, darmit e.gn. und hochwürde von königen und keyseren begäbet, wie dann solches von 500 jaren hero das gottshus gebrauoht», so wolle der Abt den Missotäter durch den Prozess strafen lassen. Daraufhin setzt «ein Herr Prälat» den Reichsvogt mit folgenden Worten: «. ..weylen aber hierzuo die notwendigkeit einen richter oder reichsvogt ervorderet, der das keyserliche schwert zuofüeren, dem gerichtlichen prozess ein rechtförmckliohen anfang, mittel und end zuogeben wüsse, wir aber aus habenden wolhargebrachten uralten könig- und keyserlichen Privilegien und bullen (welche auch zuo Ursprung der löblichen eydgnosschaft von den herren eydgnosscn, besonders aber unser gethrewen lieben schirmorten bekreftiget worden) ge volmechtiget sind, das wir mögent nach unserem belieben einen richter setzen und erkiesen über das bluot zuorichten,... als setzen wir uff hüttigen tag... N.N____und übergebent wir das keyserliche schwert mit dem bevelch, das er sich setze..., alda richte... nach der gerech -tigkeit und keyserlichen rechten seines besten Verstands...» Dabei übergab der Abt das Schwert dem Richter, der dem Abt antwortet und dann die Gerichtssitzung eröffnet: «... ich setze mich zuo gricht in statt und namen ihr keyserliche mayestet, auch unsers hochwürdigen gnedigen herren...» Dann verläuft der Malefizprozess in festen, altüberlieferten Formen. Nachdem das Urteil gesprochen wurde, gibt der Richter das «kaiserliche Schwert» wieder an den Abt zurück mit ähnlichen Formeln und Reden wie zu Beginn. Z.f. Schweiz.Recht, VII, S.85ff. Diese Ordnung galt bis zur Französischen Revolution. Die üblicho Formel gibt die Blutgerichtsordnung von Bremgarten (1645), nur dass ihr eine 60 61 gewiesen, dass «unter dem Sammelbegriff kaiserliches Recht' das Recht der Landfrieden angewendet wurde», obwohl man «glaubte, die Formel, es werde ,nach kaiserlichem Recht' gerichtet, sei nur daraus zu erklären, Einleitung vorausgesetzt ist, in deren Sinn der Schultheiss den Prozess einleiten soll. Er sei aber nicht an den Wortlaut gebunden. Hier wird zuerst auf die göttliche Einsetzung der Obrigkeit und den göttlichen Auftrag,«das schwort der gerechtikheit zebruehen», und dann auf die Freiheit eingegangen: «Wann nun ihr min g.hn. in namen gegenwärtig üwer statt Bremgarten als ein derglichen stand und respublic neben andern üwern wolhargebrachten keyserlichen königelichen fürstlichen und eidgnossischen priuilegien, freyheiten und beste-tigungen auch insonderheit vom heiligen röm.reich dotiert begabt und versehen mit der freiheit, über das bluot zurichten, als veer und wyt üwer stat und dorselben hoche zil und marchen sich erstreckhen, und nun ihr uf begebenden fall solche üch anuerthruwte freyheit zu üeben schuldig, ia uss yngefftrten Ursachen und voruss uss craft götlichen beuelohs üch billich höchst angelegen ist und sin sol...» Er habe das Gericht einberufen müssen. Dann eröffnet er die Sitzung mit der förmlichen Frage an den Altschultheiss: «Hieruf so frage ich üch her schultheiss uf üwern eid, ob ich nun nit befugt sige, das reoht anzetretten und das-selbige nach gwonlichem bruch zeverbanen, volgends dem begerenden wider den beclagten solches ergahn zelassen und zu volnfuren, alles nach dem keyserlichen reohten.» Altschultheiss: «Herr Schultheis und her der richter, diewyl ihr mich des reohtenfragent.sourtheile ich und dunkt mich recht, dass ir wol mögend nidersitzen, den grichtstab in uwere hand nemen, das gericht verbannen, das niemand frefner wys daryn rede, weder urtheil spreche noch widerspreche, werde dan ordenlicher wys befragt, und by höchster straf und ungnad, dass ihr auch hioruf das recht antretten, dasselbig dem begerenden wider den beclagten orgahn lassen, volnfuren und nit ufstahn sollont, bis ihr wider mit recht uferkent werden, alles nach dem keiserlichen rechten, und dass dan wyter umb d'saoh geschech, was recht sige.» Zum Schluss der Sitzung urteilen die Richter einhellig auf ihren Eid: «So urtheil ich das und dunkt mich recht, dass nunmeer ihr herr schultheiss und richter als der ihr das malefitzgericht bis an die execution oder volnziechung der houpturtheil nach dem keyserlichen rechten» verwalten und volnfüert haben, wol widerumb ufstahn, jedoch den gerichts-stab nit von handen geben sollen, bis die ergangne houpturtheil volnzogen oder exequiert worden.» SRQ, 16,1, 4, S. 165ff. - Zürich: «Als... der statt Zürich, von dem heylligen Rych Rhömischen Keyssorn, und Küngenn vor vil Jarenn, des heylligen Rychs vogtyg, by uns mit Irer zuogehörd ist ingegebenn, und bevolohen...» soll der Bürgermeister dem Reichsvogt, der aus dem Rat gewählt wird, «von des Richs wägen, den Bann liehen» mit den folgenden Worten: «... her der vogt, innamenn unnd an statt, unsers aller gnedigostenn herrenn des Rhömischen keyssers, oder küngs oder des heyligen Rychs, unnd uss bevelch, und gewalt, miner herren Eins Burgermeisters, unnd Rats, unnd uss krafft der fryheitenn,... so lieh Ich üch den bann zerichten über das bluott...» J. Schauberg, Z. f. ungedr. Schweiz. Rechtsquellen, I, 1844, S.374f; vgl. S.382ff.-Bern: SRQ, 2,1, 1, S. 211, 33; letzteres Vorbehalt des Kaisers bei Begnadigungen in der Handvesto. Vgl. vor allem Rennefahrt, Richten nach kaiserlichem Recht im altonBem, Z.d.bern. Juristenver., LXV (1929), S.S29«. - Luzem: Vgl. Segesser, Rechtsgesohiohte, IV, S.177, auch III, S.244; sowie A.Meier, Geltung der Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V. im Gebiete der heutigen Schweiz, Diss. Bern 1910, S. 100f., 173ff.; seinen Schlüssen kann jedoch nicht immer zugestimmt werden. - Uri: Vgl. Meier, S.183f.j Blumer, II, 2, S.S9. - Sohwyz: Vgl. Blumer, II, 1, S.147; II, 2, S.6, 59; Meier, S.117, 181f. -Unterwaiden: Vgl. Meier, S.188 (1731!), 116; Blumer, II, 2, S.6, 61; Nid-walden ändert 1731 das Verfahren. - Zug: «Allerletzten wird erkennt, das dis Recht genug-samben vollführt seye, nach Königlichen und keyserlichen Fryheiten und nach unser Stadt und Amt Landtgerichten, Bruch und Reoht» Maleflzordnung 17. Jahrhundert ( !). Z.f. Schweiz. Recht, I, S.64. «... richten nach römisch keyserlichen und königlichen Fryheiten, Gerechtigkeit und altem Herkommen» (S.65). «...dass nun solches Recht ergangen und wohl geurthcilt syg nach unser Statt und Amt alten Fryheit und Gerechtigkeit, damit sie vom römischen König und Keyser begäbet seyndt» (S.66 ebendort). - Glarus: Vgl. Blumer, I, S.544f.; II, 2, S.60; Glarus sohafft 1713 den öffentlichen Malefizprozess ab. - Freiburg: Vgl. Meier, S.119. - Schaff hausen: Vgl. Meier, S.158; sowie Simler, S.466. - Appenzell: Vgl. Blumer, II, 2, S. 58ff; in Ausserrhoden wurde 1720 der alte Blutgerichtsprozess abgeschafft; die Untersuchung führte eine «Reichskammer». - Graubünden: Vgl. Meier, S. 119. -St.Gallen: Vgl. SRQ, 14, I, 1, S.648, sowie 238. - Leventina: «Mag alsdann der Richter mit seinem zugeordnetem Gericht nach kaiserlicher Rechten verfahren, die lauten wie Keyser dass der Blutbann vom Kaiser an die Stadt Bern verliehen worden sei»165. So wichtig das Ergebnis dieser Untersuchung, dass diese Teile des Strafrechtes auch materiell auf Reichsrecht zurückgehen, ist, zeigt die Rechtfertigung des Blutgerichtes mit Kaiser und Reich doch auch, dass es Bereiche staatlicher Machtausübung gab, die sich noch lange Zeit einer selbständigen Legitimation entzogen und alte Formen, wenn auch nicht ohne jeden Wandel, bewahrten. Zur Erhaltung des alten Blutgerichtes und seiner festen Formen mögen ausser der allgemeinen Tendenz, älteres Recht ; zu erhalten, die gleichbleibenden, formelhaften Wendungen des ganzen i Verfahrens wesentlich beigetragen haben. Andererseits muss auch be- j achtet werden, dass durch die Feierlichkeit des ganzen Prozesses jede ein- | zelne Formulierung grosse Bedeutung besass und genauestens beobachtet wurde. Als reine Formalie kann es daher nicht einfach abgetan werden. Das Richten nach kaiserlichem Recht blieb, soweit das nach den Publikationen der Schweizer Rechtsquellen ersichtlich ist, bis zum Ende des 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts, in manchen Fällen sogar bis zur Französischen Revolution im Brauch. Vor allem in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts vollzog sich eine Änderung. Nachdem 1713 in Glarus und 1720 in Appenzell Ausserrhoden der öffentliche Malefizprozess abgeschafft worden war, beschloss 1730 der Luzerner Rat, inskünftig auf die Verlesung der Privilegien zu verzichten156. Im gleichen Jahre befahl die Berner Obrigkeit, dass der Ausdruck «nach kaiserlichen Rechten» in «nach unser Stadt Rechten» abzuändern sei157. Damit ver-sohwanden die letzten Reste einer Herleitung eidgenössischer Staatlichkeit vom Reich; denn etwa gleichzeitig kommt auf dem Gebiet der Heraldik die Überhöhung des Standeswappens durch den Reichsadler ausser Übung, wenn auch der Schaffhauser Rat noch in der Mitte des 18. Jahrhunderts zulässt, dass an den Beschlägen der Tür seines Sitzungssaales der í Schaffhauser Bock durch den Reichsadler überhöht dargestellt wurde168, i Wieweit diese Änderung der Staatsauf fassung auf einem Eindringen des I Naturrechtes beruht, wodurch sie hervorgerufen und wie sie durchgesetzt wurde, kann hier nicht untersucht werden. Carli des fünften Halsgoricht Ordnung an 119 Artikul...» Z.f.Sohweiz.Recht, XII, S.148. Wie kommt dies kaiserliche Gesetz in die Leventina ? - Thurgau: Vgl. Z. f. Schweiz. Recht, I, S. 8 (1714). - Murten: SRQ, 9,1, 2, S. 365. - Aarau: SRQ, 16,1, 1, Landtagsordnung 1596, S.297, N. 191. -Baden: SRQ, 16, I, 2, 1, S.297, N.335. - Brugg: SRQ, 16, I, 2, 2, S.139, N.89, Stadtrecht 1512/13, vgl. 252 (1622), 72. - Zoflngen: SRQ, 16, I, 5, S.333, 403f. -Vgl. allgemein Krause, a.a.O., S.98ff. Hier wurden meist nur die jüngsten Beispiele aufgeführt, um zu zeigen, wie lange diese Anschauung noch bestand. - Vgl. auch Schilling, Luzerner Chronik, S. 69, Prozess Hagonbachs. I5S Rennefahrt, a.a.O., S.529ff. 166 Vgl. Blumer, II, 2, S. 60. - Segesser, III, S.37, Anm.3; vgl. IV, S.178f. In St.Gallen orfolgte vor 1701 eine Veränderung; vgl. Meier, S. 146. 161 Vgl. Rennefahrl, 3.529. - Vgl. Meier, S. 206. - R. Wagner, Über schweizerische Strafpraxis im Aufklärungszeitalter, Z.d.bern. Juristenver., LXIII, S.253. 1M Vgl. Museum Allerheiligen in Schaff hausen. Mir ist auch oin Schaffhauser «hochober-keitlich begünstigtes Kuntsohaftsblättlein», ein offiziöses Anzeigenpublikationsorgan von 1758 durch die Hand gegangen, auf dessen Titelvignette zwei Schaffhauser Böcke den Reichsadler halten. 62 63 Ohne damit ein Urteil über die Frage, wann sich die Eidgenossenschaft vom Reiche abgelöst habe, zu fällen, stellen wir fest, dass Kaiser und Reich für wichtige Bezirke staatlicher Machtausübung noch im 17. und 18. Jahrhundert die Legitimationsgrundlage bildeten. Für das 15. und 16. Jahrhundert sind wir jedoch zu dem Schluss gezwungen, dass die Eidgenossen in jener Zeit ihre Staatlichkeit allein in Kaiser und Reich begründet sahen. Sie wurden dazu aus verschiedenen Gründen veranlasst, die letztlich ihre Ursache in den Sonderentwicklungen der Eidgenossenschaft hatten. Neben dem rechtskonservativen Charakter der Eidgenosser -schaff, die zum guten Teil auf den grossen Einfluss des«gemeinen Mannes » zurückzuführen ist169, veranlassten vor allem die Argumente ihrer Gegner, dass sich die Eidgenossen in besonderem Masse auf eine Legitimation ihrer Rechtsordnung und ihres Staates durch Kaiser und Reich beriefen. IV. Kaiser und Reich in der eidgenössischen Ghronistilc des 15. Jahrhunderts Nachdem aufgezeigt wurde, dass die Eidgenossen Kaiser und Reich als Quelle ihrer Staatlichkeit und Selbständigkeit ansahen, sollen nun die Anschauungen, die die Eidgenossen von Kaiser und Reich hatten, herausgearbeitet werden. Bevor wir den Vorgang der Ablösung der Eidgenossenschaft vom Reiche untersuchen können, muss klar sein, worin die Abhängigkeit der Eidgenossen vom Reiche bestand. Darum sollen uns die eidgenössischen Chronisten darüber orientieren, was die Eidgenossen unter den Worten «heiliges römisches Reich» verstanden, welche Aufgaben sie dem Reiche zuwiesen und welche Pflichten sie gegenüber dem Reiche zu erfüllen bereit waren. Dabei benutzen wir jede Aussage der Chronisten des 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts über Kaiser und Reich und versuchen, diese einzelnen Steine und Steinchen mosaikartig zusammenzusetzen, so dass ein annähernd vollständiges Bild entsteht. Der Berner Chronist Conrad Justinger ist ein typisches Beispiel städtischer Geschichtsschreibung, die sich bewusst darauf beschränkt, die Vergangenheit ihrer Stadt und ihres Gesichtskreises zu schildern180. Recht oft erwähnt sie einige wichtige oder seltsame Ereignisse, «so in denkreissendes römschen Riehes in tütschen landen kürzlich beschechen sint»161. Für die Weltgeschichte verweist Justinger jedoch «auf die waren hystorien und die bücher der kroniken»162. Gleichwohl sucht er seine Darstellung der Berner 169 Dio Bedeutung des «gemeinen Mannes» in der Eidgenossensehaft darf für das 15./16. Jahrhundert nicht überschätzt werden, da sein Einfluss auch sonst gross war. Vgl. Bezold, Aus Mittelalter und Renaissance, Die armen Leute und die deutsche Literatur des späteren Mittelalters, = HZ, XLI, 1879. 180 G. Justinger, Berner Chronik (aus den zwanziger Jahren des 15. Jahrhundorts), ed. G.Studer, 1871. 181 a.a.O., S.l. 182 a.a.O., S.l. Geschichte in den Rahmen der Weltgeschichte zu stellen. Deshalb beginnt er seine Berichte nicht mit der Gründung Berns, sondern gibt seinem ersten Kapitel die Überschrift: «Von dem nechsten keyser e Bern gestift wart »103. Nachdem er in zwei Kapiteln über Friedrich Barbarossa gesprochen hat, widmet er die folgenden beiden Kapitel Heinrich VI. und Friedrich II.164, um dann mit Berchtold von Zähringen und dem burgundischen Adel zur Gründungsgeschichte der Stadt zu kommen165. Wie schon die Einleitung und der Aufbau der ersten Kapitel zeigt, behandelt Justinger auch im weiteren Verlauf seiner Darstellung die Geschichte seiner Stadt als einen ldeinen Teil der christlichen Welt. Aus den christlichen Vorstellungen des Weltenablaufes heraus wird die Stadtgeschichte Berns geschrieben, in der Kaiser und Papst, teils wegen ihrer Bedeutung für das lokale Geschehen, vor allem aber als Verbindungsglieder zur Weltgeschichte, die selbstverständlich Heilsgeschichte ist, einigen Raum einnehmen. Alle anderen Mächte, mögen sie auch noch so bedeutend sein, werden nur erwähnt, wenn sie unmittelbar die Stadtgeschichte berühren, oder wenn sie in die Reichsgeschichte verwoben sind. Ausser Geschehnissen in der Nachbarschaft Berns findet sich selten ein Ereignis verzeichnet, das nicht mit der Reiohsgeschichte in engem Zusammenhang steht. So erwähnt Justinger beispielsweise nichts, was der Geschichte Frankreichs oder Burgunds zugehört, obwohl er in Bern schon wegen der von der Lyoner Messe kommenden Kaufleute keinen Mangel an Nachrichten litt. Nur wenn das Geschehen in Frankreich für die Reichsgeschichte bedeutsam wurde, wie etwa bei der Wahl Eduards III. zum römischen König,. erzählt auch Justinger knapp davon166. Der römische König galt für Justinger «als für den mechtigosten und gewaltigosten in der cristanheit»167. In diesem Amt sah er einen Dienst, der Gott und der christlichen Kirche zu leisten war168. Das Reioh hatte in erster Linie die Interessen der Christenheit zu vertreten. So erwähnt er bei Friedrich Barbarossa eigentlich nur dessen Romzug und die Fahrt ins Heilige Land169. Als vorbildlicher Kaiser ersoheint ihm Sigmund, der die Einheit der Christenheit wiederherzustellen suchte, nachdem das Schisma unter seinen Vorgängern nicht beseitigt werden konnte. Justinger schildert 163 Justinger, S. 3i 101 a.a.O., S.4f. 1,1 a.a.O., S.6f. 100 Eine Ausnahme bilden die Ermordungen des Herzogs von Orleans und des Herzogs von Burgund. Den Beweggrund, diese Nachricht zu erzählen, hat wohl eine Hand in Schillings Bilderchronik an dem Rand hinzugesetzt: e Qui gladio oeoidit, gladio periit.» — Justinger behandelt in 36 Kapiteln nur Reichsgeschichte ohne jeden Bezug auf Bern, wobei die Schilderung des Konzils zu Konstanz wegen seiner Bedeutung für die Eidgenossen nicht mitgezählt wurde, wie auch Ereignisse, die durch sachliche oder geographische Nähe Bezüge zur eidgenössischen Geschichte besitzen. 181 Justinger, S.211, 288f. 168 «Daz küng Sigmund die walung ufneme, tet er durch gots und der heiligon cristanheit willen, ob er darinne got und der heiligen kilchen gedienen möchte und die widerbringen an ir stat. Darumb wolt er lib und gut arbeiten. Und also nam er bürde und den last der cristanheit an sioh.» S.212; vgl. S.211, 288f. 1M Vgl. a.a.O., S.3f. 64 6 65 ihn als gerechten Riohter, der sein königliches Amt nicht zur Bereicherung und zur Prachtentfaltung ausnutzte. Den König zeichnen Frömmigkeit, Milde und Barmherzigkeit aus1'0. Neben Sigmund achtet Justinger Ruprecht von der Pfalz, der «von adel und tugenden ein fürnemer fürst und römscher küng waz»171. Da Ludwig der Bayer wie Rudolf von Habsburg Gegner Berns gewesen waren, würdigte sie Justinger nicht besonders als Herrscher. Aber auch Karl IV. fand trotz seines guten Verhältnisses zu Bern nicht die Anerkennung des Berner Chronisten, der ihm vorwarf, er habe seine Königswurde mit Geld erkauft, er habe seine Aufgabe als Schirmer des Papstes um Geldes willen nicht erfüllt und habe das Reich gegen die Engländer ungenügend verteidigt173. Das Gegenteil seines Königsideals sah Justinger in Wenzel verkörpert, den «die kurfürsten mit unrecht und wider got erwalten», denn Wenzel erlangte seine Wahl durch Geld und Gut und lobte unköniglich173. Die Kurfürsten betrachtet Justinger vor allem als Wähler des Königs, weshalb sie für das Reich und die Christenheit verantwortlich sind. Sie verkörpern keineswegs das Reich, wenn es auch der Chronist nicht unterlässt, ihre Mitwirkung bei wichtigen Entscheidungen zu erwähnen. Doch misst er ihnen nicht viel mehr Gewicht bei als den übrigen Fürsten. Im Gegensatz zu späteren schweizerischen Chronisten äussert sich Justinger auch einmal bedauernd über den Verfall des Reiches in seiner Zeit. Wenn Juslinger zu der Formulierung kam: «Ez waz und ist kuntlich, daz daz römisch rieh undergangen und verdorben ist, und dem rieh nieman bistendig noch gehorsam ist», so keinesfalls aus dem Grunde, weil dem römischen König Macht fehlte und das Reich in Teilgewalten zerfallen war, sondern er sah die «gebresten des heiligen römschen richs» darin, dass das Schisma eine Teilung der Kirche bewirkt hatte, und ferner darin, dass «lamparten, und ander lender, stett und vestinen, usser des heiligen römschen richs handen komen sint und dem rieh abgezogen frevenlich und manig jar vorbehept»174. Diesen Misständen stellt Justingar die Person Kaiser Sigmunds gegenüber, der sie weitgehend beheben kann. Kaiser und Reich haben also in den Augen Justingers vor allem eine christliche Aufgabe. Sie symbolisieren die Einheit der Christenheit und haben für deren Schutz und Frieden zu sorgen. Für die Glieder des Reiches erwartet er über die Bestätigung von Privilegien und die Verleihung von Rechten hinaus nicht viel, wenn er es auch als eine Pflicht des Kaisers be- "« Vgl. Justinger, S.234, 211ff., 288. 1,1 a.a.O., S.209; vgl. S.188: «fromer fürst»; 8.191. 172 a.a.O., S. 108f., 126f., 125: «O, miet, wie verderbest du so mengen man!» 173 «Darumb plagot si got, daz ir keiner rechten todes nie erstarp, woa si gros gaben und miete darumb cirpfiengen, daz er dem rieh stal und inen gab. Er ward ouch dem römschen riche nie nütze, und lebte als ein ander trunken man, künglicher eren wielt er nüt. Darumb wart er mit grossen uneren von dem bapst vom rieh gesetzet.» («Von dem bapst» fehlt in den meisten Handschriften!) S.148, vgl. S. 187, wo er über Wouzels Regierung schreibt: «Won der anfang valschs und bözo waz, als er gesetzet wart, daz mittel böser, won er dem rieh nie gut getet, daz ende aller böst, wan er mit schänden und unoren abge-setzet wart.» Justinger, S. 211 f. - Vgl. dazu RTA, VII, S. 181ff., N.125. trachtet, die Reichsglieder, vor allem die Reichsstädte, zu schützen. Doch bedauernd meint der Chronist, solches würde selten gesehen175. Die Leistungen derReichsglieder gelten ihm weniger als selbstverständlichePtlicht, sondern die Eidgenossen stehen dem König mehr aus gutem Willen und einer ethisch-christlichen Verpflichtung heraus bei176. Da die Zürcher Chronik, so wie sie Dierauer herausgab, im Gegensatz zu Justinger kein einheitliches Ganzes darstellt, können wir aus ihrem Aufbau keine Schlüsse ziehen177. In dieser Hinsicht leistet die Edition der sogenannten Clingcnberger Chronik bessere Dienste178. Wie auch aus dem Handsehriftenverzeichnis bei Dierauer ersichtlich ist, zeigt uns diese Ausgabe, wie die Zürcher Chronisten ihre Stadtgeschichte in die Welt- und Reichsgeschichte einzubauen suchten. So beginnt die Clingenberger Chronik ihre Schilderung mit der Feststellung, dass die Christenheit zwei Kaiser habe, dargestellt durch die Wappenschilder des «Römisch rieh» und «Constantinopel», wozu der Chronist bemerkt: «Es sol aber von recht nu der ain ze rom sin»179. Nach einer Aufzählung der Königreiche von Zypern bis Irland und von Portugal bis Polen, angeführt vom «römisch rieh», schildert der Clingenberger Chronist die Einsetzung des Kurkollegs. Die Christenheit habe zwei Häupter, den Papst, der von den Kardinälen gewählt werde und der «von gewonhait ain walch sin» soll, und den Kaiser, den die deutschen Fürsten erwählen, «von altem harkomen ain tütscher». Wie viele andere Autoren lässt er Otto III. bestimmen, dass die sieben Kurfürsten als «des haiigen römischen richs obersten amptlüt» einen «römischen künig und künftigen kaiser» erwählen sollen180. Für die ältere Zeit finden wir in der Reichsgeschichte nur einige wenige Fakten der älteren Geschichte Zürichs eingestreut. Aber auch die Zürcher Chronik berichtet nicht nur lokale und Zürich allein betreffende Ereignisse, besonders wenn man berücksichtigt, dass in einer Anzahl der Handschriften noch grössere oder kleinere Berichte des Konstanzer Konzils eingeschoben sind. Wie Justinger sahen auch die Zürcher Chronisten in Sigmund das Ideal eines Kaisers verkörpert, der durch den «rat der helgen cristenheit», das Konzil, die Einheit der Christenheit wiederherstellte181. Auch Rudolf von Habsburg kam dem Königsideal nahe, während Ruprecht von der Pfalz und Karl IV. nicht sehr geachtet, aber auch nicht abschätzig beurteilt 176 «Und wart die stat mit krieg vast uberladen, daz es der stat ze vil und uberswenkig waz, und wisseten nit wol wie si ir Sachen bestellen solten; ir herre, der römsche keyser, waz inen ze verre; ouch wirt selten gesechen, daz die römschen keyser oder künge ir und des richs statte enschütten oder in iren kriegen hilflioh syen, es wirt me gesechen, daz si inen vonlegen und wider si sint und selbs bekriegen und beschetzen, denn daz si inen zulegen oder hilflioh syen.» S. 17f. 178 Vgl. z.B. das Lied über die Engländer, S. 145 f., das den Stolz wiedergibt, der die Berner über diesen Sieg erfüllte, da der Kaiser diese plündernden Horden nicht abhalten konnte. 177 QSG, XVIII, entstanden nach 1415. 178 ed.A.Henne von Sargans, 1861, die stark von Königshofen abhängig ist. 179 a.a.O., S.l. M° a.a.O., S.4ff. 181 QSG, XVIII, S. 176f., 178, 3; vgl. S. 181. 66 67 werden182. Wenzel, der «dem rieh nit wolte helfen, won es riöhsnoten ze den ziten wol zwen bapst», wird als schlechtem Herrscher die Duldung der" Hussiten vorgeworfen183. Die wichtigste Aufgabe des Kaisers scheint der Schreiber der Zürcher Chronik in der Friedensvermittlung und in der Bewahrung der Einheit der Christenheit zu sehen, wenn er schreibt: «der küng ... verricht da (in Arragon, Frankreich und England) die grossen krieg, die lang hatten gewert, und machte ouch alle bäbpst und höpter und prelaten undertanig und gehorsam»184. In der von Dierauer herausgegebenen Fassung erscheinen gegenüber der Clingenberger Chronik alle Kaisergestalten etwas blasser, und die Kurfürsten werden seltener erwähnt. Dafür treten die Reichsstädte und die enge Verbindung Zürichs mit ihnen etwas mehr in den Vordergrund. Beide Chroniken sehen selbstverständlich den Kaiser als Haupt der ganzen Christenheit an, dessen Oberherrschaft alle Reichsglieder, aber nicht die Königreiche, unterliegen. Die Reichsfreiheit der Eidgenossen ist für beide ein wohlerworbenes und durch Leistungen verdientes Recht, das noch als Vorrecht betrachtet wird. Wie für Justinger stehen Reich, Christenheit und Kirche sehr nahe beieinander186. Zeitlich folgt diesen beiden so verschiedenartigen Stadtgeschichten Hans Fründs Schilderung des Alten Zürichkrieges186. Fründ will kein Bild der gesamten Vergangenheit entwerfen, sondern seine Erlebnisse als Schwyzer Landschreiber erzählen, um damit die Haltung der Innerschweizer, vorab der Schwyzer, in diesem Kriege zu rechtfertigen. Seine Chronik ist für unser Problem doshalb von grossem Interesse, weil in den Streitigkeiten zwischen Zürich und Schwyz die Frage, ob Reichsrecht oder eidgenössisches Bundes- 183 QSG, XVIII, S.26, 30ff.-Clingenberg, S.25: «.. .graffruodolff vonhabspurgwas ain demütiger, wiser, manlicher herr, und machet guoten frid in allen landen, nach dem als er künig ward.» S. 31: {'...machet den besten frid in allen landen, der in vil jaren gemachet ward... Item er zwang vil herren und stett, die vor kainem römischen künig nie woltent gehorsam sin... Wie manlieh und gewaltig er was, so wolt er doch nie gen rom komen, dass er kaiser wurde und hett es doch an guot und an macht wol gehept.» - Zu Karl IV. vgl. QSG, XVIII, S. 67-86, 176. - Clingenberg, S. 64ff., 90-9B. Über den Frieden, den Karl IV. 1354 zwischen Zürich und Österreich gebot, schreibt Clingenberg: Wir «getruwtent dem künige so wol, er sächi lieber frid in dem land denn unfrid, wan wir dorn hailigen rieh zuo gehortent, des er ain beschirmer sin sölti, und sich och schraib ain merer des richs.» S. 91. 188 QSG, XVIII, S.163, 15. - Clingenberg, S.107: Wenzel «was ain bös man». Vgl. S.152, 155. >81 QSG, XVIII, S.181; vgl. S.31: Nach dem Zuge gegen Ottokar, «do für der ramsch küng Rudolf herus zu dem Rine und twang allo die herren mit gewalt, die wider in warent, von Köln uf unz an das gebirg in Franken, in Swaben, in Burgunden, in Ergöw, in Safoi, in Brugunn, in Elsas und in Brisgöw, das si alles das dem riehe müstent wider lan, das si än recht hatten genossen wol 40 jar.» - Von Interesse ist vielleicht noch die Nachricht einer Handschrift, dass Zürich damit geehrt wurde, dass die Reichskrone auf dem Lindenhof ausgestellt war: «Das heilig rieh das was uf dem hof.» (S. 25,10.) Dabei sei daraufhingewiesen, dass bei der Taufe Wenzels die Krone während einiger Tage ausgestellt war und jeder Betrachter dadurch päpstlichen Ablass erhielt. iss i/gl. besonders Clingenberg, S. 10: 1259 «starb bapst niclaus... und belaib die haüig kilch zway jar dry monat on ain bapst. Es was ouch das hailig rieh vil jar on ain römischen künig gesin, und ging vil Wunders in den selben ziten für, wan die cristenhait hatt weder gaistlich noch weltlich houpt.» 188 ed.C.J.Kind, Chur 1875, um 1445 geschrieben. recht den Vorrang haben solle, im Vordergrund der Diskussion stand. Zürich vertrat die Auffassung, das eidgenössische Schiedsverfahren könne nicht angewandt werden, weil ein Streitfall, wie der um das Toggenburger Erbe, im Bundesvertrag nicht vorgesehen sei und weil es sich um kaiserliche Verleihungen handle, für die der König zuständig sei. Deshalb wollten die Zürcher den Streit dem König vorlegen187. Schwyz beharrte dagegen auf der Ansicht, dass ein eidgenössisches Schiedsverfahren den Vorrang vor dem Rechtbieten auf den König besitze, dessen Zuständigkeit die Landleute nicht leugneten188. In diesen Rechtsstreitigkeiten sah Hans Fründ die eigentliche Ursache des Krieges. Als sich Zürich endlich bereit erklärte, die Streitigkeiten schiedsrichterlich entscheiden zu lassen, war Schwyz nach Fründ sogar bereit, den kaiserlichen Landvogt in Schwaben als Schiedsmann anzunehmen. Das sollen die übrigen Orte abgelehnt haben, weil «inen daz recht ze ver und ze usländisch wurd», denn sie wünschten selber das Amt des Schiedsrichters auszuüben189. Nachdem der erste Teil des Krieges so zum Abschluss gekommen war, schildert Fründ die Vorgeschichte des Bündnisses zwischen Zürich und Friedrich III., wobei er den Zürchern alle Schuld zuschiebt, die alte Feindschaft des Hauses Österreich neu entfacht zu haben190. Dabei ist die scharfe Unterscheidung zwischen Friedrich III. als römischem König und Friedrich als Herzog von Österreich bemerkenswert191. Fründ legt allergrössten Wert auf die loyale Haltung der Eidgenossen gegenüber dem Könige, der ihnen die Bestätigung ihrer Privilegien und Rechte verweigerte192. Trotz 18' Fründ, S.19, 25. 188 a.a.O., S. 25-29; vgl. S. 116ff.: «Nu hand ir uns recht gebotten für unsern allergnedi-gosten herren den römsohen küng; macht villicht guot sin, aber unser bünde haltent das nitt, insunder das wir ein ander berechtigen sollend in massen, als dann die bünde wysent. Ist war, das wir von den gnaden go tz gehörig sui an das heilig rieh und uns zuo sinen künglichen gnaden aller eren und fruchtbarkeit uns zuozefügende wol versehen mugend; aber als wir die bünde verstanden; ouch ewenklich gloppt und gesworn habend, meinend wir üch das nitt pflichtig sin, meinent ouch nitt, das ir atd jeman allso gefryt syend, uns allso gantz koff abzewerfen, öder samlich ungewonlich und ungehört Ordnungen uff uns oder die unsern ze setzen, alder jemant der eidgnossen das dem andren zuofügen solle; so sind wir ouch weder bannig noch achtig.» S. 28. iss jj)a8 Zitat wird so fortgesetzt: « Ouch den eidgenossen nach irem herkomen und gewonnenen nit gelegen wäre*, und wurbent und rettent ie als ver mit den von Swytz, das sy inen ze yungst gonden und verhangtent in die Sachen ze reden.» S. 75. Tschfwhtlan und Schilling passt die Formulierung,, das Recht sei den Eidgenossen zu «usländisch», nicht, da sie ihnen offensichtlich zu scharf ist. Sie ändern sie in c das recht zu schwer und sich ze lang verziehen wurde» um. Darüber hinaus lässt Schilling noch die Worte «ze schwer» fort. Vgl. Schilling, Faksimileedition, II, S. 91. lv0 «Ir hand hievor vermerket und verstanden, wie die von Zürich und ir helfere die von Swytz und ander ir eidgenossen und fründe verclagtent und verunglimpfotent gegen dem römischen künge und ander fürsten, herren, edlen und unedlen, und gegen geistlichen und weltlichen lüten, und gegen den richstetten...» S. 120; vgl. S.87ff. i»i Vgl. z.B. S.lll: «Für den küng als für ein hersohaft von Oesterrioh», oder S. 121: «Unsers herren des römischen küngs der herschaft von Oesterrich und aber nu der von Zürich halb...» 192 «Und also warent die eidgnossen dem küng zum drittenmal nachgevaren, nämlich gen Frankenfurt, otlich gen Ach, darnach gen Fryburg in Oechtland, und darnach gen Costenz, und daruf grossen costen und arbeit geleit, sich erboten, und darinne getan hant, als des heiligen römischen richs getrüwen gehorsamen undertanen. Das mocht sy alles nit 68 69 aller Feindschaft bemüht sich Fründ, die Schuld am Konflikte von der Person des Königs fernzuhalten193. In der gleichen Tonart ist ein Schreiben der Schwyzer an die Reichsstädte gehalten, das FiiXnd mitteilt. Es.diente allein dem Zweck, die Versuche, die Angelegenheiten Österreichs und Zürichs zur Sache des Reiches zu machen, zu unterbinden194. Entsprechende Briefe sandten die Eidgenossen an die Kurfürsten195. In der ganzen Chronik spiegelt sich der propagandistische Verleumdungsfeldzug, der die Eidgenossen als Feinde des Reiches und des Adels, ja der Christenheit anklagte, während die Sache Zürichs als Sache des Reiches erscheinen sollte196. Gegen diese Nachreden wandten sich die Eidgenossen, und es gelang ihnen, den Fürsten und Städten des Reiches klarzumachen, dass die Eidgenossen zwar mit Zürich und Österreich im Kriege ständen, das Reich aber, dessen «getrüwen undertanen» sie seien und bleiben wollten, mit diesen Streitigkeiten nichts zu tun habe197. Bis zu einem gewissen Grade war das auch der Zweck der Chronik des Hans Fründ. Obwohl man eigentlich vermuten möchte, dass die vielen Verleumdungen und die scharfen Auseinandersetzungen mit Friedrich III. kaiserfeindliche Äusserungen des Schwyzer Landschreibers hervorgerufen hätten, lassen sich keine Anzeichen finden, die auf ein Ressentiment gegenüber dem Reiche schliessen lassen. Im Gegenteil hat der Krieg, so wie es Fründ darstellt, eher dazu beigetragen, die Beziehungen der Eidgenossen zu den Reichsstädten enger zu gestalten, so dass ihnen Fründ am Schluss seiner Chronik ausdrücklich seinen Dank abstattet198. Die rheinischen Kurfürsten, vor allem der Pfalzhelfen, wan sy darin... vom küng nit geeret wurdent, das er inen ir fryheiten bestätigen wollte, als er aber pillich getan hätte, und als ein römischer küng inen phlichtig ist, syder sy sölichs gen ime in kein-weg nie versobult hant, das er inen das mit recht versagen sollt oder möchte.» S. 110; vgl. S.91ff., 94, 109, 111, a.a.O. 103 Die adeligen Vertreter Österreichs sind «mit den Sachen vast umbgangen, und den punt zesamengetragen, und etlieh under inen an dos küngs statt und für den küng als für ein herschaft von Oestorrich den punt gesworn und den küng darhinder gebracht und Überret hattent, wan er noch ein junger her was.» a.a.O., S, 111. 184 a.a.O., S.120ff. 185 a.a.O., S.I49ff., 192ff. 188 «Sy (die Zürcher) hattent ouch des richs paner ze sant Peter und uf andern turnen usgestossen, als ob die eidgnossen sölltent wyder das heilig römisch rieh kriegen.» a.a.O., S.202; vgl. S.88, 90, 93. Fründ sucht immer wieder Zürichs Verhalten als unrechtmässig hinzustollen, sowohl als unrechtmässig gegenüber den eidgenössischen Bünden als auch gegenüber Österreich und dem Reich. Er focht also mit ähnlichen Mitteln wie seine Gegner, wenn auch mit umgekohrtem Ziolo. 187 ö.. .wie wol war ist, daz wir an den gedachten unsren aller günliehosten herren den küng oft und dick als siner gnaden und des heiligen römischen richs gehorsamen undertanen und an sin künklioh gnad gehorsamlich gefordret haben, uns unsre fryheit, so wir von siner küngklichen gnaden vorfaren an dem rieh, römischen keysern und küngen, haben redlich erworben und harbracht, gnedenkliohen zu bestätigen. Ob er denn von des hus wegen Oesterrich an uns untzit ze vordren hette, wölten wir sinen künklichen gnaden antwurt geben, das wir des glinipf und ere haben söltent etc., das uns aber von einen küngklichen gnaden nit allen gedihen möcht. Nit dester minder hoben wir uns sinen küngklichen gnaden als einem römischen künge, der unser natürlicher herre heisd und ist, gehorsamklioh erboten, im alles das ze tuonde, das wir im von des heiligen römischen richs wegen pflichtig und verpunden syend. In demselben sinne wir noch hüte by tag plibent und sämlichs als des heiligen richs getrüwen undertanen gehorsamklich ze tuonde meinen etc.» S. 149f. 188 a.a.O., S.282. graf bei Rhein, mit denen die Eidgenossen durch diesen Krieg näher bekannt wurden, werden von dem Schwyzer Landschreiber als Friedens-bringer hoch geehrt199. Wenn sich Fründ auch nicht über die Aufgaben des Kaisers äussert und nicht von der Christenheit, sondern nur vom heiligen römischen Reich spricht, so muss man bei einer Würdigung seines gesamten Werkes doch unterstellen, dass seine Reichsauffassung sich von der Justingers oder der Zürcher Chronik kaum .unterscheidet. Der wesentliche Unterschied liegt wohl darin, dass Fründ einzelne Streitfragen und die Polemik seiner Zeit im Auge hat und uns daher einige Teile der Reichsanschauung klarer erfassen lässt, während das allgemeine Bild in den älteren Chroniken vollständiger wiedergegeben wird. Verändert hat sich wohl die Bedeutung der Kurfürsten für das Reich, die in den älteren Chroniken nicht so stark in den Vordergrund treten, obwohl sich das mehr vermuten als belegen lässt. Das allgemeine Bild treffen wir jedoch in der Erzählung vom Herkommen der Schwyzer und Oberhasler an, deren Entstehung sicher mit der Polemik gegen die Eidgenossen aus der Zeit des Alten Zürichkrieges zusammenhängt. Wie wir schon sahen, will diese Schrift den Nachweis erbringen, dass die Schwyzer ihr Land seit alters her in rechtmässigem Besitz hatten und auch ihre Reichsfreiheit in lange zurückliegenden Zeiten rechtlich einwandfrei erworben hatten200. Für den Erzähler der Herkommenssage bestand die Kaiserherrlichkeit in einer von Gott verliehenen Gewalt, «so ein keiser hat von einem end der weit zu dem anderen der weit, das ist als vil, als von der sunnen ufgang unz zu der sunnen abgang.. .»201. Doch wird der Kaiser nicht allein als Haupt der Welt dargestellt, sondern immer auch der Papst erwähnt und beide als «irem obersten herren, geistlich und weltlich», bezeichnet. So erscheinen Papst und Kaiser gemeinsam als Verleiher der eidgenössischen Privilegien und der Feldzeichen. Wie Kaiser und Papst zusammengesehen werden, so nähert sich auch die Wortbedeutung «Römisches Reich» so sehr der Christenheit, dass beide Begriffe fast zusammenfallen202. Benedicht TschacMlans Bilderchronik ist mehr ihrer Bilder als ihres Textes wegen berühmt. Obwohl sie nur wenige eigenständige Teile enthält, l»» Fründ, z.B. S.265f. 200 Vgl. oben, S. 40f., Herkommen, ed. Bächtold, Neuausgabe in Vorbereitung im Quellenwerk. 201 a.a.O., S. 196, 9. 202 «Das selb heiig rieh und den cristendlichon gloubon, der halb vertilget und zerstöret und vil nach underbraoht was, hend geholfen beschirmen als trüw diener der undertänig-keit.» S. 196. «Si bedachtend ouch, dass si billich soltond undertänig sin irem oberstem herren, geistlich und weltlich, um des willen, dass inen mocht verfolgen gnad und aplass aller irer Sünden. Harumb si woltent gehorsam sin got und don menschen, denen ouch semlicher gewalt von got und der weit w-as geben...» S. 189; vgl. S. 197. Einen ganz ähnlichen Reiehsbegriff zeigt die Strettlinger Chronik des Eulogius Kiburger, die den gleichen engen Zusammenhang zwischen Kaiser und Papst herstellt und gleicher-massen grossen Wert auf die Freiheiten legt. Obwohl sie ihrer geographischen Herkunft nach von den Berner Chroniken beoinflusst sein müsste, verherrlicht sie, wie die Zürcher und Innerschweizer Chronistik, Rudolf von Habsburg als König. Strettlinger Chronik des Eulogius Kiburger, ed. Bächtold, Bibl.alt. Schriftwerke d. dt. Schweiz, I, 1877. 70 71 sind doch ihre geringfügigen Änderungen gegenüber ihren Vorlagen interessant203. Tschachtlan stellt seine Darstellung in der Hauptsache aus Justinger und Fründ zusammen. Justinger übernahm er meist im Wortlaut, während er Fründ teilweise etwas kürzte und müderte. Im allgemeinen veränderte er seine Vorlagen nur dort, wo ihm die Formulierung nicht klar erschien. Tschachtlan strebte überhaupt möglichste Genauigkeit an, wie das seine vielen Zahlenangaben, genauen Zeitbestimmungen und besseren Lokalbeschreibungen zeigen. Die Worte Fründs oder Justingers giesst er auch gern in die Formen und Wendungen der ßechtssprache um, wie er auf das rechtmässige Handeln Berns grösseren Wert als Justinger legt204. Während bei Justinger allein Bern im Mittelpunkt seines Interesses ! stand, finden sieh bei Tschachtlan Ansätze zu einer Ausdehnung auf alle Eidgenossen. So lässt er hier und dort nebensächliche Ereignisse fort, die andere Eidgenossen nicht gerade im besten Lichte erscheinen lassen205. Auch tendiert er eher zu einer adelsfeindliohen Haltung hin als frühere f Chronisten, selbst als Schilling20®. Im Gegensatz zu Justinger sah Tschacht-1 lan den Hauptfeind Berns und der Eidgenossen weniger in Österreich als in dem meist von Österreich abhängigen Adel207. Er unterlässt mehrfach den Hinweis darauf, dass grosse Teile des Berner Besitzes ehemals Österreich unterstanden208. Stärker als Fründ legt Tschachtlan auf die Unterscheidung zwischen Österreich und dem Reiche zur Zeit Friedrichs III. Wert209. Soweit die geringfügigen Veränderungen erkennen lassen, weist 1/ Tschachtlan den Kurfürsten eine erhebliche Rolle innerhalb des Reichs zu. ' r Vor allem kennt er ihre rechtlichen Kompetenzen besser und ändert seine Vorlagen dementsprechend ab. Wenn die Kurfürsten nicht als solche auftreten, schreibt er «fürsten»210. Bei dem Schiedsspruch zwischen Österreich und den Eidgenossen am Ende des Zürichkrieges setzt Tschachtlan hinzu, dass der Pfalzgraf als «vicarie des heiligen riches» gehandelt habe, womit 203 ed.Studer, QSGr, I. Die Editionen der Berner Chroniken geben leider nur teilweise und missverständlich die Veränderungen der Vorlagen wieder. Vor allom fohlon moist die Kürzungen (um 1470). 20ä Vgl. z.B. Justinger, S. 137,1; 189,30; 11,7; 109,31.-Fründ, S.266,16; 89,20. 805 So z.B. den Verlust des Zürcher Banners vor Winterthur und die Neuverleihung durch Rudolf von Habsburg. Justinger, S.36; oder S.65, wo Tschachtlan die Solothurncr offensichtlich schont; vgl. S.48f., 93f., 57, 30; 129, IS; sowie Fründ, S.145, 32; 146,18. 306 yor aiiem bei der Schilderung des Alten Zürichkrieges wird die Hauptschuld dem österreichischen Adel zugeschrieben. So moint Fründ, Zürich wäre «gern der eidgnossen herren worden » * was Tschachtlan in « das der adel mit der von Zürich hilff gern der eidgnossen herren worden» ändert, während Sehilling nur don Adel nennt und Zürich ganz weglässt. Fründ, S. 95, 3.-Vgl. Justinger, S.9, 26; 59,J6; 72, 18; 101, 5; und oft. 201 Vgl. z.B. Fründ, S. 95; 207, 9. - Justinger, S. 17, 9. 208 Vgl. Justinger, S.42, 21; 75, 30; 101, S. soe ygi_ Fründ, S. III, 3; 202. Die Erwähnung, dass Zürich das Reichsbanner gehisst habe (vgl. oben, S. 70, Anm. 196), lässt Tschachtlan fort, weil er anscheinend befürchtet, dies könnte falsch verstanden werden. Bei der Erzählung des Besuches Friedrichs III. in Bern weist er daraufhin, dass Friedrich «geboren von Oesterrich» sei, und auf dem dazugehörigen Bilde findet sich keine Reichsfahne, sondern nur das österreichische Wappen. Tf. 175 (der Faksimileausgabe); vgl. Tf. 132, 134/35. 2io Vgl. Fründ, S.243, 19; 192, 27. - Justinger, S.4, 2; 11, 7; 219, 28; 221, 22; 222, i. er wohl auf die Richterstellung anspielen will, die dem Pfalzgrafen gemäss der Goldenen Bulle über den König zustand211. Obwohl Tschachtlan in seiner Chronik die beiden Abschnitte Justingers über die Absetzung Wenzels und die Wahl Ruprechts von der Pfalz weglässt, kann daraus nicht geschlossen werden, dass ihm Kaiser und Reich gleichgültig sind212. Jedoch ^ lässt sich feststellen, dass er auf Besuche des Kaisers in Bern keinen Wert / legte213. Die Bedeutung, welche Tschachtlan Kaiser und Reich einräumte, lässt sich nicht nur aus der Art der Verarbeitung seiner Vorlagen ersehen, sondern auch in seinen prächtigen Bildern. Im grossen und ganzen sind seine Auffassungen von denen Justingers nicht wesentlich verschieden214. Bedeutsam ist, dass er weder Reformgedanken äussert, noch vom Verfall des Reiches spricht, wenngleich er Justingers Bemerkung über den Verfall des Reiches durch das Schisma übernimmt, den er aber als Ereignis der Vergangenheit betrachtet215. Er soheint also mit dem Zustand des Reiches seiner Zeit zufrieden gewesen zu sein. Entsprechend den sonstigen Strömungen der Zeit betrachtet Tschachtlan die Reichsstädte nicht mehr als \ \ des Kaisers und des Reiohes Städte, sondern vor allem als des Reiches i Städte, eine Meinung, die der Berner Diebold Schilling mit ihm teilt216. i > Für die ältere Zeit übernimmt Schilling21'' den Text Juslingers und Fründs nach Tschachtlan, die er nur selten überarbeitet. Die Einleitung und Begründung der Chronik Justingers fasst Schilling stark zusammen, so dass sie in einem anderen Lichte erscheint. Wie Justinger verbindet Schilling die Geschichte seiner Stadt mit der Heilsgeschichte und verweist auf «die waren chronickon». Doch lässt er die Päpste und Kaiser als Lenker der Welt fort, um sofort zu «allen richstetten und erbern gemeinden» überzugehen, worin sich die Entwicklung zum Ständestaat spiegelt218. Während Justinger nur von Reichsstädten und «den kreissen des 211 Fründ, S.266, 16; vgl. S. 109, 31. 212 Justinger, S. 187, 20. Den Bericht Justingers von der Wahl Wenzels erweitert Tschachtlan. Vgl. Justinger, S.148, IS; 43. 218 Nachdem Justinger nach der Abreise Kaiser Sigmunds von einor Touorung gesprochen hat, wiederholt Tschachtlan hier die Bemerkung Justingers über die Teuerung nach dem Besuche Karls IV.i n Bern und setzt hinzu: «Darumb will ich des künigos zu minem teil gern enberen, das wir der türe über werden. Doch so was es in andern lendern ouch tür, da joch der künig nit hinkomen was.» Justinger, S. 220, 23f. 214Nach einer Veränderung des Justingerschen Textes (S. 211, 22) möchte man annehmen, dass Tschachtlan noch stärkor als Justinger Reich und Christenheit einander näherte. Vgl. auch S.219, 28. 215 Justinger, S.212, 2 (vgl. oben, S. 66). Statt des Präsens sprechen Tschachtlan und Schilling im Imperfekt. 216 Vgl. Justinger, S. 17, 30; 162, 20; vgl. auch Schilling mit Justinger, S. 2, 7: Justinger, «keyserlich stat Bern»; Schilling, Spiezer Chronik, «keiserlich und erentrich stat Bern»; Schilling, amtl., «erentrich stat Bern». 217 Schilling, Berner Chronik, Faksimileedition, I-IV, 1943ff., für die Burgundorkriego ed.G.Tobler, 1897-1901. Für den älteren Teil wird nach der Faksimileausgabe zitiert, die entsprechenden Stellen der älteren Chroniken jedoch angegeben. 318 Vgl. Justinger, S. lf., mit der Faksimileedition, I, S. 5f., auch für Folgendes, «erbern gemeinden» ist Zusatz Schillings. Vgl. auch die Einleitung des zweiten Teiles, den Schilling selbst verfasste, bei Tobler, S. lf. 72 73 römschen Riehes in tütschen landen» spricht, gibt Schilling als Gegenstand seiner Darstellung allein die «geschienten von der lobrichen und würdigen Statt Bernn» im «öchtland» an. Bern steht jetzt allein im Mittelpunkt der Einleitung. Seine Geschichte wird jedoch noch mit der Heilsgeschichte verbunden, zu der allerdings das Verbindungsglied der Reichsgeschichte unerwähnt bleibt. Ob Schilling diese Verbindung als selbstverständlich ansah und deshalb fortliess, oder ob wir darin ein Anzeichen zu sehen haben, dass Schilling eine solche Verbindung nicht mehr für notwendig erachtete, werden die späteren Teile seines Werkes zeigen. Schilling verändert seine Vorlagen vor allem von zwei Gesichtspunkten aus. Wo ihm eine Kürzung sachlich gerechtfertigt erscheint, fasst er die Darstellung zusammen. Sehr selten unterläuft ihm dabei eine Veränderung des Sinnes, die dann meist aus der weiteren Distanz zum Ereignis und aus seinen Zeitproblemen erklärt werden kann. Daneben erweitert oder ändert Schilling gerne den Text seiner Vorlagen durch einen Schlussatz, der ein allgemeines Urteil fällt, das oft religiöse oder moralische Anspielungen enthält. Stellten wir schon bei Tschachtlan geringfügige Ansätze eines gemeineidgenössischen Bewusstseins fest, so finden sich diese bei Schilling ein wenig verstärkt wieder, ja er beginnt von «gemeinen eidgnossen» zu sprechen, ein Ausdruck, den Justinger noch umschreiben musste219. Dennoch steht Bern im Mittelpunkt. Selbst wenn es eine nebensächliche Bedeutung im geschilderten Ereignis hatte, schreibt Schilling oft entgegen seiner Vorlage «Bern und ir eidgnossen». Die übrigen Eidgenossen und Verbündete Berns werden geschont, wenn er Nachteiliges von ihnen berichten muss. Noch nachsichtiger als Justinger behandelt Schilling Freiburg, die alte Rivalin Berns. Den Hauptfeind Berns und der Eidgenossen sieht Schilling im Adel, daneben auch in Österreich220. So bemerkt er zum Beispiel, als er vom Bündnis Eberhards von Kyburg mit den Waldstätten berichtet, «das war wol ein wunder nach gestalt und harkomen der Sachen»221. Während Justinger fast ausschliesslich von der «hersohaft von kyburg», der «grossen herschaft», den «landes herren in burgunden» redet, schreibt Schilling 210 Justinger, S. 214, 14: «Gen lutzern und berufte aller eydgnossen botsohaft daliin.» -Schilling: «Gen lutzern zu gemeinen eidgnossen.» Vgl. ed.Tobler, I, S. 1, 25. 2 20 So ändert Schilling den Spruch Justingers zum Laupenkriege: «Unser helfer liegont in den hürsten der keyser und von österich fürsten nach üwer hüfe sol uns wenig türsten» ohno auf den Reim zu achten um: «Unser herren und holfer ligent in den hürsten, nachdem keyser und andern herren soll unns wonig tursten, und ander clagen, der si nit wenig vol-brachten.» Schon Tschachtlan liess die Erwähnung Österreichs fort. Justinger, S. 101, 5. -Vgl. Fründ, S. 92, mit Schilling, Faks., II, S. 108; sowie Fründ, S. 88, mit Schilling, Faks., II, S.105; vgl. auch Faks., II, S.I12. 221 1327, Justinger, S. 59, 6. Der Zusatz fehlt hei Schilling, Spiezer Chronik; daher ist es fraglich, ob es ein «amtlichor» Zusatz ist. gewöhnlich dafür nur «herren». Nur für Österreich gebraucht er noch das Wort «herschaft»222. Andererseits bringen die Berner Ratsboten nichts mehr heim«an ir fründe», sondern«an ir oberen », worin sich die wachsende Regierungsgewalt spiegelt223. Im Gegensatz zu seiner Spiezer Chronik vermeidet Schilling in seiner amtlichen Chronik, allzuoft auf die österreichische Herkunft bernischen Besitzes hinzuweisen. Solche Bemerkungen Justingers umschreibt Schilling meist so, dass man vermuten möchte, es handle sich um nachträgliche Korrekturen auf Grund des «Verhörs» der Chronik. Mehrfach drückt er sich so aus, dass es nicht klar ist, ob die eroberten aargauischen Städte nun als Berner oder als Reichsbesitz anzusehen sind. Dagegen legt Schilling, wie schon Tschachtlan, grossen Wert auf den Nachweis, dass der Aargau | «in eines römschen keisers dienst mit dem swert gewunnen und von dem heiligen Riehe verpfend» wurde224. Schillings Haltung zu den Kurfürsten unterscheidet sich nicht von seinen Vorgängern, obgleich sie besonders in den späteren Teilen oft genannt werden. Wenn sie einzeln auftreten, nennt sie Schilling so gut wie nie mit dem Titel «Kurfürst». Doch waren ihm die speziellen Angelegenheiten des Reichs nicht fremd, wenn er auch nicht gerade sehr bewandert darin gewesen zu sein scheint. Verfügt Schilling über gute Nachrichtenquellen, so berichtet er auch von Dingen, die dem eidgenössischen Geschehen ferner stehen. So teilt er einen ausführlichen Bericht über den Reichstag von 1471 zu Regensburg mit225. Frankreich interessiert ihn nur soweit, als es direkt in die eidgenössische Politik eingreift. Die Reichsreformbestrebungen erwähnt Schilling nicht als solche, obwohl er einige Tatsachen mitteilt, die damit im Zusammenhang stehen226. Mit Ausnahme der Stelle Justingers, die er in der Form Tschachtlans übernimmt, spricht er nie von einem Verfall des Reiches. , Im Gegenteil zeigen seine Äusserungen über Karl den Kühnen als Bedroher .' des Reiches und der deutschen Nation, dass er das Reich seiner Zeit wohl i erhalten, aber nicht verändert wissen wollte22'. 222 Ein Schreibfehler zu Justinger, S. 151, 26, zeigt, dass ihm vor allem Österreich als «die herschaft» galt. Er schreibt zu Beginn des Kapitelsanstatt «herschaft von Wittenberg» «von österich»; vgl. Juslinger, S. 17, 22, «herschaft von kyburg»; Sehilling, Spiezer Chronik, «herren von kyburg»; Schilling, amtl., «graven von kiburg»; vgl. Justinger, S.43, 24; 45, 30; 47, 5, und öfter. 223 Vgl. z.B. Justinger, 8.214, 12; 222, 22. 224 Schilling, Faks., II, S. 105. - Zu Fründ, S.89. - Schilling verkürzt Fründ sehr stark und gibt ihm daduroh einen leicht anderen Sinn. Anstatt Zürich wird Österreich und das Reich stärker betont. 226 Vgl. Schilling, ed.Tobler, I, S.73-88. Eä6 Ygi_ besonders den Bericht über den Regensburger Reichstag wie z.B.: «Item dor bischof vonMenz hatandenkeiserbegert, in die Römschen canzlii lassenusrichten, nachdem er dann canzler in Germanien ist. Daruf hat der keiser im sin insigel uf sant Johans tag lassen antwurten und er wil dem hof nachvolgen und der canzlii gemessen; das ist dem alten canzler widrig, dann er die canzlii gern wider hette.» Schilling, I, S.79. 227 Das zeigen vor allem die Äusserungen über die Burgundorkriege, denn für Schilling bedrohte Karl der Kühne den Bestand des Reiches. Als Beispiel diene ein Vers des von Schilling überlieferten Gedichtes über die Schlacht von Grandson: 74 75 Für Schilling scheint der Kaiser nur noch der Repräsentant des Reiches zu sein; denn er formuliert, dass Karl der Kühne «dem keiser in namen des heiligen Römischen riches gehuldet und gesworen hat, wider das rieh noch sin glider kein beschedigunge ze tunde noch fürzenemen»228. Schilling sieht wie Justinger in Kaiser Sigmund den idealen Kaiser verkörpert, neben dem noch Friedrich II. lobend hervorgehoben wird. Justinger folgend schildert er Wenzel als den Inbegriff eines schlechten Königs, der deshalb von den Kurfürsten «mit urtel und mit recht» abgesetzt wurde220. Karl IV. fand bei Schilling noch weniger Achtung als bei Justinger, wenn auch eine etwa gleichzeitige Hand am Rande seiner Bilderchronik bemerkte, dass Karl IV. Bern immer gnädig gewesen sei230. Vergegenwärtigt man sich die den Eidgenossen feindliche Haltung Friedrichs III., so erwartet man eigentlich eine recht scharfe Auseinandersetzung mit diesem «österreichischen» Kaiser. Um so mehr wundert man sich, wenn man bei Schilling kaum einen Tadel an Friedrich findet, sondern ihn eher in Schutz genommen sieht. Schilling umgeht eine Kritik des Kaisers, indem er alle Schuld am Zürichkriege dem Adel zuschreibt, dem es gelang, den «küng als einen jungen herren» zu verführen231. Nur den Bericht über die Auseinandersetzungen der Eidgenossen mit Friedrich III. wegen der Bestätigung ihrer Privilegien und Freiheiten verschärft Schilling gegenüber Fründ und Tschachtlan durch die wichtige Bemerkung, dass die Eidgenossen ihre «fryhoiten... mit gottes und ir hellenbarten hilft'» bewahren wollten232. Nicht nur im Alten Zürichkrieg, sondern auch in den späteren Streitigkeiten mit Österreich schiebt Schilling den Landvögten, «rat und ander edlen» die Schuld zu, die den österreichischen Fürsten «darumb das inen «Von schantlieher flucht wart nie geseit, des frôw dieli, alle cristenheit, es wer dir hart organgen, hette Burgunnen gewunnen einen rung, das Rômsch rieh hette genomen ein Sprung, es ward darumb angevangen!» I, S.394. Damit im Zusammenhang muss dio viertletzte Strophe des gleichen Gedichtes interpretiert werden, die teilweise den Hass gegen Karl den Kühnen und die häufige Berufung auf das Reich und die deutsche Nation erklären kann; donn hier werden das Ende des Reiches und das Erscheinen des Antichrist mit Karl dem Kühnen verbunden: «Er schreip sich herr Welsch und Tutscher Zungen, ich mein, er sie der enderist iungen mit sinen uncristenlichen Sachen, von dem die proficien seit, , er werd verkeren die cristenheit, des môcht man nit gelachen!» I, S. 396. 228 Schilling, I, S.165. 228 So der ältero Schilling, Arch. d.Hist. Ver. d. Kt. Bern, XIII, S. 549f.; Justingers Nachricht über den Tod Friedrichs II. erweitert Schilling: «Starb leidet- der/rom keyser.»Faks.,I, fol. 8. 230 Schilling verschärft den Sehlussatz des Kapitels übor die Wahl Karls IV. Anstatt «Darnach für er an den rin und treip grossen gewalt und herschaft untz an sinen tot» {Justinger, S. 110, l) schreibt Schilling: «Darnach für er mit gewalt an don Rine und treip da vil mütwillen bis an sinen tott.s Faks., I, S. 166; ebendort Randglosse. 231 Schilling, Faks., II, S. 116, zu Fründ, S.III. 232 Schilling, Faks., II, S. 111; vgl. Faks., II, S. 116, zu Fründ, S. 95, 110. ir dienstgeld und sold nit abginge, alwegen wider die Eidgnosson anreitztent und vil sachen fürgabent, die aber an inen selber nit war woront»233. Dementsprechend unterscheidet Schilling scharf zwischen Friedrich III. «als j ein rômscher küng» und «als ein fürst von österich»234. Da Friedrich III. j mit Karl dem Kühnen nach der Belagerung von Neuss einen Frieden schloss, der die Eidgenossen und ihre Verbündeten im Stiche liess, wäre es recht und billig gewesen, dass der Chronist dieser Kriege den Kaiser deswegen heftig getadelt hätte. Doch beschränkt Schilling alle Kritik auf die knappe Bemerkung: «Der Rómsche keiser, der billich dem heiligen rieh und gemeiner Tütschen nacion, die im underworfen sind, bigestanden were, sass ouch stille und tete, als ob im die ding nit ze schaffen gebent, das doch unzimhohen was. Doch werdent etlich Ursachen, darumb es beschach, umb i des besten willen underwegen gelassen235.» Andererseits ergreift Schilling ■ jede Gelegenheit, den Kaiser, dessen Feindschaft zu den Eidgenossen er soweit nur irgend möglich zu verschweigen sucht, zu loben. Als Friedrich III. die Verhandlungen mit Karl dem Kühnen über die Verleihung einer Königskrone abbrach, schliesst Schilling sein Kapitel: «Dis was dennocht an dem keiser zu loben, wie lieb im gut ist, so wolt er dennocht an dem ende des heiligen richs ere und wirde nit umb gut verkoufen236.» Die Aussago, dass der Kaiser durch Geld und Gut nicht bewogen werden kann, Karl dem Kühnen die Königskrone zu verleihen, hat in der Berner Chro-nistik ein besonderes Gewicht, da gerade die Bestechung Karl IV. und Wenzel zum Vorwurf gemacht wurde237. Als Friedrich die Eidgenossen um Geleit durch ihr Gebiet bat, legt Schilling dar, dass er den Kaiser als Quelle allen Rechtes betrachtet. Mit einem Unterton der Empörung, dass man den Eidgenossen überhaupt zumuten könne, der Kaiser müsse sie um Geleit bitten, berichtet er von der Erklärung der Orte, dass es sich nicht gezieme, dem Kaiser, «vom dem doch al weltlich gnade und geleit ftiessen solten, geleit zu geben»238. 233 Schilling, ed/J'obler, I, S.90: «An disem... was nit alloin der fürst von österich, als vorstat, sunder gar vil mer schuldig sin lantvôgte, rát und ander edlen..., die in darumb, das inen ir dienstgeld und sold nit abgingo, alwogen wider die Eidgnossen anreitztent und vil Sachen fürgabent, die aber an inen selber nit war worent; wann er ouch selten bi inen, dan gewonlichen alwegen an der Etsch was, deshalb er ir Sachen und Verhandlungen in dem und anderm nit wol mocht verneinen, noch des innen werden.» Diese Stelle bezieht sich zwar auf Herzog Sigmund, kennzeichnet aber auch Schillings Haltung gegenüber Friedrich III. 231 Vgl. Schilling, Paks., II, S.116, zu Fründ, S. 111; sowie S. 114, 107, 105, und häufig. 233 Schilling, ed.Tobler, II, S.3. Die Berner amtliche Fassung hat eine noch gemässigtere Formulierung: «Der Rômsche keiser, der billich der Tütschen nacion bigestanden wer, sass ouch still und tett, als ob im die ding nit zu schaffen gebon; doch das unzimlieh fürnemen und handlungen siner maiestat wider die von Bern und annder gemein eidgnossen wirt umb des besten willen underwegen gelassen.» Aus dem gleichen Grund verschweigt Schilling den definitiven Friedensschluss des Kaisers mit Karl dem Kühnen, die Verlobung Maximilians mit Maria von Burgund und die Bündnisverhandlungen zu Lausanne noch kurz vor der Schlacht bei Murten. 236 Schilling, I, S.llOf. 237 Vgl. oben, S. 66, 76. 238 «Und wart das geleit also verantwurt: nachdem und er dann unser allergnedigester herr und ein houpt des richs were, so gezimpt uns als glidern des heiligen richs nit, der 76 77 Das Reich ist für Diebold Schilling weniger das «römische» als das «heilige» Eeioh, das für ihn noch enger als für seine Vorgänger mit der Christenheit verbunden ist230. Man ist versucht zu sagen, dass beide Begriffe für Schilling gleichbedeutend sind. Doch unterscheidet der Berner v Chronist sehr wohl zwischen ihnen. Das Reich bleibt für ihn die oberste ^ weltliche Herrschaft, deren Verbindung mit der deutschen Nation stark i betont wird. So oft es möglich ist, verstärkt Schilling den Hinweis auf das i Reich durch eine Berufung auf die Christenheit. Da das Reich in den Augen Schillings unter der weisen Leitung Gottes stand, wurde durch Gottes Fügung der Plan Karls des Kühnen, «dem grossen Alexander in sinem gemüte, die weit zu beherrschen, glichen» zu wollen, vereitelt240. Deshalb betrachtet Schilling die Burgunderkriege I nicht als einen Krieg Berns oder der Eidgenossen, sondern vertritt immer I wieder die Ansicht, dass die Eidgenossen und ihre Verbündeten für das Reich und die deutsche Nation gegen Karl den Kühnen als den «verwüster ! Tütscher zung» gefochten hätten241. Sie verteidigen das Reich und seine Freiheit gegen die Bedrohung durch den unchristlichen und tyrannischen Herzog von Burgund, der «nach dem heiligen riche und tütschon landen wider recht gerungen hat »242. Die deutsche Nation wird so häufig angerufen , und Karl der Kühne und seine Welschen so sehr beschimpft, dass man fast 1 von einem Nationalismus des 15. Jahrhunderts sprechen könnte. kaiserlichen maiostat, von der doch al weltlich gnade und geleit fliessen gölten, geleit zü geben; wann wir doch mit sinen gnaden und dem heiligen riche (anders) nit dann güts wissent ze tünde haben, darumb, so mochte sin keiserlich gnade an die und ander ende gnediclichen zu uns komen, dero wir in aller undertenikoit alle züoht und ere gern tun und erzöugen woltent, damit wir hoftent, das es sinen gnaden von uns zu gefallen wurde dienen -, als ouch das von im besohaoh.» I, S. 109f.; vgl. auch unton, Anm. 241. Das ausgezeichnete «Söltens fehlt in der amtlichen Fassung! «Anders» nur in amtlicher Fassung. 280 Wenn Schillings Vorlage heiliges römisches Reich schreibt, so streicht er iri der Regel «römisch». Auch in den von ihm selber konzipierten Teilen tritt der Ausdruck römisches Reich sehr selten auf, während er dauernd vom heiligen Reich spricht. Wohl nennt Schilling den Kaiser häufig einen «römischen»; vgl. z.B. Faks., II, S. 105 oder 125, mit Fründ, S..121. 240 Schilling, ed. Tobler, S. 131; vgl. das Lied über die Schlacht von Nancy: «Er schätzt sich küng Allexander glich; er wolt bezwingen alle rieh, das want got in kurzer stund; ...» II, S.121. «Das aber der almechtig gotte nit beschechen lat nach siner gütlichen ordnunge beider , geistlicher und weltlicher swerten, durch die dann der kreis der ganzen weite ewiclichen regieret, und das zeptrum und die ere des heiligen riohes der loblichen Tütschen nacion i niemor entnomen werden sol...» so dass «kein sach, die zü vertruok dem heiligen rieh oder des gemeinen nutzes mit bösem fürsatz geanfanget, gar selten zu gutem ende gebracht wirt.»I, S.lSlf. 241 Schilling, I, S. 362, in einem Schreiben dos Berner Rates an die Reichsstädte der Niederen Vereinigung: «Das wir zü got hoffen, in als verwustern Tiitscher zung und bege-renden cristansblütsguss uns allen mit der hand abzuladen.» Vgl. 1, S. 130, 131f., 134, 137, 151, 158, 165 und oft. 242 Schilling, I, S. 131; vgl. in Schreiben Berns an Propst von Amsoldingen: «...kriegen, die wir doch gemant von unsorm obersten hern und houpt des weltlichen swerts dor eristan-heit tun müssen.» I, S.211, Anm.2; oder in Brief Berns an die Eidgenossen: «In ansechen desselben und was üch, uns und aller gemoiner Tütsohen nacion daran ist gelegen.» II, S. 10. Die gleiche Meinung vertreten die von Schilling überlieferten Lieder, z.B.: Dennoch betrachtet Schilling nicht Bern und die Eidgenossen als die eigentlichen Gegner Karls des Kühnen, sondern für ihn ist Österreich der 1 «houptsächer des krieges», der für die deutsche Nation geführt wurde243. Da Schilling diesen Krieg als Sache des Reiches und der deutschen Nation ansah, wäre es eigentlich die logische Folge gewesen, Kaiser und Reioh für ihre mangelnde Hilfe anzuklagen, ja von ihnen abzurücken. Doch an die Stelle einer stärkeren Entfremdung tritt der Stolz, ohne die Hilfe des Reiches einen so grossen Sieg für die deutsche Nation erfochten zu haben244. Hin und wieder finden sich Formulierungen, die aus einer Anschauung heraus entstanden sein mögen, die Eidgenossen seien treuere Glieder des Reiches als die meisten anderen Reichsunmittelbaren. Schilling meint, die Eid genossen dächten im Gegensatz zu vielen anderen Reichsgliedern an die Interessen des Reiohes und dos «gemeinen nutzes» und handelten entsprechend246. So bedeutend die Burgunderkriege für die Geschichte der Eidgenossenschaft geworden sind, für den Berner Diebold Schilling, der mitten im Zentrum der eidgenössischen Politik dieser Jahre alle Einzel- «Ein vereinung ist lobeliche, der grosse pund genant, zü trost dem Römsohen richo zugents in Burgunsch land ...» I, S.269, vgl. S.272. vgl. I, S.132, 134, 137, 158, 165, 168, 176, 179, 197, 243, 360f., 381; II, S.26, 29, 30, 31, 56 124, 285. 2" Schilling, I, S. 337; vgl. S. 134, 179. Die amtliche Meinung nach dem Kriego spiegelt sich in dem Schiedsspruch über den Besitz der Eroberungen Freiburgs, der feststellt, dass die Eidgenossen «alle gemeinlich ungesündert als houptsecher zü trost und uf vermanung des heiligen Römschen riches und sunderlich zü schirm und ufenthalt gemeiner Eidgnos-schaft darin komen...» Schilling, II, S.282. 244 Karl den Kühnen, «den weder der Römseh keiser, der küng von Frankenrich, noch kein fürst noch herr oder gemeinde nie haben mögen überwinden noch zwingen, dem haben die fromen lüt und Eidgnossen anders nit dann mit der hilf des barmherzigen gottes ritterlich und manlich obgelegen und in zu schantlicher flucht bracht...» Schilling, I, S.380f. Vgl. Lied eines Luzerners über Grandson: «... Hast in gcslagen ab dem veld, des meng fürstenthüm ist verdorben! Kein gewalt uf erden nie wart erkant, der im dorst tun ein widerstant, dem hast du sin cronen abgesnitten ...» I, S.396. 246 «Darumb man... der grossen gnaden niemormer vergessen sol, dann wo der ewig gotte uf demselben tage die fromen Eidgnossen nit als gnediclichen versechen und für si gostritten und der wütrioh von Burgunnen Oberhand gewunnen hotte, so were alle Tütsche nation in sinem gewalt und banden gestanden.» I, S.381. Oder: «Wie vil und grosses nü Tütschen landen, dem heiligen riche und den Eidgnossen an disen dingen und sweren Sachen gelegen was, so warent doch des heiligen riehs stette am Bodense, darzü die von Nürenberg und etlich ander in Swobenland wenig ingedenk, was trüwen und gutes inen die Eidgnossen in iren vergangnen kriegen und Sachen iewelten getan und lib und gut zü inen gesatzt hatten, wann si darzü gar stille swigent und sich weder mit hilf noch rat gegen den Eidgnossen ganz nit erbutten... Und was doch der erberkeit wol zü bedenken, wo es den Eidgnossen missraten, das dann der toppel am ersten über dieselben stette und ander des heiligen richs zügewanten geratten und Tütscher nacion ein herter slag worden were, wiewol dis zü widerstände wenig lüten, dann allein der fromen Eidgnosschaft zü horzen ging, an allen zwivel als vast und mer von des heiligen riches als ir selbs wegen...» I, S. 134f. 78 79 heiten miterlebte, war dieser Krieg vor allem Sache der deutschen Nation und des Reiches, mochten auch die Eidgenossen militärisch die Hauptrollo gespielt haben246. Thiiring Frickers Bericht über den Twinghcrrenstreit hat den Charakter eines Protokolls der wichtigsten Verhandlungen247. Seine Nachrichten sind für das Verhältnis Berns zum Reiche besonders interessant, weil hier die Erage, ob der Berner Rat die höchste richterliche Instanz sei, oder ob die ■ Oberherrschaft des Kaisers mehr als nur «narrenwerk» sei, bebandelt /wird248. In diesem Streit ringt eine neue Staatsauf fassung, die dem Staate Bern ein Monopol der Machtausübung auf den wichtigsten Gebieten zuerkennen will, mit der älteren, die eine Teilung der Staatsgewalt in verschiedene trennbare Herrschaftsrechte zuliess und für allein rechtmässig hielt. Die entscheidende Frage war zumindest für Fricker, aber auch für andere Zeitgenossen, wie Tschachtlan und Schilling zeigen, ob die bernischen Adeligen ihre selbständigen Adelsrechte und Herrschaften unabhängig von der Stadt Bern besässen und dementsprechend nur beschränkt dem bernischen Staate Untertan seien249. Daher stritten sich die Parteien unter anderem darüber, ob die kaiserliche Oberherrschaft, die von beiden Teilen anerkannt wurde, praktische Bedeutung als Gerichtsinstanz habe, oder ob die «obriste herrschaft» bei der Stadt liege260. Im einzelnen ging es um die Frage, ob Bern seine Privilegien ohne Rücksicht auf andere Privilegierungen auslegen dürfe oder nicht. Obwohl Fricker, der auf der Seite des Adels stand, den Abschluss des Streites nicht mehr schildert, ist doch kein Zweifel, dass unter der Vermittlung der Eidgenossen die «alten Rechte» der Twingherren anerkannt wurden, soweit sie nicht die eigentlichen Hoheitsrechte umfassten. Bern anerkannte damit, dass es zwar «hoch gefryet von konigen und keiseren» sei, aber doch nicht «wol mögendt gebieten was uns gefalt»251. In Gerold Edlibachs Chronik haben wir eine zeitlich beschränkte Auf- 246 In dor Beurteilung der Burgunderkriege unterscheidet sich in dieser Hinsicht Schilling nicht von anderen Darstellungen seiner Zeit, ganz gleich ob diese aus Süddeutschland oder aus dem Gebiet der Eidgenossenschaft stammen, vgl. z.B. J.Knebel, Diarium (Basler Chroniken), II, S. 214, 235, 311, 354, 435; III, 6; oder N. Büsch, ebendort, III, S. 196ff., 306, 308, der schreibt: Herzog Sigmund habe den Zug gegen Karl den Kühnen beschlossen «gott dem almechtigen zu lobe, den Cristenglöubigen zü uffenthalt, dem heiligen rieh zu eren, Tutzscher nacion zü gut, dem loblichen husz Oesterrich zü rettung und gemeinen landen zu nutz und friden». III, S.303. 24' Th.Fricker, Twingherrenstreit, ed.Studer, QSG, I (wohl kurz nach 1470 entstanden); vgl. oben, S. 59, Anm. 145. Auf Frickers Bericht treten wir nicht im einzelnen ein, da eine genaue Untersuchung des Twinghcrrenstreites und seiner Schilderung durch Fricker unsern Rahmen sprengen würde. Der Bericht, der vor allem die Ansichten des Adels mitteilt, spiegelt die Staatsauffassungen des späten Mittelalters in einzigartiger Weise. Doch erfordert er eingehende Interpretation gerade der Stellen, die für die Staatsauffassung wichtig sind, zumal die Meinung Kistlers und der Neuerer oft nur angedeutet wird. Deshalb beschränken wir uns hier auf das Wesentlichste. 248 Vgl. QSG, I, S. 124f. 840 Vgl. Schilling, I, S.52ff., besonders S.54f., 61f. - Tsohachtlan, S.276ff., 286, 291ff. 280 Fricker, S.29.- Kistler sagt: «Nun erkannten min gnedigen herren kein oberkeit uff ertrich, denn einen Römischen konig oder keiser.» Vgl. S. 30, 46ff., 124. 211 a.a.O., S.46; vgl. S.29f. Zeichnung der Ereignisse vom Alten Zürichkriege bis zum Schwabenkriege aus der Schau eines Zürchers vor uns252. Da Edlibach in seiner Darstellung des Alten Zürichkrieges viele Schriftstücke der Verhandlungen und Schiedsgerichte mitteilt, liegt der Hauptwert seines Werkes in der Schilderung dieses Krieges. Alles Folgende beschränkt sich auf knappe Nachrichten, die meist nur Aktenauszüge umrahmen, ohne dass sie Edlibach irgendwie kommentiert. Er enthält sich jedes Urteils, so dass seine persönliche Einstellung nur schwer erschlossen werden kann. Vor allem interessieren ihn die kriegerischen Auseinandersetzungen Zürichs und auch der Eidgenossen. Doch schon die Burgunderkriege werden von ihm sehr kurz behandelt. Aber er berichtet auch ab und zu von ferner hegenden Begebenheiten, wie der Gefangennahme Maximilians in Brügge oder der Ermordung Herzog Galeazzo Maria Sforzas253. Für die Frage nach seiner Vorstellung vom Reiche ist seine Chronik nicht sehr ergiebig, da er wichtig erscheinende Ereignisse der Reichsgeschichte wohl erwähnt, aber sehr knapp und ohne Aussagewert behandelt. Der Kaiser ist auch für ihn Herr aller Reichsglieder, und Zürich als Reichsstadt leitet von ihm ihre Freiheiten ab254. In der verschiedenen Interpretation kaiserlicher Freiheiten sieht Edlibach einen der wichtigsten Gründe des Alten Zürichkrieges, den auch er als Konflikt zwischen eidgenössischem Bundesrecht und Reichsrecht betrachtet255. Da die Zürcher der Ansicht waren, die Schwyzer wollten ihre Freiheiten einschränken, vertraten sie die Meinung, der Kaiser sei der zuständige Richter ihrer Streitigkeiten, zumal Schwyz zuerst durch eine Beschwerde bei Kaiser Sigmund, der ihnen günstig gesinnt war, und bei König Albrecht Mandate gegen Zürich erwirkt hatte266. Edlibach zeigt darüber hinaus deutlich, dass Zürich und Österreich in dem Konflikt mit Schwyz und den Eidgenossen das Reich mit hineinziehen wollten. Deshalb wurden die Eidgenossen als «ungehorsamen des helgen römschen riches, verachter des richs siner glider, under-trucker und vertilger alles adels und erberkeitt» verleumdet257. Doch verschweigt Edlibach, dass diese Nachreden auch in Zürich umgingen und 252 ed.M.Usteri, Mitt.d. Antiquar. Ges. Zürich, IV, 1846. 253 a.a.O., S.198, 167. 234 «...so berürt artickel unsser stat frigheit, Ordnung und Satzung in alle weg, dz die also da duroh gesohwechret und gantz nider getruckt werdint, sölt er bestan, als wir ein richstat nie gewessen werrind, noch dehein frighoit nie gehept hettind und won um lant-kündig offen und kuntlich ist, dz kein richstat in der weit jr frigheit und privilega, so si hat von dem römschen rieh, an deheiimen enden berechtigen sol noch mag, nach keiserlichen rechten den vor einem römschen keisser oder küng... oder verbunden sigend zerechten, denn vor dem dannen die frigheit langent und harrürot...» a.a.O., S.25; vgl. S.27. 255 Schilderung des Züriohkrieges, besonders die Verhandlungen, fortlaufend S.13-88. 236 a.a.O.; vgl. z.B. S.25, 32, 35. 257 a.a.O., S.85 oder: Die Eidgenossen «meinent sin des helgen riches gehorsamen under-tan, sunder offenbare mutwiller, dess rechten veraohtere und so vere an innen möcht sin, flissige, emssige und ernstliche vertilger und undertrucker ire obren und der gelider dess helgen römschen riches, ouch aller erberkeitt und dess gantzon adels duroh die doch die heilig kilche und dz heilig römsch rieh habend trost irer hanthabung...». S.85; vgl. S.35, 57f., 81, 87. 80 6 81 zum Teil von dort aus verbreitet wurden. Ob Edlibach persönlich diese Nachreden selber vertrat, lässt sich schwer feststellen, doch scheint er nicht ganz frei davon gewesen zu sein. . Wichtig ist für uns die scharfe Unterscheidung zwischen Friedrich III. als Kaiser und als Fürst von Österreich, die jedoch mehr durch die mitge- i teilten Akten als durch die Schilderung Edlibachs offenbar wird268. Darüber hinaus ist das häufige Auftreten der Kurfürsten, besonders des Pfalzgrafen bei Rhein, bemerkenswert, obwohl Edlibach keine Gründe dafür anführt269. Ferner weisen zwei Stellen auf die Verehrung Karls des Grossen in Zürich hin360. Schilling gegenüber geht Edlibach auf den Friedensschluss des Kaisers mit Karl dem Kühnen ein und kritisiert den Ausschluss des grossen Bundes, «dz doch wider alle billikeit wz, und wider gott diewil und doch derselb keiser fridrich von österioh sy (die Eidgenossen und die Niedere Vereinigung) mit sinnen eignen missiffen und brieffen mant bi sinnen keiserlichen hulden den hertzog von brugunde ze bekriegen»261. Der Schwabenkrieg war kaum beendet, als Nikolaus Schradin seine «Kronigk diss kriegs gegen den Allerdurchluchtigisten Herrn Romschen Konig als Ertzhertzogen zu Osterich und dem schwebyschen pundt, dero sich das heylig Romisch Rych angenomen hat, eins teilss und Stett und Lender gemeiner Eidgenosschaft des andern », schrieb262. Schradins Hauptanliegen ist neben einer Schilderung der militärischen Ereignisse die Widerlegung der Verleumdungen, mit denen die Eidgenossen angegriffen worden waren. Die Eidgenossen waren vor allem seit dem Zürichkriege als Adelsfeinde beschimpft worden. Damit wurde die Behauptung verbunden, die Eidgenossen seien Verächter des Rechtes und des heiligen Reiches; denn ihre Herrschaft beruhe auf Aufruhr. Indem die Gegner der Eidgenossen, vor allem Österreich, immer wieder die eigene Sache als Angelegenheit des Reiches auszugeben versuchten, bemühten sie sich, die Eidgenossen als Feinde des Reiches anzuklagen263. Im Zürichkriege und in den nachfolgenden Streitigkeiten war ihnen das nicht gelungen. Als im Schwabenkriege dieser Versuch in grossem Ausmasse wiederholt wurde, hatten die Feinde der Eidgenossenschaft teilweise Erfolg. Daher will Schradin, j wie schon der Titel seines Werkes zeigt, nachweisen, dass «disser krieg in \ tütschem land» nichts mit dem Reiche zu tun hatte264. 258 «...des ersten, das wir nüt wüssend, dz sy mit unsrem herren dem römschen küng dehein püntnisse gemacht habond, sunder als mit einnem fürssten und dem hus von österich ein püntnüsse gemacht habint cet.» Stammt aus einer eidgenössischen Entgegnung während der Schiedsgerichte. a.a.O., S. 100; vgl. S.36, 67, 81, 87. 259 a.a.O.; vgl. S.78, 82, 84, 87, 88ff., 113ff., 130, 168, 174, 213. 260 «Darumb man noch begatt den Tag mit singon unn lessen, Zürich loblieh zu einer gedechtniss und erre küng karohiss unssers hussfatters, dz er die synen so trülichen behüt hat.» S.78. Karl IV. wird der ekleyn karoly» genannt. S.55. Vgl. auch S.207: Karlsturm. 201 a.a.O., S. 149. 232 15 00 gedruckt {Sursee), neu herausgegeben im Geschfr., IV (1847), und Faksimileneudruck 1927. 233 Ähnliche Versuche und Behauptungen finden sich auch ausserhalb der Eidgenossenschaft. 234 N.Schradin, Chronik des Schwabenkrieges, S. 9. Aus diesem Grunde beginnt der aus Schwaben stammende Luzerner seine Darstellung mit der Erzählung des Herkommens der Schwyzer und Oberhasler, berichtet kurz von der Vertreibung des Adels, die er mit der Wahrung des Landfriedens begründet, um dann auf den Schwabenkrieg einzugehen. In den Augen Schradins ist das Reich eng mit dem christlichen Glauben verbunden. Gleichermassen haben Kaiser, «Kurfürsten und herren allen» am Reiche Anteil, das in erster Linie die deutsche Nation umfasst265. Die wichtigste Aufgabe sah er in der Heidenbekämpfung, die für seine Zeit in dem Kriege gegen die Türken bestand. Schradins wichtigstes Argument, um zu zeigen, dass die Eidgenossen getreue Glieder des Reiches sind, ist die Aussage, dass sie «dess heiligen glubenss grecht sind». Darüber hinaus genügt ihm der Hinweis, dass die Eidgenossenschaft «sich der gehorsamy nie hat gesperrt», soweit es «das rieh und die kristenheit mecht angon»286. Scharf zwischen dem Reich und Österreich unterscheidend, macht sich Schradin eine der wirksamsten Forderungen der Reiohs-reformbestrebungen zu Nutze, indem er die Vermengung von Hausmaoht-angelegenheiten mit Fragen, die das Reich betrafen, kritisiert267. Dem muss die lobende Erwähnung des Pfalzgrafen gegenübergestellt werden, womit Schradin andeutet, dass der Krieg kein eigentlicher Reiohskrieg gewesen sein könne, weil der erste Fürst nächst dem Kaiser selber vermitteln wollte und sich vom Kampfe fernhielt268. Bemerkenswerterweise scheut auch Schradin sich, den Kaiser irgendwie anzuklagen. Er schiebt alle Schuld am Kriege andern zu: «Doch ist zu beduren Romsche künkliche Magestat, die ir eigen person halb gnad und tuget an ir hat geboren der miltigkeit, ein fromer fürst der nach eren und der gerechtigkeit dürst als man zu zitten vil und dick hat gespürt zu bsorgen sin küngklich magestet werd etwa verfürt... »269. 2« Schradin, S. 63; vgl. S.40, 39, 10. 263 a.a.O., S.40: vgl. «Eo dio oidgnosschaft am halss nem die wid (d.h. sich den Strang umlege) so sol ess goston dorn heiligen Römischen rieh ein glied und müssz werden vil ein ander gefert als sy sich der gehorsamy nie hat gespert der gestalt also zu vermergken und zü verston wass das rieh und die kristenheit mecht angon ...» S. 59. 237 « Solt aber ein keiser oder küng stossen an sin hand eigen spenn und irrung von wegen siner erbland oder ander hendel so dass heilig romsch rieh nit angat alss sich in disem val begehen hat, alss dann dass rieh wol, in ruwen stat...» S. 40. Wenn Österreich die Kaiserwürde innehat, soll es nicht alle Lande zwingon dürfen: «Umb das ein fürst oder herr von Osterich ist Romsche küng und die regierung stat in siner Hand, solt dass huss Osterich darumb zwingen alle land ?» 283 a.a.O., S. 22; vgl. S. 30. 263 a.a.O., S.40; vgl. S.59. 82 83 Schlägt man Peterman Etterlins Chronik, die erste historische Darstellung, die die Vergangenheit «der lohlichen Eydtgnosehaft» erzählen will, auf, so findet sich auf der Bückseite des Titelblattes ein Holzschnitt, der den knienden Chronisten vor dem thronenden, von den sieben Kurfürsten umgebenen Kaiser darbietet270. Auf der nächsten Seite umrahmen die Wappen der Orte und Zugewandten den Reichsadler. Nach dieser symbolischen Einleitung braucht Etterlin nicht mehr so breit wie Justinger auf den Zusammenhang seiner Berichte mit der Reichs- und Heilsgeschichte hinzuweisen. Dennoch beginnt er seine Chronik mit den Worten: «So menschlicher trost und was guotz unss zü statt, Alles von Gott, siner müter Maria und srner usserwolten fürbitt, unss erachtet und verlihen würt, .. ,271.» Damit spielt Etterlin auf die göttliche Herleitung aller weltlichen Dinge an. Da das geistliche Schwert den Vorrang vor dem weltlichen beansprucht, berichtet Etterlin zuerst die Entstehung des Klosters Einsiedeln, um dann mit der Geschichte der Anfänge Luzerns zur weltlichen Macht überzuleiten. Darüber hinaus widmet er seine Chronik, die wonige Jahre nach dem Abschluss des Schwabenkrieges gedruckt wurde, «dem heiligen Römischen rieh und gemeiner Eidgnoschaft»272. Ebenso erfährt der Leser Etterlins noch viel mehr über die Reichsgeschichte als von andern Schweizer Chronisten. Reichsgeschiohte und eidgenössische Historie sind für Etterlin eng miteinander verbunden273. Die wichtigste Aufgabe des Reiches, das für ihn das «heilige römische Rieh» ist274, sieht Etterlin in der Bekämpfung der Türken und dem Schutz der Kirche. «Vorab die heiigen cristenlichen kilchen ze beschirmen unnd die gantz Cristenheit» betrachtet er als Pflicht des Kaisers, daneben aber auch aller christlichen Pürsten276. Als grosse Kaiser erscheinen ihm Otto I., dessen «mechtigkeit und grosse tapferkeit, so er tet durch der oristenheit willen» er preist276. Otto II. und Otto III. lobt er wegen ihrer Gerechtigkeit277, während er Friedrich I. als guten Christen schätzt278. Neben Heinrich VII., den Etterlin «Heinrich, der grosse von Lützelburg», nennt279, 270 P.Etterlin, Kronica von der loblichen Eydtgnosehaft, ir harkomenund sust seltzam strittenn und geschienten, Basel 1507. 271 a.a.O., fol. lv. 272 a.a.O., fol. lv: «Dem heiligen Römschen rieh und gemeiner Eydgnoschaft zuo eren, vorab dem almechtigen, siner himelschen jeraohy und yetz verrümpten ze lob... ö 273 Zirka 46 Seiten seiner Chronik enthalten Reichagcschichte, die mit dem eidgenössischen Geschehen durch keinerlei offenbare Beziehungen verknüpft sind. Die Chronik umfasst einschliesslich der Holzschnitte 120 Blätter. 274 Vgl. besonders fol. 29ff. mit der Lirer-Chronik, einer Vorlage Etterlins. 276 a.a.O., fol. 35 v. Zusatz Etterlins zu seiner Vorlage, die nur schrieb: «Otto schwur der kilchen als dann gewonlich ist.» Vgl. fol. 57: Zusatz Etterlins nach der Niederlage im Türkenkriege: «Die Cristenlichen forsten sollend diss rechen, da mitt der cristenglouben hin für als ich hoff zü und nit abnemen solle.» 278 a.a.O., fol. 28v. 217 Otto II. «was ein strenger man, gesach gern recht tuon, friden halten...». Otto III. oin «gerechter Richter», fol. 29f. 278 «Was ein guoter crist.» a.a.O., fol. 33v. 279 a.a.O., fol. 19. bringt er Rudolf von Habsburg grosse Achtung wegen seines guten Verhältnisses zu den Waldstätten entgegen280. Kaiser Sigmund, dessen «wiss-heit» das Schisma überwand, besitzt seine volle Sympathie281. Dagegen bezeichnet er Friedrich II. als «wütrichen», der die Kirche bedrückt habe und wegen Gotteslästerung gebannt worden sei282. Karl IV. ist der Luzerner Historiograph wegen der Unterstützung Österreichs gegen Zürich nicht allzu gut gesinnt283. Friedrich III. tritt in seinem Werk kaum hervor. Allem Anschein nach will Etterlin nicht näher auf ihn eingehen, wie er auch von Wenzel nichts als die Tatsache der Absetzung berichtet284. Auch den Zürichkrieg behandelt der Anhänger der französischen Partei sehr knapp und berichtet über den Frieden des Kaisers mit Karl dem Kühnen überhaupt nicht. Maximilian kommt in seiner Schilderung trotz dem Schwabenkriege sehr gut weg285. Entgegen seiner Vorlage unterlässt es Etterlin, von dem Approbationsanspruch des Papstes bei der Wahl des römischen Königs zu sprechen, vermutlich billigte er ihn nicht286. Als er das Konstanzer Konzil schildert, bemerkt Etterlin voller Resignation: «wann soltte man one Bapst beliben, byss das die Priesterschafft gereformiert wurde, man muste wol ewenklichen one Bapst sin»287. Über die Reform des weltlichen Reiches äussert sich Etterlin nicht. Die Kurfürsten spielen eine wesentlich grössere Rolle als bei allen anderen eidgenössischen Chronisten vor ihm. Besonders der Pfalzgraf bei Rhein wird «Als ein getrüwer gütter gönner gemeiner Eydtgenossen» häufiger erwähnt und auch sein Streit mit dem Mainzer Erzbischof kurz mitgeteilt288. Die Burgunderkriege waren für den Luzerner Gerichtsschreiber, ebenso wie für den Berner Schilling, mehr ein Krieg des Kaisers und Herzog Sigmunds von Österreich als eine Angelegenheit der Berner und der Eidgenossen289. Obwohl Etterlin den Adel beschuldigt, die Kriege zwischen den Eidgenossen und Österreich entfesselt zu haben, fehlen eigentlich adelsfeindliche Äusserungen. Wie Schradin betrachtet er den Schwabenkrieg als einen Konflikt mit Österreich und dem Schwäbischen Bund und lässt die Eidgenossen während der Friedensverhandlungen sagen, sie hätten «ouch in ir hertz und gemüt nye wider das heilig Romisch rieh ze kriegen i 28° Etterlin, fol. 11 f.; vgl. fol. 8f., 37f. 281 a.a.O., fol. 62v, 64. 282 a.a.O., fol. 36. 283 a.a.O., fol. 41. 284 a.a.O., fol. 56, 45f. 286 Z.B. «Wo der from fürst, küng Maximilian als hertzog zü ästerich.» fol. 111; vgl. fol. 102v, 104, 112v, 116v. äs« yg]t a.a.o., fol. 35 v, mit Lirer. Etterlin lässt den Brief an den Herzog von Zähringen fort, in dem der Papst sein Recht beweisen will, die Rechtmässigkeit der Wahl und die Würdigkeit des Gewählten nachzuprüfen. a87 a.a.O., fol. 64 v. Das Zitat ist Zusatz Etterlins zu seinor Vorlage, Es entspricht dem Denken der Reichsreformfreunde. 288 a.a.O., fol. 106; vgl. fol. 81, 77v, 112v, 113. Von Königshofen übernimmt Etterlin die Geschichte der Errichtung des Kurfürstenkollegs durch Otto III.; vgl. fol. 28vff. 288 «Da nun die Eydtgenossen vom keiser gemant und ouch vom hertzotz Sigmunden inhalt der bericht erfordert wurden, zugent sy... gen Elikurt...» fol. 87; vgl. fol. 86v, 87fft 84 85 fürgenomen, wann sy das in allen yren geschefftten und handlungen mit fürsten und herren alweg vorbehalten»290. In der Chronik des Luzerner Diebold Schilling spiegeln sieh die Gegensätze, die die Eidgenossenschaft seiner Zeit zerrissen291. Im Vordergrund der politischen Auseinandersetzungen zu Beginn des 16. Jahrhunderts stand das Ringen der französischen und der kaiserlichen Partei um den massgebenden Einfluss in der Eidgenossenschaft, deren Bedeutung durch die Burgunderkriege und die zunehmenden Solddienste gestiegen war. Die Bindung an diese Parteien sah Schilling als so stark an, dass «schier kein Eitgnoss me was»292. Neben der anschaulichen Schilderung der Parteikämpfe in der Eidgenossenschaft liegt der Wert seiner Chronik in den Argumenten, mit denen er seine Stellungnahme für die Anhänger des Kaisers begründet. Sie lassen uns einen tiefen Blick in die Staats- und Reichsauffassung der Eidgenossen nach dem Schwabenkriege tun. «...sunst kan ein jeglicher cristener mönsch wol betrachten, das alle gesatzt, gerächtikeit, friheit und regalia vorab von dem kumpt, der dz nach siner hinfart witer und lang vor siner mönschwärdung den keisern, dem irdischen gewalt, usszetoilen geben und die darzfi gewidmet, das allein ein Romscher keiser sunst niemand ze tünde hat393.» Von Christus abgeleitet, wird auch für Schilling alle weltliche Gewalt mittels der Zweischwertertheorie begründet294. Den beiden Gewalten untersteht der Christ kraft seines Glaubens nicht etwa deshalb, weil der Kaiser oder das Reich ihn dazu zwingen, sondern weil Kaiser und Reich ein Teil des «göttlich gesatz und Ordnung» sind295. Daher stehen auch Kaiser und Reich unter dem besonderen Schutz Gottes, der Vergehen, die ihre Erhaltung gefährden, straft, wie er Pharao und sein Volk im Roten Meer für die Verfolgung des Volkes Israel bestrafte296. Im besonderen Masse gilt das für jede Usurpation von Herrschaftsrechten, wenn auch Schilling der Ansicht ist, dass nicht jede Usurpation Sünde sei: «Nu muss man regenten 299 Emrlin, fol. 118; vgl. fol. 104f., Ulf. 291 1313, ed.Burrer-Hilber 1932 (Faksimile). 202 a.a.O., S. 159. 293 a.a.O., S. 156; vgl. «...dz man dennoeht alwägen cristeliche Ordnung und gesatz nit verachten, sunder die zwey dz geistlich und waltlich swärt beschirmen und vor ougen haben sol, daruff die Cristenheit gewidmet und allen mönschen, denen undertänig ze sind, cristnen glouben ze beschirmen gebotten ist, wie das vil und diok von gelerten lüten verkündt wirt.» S.63. 294 Vgl. z.B. S.25: «Dz ein jeglicher wyser, dem dan die er von gott kumpt und das waltliehe Schwert zü regieren entpfolen wirt...» 295 S.210; vgl.: «Das umb gältz willen die Ordnung und götlich gesatz gehindert solt Warden...» S.160. Oder: «Dann der götlichen Ordnung nach und cristenlicher gesatz hat sich dennoeht sovil zitz erlouffen, dz jederman wol beduneken, es wäre zitt ein keiser ze machen, damit die Cristonhoit nit so lang on ein hopt stund...» S.155;'vgl. S.168, 185. 296 «Moyses ward zü dem küng Pharao geschickt, die kind von Israhol in das gelopt land ze lassen und darumb das ze tünde gewarnet. Dem küng ward aber sin härtz verhörtet, das er mit gewalt das volk nit wolt lassen, des aber er und alles sin volk zülotsfc im mere ertrunckend... Das beschach auch heren Petern von Hagenbach...» S. 67. «Wäre ouch nit gut, das sollichs von Gott nit gestrafft wurde, wa einer understünde, göttlich gesatz und Ordnung, ouch die cristenlichen kilchen und das heilig Römsch rieh ze hindern und umb geltz willen under ze trucken.» Dabei droht Schilling noch religiöse Strafen an. S.210. haben, und wäre nit sünd, das ein biderman nach gewalt und eren stalte, wenn er anders sollichs allein, die gerechtikeit ouch wittwen und weisen ze beschirmen, und den gemein nutz ze fürdern täte, welher aber sin nutz me denn den armen bedenkt, ouch sich gaben, gut und gelt lat blenden und verfüren, ob denn eim sollichen derglich oder anders ze handen gat, des darff sich nieman verwundern297.»Nach Schillings Ausdrucksweise möchte man vermuten, dass er in der kaiserlichen Verleihung der Herrschaftsrechte die natürliche Ergänzung einer demokratisch-aristokratischen Re- ! gierungsform sah298. Jeder Herrscher hat für Rechtsschutz zu sorgen. Er untersteht aber selber dem göttlichen Recht. Daher sind Erömmigkeit, Rechtlichkeit und Sorge für die Kirche die Eigenschaften eines guten Kaisers299. Den Romzug betrachtet Schilling als eine der wichtigsten Pflichten des römischen Königs300.- Wer den Kaiser daran hindert, begeht eine unehristliehe Handlung, wie auch jeder Angriff auf das Reich zugleich eine Verletzung der göttlichen Ordnung darstellt301, Der Schutz der Kirche und der Christenheit gelten auch für ihn als dio eigentlichen Aufgaben des Kaisers, der daran nicht gehindert werden darf302. Daher stehen sich die Begriffe «Reich» und «Christenheit» in seiner Chronik sehr nahe, obwohl das Reich / nur Deutschland und italienische Gebiete umfasst303. Die deutsche Nation • wird von Diebold Schilling nur im Zusammenhang mit Karl dem Kühnen genannt. Der Burgunderherzog wird als «vast ein hochfartiger fürst» be- 297.Schilling, S.70. 208 Ygi_ besonders die Einleitung Schillings: «In dem namen der helgen hochen und unzerteilten drüy faltikeit gott des vatters, des suns und des helgen geistes säliklichen amen. Und wann aber nach der Schöpfung des ersten mönschen, unser aller vatter heren Adams, die ding, so ewig und langwirig eigentlichen wie die ergangen, uffgeschribenund usskundet sind, darumb das man von ersten darby die wunderbarlichen werck und zeichen gottes erkenne, ouch die regenten disser weit sunderlich und gemeinlich in der forcht gottes recht ze regieren, wittwen und weisen ze beschirmen, land und lüt ze regieren vestenclichen bliben und durch anschowung der alten geschichten die gegenwärtigen und künfftigen dester bas geregiert und das böss fürkomen, ouch das umecht undertruckt werden möge, so ist es nott, dz ein jeglicher wyser, dem dan die er von gott kumpt und das waltliche Schwert zu regieren entpfolen wirt, besinne und betrachte, wie vil gelerter wiser und mechtiger menner, geistlicher und weltlicher lütten von hoffart, gittikeit und ander grosser sünd wegen, darumb dz sy dio forcht und gebott gottes verachtend, hie uff erden umb ir er, Hb und gut, land und lüt komen, und am letsten in abgrund der hellen gangen, ouch wie sovil dargegen gotz-förchtigor gcrechtor mönschen zü hochen eren, gewalt lüt und land zü rogicren und demnach zu ewiger fröund und selikeit komen sint.etc.» S. 25. 299 «Der keiser... sprach, er wäre nit komen, die gesatzt ze zerbrächen, sunder die ze bestäten.» S.54; vgl. fortlaufend. 390 Vgl. S. 155, 156, 158. 301 «Der küng von Franckerich sölte harin (in der Verhinderung des Romzuges) sin namen bedacht han (der allerchristlichste) und was er von Gott erlanget hatt, und so frävelich wider dz Römseh rieh nit haben gehandlet.» S. 158; vgl. S. 161, 168, 192, auch 156. 392 Schilling lässt Maximilian sagen: «...so wüsto er dio Cristenheit noch das heilig Römsch rieh nit ze beschirmen...» S. 148; vgl. S.53, 88, 89, 145, 150, 168. 303 Eine genaue Feststellung ist nicht möglich. Mindestens zählt Schilling Mailand und Genua dazu; vgl. S.147, 148, 151, 193. Vgl. auch betr. Venedig S.174. Z.B.: Frankreich befürchtet, die Eidgenossen «wurden sich an den bapst oder das Rieh hencken, das ouch nich unbillioh war gewäsen, so sy doch von alterher an die kilchen gehört hand». 8.145. 86 87 schrieben, der durch die Handlungen Hagenbachs und den Angriff auf Glieder des Reiches gegen die göttliche Ordnung verstiess301. Die Burgunderkriege waren auch für Schilling eine Angelegenheit der deutschen Nation, die er ohne eigene Stellungnahme nach Etterlin schildert306. Immer wieder unterstreicht Schilling, dass Maximilian keine Schuld am Kriege mit dem Schwäbischen Bund und mit Österreich gehabt habe308. Wie alle Schweizer Chronisten findet auch Schilling in Kaiser Sigmund, «der in allen Sachen Karolo magno glichet», sein Herrscherideal verkörpert307. Sehr seltsam mutet es jedoch an, aus dem Munde eines Innerschweizers ein Loblied Friedrichs III. zu hören: «Kaiser Fridrich was der dritt des namen, Maximilians vatter und hertzog Ernsten sun von Oesterich, ein senffter, geistlicher und gerächter man. Für mit grossen eren gan Rom sich lassen krönen, mit hilff miner heren der Eitgnossen, ouch ander vil fürsten und heren, ward allenthalben vast wol entpfangen uss und in ze faren308.»Von Maximilian entwirft Schilling ein Bild, das dem des «letzten Ritters» nicht viel nachsteht. Wenn er auch Maximilian einmal etwas kritisiert, so schiebt er immer wieder alle Schuld an den Streitigkeiten mit den Eidgenossen den kaiserlichen und österreichischen Räten zu309. Ausser der Absetzung Wenzels, die Schilling ohne Kommentar mitteilt, enthält die Luzerner Chronik keine abschätzige Aussage über einen Kaiser. Diese Tatsache muss hervorgehoben werden, weil der Schwerpunkt der Chronik in der Darstellung der eidgenössischen Geschichte während der Regierungszeit Friedrichs III. und Maximilians liegt, die Diebold Schilling selbst miterlebt hat. Zu erwähnen ist noch die Ansicht, dass dem römischen König der Titel eines Königs von Böhmen und Ungarn zuzugehören scheint; 301 Schilling, S.65. Karl der Kühne sei «willens die gantzen tütsehen naeion under sich ze bringen». Ebendort, vgl. S.79, 136f. 305 a.a.O., S. 71 ff, 83. S0G a.a.O., vgl. S.116f, 119, 125, 136. Schilling folgt daboi oft EUerlins Darstellung. Auch auf seihen Bildern finden sich untor den Feldzeichen der Feinde der Eidgenossen nie Keichs-abzeiohen. ,307 «Sigrmindus des Vierden Karoli sun... naoh dem tod sins vorfaren, des keisers erweit zü Franckfurt, ein wiser, vernünfftiger und göttlicher man, der inn allen saohen Karolo magno glichet. Hat ein luter antlit, schön von Hb und gestalt, was gutes er der Cristenheit hat getan, den Eitgnossen vil friheiten gaben...» S.53; vgl. S.40. 308 a.a.O., 8.56, sowie: «Wann sin vatter keiser Fridrioh hat im in sinem Todbett bevolhen mit den Switzorn kein krieg fürzenämen, sunder sy ze fründen ze bohalten...» S.125; vgl. S. 100. ä°s «In dissen dingen, alss mengerley in allen landen fürgieng und keiser Fridrich oben alt und unmögend was, bracht er dennocht so vil ze wägen, es war gegen den churfürstm oder dem rieh, dz sin sun hertzog Maximilian, der dazemal hertzog zu Burgund was, zu. Röm-sehom küng erweit... Derselb Maximilian leid in siner Jugend vil angst und not, wann er hatt von anfang sins regementz untrüw rat, die nieman dann inen selbs liessend zükomen, und wenn er inen bevalh», führten sie das nicht aus. S. 100.— Über den Schwabenkrieg: «Darumb was der Römsch küng ein unschuldiger marterer in dissen dingen.» S. 117. «Dieser krieg ward on des Römsohen küngs wüssen und willen angefangen, wiewol jederman alwegen inn schuldig gab. Er was aber in dem schuldig, dz or am letsten die nit strafft, so schuld daran und das Unglück angefangen hatten. Wa er denselben iren Ion gaben, so hätt sioh ein ander dran gestossen. Das er aber sin tag zevil barmhertzig gewasen, des ist er nit dester richer worden.» S.119; vgl. S.118, 188, 191. denn sie könnte mit dem Gedanken zusammenhängen, dass das Kaisertum eine Herrschaft über mehrere Regna ausübe310. Entsprechend seinem kaiserfreundlichen Standpunkt unterscheidet Schilling im allgemeinen weniger scharf als andere Chronisten zwischen dem Kaiser und dem Reich, wie auch zwischen Österreich und dem Kaiser, obgleich auch bei ihm der Gegensatz von Kaiser und Reich offen hervor- ' tritt311. Das Reich umfasst für Schilling wesentlich mehr als nur den Kaiser, dem zwar eine entscheidende Bedeutung innerhalb des Reiches zugemessen wird. Neben den Fürsten spielen die Städte innerhalb des Reiches eine wichtigere Rolle312. Wenn Schilling auch die Kurfürsten oft unter die Fürsten zählt und sie nicht besonders hervorhebt, so kennt er dooh ihre wichtige Stellung in der Politik des Reiches ebenso wie ihre rechtlichen Kompetenzen313. Sogar auf die Goldene Bulle beruft sich unser Chronist314, der auch häufig von Reichstagen berichtet315. Den Reichsreformbestrebungen steht Diebold Schilling fern. Als der Zürcher Heinrich Brennwald seine Schweizer Chronik schrieb, ! wandte er grossen Fleiss an die Verarbeitung zahlreicher Chroniken und zeichnete viele Sagen auf. Sein Werk ist die erste humanistische Darstellung der Schweizergeschiohte316. Im ersten Teil seines Werkes behandelt er die Geschichte der zwölf Orte bis zu ihrem Eintritt in den Bund. Im zweiten Teil erzählt Brennwald die eidgenössische Geschichte, angefangen vom Bunde Luzerns mit den Waldstätten bis zum Jahre 1509. Er betrachtet diesen Bund also als die eigentliche Gründung der Eidgenossenschaft. Brennwald weist weder durch seine Einleitung noch sonst eindeutig auf die Verbindung eidgenössischer Vergangenheit mit dem Reiche und der göttlichen Heilsordnung hin. Dennoch deutet vieles an, dass der Geistliche Brennwald noch in den Bahnen dieser Gedanken denkt, wenn sie auch in 310 «So doch ein jeglicher Römscher keiser oder küng sich daselbs (König zu Ungarn und Böhmen) her schribt.» S. 143. 311 Vgl. S.56, 149, 151. Vgl. auch Anm. 314. 313 Vgl. S. 26, 186 und häufig. 313 Der Kaiser «meint mit den fürsten an die Türken ze ziehen. Inen lag nie an iren, dann an der Cristenheit geschafften. Das marckt der keiser und hiess daruff jedermann heimm ritten und frid haben.» S.56. «Der küng... hat sy {die Eidgenossen) darumb beschickt, damit die churfürsten und ander gesahend, das sy dennocht das heilig Römsch rieh nit verachte-tend...» S. 149. Die Eidgenossen erfuhren, «das die ohurfürsten und die Richstett, ouch der Römsch küng nit wol eins des zugs halben miteinandern w&rend, wann die fürsten und stett hättend ein Unwillen ab der sach, darumb das der Römsch küng die Eitgnossen gan Rom versölden und aber sy zwingen wölte, in irem costen ze ziehen. Darumb verstundend sy wol, wa sy dem küng diontend, sy dann don fürsten und Stötten missdientend, an denen aber inen nachpursehafffc und kouffmannschatz halben eben vil läge.» S. 151; vgl. S. 100 sowie Anm. 309. 311 Vgl. 8.100, 168. 315 Vgl. S.56, 143, 149ff„ 173, 185, 189. 313 H.Brennwald, Schweizer Chronik, ed.Luginbühl, QSG-, NF, I, Chroniken, I, II. Luginbühl möchte die Abfassungszeit auf die Jahre 1508-1616 festlegen. Doch scheinen mir die häufigen Erwähnungen des Klosters Töss (auf 18 Seiten laut Register) und die vielen Nachrichten über Embrach (vgl. Register) eine spätere Zeit zu fordern. Wahrscheinlich nach 1530 (vgl. dazu andere Stifto oder Klöster ähnlicher Bedeutung im Register: Engolberg 2mal, Fraumünster 15mal, Grossmünster lOmal, Ottenbach 6mal, Beromünster 9mal)l 88 89 den Hintergrund getreten sind. Der weltlichen Geschichte der Eidgenossenschaft gilt sein Interesse. Doch bleibt die Schweizergeschichte ein Teil der Reichsgeschichte, die in ihren wesentlichsten Fakten auch für ihn zur Geschichte der Eidgenossenschaft gehört, obgleich in weit geringerem Masse als beispielsweise für Eüerlin. Brennwalds humanistische Bildung lässt ihn zwischen Helvetiern und «Tutschen» unterscheiden, die er wiederum beide von den Franzosen scharf abtrennt317. So legt er Wert auf die Feststellung, dass «Galli nit Walchen sint»318. Obwohl diese humanistische Unterscheidung bei Brennwald keine «trennende» Bedeutung besitzt, könnte man in ihr den ersten geistesgeschichtlichen Hinweis auf eine kommende Ablösung erblicken. Wenn Brennwald das Reich immer noch das «heilige römische Reich» nennt, so steht es bei ihm der Christenheit lange nicht so nahe wie bei den andern Chronisten. Obwohl es «tütsch und welsche lande» umfasst, ist das Reich für ihn mehr eine Vereinigung der deutschen Nation mit christlichen Aufgaben319. Es ist für ihn deutlich die kontinuierliche Fortsetzung des antiken römischen Reiches seit Cäsar, das der Papst «mit der Römer willen» Karl dem Grossen und damit den Deutschen übergab, die «es ewenklich besitzen und inn haben sollend, doch mit comflrmierung des babsts»320. Kaiser, Kurfürsten, Fürsten, Herren und Städte bilden für ihn das Reich, wobei jedoch Kaiser und Reich ausgesprochene Gegensätze sein können321. Die Kurfürsten nehmen eine besondere Stellung innerhalb des Reiches ein323. Wenn Brennwald Konflikte zwischen Kaiser und Papst berührt, nimmt er eher den päpstlichen Standpunkt ein323. Von allen Fragen, die das Reich berühren, erscheint ihm die wesentlichste, dass die Eidgenossen alle ihre Freiheiten, die er oft «Regalia» nennt32'1, von den Kaisern rechtmässig erwarben, indem sie dem Reiche dafür grosse Dienste leisteten. Darauf weist er bei jeder Gelegenheit hin326. Wie in keiner anderen Chronik spiegelt sich in Brennwalds Werk die Verehrung, die Karl der Grosse in Zürich, aber anscheinend auch in Luzern, genoss326. Neben ihm betrachtet Brennwald Rudolf von Habsburg, dem er die Wiederherstellung des Reiches und der deutschen Nation nach 311 Brennwald, z.B. I, S. 2. 318 a.a.O., I, S. 3. 318 «Damit das heilig römisch rieh besohirmbt und die tütseh nacion gemeinlioh in frid und sün gesetzt wurd.» S. 139. «. ..ward mit der krön dos tütsohen landes ze Ach bekrönt, und dar nach über etlich j aie hat er... die cron des lombartischen rieh zu Rom... empfangen.» II, S.32; vgl. II, S.330, 333, 382, 620. 320 I, S.84. 821 «Und uff diso manung (des Kaisers) entsehlussond sioh die Bidgnossen, recht zü erwarten, wie sich die kurfürsten, für3ten, riehstet und andere gelider des holgen richs wöltind halten, nach dem si sich ooh richten und nüt ungehorsam erschinen.» II, S.602; vgl. I, S.347, 363, 367; II, S.330, 434, 445. Brennwald verändert auch seine Vorlage «des richs fürsten oder Stetten» in «dos richs fürsten oder Stenden». 328 Vgl. I, S. 331; II, S.22, 65, 197ff. 323 Vgl. I, S. 119f., 138, 143, 161. 824 Z.B. I, S. 69, 143, 299; II, S.65, 301. 3S5 vgl. z.B. I, S.65, 93, 107, 489f., 458; II, S.29, 31. 328 Vgl. I, S.84ff., 252. Luzern; auch S.318f., St.Gallen. dem Interregnum hoch anrechnet, als guten Kaiser327. König Albrecht und Heinrich VII. werden von ihm geachtet, weil sie entfremdetes Reichsgut zurückerwarben und auf diese Weise Reichsfreie schützten328. Sigmund erscheint in seiner Chronik weniger lobenswert als sonst. Karl IV. kommt schon wegen der Belagerung Zürichs schlecht weg. Doch wirft Brennwald ihm vor allem die Geldgeschenke an die Kurfürsten bei der Wahl Wenzels vor329. Ruprecht von der Pfalz wird lobend erwähnt330. Obwohl Brennwald berichtet, dass Zürich von Friedrich II. wie von Ludwig dem Bayern Privilegien erhielt und diese Kaiser unterstützte, verurteilt er sie wegen ihrer Streitigkeiten mit der Kirche331. Im Gegensatz zu allen früheren Chronisten tadelt er Friedrich III. häufiger und scharf, ohne ihm wegen der Unterstützung seiner Vaterstadt im Zürichkriege ein Lob zu erteilen. Er sieht in Friedrich nur den Feind der Eidgenossen332. Doch bleibt er wie Maximilian der verehrungswürdige Träger der Kaiserkrone. Die Person Maximilians schildert Brennwald nicht, sondern teilt nur die feindlichen und freundlichen Handlungen und Äusserungen dieses Kaisers mit. Sonst bemerkt er nur einmal, dass er die Meinung eines Werkes über die Habsburger, das Maximilian «zu lob und er» geschrieben wurde, nicht teile333. Bei ihm sind geringe Ansätze einer Verbindung von Reichsreform und Schwabenkrieg sichtbar334. Dennoch war die Reichsreform für Brennwald 327 «Rüdolfus, graf zu Habsburg ward näoh lenger ür des romischen keiserthümbs und Zerrüttung der guter des römischen riches mit gemeiner einhelliger wal der curfürsten zu römischen küng erkoren und von bapst Grogorio dem zechenden zu rettung des heiligen lands bestetet; dann er was ein klug, fürsichtig, anschlegig man, in sinen handlungen streng, und ernstlich mit Waffen und war gerecht und gotsförchtig und an fürtreff ligkeit alles lobens und breises ungebrechlich, starkes libs, schönes antlitz, rot, wis, grossmütig und sonderlich milt fri. In betrachtung und ormessung sollicher loblicher art und eigenschaft ward er zu keiser und herrschet 19 jar mit vil mü und arbeit der hendel und Sachen tütscher nacion und land berürende.» I, S. 144f.; vgl. I, S. 129ff., 138f., 143. Diese Stelle nach ScJiedeL 328 Zu Albrecht vgl. S. 148 ff.: «Waltend die curfürsten graf Heinrich von Lützolborg zu römischem keiser; der ward zü Ach, zü Moyland, und zü Rom bekrönt und tat viel grosser rumwirdiger Sachen. Er bekriegt graf Aberharten von Wirttonborg, dor undor küng Albrechten dem römischen rieh 80 stett und schloss abtrengt und ingenommen hat; die bracht er alle widerum an das rieh.» I, S. 159. 828 Vgl. I, S.178, 196, 362ff.; Wenzel S.374f. «Sigmund het... in wanklem gelüst über 50 jar regiert und ist erst in sinem alter in welsch land gezogen, von babst Eugenio zü keiser bekrönt worden. Und als er ietz vast alt und übel mögend was nach vil rumwirdigen grossen Sachen, starb or...» S. 472; vgl. S. 162. 388 Vgl. I, S. 462. 831 Vgl. I, S.119, 161, 174. 882 Vgl. II, S. 32, 61f., 239, 330. 888 Vgl. I, S. 127. 334 «Als nun keiser Priderieh abermals sin anschlag gefeit und vormarkt, das sich die Eignossen menklichs erwartend und inen Got sölichen sig allein durch die früntschaft und brüderliche liebe, so si zü Samen hatend, verlech, und ein sölioh cloin comun, durch ir püntnis so hoch geacht, ir lib und gut, lüt und land vor menklichem so trutzlich beschirmtend, sucht er abormals weg, wie er ein Eignoschaft zü sinen handen und von irem regiment bringen möcht, beschreib curfürsten, fürsten, prelaten, richstet, allen adel und nämlich die ganzen tütschen nacion, die sich wider ein Eignoschaft zü samen verbündend... Und nachdem sölicher punt ufgericht, wurdend vil richstagen zü Regenspurg, Köln, Frankfurt, Nürenberg und andren orten gehalten, wie man die Eignossen dem rieh under würfig, die bösen buren um iren hochmüt strafen wölt, geratschlagt.» S. 330ff. sowio: Die Eidgenossen «batend in, mit dem punt ze schaffen, damit si nüt witer ersucht und sölicher reformatz und artiklen überhept wurdind...». S.335. 90 91 kein Grund des Krieges, den er allein in den Schmähreden gegen die Eidgenossen sieht. Den Gegner der Eidgenossen in diesem Kriege sieht er vor allem im Schwäbischen Bund, daneben auch in Maximilian und durch ihn im Reiche335. Über die Kriegshetze beriohtet Brennwald immer wieder, doch bemüht er sich nicht so sehr wie andere Chronisten, sie im einzelnen zu widerlegen. Das war auch nicht nötig, wenn man den Zusammenhang seines Werkes würdigt, da es als Ganzes die Verleumdungen widerlegen sollte. Im Gegensatz zu den früheren Chronisten nimmt er dem Reiche gegenüber selbstbewusster und stärker auf die eigene Kraft vertrauend Stellung. Das zeigt besonders gut seine Bemerkung zur Verweigerung der Privilegienbestätigung durch Friedrich III.: «den wir wend nüt dest minder ein dieb henken, morder redren, kezer brennen und das unrecht straffen und dem nach warten, was uns dar um geschech»336. So wagte noch keiner seiner Vorgänger zu sprechen337. Doch betrachtet er Kaiser und Reich als die von Gott eingesetzte Obrigkeit, wie das ein Ausspruch zeigt, den er Waldmann in den Mund legt: «Das muss sin, den ich bin küng, keiser und babst338.» Diese Formulierung ist sehr interessant, weil sie einerseits das Aufkommen einer neuen Staatsauffassung spiegelt, die Brennwald jedoch ablohnt. Andererseits finden sich auch in andern Chroniken ähnliche Aussagen über hervorragende Persönlichkeiten, denen der Chronist feindlich gegenübersteht. So entwerfen die Chronisten der Burgunderkriege von Hagenbach und Karl dem Kühnen ein ähnliches Bild339, wie Thüring Friclcer entsprechende Ansichten von Peter Kistler aussprechen lässt340. Mögen auch solche Worte gefallen sein, so dienen sie den Chronisten doch als Beweis für den Hochmut und für die grobe Verletzung der göttlichen Ordnung, zu der die ständische Gliederung und der Kaiser als Quelle allen Rechtes gehört. Bedeutungsvoll ist es ferner, dass Brennwald als erster eidgenössischer Historiograph hin und wieder die Eidgenossenschaft von Schwaben trennt, während Anshelm beispielsweise Zürich noch «ein alt, edel houpt des mächtigen küngrichs Swaben» nennt341. Einen völlig neuen Ton schlägt Valerius Anshelm, der zum Sohluss noch behandelt werden soll, in seiner Berner Chronik an342. Der gebildete Anhänger der Reformation urteilt von einer neuen Warte aus, die dem selbständigen Geist einen weiten Rundblick gestattet. Vom Mittelpunkt Bern aus betrachtet Anshelm die umhegenden Lande, zu denen nun auch Frank- 336 vgl. XI, S. 335, 339, 435, 454, 465, 478. Die Gegner der Eidgenossen im Schwabenkrieg nennt Brennwald meist «die Schwebischen», aber auch «die küngischen». 336 II, S.65. 331 Vgl. oben, S. 69f.. 76f. 338 II, S. 308. Anshelm bringt nach Brennwald den gleichen Allsspruch. Anshelm, I, S. 33C. 330 Vgl.Sehilling, I, S.362, 92,130f. ;II, S. 121.-Bdiibach, S. 136.-Knebel.I. S. 178, 214. -Anshelm, S. 100. 340 «Min her Schultheis bekennt alwegen in einen urteilen als ,der obristen herrsohaft' zü. Da weiss ich nit welche er meint ?» S. 124. 341 Vgl. I, S. 153; II, S. 15, 330; jedoch I, S.69, 142. 31a V.Anshelm, genannt Rüd., Berner Chronik, ed.Hist.Ver.d.Kt.Bern, 1884-1901. Hier wurden nur Band I-IV herangezogen. reich und Italien gehören. So sehr er den reformierten Standpunkt vertritt, so bringt der neue Glauben doch keine wesentliche Veränderung der Staatsanschauungen und des Weltbildes mit sich. Mochte Anshelm einzelne Päpste und die Kurie noch so sehr als «Antichrist» verurteilen, für ihn bleibt die Geschichte Berns und der Eidgenossen mit der Welt- und Heilsgeschichte verbunden, wenn er auch die einzelnen Geschehnisse stärker von der Person und ihrer christlichen Haltung beeinflusst sieht. Die mittelalterliche Ordnung der Welt wagt er wohl in Teilen anzugreifen, aber als Ganzes bleibt sie die allein gültige. Anshelm will keine neuen Wege beschreiten, sondern die alten wieder herstellen. Obwohl Anshelm nur die älteren Werke fortsetzen will, glaubt er, die Darstellung Justingers und Schillings verbessern zu müssen. Seine «Besserung» betrifft jedoch ausser den Burgunderkriegen nicht die Geschichte Berns, sondern neben Reichsgeschiohte die Vergangenheit Burgunds und viele Nachrichten über die Zähringer343. Bezeichnenderweise beginnt er seine Chronik mit der Vereinigung Burgunds mit dem Reiche (1032)344. Dabei hält es Anshelm für notwendig, zu betonen, «dass ein stat Bern alwegen in des Römsche rieh land und hand ist gwesen»345. Den Aufstieg zu einer von allen christlichen Nationen geachteten Macht verdankten Bern und die Eidgenossenschaft «irer altvordren vesten red-lichkeit»346. Nur weil die Eidgenossen rechtlich, «Got zü lob und kristlicher gemeinsame zü lieb» handelten, haben sie in den Augen Anshelms ihre Freiheit erhalten können und sind zu einer europäischen Macht aufgestiegen347. Daher fordert Anshelm mit Nachdruck die Abschaffung des Pensionenwesens, weil es die eidgenössische Freiheit untergrabe und «wider ir fromen altvordren erhöhen bruch, den erlichen billichen, ja schuldigen zustand zum heiligen Romsehen stul und zürn heiligen Römschen rieh, dahar doch al ire gnaden und friheiten kömid und bestand nemid.. ,»348. Für Anshelm bleibt der Kaiser Quelle allen Rechtes. Kaiser und Papst sind noch die Häupter der Christenheit, obgleich die Inhaber dieser Ämter sie vielfach unchristlich ausüben849. Neben den Kaiser tritt, teilweise an die Stelle des Papstes, häufig der französische König als drittes Haupt350. Die 343 Vgl. Anshelm, I, S. 10-56. 344 a.a.O., I, S.10. 345 a.a.O., I, S. 14; vgl. S.118. 340 1, S.94. «Und das tür, fri volk, on hopt, allein - ouch sin nam ein truz, in mits aller höpter, so hoch über al cristlich nationen geacht.» II, S.38; vgl. I, S.91, 92, 120, 144. 347 «...so doch ir lobrichen fromen altvordren über 250 jar über alle Tütsche nationen gerumt und geachtet sind worden, als die, so einige gerechtigkeit und erbarkeit ansehid und dieselben ouch mit irem blüt, on iemands verschonen, vest handhabid und sohirmid.ö I,S. 108; vgl. I, S.94. 343 II, S.35. 349 «...das ouch bi den furnemsten herren der Cristenheit glow und warheit so arg und bös exempel tragen, das vom unglöbigen und lugenhaftigen bessors gerumpt wirt.rt I, S. 104. «... Hessen die unsinnigen kristen sich selber ouch mit blutigen kriegen verhergen und ire höpter, nämlich den babst Italiam und den keiser Frankrich,>> I, S. 144 ; vgl. I, S. 17, 27, 30, 44, 46, 399; II, S.32, 44; III, S.169, 247, 292, 317, 340, 365; IV, S.4, 292 usw. 880 «Da giengen red und Warnungen uss, wie dis obriste der Kristenheit höpter sich vereinbart hättid, alle commun-regiment fürstlicher herschungundertänig zemachen.» III, S. 169. 92 93 Zweiteilung in ein geistliches und in ein weltliches Haupt beginnt sich in eine Menge von Häuptern aufzulösen. So berichtet Anahelm, dass der Papst die Eidgenossen als «bracchium seculare» der Kirche gegen den französischen König verwenden wolle351. Den päpstlichen Stuhl beschuldigt Anshelm seit dem Investiturstreit bis zu Luther hin, zusammen mit dem Türken dafür gesorgt zu haben, «dass in allem Römschen rieh, Tutschs und Welschs lands, zevor und hernach, in allen cristliohen nationen, in beden standen, kein glouw, kein frid, kein ghorsame, sunder unoristlich meineid, unmenschlich krieg und unzalich blutvergiessen vom Rin und Rom bis gon Jherusalem, Christi selbs und cristen matze, und biss zu unsern erst gar tyrannischen ziten, on zal, on mass, ouch under denen heiligsten nammen Gots, Cristi Jesu, Petri, Pauli und der Wichen hond müessen gwaltigen, unverhinderlichen fürgang haben»352. Anshelm nimmt gern eine scharf antipäpstliche Haltung ein, doch führt seine reformierte Ablehnung des Papsttums nicht so weit, dem Papst alle Bedeutung für die Christenheit abzusprechen. Da er dem Papste feindlich gegenübersteht, steigert sich die Wichtigkeit der kaiserlichen Stellung. Die christlichen Aufgaben des Kaisers erfahren keine Abschwä-chung, sondern werden eher noch schärfer betont353. Daher steht Anshelm den hochmittolalterlichen Kaisern ganz anders gegenüber als andere schweizerische Historiographien. Vor allem die Staufer erscheinen in einem neuen Lichte. Friedrich Barbarossa wird der ideale Kaiser, und Friedrich II. wird vom Tyrannen zu dem «hoch tür keiser»354. Weil der Papst und die Kirche, nicht aber die Christenheit/für Kaiser und Reich an Bedeutung verlieren, wird die deutsche Nation innerhalb des Reiches stärker herausgestellt, obgleich sich das Reich über «Tütsoh und Welsch land» erstreckt335. Die wesentlichste Aufgabe des Kaisers sieht Anshelm in der Bekämpfung der Türken350. Selbstverständlich sollen ihn dabei alle christlichen Fürsten und Oberen unterstützen, was leider nie der Fall ist367. Daneben soll der Kaiser für den Frieden innerhalb der Christenheit sorgen, der ebenso wie die Kaiserkrönung eine Vorbedingung für die Türkenbekämpfung bildet358. Da Frankreich nach Ansicht Anshelms die Erfüllung solcher Aufgaben behindert, tritt er dem französischen Einfluss entgegen und beruft sich immer wieder auf die deutsche Nation359. Dennoch ist Anshelm kein einseitiger Anhänger des Kaisers oder der Reichsstände. Obwohl er die franzosenfreundliche Politik und das Pen- 3511, S. 134, hier undsonst oft ironisch gemeint. Vgl. II, S. 31,44; III, S. 246, 289, 311,404. 352 I, S.17f. »»Vgl. II, S. 21. 364 Vgl. I, S. 50, 29, 22. Heinrich III., «der from milt, herlich keiser». I, S. 15. Vgl. Heinrich IV. I, 8.17 ff. 3" Vgl. z.B. S. 17,18. Ab und zu kehrt Anshelm die Reihenfolge Papst, Kaiser um, jedoch nur im Text, nicht in den Jahresüberschriften. Vgl. z.B. S. 130. Vgl. I, S.170, 416; II, S.342f. 357 Vgl. II, S. 216, 313f., 323. 358 Vgl. I, S.426f; II, S.6f., 345. 339 Vgl. I, S.155, 324f., 381, 395; II, S.7, 81; III, S.315. sionenwesen verurteilt, weil beides gegen das gute alte Herkommen vom Reiche verstösst, kritisiert er auch die Haltung von Kaiser und Reich häufig und scharf360. So ist sein Urteil über Friedrich III. sehr abgewogen. Er berichtet von seinem mangelnden Interesse an den Geschäften des Reiches und seiner Feindschaft zu den Eidgenossen, nennt ihn aber doch den «fridsam Römsch keiser»361. Maximilian ist für ihn der den Eidgenossen geneigte «gütige küng», von dem Papst Julius II. gesagt habe, er «sölte babst... sin»362. Kaiser und Reich trennt Anshelm voneinander. Da Anshelm eine strenge ständische Gliederung eingehalten wissen will, gliedert sich das Reich wie auch andere Staaten in die einzelnen Stände, die durch Beschlüsse des Reichstages dem Kaiser ein bestimmtes Handeln vorschreiben können. Diese ständische Gliederung ist göttlichen Ursprungs363. Ein Freund der Reichsstände ist Anshelm nicht, obwohl er ihre Bedeutung innerhalb des Reiches sehr wohl kennt364. Nur den Städten gilt seine Sympathie365. Auch dem Adel billigt Anshelm Vorrechte zu, falls er sie nicht zur Unterdrückung der Freiheiten anderer benutzt, was ihm zwar als die Regel er-schoint366. Anshelm fühlt sich in erster Linie als Berner und als Eidgenosse367, vertritt aber den kaiserlichen Standpunkt, weil dieser für ihn dem Herkommen und der göttlichen Ordnung entspricht. Nur ein Festhalten am Herkommen und den überkommenen Rechten und Pflichten sichert in Zukunft die Freiheit der Eidgenossenschaft und bringt das Seelenheil. Die Reichsreform und die Bestrebungen, die Eidgenossenschaft enger an das Reich zu binden, lehnt Valerius Anshelm ab: denn sie laufen dem alten Herkommen und 3«° Vgl. z.B. I, S.157ff.; II, S.397. 361 «1493 ist von diser zit gesoheiden der fridsamRomsch keiser Fridrichlll....; so alt und so lang kein keiser sit der zit Augusti hat regiert. Harzü im wol helfen mooht, dass er, so im die fürsten und stät um siner eigennützikeit willen unwillig warend, des Ramschen richs Sachen, sunders so im nit intrfigend, Hess hingon, und mit sunderlicher mässikeit lang gsund leben zuhaben, mit unfürstlicher kündikoit grossen schaz zesamlen und sinen sun Maximilian usfrömdem hoch zebringen allenfliss ankart.» I, S.4I5f; vgl. I, S.17S, 282. 362 «Der Eidgnossisch, von Eidgnosson verworfen Cardinal, und der herzog von Bar bliben als trüwe diener bim armen glück des gerechten keisers, in hofnung, die gcroohtikeit wurde noch bi zit zu staten komen.» IV, S. 170f. «Allein der from, edel keiser, wie an gelt, also oueh an sinen Sachen müst der zit hinder und gedult haben, unso dass sin sonn, von im nach Oster-glük wol ingepflanzet, zü siner starke gewachsen, starkers glük gebrachte...» IV, S.196; vgl. II, S.368. 383 «.. .wiewol sines gwalts (des Kaisers) nit wäre, zebreohen das von im und des RÄmsohen richs gemeinen ständen beschlossen.» II, S.56. Für Frankreich sagt Anshelm: «...also dass alle stand, hoch und nider, bi altem harkomen und ir guter Ordnung wesen und beliben möchtid. Si bekennid den küng iren hörn; aber dabi so stand inen zü, in zü ermanen und ze wisen, dass er nach loblichem harkomen sines richs mit rat, recht, mauss und Ordnung regiere.» I, S.67; vgl. I, S.166; II, S.54. Vgl. z.B. II, S. 112, 263. Eine Ausnahme bildet z.B. Albrecht von Sachsen, II, S. 377. 3,5 Vgl. II, S.191; III, S.169, 192. In einer Variante der Handschrift Al wird Bern «ein fürstentüm» genannt. I, S.91. 384 Vgl. z.B. II, S.191. 837 Obwohl Anshelm ein aus Rottweil stammendor Schwabe ist, muss man ihn zwar nicht:, als Bemer, aber doch als Eidgenossen betrachten, denn ein Rottweiler Bürger seiner Zeit fühlte sich genau so gut als Eidgenosse wie ein Angehöriger eines anderen zugewandten Ortes. 94 95 den kaiserlichen Freiheiten und Privilegien zuwider398. Die Freiheiten der Eidgenossen sind jedoch nicht nur durch Dienste erworben, sondern auch erobert worden369. Nachdem die Schweizer Historiographie des 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts nach ihren Aussagen über Kaiser und Reich befragt wurde, können wir zusammenfassend ihre Reichsansohauung skizzieren. Kaiser und Reich bilden einen Teil der göttlichen Weltordnung und bilden das letzte der vier grossen Weltreiche. Ihre Erhaltung wurde deshalb als eine christliche Pflicht angesehen. Das Reich ist also mehr eine christliche als eine weltlich-politische Institution. Es umfasst zwar deutsche und italienische Gebiete, doch bildet die deutsche Nation das Reich im engeren Sinne. Ihr ist das Vorrecht und die Aufgabe zugeteilt worden, das weltliche Schwert zu sein. Die Aufgaben des Reiches sind daher nur sehr beschränkt politisch-staatliche. Im Vordergrund stehen die geistlichen und überstaatlichen Funktionen. Kaiser und Reich erfüllen sie gemeinsam unter Führung des Kaisers. Ihre Erfüllung gilt nicht als innerstaatliche oder nationale Pflicht, sondern als christliches Gebot. Doch kann der Kaiser oder das Reich keine Leistungen erzwingen oder unter Androhung von Zwangsmassnahmen fordern. Es hegt im Ermessen des einzelnen Reichsgliedes, ob es im betreffenden Falle dem Kaiser oder andern Reichsgliedern helfen will. Das Glied entscheidet also letztlich, ob es sich um eine Angelegenheit des Reiohes handle oder nicht. Als einzige Pflicht der Reichsglieder, die selbstverständlich befolgt werden muss und befolgt wird, erscheint die Unterstützung beim Romzuge. Der Romzug zur Erlangung der Kaiserkrone gilt als eine der wesentlichsten Aufgaben des römischen Königs; denn die Christenheit muss ein weltliches Haupt haben. Der Kaiser wird als oberstes weltliches Haupt und als Quelle allen Rechtes betrachtet. Ihm wird hohe Achtung gezollt, und es wird soweit möglich vermieden, ihn und seine Haltung gegenüber den Eidgenossen zu kritisieren. Seine wichtigste Funktion wird im Schutz der Kirche und der Christenheit gesehen. Neben dem Romzuge soll daher die Heidenbekämpfung seine eigentliche Aufgabe sein. Hierbei sollen ihm alle christlichen Fürsten, vor allem aber die Reichsglieder, beistehen. Die Vorbedingung zum Heidenkriege ist der Friede in der Christenheit, den der Kaiser sichern soll, ohne dass ihm zur Erfüllung dieser Aufgabe besondere Rechte oder Machtmittel zur Verfügung stehen. Seine rechtlichen Kompetenzen beschränken sich im wesentlichen auf die Bestätigung und Verleihung von Privilegien. 308 e.-.so ein ganz Eidgnoschaft wider ir alt harkomen und euch wider von heiligen b&bsten und. Romschem rieh erobrete frihciten, also besohwertid, dass si die nit möge noch wolle liden, ouoh ire beschworden nit werde verlassen, sunder lib und gut nach pflicht ir eiden und pünden trostlich zu inen setzen. Was hie mug entspringen, sie wol, ze bedenken. Und hierum, grossem übel und schaden vorzesin, beger ein Eidgnoschaft, nuwer beschworden uberhept, Santgallen und under ir verwanten der acht last entlediget, si und die iren bi alten, vom rieh bestäten friheiten lassen zebliben. Für dos sie si urbütig, dem heiligen Romschen rieh alles trüwlioh zeleisten, was da billiche pflicht ervordre, und ir vorm5gen erdure.» II, S. S5; vgl. II, S. 8, 34, 62. 383 Vgl. II, S. 165 f; II, S. 55. Daneben übt er eine mehr formelle Funktion als oberster Richter aus. Er soll zwar den Frieden wahren und die Reichsglieder bei ihrer Freiheit schirmen und ihnen im Falle einer Bedrohung helfen. Doch schreibt man ihm keine Rechte über die Reichsglieder zu, die wirklich politische Bedeutung besitzen. Ebenso weist man dem Kaiser selten politisch-staatliche i Aufgaben zu. Wohl zählt zu seinen Tugenden Gerechtigkeit, und man schildert ihn gerne als gerechten Richter. Doch haben Frömmigkeit und andere christliche Tugenden den Vorrang. Kriegerische oder politische Fähigkeiten spielen im Bilde des Kaisers keine Rolle, vielmehr können sie es sogar trüben. Das Streben nach Besitz und Geld, worin sich reale Macht zu spiegeln scheint, gilt als die grösste Untugend eines Kaisers. Den Kurfürsten wird über ihre Wahlfunktionen hinaus kaum eine besondere Bedeutung für das Reich zugemessen. Jedoch verkörpert der Kaiser nicht allein das Reich, wenn auch die Angelegenheiten des Reiches in besonderem Masse als seine persönlichen Pflichten gelten, sondern alle Reichsglieder bilden zusammen mit dem Kaiser erst das Reich. Sie stehen dem Kaiser bei, können aber auch - ohne das Recht zu verletzen - ihm widerstreben. Unter den Reichsgliedern kommt aber den Kurfürsten der erste Platz zu, und sie sind die gegebenen Sprecher derjenigen Reichsglieder, die mit dem Kaiser nicht übereinstimmen. Kaiser und Reich, in denen sich die Einheit der deutschon Nation sy mbo - , lisch ausdrückt, sind also in den Augen der eidgenössischen Chronisten eine christliche Institution, die nur in sehr beschränktem Masse staatliche Aufgaben zu erfüllen hat. Als wesentlich werden allein ihre christlichen i und überstaatlichen Funktionen betrachtet. Die Anschauungen der eidgenössischen Chronisten über Kaiser und , Reich blieben also völlig im Rahmen der sonst in jener Zeit auoh in Deutschland, vor allem jedoch von den Reichsstädten vertretenen Auffassungen. Weder liess sich ein durch politische Ereignisse bedingter Bruch noch ' irgendeine für das Verhältnis der Eidgenossen zum Reich wesentliche Veränderung der Ansichten feststellen. V. Ergebnisse und Folgerungen Nachdem einleitend gezeigt wurde, dass eine Untersuchung der Stellung der Eidgenossen zu Kaiser und Reich sich nicht auf die politischen Fragen beschränken kann, versuchten wir das Wesen des heiligen römischen Reiches zu erfassen; denn das Ergebnis jeder Untersuchung unseres Problems hängt wesentlich davon ab, was man unter dem heiligen römischen Reich verstehen will. Deshalb bemühten wir uns vor allem aufzuzeigen, dass Reioh und Staat wesensverschiedene Institutionen waren, obwohl auch das Reich staatliche Aufgaben erfüllte und unter anderem eine politische Macht darstellte. Das heilige römische Reich war jedoch durch seinen ideellen Unterbau so eng mit dem christlichen Glauben und der christlichen 96 7 97 Kirche verbunden, dass die staatlich-politischen Elemente des Reiches und des Reichsgedankens für die Zeitgenossen nicht nur in der Theorie in den Hintergrund rückten. Die eidgenössischen Chronisten bestätigten unsere Auffassung und zeigten, dass sie über das Wesen des Reiches keine irgendwie aus dem Rahmen des sonst üblichen fallende Meinung vertraten. Vielmehr betonten sie den Zusammenhang von Reich und Christenheit eher noch stärker. Diese beiden Begriffe näherten sich bei einigen Schweizer Chronisten des 15. Jahrhunderts so sehr, dass zwischen ihnen kaum noch ein Unterschied bestand, obwohl auch die eidgenössischen Chroniken nur Deutschland und Italien zum eigentlichen Reiche zählten. Ebenso wie die Theoretiker der Reichsidee sahen die Eidgenossen im Kaiser in erster Linie den Schirmherrn der Christenheit und der christliehen Kirche, dessen staath'ch-politische Erfolge oder Misserfolge sie nur wenig interessierten, es sei denn, sie seien irgendwie daran beteiligt gewesen. Zur Durchführung der christlichen Aufgaben des Reiohes, zu denen vor allem die Erwerbung der Kaiserkrone zählte, waren auch in ihren Augen alle Reichsglieder auf Grund vorwiegend ideeller, im christlichen Glauben wurzelnder Verpflichtungen schuldig, Kaiser und Reich Beistand zu leisten. Den Kurfürsten und den übrigen Reichsgliedern wurde im gleichen, zunehmenden Masse, in dem ihr Anteil an den Angelegenheiten des Reiches wuchs, eine Verantwortung für das Reich und vor allem für die Christenheit zuerkannt. Durch den Einfluss der Reformation wandelte sich zwar das Bild von Kaiser und Reich, veränderte sich aber nicht zuungunsten des Reiches. Immer wieder auf den lockeren Verband des Reiches hinweisend, verglichen wir das Reich in seiner Spätzeit mit der Eidgenossenschaft, die auch kein Monopol staatlicher Machtausübung kannte und in der die Tagsatzung ebensowenig ein Glied zu einer Handlung zwingen konnte, wie der Kaiser seinen Willen einem Reichsstand gegenüber mit Gewalt durchzusetzen vermochte. Auf Grund dieses Vergleiches wurde der Charakter des Reiches als einer ständisch gegliederten Genossenschaft klar, in welcher der Kaiser nicht viel mehr als der «primus inter pares» unter den Reichsfürsten war. Damit offenbarte sich wiederum der Unterschied zwischen Reich und Staat. Gleichzeitig wurden die losen Bindungen, die das späte Reich zusammenhielten, verständlicher. Neben dem Lehensband, das -immer mehr verblassend - die Reichsfürsten noch formell dem Kaiser unterstellte, und neben der geringen Bedeutung des nationalen Gedankens, den wir auch in der eidgenössischen Chronistik antrafen, sowie der Wirkung einiger traditioneller Gewohnheiten erkannten wir in der Legitimation der einzelstaatlichen Herrschaft durch die kaiserlichen Privilegierungen und die damit verbundene Anerkennung des untergeordneten Rechtskreises ein besonders für die Eidgenossen höchst wirksames Bindemittel. Diese Bindung blieb von allen politischen Machtfragen und allem einzelstaatlichen Eigenleben und Eigennutz ziemlich unberührt und vereinigte durch die gleiche Art der Herleitung ihrer Herrsohaftsrechte die einzelnen Reichs- 98 glieder - ganz gleich, ob ein Fürst, ein Podestä oder ein städtischer Rat die oberste Gewalt innehatte - in der geistigen Sphäre des christlichen Glaubens und des Rechtes zu einer Einheit, die zwar in den alltäglichen politischen Entscheidungen des Einzelstaates nur selten in Erscheinung trat, aber dennoch bei ausgesprochen christlichen Angelegenheiten eine erstaunliche Geschlossenheit zeigte. Diese wichtigen Entscheidungen, ob eine Aufgabe das ganze Reich angehe oder eine christliche Angelegenheit darstelle, offenbarten gleichfalls den Unterschied zwischen dem Reich und dem Staat. Das Reich Überhess diese Entscheidung den einzelnen Gliedern, während der Staat sich in der gleichen Zeit zwar auch von seinen Ständen beraten liess, aber einmal gefasste Beschlüsse strikt durchführte und schon im 15. Jahrhundert danach zu streben begann, alle Entscheidungen selber zu fällen und durchzuführen. Da das Reich seinen Gliedstaaten die Entscheidungsfreiheit Hess, bestanden dauernd Meinungsverschiedenheiten und Gegensätze darüber, was die wahre Politik des Reiches sei oder sein solle. Die Folge davon war, dass jede Partei eine andere beschuldigte, sie handle gegen das Reich oder unterstütze Reichsfeinde. Da sich aber die jeweilige Stellungnahme nach den einzelstaatlichen Interessen richtete, veränderten sich die Parteistellungen so häufig, dass solche Beschuldigungen, selbst wenn sie während längerer Zeit ziemlich allgemein erhoben wurden und auch der betreffende Einzolstaat recht offensichtlich der Reichspolitik widerstrebte, keine dauernde Wirkung besassen. Zudem betrachtete jeder Gliedstaat in allgemeinen Fragen seinen Standpunkt auch als den für das Reich einzig richtigen. Dabei spielte es nur eine geringe Rolle, auf welcher Seite der Kaiser stand, und es war unwichtig, ob sich der Einzelstaat nur selten um die Sorgen und Nöte des Kaisers kümmerte. Mit weiten Gebieten des Reiches befassten sich während recht langer Zeiträume weder der Kaiser noch der Reichstag, ohne dass j emand auf den Gedanken gekommen wäre, einzelne Reichsglieder, wie zum Beispiel die Städte der Hanse, hätten sich vom Reiche gelöst, weil zwischen ihnen und dem Kaiser kaum eine Verbindung, geschweige denn eine gemeinsame Politik oder ein funktionierendes Subordinationsverhältnis bestanden habe. Im Gegenteil nannten sich die führenden Städte des Hansischen Bundes stolz «freie Reichsstädte», weil sie ihre Herrschaftslegitimation direkt vom Reiche ableiteten, mochten sie auch sonst so wenig mit den Reichsangelegenheiten zu tun haben, dass ein recht gut informierter Lübecker Stadtchronist annehmen konnte, 1486 habe der erste Reichstag stattgefunden. Von welcher Seite wir auch das heilige römische Reich betrachtet haben, immer wieder erwies sich, dass Reich und Staat, obwohl sie innerhalb bestimmter Grenzen ähnliche Funktionen besassen, von völlig verschiedenen Gesichtspunkten ausgingen. Das zeigt auch ein Blick auf die Veränderungen der Grenzen des Reiches, die sich trotz allen politischen Wandlungen kaum verschoben. Besonders die Westgrenze blieb ziemlich konstant er- 99 halten, ohne dass auf die staatliche Zugehörigkeit der Grenzgebiete Rücksicht genommen wurde. Vor allem in den Niederlanden gab es zahlreiche Beispiele von Fürsten, die zugleich Lehensträger des französischen Königs und der Reichsstände waren. Ihre Gebiete wurden auch dann noch zum Reiche gezählt, als Kaiser und Reich dort schon lange keinerlei Einfluss mehr besassen. So erzählt zum Beispiel A. Daudet in einem seiner Romane, dass noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Matrosen der Schiffe, die die untere Rhone befuhren, die nächste Anlegestelle des linken Ufers mit «Empire» und die des rechten mit «Royaume» bezeichneten870. Andererseits zählten weite Gebiete des Ostens nicht eigentüch zum Reiche, obwohl ihre Herrscher dem Kaiser lehenspflichtig waren. Während für den Staat die Grenze das Ende seines Machtbereiches bezeichnete, behielt die Reichsgrenze eine Bedeutung, die mit den politisch-staatlichen Machtverhältnissen nichts zu tun hatte. Das Verhältnis des heiligen römischen Reiches zum Staate, vor allem zum Territorialstaat, lässt sich mit dem eines alten Baumes zum jungen Unterholz vergleichen, das in seinem Schatten heranwächst und ihn eines Tages verdrängen wird. Das alte Reich bot den jungen Staatsgebilden durch seine Oberherrschaft solange einen Schutz, bis sich ihre Macht und besonders ihre geistigen und rechtlichen Wurzeln stark genug erwiesen, um allein auf sich gestellt den Stürmen der politischen und geistigen Auseinandersetzungen des Völkerlebens zu trotzen. Durch die eingehende Beschäftigung mit dem heiligen römischen Reich, die sowohl vom Blickpunkt der modernen historischen Forschung als auch von dem der eidgenössischen Chronisten des 15. und 16. Jahrhunderts ausging, kamen wir der eigentlichen Problematik des Verhältnisses der Eidgenossenschaft zum heiligen römischen Reich näher. Obwohl dabei nicht allzuviel von der Eidgenossenschaft gesprochen wurde, lernten wir die Bindungen kennen, die das Reich im allgemeinen zusammenhielten, und diejenigen, die in den Augen der Eidgenossen besondere Bedeutung besassen. Aus dieser Kenntnis heraus erübrigte sich der Nachweis, dass die These Bluntschlis von der faktischen Ablösung der Eidgenossenschaft vom Reiche nach dem Schwabenkriege nicht zutreffen kann, weil sie die Frage mit Kriterien zu entscheiden suchte, die der Sache nicht entsprachen. Bluntschli und Oechsli fragen nur danach, ob die Eidgenossenschaft 1499 j ein souveräner Staat gewesen sei, und kamen mit vollem Recht zu dem Schluss, dass die Staatsbildung der eidgenössischen Orte im Verlaufe des 15. Jahrhunderts so weit fortgeschritten war, dass die Orte alle Voraussetzungen erfüllten, die den Staat charakterisieren. Wenn diese Kriterien zur Frage der Ablösung der Eidgenossenschaft vom heiligen römischen Reiche nicht herangezogen werden können, weil das Reich trotz einigen staatlichen Funktionen nur als eine Art von Überstaat betrachtet werden kann, stehen wir vor der entscheidenden Frage, welche Kriterien benutzt werden dürfen, um den Vorgang der Trennung 370 A.Daudet, Lettres de mon mordin, edition definitive, Bibl. Charpentier, 1902, S, 306. der Eidgenossenschaft vom Reiche näher zu untersuchen. Wen nur die Fixierung des Zeitpunktes der Staats- und verfassungsrechtlichen Ablösung interessiert, der erhält die Antwort durch den Westfälischen Frieden. Er legt das Ausscheiden der Schweiz aus dem Reichskörper eindeutig fest, obgleich die Formulierung des Artikels und die näheren Umstände, besonders wenn man ihn mit dem die Niederlande betreffenden Artikel vergleicht, noch einige Fragen aufwerfen. Um den tieferen Gründen nachzugehen und um festzustellen, wann der entscheidende Bruch eintrat, müssen erst einmal die Bindungen der Eidgenossen an das heilige römische Reich aufgezeigt werden, damit zur Untersuchung der Ablösungsgeschichte die nötigen Kriterien vorhanden sind. Der erste Teil unserer Untersuchung zeigte eine Reihe solcher Bindungen, vornehmlich ideeller Art, auf. Man könnte sich nun die Frage vorlegen, ob diese Bindungen, denen bestimmt grösste Bedeutung zukommt, nicht neben der staatsrechtlichen Festlegung und internationalen Anerkennung des Ausscheidens der Eidgenossen aus dem Reichskörper im Friedensinstrument von 1648 als Kriterien genügen würden, um die Geschichte der Trennung mit zureichender Genauigkeit behandeln zu können. Jedoch wissen wir, dass in vielen Fällen die geistige und rechtliche Begründung oft sehr lange nach einer politischen Veränderung erfolgen kann. Ebenso kennt der Historiker genügend Beispiele, in denen die geistigen Grundlagen einer politischen Neuerung vorangingen. Daher dürfen wir uns nicht allein !; auf die geistigen und rechtlichen Bindungen beschränken, sondern müssen , auch die Politik der Eidgenossen mit derjenigen von Kaiser und Reich \ sowie mit der einzelner Territorien vergleichen und auch die Staatswerdung \ der Eidgenossenschaft näher beleuchten. Erst nachdem auf diese Weise Klarheit über die Stellung der Eidgenossenschaft innerhalb des Reiches gewonnen ist, besitzen wir die Voraussetzungen, um die Geschichte des Ausscheidens der Eidgenossenschaft aus dem heiligen römischen Reiche näher zu untersuchen. Bevor wir dazu übergehen, das politische Verhältnis der Eidgenossen zum heiligen römischen Reiche im 14. und beginnenden 15. Jahrhundert darzulegen, soll noch ein vorwiegend geistesgeschichtlicher Gesichtspunkt berührt werden, der in Betracht gezogen werden muss, weil er in dem gleichen Masse für die Geschichte der Trennung der eidgenössischen Orte vom Reiche an Bedeutung gewinnt, in welchem man das heilige römische Reich als ein national deutsches betrachtet. Da Bluntschlis einfache Formel, die nur nach der Ausübung staatlicher Funktionen fragte, abgelehnt werden muss, und den staatlich-politischen Kriterien nur eine sekundäre Rolle zugestanden werden kann, weil der Charakter des Reiches allerhöchstens sekundär ein staatheh-politischer war, wird das wichtigste Kriterium, um den Zeitpunkt des Bruches zwischen der Eidgenossenschaft und dem Reiche zu bestimmen, darin bestehen, die geistige Abwendung der Eidgenossen vom heiligen römischen Reiche näher festzulegen. Um diese geistigen Bindungen und vor allem 100 101 ihre hervorragende Bedeutung als Legitimationsgrundlage eidgenössischer Staatlichkeit aufzuzeigen, wurde versucht, den Sinn und Zweck der eidgenössischen Chroniken als historisch-juristischen Kommentar zu den Freiheitsbriefen herauszuarbeiten. Gegenüber den Anschuldigungen von österreichischer Seite beriefen sich diese wie auch die Gesetzgebung und die Hochgerichtsbarkeit noch lange Zeit auf Kaiser und Reich. Durch unsere Untersuchung zeigte sich jedoch, dass diese Berufung keine For-malie sein kann, da sie zentrale staatsrechtliche Bedeutung - ähnlich der Volkssouveränitätsidee in den modernen Verfassungen - besitzt. Damit erkennen wir, dass die Geschichte der Ablösung der Eidgenossenschaft vom heiligen römischen Reiche ein höchst vielschichtiges Problem darstellt, dessen Probleme noch weitgehend ungelöst sind. Wesentlich kann das Eindringen des klassischen Naturreehtes dabei mitgewirkt haben, welches völlig neue Staatsauffassungen zur Folge hatte. Doch konnte diesen Fragen hier nicht nachgegangen werden. Wenn wir in dem Bekenntnis zum Reiche ein wichtiges Kriterium erblicken, verbindet sich mit der Geschichte der Trennung von Eidgenossenschaft und Reich auch die Geschichte der Entstehung eines eidgenössischen Nationalgefühls; ein Problem, dessen Schwierigkeiten nicht zu unterschätzen sind. Die ersten Ansätze eines gemeineidgenössischen Zusammengehörigkeitsgefühls lassen sich mit Sicherheit zu Beginn des 16. Jahrhunderts nachweisen, wenn sich auch schon im 15. Jahrhundert einige Hinweise finden, die man dahingehend interpretieren könnte3'1. Diese Ansätze darf man jedoch nicht überbetonen, da sich das eidgenössische Nationalgefühl zuerst im Rahmen der deutschen Nation entwickelte. Deshalb bestand zwischen ihm und der landschaftlichen Verbundenheit der einzelnen Stämme, die sich mit der Zeit zu einem Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb eines bestimmten Territorialstaates wandelte, kein Unterschied. Es entsprach einander, wenn der eine Badenser, der andere Württemberger, der dritte Bayer und der vierte Schweizer war. Alle konnten sich darüber hinaus als Angehörige der deutschen Nation, die sie nicht nur als Kulturnation betrachteten, bezeichnen. Die Entwicklung eines gemeineidgenössischen Nationalgefühls kann also für unser Problem nicht viel dienen, da schlechthin nicht zu entscheiden ist, bis zu welchem Zeitpunkt wir es nur mit einer landschaftlichen Verbundenheit und seit wann mit einem übergeordneten Nationalgefühl zu tun haben. Die besonderen Verhältnisse der Schweiz als Viersprachennation komplizieren dies Problem so sehr, dass es zur Lösung unserer Frage wenig helfen kann, zumal die Ablösung der Eidgenossenschaft vom heiligen römischen Reiche in einem Zeitalter erfolgte, in dem die konfessionellen Gegensätze viel bedeutsamer als alle nationalen Gesichtspunkte waren. Wenn jedoch die spe- 371 Vgl. z.B. oben, S. 90, H. Brennwald, der als erster unter dem Einfluss des Humanismus zwischen Helvetiern und Germanen unterscheidet. Darüber hinaus wäre eine genauere, zeitlich aufgegliederte Untersuchung des Sprachgebrauchs ftSohwabe» aufschlussreich. Vgl. Schweizer Idiotikon, IX, S. 1707ff. zicllon Schweizer Verhältnisse in Rechnung gestellt werden, und wenn man sich ferner der Rolle bewusst ist, die der Staat mit all seinen verschiedensten Einflussmöglichkeiten bei der Entstehung nationaler Gedanken und einheitlicher Nationalstaaten spielte, ist von Zeit zu Zeit ein Seitenblick auf das Problem des Schweizer Nationalbewusstseins sicher von Nutzen. Neben den bisher behandelten oder berührten übergehen wir eine ganze Reihe von Fragen, die mehr oder weniger stark auf unser Problem zurückwirken. Vor allem die Eigenarten in der sozialen Gliederung der Eidgenossenschaft und in besonderem Masse in den Waldstätten können erst dann für unsere Fragestellung ausgewertet werden, wenn wir nicht nur über einzelne, führende Persönlichkeiten, sondern auch über die führenden Familien, ihren Besitz, ihre Lebensweise und ihre Anschauungen so genau Bescheid wissen, dass sie mit ähnlichen Verhältnissen in Deutschland vergleichbar sind. Darüber hinaus würde eine Arbeit, die die Adelsfeindschaft der Eidgenossen und vor allem die Entstehung dieser Anschauung unter- i suchen würde, wichtige Ergebnisse für unser Problem zeitigen. Die Erforschung der italienischen Einflüsse, vor allem auf dem Gebiete des Rechtes, wäre höchst wichtig. Doch müsste sich dann der Kreis der Untersuchung weit über die Südalpentäler, die Karl Meyer offensichtlich allein im Auge hatte, hinaus erstrecken, da der Tessin durch seine geographische Lage und die ähnliche Wirtschaftsstruktur nicht einfach mit Italien gleichgesetzt werden kann372. Ferner werden die Arbeiten über die Rezeption des römischen Rechts in der Eidgenossenschaft, die vor einiger Zeit in Angriff ! genommen wurden, auch für unsere Fragestellung neue Gesichtspunkte liefern und in einem wichtigen Teilgebiet die Sonderentwicklungen der Eidgenossenschaft aufzeigen und näher abgrenzen. Gerade die eidgenössischen Eigenarten, die niemand bezweifelt, sind nur in seltenen Fällen näher untersucht worden. Meist beschränkt man sich auf die Fragestellung, ohne sie im einzelnen näher zu umschreiben und mit ähnlichen Fragen innerhalb des Reiches zu vergleichen. Dann stellt sich allerdings immer wieder die sohwer zu entscheidende Frage, ob die aufgezeigten Unterschiede so wesentlich sind, dass man bei dem bunten Bild, das das spät-mittelalterliehe und frühneuzeitliche Reich bietet, von einer Sonderentwicklung gegenüber dem «Reiche» sprechen darf. Diese wenigen Beispiele sollen jedooh nur zeigen, dass über die behandelten Gesichtspunkte hinaus noch vielfach Probleme zu untersuchen oder wenigstens zu berücksichtigen sind, falls eine einigermassen vollständige Geschichte der Trennung der Eidgenossenschaft vom heiligen römischen Reiche geschrieben werden soll. 372 Vgl. K.Meyer, Die italienischen Einflüsse bei der Entstehung der Eidgenossenschaft, Jb.f.Schweiz.Gesch., XLV (1920). 102 103 ZWEITER TEIL DAS POLITISCHE VERHÄLTNIS DER EIDGENOSSEN ZUM HEILIGEN RÖMISCHEN REICH IM 14. UND BEGINNENDEN 15. JAHRHUNDERT Wie hoch wir auch die Bedeutung der geistigen und rechtstheoretischen Fragen anschlagen mögen, so bleibt die Ablösung der Eidgenossenschaft vom heiligen römischen Reich dennoch ein politisches Ereignis, dessen Gründe auch im politischen Geschehen zu suchen sind. Auch der Wandel der Anschauungen über die Bindungen der Eidgenossen an Kaiser und Reich ist nicht nur geistesgeschichtlich bedingt, sondern ebenso von der politischen Entwicklung beeinflusst worden. Diese wichtigen Probleme der politischen Stellungnahme der Eidgenossen zum Reiche sollen nun näher betrachtet werden. Obwohl es sicher interessanter und abwechslungsreicher wäre, das Verhältnis der Eidgenossenschaft zum heiligen römischen Reioh um die Wende des 15. zum 16. Jahrhundert oder im 17. Jahrhundert darzustellen, weil dies die entscheidenden Perioden in der Geschichte der Beziehungen der Eidgenossen zu Kaiser und Reich sind, hielt es der Verfasser für sachlich und methodisch richtiger, zuerst einmal die Grundlagen zu untersuchen, anstatt auf dem unsicheren Boden des vorhergehenden Zeitraumes ein Gebäude zu errichten. Deshalb beschränkt sich der zweite Teil auf die Schilderung des Verhältnisses der Eidgenossen gegenüber dem Kaiser und - soweit es die Quellen und der sachliche Zusammenhang zuliessen - gegenüber dem Reich im 14. und beginnenden 15. Jahrhundert. Obgleich der Verfasser ursprünglich hoffte, diesen politischen Teil bis in die Zeit der Mailänderkriege fortsetzen zu können, wurde darauf verzichtet, um auch .Einzelfragen mehr Beachtung schenken zu können, die zwar mancherorts überflüssig erscheinen mögen, aber vielfach in späterer Zeit wichtig werden. Der Hauptzweck dieser eingehenden Untersuchung hegt in dem Bestreben, die politische Stellung der Eidgenossenschaft innerhalb des Reiches zu klären, um spätere Wandlungen von den Wandlungen innerhalb des Reiches unterscheiden zu können. Dabei bemühte sich der Verfasser, die eidgenössische Geschichte in grössere Zusammenhänge zu stellen, obgleich das nur in Ansätzen möglich ist; denn dadurch liess sich die Haltung der Eidgenossen zum Reiche und zum politischen Geschehen innerhalb des Reiches aufzeigen. Das zwang jedoch, den Leser im Gegensatz 105 zur scheinbaren Folgerichtigkeit in den klassischen Darstellungen der Schweizergeschichte öfters einmal Schlangenpfade zu führen und ihn auf Nebensächlichkeiten oder nur auf Möglichkeiten einer anderen Entwicklung aufmerksam zu machen. Doch werden dabei auch Ansätze, die zu wirklichen Sonderentwicklungen führten, sichtbar. I. Entstehung der Eidgenossenschaft Wer sich nach der volkstümlichen Auffassung über die Entstehung der Eidgenossenschaft erkundigt, wird immer wieder hören, dass mit dem Zusammenschluss der Urkantone ein Staat gegründet wurde, aus dem die heutige Schweiz erwachsen sei. Durch diese Staatsgründung sei aber auch eine mehr oder weniger starke Lockerung der Bindungen an das deutsche Reich eingetreten. Wenn auch die Historiker diese Meinung im allgemeinen nicht teilen1, so zeigt sie doch, wie schwer es heutzutage fällt, zwischen Staatsbildung und Ablösung vom heiligen römischen Reich zu unterscheiden. Deshalb muss in diesem Zusammenhang auf eine wichtige Frage hingewiesen werden, ohne dass auf die Entstehung der Eidgenossenschaft und ihre vielfältigen und umstrittenen Probleme näher eingegangen werden soll. Die Geschichte der Anfänge der eidgenössischen Bünde ist in erster Linie die Geschichte eines werdenden Territorialstaates, der sich gegenüber den umliegenden Territorialmächten durchsetzen und behaupten muss. Das geschah nicht allein durch die glänzenden Waffentaten der Eidgenossen, denen die Chronisten den grössten Teil ihrer Darstellungen widmen, sondern die Urkantone mussten darauf bedacht sein, ihren Erfolgen auf den Schlachtfeldern die rechtliche Anerkennung zu verschaffen. Sie mussten nach mittelalterlicher Rechtsanschauung also Privilegien erwerben, die ihre Stellung innerhalb und besonders ausserhalb ihres Machtbereiches sanktionierten. Daher muss die Geschichte der Eidgenossenschaft bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts hauptsächlich unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden: Wie erwerben die Urkantone die Reichsfreiheit, und wie erreichen sie von den umliegenden Mächten deren Aner-' kennung 1 Seit den Arbeiten Karl Meyers und vor allem seit seiner Kontroverse mit Theodor Mayer steht die Frage der persönlichen Rechtsstellung der Bewohner der Waldstätte im Vordergrund der Diskussion2. Geht aus den 1 Eine Ausnahme bildet K.Meyer, Der Ursprung der Eidgenossenschaft, ZSG, XXI (1041), S. 344, 636, 562ff., 566ff. und öfter; id., Die italienischen Einflüsse bei der Entstehung der Eidgenossenschaft, Jb.f.Schweiz.Geseh., XLV (1920), S.13*-22*; id., in Geschichte des Kantons Luzern, S. 447. 9 K.Meyer, Ursprung; id., Vom Freiheitswillen der Eidgenossen, ZSG, XXIII (1943). -Th. Mayer, Die Entstehung der Eidgenossenschaft und die deutsche Geschichte, Dt.Areh. f. Gesch. d. Mittelalters, VI (1943); id., Die Schweizerische Eidgenossenschaft und das Reich, Dt. Arch. f. Gesch. d. Mittelalters, VII (1944). - Vgl. besonders B. Meyer, Die Entstehung der Eidgenossenschaft, Der Stand der heutigen Anschauung, SZG, II (1952). Quellen auch hervor, dass die Eidgenossen damals ihrer sozialen Gliederung Wichtigkeit beimassen, so war doch die Erhaltung oder Verbesserung ihrer persönlichen Rechtsstellung für die Waldleute nicht so entscheidend, wie man auf Grund der neueren Forschung anzunehmen geneigt ist3. Vor allem ist zu fragen, was die Eidgenossen in jenen Zeiten unter Freiheit verstanden, ob ihr Freiheitsbegriff mehr persönlich-sozialer oder mehr allgemeiner und politischer Natur war. Freiheitsstreben bedeutet im Mittelalter vorwiegend, den Wunsch verwirklicht zu sehen, ohne Mittlerstellung einer dritten Macht dem Könige zu unterstehen: man will unmittelbar dem Reich angehören4. Rechtlich war das für eine Gemeinschaft nur auf dem Wege der Privilegierung möglich. Nicht umsonst geben die deutschsprachigen Quellen der Zeit das Wort privilégium mit «friheit» wieder, während im Lateinischen libertates regelmässig mit Privilegien zu übersetzen ist5. Wer die ersten Seiton des Weissen Buches von Samen daraufhin einmal liest, wird erstaunt sein, in welchem Masse die Reichsfreiheit und das Reich betont und von Österreich unterschieden wird6. Der Wunsch, die Reichsunmittelbarkeit zu erlangen, kennzeichnet nicht nur die Eidgenossen. Ihre Auseinandersetzungen mit Österreich bilden eher die Folge dieser Bestrebungen, als dass sie sie hervorgerufen haben. Wenn Karl Meyer schon in der Frühzeit der Eidgenossenschaft Gegensätze zu dem römischen Reich festzustellen glaubte, berücksichtigte er diese grundlegenden, allgemeingültigen Tatsachen zu wenig7. Weil Österreich den Urkantonen die unmittelbare Bindung an das Reich nicht zubilligen wollte, mussten sie ihren Freiheitskampf für diese Bindung gegen Habsburg ausfechten. Über die Geschehnisse auf den Schlachtfeldern unterrichten die Chronisten recht gut, während wir die politischen Auseinandersetzungen am Hofe des jeweiligen römischen Königs nur aus ihren Ergebnissen, den Privilegien und Urkunden kennen, die wenig über die Art, die Umstände und Beweggründe aussagen, unter denen sie erlangt wurden. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Könige und Kaiser neben den 3 Der Name «Waldstätte», «freie Waldleute» sollte schon allein daraufhinweisen, dass wir es im wesentlichen mit Rodungsland zu tun haben, denn Waldleute lässt sioh nur mit «Leuten, die im Walde leben» umschreiben. Die wichtigste Tätigkeit eines Waldbewohners ist im allgemeinen das Roden. Da die alemannischen Eroberer wohl kaum in stärkerem Masse gerodet haben, sondern sieh eher dio günstigen, fruchtbaren Täler aussuchten, spricht einiges dafür, dass die Bewohner der Waldstätte in erster Linie Rodungsfreie waren. Vgl. auch unten, Kap. VI, 2, S. 213 ff. * Eine reichsfreie Stadt wurde selber als das Reich oder als oin Teil desselben angesehen, wie z.B. aus dem Formular für Burgrechtsverträge ersichtlich ist: «Nos N. facti sumus sacri Romani imperii et ipsorum in Berno comburgenses.» Vgl. Burgrecht Savoyen-Bern 1330 IX 17, Fontes, V, S. 762, N. 720, oder als bildliche Darstellung das Reichswappen ohne Stadtwappen am Holstentor in Lübeck. Vgl. oben, S. 18, Anm. 2. 5 Vgl. über die Bedeutung von friheit Schweizer Idiotikon, I, 1265; friung 1269; fri 1256; frien 1263; sowie Le-rer, Mittelhochdeutsches Wörterbuch, III (1878), S. 517; Müller-Zamcke, III, S.403. 9 Weisses Buch von Sarnen, od.H.G.Wirz, QW, III, 1, S.3f., besonders die ersten drei Kapitel. Vgl. oben, S. 45 f. ' K. Meyer, Ursprung, ZSG, XXI (1941); id.. Vom Freiheitswillen der Eidgenossen, ZSG, XXIII (1943). 106 107 Belangen des Reiches die ihrer Hausmacht vertraten, und dass die Interessen des Reiches nicht immer mit denen der reichsfreien Glieder zusammenfielen. II. Zusammengehen mit Ludwig dem Bayern Seit wann die Waldstätte nach Reichsfreiheit trachteten, lässt sich ebensowenig feststellen, wie sich klären lässt, wer die Initiative dazu ergriff8. Ihren ersten Abschluss erreichten diese Bestrebungen 1309, als Heinrich VII. die Reichsunmittelbarkeit für alle drei Urkantone bestätigte9. Bald darauftrat jedoch ein Rückschlag ein. Nachdem Herzog Leopold sich mit Heinrich versöhnt undihn auf dem Romzug unterstützt hatte, bewog er den Kaiser, eine Untersuchung der österreichischen Rechte in den Waldstätten anzuordnen10. Ob diese je durchgeführt wurde, ist aus der Überlieferung nicht mehr klar ersichtlich. Sie scheint aber nie erfolgt zu sein. Meist wird das Unterbleiben mit dem Tode Heinrichs VILbegründet11. Für die Eidgenossen war mit der Forderung Herzog Leopolds endgültig klar, dass Österreich nicht ohne weiteres gewillt war, die Privilegien Heinrichs für die Eidgenossen anzuerkennen. So kam ihnen die zwiespältige Wahl Friedrichs des Schönen und Ludwigs des Bayern sehr willkommen12. Eine einhellige Wahl Friedrichs hätte wahrscheinlich das Ende ihrer Selbständigkeit bedeutet. Daher ergriffen die Länder sofort die Partei Ludwigs13. Trotz der Doppelwahl war ihre Lage keineswegs günstig, denn in weiter Runde fand sich niemand, der gleichfalls Ludwig den Bayern offen unterstützte. Friedrich von Österreich konnte jedoch bis weit den Rhein hinunter auf Anhänger zählen14. Reichsstädte wie Konstanz, Ulm, Memmingen, Zürich hatten sich sogar schon vor der Wahl in den Schutz 8 Auf die Entstehung der Eidgenossenschaft und die Rolle, die das Reich daboi spielte, kann hier nicht eingegangen werden. K. Meyer und Th. Mayer haben sich darüber die Köpfe heiss geredet, doch dürfte es wie so oft sein, dass beide recht haben; denn die Erwerbung der Reichsfreiheit setzt ein Zusammenwirken des Privilegierten mit dem Privilegierenden voraus. * 1309 VI 3, QW, I, 2, S. 203ff., N. 479-481; = EA, I, S. 3, N. 4. - Vgl. H. Wartmann, Die königlichen Freibriefe für Uri, Schwyz und Unterwaiden von 1213-1316, Arch.f.Schweiz.-Geseh., XIII, S. 141 ff. Unterwaiden erhält eine aligemeine Bestätigung der Rechte, die ihm von Kaisern und Königen verliehen worden. Schwyz erhält die Freiheiten Friedriohs II. und Adolfs bestätigt. Alle drei Orte worden von den auswärtigen Gerichten befreit. 10 1311 VI 15, QW, I, 2, S.300ff.,N.598.-Vgl. J.E.Kopp, Geschichte der eidgenössischen Bünde, IV, 1, S. 250ff. - B.Durrer, DieEinhoitUnterwaldens, Jb. f. Schweiz.Gesch., XXXV, S.llOff. 11 Dies wird im allgemeinen angenommen; vgl. Durrer, Einheit, S. I19ff. - K.Meyer, Ursprung, S. 553 ff. - W. Oechsli, Die Beziehungen der Schweiz zum deutschen Reich bis zum Schwabenkrieg, Polit. Jb., V (1890), S.319. - J.Dierauer, Geschichte der Schweizerischen Eidgenossenschaft, I, S. 103. 12 1314 X 19/20, QW, I, 2, S.370, N.736; = MG, LL, Oonst.V, S.89f., 98f. 13 Vgl. unten, Anm. 19. 11 Für Anhänger Friedrichs des Schönen vgl. Regesta Habsburgica, III, KT. 29/30 Wilhelm von Montfort; N. 32 Rudolf von Hohenberg, Eberhard von Neuenbürg, Diether von Kren-kingon, Burkhard von Ellerbach, Johann Truchsess von Diessenhofon, Ekhard von Reischach ; N. 37 Stadt Selz; N. 42 Bischof von Augsburg; N. 46 Heinrich von Werdenberg; N. 46 Kraft von Hohenlohe; N.49 Walter von Geroldseck; N.65 die Markgrafen von Baden; N. 72 von Baldegg; N. 98 Volmar von Froburg; N. 99/100 Stadt Strassburg; N. 122 Heinrich Friedrichs und Leopolds von Österreich begeben15. Aus dem Oberland waren Graf Rudolf von Nidau und Otto von Strassberg bei der Wahl Friedrichs anwesend16. Nur wenige warteten mit der Anerkennung des Österreichers wie die Städte Bern und Solothurn und wohl auch Friedrich IV. von Toggenburg17. Selbst der Reichsvogt Heinrichs VII. für die Waldstätte, Werner von Homberg, sah seine Zukunft auf der österreichischen Seite, wenn er es auch mit den Eidgenossen nicht völlig verderben wollte, wie sein Versprechen zeigt, die Eidgenossen wegen des Reichszolls zu Flüelen schadlos zu halten, falls ein allgemein anerkannter König an sie deswegen Ansprüche stellen sollte18. Wenn das Schreiben König Ludwigs vom 24. November seines ersten | RegierungsJahres in das Jahr 1314 gehört, haben wir nicht ein Dank- ! schreiben für die Schlacht am Morgarten, sondern die Antwort auf eine | Gratulation zur Wahl und auf ein Hilfegesuch der Eidgenossen vor uns19. Jedenfalls war ihm diese Insel mitten in österreichischem Einflussgebiet sehr wertvoll. Er versuchte vor und nach Morgarten, die Waldstätte auf jede Weise zu unterstützen, wenn es ihm auch unmöglich war, den Urkan-tonen mit Heeresmacht zu Hilfe zu eilen. Diese waren durch den Überfall auf das Kloster Einsiedeln in Acht und Bann geraten20. Ludwig hob erstere auf und veranlasste Peter Aspelt, den Erzbisohof von Mainz, sie vom Bann zu lösen21. Herzog Leopold benutzte jedoch die Einsiedler Streitigkeiten und die Ächtung der Eidgenossen, um gegen sie vorzugehen, mit der Absicht, seinem Bruder die Anerkennung in Oberdeutschland zu sichern. Solange die Eidgenossen auf der Seite Ludwigs verharrten, musste Friedrich der Schöne damit rechnen, dass eine Reihe von Adligen und Städten, die ihm von Fürstonborg; N. 123 Bischof Johann von Strassburg; N. 131 Schlettstadt; N. 132 Landau; N. 135 Breisach; N. 138 Mülhausen; N. 142 Rheinfelden; N. 161 Jakob von Frauenfeld; N. 182 Ulm; N. 184 Überlingen; N. 198 Hugo von Werdenberg; N.203 Rudolf von Hewen u.a. 15 1313 X 5, QW, I, 2, S.347, N.690. - Const., V, S.2f„ N.3/4. - Regesta Habsburgica, III, N. 31, 157, 162-166, 168-171, 178, 212. - Vgl. auch Kopp, IV, 2, S. 12f. Auch Schaff-hausenund St. Gallen hingen Friedrich an. UB Zürich, IX, S.106, N.3234. 18 Const., V, S. 72, N. 74; S. 76f., N. 80. - Vgl. F.Boch, Reichsidee und Nationalstaaten vom Untergang des alten Reiches bis 1341, S. 160. 17 Matthias von Neuenburg, MG, Scr.ror.gorm., NS, IV, S.99. «Adheserunt autem Ludo-vico civitates inferiores Reni usque Selz, Friderico autem Sels et superiores regni civitates exceptis Berna et Solodoro, que noutrum curarunt.» Dies ist zu der Lage um 1314/15 gesagt und gilt nicht unbedingt für spätere Zeiten. Der Bericht des Johannes von Winterthur (MG, Scr.rer.germ., III, S.79) lässt vermuten, dass Friedrich von Toggenburg mit dem Bayern sympathisierte, was mit der Haltung der Toggenburger in späterer Zeit übereinstimmen würde. 18 1315X122, QW, 1,2, S.409, N. 805;= Const., V, S.280, N.329; = EA, I, S.10, N.27. Vgl. Reg.Habs., III, N.117, 724; Const., V, S.72, N.74; S.76f., N.80. 19 QW,1,2, S.410f., N. 806; = Const., V, S. 280, N.330; = EA, I, S.7,N. 15.- Boeh.S. 161, will es schon ins Jahr 1314 setzen. Sollte das Schreiben aber erst ins Jahr 1315 gehören, so wäre der Brief Ludwigs vom 17.März 1315 der erste Beleg für die Anerkennung Ludwigs durch die Eidgenossen. QW, I, 2, S.379, N.756; = Const., V, S.204, N.232. 30 Vgl. Vitoduran, S.79. 21 1315 V 25, QW, I, 2, S.386f., N. 769; = Const., V, S. 246, N. 287; = EA, I, S.5, N. 10. -1315 VII 17, QW, I, 2, S. 398, N. 788; = Const., V, S.263, N. 305; = EA, I, S.6, N. 13. 108 109 noch nicht gehuldigt hatten oder insgeheim mit Ludwig sympathisierten, früher oder später offen zur Gegenseite übergingen. Doch Leopolds Versuch, mit Waffengewalt im Gebiet zwischen Sohwarzwald und Gotthard für seinen Bruder reinen Tisch zu machen, soheiterte an den Hellebarden der Schweizer. Durch den Sieg am Morgarten sicherten die Waldstätte nicht nur ihre Selbständigkeit gegenüber Österreich, sondern errangen gleichzeitig für Ludwig den Bayern den ersten bedeutenden Erfolg im Streit um die Krone. Damit die Eidgenossen den Kampf um ihre Freiheit, der zugleich ein Kampf für Ludwig den Bayern war, weiterhin erfolgreich bestehen konnten, erneuerten sie ihren Bund von 1291 und erweiterten ihn22. Bald danach erhielten die Waldstätte den Dank des Königs für ihre Waffentaten. Im März 1316 erklärte Ludwig, dass auf Grund eines Gerichtsurteils wegen Majestätsbeleidigung aller Besitz und alle Rechte Österreichs in den Ländern Uri, Schwyz und Unterwaiden dem Reich heimgefallen seien23. Ein Jahr später entzog er mit der gleichen Begründung Heinrich von Hospental das Offizium in Urseren und belehnte den Umer Konrad von Mos mit der Vogtei über Urseren und die Leventina24. Wenige Tage nach der Beurkundung des Prozesses gegen Österreich bestätigte der Wittelsbacher den Waldstätten ihre Privilegien, ohne die Ver- 22 1315 XII 9., EA, I, S.243, N.3. 23 1316III26, QW,I,2, S.423,N.830; = Const., V, S.298, N.355; = EA, I, S.7.N.18. Es werden Österreich und anderen Widersachern des Königs und des Reichs in diesen Tälern alle «curtes, iura et bona... cum hominibus, iuribus et pertinentiis et aliis universis» aberkannt und dem Reiche unterstellt. Damit sind jedoch die österreichischen Ansprüche auf Hoheitsrechte in den Waldstätten keinesfalls gemeint. Es wird wohl von iura gesprochen, aber es erscheint kein Ausdruck für die hohe Gerichtsbarkeit oder ein anderes Hoheitsrecht. Wir haben es also mit einer Beschlagnahme der österreichischen Besitzungen zu tun, die überwiegend «privatrechtlicher ft Natur sind, nämlich die Eigengüter. Es sollte Österreich die Möglichkeit genommen werden, über grundherrliche Rechte und niedere Gerichte noch irgendwelchen Einfluss innerhalb der Waldstätte auszuüben, und ein Versuch, die österreichischen Hoheitsrechte auf diesem Wege neu zu begründen, abgebogen werden, bevor er unternoinmen wurde. Gleichzeitig konnte diese Urkunde als indirekter Bewei.s dienen, dass die Habsburger keine Hoheitsrechte in den Urkantonen besassen. Weiterhin ist diese Urkunde einer der wichtigsten Belege für' die Wandlungen im sozialen Gefüge der Kantone. Man könnte sie eine «partielle Bauernbefreiung» nennen, denn nun fielen die Grundlasten und porsoncllen Bindungen an Österreich dahin, und bishor Hörige wurden Freie. Damit ging Ludwig der Bayer weit über den Bundesbrief von 1315 hinaus, der noch die grundherrlichen und persönlichen Rechte Dritter in den Urkantonen ausdrücklich anerkannte. Ob dieses Urteil in die Praxis umgesetzt wurde oder welche Teile die Eidgenossen davon durchzusetzen versuchten, kann hier nicht untersucht werden. Jedoch scheinen die verschiedenen Verhandlungen über nioht gezahlte Zinse usw. daraufhinzuweisen, dass sich die Länder auf dieses Privileg mehrfach beriefen. Vgl. unten, S. 115, Anm.51. - Bock, S.162. - Kopp, IV, 2, S. 164. - Über dio Bedeutung der Wörter vgl. Habel, Mittellatoinisches Wörtorbuch. - Du Gange, 1840ff., II, S. 624f. curtis; I, 8. 725 bona; V, S. 220 pertinentiaj für iura am besten die Rogistor der Sammlung schweizerischer Rechtsquellen, z.B. Born, T, 3; II, 3. " 1317 III 1, QW, I, 2, S. 445, N. 875/76;. = Const., V, S. 336, N. 396. Hier wird die gleiche Begründung, das Majestätsverbrechen, benötigt wie im Prozess gegen die Herzöge von Österreich. Es ist interessant, dass hierzu das Land- oder Lehnrecht nicht ausreichte und zu dem «crimen laese maiestatis», das dem römischen Recht entstammt, gegriffen werden musste. Vgl. 0.Kellner, Das Majestätsverbrechen im deutschen Reich bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, Phil. Diss. Halle 1911. Im übrigen bildeten diese Verleihungen die rechtliche Grundlage für die urnerische Gotthardpolitik. schiedenartigkeit der Rechte der einzelnen Orte zu berücksichtigen25. Zu Beginn des Jahres 1318 erhielt Uri eine weitere Vergünstigung, indem Ludwig eine erbrechtliche Bestimmung abänderte28. Doch verschlechterte sich die Lage für die Eidgenossen in diesen Jahren immer mehr, denn es misslang Ludwig, im Südwesten Deutschlands Fuss zu fassen und die Eidgenossen auch militärisch zu unterstützen2'. Deshalb mussten sie auf die Rechte, die ihnen Ludwig in Nürnberg von den Fürsten hatte zusprechen lassen, verzichten und mit den österreichischen Amtleuten einen Waffenstillstand eingehen. Die Landleute erkannten den österreichischen Besitz in den Waldstätten so weit an, als er zu Kaiser Heinrichs Zeiten bestanden hatte. Aus dem Vertrag geht hervor, dass diese Rechte nicht nur Grundbesitz sondern auch Pfründen, Lehen und Gerichte umfassten. Ferner verpflichteten sich die Eidgenossen, die Gegner Österreichs weder zu unterstützen, noch mit ihnen Bündnisse abzu-schliessen. Dagegen versprach Österreich in der Hauptsache, die Eidgenossen nicht mit geistlichen oder weltlichen Gerichten zu bekümmern, oder ihnen sonst zu schaden28. So brachte der Waffenstillstand den Eidgenossen die Lösung vom Bann, obwohl die Prozesse gegen sie noch weitergeführt wurden29; denn schon während der Verhandlungen um diesen Waffenstillstand ermächtigte Bischof Gerhard von Konstanz den Titularerzbischof Petrus von Nazareth, in seiner Diözese Altäre und Kirchen zu entsühnen und zu weihen30. Eine Woche nach dem Abschluss beurkundete dieser Weihen von Kirchen für Morsohach und Steinen und gewährte Ablass für Schwyz, Silenen und Erstfeld31. Im zweiten Waffenstillstand vom 3. Juli 1319 ist die einzige wesentliche Änderung, dass die Herzöge den Abt und das Kapitel von Einsiedeln anhalten sollen, die Eidgenossen nicht mehr mit geistlichen und weltlichen Gerichten zu bedrängen33. Demgemäss verzichtete Einsiedeln auf die in- " 1316 II 29, QW, I, 2, S. 424 ff., N. 831/32; = EA, I, S. 8, N. 19. - Vgl. Wartmann, S. 152ff. Ludwig bestätigt Schwyz Brief Friedrichs II. betr. Reichsfreiheit, Rudolfs betr. keine Unfreien als Richter, Heinrichs VII. betr. Befreiung von auswärtigen Gerichten und über Loskauf und Befreiimg der Hörigen von Österreich. Ludwig bestätigt Untorwalden Frei-heitsbrief Friedrichs II., Rudolfs und Heinrichs, die wohl nach den Vorlagen von Schwyz aus -gestellt wurden. Die Bestätigung für Uri soll nach Tschudi der von Unterwaiden gleichgelautet haben. 23 1318 I 26, QW, I, 2, S.465, N. 913. Anstatt der Vogte sollon die Eltern uneheliche Kinder beerben. 27 Vgl. Bock, S.162f., 190. 28 1318VII19, QW, 1,2, S.477, N.937; = EA, I, S.244, N.4. Am 30. Juli gelobten auch die Landleute von Glarus und Wesen, den Waffenstillstand zu halten. QW, I, 2, S.482, N. 945. Am 22. August vergleicht sich auch Graf Werner von Homberg mit Schwyz. QW, I, 2, S.483, N.948. Der Waffenstillstand dauerte bis Ende Mai 1319. Verlängerungen folgten (vgl. unten, S. 112, Anm.34). Trotz dorn Stillstande sammelte Österreich woiter Bundesgenossen gegen die Eidgenossen. QW, I, 2, S.472, N.926; S.487, N.953; S.488, N.954. 29 1319 in 30/31, QW, I, 2, S.496, N.970; S.498, N.971; S.500, N. 973. Vgl. auch über den ProzesB QW, I, 2, S. 411, N. 866; S. 490, N. 960. 30 1318 VII 9, QW, I, 2, S.476, N.934. - Vgl. Reg.ep.Const., II, N.3784. 31 1318 VII 26-28, QW, I, 2, S. 480f., N.|938-944; =■ Reg.ep.Const., II, N. 3790-3793, 3781/82. 32 QW, I, 2, S.506f., N.989. 110 111 zwischen ergangene päpstliche Bannbulle83. Daraus kann man unter anderem die grosse Bedeutung erkennen, welche der Bann oder das Interdikt für die Waldleute besass. Vor dem Abschluss des zweiten Waffenstillstandes scheinen entweder die Eidgenossen ein Eingreifen Ludwigs des Bayern erwartet zu haben, oder Herzog Leopold hoffte, einen neuen Zug gegen die Eidgenossen unternehmen zu können, denn der Friede wurde immer nur kurzfristig verlängert34. Doch Ludwigs Macht schwand immer mehr. Mit dem Tode Peter Aspelts, des Erzbischofs von Mainz, verlor er einen seiner wichtigsten Anhänger. Zum Nachfolger ernannte Papst Johann XXII. Matthias von Buchegg, Probst zu Luzern, einen Sohn jenes Heinrich von Buchegg, der 1314 die Landgrafschaft unter österreichischem Druck an Hartmann von Kyburg aufgeben musste35. Dies aussterbende Geschlecht besass in jener Zeit eine recht erhebliche Bedeutung und ist für die Einordnung des eidgenössischen Geschehens in grössere Zusammenhänge wichtig. Obwohl die Grafen von Buchegg die Landgrafschaft in Kleinburgund verloren, zählten sie weder zu den Feinden Kyburgs noch Österreichs. Heinrich war mit der Stadt Bern sehr eng verbunden. Als Bruder der Deutschherren verlebte er dort seinen Lebensabend. Sein ältester Sohn, Hugo, nahm an dem Romzug Heinrichs VII. teil, wofür ihm sowohl das Schultheissenamt in Solothurn als auch Steuern in Bern verpfändet wurden. Als Begleiter der Schwester Friedrichs des Schönen war er nach Neapel gezogen, um diese ihrem Bräutigam zuzuführen. Dort hatte er dann den Dienstherren gewechselt und Robert von Neapel als Heerführer gedient. Als der Mainzer Stuhl vakant wurde, weilte er mit Robert von Neapel in Avignon und konnte über diesen die Ernennung seines Bruders Matthias zum Erzbischof von Mainz erwirken. In späteren Jahren tauchte er immer wieder als Vertrauter und Gesandter seiner Brüder an der Kurie auf. Auch in Bern besass er Einnahmen und wichtige Freunde, wie Johann von Bubenberg36. Der dritte Bruder, Berch-told, zuerst Deutschordenskomtur, dann Bischof von Strassburg, dessen Leben Matthias von Neuenbürg beschrieben hat37, war lange Zeit der 33 QW, I, 2, S.516, N.998; vgl. EA, I, S.12, N.34; S.244, 249, 251. "Am 21.V.1319 bis 14.VI.; vom 15.VI. bis 4.VII.; vom 26.VI. bis 25.VII.; vom 3.VII. bis 24.VI. 1320; QW, I, 2, S.502, N.981; S.504, N.985/86; S.506, N.989; = EA, I, S. 246f., N. 0-9. Weitere Verlängerungen des Waffenstillstandes: bis 1.IX. 1321; 24.X. 1321 bis 15.VIII.1322; 8.X. 1322 bis 15.VIII.1323. QW, I, 2, S.527, N.1028; S.553, N.1085; S.575f., N.1131; = EA, I, S.251f., N. 11-13. 35 Vgl. Bock, 8. 189f. - ID.von, Wattenwyl, Geschichte der Stadt und Landschaft Bern, II, S. 14f. - B.Feller, Geschichte Berns, I, S. 107f. 36 Vgl. HBLS, II, S.387. - Samml. bern.Biogr., II, S.615 Heinrich; III, S.538 Matthias; III, S.229 Hugo. - Auch Allg.dt.Biogr., XX, S. 657. - Von Wattenwyl, LT, S. 7f., 15ff., 23, 29, 33ff., 68, 90, 138. - Burgrechtsvertrag 1335 III 4, Fontes, VI, S.181, N.189. - Vgl. auch B. Ärmst, Geschichte Solothurns, I, S. 243f., 246. - J.L. Wurstemberger, Buchegg, die reichs-froio Herrschaft, ihre Grafen und Freiherren und die Landgrafschaft Kleinburgund, 1840. 37 Matth, v. Neuenbg., Gesta Berchtoldi Episcopi Argentinensis, MG, Sc^.rer.germ., NS, IV, S. 502ff. - Samml.bern.Biogr., III, S. 337. - Allg.dt.Biogr., II, S.529. - E.Lewpold, Berthold von Buchegg, Bischof von Strassburg. - Von Wattenwyl, II, S. 33, 38, 57. Berchtold von Buchegg mag nicht nur durch seinen Bruder, sondern auch über seinen Orden in Bern Ein- 112 Führer der päpstlichen Partei im südwestdeutschen Raum. Diese Brüder waren keine blinden Gefolgsleute Österreichs, obwohl sie zu diesem gute Beziehungen pflegten, wenigstens so lange, als die Habsburger mit dem Papste zusammen gingen. Doch auch den päpstlichen Standpunkt vertraten sie nicht immer. Vor allem mögen sie den Luxemburgern nahegestanden sein. Wir können jedoch nur feststellen, dass sie zu den entschiedensten Gegnern Ludwigs des Bayern gehörten. Wie oben dargelegt, besserte sich die Lage für Friedrich den Schönen um 1320 zusehends38. Das mag Engelberg veranlasst haben, sich zu Beginn des Jahres 1321 seine Privilegien bestätigen zu lassen39. Ihm folgten die Städte Bern und Solothurn im Frühjahr des nächsten Jahres, nachdem sie bisher keinen der beiden Könige anerkannt hatten40, woran die Grafen von Buchegg wohl nicht ganz unbeteiligt gewesen sein werden. In der gleichen Zeit wandten die Eidgenossen all ihre Kräfte an den Bau von Befestigungen, denn je mehr sich die Lage ihrer Partei verschlechterte, desto eher mussten sie einen neuen Angriff Österreichs befürchten41. Wenige Monate später finden wir die Situation völlig gewandelt. Ludwig besiegte Friedrich den Schönen bei Mühldorf und nahm ihn gefangen42. Damit erlangte er faktisch die Oberhand und rechtlich war damit sein Königtum anerkannt. Auch im Oberland treffen wir sehr bald auf die Folgen der neuen Lage43. Einen Monat nach der Schlacht fand im Schloss von Thun eine Besprechung der Brüder Eberhard und Hartmann von Kyburg statt. Eberhard sollte einen Vertrag unterzeichnen, dass er auf sein Erbe verzichte und beim geistlichen Stand verbleibe,. Da ihm dieser Verzicht durch den Bruder und Herzog Leopold von Österreich mit Gewalt fiuss genommen haben. War doch Diebold Basolwind, der stark hervortretende Leutpriester, Deutschordensbruder. Auoh aus der leitenden Familie der Freiherren von Kramburg gehörte Konrad dem Deutschen Orden an und folgte, wenn auch nicht direkt, Berchtold von Buchegg in einer Reihe von Amtern. Ein anderer von Kramburg wurde unter Bischof Berchtold Domherr zu Strassburg und Chorherr zu Solothurn, wo die Buchegg den Schultheissen setzten und auch grosses Ansohon genossen. Wegen der Beziehungen der Buchegg zu Bern widmet wohl Justinger Bischof Berchtold, den Tschaehtlan und /Schilling mit seinem Vater verschmelzen, ein ganzes Kapitel. Als Komtur von Sumiswald wurde Berchtold von Buchegg im August 1317 Burger zu Bern. Fontes, IV, S.752, N.734; zu Kramburg vgl. HBLS, IV, S.539. 33 Das zeigt z.B. die Liste der Helfer Herzog Leopolds bei der Belagerung Speyers. Reg.Habs., N.974, 1320 VIII 3; die Schweizer Städte in QW, I, 2, S.626, N. 1024. 30 1321 1 15. Friedrich bestätigt Diplom Heinrichs VII. über Schenkung eines Patronats-rechtes. Da es sehr unwahrscheinlich ist, dass nur dieses Privileg bestätigt wurde, muss man wohl annehmen, dass die übrigen nicht mehr überliefert sind. QW, I, 2, S. 534, N. 1040. *» 1322 IV 16, 18, Fontes, V, S. 270f., N.222/23; = SRQ, Bern, I, 3, S.67, N. 39; SRQ, Solothurn, I, S.41, N.28. Friedrich bestätigt Privilegien Friedrichs II. und Heinrichs VII. über Befreiung von auswärtigen Gerichten. Nachdem Friedrich der Schöne Solothurn an den Bischof von Basel verpfändet hatte (1316 XI11), hatte Herzog Leopold die Stadt belagert, jedoch die Anerkennung Friedrichs nicht erzwingen können. Vgl. Reg.Habs., N. 527, 726a. " QW, I, 2, S.562f., N. 1110; vgl. auoh QW, I, 2, S.573, N.1132. « 13221X28. 43 So ist wohl auch die Vereinbarung zwischen Schwyz und Graf Johann von Habsburg-Laufenburg eine Folge der neuen Lage, wie auch das dreijährige Bündnis zwischen Schwyz und Glarus. QW, I, 2, S.582, N. 1162; S.690, N.1169. 113 aufgezwungen worden war, bewog die veränderte politische Konstellation ihn anscheinend, dem Widerstand entgegenzusetzen. Nach einem Wortwechsel wurde Hartmann ermordet. Sobald die Berner davon Kunde erhielten, eilten sie Eberhard von Kyburg zu Hilfe und verhalfen ihm zur Anerkennung in seinen Landen. Bern wusste auf diese Weise die Zwangslage seines Nachbarn zu nützen, der nun stärker auf die Unterstützung der Stadt angewiesen war, wenn auch bislang Bern und die Grafen von Kyburg, die immer wieder in Bern verburgrephtet waren, miteinander, so gut es eben ging, auszukommen suchten44. Die Ereignisse in Thun bedeuteten einen krassen Bruch mit Österreich. Daher wandten sich Bern und Eberhard von Kyburg jetzt Ludwigdem Bayern zu. Auf Ersuchen Berns beauftragte der König die Städte Bern, SolothuTn und Murten,Eberhard von Kyburg «uf das recht beholfen» zu sein46. Doch dieser Schutz aus der Ferne genügte Bern noch nicht. Die nächstgelegenen Anhänger Ludwigs waren die Eidgenossen. Der erste Vertrag Berns mit den Waldstätten bildet also eine Folge des Geschehens im Kampfe Ludwigs des Bayern um die Anerkennung als König48. Die Unterstützung Kyburgs brachte Bern ein Mitspracherecht in Burgdorf und die Oberhoheit in Thun ein, die es sich von Ludwig bestätigen liess47. Nun konnten die Eidgenossen Ludwig huldigen, weil erst jetzt ihr Reichslandvogt, Johann von Aarberg, ungehindert in die Waldstatte gelangen konnte48. Den Bedingungen der Innerschweizer bei dieser Huldigung wird in der Literatur grosses Gewicht beigemessen, um die selbstbewusste Haltung der Eidgenossen gegenüber dem heiligen römischen Reich zu belegen49. Doch enthalten diese Bedingungen nichts anderes, als was den Landleuten schon durch die Privilegien zugebilligt worden war. Da Huldigung und-Privilegienbestätigung im allgemeinen zeitlieh zusammenfallen, ja zwei Seiten eines Rechtsgeschäftes bilden, ist es gar nichtj verwunderlich, dass nach sieben Jahren die Rechte der Eidgenossen nochmals urkundlich festgestellt wurden. König Ludwig hoffte, im Frühjahr 1324 die Erfolge der vergangenen Jahre ausnutzen zu können, und schrieb deshalb an Schwyz, er habe mit Bedauern von den Bedrückungen durch seine Widersacher gehört. Da er Pfingsten gegen ihre und seine Feinde im Felde stehen wolle, möchten sie ebenfalls ihren Waffenstillstand mit Herzog Leopold aufsagen und ihn " Vgl. Feiler, I, S. 115f. - Von Wattenwyl, II, 8.13f., 45 ff. - F. Moser, Der Laupenkrieg. -H.O.Keller, Der Brudermord im Hause Kyburg. - Kopp, V, 1, S.38f. - Matth, v. Neuenbg., S. 106ff. - B. Meyer, Der Bruderstreit auf dem Schloss Thun, ZSG, XXIX, 1049, S. 449ff. « 1323 III 21, Fontes, V, S.329, N.284; = Const., V, S.571, N.732; = EA, I, S.396, N. 124. " 1323 VIII 8, QW, I, 2, S. 588, N. 1166; = Fontes, V, S. 346,N. 306; = EA,I, S. 12, N. 38. " Fontes, V, S.349ff., N.311/12, 314/15, 322, 332; SRQ, Bern, I, 3, S.68f., N.40. «« 1323 X 7, QW, I, 2, S.592, N.1175; = Const., V, S.615, N.791; = EA, I, S. 13, * N.40; S. 253. «» Vgl. T.Sehiess, Der Richterartikel des Bundesbriefs, ZSG, XI (1931), S. 186, der schon daraufhinweist.-Kopp,V, 1, S.47f.-Oechsli,Beziehungen, S.361ff.-.K.Met/er,Ursprung, S.563ff.; id., Goschichte des Kantons Luzern, S.388, 426. - Durrer, Einheit, S.125. -Dierauer, I, S. 121. ' «sicut melius poteritis» unterstützen. Wie er ihnen schon geschrieben habe, werde er sie bei einem Frieden mit Herzog Leopold keinesfalls ausschlies-sen. Sofern er Briefe ausgestellt habe, die ihnen beschwerlich seien, so wolle er diese bei seiner Ankunft nach ihren Wünschen abändern60. Gleichzeitig erneuerte er das Urteil «laese maiestatis» vom Jahre 1316. Wiederum wurden Österreich alle Höfe, Rechte und Güter, die es in den Ländern und benachbarten Orten besass, abgesprochen. Diese Besitzungen wurden ans Reich genommen und sollten zu keiner Zeit dem Reich entfremdet werden. Die Urkunde ist gegenüber jener des Jahres 1316 erweitert, indem die Rechte näher spezifiziert werden, die Österreich entzogen wurden. Es handelt sich um Rechte, die an der Person und am Grund haften51. Doch konnte König Ludwig den geplanten Krieg gegen Österreich nicht durchführen. Inzwischen hatte Papst Johann XXII. gegen den Wittelsbacher Prozesse eröffnet, ihn exkommuniziert und aller Reohte beraubt, die er mit seiner Wahl zum römischen König erworben hatte, weil Ludwig die Visconti von Mailand und andere oberitalienische Gibellincn gegen den päpstlichen Legaten unterstützte52. Auch Ludwigs Gegensatz zu Herzog Leopold verschärfte sich, nachdem Verhandlungen zwischen ihnen gescheitert waren. Auf Veranlassung des Papstes schloss Leopold mit Karl IV. von Frankreich ein Bündnis, in dem er sich verpflichtete, eine Wahl Karls zum römischen König zu unterstützen und Ludwig zu bekämpfen. Der französische König versprach Leopold, ihm nach seiner Wahl die Städte Konstanz, St. Gallen, Zürich, Schaffhausen, Rheinfclden, Basel, Mülhausen, Breisach, Neuenburg und Selz sowie Uri und die Abtei Disentis zu ver- 5° 1324 V 4, QW, I, 2, S.602f., N. 1198; = Const., V, S. 718, N. 903; = EA, I, S. 13, N.41. " 1324V5, QW,I, 2, S.604,N.1199; = Const., V, S. 719, Ň. 904; = EA, I, S. 14, N.42. Vgl. oben, S. 110, Anm. 23, sowie Durrer, Die Freiherren von Ringgenberg, Vögte von Brienz und der Ringgenberghandel, Jb.f.Schweiz.gesch., XXXV, S. 121f., 142f. Vgl. unten, S. 154, Anm. 220. Der Zusatz lautet: «... et maneipia seu homines prefatis dueibus pertinentes sub iurisdictione imperiáli fo veantur nec ipsi obsequia aliqua aliquibus prestare nisi sacro imperio permittantur nostre gratie sub obtcntu, quia cosdom nobis et imperio libertamus. Ad hec volumus, ut nullus deineeps dictarum vallium inhabitator, incola aut homo quilibet coram ipso duce Leupoldo, suis fratribus, dueibus Austrie, vel ipsorum iudieibus, sed in nostro et sacri imperii iudieio et coram nostro iudice super quacumque causa debeat stare iuri.ß Nachdem den Österreichern die Höfe mit ihrem Zubehör entzogen wurden, erklärt der erste Satz, dass die zu diesen Höfen gehörigen Mensehen ohne vorherige Genehmigung des Reiches niemand Gehorsam leisten dürfen. Der zweite Satz drückt den Entzug der Rechte nur umgekehrt aus, indem er fordert, dass inskünftig nur der vom Reiche eingesetzte Richter für die Einwohner, Bauern und Menschen der Waldstätte zustandig sein solle. Um die «hohe Gerichtsbarkeit') kann es sich hier nicht handeln, obwohl es vielleicht auf den ersten Blick "so scheint. Das widerlegt schon der Aufbau dos Schriftstücks, weil dann der wichtigste Artikel am Schluss angehängt wäre und aus dem Zusammenhang fiele. Ausserdem wäre auf das Hochgericht bestimmt näher hingewiesen worden. Auch die Ausdrücke «inhabitator» -Einwohner, nicht Bürger (civis) - «incola aut homo » weisen auf die grundherrliche Gerichtsbarkeit hin. Vom König aus betrachtet war die Reichsunmittelbarkeit durch die Privilegien Heinrichs VII. und seiner Vorgänger anerkannt. Daher bedurfte es vom Reiche aus keiner weiteren rechtlichen Schritte, besonders nicht in der Form des Majestätsprozesses, um diese Stellung zu festigen. Schon aus diesem Grunde kann dieses Urteil wie das vom Jahre 1316 " nicht auf die Hoheitsrechte bezogen werden. S2 1323 X 8, vgl. QW, I, 2, S.608ff., N. 1204,1208, 1211, 1216, 1226. - Const., V, S.616, N.792. - Bock, S.198ff. 114 115 pfänden, ihm die Güter Eberhards von Kyburg zu verleihen und ihm wieder zu dem Besitz von Sehwyz und Unterwaiden zu verhelfen53. Doch wurde hier das Fell des Bären geteilt, bevor er erlegt war. Auf einem Tage zu Rhense kamen die geistlichen Kurfürsten mit Leopold zusammen, um über die Wahl Karls von Frankreich zu verhandeln. Nach Matthias von Neuenburg soll die französische Kandidatur am Widerspruch Berchtolds von Buchegg gescheitert sein54. Schon oft hat man sich gefragt, was Berchtold dazu veranlasste. Sollte am Ende Robert von Neapel seine Hände mit im Spiel gehabt haben? Das ist wohl kaum anzunehmen. Vielleicht hatte Berchtold von der geplanten Machterweiterung Österreichs in seiner Heimat gehört und wollte diese mit der Ablehnung Karls verhindern; denn die Zusagen Karls an Leopold bedrohten die eigenen Besitzungen der Grafen von Buchegg und die seines Ordens, sprachen das Gut der mit ihnen befreundeten, später sogar verschwägerten Kyburger Österreich zu und konnten auch den Städten Bern und Solothum nicht angenehm sein55. Nachdem die Wahlpläne Karls von Frankreich aufgegeben waren, schloss sich Matthias von Buchegg, der sich 1323 König Ludwig genähert hatte66, wieder Herzog Leopold an und publizierte nach mehrfacher päpstlicher Mahnung die Prozesse gegen den Bayern, der sich mit Friedrich dem Schönen versöhnte, um aus seiner verzweifelten Lage herauszukommen. Beide wollten fortan das Reich gemeinsam regieren57. Ludwig erklärte sogar, dass er abdanken wolle, falls der Papst Friedrich bis zum 26. Juli 1326 bestätigen und ihn selbst vom Banne lösen würde58. Nach Ausstellung der bedingten Abdankung verpfändete Friedrich seinen Brüdern Schaffhausen, Pfullendorf, Rheinfelden, Mülhausen, Kaysersberg, Ehenheim, Selz, St. Gallen sowie die Vogtei über das dortige Kloster, das Tal Uri und , die Klostervogtei Disentis59. Gleichzeitig verlieh er ihnen die Rechte und den Besitz Hartmanns von Kyburg, der durch dessen Ermordung an das Reich heimgefallen sei60. «» 1324 VII 27, QW, I, 2, S.613f., KT. 1217/18; = Const., V, S.792ff., N.9S2/53. Vgl. Bock, S.212f. 84 Matth, v.Ncuenbg., S. 128 bzw. S.366f.: «..- in navi diu tractarunt de Franco (König von Frankreich) in imperatorem proraovendo. Set per Bertholdum de Büchcgko cornmen-datorem Moguntinum principaliter extitit impeditirm.» Berchtold handelte anscheinend in Vertretung seines Bruders Matthias, des Erzbischofs von Mainz. Vgl. Reg. Haba., N. 1452. -Vgl. B. Meyer, Bruderstreit, S.486, besonders Airm. 69. 65 Berchtold braucht jedoch diese Zusagen nicht gekannt zu haben. 66 1323 VII 20, Ludwig verpfändet Matthias von Buchegg Güter, bestätigt Privilegien. Const., V, S. 594f., N. 759-762. - Regesten der Erzbischöfe von Mainz, 1323 VII-1325 III 18.-Vgl. Bock, S.214f. 1325III 13, QW, I, 2, S. 645, N. 1299.-Reg.Habs., N. 1511/12. - 1325 IX 5, Const., VI, 1, S. 96, N. 140. - Reg. Habs., N. 1586. 58 13261 7, Const., VI, 1, S.97, N.141 (vgl. S.171). -Reg.Habs., N. 1636/37. 1326 II 10, QW, 1,2, S.649f.,N. 1312; = Const., VI, 1, S. 103, N. 149; = EA, I, S. 398, N. 133. Einige Jahre später drohte auch den burgundischen Landen eine ähnliche Gefahr, als Heinrich von Niederbayern die burgundischen Lande einschliesslich Sitten und Lausanne an Frankreich abtroton will, falls er der Nachfolger Ludwigs würde, der wiederum abdanken wollte. Vgl. Bock, S.350. «« QW,I, 2,S.850, N.1313; = Const., VI, l.S. 102, N. 148.-Vgl. B.Meyer, Bruderstreit, S.488. 116 Vielleicht gehören in diesen Zusammenhang noch zwei Urkunden, die leider nur durch das Archivregister der Feste Baden überliefert sind. In diesen anerkennen beide Könige die österreichischen Reohte in Sehwyz, Unterwaiden, Uri und Urseren, und «keisor» Ludwig widerruft die «fryung, die er in hette geben, die der herschaft schedlich weren»61. Mit all diesen Konzessionen sollte offensichtlich Herzog Leopold gewonnen und zur Unterstützung der Vereinbarungen zwischen Friedrich dem Schönen und Ludwig dem Bayern bewogen werden. Als es Friedrich nicht gelang, bis zum vereinbarten Termin die Anerkennung des Papstes zu erhalten, wurde die Verpfändung hinfällig02. Ausserdem fehlte den Österreichern zu dieser Zeit die Macht, diesen Urkunden Nachachtung zu verschaffen, denn Herzog Leopold, der sie allein hätte durchsetzen können, starb plötzlich63. Friedrich und Albrecht bemühten sich in Avignon, die Bestätigung zum römischen König zu erlangen, wobei Hugo von Buchegg als Gesandter auftrat. Herzog Otto verlangte, an der Regierung der Erblande beteiligt zu werden. Ausserdem war er mit der Haltung seiner Brüder gegenüber dem Bayern nicht einverstanden. Mit Hilfe der Könige von Böhmen und Ungarn führte er gegen Österreich Krieg und erzwang schliesslich seine Beteiligung an der Herrschaft"4. Diese Streitigkeiten der österreichischen Herzöge untereinander schwächten auch ihre Stellung in den Vorlanden, 61 B. Thommen, Briefe aus der Feste Baden, N. 16 und 16; = QW, I, 2, S. 390, N. 775. Vgl. QW, I, 3, S.46, N. 58, und den Kommentar dort. N. 15: altem ein brief von keyser ludwigon, wie er ussprach, das die herschaft bliben sol bi all iren rechten, so sü hant ze Switz, Underwalden, Ure und Urseren, und widerruft alle die fryung, die er in hette geben, die der herschaft schedlich weren.» N. 16: «Aber ze glicher wise ein brieff von künig Friedrichen.» Diese Datierung ist wegen der Verpfändung, mit der der Brief Friedrichs zusammenzuhängen scheint, erfolgt und scheint vieles für sich zu haben, weil man sonst den Zusammenhang beider Stücke vernachlässigen muss. Doch zwingt sie dazu, dem Schreiber der Badener Regesten, die zum Teil sicher Dorsalnotizen sind, ein Verwechseln von Kaiser und König zu unterschieben. Denn eine Ausstellung von gemeinsamen Urkunden König Friedrichs und Kaiser Ludwigs kommt nur in der Zeit vom 17. Januar 1328 (Kaiserkrönung) bis zum 13. Januar 1330 (Tod Friedrichs) in Frage. Doch schon das Itinerár und die sonstige Tätigkeit beider schliesst diese Möglichkeit aus. Wenn man an eine gemeinsame Beurkundung im Jahre 1326 denkt, die nach dem Itinorar beider Könige mit dorn Ulmcr Vortrag vom 7.1.1326 erfolgt sein müsste, wäre man gezwungen, auch für die Verpfändung vom 10.11.1326 eine entsprechende Urkunde König Ludwigs anzunehmen. Denn der Münchner Vertrag über die gemeinsame Regierung schrieb vor, dass keiner der beiden Könige ohne Wissen und Willen des anderen Reichsgut veräussern dürfe und beide alle wichtigen Regierungshandlungon gemeinsam durchführen sollten. Doch eine Urkunde Ludwigs, die die Verpfändung Friedrichs bestätigt, liegt uns nicht vor und fehlt auch in den Badener Briefen. Deshalb ist eine Datierung der Regesten N. 15 und N, 16 in das Jahr 1326 wohl kaum haltbar. Allerhöohstens wäre eine Urkunde Friedrichs anzunehmen, die die Rechte Österreichs in Sehwyz und Unterwaiden anerkennt. 03 Da eine Urkunde Ludwigs fehlt (vgl. obige Anmerkung), brach Friedrich mit der Verpfändung den Münchner Vortrag und seinen Revers auf die Abdankungserklärung Ludwigs. Berücksichtigt man die bedingte Abdankung Ludwigs, so dürfte auch diese Verpfändung an Voraussetzungen geknüpft worden sein, die wir nicht kennen und die mit dem Tode Herzog Leopolds dahinfielen. Sonst wäre nioht reoht verständlich, selbst wenn man die Macht der Herzöge sehr gering veranschlagt, dass kein Versuch der Habsburger bekannt ist, die Pfänder in ihre Hand zu bringen, 83 1326 II 26, Reg.Habs., N. 1662. 84 Reg.Habs., N. 1902, 1928-1932. 117 wie das der erste Luzerner Schwurbrief recht deutlich zeigt .Wie mag es dann erst an weniger bedrohten Plätzen ausgesehen haben, wenn sich schon die Luzerner beklagen, von Österreich keinerlei Unterstützung zu erhalten65. König Ludwig war inzwischen zum Eomzug aufgebrochen. Als er in Como seine deutschen Hilfstruppen erwartete, liessen sich die Eidgenossen ihre Privilegien nochmals bestätigen, womit die Verpfändung Uris durch Friedrich den Schönen endgültig hinfällig wurde, soweit dies nicht schon früher geschehen war66. Zugleich versprach der Wittelsbacher, den Ur-kantonen nach der Kaiserkrönung ihre Freiheiten zu bestätigen67. Die Truppen Ludwigs nahmen ihren Weg durch die Schweiz, schon deshalb, weil Ludwig den Eidgenossen am meisten vertrauen konnte und sich seine Anhänger an der Gotthardroute stark vermehrt hatten. Aber die Eidgenossen sicherten nicht nur die Verbindung mit Deutschland, sondern stellten auch die für die drei Länder sehr beachtliche Zahl von 140 Knechten68. In diesen Jahren hatten sich die Städte durch Landfriedensbündnisse so weit gesichert, dass ihre Interessen in den Kämpfen und Fehden um den Königsthron einigermassen gewahrt werden konnten. Nachdem der Bayer nach Italien gezogen war, schlossen sich die oberländischen Städte, darunter Zürich, Bern, St. Gallen und Konstanz, dem mittelrheinischen Städtebunde an. Als einziger Adeliger trat Graf Eberhard von Kyburg, Landgraf in Burgund, bei69. Da dieser Bund weitgehenden Rechtsschutz bieten konnte, Hess der Beitritt der Urkantone nichtlange auf sich warten70. Nachdem sich diese darüber hinaus mit Kyburg für 16 Jahre verbunden hatten, war ihre Stellung stärker als je zuvor71. Ihre territoriale Unabhängigkeit war gesichert, und sie brauchten für den Augenblick auch keinen Angriff von seiten Österreichs zu befürchten. Ludwig bestätigte nach seiner Kaiserkrönung die Privilegien der Urkantone72 und gebot einige Zeit später, dass kein Reichsvogt dio Länder über die hergebrachten Rechte und Gewohnheiten hinaus bedrängen dürfe73. Offensichtlich veranlassten Spannungen zwischen den Eidgenossen und ihrem Landvogt diesen Befehl. Leider entzieht sich unserer Kenntnis, 61 1328 I 28, QW, I, 2, S. 690f., N.1414: «...wan es in dem land jetz zwivellich und wunderlich gat und unser herschaft von österrich, von dor wir hilf und rat han solten, in dem land j etz bi uns nüt ist... ö B« 1327 V 1, QW, I, 2, S.675, N.1377; = Oonst., VI, 1, S. 208, N.203; = EA, I, S. 14, N.43. Vgl. oben, S. llßff., besonders S. 117, Anm.61. 07 1327 V I, QW, I, 2, S.676, N.1378. 88 Bock, S.241. 88 1327 V 20, QW,I, 2, S.676, N.1379; = Fontes, V, S.562, N.624; = UB Zürich, XI, S.59. Verlängerung bis 1332IV23, QW,I,2, S.710.N. 1467; vgl. Const.,VI, l,S.203f.,N. 288. 70 Dabei mögen auch wirtschaftspolitische Gründe eine Rolle gespielt haben. 1327 VI 5, QW, I, 2, S. 677, K. 1382; = Fontes, V, S. 566, N. 625; = EA, I, S. 253, N. 15. " 1327IX 1,QW, 1,2,8.683, N.1398; = Fontes, V, S.583.N.544; = EA,I,S.254,N. 16. 78 1328 X 18, Pisa, QW, I, 2, S.701, N. 1439; = Oonst., VI, 1, S.413, N.SOla; = EA, I, S. 15, N.46. Die Bedeutung der Eidgenossen für Ludwig den Bayern erhellt auch aus der Tatsache, dass der Kaiser ihnen die Privilegien vor allen anderen Reichsstädten bestätigte. Vgl. Böhmer, Reg.imp. 1314r-1347, N.lOOOff. 78 1329 VI 4, QW, I, 2, S. 714, N. 1469; = Const., VI, 1, S. 516, N.616; = EA, I, S. 16, N.48. - Vgl. Durrer, Freiherren, S. 125. 118 wer das Amt damals innehatte. Es könnte noch Johann von Aarberg sein, dem die Länder 1323 gehuldigt hatten. Wenn die Auseinandersetzungen noch aus dessen Amtszeit datieren, wird um diese Zeit Albrecht von Werdenberg-Heiligenberg zum Reichsvogt bestellt worden sein. Albrecht von Werdenberg taucht zwar schon zwei Jahre vorher als Landvogt «um den Bodensee herum» auf71. Da ein Reichslandvogt oft für ein grösseres Gebiet eingesetzt wurde, ist es sehr gut möglich, dass Albrecht schon in jenen Jahren Landvogt der Eidgenossen wurde und dass nach seiner Ernennung der Konflikt ausbrach75. In späterer Zeit findet sich Albrecht dann auch auf der Seite der Gegner der Eidgenossen. Dagegen liesse sich anführen, dass Albrecht von Werdenberg 1331 nur als Landvogt der Innerschweiz erscheint und nicht auch als Reichsvogt von Zürich76. Aber letztes kann dadurch erklärt werden, dass in den wenigen Monaten zwischen der Huldigung Zürichs und der Urkunde von 1331 noch kein Vogt ernannt war77. Ausserdem berichtet Vitoduran, dass Albrecht in den Jahren 1328/29 mit Johann von Böhmen an einem Kreuzzug gegen die Heiden teilgenommen habe78. Dann müsste der Konflikt mit ihm schon einige Zeit vor der Ausstellung des Schriftstücks von 1329 ausgebrochen sein79. Bei den guten Beziehungen des Werdenbergers zum Hause Habsburg scheint er jedoch trotz allem der Anlass zu dem Gebot Ludwigs des Bayern gewesen zu sein. III. Annäherung an die Luxemburger Möglicherweise sind die Streitigkeiten der Waldstätte mit ihrem Landvogt schon die ersten Anzeichen für eine grundlegende Änderung der gesamten Situation80. Im Herbst 1328 war Erzbischof Matthias von Buchegg " 1326X19, Landvogt in Oberschwaben. - 1327 II 2, Krüger, Reg., N. 1114, 231. Ober Albrecht von Werdenberg siehe: E. Krüger, Die Grafen von Werdenberg-Heiligenberg und Werdenberg-Sargans, Mitt.z.vaterl. Gesch. St. Gallen, XXII, S. 165 f., sowie die Regesten im Anhang. 75 Krüger, Reg., N.247. - QW, I, 2, S.766, N. 1572. 76 QW, I, 2, S.765, N.1572. - Krüger, Reg., N.247. 77 Erst 1333 III 5 wird «Graf Rudolf von Hohenberg, Landvogt im niedoron Schwaben und Eisass, sunderlioh vogt der stat Zürich » genannt. UB Zürich, XI, N. 4500. Der 1331 VIII 26 genannte «Rütger, der Vogt» war sehr wahrscheinlich kein Reichsvogt, sondern ein Klostervogt. UB Zürioh, XI, N.4396, Ausserdem besass Zürich eine Sonderstellung durch ein Privileg, das den zweijährigen Wechsel des Vogtes festlegte. 78 Vitoduran, S. 137, 30. - Vgl. Krüger, Reg., N.236. 78 Es ist sehr wahrscheinlich, dass Albrecht an dem Zuge gegen die Preussen beteiligt war oder für König Johann mit Alfons von Aragon über eine Beteiligung an dessen Kreuzzug verhandelte. Während dieser Jahre urkundet Albrecht auch nicht in schweizerischen Gebieten. Vgl. Krüger, Reg., N.231-24I. 80 Darauf weist auch die Teilnahme der Urkantone an dem Landfriedensbündnis vom 14.1.1329 hin, das zwar formell nur'eine Bestätigung des Bündnisses von 1327 war, worin aber die Anhänger des Papstes eindeutig das Übergewicht besassen. Teilnehmer waren; Rudolf von Montfort, Bischof von Konstanz; Graf Ulrich von Montf ort, Herr zu Feldkirch; Graf Eberhard von Kyburg, Landgraf in Burgund; Konstanz, Zürich, Bern, Lindau, Überlingen, St.Gallen und Ravensburg. Vgl. QW, I, 2, S.710, N.1457; = EA, I, S.265, N.17: = Fontes, V, S. 668, N. 639. 119 gestorben, nachdem kurz zuvor sein Bruder Berohtold zum Bisohof von Speyer und bald darauf von Strassburg ernannt worden war. Um die Nachfolge des Erzbisohofs Matthias stritten sich Balduin von Luxemburg, Erz-bischof von Trier, den das Kapitel erwählt hatte, und Heinrich von Virneburg, den der Papst pro vidierte. Daher wurden die Luxemburger veranlasst, sich Ludwig zu nähern. Für sie galt es nach dem Tode Friedrichs des Schönen, eine österreichische Kandidatur zu verhindern, die auf Grund der guten Beziehungen Herzog Albrechts und Ottos von Österreich zum Papste in der damaligen Situation freilich allein in Betracht kam. Deshalb vermittelte König Johann von Böhmen zwischen den Herzögen und dem Bayern, zumal dem Kaiser an einer weiteren Aussöhnung mit den Österreichern ebenfalls sehr gelegen sein musste. Abgesehen davon, dass auch er die Wahl eines neuen Gegenkönigs verhindern wollte, brauchte er ein Gegengewicht, das die luxemburgische Partei ausbalancierte; denn Ludwig plante einen neuen Italienzug, um auf diese Weise eine Aussöhnung mit dem Papste zu erzwingen. Alles andere musste ihm dahinter zurückstehen81. So vertrug sich Ludwig der Bayer mit den- Herzögen von Österreich, nachdem er schon in den letzten Lebensjahren Friedrichs des Schönen versucht hatte, die Herzöge zu gewinnen. Die Huldigung Albrechts und Ottos war für den Kaiser ein grosser Erfolg, weil er nun sowohl die Habsburger als auch die Luxemburger für Unterhandlungen mit dem Papste einsetzen konnte. Dafür gewährte er den österreichischen Herzögen ausser der Bestätigung ihrer Rechte und Privilegien einen weiteren Vorteil82. Für die Unterstützung des geplanten Italienzuges verpfändete ihnen der Bayer die Reichsstädte Schaffhausen, Rheinfelden, St. Gallen und Zürich, die er damit für ihre ihm feindselige Haltung bestrafte83. Zürich und St. Gallen erkannten daraufhin Ludwig an und bemühten sich, die Verpfändung rückgängig zu machen8*. Auf Grund älterer Privilegien, die den Städten 81 Vgl. Book, S. 309 ff. 82 1330 VIII 6, Const., VI, 1, S. 703, N. 835. - 1331 V 5, QW, I, 2, S. 763, N. 1570. Die Belehnung mit Grafschaften, Herrschaf ton, Rechten und Lehen in Schwaben und im Eisass könnte zwar die Eidgenossen umfasst haben, aber dies Stück ist keinesfalls ein Beweis dafür, weil es nur für den tatsächlichen Besitz, nicht aber für rechtlich nicht anerkannte Ansprüche gilt. 88 Über Zürichs Haltung vgl. H.G.Wirz, Die Stellung von Zürich und Konstanz im Kampf zwischen Ludwig dem Bayern und dem Papst, Diss. phil. Zürich 1912. 1313 begab sich Zürich in den Schutz Friedrichs und Leopolds. (Vgl. oben, S. 109, Anm. 15.) Bei dieser Haltung verblieb Zürich wie Konstanz bis in die 2. Hälfte der zwanziger Jahre. Dann bahnte sich langsam ein Wechsel an. Die letzten Hinweise für die päpstliche Haltung Zürichs sind das Schreiben des Papstes vom 30. V. 1330 (ÜB Zürich, XI, N.4285; = Const., VI, 1, S. 703, N.836; = Reg.ep.Const., N.4227), in dem er die Städte Zürich, Konstanz, Schaffhausen, St. Gallen, Lindau, Überlingen wegen ihrer Treue zur Kirche lobt, sowie die Inkorporation der Peterskirche zu Zürich, welche der Fraumünsterabtei wegen Schädigungen durch Ludwig den Bayern einvorleibt wurde (ÜB Zürich, XI, N.4298; = Reg.ep.Const., N.4231, 1330 VIII). 84 Einen Hinweis auf die nicht einfachen Verhandlungen bildet die Tatsache, dass der Kaiser noch Bürgen stellen musste, wobei schon die Städte Breisach, Mülhausen und Neuenburg als Ersatz für Zürich und St. Gallen erschienen. ÜB Zürich, XI, N. 4326. Vgl. auch den Willebrief Ludwigs von Brandenburg. I7B Zürich, XI, N. 4325. zusicherten, nicht vom Reiche entfremdet zu werden, gelang es ihnen, den Kaiser zum Widerruf der Verpfändung zu bewegen85. Von nun an blieb Zürich Ludwig dem Bayern treu ergeben, obwohl das Interdikt auf allen Anhängern Ludwigs schwer lastete86. Unter dem Eindruck der päpstlichen Prozesse hatte sich die Stadt Bern wohl in dieser Zeit, wenn nicht schon vor Jahren, von dem Wittelsbacher wieder entfernt. Soweit es sich erkennen lässt, gleicht die Haltung Berns derjenigen der Grafen von Buchegg. Deutlich zeigt sich die Wandlung erst in dem Burgrecht mit dem Bischof von Basel, einem der vertrautesten Anhänger des Papstes, und in dem Burgrecht mit Savoyen, dessen Grafen zum Papste die besten Beziehungen pflegten87. Graf Eberhard von Kyburg, der Bern mitveranlasst hatte, sich an Ludwig zu wenden, hatte auf dem Romzug seine Lehen empfangen, darunter die Landgrafschaft Burgund, und ein Münzrecht erhalten38. Damit war seine Rechtsstellung anerkannt worden. Nachdem sich schon Erzbischof Matthias von Mainz um einen Ausgleich zwischen Eberhard und den Herzögen von Österreich bemüht hatte, kam dieser infolge der Versöhnung Ludwigs mit Österreich zustande89. So wandten sich Bern und Kyburg verschiedenen Lagern zu90. Es dauerte nicht lange, bis sich dies auch im territorialen Bereich auswirkte Naohdem König Johann von Böhmen zwischen Österreich und dem Kaiser vermittelt hatte, zog er als kaiserlicher Vikar nach Oberitalien. Hierbei verfolgte der Böhme den geheimen Plan, mittels seiner guten Beziehungen zum Papste und seines kaiserlichen Amtes eine Machtstellung in der Lombardei aufzubauen. In den ersten Jahren sollte, ihm das mit grossem Erfolg gelingen. Graf Ludwig von Savoyen, Herr der Waadt, 85 1331 II 26, Ludwig bestätigt die Privilegien Rudolfs, Albrechts und Heinrichs, wonach Zürcher vor keine fremden Gerichto goladon werden dürfen. "ÜB Zürich, XI, N. 4350. Bestätigt Privileg wegen Blutgerichtsbesetzung während der Reiohsvakanz von König Adolf und Heimich. ÜB Zürich, XI, N. 4351. Bestätigt Privileg, das Amtsdauer von Reichsvögten auf zwei Jahre beschränkt. ÜB Zürioh, XI, N.4352. Ludwig quittiert den Empfang der Reichssteuer, die rückwirkend erhoben wurde und deshalb eine so hohe Summe ausmachte. Bei den üblichen 200 Mark im Jahre könnte diese Summe nooh höher ausgefallen sein. UB Zürich, XI, N. 4353. Ludwig widerruft die Verpfändung unter Bestätigung der Unveräusserlichkeit. ÜB Zürich, XI, N. 4354. Ludwig bestätigt Abtei, Propstei und Stadt Zürioh den Schutzbrief König Rudolfs. UB Zürich, XI, N. 4355. 88 Der Beitritt Zürichs und St. Gallens zum schwäbisch-bayrischen Landfrieden König Ludwigs zeigt die veränderte Haltung dieser Städte. 1331 XI 20, UB Zürich, XI, N.4414; = EA, I, S.402, N.148. Für das Interdikt über Zürich vgl. UB Zürich, XI, N. 4489, 4631, sowie die regelmässigen Zahlungen der Reichssteuer, UB Zürich, XI, N.4375, 4383/84, 4389, 4446, 4450, 4577, 4695/96, 4711, 4716, 4464. 87 1330 III 6, Burgrecht tmit dem Bischof von Basel, das nicht gilt, fisi sepedioti consules aliqua attemptare presumerent - quod absit - contra sanetissimum patrem, dominum Johannem papam». 1330 IX 17, Burgrecht mit Savoyen. Fontes, V, S. 733, N. 695; S. 762, N.720; =. SRQ, Bern, I, 3, S.81f., N.45, 47. »» 1328 X 21, Fontos, V, S.663, N. 620. ~ Vgl. von WoMenwyl, II, S. 59f. - Kopp, V, 1, S.389. 8» 1331 III 24, Fontes, V, S.787, N.739. - Vgl. von WaUenwyl, II, S. 66f. - Kopp, V, 1, S.76, 389f. - Feiler, I, S. 120f. - B.Meyer, Bruderstreit, S.492f. 00 Darauf weist auch die Bestätigung des Kirchensatzes in Krauchthal durch Ludwig den Bayern an Berohtold von Thorberg hin, den sohon Friedrich der Schöne bestätigt hatte. Fontes, IV, S.651, N.636; V, S.751, N.712. - Vgl. auch Vitoduran, S.112f. 120 121 unterstützte ihn dabei in hervorragender Weise. Er erreiohte bei seinem Schwiegersohn Azo Visconti, dass dieser sich Johann anschloss. Die Rusca von Como, die den Visconti nahestanden, folgten. Johann von Böhmen hatte sich gleich nach den Verhandlungen mit dem Kaiser zu Hagenau mit Heinrich von Kärnten, dem Herrn Tirols, getroffen und einen Heiratsvertrag abgeschlossen91. Dies zwang Österreich und den Kaiser zu engerem Zusammenschluss, da beide an dem Erbe Heinrichs grosses Interesse hatten. Einen Einfluss Johanns von Böhmen wollten sie in Tirol nicht dulden, denn das bedeutete für beide, von dem Böhmen in die Zange genommen zu werden. Auch wären so zwei der wichtigsten Alpenübergänge in die Hand des Böhmen gekommen, was für alle Italienunternehmungen wichtig war. Darum schloss nun Ludwig der Bayer mit den österreichischen Herzögen ein Bündnis auf Lebenszeit, einigte sich mit ihnen über das Erbe Heinrichs von Kärnten, und beide setzten ein Schiedsgericht ein, das alle gegenwärtigen und zukünftigen Streitigkeiten schlichten sollte92. Dieses Schiedsgericht scheint auch über die österreichischen Rechte in den Waldstätten geurteilt zu haben, wenn man das Regest im Inventar der Badener Archive so datieren darf93. Das Urteil scheint für die Eidgenossen sehr ungünstig gewesen zu sein, weil es österreichische Rechte in den Waldstätten anerkannte. Da weitere Schriftstücke, die auf dieses Verfahren Bezug nehmen, nur ohne Datierung in den Badener Regesten erhalten sind, bleiben wir auf Vermutungen angewiesen. Meist wird angenommen, dass Ludwig um des Friedens mit Österreich willen die Eidgenossen ohne Bedenken aufgeopfert und auf alle Rechte des Reiches in den Waldstätten verzichtet habe. Wenn dafür auch verschiedene Gründe angeführt werden können, so muss doch auch die Gegenfrage nach der Haltung der Eidgenossen gestellt werden, und man darf die Länder nicht nur einfach als «Kompensationsobjekt»betrachten94. Über das Verhalten der Eidgenossen zu den päpstlichen Prozessen ist so gut wie nichts bekannt. Noch unklarer sind die Beziehungen der Waldstätto zu ihren verschiedenen Nachbarn, die dem Hause Habsburg nicht oder nur lose unterstanden. Kann es nicht möglich sein, dass sich die Eidgenossen in einen Gegensatz zu Ludwig stellten, indem sie auch dann noch gegen Österreich vorgingen, als es dem Kaiser wegen seiner Verhandlungen mit Österreich sehr ungelegen kam ? Dass die Eidgenossen in den Jahren vor und nach dem Luzerner Bund über ihre Privilegien hinaus gegen Österreich vorgingen, steht fest95. Auch der Landvogt für die Waldstätte, Graf Albrecht von Werdenberg, könnte an der Verstimmung zwischen den Eidgenossen und dem Kaiser schuld gewesen sein, falls die Vazer Fehde und "Vgl. Bock, S. 311-314. 92 Vgl. Bock, S.3l7f. - Const., VI, 1, S.734ff., N.882^886. 98 QW, I, 2, S.757, 3ST.15S6; = Thommm, Briefe, N.42. 04 K.Meyer, Ursprung, S.567. 98 Vgl. Vitoduran, S. 125ff. - Dierauer, I, S. 160. - K. Meyer, Geschichte Luzerns, S. 408ff. die Beteiligung der Eidgenossen daran schon mit der oben erwähnten Urkunde über die Bedrückung durch den Reichsvogt -zusammenhängt96. Weiterhin ist es auffallend, dass Ludwig auf dem Romzug den Brenner benutzte, obwohl Heinrich von Kärnten, der diesen Pass beherrschte, nicht gerade zu den engsten Anhängern Ludwigs gehörte. Was den König davon abgehalten hat, den Gotthard zu benutzen, ist unbekannt. Die Gotthardroute war mit Ausnahme der österreichischen Besitzungen in der Hand seiner engsten Freunde. Von den Visconti in Mailand über die Rusca in Como, Albrecht von Werdenberg und das Kloster Disentis, die Urkantone und wohl auch bis zur Stadt Konstanz stand der Pass unter dem Schutz der Anhänger des Bayern. Die Streitigkeiten zwischen Urseren und der Leventina, von denen wir durch den Schiedsspruch des Franchinus Rusca und des Johannes von Attinghusen Kenntnis haben, waren sicherlich kein Grund dafür, den Pass nicht zu benutzen97. Aus dem Schreiben des Kaisers von Pavia, in dem er den Eidgenossen mitteilte, dass er seinem Marschall Winant den Boch den Reichszoll zu Flüelen verliehen habe, gellt hervor, dass in dem Verhältnis der Eidgenossen zu dem Bayern eine Änderung eingetreten ist. Ludwig gedenkt darin der Verdienste der Länder und befiehlt ihnen erneut,« als wir dick getan haben», trotz ihrem Frieden seinem Marschall diesen Besitz zu übergeben und ihn dabei zu schützen98. Wenn auch die Tonart des Briefes freundlich ist, so lässt sich doch erkennen, dass die Waldstätte zumindest diesen Marschall nicht als Besitzer des Zolles wünschten und die Grafen von Habsburg-Laufenburg ihm vorzogen, zumal sie so den Waffenstillstand und die Abmachungen mit dem Vorgänger des Grafen von Habsburg-Laufenburg, Werner von Homberg, nicht verletzten. Damit soll nicht gesagt sein, dass allein diese Frage eine Änderung der Haltung der Eidgenossen bewirkte, aber sie zeigt doch, dass auch die Eidgenossen dem Kaiser nicht mehr bedingungslos folgten. Deshalb darf aus dem Schweigen der Quellen über die Haltung der Eidgenossen in diesen Jahren nicht ohne stichhaltige Gründe geschlossen werden, dass sie Ludwig in allem und jederzeit unterstützt haben. Wir erfahren auch nichts über die Beziehungen der Eidgenossen zu König Johann von Böhmen und zu den Luxemburgern, wissen aber, dass der Reichsvogt der Waldstätte einen seiner Kreuzzüge mitmachte. Weiterhin ist darauf hinzuweisen, dass sich die Eidgenossen mit den Königen aus diesem Hause recht gut vertrugen. Auch schildern eine ganze Reihe von Schweizer Chro niken den Tod des Böhmenkönigs mit ehrenden Worten, wobei man sich 98 Vgl. I.Müller, Die Disentiser Klostervogtei der Grafen von Werdenberg, Bündner MonatsbL, 1941, S.42. — U.Hoppeler, Die Ereignisse im Bündner Oberlande in der ersten Hälfto des 14, Jahrhunderts und ihre Überlieferung, Jber. d.Hist.-antiqu.Ges. Graubünden, 1909, XXXIX, S.203ff. - Vgl. oben S. 118, Arm. 73. 97 1 331 VIII 12, QW, I, 2, S. 770, N. 1584; = EA, I, S. 16, N. 60. - Vgl. Kopp, V, 2, S. 284ff. - E. Pometta, Saggi di storia ticinese. 98 1329 X 1, QW, I, 2, S. 721, N. 1481.-Während die Verhandlungen des Kaiscrsmit don österreichischen Herzögen erst im Mai 1330 angebahnt und anfangs August zu Hagenau abgeschlosssen wurden. 122 123 die Frage vorlegen kann, ob das nur aus Freude am seltsamen, ritterlichen Ereignis in einer nicht mehr ritterlichen Zeit aufgezeichnet oder übernommen wurde, oder ob da noch leise eine Erinnerung an einen Freund der eigenen Lande anklingt. Zwischen den Urnern und den Rusca von Como, von denen bekannt ist, dass sie Johann von Böhmen bei seinen italienischen Unternehmungen halfen98, scheinen enge Beziehungen bestanden zu haben. Sollten sich auch diese Bindungen der Rusca an den Böhmenkönig auf die Eidgenossen ausgedehnt haben100? Dafür scheint ein Sohreiben des Papstes an den Bischof von Konstanz zu sprechen, das diesen ermächtigt, gegebenenfalls Anhänger Ludwigs des Bayern vom Banne zu lösen101. Die wichtigsten Anhänger Ludwigs in der Diözese Konstanz waren aber zu dieser Zeit die Eidgenossen, da die Österreicher im Augenblick für eine Absolution nicht in Frage kamen. Aus der Ablasserteilung für die Kirche in Schwyz geht hervor, dass das Intor-dikt für die Eidgenossen in dieser Zeit aufgehoben wurde102. Von welcher Seite die Verschlechterung des Verhältnisses zwischen Ludwig dem Bayern und den Waldstätten ausgegangen ist, wissen wir nicht. Doch ist es recht wahrscheinlich, dass die Urkantone bei einer anderen Macht, wohl dem Böhmenkönig, Anschluss suchten, als sich der Wittelsbacher anschickte, sich mit den österreichischen Herzögen zu versöhnen. Wenn wir den Beginn der Verhandlungen über die österreichischen Rechte innerhalb der Eidgenossenschaft in den Zusammenhang mit den Schiedsgerichten vom 26. November 1330 bringen, so fällt auf, dass sie sich jahrelang hinzogen, denn noch im Herbst 1334 waren sie nicht abgeschlossen. Zu Beginn steht wohl der Spruch des Grafen Rudolf von Hohenberg und Berthold von Graisbach103, dem eine Bestätigung durch Kaiser " Vgl. Bock, S. 333. - O. Oantü, Storia delia cittá o doli» diocesi di Como, I, S. 244. 100 Vgl. den Spruch des Franchinus Rusca und des Johannes von Attinghusen über Streitigkeiten zwischen Urseren und der Leventina, der gute Beziehungen Uris zu Como vermuten lasst. (QW, I, 2, S. 770, N. 1584.) Für die Beziehungen zum Böhmenkönig spricht vor allem das zeitliche Zusammentreffen der Privilegierung von 1331 und der Versöhnung Johanns mit dem Kaisor. Auch zohn Jahre später sandte Ludwig der Bayer am gleichen Tage Boten in die Eidgenossenschaft zur Tädigung, als er sich mit dem Böhmenkönig versöhnte. Vgl. unten, S. 137ff., besonders Anm. 162. 101 1331V 30, Schreiben des Papstes an den Bischof von Konstanz: Der Papst habe gehört, dass Personen geistlichen wie weltlichen Standes, sowie Gemeinden des Bistums, die Ludwig dem Bayern angehangen und sich dadurch die Exkommunikation zugezogen hatten, reumütig in den Schoss der Kirche zurückkehren wollen. Diesen soll Bisehof Rudolf im Auftrage des Papstes Absolution erteilen, das Interdikt, dem die Gemeinden verfallen waren, aufheben, die Irregularität, die Geistliche sich durch Feier des Gottesdienstes zugezogen hatten, tilgen. Wenn diese Ludwig von neuem öffentlich oder heimlich unterstützten, verfallen sie gleichen Strafen. Reg. ep. Const., II, N. 4268; = QW, I, 2, S. 765, N. 1573. 103 1331 XI 15, wobei die Fürbitte für eino Anzahl angesehener Schwyzer Bürger, die kürzlioh verstorben waren, auch Ablass gewährt. QW, I, 2, S. 781, N. 1695. Vgl. auch Verlegung der Kirchweihe in Sehattdorf 1332 XII18 durch den Bischof von Konstanz. QW, I, 2, S. 814, N. 1642. 103 Diese Personen urteilen auch in dem Schiedsgericht vom 26.XI. 1330, weshalb man dio Regesten Thommen, N.42, in ihre Nähe rücken muss. «Ein usspruchbrieff von graff Rudolf von Hohemberg, graff Bechtolden von Greispach zwisehont koisor Ludwigen und dor horschaft von Österrieh umb die Waltstette*) = Thommen, N.42; = QW, I, 2, S.757, N, 1556; vgl.mit Const., VI, 1, S.734ff., N. 882-886; vgl. oben, S. 122. Ludwig folgte104. Dies Verfahren bezog sich auf österreichische Rechte in allen drei Orten und Urseren und bedeutete wohl nichts anderes als den Widerruf der Urteile von 1316 und 1324, denn der Kaiser hob die «fryung» auf, die er - nicht aber seine Vorgänger - gegeben hatten106. Wenige Tage nachdem sich König Johann von Böhmen mit dem Kaiser versöhnt hatte, bestätigte Ludwig den Eidgenossen neuerdings ihre Privilegien106. Nun erhebt sich die Frage, ob diese Bestätigung weitergehende Verzichte von Seiten Ludwigs rückgängig machen sollte, oder "ob die Waldstätte eine Privilegienbestätigung erhofften, die auch den Spruch von 1324 für sie gelten Hess. Am wahrscheinlichsten ist, dass die Urkantone nur gegen eine Interpretation des Schiedsspruches, die über die «privaten Rechte» hinausging, gesichert werden sollten. Über die Stellungnahme der Innerschweizer zu diesem Verfahren wissen wir leider nichts. Die übrigen Urkunden des Badener Registers scheinen erst dem späteren Verfahren angehört zu haben. Entweder war Österreich mit dem bisher Erreichten noch nicht zufrieden, oder die Eidgenossen anerkannten den Spruch nicht. Als der Wittelsbacher wiederum ein Bündnis mit den Herzögen gegen Johann von Böhmen schloss, wird er der erneuten Aufnahme von Untersuchungen über die Rechte Österreichs in den Waldstätten zugestimmt haben107. Zu diesem Entschluss mag die veränderte Haltung der Eidgenossen beigetragen haben. Denn gerade in dieser Zeit hatten sich die inneren Orte mit ihrem Reichsvogt, Graf Albrecht von Werdenberg, verfeindet, der seit dem Tode seines Bruders auch die Vogtei über das Kloster Disentis besass. Die Innerschweizer unterstützten in den ersten Jahren seiner Regierung den Abt 101 Hier ist wohl Thommen, N. 15, hinzusetzen: «Item ein brief von keyser Ludwigen, wie er ussprach, das die herschaft bliben solbi allen iren rechten, so sühant ze Switz, Under-walden, Ure und Urseren, und widerruft damitte alle die fryung, die er in hette geben, die der hersehaft schedlich weren.» Thommen, N. 15; = QW, I, 2, S. 390, N. 775; vgl. auch QW, I, 3, S.46, N.58, und dio dortigen Bemerkungen; vgl. oben, S. 117f., Anm.61. io5 Vgl. oben, S. 110, Anm. 23, und S. 115, Anm. 51. Um Hoheitsrechte kann es sich nicht handeln. Vgl. dazu unton, S. 127 ff. 133 1331 XII 24, QW, I, 2, S. 785, N. 1605. Ludwig versöhnte sieh in den gleichen Tagen zu Frankfurt mit den Luxemburgern: Vertrag mit Johann von Böhmen über das Reichsgut vom 19.XII. Am 23.XII. erhält Balduin von Luxemburg Privilegien. Vgl. Reg.imp., N. 1389/90. Johann, N. 173. Der Registereintrag «sub forma communis lässt wohl eine allgemeingehaltene Bestätigung erwarten. Wenn man an die Tatsache, dass diese Urkunde nicht erhalten ist, Vermutungen knüpfen will, ist die der Niehtauslieferung die unwahrscheinlichste. (So K.Meyer, Gesohiohte Luzerns, S.426.) Es besteht natürlich auch die Möglichkeit, dass das Privileg den Eidgenossen nicht weitgehend genug war oder einen Vorbehalt gewisser österreichischer Rechte enthielt, und man es deshalb, wie z.B. die Urkunden aus dem Badener Archiv, vernichtete. Doch ist das unwahrscheinlich, vor allem besitzen wir keinerlei Anzeichen dafür. 107 yor 1333 ist eine Wiederaufnahme der Prozesse kaum möglich, da sich die Österreicher wieder etwas vom Kaiser entfernten, so dass in ihron Gobioton das Interdikt suspendiert wurde (1332 XII 29, QW, I, 2, S. 814, N. 1643). Wahrscheinlich genehmigte Ludwig die Wiederaufnahme des Schiedsverfahrens zusammen mit dem Bündnis, das er am 6.Mai 1333 mit Östorroich gogon den Böhmen sohloss. Dooh ist es auoh möglich, dass das Verfahren erst erneuert wurde, nachdem der Kaiser mit dem Böhmenkönige im Juli 1333 oine Einigung erzielt hatte, denn das zwoite Verfahren ist anscheinend für die Eidgenossen günstiger, da es nur noch die Rechte in Schwyz und Unterwaiden betraf. Doch lassen uns die Badener Regesten keine eindeutigen Schlüsse ziehen. 124 125 Thüring von Attinghusen gegen den Vogt des Klosters, Hugo von Werdenberg. Deshalb erhielt der Abt auch erst im Jahre 1330 die Weihen, da er als Freund der Eidgenossen bis dahin auch ein Anhänger des Bayern war. Mit dem Wechsel des Vogtes scheint sich die Haltung der Eidgenossen zu dem Kloster verändert zu haben. In der Folge fochten Albrecht von Werdenberg, das Kloster Disentis, der Bischof Ulrich von Chur und eine Reihe von Adeligen des Bündnerlandes gegen Donat von Vaz und die Eidgenossen108. Welche Haltung diese Adelskoalition zu den allgemeinen Auseinandersetzungen innerhalb des Reiches einnahm, wissen wir nicht. Zwar bestanden verschiedene Bindungen zu Österreich, andererseits taucht Albrecht von Werdenberg in dieser Zeit häufig im Gefolge Ludwigs des Bayern auf. Der Bischof von Ohur, der wohl seine Karriere dem Erzbischof Matthias von Buchegg verdankte, scheint päpstlicher Gesinnung gewesen zu sein, wenn auch manches für eine vermittelnde Haltung spricht. Wahrscheinlich hatten sich in diesem Bündnis über die allgemeinen Gegensätze hinaus in ihrem territorialen Besitz bedrohte Adelige zusammengeschlossen. Als sich dann die Eidgenossen an der Fehde beteiligten und Donat von Vaz halfen, wird Albrecht von Werdenberg seine guten Beziehungen zum Hofe Ludwigs wie auch zu den Österreichern benutzt haben, um den Kaiser mit dem Argument, die Waldstätte widersetzten sich ihrem Landvogt, zur Wiederaufnahme der Schiedsgerichts Verhandlungen zu bewegen103. So wird es zu dem neuen Untersuchungsverfahren gekommen sein, dessen Ergebnis Ludwig der Bayer wohl gleichzeitig zu beurkunden versprach110. Als die Unterwaldner und Schwyzer, auf die sich die Kundschaft i«» Zur Vazer Fehde vgl. I.Müller, Klostervogtei, S.43ff. - Hoppeler, Ereignisse. -Krüger, S. 176ff.-.Kop2>, V, S.489ff. Hoppeler nimmt an, dass Tsclmdi, der u.a. die Friedensverträge zwischen den Eidgenossen und dem Abt von Disentis sowie Albrecht von Werdenberg überliefert, «drüunddryssigsten» in «nünunddryssigsten» verlesen habe. Ein solcher Lesefehler, der sich dazu noch dreimal wiederholt haben müsste, ist praktisch ausgeschlossen, da zumindest d und n solbst vom paläographisohen Anfänger deutlich zu unterscheiden sind. Vgl. dazu auch QW, I, 3, S.39, N.46, besonders die Bemerkungen. 109 Über Albrecht von Werdenberg vgl. Krüger, Begasten. Die Beziehungen Albrechts von Wordenberg zu Österreich scheinen auch dann nicht abzubrechen, als er im Dienste Ludwigs des Bayern stand. Sein Fehion bei den Schiedsgerichtsverhandlungen lässt sich wohl nur dadurch erklären, dass er als Partei angesehen wurde und so für keine der beiden Parteien ein tragbarer Schiedsrichter war, denn als Reichslandvogt wäre er der gegebene Kenner der Verhältnisse und Vertreter des kaiserlichen Standpunktes gewesen, wie das sonst bei ähnlichen Schiedssprüchen üblich war. Dass Donat von Vaz päpstlich gesinnt war, zeigt neben der gohässigen Haltung Vitodurans ihm gegenüber die Ablasserteilung von Avigneser Bischöfen an eine Davoser Kirche, welche unter anderem dafür erteilt wurde, dass für Donat von Vaz und seine Gemahlin gebetet würde. 1335 VII 8, «qui pro domino Donato comite de Vaz et Guota eius uxore et eorum liberis et pro fratre Ulrico de Mayenveld ord. premonstratensis, presentium irnpetratori, oraverint...» (Codex diplomaticus, ed.Th.Mohr, II, S.318, N.245). Gleiches zeigt der Ehedispens für Friedrich von Toggenburg und Kunigunde von Vaz, oiner Tochter Donats. 1336 X 3, Lettres de Benoit ed. J.M. Vidal, XII, N. 3670. 110 Das Bündnis gegen Böhmen wäre ein möglicher Zeitpunkt, um Thommen, N.408, zu datieren (1333 V 6). Thommen, N. 17, gehört wohl in engsten Zusammenhang dazu. «Ein brief von keiser Ludwigen hertzog Otten und hertzog Albreoht umb Switze und Unterwaiden.» Thommen, N.408; = QW, I, 3, S.46, N.58. «Ein brief von keiser Ludwigen von der küntschaft wegen der rethenung in den Waltstetten, darumb er versprach brieffe ze geben.» Thommen, N. 17; = QW, I, 3, S.47, N.59. in erster Linie bezog, vom Kriegsglück verlassen wurden, schlossen sie anscheinend mit Albrecht «von Werdenberg einen Waffenstillstand. Doch scheinen nicht alle Landleute der Meinung gewesen zu sein, dass es besser sei, den Kaiser nicht zu verärgern. Eine Anzahl wollte wohl den Urheber der kaiserlichen Prozesse weiterhin befehden, denn die beiden Orte vereinbarten, sich gegenseitig zu helfen, um diese Richtung gegenüber ihren «Landleuten» durchzusetzen111. Doch scheint dieser Vertrag nicht viel genutzt zu haben, weil sowohl die Fehde mit Disentis und dem Werdenberger weiterging oder neu ausbrach, wie auch die Kundschaft über die österreichischen Rechte ihren Gang nahm. Die beiden Parteivertretungen reichten ihre Berichte dem Obmann Berchtold von Graisbach ein112, der den Empfang bestätigte und versprach, der Kaiser werde das Ergebnis noch beurkunden113. Ludwig der Bayer bestätigte dann auch die einzelnen Sprüche dieses Schiedsgerichtes und erklärte, dass er kein Recht an Schwyz und Unterwaiden habe, ent-liess sie ihres Eides und widerrief alle Freiheiten,«die er in getan hat, die der herschaft schedlich weren»114. Uri erscheint im Gegensatz zum ersten Verfahren nicht wieder. Da wir auch keinen Beleg dafür haben, dass sich Uri an der Vazer Fehde schon in diesen Jahren beteiligte, ist zu vermuten, dass der Urner Landammann Johannes von Attinghusen sein Ort veranlasste, neutral zu bleiben, anstatt seinen Vetter, den Abt von Disentis, zu bekriegen. Abgesehen davon, dass Österreich in Uri keine Eigengüter besass, könnte man damit erklären, warum Uri in dem zweiten Prozess nicht mehr erscheint. Welohe Resultate hatten die Untersuchungen der österreichischen 111 1334 II 20, QW, I, 3, S. 38, N.46; = EA, I, S.18, N.55. Wenn zwischen dem Werdenberger und den Eidgenossen in dieser Zeit ein Frieden abgeschlossen wurde, wird er wohl mit dem Schiedsspruch in der Fehde zwischen Disentis und Blenio zusammenhängen, da dieser Streit sicherlich mit der Vazer Fehde in Verbindung steht (1333 VI Ende, QW, I, 3, S. 10, N. 16). Wahrscheinlicher ist, dass der Friede mit dem Werdenberger ungefähr gleichzeitig mit dem Frieden zwischen Intorlaken und Unterwaiden abgeschlossen wurde. Dieser Friede, der unter Vermittlung der päpstlich gesinnten Stadt Bern zustando kam, weist auf die gewandelte Haltung der Eidgenossen hin, schon weil er die Beziehungen zu Bern verstärkte. Übrigens scheint es nicht ausgeschlossen zu sein, dass die verschiedenen Fehden in den Tälern um den Gotthard herum in einem Zusammenhang stehen. Doch müsste das auf Grund des gesamten Materials unter Berücksichtigung der allgemeinen Gegensätze einmal gesondert untersucht werden (1333 IX 30, QW, I, 3, S. 25, N. 27). llä Thommen, N. 18, 47: «Ein kuntschaftbrief, dio dor von Nyffen, der von Neuenbürg und der von Ziplingen über Switze und Underwalden innamen»; «Ein usspruch zwischent der herschaft, Switz und Underwalden von Hansen dem Druchsessen und Johansen von Arburg» (Aarwangen ?). QW, I, 3, S. 47, N. 60. 11S 13341X4, QW, I, 3, S.47, N.61; = EA, I, S. 18.N.56. 114 Thommen, N. 19, 20, 22: «Ein bestetgunngsbrieff von keiser Ludwigen eins Spruchs derselben küntschaft»; «Aber ein bestettbrief von keiser Ludwigen umb die küntschaft, so der graff von Greispach, der graff von Nellemburg, die Druchsessen von Walpurg und von Diessenhofon und Jo. von Aarwangen getan hant umb die Waltstette»; «Zwen briefe von keiser Ludwigen, wie er erkennet, das er kein recht an den Waltstetten hat und das unser herschaft da recht hat und erlat sy ouch irs eides, so sü im gsworn hant, und wider -rüffet oueh alle die fryung, die er getan hat, die der herschaft schedlich weren». (= QW, I, 3, S.49f., N.63, 64.) Der Kaiser scheint zuerst nur den Spruoh einer Parteivertretung beurkundet zu haben, wahrscheinlich TJiommen, N. 18, und erst nach einiger Zeit den beider Teile. Leider lässt sich aus den Badener Regesten kein absolut klares Bild gewinnen. 126 127 Rechte in den Waldstätten ? Bisher war man der Ansicht, dass Ludwig damit alle Reiohsrechte in den Waldstätten aufgab, seinen Landvogt zurückzog und die Eidgenossen als österreichische Untertanen behandelte115. Da wir aber nicht wissen, wie zuverlässig der Schreiber der Badener Re-gesten gearbeitet hat, können wir keine eindeutigen Ergebnisse den Quellen entnehmen, sondern sind auf Schlüsse angewiesen. Der Kaiser spricht nur davon, dass er die «fryung, die er getan hat, die der herschaft schedlich weren», aufhebt116. Das sind wohl nur jene Freiheiten, die Ludwig der Bayer den Eidgenossen selber verliehen hat und dazu nur jene, die Österreich Schaden eintrugen, also die Urteile von 1316 und 132411'. Dem mag entgegnet werden, dass er die Eidgenossen des Eides entbindet, den sie ihm geschworen hatten. Das braucht aber nicht unbedingt der Huldigungseid von 1323 zu sein, denn auch die 1324 befreiten Hörigen usw. haben Ludwig als ihrem neuen Herren schwören müssen. Ausserdem konnte Ludwig rechtmässig keine Privilegien widerrufen, die einer seiner Vorgänger gegeben hatte. Eines der wichtigsten Argumente dafür, dass der Kaiser fortan die Eidgenossen als österreichische Untertanen betrachtet haben soll, ist die Tatsache, dass in der Folgezeit kein Landvogt für die Waldstätte mehr nachgewiesen werden kann118. Man darf aber daraus nicht ohne weiteres schliesson, dass die Institution nicht mehr bestand, denn es kommt auch sonst häufig vor, dass der Landvogt eines kleineren Gebietes oder einer Stadt jahrzehntelang in keiner Urkunde als solcher genannt wird. Ferner muss daraufhingewiesen werden, dass die Einsetzung von Reichsvögten immer mehr verschwand und eine Stadt nach der anderen das Privileg der freien Vogtwahl erhielt. Da sich Ludwig der Bayer einige Jahre später an die Eidgenossen wie an andere Reichsfreie wendet, ohne dass eine erneute Privilegierung erfolgte, erhärtet sich die Vermutung, dass die schiedsrichterlichen Entscheide nicht die Hoheitsrechte umfassten11". Die Anerkennung der österreichi- 115 Vgl. z.B. K.Meyer, Geschichte Luzerns, 8.447f. «Preisgabe der Waldstätte durch das Reich ö. Ludwig habe « alle öffentlichen und privaten Rechte Österreichs untersuchen »lassen und die «Grafschaften und der Privatbesitz Österreichs in den beiden Waldstätten sowie in Arth und Urseren wurden voll anerkannt, die Siegor von Morgarten sollten unter die Herzögo zurückkehren». Id., Ursprung, S. 566f., unter dem Titel «Der Bruch mit dem Reich 1334». - Oechsli, Beziehungen, 8.322, 366f. - Dierauer, I/, S. 150f. - A.Heusler, Die Rechtsfrage zwischen Schwyz und Habsburg, Schweiz. Museum, III, S. 257ff. 116 Vgl. oben, Anm. 114; Thommen, N. 22. 117 Vgl. oben, S. HO, Anm.23, S. HS, Anm.Sl. Auch bei dem Vergleich, den K.Meyer, Geschichte Luzerns, S.606, Anm. 19, anführt, handelt es sich nicht um allgemeine Privilegien, die Ludwig widerruft, sondern um Verleihungen von Rechten, die der Kaiser selbst gegeben hatte. Vgl. UB Zürich, XI, S. 610, N. 6437. 118 Vgl. Oechsli, Beziehungen, S. 355. - K. Meyer, "Ursprung, S.567f.; sowie unten, S. 131. Über die Roiohsvogtei in Süddeutachland vgl. z.B. M.Maier, Die Rcichsvogtei Ulm, Dies, iur. Tübingen 1949. 119 1337 VII 26, EA, I, S. 20, N. 61. Eine erneute Privilegierung erscheint ausgeschlossen, da sioh davon sicherlich irgendeine Nachricht erhalten hätte. Auch der Hinweis auf die Huldigung von 1323 und deren Bedingungen können nicht erklären, weshalb die Eidgenossen noch weiter als Reichsfreie bohahdelt werden, wenn ihnen die Reiohsfreiheit.abgesprochen worden sein sollte. Auch müsste man eine stichhaltige Erklärung dafür finden, warum Österreich nach dem angeblichen Zuspruch der Herrschaftsrechte in den Waldstät- schen «privaten» Besitzungen in den Waldstätten war für die Eidgenossen unangenehm genug120, denn nun behielt Österreich noch einen gewissen Einfluss in den Ländern. Während dieser Jahre, in denen die Urkantone an der Vazer Fehde teilnahmen und mit Österreich wegen Luzern kleinere und grössere Reibereien hatten, wurden im burgundischen Raum territoriale Zwistigkeiten ausgefochten. Die Städte Bern und Freiburg mit ihrem Anhang waren in Streit geraten, weil beide Städte in den gleichen Gebieten ihre Territorialstaaten zu bilden suchten. Auch hier lässt sich nicht leicht umschreiben, wie sich die Parteien zu den Gegensätzen in der grossen Politik verhielten. Bern scheint noch immer den Grafen von Buchegg nahegestanden zu sein, auf jeden Fall war es päpstlich gesinnt. Auch keiner von den Verbündeten Berns ist auf der Seite Ludwigs des Bayern nachweisbar121. Unter seinen Gegnern stand nur Österreich, das aber nur indirekt an dem Konflikt beteiligt war, in einem engeren Verhältnis zum Kaiser. Welchen Standpunkt Freiburg vertrat, lässt sich nicht ermitteln. Ludwig von der Waadt, der im Rate Karls von Mähren - dem späteren Karl IV. - die Böhmen in der Lombardei unterstützt hatte, war zwar zurückgekehrt, stand aber wohl dennoch den Luxemburgern nahe. Graf Aymo von Savoyen, der Bern unterstützte, war mit dem Dauphin Humbert von Vienne und Frankreich verfeindet, was den Gegensatz zu seinem Vetter erklären könnte; denn sonst betrieben beide alle politischen Geschäfte Hand in Hand. Ähnlich den Verhältnissen in Italien, wo in den gleichen Jahren Guelfen und Gibellinen zusammen auf der gleichen Seite fochten, scheinen hjer die Gegensätze zwischen Kaiser und Papst, Luxemburg und Wittelsbach keinen vorherrschenden Einfluss ausgeübt zu haben. Zu Beginn des Jahres 1333 vermittelte Königin Agnes von Ungarn einen Frieden zwischen den Städten, dem jedoch Savoyen nicht beitrat122. ten keinen erneuten Versuch unternahm, diese Rechte in Besitz zu nehmen. Dazu war die Lage nicht ungünstig, da die Eidgenossen in mehrere Fehden verwickelt waren und nicht lange zuvor eine empfindliche Niederlage erlitten hatton, als sie Donat von Vaz helfen wollten. Wenn auch schon keine Nachrichten von einem Kriegszuge, abgesehen von kleineren Streitigkeiten um Luzern, vorhanden sind, so müssten doch mindestens Kriegsvorbereitungen getroffen worden sein, denn sonst wäre der ganze Aufwand für die Schiedsgerichte ja reichlich überflüssig gewesen, denn trotz allem Rechtsdenken im Mittelalter glaubten die österreichischen Herzögo kaum, dass ein Gerichtsurteil genügen würde, die Eidgenossen ihnen Untertan zu machen. Auch in dem Spruch der österreichischen Schiedsleute vom 12.X.1351 (EA, I, S.268, N.21C) ist zwar von gräflichen Rechtsansprüchen die Rede, aber gorade in diesem Satz fehlt der Hinweis auf königliche oder kaiserliche Bestätigungen, während der kaiserliche Entscheid die Eigengüter betreffend ausdrücklich erwähnt wird. Wären die Hoheitereohte gemeint gewesen, so hätten dieösterreichischen Schiedsleute dieses Argument sicher benutzt. Vgl. unten, S. 154, Anm.219. 120 Vgl. K.Meyer, Geschichte Luzerns, S.464. 121 Dennooh hielten die Berner freundschaftliche Beziehungen zu einem Anhänger Ludwigs bei, denn mir erscheint die Meinung Durrers, das gute Verhältnis des Freiherren Johannes von Ringgenberg zu Bern habe sich durch Verleihungen einiger Reohte und Privilegien getrübt, recht unwahrscheinlich. Der Gegensatz müsste dann von sehr kurzer Dauer gewesen sein. Vgl. Durrer, Freiherren, S.232ff. — Vgl. Kopp, V, 2, S.470. 182 Vgl. J. Gordey, Les comtes de Savoie et les rois de France pendant la guerre de Cent-Ans, Bibliotheque de l'Ecole des hautes etudes, CLXXXIX (1911). - W.Hadorn, Die Bezie- 128 9 129 Im gleichen Jahre wurde ein grosses Landfriedensbündnis abgeschlossen, das fast alle Mächte zwischen Freiburg und St. Gallen umfasste. Nur die Eidgenossen fehlten, vermutlich deshalb, weil die österreichischen Landvögte in diesem Bündnis eine führende Rolle spielten. Jedoch sicherte dieser Bund in der nächsten Zeit den Frieden in den Schweizer Landen123. Auch in Zürich bahnten sich Umwälzungen an. Wie überall in den Städten und Ländern des heiligen römischen Reiches wurde auch in Zürich der Kampf der Meinungen im Kiemen ausgefochten. Lokale, wirtschaftliche, private und soziale Fragen verbanden sich mit den grossen Auseinandersetzungen. Rudolf Brun nutzte die Situation, als Österreich, Zürichs mächtigster Nachbar, mit der Erbschaft Heinrichs von Kärnten beschäftigt war, und führte in Zürich das Zunftregiment ein124. Sobald die neue Regierung sich einigermassen gefestigt hatte, schickte sie Boten zum Kaiser und bat ihn, die Verfassungsänderung nachträglich gutzuheissen und die neue Verfassung zu bestätigen126. Da Ludwig der Bayer schon der Minoriten wegen mehr Anhänger in den unteren sozialen Schichten besass, sah er den Aufstieg der Zünfte gerne. Wie andere Städte band dieser Umsturz Zürich noch enger als bisher an den Wittelsbacher. Dem Ereignis folgten kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Zürich und dem Grafen von Habsburg-Laufenburg, der die vertriebenen Zürcher Räte unterstützte. Die Zürcher fanden in Diethelm von Toggenburg, den wir als erprobten Anhänger Ludwigs des Bayern kennen126, einen fähigen Feldhauptmann. Auch andere Helfer Ludwigs des Bayern stellten sich in den Dienst der Stadt, während die Anhänger des Papstes auf der Seite Johanns von Habsburg-Laufenburg fochten127. In der Innerschweiz dauerten nach dem Abschluss der Schiedsgerichts-vevhandlungen die kleineren Fehden mit Österreich fort, doch kam es zu keinen grösseren Auseinander-setzungen. In den gleichen Tagen, als in Zürich die Brunsche Revolution stattfand, vermittelten Mitglieder des grossen Landfriedens, Räte der Städte Bern, Zürich und Basel, zwischen Österreich und Luzern sowie den Eidgenossen. Die Streitigkeiten wurden beigelegt und der Waffenstillstand erneuert128. Wahrscheinlich wollten hungert zwischen Bern und Savoyen bis 1384, Arch.d.Hist.Ver.Bern, XV (1899). - Vgl. von Wattmwyl, II, S. 66ff. - Feller, I, S. 124ff. 123 1333 VII 20 bis 1338 XI 11, QW,I,3,S. 11,N. 19; = EA,I,S. 17, N.53; = UB Zürich, XI, N.4519. - Vgl. von Waltenwyl, II, S. 74f. 124 Vgl. A.Largiader, Bürgermeister Rudolf Brun und die Züroher Revolution von 1336, Mitt.d.Antiqu.Ges.Zürich, XXXI, S (1936), S.35, 68ff.; id., Geschichte der Stadt und Landschaft Zürich, I, S.124ff. - B.Meyer, Bruderstreit, S.492. 125 1337 III 1, IV 2, Arch.f.Sohweiz.Gesch., I, S. 108. - Vgl. Wirz, Zürich. - Largiadir, Geschichte Zürichs, I, S.132. 124 Vgl. Reg.ep.Const., II, N.4029. 127 Darunter Eberhard von Neuenbürg; vgl. Largiadir, Brun, S.42, 68, 70, 72, 131; id., Geschichte Züriohs, S. 136. - Viloduran, S. 133f., 156. 138 1336 V 16, Bischof Nicqlaus von Frauenfeld, Hauptmann der Herzöge von Österreich in Schwaben und Eisass, setzt neun Schiedsleute im Streit mit Luzern. VE 18, Schiedsspruch zwischen Luzern und Österreich, sowie den Waldstätten und Österreich. (QW, I, 3, S. 84f., N.121-123; S.87ff., N.125, 126, 128-131; = EA, I, S.2ß8f., N.19; = Reg.ep.Const., N. 4601-4503.) Dieser Waffenstillstand nimmt den «alten» Waffenstillstand wieder auf. Wie sich die Österreicher in den Konflikten wegen der kärntnischen Erbschaft den Rücken frei halten. Doch war der Krieg, den sie zusammen mit dem Kaiser gegen Böhmen führten, nicht erfolgreich und ihr Bündnis zerfiel sehr rasch. Während sich der Bayer mit dem Böhmenkönig vertrug, schlossen die Habsburger ein Bündnis mit Philipp VI. von Frankreich120. In der gleichen Zeit wurde in Luzern der Rat der Dreihundert geschaffen, der 1337 erstmals genannt wird. Vielleicht darf man in Analogie zu anderen Städten schliessen, dass auch hier das Aufstreben breiterer Schichten eine Annäherung an Ludwig den Bayern mit sich brachte, zumal dieser sich gerade mit Johann von Böhmen geeinigt hatte. Dem würde ein im Februar zwischen Luzern und Zürich abgeschlossener Vertrag entsprechen, wie ein Annäherungsversuch der Länder an den Kaiser130. Im Sommer des gleichen Jahres sandten die Eidgenossen an Ludwig ein Schreiben, in dem sie «umb den gcbresten und arbeit» klagten, die ihnen von ihren Widersachern von des Reiches wegen geschehen seien. Der Kaiser antwortete ihnen aus Rottweil, sie möchten doch so bald als möglich einen Gesandten zu ihm schicken, der ihm ihre Schwierigkeiten vortragen solle. Er wolle dann sehen, was er für die Waldstätte tun könne131. Das wichtigste an diesem Schreiben ist die Tatsache, dass Ludwig die drei Länder «Unser und des Richs lieben getrüven» nennt. Denn diese Anrede erhielten im allgemeinen vom Kaiser nur Reichsfreie. Somit anerkennt Ludwig die Reichsunmittelbarkeit der Kantone. Dieser Versuch, sich dem Kaiser wieder zu nähern, war jedoch nicht von Dauer, oder die Verhandlungen scheiterten überhaupt, denn in den nächsten Jahren seheinen die Eidgenossen dem Interdikt nicht zu unterliegen und zählen nach allen Anzeichen eher zu den Gegnern des Kaisers132. sollte das möglich sein, wenn Österreich inzwischen rechtlich die Hoheitsreehte in den Waldstätten erworben hätte ? Hätten die österreichischen Beamten ihnen zugesprochene Rechte oinfach, ohne ein Wort der Erwähnung, fallen lassen können, während jedermann von der Kuntschaft, die doch keine zwei Jahre vorher stattgefunden hatte, wusste; denn dabei war sicherlich an den einzelnen Orton nachgeforscht worden, was österreichischer Besitz war. Die «privaten Rechte», auf die sich das Verfahren bezog, werden denn auch in diesem Stillstand ausdrücklich erwähnt und Österreich zugesprochen. In der Folge kamen auch die Eidgenossen ihren Verpflichtungen gegenüber Österreich nach, die aus den Eigengütern entsprangen. Vgl. K.Meyer, Geschichte Luzerns, S.464. 129 Vgl. Vitoduran, S. 130f. - Bock, S.382f. iso Yg\.K. Meyer, Geschichte Luzerns, S. 468 (besonders Anm. 78).-EA,I,S.20,N. 60, 61. 131 1337 VII 26, EA, I, S.20, N.61. 132 1338 II 13, Bischof von Konstanz beauftragt Dekan zu Küssnacht, einen Priester in Morschach einzuweisen (Reg.ep.Const., II, N.4541). 1339 V 7, Avigneser Bischöfe erteilen TJrner Kirchen Ablasse (Erstfeld, Silenen), die vom Bischof von Konstanz 1340 IV 3 bestätigt werden. (Reg.ep.Const., II, N.4576, 4591/92). 1341 VI 1, Avigneser Bischöfe erteilen Ablass für Göschenen (a.a.O., N.4614). Ausserdem empfing der TJrner Landammann Johann von Attinghusen im Februar 1337 von Graf Johann von Habsburg die Hälfte dos Reichszolls in Flüelen zu Lehen, den dieser als Erbe Werners von Homberg beanspruchte, obwohl Ludwig diesen nach dem Tode Werners von Homberg für eingezogen erklärt und seinem Marschall Winant den Boch verpfändet hatte. So besass der Urner Landammann den Zoll gegen den Willen des Kaisers und mit der Verpflichtung, Graf Johann von Habsburg, der zusammen mit den «Äusseren» Zürich bekriegte, mit den Waffen zu dienen. Vgl. Thommen, Urkunden zur Schweizergeschichte aus österreichischen Archiven, I, S.237, N.401, ^~ Largiader, Brun, S.42, 69. 130 131 Der Grund zu dieser Haltung ist wohl in dem Streit der Eidgenossen mit dem Kloster Disentis und Albrecht von Werdenberg-Heiligenberg zu suchen. Dieser Konflikt war entweder noch nicht beigelegt, oder erneut entflammt, wenngleioh Donat von Vaz inzwischen gestorben war und seine Erben sich mit dem Bischof von Chur versöhnt hatten133. Der Bischof scheint sich von dieser Fehde in der gleichen Zeit zurückgezogen zu haben, in der er mit Österreich Frieden schloss134. Möglicherweise veranlasste ihn dazu das Vordringen Mailands in seiner nächsten Umgebung. Doch kann auch seine Landesabwesenheit den Anlass gebildet haben. Der Krieg der Eidgenossen gegen den Abt von Disentis und Albrecht von Werdenberg fand jedoch erst im November 1339 seinen Abschluss. Die Beteiligten konnten sich, wie es scheint, bei dem Vordringen der -mailändischen Macht in ihr Gebiet keinen Zwist untereinander erlauben135. Wenn auch das Bündnis des Kaisers mit Österreich zerbrochen war, so blieben die Beziehungen doch ohne Spannungen und man benötigte keine Bundesgenossen gegeneinander. Deshalb erhielten sicherlich die Waldstätte 1337 vom Kaiser eine so kühle Antwort. Das Verhältnis spiegelt sich in der Vermittlung zwischen Zürich und Habsburg-Eapperswil, welche der Wittelsbacher und Herzog Albrecht von Österreich gemeinsam unternahmen. So kam in Zürich ein Friede zwischen den «Inneren» und den «Äusseren» zustande136. Kleine Reibereien, die die Eidgenossen mit Habsburg-Laufenburg hatten, wurden freundschaftlich beigelegt, wie das der luxemburgischen Einstellung beider Teile entsprach137. Man dachte in den Schweizer Landen in diesen Jahren überall an Frieden und legte die kleineren oder grösseren Zwistigkeiten bei. Dennoch war kein dauernder Friede in Aussicht. Die Vorbereitungen für grosse kriegerische Unternehmungen verlangten, dass die kleineren Streitigkeiten vertagt wurden. Während dieser Jahre verhandelte Kaiser Ludwig mit König Eduard III. von England über ein Bündnis gegen Frankreich138. Der 133 Donat starb nach dem 10.IX. 1337 (vgl. LargiaMr, Brun, S. 130) und vor dem 6. XII. 1338, dem Tage der Belohnung soiner Erben durch den Bisohof von Chur. Vgl. Krüger, Regesten, N.274. 134 Vgl. J.O.Mayer, Geschichte des Bistums Chur, I, S.354. Die Haltung des Bisohofs ist in dieser Zeit nicht ganz klar. Es könnte wohl sein, dass er sich Ludwig dem Bayern genähert hatte. Im Dezember 1339 erlangte er jedenfalls vom Kaiser ein Schreibon, das Chiavenna befahl, ihm zu gehorohen. Auch war der Bischof bei der Vermittlung zwischen Papst und Kaiser tätig. Daran musste ihm schon mit Rücksicht auf die Tiroler Verhältnisse und auf sein Bistum liegen. Vgl. Codex dipl., II, S.349, N.269. Codex dipl., II, S. 342f., N. 265, 266, 268; = EA, I, S. 22, N. 65, 66. - 1339 XI 11 und 29. Vgl. die oben, S. 126, Arm. 108, angegebene Literatur. 1337 XI 27, EA, I, S.406, N. 169. - Vgl. LargiaMr, Brun, S.70ff. 137 1338 XII 1, EA, I, S.21, 3ST.62; = Geschfr., V, S.264. Der Vertragstext zeigt, dass keine ernsthafteren Spannungen vorlagen, was auch schon deshalb zu erwarten ist, weil die Grafen von Habsburg-Laufenburg wie die Schwyzor mit dem Kloster Einsiedeln Streitigkeiten hatten. 133 Vgl. Bock, S.355f. Wittelsbacher hoffte, auf diesem Wege Frankreich und damit auch die Kurie unter Druck setzen zu können, denn auch Benedikt XII. war nicht bereit, Ludwig als Kaiser anzuerkennen und hatte die Prozesse Johanns XXII. erneuert. Veranlasst durch die Stimmung des Volkes in Deutschland hatten die Anhänger des Bayern stark zugenommen. Nur wenige wagten es noch, ihm offen die Anerkennung zu versagen. Darunter waren Berchtold von Buchegg, Bischof von Strassburg, Johann von Münsingen, Bisohof von Basel und Nicolaus von Frauenfeld, Bischof von Konstanz, die wichtigsten Vertreter133. Gegen den Führer der päpstlichen Anhänger, Bischof Berchtold von Strassburg, fand Ludwig bald eine Gelegenheit vorzugehen. Der Bischof lag schon längere Zeit mit seinem kaiserlich gesinnten Domkapitel in Streit wegen der Besetzung von Pfründen und auch wegen Familienzwistig-keiten140. Als das Kapitel den Bischof gefangennahm, liess der Kaiser zuerst durch einige seiner Vertrauten vermitteln, um so die Anerkennung Berchtolds zu erlangen. Doch schlug die Vermittlung fehl, da der Bischof von Basel, den der Papst während der Gefangenschaft Berchtolds zum Verweser des Bistums bestellt hatte, den Vergleich nicht anerkennen wollte. Neue Fehdon brachen aus, die Ludwig durch seinen Landvogt im Eisass beilegen liess. Beide Bischöfe lud er vor ein Schiedsgericht, um sie zur Huldigung zu bewegen. Vorerst entzogen sie sich noch mit Berufung auf den Papst und baten um Aufschub bis nach der Zusammenkunft der Bischöfe der Mainzer Kirchenprovinz. Bald darauf versuchte diese Versammlung durch eine Gesandtschaft, deren einer Vertreter der Bischof Ulrich von Chur war, und Boten einer Anzahl von Reichsstädten, den Papst zu einer Einigung mit dem Kaiser zu veranlassen. Jedoch kehrten beide Gesandtschafton erfolglos heim141. Nun folgte ein wichtiges Ereignis dem anderen. Auf dem Frankfurter Reichstag wurde die Erklärung «Fidem catholicam» erlassen, bald danach formulierten die Kurfürsten die Rhenser Beschlüsse, und der Kaiser gab das Gesetz «Licet iuris» heraus. Mit dem englischen König wurde verhandelt und das weitere Vorgehen beschlossen142. Da im Kriegsplan ein Zug nach Burgund eine wichtige Rolle spielte, musste der Weg dorthin gesichert werden143. Deshalb wurde der Krieg gegen den Bischof von Strassburg schon im nächsten Frühjahr wieder aufgenommen und der überzeugte Anhänger des Papstes am Ende dieses Jahres zur Huldigung gezwungen144. Der Kriegszug gegen Burgund wurde schon seit einiger Zeit geplant. Schon im September 1338 warnt der Papst den französischen König, dass 139 Reg.ep.Const., II, N.4488; = EA, I, S.259, N.19B. - Vgl. Boch, S.308. 140 Vgl. LewpoU. - Boch, S. 390f. 141 Vgl. Boele, S. 390ff., 452f. 143 Vgl. a.a.O., S.397f., 432ff. 143 Vgl. a.a.O., S.387, 444, 449. i*4 a.a.O., S.452. 132 133 ihm «a parte Burgundie ac riparie Rodani» Gefahr drohe145. Wenige Zeit später ermahnt Benedikt XII. die Bischöfe von Strassburg, Basel, Konstanz, Chur und Lausanne, vom Kaiser keine Lehen zu nehmen und Eduard III. nicht als Reichsvikar anzuerkennen140. Andererseits bemühte sich König Eduard, im burgundischen Gebiet Anhänger zu gewinnen. So wandte er sich im Juli 1337 an Ludwig von Savoyen, Herrn der Waadt, Otto von Grandson, Peter von Thum, den Herrn zu Gestellen, Peter von Greyerz, die Grafen von Nidau und Aarberg und eine Reihe anderer Adeliger mit dem Angebot, in seine gut besoldeten Dienste zu treten. Diese Herren leisteten der Aufforderung des Engländers sicherlich grösstenteils Folge, denn Justinger berichtet: «derselbe keiser besoldnet den grafen von valendis und ander, daz si die von bern bekriegtind». Im März 1338 erneuerte Eduard III. ein Bündnis mit burgundischen Grossen147. Gegenüber Savoyen, obschon es von England lehensabhängig war, hatte der englische König weniger Erfolg. Wenn sich Graf Aymo auch lange bemühte, zu England wie zu Frankreich gute Beziehungen zu erhalten, wurde er doch gezwungen, sich für eine Partei zu entscheiden. Im Juni des Jahres 1337 stellte er sich auf die Seite Frankreichs, in dessen Dienst sein Vetter Ludwig von der Waadt schon seit einigen Jahren stand. Der letzte Versuch, Savoyen auf die andere Seite herüberzuziehen, dürfte in dem Schreiben des Kaisers unternommen worden sein, in welchem er Aymo verbietet, Frankreich zu unterstützen. Der Graf hatte dieses Schreiben kaum in den Händen, als er die Bischöfe von Lausanne und Sitten und seinen Lehensmann Peter von Greyerz aufforderte, Hilfstruppen für Frankreich zu stellen143. Auf dem Wege nach Burgund lag für Ludwig den Bayern noch ein anderes Hindernis als der Bisohof von Strassburg. Dieses Hemmnis, das notfalls zu umgehen war, bestand in der Stadt Bern und ihren burgundi-sohen Freunden149. Sehr bald gelang es, eine Anzahl von Feinden der Stadt zu vereinen, wobei die grossen Geldquellen des englischen Königs für manchen verarmenden Adeligen den Anreiz gesteigert haben mögen; denn wir finden eine ganze Reihe derjenigen, die der englische König in seinen Dienst stellen wollte, auf dem Schlachtfeld bei Laupen wieder. Bern hatte dem Kaiser, im Gegensatz zu fast allen anderen Reichsstädten, nicht gehuldigt 146 1338 IX 1, Lettres des papes d'Avignon se rapportant ä la 3Tran.ce, Lettres de Benoit XII, ed.G.Daumet, S.307, N.492. - Vgl. Book, S.444. 1338 XI 13, Eeg.ep.Const., N.4563. 1337 VII1, Fontes, VI, S. 355, IST. 367; = Th. Byrmr, Foedera, conventiones, litterae et ... acta publica inter reges Angliae et alios quosvis imperatores reges..., II, 2, S. 980. -IM Vgl. Book, S.449. - Justinger, S.352, Xi^Wonn der Bemer Chronist auch den englischen König als Geldgeber nicht nennt, so berichtet er doch nichts Falsches. 116 Vgl. Bock, S.369, 387. - Oordey, S.40f. "» Vgl. von Wattenwyl, II, S. 92ff. - Feller, I, S. 129ff, - F. Moser. Ludwig verpfändete Peter von Aarberg die Reichssteuern der Städte Bern und Solothurn und bewilligte, dass dieser die Städte angriff, falls sie die Zahlung verweigerten. Da bei der Haltung dieser Städte eine Zahlung der Steuern nicht zu erwarten war, muss man diese Urkunde als eine Umschreibung des Auftrages, sie anzugreifen, auffassen. 1338 II 21, Fontes, VI, S. 389, N. 406.-Vgl. Th. Lindner, Deutsche Geschichte unter den Habsburgern und Luxemburgern, I, S. 43 8. und unterstützte sicherlich Berchtold von Buchegg in seiner päpstlichen Politik. Mit diesem allgemeinen Gegensatz verbanden sich natürlich territoriale Feindschaften, sonstige Rivalitäten und Forderungen, die der Chronist, der die Zusammenhänge nicht klar übersehen konnte, in den Vordergrund rückte, zumal er darüber wesentlich mehr wusste. Savoyen, das mit Bern noch verbündet, aber so sehr in Frankreich gebunden war, dass es die Aarestadt nicht militärisch unterstützen konnte, versuchte zu vermitteln150. Auch kam die Stadt Bern ihren Gegnern in ihren persönlichen Forderungen weit entgegen. Doch scheiterten alle Verhandlungen an dem entscheidenden Punkt, dass Bern päpstlich gesinnt blieb. Der Leutpriester Diebold Baselwind, der wie Berchtold von Buchegg dem Deutschen Ritterorden angehörte, wandte all seine Beredsamkeit daran, die Berner davon abzuhalten, den gebannten Ludwig, «der sich Kaiser nennt», anzuerkennen. Es gelang ihm auch, die Bevölkerung bei der päpstlichen Sache zu halten. Im Rate freilich, wo mehrere enge Freunde der Grafen von Buchegg sassen, wird man wohl einer einheithohen Meinung gewesen sein und kaum geistlichen Zuspruchs bedurft haben. Aus diesen Gründen schildern uns die Berner Chroniken so eindrücklich, wie sehr sich die Streiter bei Laupen als Kämpfer für die Kirche, ja fast als Kreuzzugskrieger vorkamen151. Durch Vermittlung des Kaisers waren inzwischen auch Heiratsverhandlungen der Habsburger mit dem englischen König zustandegekommen, denen ein Bündnis beider Mächte folgte152. So sah sich Bern im Frühjahr des Jahres 1339, wie der Bischof von Strassburg, einer grossen Koalition gegenüber, zu der sich seine Feinde aus der Umgebung mit Hilfe des Wittelsbachers, Österreichs und des englischen Königs zusammengefunden hatten. Von Berns alten Bundesgenossen waren alle bis auf Solothurn, das aus den gleichen Gründen selber stark bedroht war, ausgeschaltet worden. Doch fanden die Berner in den Waldstätten einen Bundesgenossen, der die Zahl der Gegner aufwog. Dank der eidgenössischen Waffenhilfe erfocht Bern bei Laupen einen entscheidenden Sieg153. Wie wir schon auf Grund von Ablasserteilungen und andern Indizien vermuteten, ergriffen die Eidgenossen jetzt auf der Seite des Papstes und damit auf derjenigen der Feinde Österreichs Partei. Nach der Schlacht bei Laupen kehrten sie jedoch sehr bald wieder in ihre Heimat zurück. Man muss sich fragen, weshalb sie in den noch längere Zeit andauernden Fehden und Kriegszügen nicht wieder genannt werden. Es ist kaum anzunehmen, dass die Summen, die die Waldstätte im August 150 vgl. Feiler, I, S.133. - Oordey, S.49f. - Hadorn. - F. Moser, S.65. 151 Der Conflictus Laupensis, ed.Studer, zeigt diese Stimmung sehr gut. Er wurde bezeichnenderweise auch in einem Sammelband tiberliefert, der papstfreundliche Streitschriften der Zeit Ludwigs des Bayern vereinigt; vgl. besonders S.307f., 308f., 311, 313. -Vgl. den aäkerewt Justinger, S.364, 369; Justinger, S.85fY., 93. 162 1339 II 16, Bündnis Österreich-England, E.M.Fürst von Liclmowsky, Geschichte des Hauses Habsburg, III, Reg., N.1188. Kurz darauf schloss auch Ludwig der Bayer ein Bündnis mit Österreich. 1339 V 10, Lichnowsky, III, Reg., N.1204. - Vgl. Bock, S.449. 153 1 339 VI 21, vgl. Fontes, VI, S.482f., N.499, sowie Conflictus Laupensis. 134 135 1339 quittierten, Soldzahlurtgen waren154. Wahrscheinlicher ist wohl, dass die Urkantone durch die Fehden mit Disentis und dem Grafen von Werdenberg zur Verteidigung ihrer Lande heimkehren mussten. Auch bedrohte sie Osterreich, obwohl dies noch nicht offen in den Konflikt eingegriffen hatte. Bern focht den Krieg noch weiter aus. Seine Bundesgenossen mussten jedoch noch 1339 mit ihren Widersachern Frieden schliessen. Solothurn, wo die Buchegg den Schultheissen setzten, war gezwungen, das Bündnis mit Bern aufzugeben, und musste, dem Kaiser huldigen, der Solothurns Privilegien bestätigte und auf alle Forderungen des Reichs seit seinem Regierungsantritt verzichtete. Ausserdem verlieh Ludwig der Stadt das Recht, Reichspfandschaften zu lösen und bis zur Wiedereinlösung durch das Reich zu nutzen. Dieses Privileg bildete dann die wichtigste Rechtsgrundlage der Territorialstaatsbildung Solothurns. Zürich war es bei seiner Anerkennung Ludwigs nicht so gut ergangen, musste es doch Roichssteuern nachzahlen, um die Verpfändung an Österreich zu verhindern155. Doch auch Bern, das unter dem Kleinkrieg schwer litt, schloss bald einen Waffenstillstand mit Freiburg, das durch eine Veränderung der allgemeinen Verhältnisse zum Hauptgegner Berns geworden war156. Durch Vermittlung der Königin Agnes führte der Stillstand sehr bald zu einem Friedensschluss157. In der ersten Bedingung des Friedensvertrages werden die Berner verpflichtet, dass sie «werben süllent uinbe unsserz lieben herren des keisserz hulde und gnad», wobei ihnen der Herzog Albrecht von Österreich helfen soll. Interessant ist, dass der Kaiser in diesem Frieden nicht weiter erwähnt wird und sein Vertreter, Peter von Aarberg, in dieser Funktion nicht erscheint, sondern nur unter die Zahl der Adeligen, die gegen Born fochten, gezählt wird. Österreich verstand es also, die Lage für sich auszunutzen, und bemühte sich nicht ohne Erfolg, auf Bern Einfluss zu gewinnen. Bei den Verhandlungen mag die Fürsprache Hugos von Buchegg, der seit 1335 in Bern Burger war und der den Frieden für die unmündigen Kinder Rudolfs von Nidau besiegelte, wesentlich geholfen haben, einen bei Lage der Dinge recht günstigen Frieden zu erhalten158. 154 1339 VIII 3, EA, I, S.21, N.64; = Fontes, VI, S. 490, N. 607. Für Soldzahlungen sind die Summen wohl zu klein. 156 1 340 I 6, vgl. SEQ, Solothurn, I, S.60C, N.36. - B.Amiet, Gosohichte Solothurns, S.254f. Ausserdem gestand Ludwig der Stadt ihre UnVerpfändbarkeit zu. 188 Waffenstillstand vor 1340 VII 29; Fontes, VI, S.633, N.650. 157 1340 VIII 9, Friedensschluss. Fontes, VI, S.633ff., N.551/52; = EA, I, S.410f., N.183f. 158 Der erste Artikel lautet: «Dez ersten haben wir in der egenanten süne beredt, daz die vorbedachten bürgere von Berne werben süllent umbe unsserz lieben herron dez keisserz hulde und gnad, und wa si der an ime nit funden, so sunt si werbent sin an unserm heben brüder, herzog Albrecht von Oesterrich, daz er inen dar zu beholfen sin und sol och inen der helfent werben, dez besten so er mag. Ob si aber mit dorn keiser nit berioht mochten worden, und si der keiser angriffen wolte umb ein selbez getät, so mugent unser egenanten brüder und vettere, herzogen von Oesterrich dem keyser wol beholfen sin.» Fontes, VI, S.536f., N.552; vgl. S. 642, N. 666. Für das Burgrecht Hugo von Buoheggs vgl. Fontes, VI, S.181, N. 189 (1336 III 4). IV. Erneutes Zusammengehen mit dem Kaiser Durch diesen Frieden konnte Österreich seine Position im burgundischen Raum stärken, doim Kaiser Ludwig kümmerte sich nicht mehr um die Angelegenheiten in Burgund. Der geplante Zug unterblieb aus verschiedenen Gründen. Abgesehen von dem Misserfolg bei Laupen hatte König Eduard auch als Reichsvikar in Flandern keine Erfolge und musste mit Frankreich einen Waffenstillstand schliessen. Vor allem blieb das englische Geld aus, das der Bayer zur Kriegführung benötigt hätte. Auch war der Kaiser mit der Wirkung des englischen Bündnisses auf den Papst nicht zufrieden, denn er versprach sich anscheinend allein von der Tatsache der Verbindung mit England eine Änderung der päpstlichen Haltung. Nun bot ein Zusammengehen mit dem französischen König grössere Aussichten, den Papst zur Absolution zu veranlassen, als es das englische Bündnis tat. Deshalb verhandelte Ludwig nun mit Philipp VI. von Frankreich, der sich bereit erklärte, bei der Kurie für einen Ausgleich einzutreten. Ludwig sollte dafür zwischen Frankreich und England vermitteln. Als Eduard III. die Vermittlung des Kaisers ablehnte, wandte sich das Augenmerk des Wittelsbachers in erster Linie seiner Hausmacht zu159. Eines seiner Anliegen waren die Verhältnisse in Tirol. Nachdem 1335 Heinrich von Kärnten gestorben war, stritten sich Österreich und die Wittelsbacher mit den Luxemburgern um die Erbschaft. Während Ludwig die Habsburger bald nach dem Tode Heinrichs mit Kärnten und Krain belehnte, wollte er selber Tirol für seinen Sohn Ludwig den Brandenburger gewinnen. Doch gelang es den Wittelsbachern nicht, in Tirol Fuss zu fassen, wo Karl von Mähren für seinen Bruder Johann sehr schnell die Anerkennung der Stände und des Landes gefunden hatte. Auch ein Krieg gegen Böhmen brachte ausser der Vereinigung Niederbayerns mit seiner Hausmacht keine Erfolge, sondern führte zum Bruch mit Österreich und einer vorübergehenden Versöhnung mit dem Böhmenkönig160. Brach auch der Gegensatz beider Häuser immer wieder aus, so gelang es dem Kaiser doch, zu erwirken, dass Johann von Böhmen ihm im Frühjahr 1339 huldigte. Nach neuen Zwistigkeiten traf man sich im Februar des Jahres 1341 in Münohen zu Verhandlungen, deren Ergebnis wir leider nicht näher kennen. Anscheinend wurde ein Ausgleich erzielt, der aber die Partner nicht völlig befriedigt zu haben scheint. Vielleicht wollte der Bayer seinen Gesprächspartner auch nur in Sicherheit wiegen. Wichtiger für unseren Zusammenhang ist die Tatsache, dass Ludwig an dem Tage, an welchem der Ausgleich beurkundet wurde, zwei seiner Mitarbeiter zu den Eidgenossen sandte, um mit ihnen zu verhandeln und zu «tädingen»161; 168 Vgl. Bock, S.462f. 160 Vgl. A. Huber, Geschichte der Vereinigung Tirols mit Österreich. 181 1341 II 24, «unser und des richs wegen ze tädingen, ze reden und ze enden umb etlich Sachen». EA,I, S.23, N.67; = Tschudi, I, S. 367. - Reg. imp., VIII, Ludwig N. 2141, Johann N. 827 (Erg.heft III). - Vgl. JS. Werunsky, Geschichte Kaiser Karls IV. und seiner Zeit, I, S.277. 136 137 Der Kaiser stand also nicht nur zu dem Böhmenkönige, sondern auch zu den Eidgenossen in einem so gespannten Verhältnis, dass eine Tädigung notwendig war. Möglicherweise besitzt der mehrfache Zusammenhang von Eidgenossen und dem Böhmenkönige grössere Bedeutung162. Leider kennen wir weder die Instruktion der Gesandten noch das Ergebnis der Verhandlungen. Wahrscheinlich kehrten die Boten ohne ein handgreifliches Ergebnis heim, denn die Eidgenossen erneuerten wenige Monate später ihr Bündnis mit Bern, das seine Haltung gegenüber Ludwig dem Bayern noch nicht geändert hatte. Obwohl der Friedensvertrag von der Aarestadt ausdrücklich verlangte, dem Kaiser zu huldigen, war dies noch nicht erfolgt. Doch kann der Grund zur Erneuerung des Bündnisses mit Bern, das gleichzeitig mit Österreich verbündet war, auch anderswo gesucht werden. Ausserdem scheint es nicht völlig ausgeschlossen zu sein, dass die Gesandten des Kaisers den Tiroler Umsturz schon vorbereiteten und dafür die Unterstützung oder wenigstens die Neutralität der Eidgenossen erlangen wollten163. Der Tiroler Adel wurde bald des strengen böhmischen Regiments überdrüssig und unterstützte den Versuch der kärntnischen Erbtochter Margarete Maultasch, ihren Gemahl, der nicht gerade ein galanter Gatte war, und das böhmisohe Regiment zu vertreiben. Zwar scheiterte der erste Aufstand im Jahre 1339, da Karl von Mähren noch rechtzeitig davon Kunde erhielt, um den Umsturz zu verhindern. Doch schon zwei Jahre später gelang das Unterfangen nach umfassenden Vorbereitungen, an denen der Kaiser sicherlich beteiligt war164. Bei der Rückkehr von einem Jagdausflug fand Johann von Tirol die eigene Burg verschlossen und klopfte ebenso umsonst an die Tore anderer Schlösser. Man bedeutete ihm, dass er nichts mehr in Tirol zu suchen habe. Nachdem die Ehe Johanns von Luxemburg mit Margarete Maultasch als für nicht vollzogen erklärt worden war, heiratete die Tirolerin Markgraf Ludwig von Brandenburg, den Sohn des Kaisers. Gleichzeitig belehnte Ludwig der Bayer seinen Sohn mit dem kärntnischen Erbe, ohne auf die frühere Belehnung der Habsburger mit Krain und Kärnten Rücksicht zu nehmen. Das verschaffte dem Brandenburger jedoch nur einen leeren Titel, 163 Das mehrfaohe Zusammenfallen von kaiserliehen Beurkundungen für die Eidgenossen mit Verhandlungen zwischen dem Kaiser und dorn Böhmenkönige ist zwar kein Beweis für den Zusammenhang beider Mächte. Doch ist es höchst unwahrscheinlich, dass sich der Kaiser mehrfach zufällig in der gleichen Zeit mit grundverschiedenen Angelegenheiten befasst haben soll. Vgl. oben, S. 126. «» Bündniserneuerung mit Bern um 1341 VI 13, Fontes, VI, S. 596,N.605; = EA,I, S.23, N. 68. Volkmar von Burgstall, einer der führenden Adeligen Tirols führt in seinen Rechnungen u.a. auf: altem dedit Swiezerio pro purchüta, cluse ot turris de novo edificatis de ultimis sex annis Veron. marc. LX per unam litteram domini Hainrici regis.» Daraus können wir vermutlich sohliessen, dass auch die Eidgenossen in die Tiroler Verhältnisse verwickelt waren oder doch einzelne an ihnen sehr interessiert waren. Diesen Zufallsfund müsste man auf Grund Tiroler Materials einmal näher untersuchen. Vgl. Z.d.Ferdinandeums, 3. Folge, XLI, S.193f. . rM Vgl. F.H.Haug, Ludwig V. des Brandenburgers Regierungin Tirol 1342-1361, Forsch. u.Mttt.z.Gesch.Tirols, 111 (1906), S.264f. - . weil Österreich sofort nach dem Tode Heinrichs Krain und Kärnten in Besitz genommen hatte und ohne besondere Schwierigkeiten anerkannt worden war. Sogar Johann von Böhmen hatte auf seine Ansprüche gegen eine Geldsumme verzichtet. Wenn auch seine Söhne diese Vereinbarung empört von sich gewiesen hatten, so verschlechterte die Belehnung Ludwigs des Brandenburgers mit Krain und Kärnten die Beziehungen des Kaisers zu Österreich. Hatte Herzog Albrecht frühere Unfreundhchkeiten der Wittelsbacher gelassen aufgenommen, da er sich unter keinen Umständen an eines der beiden Häuser bedingungslos binden wollte, so erklärte er sich jetzt bereit, gegen Verzicht auf die böhmischen Ansprüche auf Kärnten und Krain ein Defensivbündnis mit den Luxemburgern abzuschliessen165. Die Annäherung Österreichs an die Luxemburger war nicht die einzige Folge der Vertreibung der Böhmen aus Tirol. Wenn auch an diesem Novembertag des Jahres 1341 kein Blut floss, so zeitigte das Ereignis doch Folgen, die die restliche Regierungszeit Ludwigs des Bayern wesentlich bestimmten. Vor allem verlor der Kaiser durch die Unterstützung und das Ausnutzen der Vertreibung viele Sympathien; denn nun hatte er für jedermann offensichtlich das Kirchenrecht schwer verletzt und das Interesse seiner Hausmacht über alles andere gestellt. Der Gegensatz zu den Luxemburgern wurde damit zum endgültigen Bruch verschärft. Wie kein anderer wurde der Bischof von Chur durch den Tiroler Umsturz betroffen; denn die Grafen von Tirol besassen Lehen des Bistums, und der Bischof besass Tiroler Lehen. Bischof Ulrich war mit Heinrich von Kärnten durch enge, freundschaftliche Bande vereint gewesen. Zu den Luxemburgern stand er schon in der Zeit, als er noch im Gefolge des Erzbisohofs Matthias von Buchegg weilte, in einem guten Verhältnis. Wohl brachte die luxemburgische Herrschaft in Tirol eine gewisse Zurückhaltung des Bischofs gegenüber den Böhmen mit sich. So nahm er weder für die eine noch die andere Partei im Reiche offen Stellung, sondern versuchte zu vermitteln166. Bald nachdem sich die Böhmen in Tirol durchgesetzt hatten, legte der Bisohof auch seine Streitigkeiten mit Österreich bei. Kurz bevor die Böhmen aus Tirol vertrieben wurden, erreichte der Bischof, dass Herzog Albrecht von Österreich ihn und sein Bistum in Schutz nahm. Offenbar hatte Bischof Ulrich von den Vorbereitungen der Umwälzung Kunde erhalten und fühlte sich bedroht, da er nach dem ersten Umsturzversuch durch einen längeren Besuch am Hofe des Grafen Johann gezeigt hatte, dass er die Luxemburger lieber in Tirol sah als die Bayern. So band die Vertreibung der Luxemburger aus Tirol den Bischof sowohl an Österreich als auch an die Luxemburger. Deshalb war es ihm auch nicht möglich, seine Ansprüche auf Besitzungen in den Tälern südlich des Alpenkammes wirksam gegen das Vordringen Mailands zu verteidigen, da ihm gegenüber ln Zum Bündnis Österreichs mit Böhmen vgl. Reg.imp., VIII (Karl IV.), N. 114-116. -Werwnsky, I, S.287. 186 Vgl. oben, S. 132ff. 1339 XII1 erhielt der Bischof von Chur ein Schreiben Ludwigs, das Chiavenna befahl, Bischof Ulrich als Herrn anzuerkennen. 138 139 dem luxemburgisch gesinnten Mailand der Rückhalt fehlte. Dieser enge Anschluss an die Luxemburger und die Habsburger mag auch zur Neuorientierung der Eidgenossen beigetragen haben167. Mailand hatte 1335 Como in Besitz genommen und dabei den Eidgenossen ihre Zollprivilegien bestätigt. Nach dem Tode Azo Viscontis gingen die Mailänder jedoch auch gegen Bellinzona und Locarno vor. Sie versuchten ihre Macht immer näher an den Alpenkamm heranzuschieben. Dabei werden sie wahrscheinlich auch die Eidgenossen in ihren wirtschaftlichen Interessen beeinträchtigt haben168. Als sich nun Mailand noch dem Papste unterwarf und die Visconti von diesem Absolution für ihre bisherige Haltung erhielten, bedeutete das für die Eidgenossen, dass sich die Stellung der Luxemburger und der päpstlichen Partei, der nun auch Österreich nahestand, in einem Masse stärkte, dass es eine Bedrohung für sie bedeutete. Hatte sich der Bischof von Chur nun Österreich angeschlossen, Mailand die luxemburgische Partei ergriffen, stand die Stadt Bern mit Österreich im Bündnis und trachtete der Bürgermeister Brun danach, wohl wegen dieser Lage, sich mit den Österreichern gut zu stellen, so waren die Eidgenossen gezwungen, sich nach einem anderen Rückhalt umzusehen160. Obwohl sonst im Reiche das Ansehen des Kaisers zurückging, bedeutete für die Eidgenossen die Inbesitznahme Tirols durch die Wittelsbacher eine Möglichkeit, wirksame Hilfe gegen Österreich wie gegen Mailand zu erhalten. Die Luxemburger konnten ihnen nach dem Verlust Tirols diesen Schutz nicht mehr bieten und wollten es mit Rücksicht auf ihre Werbungen um die österreichische Freundschaft wohl auch nicht mehr. Wie die Eidgenossen wandten sich auch die Vögte von Matsch den Wittelsbachern zu, obwohl sie vorher zusammen mit dem Bischof von Chur eng mit den Luxemburgern zusammengearbeitet hatten. Auch sie hofften anscheinend, so ihre Interessen in Bormio gegen Mailand behaupten zu können170. Wann sich die Haltung der Eidgenossen änderte, lässt sich nicht mehr genau festlegen; doch wird sie zwischen der Erneuerung des Bündnisses 1,7 1340 ziehen der Bisohof von Chur und die Vögto von Matsch mit Bewaffneten Johann von Luxemburg zu Hilfe (vgl. Z.d.Ferdinandeums, 3.Folge, XV, S. 131). 1341VII 24 weilt der Bischof von Chur bei Karl IV. in Prag (vgl. Reg.imp., VIII, N. 100). - Vgl. A.Jaeger, Regestcn über das Verhältnis Tirols zu dem Bisohof von Chur, Arch.f.öster. Gesch., XV, 1856, S. 347. - J. O. Mayer, Geschichte des Bistums Chur. - Th. von Liebenau, Bischof Johann von Gurk, Brixen und Chur und dio Familie der Schultheissen von Lenzburg, Argovia, VIII, S. 146 ff. - Jaeger, Das Verhältnis der Grafen von Tirol zu den Bischöfen von Chur, Sitz.ber. d.k.k.Akad.Wien, phil.-h.ist.Kl., X, 1853, S.65ff. - P.G.Planta, Die churrätischen Herrschaften in der Feudalzeit, 1881. iss Wenigstens sind keine Bestätigungen eidgenössischer Zollprivilegien, wie wir sie aus dem Jahre 1335 besitzen, auf uns gekommen. Wenn daraus auch nicht geschlossen werden soll, dass solche nicht erteilt wurden, so spricht bei der damaligen Lage allerlei dafür, dass sie nach dorn Tode Azos nioht erneuert wurden. Über die Haltung Mailands vgl. 6?. Bisearo, Le relazioni di Milano con la chiesa, Arch.stor.lomb., LIV (1927), XLVI (1920). - Cantü, I, S. 283f. -67. RomegalU, Storiadella Valtellina, S.190f. - K.Meyer, DieCapitanei vonLocarno, S.227ff. 160 1 340 schloss Karl von Mähren nach der Belagerung von Penede mit Mailand Frieden. 170 Über die Vögte von Matsch vgl. J.Ladurner, Z.d.Ferdinandeums, 3.Folge, XVI, XVII, 1871/72. - J.G.Mayer, Geschichte, I, S.358. - Bomegalli, S.197f. 140 mit Bern (um 1341 VI 13) und der Belehnung Johanns von Attinghusen mit dem Reiohszoll zu Flüelen erfolgt sein (1344 VII18). Leider lässt sich auch nicht feststellen, ob sofort alle Orte die Schwenkung zu Ludwig dem Bayern mitmachten171. Einige Zeit verfolgte mindestens Obwalden, das wegen Streitigkeiten im Bernor Oberland in einen Gegensatz zu Bern geraten war, eine andere Politik als die übrigen Eidgenossen, was sich auch in Ablässen für Obwaldner Orte spiegelt172. Die Haltung Luzerns in diesen Jahren ist auch nicht völlig klar ersichtlich173. Nachdem Vertreter der Städte Basel, Bern und Zürich 1336 zwischen Luzern und Österreich Münzstreitigkeiten vermittelt hatten, sollte Luzern alle «eitgnoschaft» und Burgrechte aufgeben, die es seit Beginn dieses Streites eingegangen war. Da aber nicht klar ist, wann der Streit begann, so ist schwer zu sagen, ob sich diese Bestimmungen auch auf den ewigen Bund mit den Waldstätten bezieht, was jedoch recht unwahrscheinlich ist174. Im folgenden Jahre näherte sich Luzern dem bayrisch gesinnten Zürich, was vielleicht mit dem Annäherungsversuch der Ur-kantone an den Wittelsbacher zusammenhängen könnte175. Dies ist aber nicht zu beweisen. Dem Vertrag mit Zürich entspricht die Erwähnung einer inneren Umgestaltung in Luzern, da im gleichen Jahre der Rat der Dreihundert genannt wird176. Doch scheint diese Verfassungsänderung ebenso wie der Annäherungsversuch an Ludwig den Bayern keine Dauer gehabt zu haben. Als sich die Eidgenossen nach 1341 wieder Ludwig dem Bayern zuwandten, führte das in Luzern zu wichtigen Ereignissen. Angesehene Bürger Luzerns, darunter einige, die in den Schwurbriefen erwähnt sind, versuchten, die Luzerner Verfassung umzustürzen. Vitoduran nennt die Verschwörer «adversarii dueum Austrie». Alle Späteren bezeichnen sie als Freunde Österreichs. Sicher ist nur, dass sie den angesehenen oberen Schichten angehörten. Wenn man daran denkt, dass in der Regel die unteren sozialen Schichten die Anhänger Ludwigs des Bayern stellten und dass wohl zu der Zeit, als sich die Eidgenossen wiederum dem Kaiser zuwandten, der Rat der Hundert geschaffen wurde, möchte man vermuten, dass die Verschwörer weniger österreichfreundlich oder österreichfeindlich handeln wollten, als dass sie Parteigänger der Luxemburger waren. Dann wäre ihre Haltung konsequent gewesen; denn Luzern schloss mit den Eidgenossen 171 Voran ging wahrscheinlich Uri, das sich schon mit der Anerkennung der bayrisch gesinnten Fides von Klingen, Äbtissin der Fraumünsterabtei, dem Bayern wieder näherte. 1340 XII. 172 Vgl. Feiler, I, S. 146ff., 163. 173 Vgl. Segesser, I, S.243f. - K.Meyer, Geschichte Luzerns, S.470f. Auch die Haltung von Schwyz lässt sich nicht sicher festlegen. Doch finden sich in den vierziger Jahren nur für Obwalden und Luzern Hinweise, dass sie dem Interdikt nicht unterlagen. Jedoch fällt der Wiederausbruch des Marchenstreites in diese Zeit. Vgl. O. Ringholz, Geschichte des fürstlichen Benediktinerstiftes Unserer lieben Frau von Einsiedeln, S. 135f. 174 Vor allem widerspricht dem Vitoduran, der berichtet, die Waldstätte hätten dio Vereinbarungen von 1336 sofort gebrochen, Luzern habe sie jedoch gehalten. Vitoduran, S. 127. 176 EA, I, S.20, N.61; vgl. oben, S. 131f. 176 Vgl. K.Meyer, Geschichte Luzerns, S.470. - Segesser, I, S.215ff. 141 den ewigen Bund, nachdem sich diese von Ludwig dem Bayern entfernt und den Luxemburgern genähert hatten. Als sich die Eidgenossen und mit ihnen Luzern wieder dem Kaiser zuwandten, versuchten nun die gleichen Kreise den Stellungswechsel mittels eines Umsturzes zu verhindern. Doch liegen die Luzerner Verhältnisse in diesen Jahren so im Dunkeln, dass sioh über Vermutungen hinaus nichts Sicheres sagen lässt. Wenn man nur naoh den Ablasserteilungen urteilen will, muss man annehmen, dass Luzern in diesen Jahren eine mehr oder weniger gesonderte Politik führte177. Doch kann es sein, dass Luzern für die kirchlichen Instanzen in erster Linie als eine österreichische Landstadt galt und somit vor allem von der Haltung der österreichischen Verwaltungen abhing, was jedoch ziemlich unwahrscheinlich ist. Um 1340 trat auch Albrecht von Werdenberg-Heiligenberg wieder in den Dienst der österreichischen Herzöge, gab aber seinen Dienst für Ludwig den Bayern nicht auf. Welche Beziehungen zwischen ihm und den Eidgenossen in diesem Jahrzehnt bestanden, bleibt offen178. Weitere Probleme stellt der Reichszoll zu Flüelen, dessen eine Hälfte Johannes von Attinghusen 1337 von Graf Johann von Habsburg-Laufenburg für fünf Jahre verliehen bekam179. Der Graf besass den Zoll entgegen einer Verfügung des Kaisers als Erbe des Grafen von Homberg. Nach Ablauf der fünf Jahre holte sich der Urner Landammann bei Ludwig dem Bayern die Genehmigung, diesen Zoll zu besitzen, und wurde gegen Dienstverpflichtung damit belehnt. Gleichzeitig befahl Ludwig den Urkantonen, Johann von Attinghusen bei diesem Besitz zu schützen. Im folgenden Jahre erhöhte der Kaiser die Pfandsumme um weitere hundert Mark Silber, so dass sie nun 600 Mark ausmachte. Der Landammann muss dem Kaiser also eifrig gedient haben, da ihm neben den Einnahmen des Zolles noch so viel Geld geschuldet wurde180. Mit der Erhöhung der Pfandsumme musste der Wittelsbacher auch den Befehl erneuern, dass die Eidgenossen Johann von Attinghusen bei diesem Besitz schirmen sollten. Wer Johann 117 Vitocluran berichtet, dass dio Waldstätte den Vertrag von 1336 sofort gebrochen hätten, während Luzern ihn jedoch strikte befolgte. S. 127, 30. Vgl. Eeg.ep.Const., N.4714, 4764, 4769. 178 Eine Untersuchung der Haltung der Grafen von Werdenberg-Heiligenborg und der Grafen von Hababurg-Laufenburg würdo zur Erhellung dieser Jahre m.E. wesentlich beitragen. Vgl. Krüger, Reg., N. 289, 295/96, 300. 173 Eine Untersuchung über den Flüeler Reichszoll fehlt leider und dürfte sohwer durchzuführen sein, da die im Gesohichtsfreund, I, zusammengestellten Urkunden nicht zur Erhellung aller Fragen genügen. Vgl. Geschfr., I, S. 14-26,323-342. -EA, I, S. 24, N. 70,71.-Thommen, Urkunden, I, S.432, N. 670. - Vgl. K.Meyer, Über die Einwirkungen des Gotthardpasses auf die Anfänge der Eidgenossenschaft, Geschfr., LXXIV (1919). - Urkunden und Rogesten zur Geschichte des Gotthardpasses, Aroh.f.Schweiz.Gesch., XX. - Durrers Arbeiten über die Attinghusen ergeben hierfür nichts Neues. i8o pjer Umer Landammann und damit die Eidgenossen könnten dem Kaiser bei seinem Versuch, naoh Italien vorzudringen, geholfen haben. Sehr wahrscheinlich war Johann von Attinghusen, dabei, als Ludwig gegen Karl IV. focht, der von Trient aus nach Tirolvor-, dringen wollte, wobei in der Folge der Bischof von Chur gefangengenommen wurde. Da Ludwig dem Landammann am I.V. 1347 in Brixen ein Zollprivilog ausstellte, muss seine persönliche Teilnahme als sicher gelten. von Attinghusen den Besitz dieses wichtigen Zolles nicht gönnen wollte, wissen wir nicht. Wahrscheinlich lag er mit dem vorherigen Besitzer des Zolles, den Grafen von Habsburg-Laufenburg, im Streit. Man könnte vermuten, dass Graf Johann von Habsburg-Laufenburg nach Ablauf der fünfjährigen Frist sich weigerte, die Belehnung zu erneuern und der Urner Landammann sich daraufhin an den Kaiser wandte, um den Zoll zu erhalten. Nachdem Johann von Attinghusen 1337 nur die Hälfte des Zolles erhalten hatte, muss man sich fragen, ob sich die kaiserlichen Verplandungen auch nur auf die eine Hälfte des Zolles bezogen. Die Urkunden scheinen dafür zu sprechen, dass der ganze Zoll gemeint war181. Auf der anderen Seite bestätigten Karl IV. und Ruprecht von der Pfalz den Grafen von Habsburg-Laufenburg und Karl IV. und Wenzel den Eidgenossen den Besitz des Zolles. Wenn man daraus nicht schliessen will, dass beide je die Hälfte des Zolles besassen, so kommt man mit grosser Wahrscheinlichkeit zum Schluss, dass beide Teile den ganzen Zoll beanspruchten182. Darauf weisen auch die späteren Verkäufe von Teilen des Zolles an die Urner Landleute hin, wie auch dio Tatsache, dass in dem Streit mit Luzern wegen dieses Zolles im Jahre 1357 die Urner ganz allgemein als Inhaber des Zolles galten183. Kaum anzunehmen ist, dass die Eidgenossen lieber einen Fremden in dem Besitz dieser wichtigen Zollstätte gesehen hätten als einen ihrer führenden Köpfe. Sie konnten nur Einfluss auf den Zoll erhalten, wenn ihn ein Einheimischer besass. Schon deshalb werden sie sich 1329 geweigert haben, ihn dem Landfremden Winant den Boch zu übergeben. Ausserdem wären die kaiserlichen Briefe an die Urkantone anders formuliert worden, wenn die Eidgenossen dem Urner Landammann den Zoll nicht gegönnt hätten. Weiterhin bliebe dann die Tatsache ungeklärt, warum die Waldstätte dem Interdikt unterlagen, da sie doch bestimmt den kirchlichen Instanzen gegenüber auf ihre Gegnerschaft zu dieser kaiserlichen Institution und ihren Ungehorsam gegenüber der kaiserlichen Verleihung hingewiesen hätten. Spätere Streitigkeiten der Urner mit Johann von. Attinghusen dürfen wir nicht ohne Grund um ein Jahrzehnt vordatieren184. Falls der Urner Landammann sich mit den Grafen von Habsburg-Laufen burg um den Besitz des Zolles stritt, ist es wahrscheinlich, dass dieser Zwist 181 Dafür spricht auch der Hinweis auf den Heimfall des Zolles an das Reich durch den Tod Werners von Homberg in der Verleihung vom I.V. 1347, aber auch die Tatsaohe, dass ausser in der Urkunde von 1344 in keiner Verleihung vom halben Zoll gesprochen wird. 182 Darauf weisen vor allem die beiden Urkunden der Grafen von Habsburg-Laufenburg hin, in welchem Graf Johann seinem Bruder die Ansprüche auf den Zoll verkauft, denn der Bruder bringt den Vorbehalt an, dass die Kaufsummo um so viel verkleinert würde, wie er gezwungen sei, auf rechtliche oder gütliche Weise für den Besitz des Zolles aufzubringen. Thommen, Urkunden, I, S.432ff., N.670. - Vgl. Aroh.f.Schweiz.Gesch., XX, Urk., N.161 (1354XII20). 183 EA, I, S.43, N.109; = Gesohfr., XXII, S.279; vgl. Geschfr., I, S.324ff. 184 Vor allem K.Meyer (Einwirkungen, S.294T.) nimmt ah, dass die Eidgenossen dem .Urner Landammann den Besitz des Roichszolles missgönnten. 142 143 einen Grund des ewigen Bündnisses der Grafen mit Zürich bildete186. Suchten die Grafen bei dem am Gotthardverkehr interessierten Zürich einen Rückhalt, um besser gegen den Urner vorgehen zu können, so wandte sich der Landammann an den Kaiser, um die Grafen und Zürich von einem Vorgehen gegen sich abzuhalten, da es Zürich wegen der Spannungen mit den Äusseren nicht wagen konnte, es mit dem Wittelsbacher zu verderben. Sicher lässt sieh diese Politik nicht nachweisen, da die Annäherung der Eidgenossen an Ludwig den Bayern und der Grafen an das wittelsbachisch gesinnte Zürich etwa gleichzeitig stattfand und wir kein genaues Datum festlegen können. Doch wäre damit eine Erklärung gefunden, warum die Grafen das ewige Bündnis mit Zürich so schnell wieder aufgaben, nachdem ihr Versuch gescheitert war, den Plüeler Zoll auf diese Weise weiterhin in Besitz zu behalten. Die Erwerbung des Reiohszolles zu Elüelen mag wesentlich dazu beigetragen haben, dass die Eidgenossen in seinen letzten Lebensjahren fest zu Ludwig dem Bayern hielten. Möglicherweise hängt sogar der Sturz der Attinghusen direkt mit der Ausübung des Zollrechtes zusammen. Wenige Monate bevor der Urner Landammann letztmals genannt wird, erfolgte der Zollstreit mit Luzern. Johann von Attinghusen kann den Unwillen der Landleute durch einseitige Ausnutzung des Zolles erregt und den Zoll trotz dem Kompromiss mit Luzern zur Erhöhung seiner Stellung benutzt haben. Sicherlich brachte der Besitz des Zolles für den Urner Landammann eine Steigerung seiner Machtmittel, die den Landleuten dann lästig wurden. Dafür spricht, dass Karl IV. bald nach dem Sturz der Attinghusen den Grafen von Habsburg-Laufenburg den Besitz des Zolles und die Grundlage ihrer Ansprüche, den Erbvertrag mit Werner von Homberg, bestätigte. Genaueres wird man vielleicht sagen können, wenn das Quellenwerk zur Entstehung der Eidgenossenschaft weiter fortgeschritten ist. Obwohl hier versucht wurde, die Haltung der Eidgenossen und ihre Motive zu erschliessen, bleiben noch viele Fragen offen. So lassen die Quellen nicht erkennen, ob wirklich der Gegensatz zwischen den Eidgenossen und dem österreichischen Herzog fortbestand, ob der Konflikt nur vertagt war oder ob nicht doch Österreich die Eidgenossenschaft in ihrem damaligen Bestand als solche hinnahm und ihre Selbständigkeit nicht mehr bestritt. Wenn man die Quellen von den Ereignissen nach dem Bunde mit Zürich aus betrachtet, möchte man annehmen, dass Österreich nur auf die Gelegenheit wartete, erneut gegen die Waldstätte vorzugehen. Doch finden sich in den Quellen dieser Jahre weder Anzeichen dafür noch dagegen. Zwar genossen Albrecht der Lahme und die Königin Agnes, die vor allem an den inneren Ausbau ihrer Lande dachten, die Achtung der Eidgenossen186. Vieles scheint darauf hinzudeuten, dass zwischen den Eidgenossen und der österreichischen Verwaltung in diesen Jahren kein schlechtes Ver- 186 Vgl. Largiadir, Brun, S.73f. 186 Das zeigen vor allem die vielen Schiedsgerichte, besonders der Spruch vom 12.X. 1351, in denen die Königin Agnes als Obmann amtete. Vgl. Lindner, II, S.62. - Schilling, S.63. 144 hältnis bestand, obwohl Österreich der einzige Gegner blieb, der die eidgenössische Territorialstaatsbildung wirklich gefährden konnte. Der Konflikt brach erst wieder aus, als die Eidgenossen besonders in Zug und in Glarus anerkannte österreichische Rechte verletzten. Vielleicht hat auch die österreichische Verwaltung ihre Haltung geändert, nachdem Karl IV. für die Huldigung des österreichischen Herzogs alle Privilegien Ludwigs des Bayern aufhob, die dem Hause Habsburg schädlich waren. Es bleibt noch ein Blick auf die Haltung Berns nach dem Laupenkrieg zu werfen. In dem Friedensinstrument, das den Laupenkrieg dank der Vermittlung der Königin Agnes abschloss, wurde Bern verpflichtet, die Gnade des Kaisers zu suchen. Doch unterliess es Bern auf Grund der allgemeinen Lage, dem Kaiser zu huldigen. Dafür schloss es sich Österreich an, das keine Partei im Reiche unterstützte und zu vermitteln suchte18'. Doch scheinen nach dem Friedensschluss gewisse Berner Kreise für die Anerkennung Ludwigs des Bayern geworben zu haben, denn der Streit des Leutpriesters Diebold Baselwind mit den Berner Minoriten lässt vermuten, dass auch in Bern die allgemeinen Parteikämpfe nicht fehlten188. Dennoch änderte Bern seine Haltung nicht, sondern baute unter dem Schutz des österreichischen Bündnisses seine burgundische Eidgenossenschaft neu auf. Der Erneuerung des Bündnisses mit Murten folgten Bünde mit Freiburg, Peterlingen, Biel, das Burgrecht mit dem Kloster Interlaken und schliesslich das Bündnis mit Solothurn. Die burgunclische Königsstadt war schon vorher dem bernisch-österreichischen Bündnis beigetreten, wobei sie jedoch ihre Verpflichtungen gegenüber Ludwig deni Bayern ausdrücklich ausnahm189. Während Bern nach dem Laupenkriege seine burgundische Eidgenossenschaft wieder errichtete, legten vornehmlich seine Bürger durch die Erwerbung von Rechten und Grundbesitz inder näheren und weiteren Umgebung der Stadt die Grundlagen des bernischen Territoriums. Dieser friedliehe Ausbau der Besitzungen Berns wurde nicht nur dtlreh den Erfolg im Laupenkriege ermöglicht, sondern vor allem durch das Zusammengehen mit Österreich. Im besonderen Masse gestattete dieses Bündnis, die Berner Interessen im Oberland ungestört zu sichern, wobei auch die Urkantone insofern halfen, als sie Obwalden nicht unterstützten. V. Die Eidgenossen und Karl IV. Die Stadt Bern hatte Ludwig dem Bayern nie gehuldigt und betrachtete ihn nicht als legitimen Kaiser. So übte das Reichsoberhaupt lange Zeit keinen Einfluss auf die Aarestadt aus. Doch darf man daraus nicht ohne weiteres schliessen, dass dadurch die Bindungen der Stadt an das heilige 181 Vgl. EA, I, S.413, N.192; S.414, N. 193/94; S.425, N. 239. ms Vgl. Fontes, VI, S. 648, N. 666. HB Vgl. Feiler, I, S.143ff. - Von Wattenvryl, II, S.UOff. Die Zusammenstellung der wichtigsten Bünde in SRQ, Bern, I, 3; die Ausnahmeerklärung Solothurns in SRQ, Solothurn, I, S.65f., N.38. römische Reich gelockert worden seien. Wohl finden wir, dass sich das Selbstbewusstsein der Berner während dieser Jahrzehnte gesteigert hat und sie ihre Unabhängigkeit schätzen gelernt haben. Doch trifft dies nicht nur für Bern zu, sondern für fast alle Glieder des Reiches, ohne dass man dabei unterstellen muss, damit sei eine Lockerung der Bindungen an das Reich verbunden gewesen190. Im Gegenteil legte Bern Wert darauf, dass der Zustand der letzten Zeit so rasch als möglich beseitigt wurde. Sobald die Berner von der Spitze des Reiches einen Rückhalt erwarten konnten, gewannen sie freieren Spielraum gegenüber den Kräften, auf die sie sich in der letzten Zeit stützen mussten. Als sich Karl IV. in der weiteren Umgebung zeigte, bemühte sich Bern sofort, seine Privilegien und Rechte bestätigt zu bekommen. Die Berner Ratsgesandtschaft fand anscheinend den König in Basel nicht mehr vor. Deshalb sandte sie ihm Briefe nach, die wahrscheinlich Vertreter des Deutschordenshauses Köniz dem Luxemburger überbrachten191. In Mainz stellte Karl den Bernern eine allgemein gehaltene Bestätigung ihrer Privilegien aus und sandte seinen Vertrauten Conrad Münch nach Bern, um die Huldigung der Stadt zu empfangen, ihr die Privilegienbestätigung auszuhändigen und mit den Bernern über weitere Wünsche zu verhandeln192. Mit der Anerkennung Karls IV. zählte Bern zu den ersten Reichsstädten in den oberen Landen, die Karl als König huldigten. Die Bestätigung seiner bisherigen Rechte und besonders einige neue Privilegien verschafften Bern die rechtliche Grundlage zu seiner Territorialstaatsbildung, deren es dringend bedurfte; denn der Aarestadt fehlte noch die königliche Genehmigung und damit die Anerkennung der Rechtsmässigkeit, die inzwischen erworbenen Reichslehen und Reichspfandschaften zu besitzen. Ganz anders verhielt sich Zürich. Als Karl IV. die Limmatstadt von Basel aus auffordern liess, ihm zu huldigen, weigerte sie sich zusammen mit 180 Man kann allerhöchstens sagen, dass sich das Gefüge des Reiches immer mehr auflöste, was sich an der Peripherie wie in Bern stärker bemerkbar machte. Besser ist es sicherlich, wenn man nur davon spricht, dass solche Zustände wie unter der Herrschaft Ludwigs des Bayern wesentlich zur Stabilisierung der Territorialstaaten beitrugen. Zu diosor Ansicht vgl. Werunsky, TL, 1, S.32f. - B.Meyer, Bruderstreit, S.492. - Andererseits: von Wattenwyl, II, S. 149. - Feller, I, S. 154. 181 Da Karl IV. dem Ordonshauso einen Tag vor dem Privileg für Bern eine Bestätigungsurkunde ausstellte, ist dies wahrscheinlich. Doch könnte es auch sein, dass Bern sich durch einen Ratsboten an den König wandte, der abor nicht zur Huldigung und zu Verhandlungen bevollmächtigt war. Vgl. Fontes, VII, S. 309, N. 322. 102 Aus dem Schreiben Karls IV. an Bern geht hervor, dass Bern koino bevollmächtigte Gesandtschaft sandte. Ihr hätte Karl die Privilegienbestätigung gleich selbst mitgegeben. Sie hätte auch verhandeln und huldigen können. Vgl. Solothurner Wochonblatt, 1828, S. 112; = Const., VIII, S.517, N.493. Die Privilegien für Bern: SRQ, Bern, I, 3, S.144ff., N.67; = Fontes, VII, S. 309f., N. 323.; = Reg. imp., VIII, N. 561, 5992/93. Die Ausstellung neuer Privilegien erfolgte genau einen Monat später in Nürnberg. 1348 II 16, Fontes, VII, S.319ff., N.337-339; = Const., VIII, S.547f., N.534-536; = Reg.imp., VIII, N.613-615. Am 4. und Ö.Januar 1348 bestätigte Karl IV. auch Berchtold von Buchegg die Privilegien der Strassburger Kirche. Die zeitliche Nähe könnte vielleicht darauf hindeuten, dass zwischen ihm und Bern noch immer Zusammenhänge bestanden. An dieser Stelle habe ich für eine freundliche Auskunft des Staatsarchivs Bern zu danken. Konstanz, und der König zog wiederum den Rhein abwärts193. Leider kennen wir die Gründe nicht, die Bürgermeister Brun bewogen, dem Luxemburger die Anerkennung zu verweigern. Bs werden gewichtige Überlegungen gewesen sein, denn es lässt sich kaum denken, dass die päpstliche Absolutionsformel allein die Stadt bewog, weiterhin bei den Wittelsbachern zu verharren. Wahrscheinlich wollte Zürich erst einmal abwarten, ob sich gegen Karl IV. ein Gegenkandidat durchsetzte. Ein Gegenkönig der wittelsbachischen Partei musste dem Zürcher Bürgermeister wesentlich günstiger erscheinen, weil er von dem «Pfaffenkönig» kaum eine Sicherung seiner Verfassung erwarten konnte, worauf er grossen Wert legen musste194. Auch scheinen die Grafen von Habsburg-Laufenburg, die wichtigsten Gegner Zürichs, seit längerer Zeit Anhänger der Luxemburger gewesen zu sein. Doch mag Zürich die Huldigung auch mit Rücksicht auf die schwäbischen Reichsstädte abgelehnt haben, die sich zusammengeschlossen hatten, um in der Königsfrage gemeinsam zu handeln. Da aber Zürich diesem Bündnis nicht angehörte und die schwäbischen Reichsstädte sehr bald Karl IV. anerkannten, hat diese Erwägung wohl keine entscheidende Rolle gespielt196. Erst als die Reichsstädte südlich des Bodensees sahen, dass kein Gegenkönig sich durchsetzen werde, huldigten die Städte St. Gallen, Konstanz und Zürich196. Die Haltung Solothurns gegenüber Karl IV. ist sehr unIdar, so dass ihre genaue Untersuchung hier nicht unternommen werden soll, sondern nur einige Vermutungen und Hinweise geäussert werden. Die Reichsstadt Solothurn erhielt von Karl IV. wiederholt eine Reihe von Privilegien, die aber durch andere Urkunden, teilweise auch von Karl ausgestellt, in ihrem Wert in Frage gestellt werden. So gibt schon die Frage, wann Solothurn dem luxemburgischen König gehuldigt habe, einige Rätsel zu lösen. Einerseits möchte man annehmen, dass Solothurn keine wesentlich andere Stellung als Bern oder Basel einnahm. Darauf weist vor allem das Privileg Karls IV. hin, in dem er Bern und Solothum versprach, ohne ihren Willen keinem die Berner Münze zu verleihen197. Selbst wenn man voraussetzt, dass diese Freiheit von den Bernern beim König durchgesetzt wurde, so ist es doch schlecht denkbar, dass Karl IV. damit eine Stadt privilegierte, die ihm noch nicht gehuldigt hatte und ihm feindlich gegenüberstand. In Basel bestätigte Karl IV. den Erben Hugos von Buchegg dessen Reichsrechte, worunter das Gericht in Solothurn besonders aufgeführt iss X347 XII 24, Aufforderung zur Huldigung an Zürich und Konstanz. Const., VIII, S.417, N.376; = Reg.imp., VIII,N.30 R, 603a. - Vgl. Reg.ep.Const., II,N;4856.-Matth, v. Neuenbg., S.250. - Heinrich vonDiessenhofen, Fontesrerum Germanicarum, ed.A.Huber, S. 64.' 181 Die Privilegierung des Klosters Ötenbach in Zürioh durch Karl IV. musste Bruns Befürchtungen noch verstärken, da anzunehmen ist, dass die engen Beziehungen dieses Klosters zu den Grafen von Habsburg-Laufenburg, die uns aus dem Ende der dreissiger Jahre bekannt sind, noch fortdauerten. Vgl. Reg. imp., VIII, N. 519. - Largiader, Brun, S. 74. i»5 Vgl. Wwunsky, II, S.97, 105f. 198 Vgl. unten, S. 150, Anm.207. 187 Fontes, VII, S.321, N.338; = SRQ, Bern, I, 3, S.145, N.67b; = Reg.imp., VIII, N.613. 146 147 wurde. Mit diesem Ausdruck scheint das Schultheissenamt gemeint zu sein, das Hugo von Buchegg besessen hatte und die Solothurner von ihm erbten. Sie hatten es schon vor seinem Tode in Besitz, wie auch die übrigen Erben schon von Hugo zu seinen Lebzeiten in ihre Anteile eingesetzt wurden. Einige Zeit danach legte Peter von Balm, Burger zu Bern, Streitigkeiten zwischen den Erben und Solothurn schiedsrichterlich bei. Aus dem Burgrecht eines der Erben in Solothurn erhellt, dass dadurch keine ernste Verstimmung zwischen beiden Teilen eingetreten war. Auch lassen sich keine Anzeichen in den Quellen finden, dass die verschiedenen Verleihungen des Schultheissenamtes zu Auseinandersetzungen grösseren Ausmasses führten. Der Schiedspruch dürfte wahrscheinlich auch die Frage des Schultheissenamtes geregelt haben. Berücksichtigt man nun, dass Solothurn vom Hofgericht in Rottweil gerade in den Tagen in die Reichsacht getan wurde, als Karl IV. in Basel weilte, so liegt der Schluss nahe, dass diese Acht den Grund bildete, warum Solothurn noch nicht 1347/48 mit oder vor Bern eine Bestätigung seiner Rechte erhielt198. Andererseits kann man auch annehmen, dass in Solothurn eine stärkere wittelsbachische Partei existierte, die Karl IV. noch nicht huldigen wollte. Dafür scheint schon die Verfassungsänderung zu sprechen, die sich erstmals in dem Burgrechtsvertrag Burkhart Senns spiegelt. Wenn man an die Förderung der Zunftbewegungen durch Ludwig den Bayern denkt, möchte man vermuten, dass der vorzeitige Friedensschluss im Läupenkriege durch einen Umsturz der inneren Verhältnisse hervorgerufen wurde. Dann wären auch die weitgehenden Privilegien für Solothurn im Jahre 1340 begründet, wie sich erklären Hesse, warum Solothurn bei seinem Anschluss an das Bündnis Berns mit Österreich so grosses Gewicht auf die Wahrung seiner Pflichten gegenüber dem Wittelsbacher legte. Doch weist die Tatsache des Abschlusses ebendesselben Bündnisses darauf hin, dass es Solothurn in seiner bayrischen Gesinnung nicht allzu Ernst war. Auch kann man zwei Artikel der Bündniserneuerung zwischen Bern und Solothurn von 1351 so interpretieren, dass zwischen Karl IV. und der burgundischen Königsstadt Spannungen bestanden. Diese betrafen jedoch in erster Linie die Höhe der von Solothurn zu zahlenden Reichssteuer und wohl weniger das Schultheissenamt. Mit der Bestätigung der Freiheiten Solothurns im November 1353 wurde dieser Streitpunkt beseitigt. Doch ergaben sich bald neue Zwistigkeiten um das Schultheissenamt, das die Solothurner für sich beanspruchten, der König aber immer wieder anderen verlieh. Da in Solothurn das Schultheissenamt und die Reichsvogtei nicht klar voneinander getrennt waren, lässt es sich ohne besondere Studien nicht feststellen, was mit dem Ausdruck Schultheissenamt in den kaiserlichen Urkunden gemeint war199. Wenn auch dadurch zeitweise Spannungen mit i«8 Vgl. Amiet, Geschichte Solothurns, S.263. - SRQ, Solothurn, I, S.87, N.47; S.69f., N.40; S.83, N.43; S.87, N.47. - Vgl. K.M.Sdmppli, Geschichte der Stadtverfassung von Solothurn, Diss. Basel 1897. 199 Ch. Studer ist der Meinung, dass es sich um einen Irrtum der kaiserlichen Kanzlei handle und die Reichsvogtei gemeint sei. Dafür scheint vieles zu sprechen, besonders, da Karl IV. bestanden haben mögen, so zeigen doch die späteren Privilegien für Solothurn, dass die Stadt die Gunst des Kaisers zu erringen verstand200. Die Einstellung der eidgenössischen Orte zu dem Luxemburger lässt sich auch nicht eindeutig bestimmen. Während der letzten Lebensjahre Ludwigs des Bayern hingen die Länder, zeitweise jedoch ohne Obwalden, dem Kaiser an. Gewöhnlich ist man der Meinung, dass diese Gesinnung bis zu den Absolutionen des Jahres 1349/50 andauerte301. Wenn auch in dieser Zeit erst die endgültigen Absolutionen aller Orte erfolgten, so muss doch darauf hingewiesen werden, dass schon im Herbst 1347, wenige Wochen nach dem Tode des Kaisers, die Pfarrkirche Bürglen Ablass erhielt, in Schwyz und Muothatal Klöster und in Morschach ein Friedhof entsühnt und neu geweiht wurden202. Das scheint darzutun, dass die Eidgenossen beim Eintreffen der Nachricht vom Tode des Wittelsbachers daran dachten, den Luxemburger anzuerkennen, wie sich auch Albrecht von Werdenberg-Heiligenberg in den gleichen Tagen in den Dienst Karls IV. begab203. Was aber die Eidgenossen in der Folge davon abhielt, den König um Bestätigung ihrer Privilegien zu bitten und sich von Bann und Interdikt absolvieren zu lassen, ist nicht zu erkennen. Es ist möglich, dass wir den Bericht Vitodurans, für die Absolution seien sehr hohe Abgaben gefordert worden, auf die eidgenössischen Orte zu beziehen haben204. So könnten sich die Länder geweigert haben, diese Summen zu zahlen, und sind deshalb noch weiterhin im Interdikt verblieben. Wäre dies auch ein möglicher Grund, um den langen Zeitraum zwischen den ersten und den endgültigen Absolutionen zu erklären, so genügt er doch wohl nicht allein. Man muss daneben auf den noch andauernden Marchenstreit zwischen Schwyz und Einsiedeln hinweisen, der erst beigelegt sein musste, um eine endgültige Lösung vom Interdikt zu ermöglichen. Wahrscheinlicher ist es jedoch, wenn man sich die Angelegenheit so vorstellt : Nach dem Eintreffen der Todesnachricht scheint wenigstens ein Teil der Eidgenossen, dem Wunsche folgend, möglichst bald das Interdikt loszuwerden, den neuen König anerkannt und dadurch Absolutionen erwirkt zu haben. Schon bald darauf wurden diese Leute in ihrem Entschluss schwankend, vielleicht als sie hörten, dass ein Gegenkandidat aufgestellt werden sollte, und nach sicherlich gepflogenen Beratungen kam man zu einer anderen, einheitlichen Stellungnahme. Man näherte sich den Wittels- die späteren Urkunden mehrfaoh nur vom Amt sprechen, ohne näher zu bezeichnen, was für ein Amt gemeint sei. SRQ, Solothurn, I, S. 87, Bemerkung. Vgl. die übrigen Urkunden über dos Sohultheissenamt und die Reichsvogtei, ebendort, N. 52-54, 56-58, 60, 61, 71. 200 1366, in SRQ, Solothurn, I, S. 136f., N. 69, und 1376, S. 155f;, N. 79. 201 Vgl. Oecltsli, Beziehungen, S. 323. 202 Reg.ep.Const., II, N. 4833 (1347 X 31), N. 4834 (XI 3), N. 4836 (XI 6), N. 4837 (XI 7). - Vgl. A.Nüscheler, Die Gotteshäuser der Schweiz, Geschfr., XLI, XLV, XL VI. 203 1347X1 21,Const., VIII, S.398.N.349; = Reg. imp., VIII, N. 441; = Krüger, Reg., N.323. Sollte die Fehde, von der Heinrich von Diessenhofen berichtet, mit dem Streit zwisohen Österreich und den Eidgenossen zu tun haben ? Heinrich von Diessenhofen, S. 84. 204 Vitodurtm, S. 278. - Vgl. Reg.ep.Const., II, N.4866. 148 149 bachern oder blieb ihnen weiterhin treu205. Dabei werden die oben angeführten Gründe auch eine Rolle gespielt haben, ebenso wie die Nachricht, dass Albrecht von Werdenberg in den Dienst Karls IV. getreten sei. Auch die Haltung der Nachbarn, vielleicht sogar Zürichs, wird diesen Entschluss mitbestimmt haben. Möglicherweise getrauten sich die Eidgenossen auch nicht, vor den Luxemburger zu treten, nachdem sie die luxemburgische Sache in dem Augenblick verlassen hatten, als Karl die Geschicke seines Hauses mehr und mehr in die Hand nahm. Vor allem scheinen sie sich über das Verhältnis Österreichs zu Böhmen getäuscht zu haben. Wenn sie auch nicht von dem Defensivbündnis des Jahres 1341 gehört haben sollten, so waren ihnen die Heiratsverhandlungen beider Häuser ohne Zweifel bekannt, und sie mussten annehmen, dass der neue König nun bedingungslos für die österreichischen Belange eintreten werde. Diese Annahme musste für sie an Wahrscheinlichkeit gewinnen, je klarer sie erkannten, wie sehr Karl auf eine wohlwollende Haltung des österreichischen Herzogs angewiesen war. So kam nach anfänglicher Zurückhaltung Österreich den Waldstätten in der Anerkennung Karls IV. zuvor. Dabei gelang es Herzog Albrecht, weitgehende Privilegien zu erhalten, darunter eines, das alle Verleihungen und Beschlüsse Ludwigs des Bayern aufhob, die Österreich schädlich seien206. Diese Freiheit konnte den Eidgenossen sehr gefährlich werden, falls sie auf die Länder angewandt wurde. So konnten der Schiedsspruch des Jahres 1334, die Urteile von 1316 und 1324 sowie verschiedene Privilegien angefochten werden, und Österreich konnte versuchen, auf den Zustand vor dem Morgartenkriege zurückzugreifen. Wahrscheinlich hatte dieses Privileg auch eine Änderung der österreichischen Politik gegenüber den Eidgenossen zur Folge. Wenigstens häufen sich in dieser Zeit die Reibereien und Übergriffe. Da aber kaum angenommen werden kann, dass die Eidgenossen gerade dann offensiv vorgingen, als sie auf keinerlei Unterstützung rechnen konnten, muss geschlossen werden, dass die österreichische Verwaltung nun den Anlass dazu gab oder sich doch jetzt schärfer gegen Übergriffe der Orte wehrte. So kam es bald zu Streitigkeiten, die dann bei der Belagerung Zürichs ausgefochten wurden. Doch so weit war es noch nicht. Als Zürich, Konstanz und St. Gallen sahen, dass auch Günther von Schwarzcnburg kaum auf Erfolg als Gegenkönig rechnen konnte und es Karl durch die Heirat mit Anna von der Pfalz gelungen war, ein wichtiges Glied der wittelsbaohischen Familie für sich zu gewinnen, anerkannten sie Karl IV.207. Endlich, nachdem sich der Luxem- a0G Es sei auch darauf hingewiesen, dass sich die schwäbischen Städte, jedoch ohne Konstanz, Zürich und St. Gallen, noch nach dem Tode dos Kaisers mit Ludwig von Brandenburg verbanden. Sollte das Bündnis der drei oberländischen Städte sieh auch in ähnlicher, vielleicht sogar noch engerer Weise an diesen angelehnt habon ? Reg.imp., VIII, 2Í.29R, 1347 XII 14. "« 1348 VII 31, Oonst., VIII, S.639, N.628; = Reg.imp., VIII, N.725. a0' 1349 IV 23 erhält Zürich Privilegbestätigung. Obwohl diese Urkunde nicht ins Itinerár Karls passt, seheint sio schon wegen des Zusammenhanges mit Konstanz und burger überall durchgesetzt hatte, sahen sich auch die eidgenössischen Orte gezwungen, den Pfaffenkönig als ihren obersten Herrn anzusehen. Sie huldigten ihm jedoch noch nicht, weil er weit entfernt weilte, erlangten aber die Absolution vom Interdikt208. Jetzt war die Zeit gekommen, um den Streit mit dem Kloster Einsiedeln beizulegen, welcher Aufgabe sich der Abt von Disentis unterzog. Doch zeigt die Zeugenliste des Schiedsspruchs, dass auch weitere Kreise, so vor allem Zürich, an einer Einigung interessiert waren209. Da Bürgermeister Brun von den. Vorbereitungen zur Zürcher Mordnacht wusste, war er sicherlich bestrebt, durch Beilegung der Konflikte eine Unterstützung seiner Stadt durch wittelsbachisch Gesinnte, wie es die Eidgenossen waren, zu ermöglichen. Für die Länder war eine Beilegung dieses Streites schon deshalb wichtig geworden, weil sich der neue Abt von Einsiedehi in österreichischen Schutz begeben hatte und damit gerechnet werden musste, dass Österreich diesen Streit neuerdings als Vorwand zum Eingreifen in eidgenössische Dinge benutzen würde. Weiterhin war es vor allem für Schwyz unerlässlich, sich mit Einsiedeln zu einigen, um vom Bann und Interdikt befreit zu werden. Nach Beilegung der Einsiedler Streitigkeiten wurden Schwyz und Unterwaiden absolviert, nachdem sie wohl gleichzeitig Karl IV. anerkannt hatten. Auch Ludwig von Brandenburg, der Herr Tirols, schloss im selben Monat mit Karl IV. endgültig Frieden und wurde vom König mit Tirol belehnt210. Obwohl wir die Gründe, welche die Eidgenossen bewogen, so lange dem Luxemburger die Anerkennung zu versagen, ,nur vermuten können, scheint vieles daraufhinzuweisen, dass sich die Waldstätte eng an den Beherrscher Tirols angeschlossen haben. Sie besassen zum Teil die gleichen Feinde, wie den Bischof von Chur und wohl auch Albrecht von Werdenberg, der seinen Dienst für Karl IV. sicherlich in den Tiroler Kämpfen leistete. Wenn auch kein Beweis dafür erbracht werden kann, so besteht zumindest die Möglichkeit, dass Eidgenossen als Söldner der Wittelsbacher in Tirol fochten211. So Schemen die Waldstätte von Ludwig dem St.Gallen ausgestellt worden zu sein. Eine diplomatische Untersuchung wäre jedoch notwendig. Vgl. auch Geschfr., IV, S. 191ff. - Zürcher Chronik, ed. J.Dierauer, S.46, 6:1349 V 3 «do was die pfaffhait wider gen Zririch komen, als si von Keiser Ludwigs wegen was usge-schlagen. Und uf den selben tag vieng man wieder an gotzdienst haben...». Am 5.V.1349 erfolgt eine Altarweihe in Zürich, Rog.ep.Const., II, N.4908, vgl. N.4910; Privileg für Konstanz 1349 IV 28, Reg. imp., VIII, N. 938; 6590. Absolutionen in Konstanz 1349 IV 4, vgl. Reg. ep. Const., II, N. 4903/04. Privileg für St. Gallen 1349IV 20, Rog. imp., VIII, N. 6585.~ Vgl. Werwnaky, II, 1, S. 172. - Diemuer, I, S. 170. 2»8 1349 XI 16, Uri, Reg.ep.Const., II, N. 4933; XI 21, J. v. Attinghusen, ebendort, N. 4936; 1350 II 16, Schwyz, ebendort, N. 4956; 1360 III 10, Unterwaiden, ebendort, N.4963, 4965. Für Schwyz vgl. noch N. 4970-4974, 204, sowie 4937. 1350 II 8, EA, I, S.28, N.78. Die Züroher Mordnacht erfolgte wenige Tage später am 23. Februar; vgl. Largiader, Zürichs ewiger Bund mit den Waldstätten vom l.Mai 1351, Neujahrsbl. d.Feuerwerkerges. Zürich, S. 21. 210 1350 II 16 finden die Verhandlungen zwischen Karl und Ludwig ihren Abschluss. Vgl. Reg.imp., VIII, N. 1224-1227, 6641, R. 116-122. 211 Da das Privileg Ludwigs des Bayern für Johannes von Attinghusen während dos Krieges gegen Karl IV. in Brixen ausgestellt wurdo, besteht wohl kein Zweifel, dass der 150 151 Brandenburger wirksame Unterstützung erwartet zu haben und versprachen sich wahrscheinlich auch von einem wittelsbachischen Gegenkönig eher eine Anerkennung ihrer Forderungen als von dem Luxemburger. Mit der Huldigung und dem Ersuchen um Bestätigung ihrer Privilegien warteten die Länder, bis sich der König wieder eidgenössischem Gebiet näherte212. So fanden die Verhandlungen über die Privilegien erst statt, als Karl IV. wegen der Streitigkeiten zwischen den Eidgenossen und Österreich nach Zürich kam213. Als es sich zeigte, dass Karl IV. keine Gegnerschaft im Reich mehr zu fürchten hatte, wollten die vertriebenen Zürcher, unterstützt vom Grafen Johann von Habsburg-Laufenburg, versuchen, die Verfassungsänderung aus der Zeit des Wittelsbaohers rückgängig zu machen. Nach längeren Vorbereitungen brach mit der Zürcher Mordnacht der Konflikt aus. Nachdem der Aufstandsversuch niedergeschlagen war, versuchte Bürgermeister Brun, den Streit friedlich beizulegen, und bemühte sich, die Unterstützung Österreichs zu erlangen, dessen Macht seit dem Laupenkrieg in den Vorlanden stetig anstieg214. Da Zürich weder mit den Grafen von Habsburg-Laufenburg Frieden schliessen konnte, noch das Bündnis mit Österreich zustande kam, schlug Brun los und versuchte durch vollendete Tatsachen, die Rapperswiler Frage zu Zürichs Gunsten zu entscheiden. Doch führte das nur zum energischen Eingreifen Österreichs. Herzog Albrecht der Lahme kam selbst in die Vorlande, und Österreich zog starke Kräfte zusammen. So musste sich Zürich nach einem Rückhalt umsehen. Von den Reichsstädten konnte Zürich keine Hilfe erwarten, nachdem es sein Bündnis mit den schwäbischen Reichsstädten nicht erneuert und der König den Städtebund aufgelöst hatte215. Abgesehen von den Eidgenossen konnten ihm auch die Freunde der Wittelsbacher keine wirksame Hilfe leisten. Nur von den Eidgenossen war eine tatkräftige Unterstützung zu erhoffen. Schon durch ihre wittelsbachische Gesinnung und den starken Einfluss der unteren Volks- Urner Landammann sieh boi der Verteidigung Tirols auszeichnete. 1347 V 1 Geschfr., X, 25. Vgl. auch oben, S. 138, Anm. 163, den Hinweis auf einen Swiczerus, der Burghut in Tirol leistete. 218 Auch Zürich wartete noch, bis es sich seine Privilegien im einzelnen bestätigen liess, obwohl es schon eine allgemeingehaltene Bestätigung seiner Freiheiten orhalton hatte. 218 Matth, v. Neuenbg. berichtet im Zusammenhang mit den Zürcher Verhandlungen: «Et obedierunt regi valles, que in XXXVI annis hulli parebant.» Im allgemeinen wird angenommen, dass sich Matth, v. Neuenbg. bei dieser Aussage geirrt habe. Rechnet man jedooh von den Absolutionen im Jahre 1349/50 sechsunddreissig Jahre zurück, so kommt man auf das Jahr 1313/14, also in die Zeit, als Heinrich VII. gestorben war und der Morgartenkrieg sich vorbereitete. Da Matthias als Anhänger des Papstes und enger Mitarbeiter Berchtolds von Buehegg Regierungshandlungen Ludwigs des Bayern nicht anerkennen konnte, musste er zu der Aussage kommen, dass die Eidgenossen während 36 Jahren niemand gehorchten. Vgl. Matth, v. Neuenbg., S. 467f. Der Continuator hatte wohl die gleiche Geisteshaltung. 211 Vgl. Largiader, Brun, S.84ff. 218 Vgl. Largiader, Geschichte Zürichs, S. 137f. Die Aussage Brennwalds, dass Zürich nicht nur die Unterstützung Österreichs, sondern auch die Karls IV. nachgesucht habe, ist recht wahrscheinlich. Für die Auflösung des Landfriedens vgl. Reg.imp., VIII, N.1291b; — Heinrich von Diessenhofen, S. 76 (1360 V). schichten waren alle Voraussetzungen gegeben, dass die Waldstätte die Zürcher Verfassung auch mit den Waffen erhalten halfen. Bei dem schärferen Vorgehen der Österreicher gegen die Urkantone waren auch die Eidgenossen geneigt, mit Zürich einen Bund abzusohliessen. Gelang es Österreich, Zürich zum. Stützpunkt österreichischer Politik zu machen, so wäre ein Vorgehen gegen die Länder erleichtert worden. Aber nicht nur diese allgemeinen Gründe bewogen die Eidgenossen zum Abschluss des ewigen Bundes mit der mächtigen Reichsstadt. Schon seit Jahren lag der Urner Landammann mit den Grafen von Habsburg-Laufenburg im Streit wegen des Reiohszolls zu Flüelen. Der Kaiser hatte den Orten mehrfach befohlen, Johann von Attinghusen bei dem Besitz dieses Zolles zu schirmen, und sie selber hatten ein starkes Interesse daran, dass diese wichtige Einnahmequelle, die den Gotthardverkehr wesentlich beeinflusste und auch politisch ausgenutzt werden konnte, unter ihrem Einfluss stand. So sahen, die Eidgenossen nach der Mordnacht die militärischen Aktionen Zürichs gegen das Grafenhaus nicht ungern218. Als dann Österreich die Grafen gegen Zürich unterstützen wollte und Zürich sich nach Hilfe umsah, waren die Orte gerne bereit, den Zürchern Waffenhilfe zu leisten; denn sie konnten damit verhindern, dass die Rapperswiler Grafen ihren Anspruch auf den Reichszoll durchsetzten. Auf diese Weise kam es zum Abschluss des ewigen Bundes der Eidgenossen mit Zürich. Für unsern Zusammenhang ist die Garantie der Zürcher Zunftverfassung wohl der wichtigste Artikel des Bundesbriefs, da er nur dann voll verstanden werden kann, wenn man an die Spaltungen der Parteien im Reich denkt, die in Zürich durch Innere und Äussere vertreten, hier im kleinen Raum viel unerbittlicher aufeinanderstiessen. Durch die Wahl Karls IV. schienen die Errungenschaften der Brunscheri Revolution in Frage gestellt zu werden217. • Obwohl Zürich bei den Eidgenossen einen Rückhalt gefunden hatte, war es doch sehr schnell bereit, auf die Vermittlung des Grafen von Toggenburg, des Johanniterkomturs von Wädenswil und der Städte Bern und Basel einzugehen. Ein Schiedsgericht mit der Königin Agnes als Obmann sollte den Streit entscheiden. Die mächtige Stellung der Österreicher mochte ein solches Verhalten ratsam erscheinen lassen. Aber Zürich und die Eidgenossen forderten, dass der Spruch die Bünde, Eide, Freiheiten, Rechte und Gewohnheiten nicht berühren dürfe, wobei sie jedoch einräumten, dass nachgewiesene österreichische Rechte der eidgenössischen Gewohnheit vorangehen sollten218. Sie bestritten also gewisse österreichische Rechte oder Rechtsansprüche nicht. Die Königin Agnes stellte sich bedingungslos auf die Seite der österreichi- 218 Das geht aus dem Schreiben Zürichs an Schwyz hervor, wenn auch mit der Einschränkung, dass Schwyz nicht von Alt-Rapperswil aus bedroht werden wollte. EA, I, S.29, N.81. - Vgl. Tschudi, I, S.388. 217 Vgl. H.Nabholz, Der Zürcher Bundesbrief von 1351. - Largiader, Geschichte Zürichs, I, S. 138f. 218 1351IX 14, EA, I, S.263, N.21A. 152 153 sehen Schiedsleute und ihrer Forderungen. Auf Grund vorausgehender Schiedssprüche mögen die Eidgenossen eine günstigere Stellungnahme erwartet haben. Da der Spruch des Grafen Imer von Strassberg und des Bruders Peter von Stoffeln den Stand der Verhältnisse zwischen Österreich und den Waidstätten recht gut spiegelt, seien die wichtigsten Forderungen zusammengefasst: Zürich soll alle Schädigungen an österreichischen Lohen, vor allem in Rapperswil, wiedergutmachen, sowie alle österreichischen Untertanen aus dem Burgrecht entlassen. Von Luzern wird verlangt, dass es die Rechte Österreichs auf die Stadt anerkenne und dass das Luzerner Gericht selbst für Bürger der Stadt auf den engsten städtischen Gerichtsbezirk beschränkt bleibe. Unterwalden, Schwyz und Arth wollte man verpflichten, die österreichischen Eigengüter gemäss dem Schiedsspruch von 1334 sowie die Zofinger Münze anzuerkennen219. Darüber hinaus wurde gefordert, dass diese Orte den Herzog und seine Kinder «an den rechten und gerichten ir Grafschaft, die si da haben sullen, nut sumen noch irren sullen in keinen weg»220. Der entscheidende Artikel des ganzen Schriftstücks be- 210 «Darnach umh die vorgenanten Ammanno und die Landlüte gemeinlich von Under-walden, von Switz und von Arth, sprachen wir und dunket uns recht bi unsern eiden, daz si unserm Herren, dem Hertzogen und sinen kindon gehorsam sin und warten sullen, mit all den höven und kilchen3etzen, die er hat oder ieman von ime in den selben Waltstetten und habon sol mit allen den nutzen und guetern da darin und darzuo gehorent, wie die genant sint, mit besetzenne und entsetzonno und gemeinlich mit aller der gewalusami, gerichten und rechton, die unser vorgenant Herre, oder ieman von ine und von sinen wegen da hat und haben soll in aller der wise und mazze, alz sich vormalz mit wizzentlieher und rechter chuntschaft erfunden hat und noch ervindet, und alz die briefo geschriben sint und bewisent, die der egenanten unser Herre dar über hat von dem Römischen Keiser, von dem Gotzhuse von Muorbach oder von andern Lüten.» EA, I, S.2G8, N.21C. Aus diesem Satz erhellt ohne jeglichen Zweifel, dass die Schiedsgerichte von 1334 nur die Eigengüter und Kirchensätze Österreichs, nicht aber die Hoheitsrechte betrafen. Die Anspielung auf den römischen Kaiser kann man nur auf die Schiedssprüche von 1334 beziehen. Vgl. oben, S. 127ff. 220 Dieser Satz ist etwas missverständlich formuliert. Er steht in dem Artikel, dor Unter -walden, Schwyz und Arth behandelt, nicht aber die gesamte Eidgenossenschaft. Bisher nahm die Forschung an, dass damit Österreich die Restitution der gräflichen Rechte in Schwyz und Unterwaiden fordere. Wenn dem so sei, so müssten schon dio Verben «sumen noch irren» in Erstaunen setzen. In der gleichen Urkundo wird von Luzern Gehorsam gefordert, und im vorangehenden Satz sollen die gleichen Orte mit Höfen und Kirchsätzen Österreich «gehorsam sin und warten», während hier von keinem Subordinationsverhältnis gesprochen wird. Die Verben deuten doch vielmehr an, dass ein Subordinationsverhältnis von Dritten gestört wird oder dass die Ausübung österreichischer Rechte innerhalb des anerkannten österreichischen Gebietes, ihrer Grafschaft nämlich, gehindert oder aufgehalten wird. Schon der folgende Satz dor gleichen Urkunde zeigt, dass es sich bei diesem Passus darum handelt, eine Behinderung der Ausübung anerkannter österreichischer Rechte zu verhindern. Deshalb kann es sich hier nur um die Rechte und Gerichte in der anerkannten österreichischen Grafschaft in der Nachbarschaft der Eidgenossenschaft handeln. Damit wäre aus diesem Satz nichts anderes herauszulesen, als dass Unterwaiden, Schwyz und. Arth österreichische Untertanen von der Erfüllung ihrer Pflichten gegenüber der gräflichen Gewalt abgehalten oder daran gehindert hätten, was nun für die Zukunft abgestellt werden soll. {So interpretiert übrigens auch Tschudi, der als Randglosse zu diesem Artikel bemerkt: «Ungesumt an ir Grafschaft vor den Sewen lassen.» I, S. 399.) Damit bestätigte dieses Schriftstück, was wir aus anderen Quellen wissen, dass die Eidgenossen versuchten, österreichische Untertanen, wie z.B. die Glarner, auf ihre Seite herüberzuziehen. Mit der Störung der österreichischen Verwaltungstätigkeit gab sich die Gegenseite nicht zufrieden und forderte nun die Abstellung dieser Übergriffe. (Vgl. A.Heusler, Die Rechtsfrage zwischen Schwyz und Habsburg, Schweiz.Museum, III, S. 271ff.) Überhaupt ist es doch recht unwahrscheinlich, dass Österreich, dazu noch unter Herzog Albrecht dem Lahmen, noch um die Mitte des 14. Jahrhun- stimmt, dass die Eidgenossen «sunderlich mit all iren Beton, burgern und landtlüten gemeinlich» einen jährlich zu erneuernden Eid leisten sollten, der sie verpflichtete, Österreich gegen jeden ihrer Mitbürger, der diesen Vertrag überträte, Hilfe zu leisten221. War auch Zürich bereit, diesen Spruch anzunehmen, so konnten und wollten das die Eidgenossen, besonders Luzern, nicht tun. Welche Artikel die Eidgenossen vor allem störten, erhellt aus einem Vergleich mit dem Brandenburger Frieden, der im wesentlichen dem Schiedsspruch des Grafen Imer von Strassberg folgt. Doch fehlen in jenem die Beschränkung des Luzerner Stadtgerichts und die Forderung, dass Luzerner Bürger während ihres Aufenthaltes auf dem Lande den österreichischen Gerichten unterstehen sollten. Dies war also der entscheidende Punkt, der die Luzerner hinderte, den Frieden anzunehmen222. Auch die übrigen Orte weigerten sich, von jedermann beeiden zu lassen, dass Österreich zur Eintreibung seiner Zinse und Abgaben die Hilfe der eidgenössischen Orte beanspruchen dürfe. Mit diesem Eid, dessen rechtlicher Inhalt völlig unverfänglich war und jedermann als billig erscheinen musste, versuchten die Österreicher, den eidgenössischen Vorbehalt der Eide, Bünde, Freiheit und alten Gewohnheit zu umgehen. Obwohl der Vorbehalt zumindest formell von österreichischer Seite anerkannt worden zu sein scheint, weil keine Forderung des Schiedsspruches offen den eidgenössischen Bünden oder offenkundigen Rechten widerspricht, bedeutete dieser Artikel in der vorliegenden, uneingeschränkten Form nichts anderes als den Versuch, die Eidgenossenschaft von innen heraus zu sprengen. Ein solcher Eid wäre einer Auflösung der Bünde nahe gekommen, da er leicht diejenigen Hilfeleistungen verhindert oder erschwert hätte, die den Bestand der eidgenössischen Bünde ausmachten. Es wäre dann der Eid, seine Miteidgenossen zu unterstützen, derts die Reichsfreiheit der Waldstätte bestritten haben soll. Wenn man jedoch darauf achtet, was Österreich nicht fordert, dann spricht das Aktenstück den Eidgenossen eine ganze Reihe von Rechten zu, die zu dem Schluss zwingen, Österreich betrachte die Eidgenossenschaft als bestehende Territorialmacht mit den dazugehörenden Rechten. Die Gegenstände des Streites hatton sich schon in Gebiete verschoben, die nicht zu den eigentlichen Waldstätten gehörten. In dem gleichen Entscheid soll nun, wie Dicrauer sieh ausdrückt, an sehr versteckter Stelle, Österreich die gräflichen Rechte über Schwyz und Unter -walden wiederum zugesprochen werden. (Vgl. Dierauer, I, S.181, Anm.8.) Wenn diese Forderung nur in der Ausfertigung erschiene, die die Königin Agnes als Obmann des Sohiedsgeriohtes erliess, könnte man vielleicht noch verstehen, dass versucht worden sei, eine so wichtige Forderung in den Vertrag zu verstecken. Da aber über den Spruch zuerst noch verhandelt werden musste, hätte es auch gar keinen Sinn gehabt, dio wichtigste Forderung unter andern zu verstecken. Sie wäre dann bestimmt als gesonderte Forderung in die Urkunde aufgenommen worden. So kann wohl koinorlei Zweifel daran bestehen, dass es sich hier, genau so wie an den andern Stellen des Schiedsspruchs, wo von Grafschaft die Rede ist, um die an die Eidgenossenschaft grenzenden Gebiete Österreichs handelt, wenn auch zugestanden werden mag, dass die Formulierung des Satzes nicht völlig klar ist. Im übrigen möchte ich hier Herrn Prof. A.Bruckner danken, der die Schreibung dieses Satze3 in dem Exemplar des Zürcher Staatsarchivs für mich verglich. 221 EA, I, S.264ff., N.21C. 222 Heinrich von Diessenhofen, S. 82, berichtot: «...nee adimplero volontibus, maxime Lucernensibus plus ceteris rebellantibus.» 154 155 gegen den Eid gestanden, Österreich zur Durchsetzung seiner Rechte zu verhelfen. Da es säumige Zahler immer gibt, hätte sich jederzeit ein Rechtsgrund oder ein Vorwand finden lassen, die Befolgung dieses Vertrages und Eides zu verlangen. Auf diese Weise konnte ein solcher Eid, falls er nicht durch Vorbehalte kräftig abgeschwächt wurde223, dem eidgenössischen Zusammenhalt weitaus gefährlicher werden, als eine Forderung auf Restitution der gräflichen Rechte, die bei Lage der Dinge Österreich niemand mehr zugesprochen, geschweige denn durchgesetzt hätte. Deshalb weigerten sich die Waldstätte, den Spruch anzunehmen. So wurden die Waffen wieder ergriffen. Der Tod der österreichischen Herzogin und Zwistigkoiten im österreichischen Heer verschafften den Eidgenossen bald die Möglichkeit, offensiv vorzugehen. Dabei fanden sie die Unterstützung von Glarus und Zug, mit denen im Jahre 1352 unbefristete Bündnisse abgeschlossen wurden. Dennoch lastete der Krieg schwer auf der Eidgenossenschaft. Auch Albrecht der Lahme wünschte Frieden. So gelang es im Spätsommer 1352 Markgraf Ludwig von Brandenburg, dem Sohn Ludwigs des Bayern, einen Frieden zwischen den Parteien zu vermitteln. Markgraf Ludwig war der gegebene Mann für diese Aufgabe. Als Haupt der wittelsbachischen Partei im Reiche und als Herr Tirols besass er das Vertrauen der Eidgenossen, ist es doch sehr wahrscheinlich, dass die Waldstätte Ludwig in den Kämpfen gegen Karl IV. im Jahre 1347 und auch sonst unterstützt hatten. Andererseits legte der Brandenburger, der sich kurz zuvor mit Albrecht von Österreich verbündet hatte, grossen Wert auf ein gutes Verhältnis zu Österreich224. So kam recht schnell ein Kompromiss zustande. Beide Parteien kamen überein, die Rechte, welche die Gegenpartei vor den Streitigkeiten besass, anzuerkennen und zu wahren. Es sollte alles unterlassen werden, was die Gegenseite an ihrem Besitz oder ihren Hoheitsrechten irgendwie schmälerte. Durch ein ausdrückliches Ausburgerverbot gegenüber österreichischen Untertanen suchte man künftige Zwistigkeiten zu vermeiden und wollte so klare Grenzen schaffen. Die Eidgenossen wurden verpflichtet, Österreich Rechtshilfe zu leisten, falls seinen Rechten in den Waldstätten nicht nachgekommen werde. Dagegen musste Österreich den eidgenössischen Vorbehalt der Eide, Bünde, Freiheit, Rechte und guten Gewohnheit, also den Zusammenschluss der Eidgenossen, die Reichsfreiheit und den Besitzstand formell bestätigen225. "3 Vgl. den Regensburger Frieden, der wohl beeidet wird, und in welchem sich die eidgenössischen Orte eidlich verpflichten, Österreich nach einem festgelegten Verfahren Rechtshilfe zu leiston. Dort werden aber die eidgenössischen Bünde, Eide usw. ausdrücklich vorbehalten. EA, I, S.291ff., N.27. Vgl. unten, S. 160f. 224 Schon längere Zeit stand Markgraf Ludwig zu Albrecht II. in recht gutem Verhältnis, sohon deshalb, weil er Österreichs Vermittlung in seinen Streitigkeiten mit Karl IV. brauchte. 2« 1352 IX 1-23, EA, I, S. 279ff., IST. 24. - Vgl. Dierauer, I, S. 193f. - Betreffend des Luzerner Bundes vgl. Segesser, I, S. 269 f. Obwohl dieser Friede, dessen Inhalt mehr oder weniger in dem Regensburger Frieden wiederkehrt, einen für beide Teile tragbaren Kompromiss darstellte, stiess seine Verwirküchung auf Schwierigkeiten. Schon im folgenden Jahr brach der Konflikt neu aus. Daran mochten Unklarheiten und Meinungsverschiedenheiten darüber, was als österreichischer Besitz und wer als österreichischer Untertan zu gelten habe, Schuld tragen. Zürich und Luzern scheinen ihre Ausburger nicht entlassen zu haben. Aber auch die Länder befolgten anscheinend die Bestimmungen nicht genau, be-sassen sie doch «Briefe» Ludwigs des Bayern, die österreichische Eigengüter in den Waldstätten enteigneten. Die entscheidenden Gegensätze werden wegen der Aufhebung der Bünde mit Glarus und Zug entstanden sein. Die Beschuldigung Zürichs, dass Österreich den Frieden nicht halte, weist daraufhin, dass auch die Gegenseite den Vertrag zu ihrem Vorteil zu interpretieren suchte22". In diese Zeit, noch bevor sich zeigte, dass der Brandenburger Friede nicht von Dauer sein werde, fällt der ewige Bund Berns mit den Waldstätten. War auch Bern den Eidgenossen nie feindlich gesinnt, so stand es doch seit dem Laupenkrieg im Bündnis mit Österreich, jedoch ohne die Pflege guter Beziehungen zu den Ländern zu unterlassen. Es könnte sein, dass durch den Sturz Johanns von Bubenberg und die «mehr volksmässige Richtung der Politik»227 Bern die Annäherung an die Waldstätte gesucht hat. Dennoch blieb Bern dem österreichischen Bündnis treu. Nur mag die immer stärker werdende Position Österreichs die Berner bewogen haben, rechtzeitig durch eine Anlehnung an die Waldstätte zu verhüten, dass Bern zu sehr an Österreich gebunden wurde und in seinem Gefolge an Unabhängigkeit einbüsste. Dabei könnte der Schiedsspruch, den Königin Agnes entgegen der Ansicht der Berner Schiedsleute fällte, die Aarestadt belehrt haben, wie wenig Gewicht Österreich auf das Wort Berns legte. Diese Überlegungen scheinen jedoch allerhöchstens in zweiter Linie Bern bewogen zu haben, mit den Ländern einen Bund einzugehen, denn sohon dadurch, dass der Bund nicht auch mit Zürich und Luzern abgeschlossen wurde, lässt sich erkennen, dass Bern einen Bruch mit Österreich vorerst nicht wünschte. Im Vordergrund stand für Bern die Bedrohung des Oberlandes durch Obwalden. Durch das Bündnis mit den Waldstätten sicherte Bern sein Interessengebiet vor einer Einmischung der Länder. Diesen war ein dauerndes Bündnis mit Bern nicht nur deswegen erwünscht, weil sie so die mächtige Aarestadt als Bundesgenossen, vorerst jedoch nicht gegen Österreich, gewannen, sondern auch deswegen, weil damit ein Zweifrontenkrieg, wie er bei Morgarten durch die Schnelligkeit des eidgenössischen Sieges vermieden worden, für alle Zukunft verhindert wurde. Nach dem Abschluss des Bündnisses zwischen Karl IV. und Rudolf von Österreich glaubten die Österreicher anscheinend, fest mit der Unter- 228 Vgl. Schreiben Zürichs an Herzog Albrecht 1353 X 16, EA, I, S.37, N.98; = Reg. imp., VIII, N.I82R. 221 Feiler, I, S. 158. 156 157 Stützung des Luxemburgers rechnen zu können, und vertraten energisch ihre Forderungen228. Wenige Monate nach dem Bündnisabschluss fordern König und Herzog die Stadt Zürich auf, eine Gesandtschaft wegen der Streitigkeiten zum Könige zu senden229. Seiner Wesensart entsprechend versuchte Karl IV., zwischen den Eidgenossen und Österreich zu vermitteln. Dazu kam er selber nach Zürich. Nachdem ihn die Zürcher feierlich empfangen hatten, kamen auch die inneren Orte, um sich ihre Privilegien bestätigen zu lassen. Doch schon dabei gab es neuen Streit, denn anwesende Räte des jungen Herzogs Rudolf, der seine Macht, wo nur immer möglich, erweitern wollte, bestritten nach der Schilderung des Matthias von Neuenburg die Reichsfreiheit von Schwyz und Unterwaiden. Als Karl sich darauf die Privilegien der Orte vorlegen liess, sahen sich die österreichischen Räte jedoch gezwungen, die Freiheit der Orte anzuerkennen. Sie deckten ihren Rückzug mit dem nicht gerade überzeugenden Argument, dass man ihnen diese Privilegien nie gezeigt habe und sie deshalb davon nichts gewusst hätten230. Dennoch bestätigte Karl IV. nur die Freiheiten von Zürich und Uri231, da kaum anzunehmen ist, dass die Erneuerungen für Schwyz und Unterwaiden verlorengingen; es sei denn, dass darin Vorbehalte enthalten waren, die österreichische Rechte in diesen Orten sicherten, und die Urkunden deshalb in späterer Zeit vernichtet wurden. Wahrscheinlicher ist es jedoch, dass der König diese Orte, weil sie die Vermittlung Karls am schärfsten ablehnten und durch den österreichischen Protest ein Vorwand vorhanden war, unter Druck setzen wollte, damit sie sein Vermittlungsangebot annahmen. Da andere Aufgaben Karl zum Aufbruch zwangen, vertagte er wie die Vermittlung auch die Privilegienbestätigung für Schwyz und Unterwaiden; denn an ihrer Reichszugehörigkeit zweifelte er keinesfalls, da er in einer Urkunde für das Kloster Wettingen alle drei Orte «des heiligen Richs Lande» nennt232. Im nächsten Frühjahr besuchte Karl IV. wieder Zürich und wollte den Streit endgültig beilegen. Noch zu Beginn des Jahres nahm er fest an, dass es ihm gelingen werde, wie vom Herzog Albrecht so auch von den Eidgenossen die Einwilligung zu erhalten, über die Streitfragen einen gütlichen 223 1353 III 13/14, Eeg.imp., VIII, N.164B, 1544a, 1545. 220 1353 VIII28,GeleitbriefKarls,EA,I,S.37,N.97. 23° Matth, v. Neuenbg., S.467: «At illi cum vallibus Swizie nolentes duoi subici se ad ser-viendum regi et imporio obtulerunt. Sicque venit Thuregum, et östonduntur privilegia imperatorum pro vallibus antiqua; et cum per ministros duois diceretur, cur ea non ante monstrassent, ipsi responderunt, quod pro nullo metu ea alteri quam eorum domino prinoipi Romano monstrarent.s Vgl. Zürcher Chronik, ed. J.Diorauer, QSGt, XVIII, 8.67. 1353 X 13/14, Privilegien für Zürich, Reg.imp., VIII, N. 1625-1628. - 1363 X 15 verleiht J.von Mos Vogtei in Leventina, a.a.O., N. 1630/31. - 1353 X 16 bestätigt J. von Attinghusen Zoll KU Elüelen, a.a.O., N". 1632, erneuert Privileg für Uri, a.a.O., N. 1633. - 1354IX 1, Privileg betreffend Urseren, a.a.O., N. 6114, Datierung sieher falsch. 232 1354 IV 27, «in des heiligen Richs landon, ze Uri, ze Switz, ze Unterwaiden», Urk. Wettingen, N.500, STA Aarau, abgedruckt bei Tschudi, I, S.430. Obwohl die Urkunde erst am Ende des zweiten Aufenthalts Karls in Zürich ausgestellt wurde, kann kein Zweifel aufkommen, dass darin otwas ausgesagt wurde, was der königlichen Meinung nicht entspricht, besonders wenn man das ausgebaute Kanzleiweson Karls IV. berücksichtigt. Schiedsspruch zu fällen233. Falls die Eidgenossen die Vermittlung oder den Spruch nicht annehmen wollten, versprach der König Österreich militärische Unterstützung234. Doch waren die Orte nicht bereit, die königliche Vermittlung ohne weiteres anzunehmen. Sie stellten die Bedingung, dass der Spruch ihre Eide, Bünde, Freiheiten, Rechte und Gewohnheiten nicht berühren dürfe. Den Entscheid der Königin Agnes vor Augen, Hessen sie sich durch keinerlei Zuspruch davon abbringen. Karl IV. konnte seiner königlichen Würde wegen einem solchen Vorbehalt nicht zustimmen, um so mehr als ein Teil der Streitpunkte in diesen Bünden selber beruhte. Obwohl die mittelalterliche Rechtsanschauung eine Handlung, die gegen althergebrachtes Recht oder eine gute Gewohnheit verstiess, als Unrecht betrachtete, wollten die Waldstätte auf alle Fälle sicher gehen. Sie trauten Karl IV. anscheinend einen ihnen recht ungünstigen Spruch zu, da sie sonst auf seine Vermittlung sicher eingetreten wären. Einen ungünstigen Entscheid des Königs wollten sie aber unter allen Umständen vermeiden. Abgesehen von der Frage, ob sich der König Bedingungen stellen lassen konnte, schloss aber ein Vorbehalt der Bünde gerade den wichtigsten Gegenstand der Streitigkeiten, die Bünde mit Zug und Glarus, von der Behandlung in einem Schiedsgericht aus. Karl hoffte, durch eine erneute Vertagung der Angelegenheit einer Lösung näher zu kommen235. Er machte dem österreichischen Herzog sogar den Vorschlag, die strittigen Rechte und Gebiete abzukaufen. Doch wies Herzog Albrecht diesen Vermittlungsvorschlag empört von sich236. Er zwang vielmehr den König, sein Versprechen einzulösen237 und Österreich gegen Zürich zu unterstützen. So kündigte Karl IV. schon wenige Monate später den Waffenstillstand und schickte den Zürchern einen regelrechten Fehdebrief, der klar darlegt, dass Karl wegen seiner Bündnisse mit Österreich als dessen Helfer Zürich bekriegen müsse238. Obwohl an der Belagerung Zürichs Reichsstädte und andere Hilfstruppen des Königs teilnahmen, liegt dennoch kein eigentlicher Reichskrieg vor, da abgesehen von dem Fehdebrief Karls keine Reichsacht erfolgte, die eine Reichsexekution eingeleitet haben müsste. Seinem ganzen Wesen nach mag es Karl IV. recht schwer gefallen sein, 233 1353 IX 18 ermächtigte Albrecht Karl zur Vermittlung zwisehon ihm und den Eidgenossen. Reg. imp., VIII, N. 179 R. 231 1354 I 6, Schreiben Karls an Herzog Albreoht, EA, I, S.37f., N. 99, zeigt, dass Karl keinen Krieg wollte. 285 1354 IV 25, Karl IV. erlässt einen Waffenstillstand zwischen Österreich und den Eidgenossen, während dem er woitorhin vermitteln will. EA, I, S.38, W. 100: = Reg.imp., VIII, N. 1828. 233 Matth, v. Neuenbg., S.476: «De emendo pro imperio Luceriam et Züge municiones Australis, racione quarum tot soandala sunt suborta...» 237 Matth, v. Neuenbg., S. 477: «Et conveniunt in Ratisponarex, dux et Marohio Branden-burgensis, extra civitatem tarnen manens, accedere nolens regem. Et irato duci dixit rex so credidisse ei oomplacere in tractatibus predictis, sed ex quo ei displiceret, se in propria persona cum omni gente imperii cum duce in Thuricensium obsidionem iturum.i) Vgl. Reg imp., VIII, N. 1875/76. 333 1 354 VI 20, EA, I, S. 38f., N. 101: «Wir müzzen im seiner Reohte helfen.» 158 159 gegen die Reichsstadt Zürich zu kriegen, während ihn Italienpläne beschäftigten. Auch die aufgebotenen Reichsstädte und andere Teilnehmer des Zuges nahmen an der Belagerung keineswegs freudig teil. Schon zu Beginn entfernte sich der Bischof von Konstanz, weil er das Vorstreitrecht der Schwaben nicht durchsetzen konnte. Doch mögen dabei auch andere Gründe mitgespielt haben239. Vor allem verstanden die Reichsstädte nicht, warum sie gegen eine ihrer Mitstädte fechten sollten. Nachdem sie nochmals zu vermitteln versucht hatten, warteten sie nur auf eine Gelegenheit, das Heer zu verlassen. Von dieser Stimmung im Belagerungsheer mögen die Zürcher erfahren haben. Deshalb demonstrierten sie den Belagerern augenfällig, dass die Reichsglieder für Österreich gegen ein Glied des heiligen Reichs, die Reichsstadt Zürich, fochten. «Do stiessent wir von Zürich des richs panner uss und manotent den kaiser, dass wir doch anders nieman zuo gehortint, denn dem hailigen römischen rieh», berichtet die Clingenberger Chronik240. Wenn man auch die Richtigkeit dieser Erzählung bezweifeln kann, da keine andere Quelle Ähnliches mitteilt, so symbolisiert diese Anekdote doch die Situation. Jedenfalls hatten weder der König noch die Reichsglieder weiter Lust, gegen Zürich und die Eidgenossen im Felde zu stehen. Das «Reichsheer »löste sich auf, und der Luxemburger wandte sich seinen Italienplänen zu. Er hatte Herzog Albrecht genügend bewiesen, dass er bereit war, ihn auch militärisch zu unterstützen. Deshalb wird ihm die symbolische Handlung der Zürcher, der in jenen Zeiten noch mehr Bedeutung als dem geschriebenen oder gesprochenen Wort zukam, gerade recht gekommen sein, denn nun besass er einen Vorwand, die Belagerung aufzuheben241. Herzog Albrecht bekriegte Zürich und die Eidgenossen noch während eines Jahres, ohne dass es jedoch zu grösseren militärischen Aktionen kam. Als der Kaiser im Juli 1355 aus Italien über Zürich zurückkehrte242, fand er beide Teile kriegsmüde vor. So gelang es ihm sehr schnell, in Regensburg einen Frieden zwischen Zürich und Österreich zu vermitteln243. Dabei mag Ludwig der Brandenburger wiederum tatkräftig mitgewirkt haben, denn dieser war gleichzeitig in Regensburg anwesend und verhandelte mit Karl IV. In Regensburg vertrat Zürich erstmals gegenüber dem König alle Eidgenossen gemeinsam. Es ist zwar nicht klar ersichtlich, ob von vornherein mit der Zustimmung der Waldstättc. Es verpflichtete sich aber, den Frieden bei seinen Miteidgenossen zur Anerkennung zu bringen. Das Friedensinstrument baute im wesentlichen auf dem Brandenburger Frieden auf und grenzt in erster Linie die beiderseitigen Rechtsgebiete ab. Es regelt die gegenseitige Rechtshilfe und statuiert Schiedsgerichte zur «■ Vgl. Dierauer, I, S.233. 240 Clingenberger Chronik, od. A.Henne, S. 94. 241 Vgl. Dierauer, I, S.232f. - Largiadir, Geschichte Zürichs, I, S.142. 242 Vgl. Reg.imp., VIII, N.2166a. 243 Vgl. Reg.imp., VIII, N. 2186a, 2198; EA, I, S.291, N.27. Beilegung von Streitigkeiten. Es wird der Besitzstand der Rechte beider Teile anerkannt und gefordert, dass bei Streitigkeiten die Rechtsansprüche zu belegen sind. Wie schon im Brandenburger Frieden, so bildeten auch bei den Regensburger Verhandlungen die Hoheitsrechte innerhalb der Eidgenossenschaft keinen Verhandlungsgegenstand. Es handelte sich für Österreich in erster Linie darum, durch den Vertrag seine noch anerkannten Rechte zu bewahren und weitere Übergriffe der eidgenössischen Orte auf seine Gebiete für die Zukunft zu unterbinden. Auf eidgenössischer Seite wünschte zumindest Zürich eine klare Abgrenzung der Rechte und war bereit, die legitimen Forderungen Österreichs zu unterstützen, nachdem die «ayde, pünde, fryheit, recht, brief und gut gewonhait» von Herzog Albrecht anerkannt wurden. Die Zürcher und dann auch die übrigen Eidgenossen kamen Österreich sogar so weit entgegen, dass sie unter Vorbehalt der eidgenössischen Bünde diesen Vertrag von all ihren Bürgern beeiden liessen. Dafür wurden nicht nur die eidgenössischen Bünde von Österreich formell anerkannt, sondern auch die Rechte des Reiches in der Eidgenossenschaft offiziell bestätigt244. Bei der Annahme dieses Friedens mögen die Vorbereitungen zum Erlass der Goldenen Bulle schon irgendwie mitgespielt haben. Obwohl kein direkter Kontakt mit dem Reichsgesetz nachgewiesen werden kann, so erscheinen doch im Kapitel XV und XVI Fragen, die im Streit zwischen den Eidgenossen und Österreich eine entscheidende Stellung einnahmen. Wenn auch der Erzbischof Wilhelm von Köln und der Bisehof Johann von Strassburg, der übrigens bei den Zürcher Verhandlungen anwesend war, die Aufnahme dieser Artikel in das Gesetz erwirkt haben, so hatte doch Karl IV. selbst in Zürich gesehen, zu welchen Konflikten das Ausburgerwesen führen konnte, und hatte gegenüber den Eidgenossen die Meinung vertreten, dass Bünde von Reichsfreien nicht ohne Einwilligung des Königs abgeschlossen werden könnten246. Wenn zur Interpretation dieser Stelle bei Matthias von Neuenburg das Privileg Karls für den Erzbischof Wilhelm von Köln herangezogen wird, erkennen wir klar, dass weder Karl IV. noch Matthias von Neuenburg die Ansicht äusserten, dass Bünde Reichsfreier untereinander der königlichen Bewilligung bedürften, sondern nur die Bündnisse mit den Untertanen anderer Reichsglieder, also die umstrittenen Bünde mit Luzern, Zug und Glarus246. 244 EA, I, S.291ff., N.27. «In den vorgeschribßn Sachen allen haben wir ausgenomen dem heiligen Römischen Reych seine recht, die ez pillich haben sol.ö (S.296.) 245 Matth, v. Neuenbg., S. 476: «Cum autem Albertus Australis scire vellet, an rex manu forti sibi vellet assistere contra Thuricenses et valles Swyzie et confederatos eis, rex in Aprüi ascendens Thuregum libenter induxisset eos, quod duci reliquissent sua, seilicet Luceriam, Züge et Glarus. Uli responderunt sibi placere, quod duci darent ea, ad quo tonerentur eidem, sed nolebant sinere, quod dux vel sui munioiones in sua potestate tenerent pretendentes se coniurasse cum Ulis. Rege vero dicente eos tanquam homines imperii non potuisse talia iuraro, cum eius auetoritas sit excepta, illo voro dicentes so simplices et talia non intellegere omnino suo proposito inherebanta. 246 Vgl. K.Zeumer, Die Goldene Bulle Kaisor Karls IV., Quell.u.Stud.z.Verfassungs-gesch.d.dt.Reiches, II, S.73ff., der übrigens sehr mit Recht darauf hinweist, dass das Gesetz nicht alle Bündnisse im Reich aufhob. 160 Ii 161 Mögen die aufgezeigten Parallelen zu Teilen der Goldenen Bulle auch damals von geringer Bedeutung gewesen sein, so brachten die Zürcher Gesandten aus Regensburg sicher nähere Nachrichten über die Vorbereitungen zum Erlass dieses Reichsgesetzes und über die Auffassungen, die man am kaiserlichen Hofe und in den Kreisen der Grossen des Reichs über die rechtlichen Fragen vertrat, die dem Streit der Eidgenossen mit Österreich zugrunde lagen. Das kann weiterhin dazu beigetragen haben, dass die Waldstätte den Frieden, der ihnen keine wesentlichen Vorteile gegenüber dem Brandenburger Frieden bot, eingingen. Zumindest wird sie die Überlegung, gegen anerkanntes Reichsrecht zu Verstössen, in der Folge davon abgehalten haben, den Frieden ernstlich zu verletzen, selbst als der Kaiser auf ihrer Seite stand. Die Waldstätte nahmen den Frieden an, den Zürich in Regensburg abgeschlossen hatte, wenn auch nicht mehr klar ersichtlich ist, ob mehr der Notwendigkeit gehorchend oder mehr freiwillig. Da Zürich sich verpflichtete, den Vertrag auch gegen die inneren Orte durchsetzen zu helfen, und weil Herzog Albrecht seinen Landvogt anwies, Zürich notfalls gegen die Eidgenossen zu unterstützen, schloss man, dass die Orte, die den Frieden weder besiegelten noch als Vertragschliessende aufgeführt wurden, nur gezwungen beitraten24'. Dennoch scheint der Zeitraum zwischen den Verhandlungen in Regensburg und der Beeidung des Friedens durch Zürich und die Vertreter der Waldstätte zu kurz zu sein, als dass noch längere Verhandlungen stattgefunden haben könnten, in denen die Länder und Luzern bewogen wurden, den Frieden trotzdem einzugehen243. Darauf weist auch die Tatsache hin, dass dem Frieden eine Zeitlang keine neuen Konflikte folgten, was bei einer erzwungenen Annahme des Friedens sicherlich nicht der Fall gewesen wäre. Hatte man sich in den Regensburger Verträgen bemüht, klare Grenzen zu schaffen, so blieb doch noch eine Unklarheit bestehen, nämlich hinsichtlich der Bünde mit Glarus und Zug. Auf der einen Seite muss angenommen werden, dass die Eidgenossen die Bünde mit diesen Orten, wenigstens offiziell, als nicht mehr bestehend betrachteten. Andererseits wurden Vgl. Dierauer, I, S.236. 240 Die letzte Beurkundung des Friedens ist von Samstag, den 25.VII., in Regensburg datiert. Abreise der Zürcher Gesandtschaft sicher nicht vor Montag, den 27. VII. Da es ■wohl eine grosse Gesandtschaft war, wird ihre Rückkehr wahrscheinlich zwischen dem 1. und 5. VIII. erfolgt sein. Der Friede wurde schon am 18. VIII. im Beisein des österreichischen Landvogtes beschworen. Dieser musste aber vorher benachrichtigt werden und ihm noch ein gewisser Spielraum gelassen werden, sagen wir zirka eine Woche. Dann bleiben für Verhandlungen Zürichs mit den Waldstatton noch fünf oder allcrhöchstens vierzehn Tage. In diesem Zeitraum müssten aber mehrere Tagsatzungen abgehalten worden sein, falls es richtig wäre, dass die Lander den Frieden nicht von vornherein hätten akzeptieren wollen. (Eine Tagsatzung, auf welcher die Zürcher Gesandtschaft Bericht über die Verhandlungen in Regensburg erstattete, Rückkehr der Boten in ihr Ort; auf neuer Zusammenkunft Erklärung nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen annehmen zu wollen; Übor-redungsversuche Zürichs, neue Zusammenkunft, die dem Frieden zustimmt. Dabei ist noch nioht berücksichtigt, dass auch dio Verhandlungen der Orte selbst Zeit/kosteten.) Bei den damaligen Verkehrs- und Nachrichtenverbindungen und der Langsamkeit der politischen Verhandlungen erscheint diese Möglichkeit ausgeschlossen. die Bundesurkunden nicht herausgegeben oder vernichtet, wie auch die Zuger und Glarner ihrer Eide nicht formell entlassen wurden. Die Eidgenossen beriefen sich dabei anscheinend auf den Vorbehalt ihrer Bünde und Eide, da im Vertragstext nur von während des Krieges entfremdeten Rechten und Gütern die Rede ist und die Orte Zug und Glarus nicht besonders genannt werden. Obwohl Karl IV. noch wiederholt forderte, diese Orte aus den Eiden zu entlassen, führte diese Unterlassung dennoch zu keinen neuen militärischen Auseinandersetzungen, da die österreichischen Rechte und Einkünfte unangetastet blieben und anscheinend von den Eidgenossen selber gewahrt wurden249. Ganz im allgemeinen lässt sich sagen, dass das Verhältnis zwischen Karl IV. und den Eidgenossen während all dieser Verhandlungen wohl mehr oder weniger gespannt, aber keinesfalls ein feindliches war. Trotz aller Rücksicht auf Österreich und trotz seiner Beteiligung an der Belagerung Zürichs konnte sich Karl nicht entschliessen, die Eidgenossen fallen-zulasson. Im Gegenteil versuchte er alles, um die Streitigkeiten friedlich zu schlickten, und nahm den Eidgenossen gegenüber eine recht wohlwollende Haltung ein, soweit es ihm die eigene Position gestattete. Man möchte gern ergründen, warum er die Eidgenossen so schonend behandelte. Da er Ludwig dem Brandenburger nicht sicher vertrauen konnte, wollte er sich vielleicht noch einen anderen Alpenpass für den Weg nach Italien sichern. Doch genügt dies bestimmt ebensowenig zu einer Erklärung wie der Hinweis auf den zum Kompromiss geneigten Charakter Karls. Wahrscheinlich scheute er sich, gegen anerkannte Reichsglieder,' deren Dienst ihm noch einmal nützlich sein konnte, allein zugunsten eines Fürsten, der vielleicht einmal sein Königtum oder seine Hausmacht bedrohen würde, vorzugehen. Bei der Haltung Karls IV. gegenüber deň Eidgenossen spielen vielleicht auch Rücksichten auf die Verhältnisse in Mailand eine Rolle. Sobald sich Karls Verhältnis zu Österreich änderte und er sah, dass er die Hilfe von Reichsgliedern gegen die Aspirationen Rudolfs von Österreich benötigte, verband sich der Luxemburger mit den eidgenössischen Orten und nahm sie in seinen besonderen Schutz. Im Zusammenhang mit dem Abschluss dieses Bündnisses bestätigte Kar] als Kaiser den Eidgenossen ihre Privilegien und verlieh ihnen noch weitere. Gleichzeitig enthielt das Bündnis die formelle Billigung der eidgenössischen Bünde, so wie es der Wortlaut der Goldenen Bulle verlangte260. Damit war das gespannte Verhältnis zwischen den eidgenössischen Orten und dem Kaiser einem freundschaftlichen gewichen. Vorerst hatten sich die Eidgenossen enger mit dem Kaiser verbunden, als dies rechtlich erforderlich war. Auch in der Folge 219 1356 VII 1, EA, I, S.42, N. 108. Ob diese Chronikstcllo wirklich in diesen Zeitraum gehört, ist nicht unbedingt sicher. 1370 VIII 1, EA, I, S.51, N. 127. - Vgl. weiterhin Largiadfa; Gesehiohte Zürichs, I, S. 142. "° 1360X11 26, Reg.imp., VIII, N.3512; 1361 III 31, EA, I, S.45, N.I13; = Reg.imp., VIII, KT.3610-3613; 1362 II 27, EA, I, S.45, IST. 114; = Oechsli, S.331. 162 163 blieben die Eidgenossen Reichsglieder, die auf ein gutes, ja freundschaftliches Verhältnis zu Karl IV. Wert legten, wenn auch Veränderungen der politischen Situation hier und da Schwankungen in der Haltung beider Teile hervorriefen. * Mit dem Abschluss des formellen Bündnisses zwischen dem Kaiser und den Eidgenossen brechen wir die Darstellung der Geschichte der Eidgenossenschaft unter Berücksichtigung ihrer Stellung innerhalb der Reichs-politik etwas willkürlich ab. Bevor das Problem in späterer Zeit wieder aufgegriffen wird, wollen wir uns fragen, welche Folgerungen aus diesem Abschnitt für das Verhältnis der Eidgenossen zum Reiche gezogen werden müssen. Im Gegensatz zu den bisherigen Ansichten zeigte sich bei näherer Betrachtung, dass die Haltung der Eidgenossen gegenüber Kaiser und Reich in der Zeit von 1315 bis 1355 Veränderungen unterlag. Sie wandelte sich entsprechend der politischen Gegensätze im Reiche, aber letztlich wurde sie, ebenso wie die Haltung der übrigen Reichsstände, von ihrem eigenen Vorteil, möglicherweise sogar von scheinbaren Nebensächlichkeiten - wie dem Besitz des Reichszolls zu Flüelen - bestimmt. Um ihre Reiehsunmittelbarkeit gegenüber Österreich zu behaupten, hatten die Eidgenossen 1314 auf der Seite Ludwigs des Bayern Partei ergriffen und unterstützten die Politik des Wittelsbachers, soweit sie dazu imstande waren. Da Ludwig der Bayer ihnen vor und nach Morgarten nicht direkt beistehen konnte, dankte er ihnen für ihren Sieg, der auch der seinige war, durch weitgehende Privilegien. Dieser Beistand war zwar im Augenblick wenig wirksam, half aber den Eidgenossen auf die Dauer. Als sich Ludwig genötigt sah, mit Österreich Freundschaft zu schliessen, und dann noch den Reichszoll zu Flüelen einem Landfremden seiner Umgebung versetzte, kühlte das Einvernehmen beider Teile merklich ab. Doch lässt sich schwer sagen, ob die Annäherung des Wittelsbachers an die österreichischen Herzöge den Wandel der eidgenössischen Haltung hervorrief. Hüben wie drüben haben andere Faktoren mitgewirkt, wenn nicht grössere Bedeutung gehabt. So lässt sich auch nicht mehr feststellen, welcher Teil sich zuerst vom anderen entfernte. Als die Waldstätte befürchten mussten, der Kaiser könnte die österreichischen Forderungen gegen sie unterstützen, suchten sie sich einen andern Rückhalt und fanden ihn offensichtlich in der päpstlich gesinnten Reichsopposition, die unter der Führung der Luxemburger stand. Nach dem Abschluss des Laupenkrieges änderten die Eidgenossen wiederum ihre Stellungnahme und unterstützten nun die Wittelsbacher noch lange über den Tod des Kaisers hinaus. Dieser Wechsel wurde durch den Umsturz in Tirol und durch Zwistigkeiten um den Reichszoll zu Flüelen, den die Eidgenossen in ihre Hand bringen wollten, hervorgerufen, wenn ihn auch andere Ereignisse beeinflussten. Karl IV. fand erst dann die Anerkennung der Eidgenossen, als er sich im Reiche durchgesetzt hatte und auch die Wittelsbacher ihn nicht mehr bekämpften. Doch standen die Waldstätte dem Luxemburger misstrauisch gegenüber, obwohl seinerseits keine den Eidgenossen feindlichen Handlungen nachgewiesen werden können. Karl IV. trachtete danach, beide Teile, seine österreichischen Verwandten wie die Eidgenossen, friedlich zu versöhnen und freundlich zu behandeln. Als er das Misstrauen der Eidgenossen nicht überwinden konnte, unterstützte er Österreich bei der Belagerung Zürichs, ohne dass diese Hilfe zu einer dauernden Feindschaft mit den Eidgenossen führte oder ihre Beziehungen zur Krone stärker belastete. Als sich das Verhältnis des Kaisers zu Österreich verschlechterte, näherten sich die Eidgenossen dem Luxemburger, zuerst ohne die Bindungen an die Wittelsbacher aufzugeben. Schliesslich schlossen die Eidgenossen ein formelles Bündnis mit dem Kaiser, so dass sie nun in engerer Verbindung mit dem Reichsoberhaupt standen, als dies rechtlich erforderlich war. Die Haltung der Eidgenossen zum Kaiser entspricht also dem der deutschen Territorien, die sich je nach Lage und eigenem Vorteil den Freunden oder den Gegnern der kaiserlichen Macht anschlossen. Ausserdem verfolgten wir, wie die eidgenössischen Orte sich vom Könige ihre Freiheit bekräftigen liessen und in ihren Auseinandersetzungen mit den benachbarten Territorialmächtcn deren Anerkennung durchsetzten. Dabei kamen wir zum Schluss, dass die Reiehsunmittelbarkeit der Waldstätte von Ludwig dem Bayern nach dem Morgartenkriege vom Reiche aus als feststehend angesehen wurde und auch Österreich in den Waffenstillständen den bisherigen Zustand wenigstens für den Augenblick anerkannte. In den Schiedssprüchen zu Beginn der dreissiger Jahre fand dann eine Ausscheidung der österreichischen und der eidgenössischen Rechtsansprüche statt. Obwohl in den wenigen Quellen die Reiehsunmittelbarkeit der Waldstätte nicht erwähnt wurde, zeigen sie klar, dass Österreich zwar Eigengüter mit niederen Gerichten zugesprochen wurden, die Ludwig der Bayer zweimal Österreich aberkannt hatte, dass diese Schiedssprüche aber die Reiehsunmittelbarkeit der drei Orte als selbstverständlich voraussetzen. Zu Beginn der Regierung Karls IV. machte dann Österreich nochmals den Versuch, die Reiehsunmittelbarkeit der Waldstätte zu leugnen, wurde jedoch damit scharf abgewiesen. In den Friedensschlüssen nach der Belagerung Zürichs fand dann die Reichsfreiheit der Urkantone ihre formelle, schriftliche Anerkennung durch den österreichischen Herzog. Im Vordergrund der Auseinandersetzungen mit Österreich standen seit dem Morgartenkriege die «privaten» Rechte Österreichs in den drei Ländern. Nachdem die inneren Orte ihre Reichsfreiheit erworben hatten, trachteten sie danach, alle Rechte in ihre Hand zu bekommen. Diese Bestrebungen richteten sich nicht nur gegen Österreich, sondern auch gegen jeden anderen Besitzer niederer Rechte oder auch von Grund und Boden, der nicht Angehöriger des eigenen Ortes war251. Andererseits riefen !« Vgl. unten, S. 228 ff. 164 165 Übergriffe auf bisher österreichische Gebiete neue Streitigkeiten hervor. Als solche sind vor allem die Bünde mit den noch unter österreichischer Oberhoheit stehenden Orten anzusehen. So richtete sich der Bund mit Luzern ohne Zweifel gegen Österreich, das die grosso Unabhängigkeit der Stadt während der murbachischen Herrschaft einzuschränken drohte und sich bemühte, die Rechte der Stadt genauer festzulegen. Mag auch den Luzerner Bürgern beim Abschluss des Bundes mit den Waldstätten als Fernziel die Erwerbung der Reichsunmittelbarkeit vorgeschwebt haben, wie sie so viele Orte, die ehemals unter geistlicher Herrschaft standen, erlangt hatten, so bedeutete der Bund mit den Eidgenossen noch lange nicht, dass die Oberherrschaft Österreichs abgeschüttelt wurde oder werden sollte. Vorerst gedachte die Stadt nur, sich mit Hilfe der Eidgenossen einer Eingliederung in den werdenden österreichischen Flächenstaat zu widersetzen. Dem Beispiel Luzerns folgten mit der Unterstützung der Eidgenossen die übrigen noch nicht reichsfreien Orte. Das eigentliche politische Ziel dieser Orte blieb die Erwerbung der Reichsfreiheit, während sich die reichsfreien Glieder der Eidgenossenschaft dem inneren Ausbau ihrer werdenden Staaten zuwandten, indem sie nicht nur Österreich, sondern jeden fremden Besitzer zu verdrängen trachteten. Erfolgte dieser Prozess mehr mit friedlichen Mitteln, so rief das Streben nach Reichsfreiheit immer wieder Konflikte mit Österreich hervor. Wir haben es also mit einer typischen Territorialstaatsbildung oder besser mit verschiedenen Territorialstaatsbildungen zu tun, wie sie sich innerhalb des Reiches und der Reichspolitik auch sonst überall abspielten. Der wesentliche Unterschied zu den Territorialstaatsbildungen der deutsehen Gebiete ist der, dass hier genossenschaftlich organisierte Länder und vor allem republikanisch regierte Städte Gleiches durchführten wie in Deutschland kleine, mittlere und grosse Fürstenhäuser. Ebenso wie bei den deutschen Fürsten und Städten richtete sich ihre Stellungnahme zu Kaiser und Reich nach dem Nutzen, der für ihre eigene Selbständigkeit und Machterweiterung daraus entsprang oder entspringen konnte. VI. Die Eidgenossen als Stützen königlicher Politik zu Beginn des 15. Jahrhunderts Wenn wir die Zeit Karls IV. und Wenzels, die Zeit des Sempacher-krieges und des Pfaffenbriefes überspringen, um unser Problem erst in dem ersten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts wieder aufzugreifen, so sind dafür sowohl sachliche als auch technische Gründe massgebend. Die Politik der Eidgenossen, der reichsfreien und der österreichischen Orte, blieb in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts in ihren Grundtendenzen und Zielen gleich. Grosse Veränderungen traten nicht ein. Zwar wurden im Pfaffenbrief und im Sempacherbrief die ersten gemeineidgenössischen Vereinbarungen geschlossen, in denen die Anfänge eines engeren Zusammen- schlusses der einzelnen Orte zu erkennen sind. Doch brachten diese Verträge keine Veränderung der Stellung der Eidgenossenschaft zum Reiche mit sich. Auf die Zusammenhänge des Sempacherkrieges mit den süddeutschen Städtekriegen ist schon oft hingewiesen worden. Durch eingehendere Untersuchungen könnten auch hier aufschlussreiche Ergebnisse erzielt werden, doch wären dazu ausgedehntere Forschungen vor allem in den süddeutschen Archiven notwendig, da die Geschichte der schwäbischen Städtebünde nur in ihren grossen Zügen erforscht ist. Da wir zu dieser Frage nichts Wesentliches beitragen können, unterbleibt die Behandlung des Sempacherkrieges. Ähnliche Gründe bewogen den Verfasser, auch die Appenzellerkriege zu übergehen, obwohl diese Kämpfe zum Teil die Erhaltung der Reichsfreiheit bezweckten. Die Haltung der Eidgenossen zur Politik des Reiches lässt sich in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts schon deshalb recht schwer verfolgen, weil in der späteren Regierungszeit Karls IV. nur wenig geschah, was für das gesamte Reich und die Eidgenossenschaft bedeutsam war. König Wenzel kümmerte sich recht wenig um die Reichsangelegenheiten, so dass man in seiner Zeit kaum von einer Reichspolitik sprechen kann. Das spiegelt sich auch in dem Mangel an Darstellungen der Geschichte des Reiches unter Wenzel und vor allem an Quellenpublikationen zur Reichspolitik. Eine Untersuchung der Stellungnahme der Eidgenossen zur Absetzung Wenzels unterbleibt ebenfalls, da grössere Untersuchungen nötig wären, um darüber mehr sagen zu können, als es oben bei der Behandlung der eidgenössischen Chronistik geschah. Wenn die Frage nach der politischen Stellung der Eidgenossen innerhalb des Reiches erst mit dem beginnenden 15. Jahrhundert erneut aufgenommen wird, so waren dafür nicht nur die angeführten Gründe massgebend. Nach einer längeren Zeit stetiger Entwicklung trat die Eidgenossenschaft mit dem Sempacherkriege in ein Stadium der Entscheidung. Nun konnten die Früchte der Politik des vergangenen Jahrhunderts geerntet werden, und gleichzeitig wurden wichtige Grundlagen für die Zukunft gelegt. Von allen Ereignissen der Schweizergeschiohte zu Beginn des 15. Jahrhunderts springt die Eroberung des Aargaues am meisten in die Augen. Doch hegt uns wenig daran, das Zusammenwirken von Kaiser und Eidgenossenschaft während dieser weltbewegenden Konflikte zu Beginn des Konstanzer Konzils in den Vordergrund zu rücken. So wichtig diese Ereignisse, denen auch die Zeitgenossen grosse Beachtung schenkten, für die Geschichte der Eidgenossenschaft geworden sind, so wird doch meist der Eroberung des Aargaues zuviel Gewicht beigemessen und übersehen, dass sich in den einzelnen Orten höchst wichtige Veränderungen vollzogen, die aber nicht so deutlich erkennbar sind. Zwei Probleme sollen vor allem behandelt werden; einmal, wieweit die Entwicklung des Staates der eidgenössischen Orte vorangeschritten war, und welchen Grad der Unabhängigkeit die Eidgenossen in der Zeit des 166 167 Konstanzer Konzils erreichten. Besonders -wollen wir uns aber mit der Frage beschäftigen, ob und in welchem Masse die ersten Ausdehnungsversuche der Schweizer über den Alpenkamm nach Süden mit der Politik des Reiches zusammenhängen, zumal man gern in der ennetbirgischen Politik eine Abwendung von den Angelegenheiten des Reiches erblickt262. 1. Die italienische Politik der Eidgenossen und des Reiches bis zum Frieden mit Mailand (1426) Die Kurfürsten setzten im Jahre 1400 König Wenzel ab und wählten Ruprecht von der Pfalz zum römischen König. Sie vorpflichteten den neuen Herrscher, die Übelstände, die zur Absetzung Wenzels geführt hatten, so bald als möglich zu beseitigen. Als drängendstes Problem wurde überall das Schisma der abendländischen Kirche empfunden. Seine Beilegung galt als eine der vornehmsten Aufgaben eines römischen Königs oder Kaisers. Daneben hatten die Kurfürsten die Verleihung der Herzogswürde an Gian Gäleazzo Visconti als eine schwere Verfehlung Wenzels gegenüber dem Reiche betrachtet, weil damit der Beherrscher Mailands und der Lombardei von einem nur während seiner Lebenszeit eingesetzten Reichsbeamten zu einem praktisch nicht absetzbaren Reichsfürsten aufgestiegen war. Trug die Verleihung Wenzels auch nur der politischen Entwicklung Rechnung und sanktionierte eigentlich nur die tatsächlichen Verhältnisse, so sah man darin doch eine unzulässige Verschleuderung von Reichsgut. Die Aufgabe, Gian Galeazzo zum Verzicht auf die Herzogswürde zu bewegen, nahm König Ruprecht in Angriff, noch bevor er überall in Deutschland Anerkennung gefunden hatte; denn er wollte durch einen erfolgreichen Zug gegen Mailand nicht nur den Visconti niederzwingen, sondern auch die Kaiserkrone erringen, und hoffte, durch Erfolge in Italien seine Anerkennung in Deutschland leichter bewerkstelligen zu können. Bei diesem Plan spielte sicher der Gedanke eine Rolle, die Kirchenspaltung könne eigentlich nur von einem Kaiser, nicht aber von einem römischen Könige beseitigt werden. Daher war es ein besonderes Anliegen Ruprechts, sich von vornherein mit den Beherrschern der Alpenübergänge gut zu stellen. Das waren vor allem die Herzöge von Österreich. Aber auch an die Eidgenossen wandte sich der neue König, den zumindest Bern schon sehr früh anerkannt hatte263, sehr bald. Über die Berner suchte Ruprecht die Eidgenossen zur Anerkennung zu bewegen und forderte ihre Hilfe gegen Mailand254. Sein Hilfsbegehren richtete der Pfälzer nicht nur an die reichsunmittelbaren Orte, sondern wünschte auch Zuzug der übrigen Eidgenossen. Aber er wies 262 Vgl. z.B. Dierauer, I, S.389. 253 Vgl. RTA, IV, S.223, N.189; S.346ff., N. 292/93; S.412, i, N.346. 254 Vgl. EA, I, S.99, N.233; jedoch bestätigte Ruprecht den Grafen von Habsburg-Laufenburg den Besitz des Reichszolls zu Flüelen. Vgl. oben, S. 142f., sowie Geschfr., I, S.344; Reg.Ruperti, N.2599; = Krüger, Reg.,'N. 706; = Argovia, X, S.260, N.776; S.2B1, N.723. seine Gesandten an, sie sollten ihnen keine Hilfe gegen Österreich versprechen. Doch wolle Ruprecht zwischen ihnen und den Österreichern so vermitteln, «daz si ez ob got wil nit beruwen sollen»266. Zwischen den Eidgenossen und den österreichischen Herzögen war es seit dem Sempacherkriege zwar zu verschiedenen Waffenstillständen gekommen, aber der Konflikt war noch nicht beigelegt. Nachdem Herzog Leopold III. bei Sempach gefallen war, hatte Herzog Albrecht III. die Vormundschaft über die Söhne Leopolds übernommen und vertrat für einige Jahre allein das Haus Habsburg. Da das Schwergewicht seiner Interessen in seinen östlichen Stammlanden lag, war er auf die Vermittlung der schwäbischen Städte eingegangen und hatte mit den Eidgenossen einen siebenjährigen Waffenstillstand vereinbart. Schon bevor diese Frist abgelaufen war, bemühten sich die Österreicher um eine Verlängerung, in der sie praktisch alle Eroberungen des Sempacherkrieges den Eidgenossen zugestanden. Den Grund zu so weitgehendem Entgegenkommen bildeten die wachsenden Schwierigkeiten, die der Herzog mit seinen Vettern hatte, weil diese seine Vormundschaft nicht mehr anerkannten und selbst zu regieren begannen. Ausserdem war er in böhmische Streitigkeiten verwickelt. Als er mit böhmischen Adeligen eine Vereinigung gegen Wenzel, hinter der auch König Sigmund von Ungarn zu stehen schien, abgeschlossen hatte, war er bereit, den Eidgenossen für zwanzig Jahre alle Eroberungen und Erwerbungen des Sempacherkrieges zu überlassen. Nur wenige, hauptsächlich finanzielle Leistungen blieben noch den Österreichern reserviert. Bald darauf starb Herzog Albrecht III., und die österreichischen Herzöge verfeindeten sich untereinander immer mehr256. Wie zwischen König Ruprecht und Mailand bestand auch zwischen Herzog Leopold und Gian Galeazzo ein gespanntes Verhältnis, so dass in einem Vertrage zwischen Ruprecht von der Pfalz und Herzog Leopold IV. die Eidgenossen und die Mailänder in einem Atem als mögliche Gegner genannt wurden257- Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Eidgenössen allem Anschein nach die Beziehungen zu dem mächtigen Beherrscher der 265 RTA, V,S. 544, N. 395. Vgl. oben, S. 168, Anm. 253, sowie RTA, IV, S.451,N. 380-382, Vollmacht und Instruktion für Schwarz Reinhard von Sickingen für Verhandlungen mit den Eidgenossen und dem Bischof und Landvogt im Wallis (1401 VII 24), vgl. S.450f., N.380/81 (1401 IX 28). RTA, V, S.40, N. 11 (1401 VII 29). Für die Privilegbestätigungen für Zürich, Bern und Solothum vgl. RTA, V, S. 48, ST. 17 (1401 VIII 28); = EA, I, S. 99, N. 234; für die Huldigung von Uri, Schwyz und Untcrwalden vgl. die Vollmacht vom 1401 XI 28, RTA, V, S.50, N.19; = EA, I, S.100, N. 235/36. Vgl. auch die abschlägige Antwort Luzerns auf Ruprechts erstes Hilfsbogohren, ASG,XX, S. 175 f., N. 239. Die schwierige Situation Ruprechts zwischen den Eidgenossen und Österreich zeigen die Verhandlungen mit Österreich bosondors deutlich. Vgl. RTA, IV, S. 259ff., N. 216f.; S. 342f., N. 288-290; S.416ff., N.351-357. 258 Vgl. A.Huber, Geschichte Österreichs, II, S. 316ff. 267 Vgl. RTA, IV, S.420f., N.353. = Thommen, II, S.379, N.501; auoh RTA, IV, S.421, 33. - Quellen zur Zürcher Wirtschaftsgeschichte, ed. W. Schnyder, I, S. 262f„ N.458 (1396 VII 10); S. 281f., N. 505 (1401 II 8); vgl. die Ächtungen 1389-1391 auf S.231f„ in N. 416, sowie ASG, XX, S.173f., N.238; S. 165ff., N.231-236. 168 169 Lombardei sorgsam pflegten. Obwohl Gian Galeazzo die Eidgenossen durch eine Handelssperre während des Sempacherkrieges verärgert hatte, waren die wirtschaftlichen Vorteile den Innerschweizern manches Opfer wert; denn sie haben möglicherweise gegen Ende des 14. Jahrhunderts die Rechte, die einzelnen Eidgenossen seit langer Zeit von römischen Königen in der Leventina verliehen worden waren, nicht oder nur teilweise ausgeübt258. Nun ersuchte sie der römische König, ihm gegen Mailand Hilfe zu leisten und ihm den Weg nach Italien zu öffnen. Ein Italienzug über den Gotthard Kess sich gegen einen feindlichen Herzog von Mailand nur durchführen, wenn zuvor Bellinzona in der Hand königlicher Anhänger war. Da diese Festung fest in mailändischem Besitz war, versuchte der Pfälzer von Tirol aus Mailand zu bekriegen. Doch unterstützten den König nur wenige Reichsglieder. Hauptsächlich bestanden seine Truppen aus pfälzischen Kräften und wenigen reichsstädtischen Kontingenten. Ob die Eidgenossen, die den Wittelsbacher spätestens im Spätsommer 1401 anerkannthatten259, diesen Kriegszug unterstützten, entzieht sich unserer Kenntnis. Vielleicht haben sie eine kleinere Streitmacht abgeordnet260. Da der König im Reiche praktisch keine Hilfe fand, dürften auch sie sich zurückgehalten haben, zumal sie aus wirtschaftlichen Gründen auf das Wohlwollen Gian Galeazzos angewiesen waren. Doch scheinen sie, im Gegensatz zu anderen Reichsgliedern, eine Unterstützung Ruprechts nicht rundweg abgelehnt zu haben; denn der König rechnete mit ihrer Hilfe auch dann noch, als sein Versuch, nach der Lombardei einzufallen, gescheitert war. Schon kurz nach der Niederlage vor Brescia rieten ihm seine stets wohl informierten florentinischen Verbündeten, er solle doch die Eidgenossen, den Bischof von Chur und Savoyen gegen den Visconti fechten lassen261. Der plötzliche Tod Gian Galeazzos zu Anfang September 1402 veränderte die Lage in Oberitalien grundlegend282. An die Stelle des mächtigen Staatsgebiides, das der grosse Visconti in seiner Hand vereinigt hatte, trat ein Durcheinander verschiedenster Interessen und Machtgruppen. Die erst kürzlich in mailändischen Besitz gekommenen Teile versuchten ihre alte Selbständigkeit oder ihren alten Herren wieder zu erhalten. Kriegsgewohnte Condottieri strebten die Erwerbung grosser Gebiete des Herzogtums an, und die umhegenden Mächte bemühten sich, ihre Verluste wiederzugewinnen. Endlich stritten sich die Erben untereinander mit legitimen 258 Vgl. oben, S. 110, 142f., 158, Anm. 231; unten, S. 172«. 238 Vgl. Reg.Ruperti, N.880, 882-884; = EA, I, S.99, N.234/35; = RTA, V, S.48ff., N.17, 19. 2,0 Die gemeinsame Nennung mit dem Bischof von Chur (vgl. unten, Anm. 261) legt diese Vermutung nahe. Auoh der Ausstellungsort der Privilegien weist darauf hin, da Ruprecht von Amberg aus zu seinem Italienzuge aufbrach. Doch wurde noch Ende September darüber verhandelt. Vgl. EA, I, S.99f., N.233-236. Über die Haltung des Bischofs von Chur vgl. die Privilegien vom 7. und 14. X. 1401, RTA, V, S. 224ff., N. 171/72; S. 160f., N. 95. 261 RTA, V, S. 69, 30, N.32 (1401 X Ende). 282 1402 IX 3, vgl. O.Schiff, König Sigmunds italienische Politik bis zur Romfahrt (1410-1431), Frankfurterhist.Forsch., 1, 1909, S.2f. und illegitimen Verwandten um den Besitz des Staates oder grösserer Teile desselben263. So waren an der Gotthardroute bald nach dem Tode Gian Galeazzos in Como Kämpfe zwischen den beiden feindlichen Parteien der Stadt ausgebrochen, die beide die alte Unabhängigkeit erstrebten264. Auf Grund nicht erfüllter Soldforderungen hatten die Freiherren von Sax-Misox zur gleichen Zeit Bellinzona im Handstreich genommen und verstärkten nun diese Festung. Ob die Freiherren im Einverständnis oder gar im Auftrag des Königs ihre Schuldforderungen auf diese Weise eintrieben, entzieht sich unserer Kenntnis. Jedoch spricht viel dafür, dass sie sehr bald bei Ruprecht wenigstens einen Rückhalt suchten, worauf auch ihre Verbindungen mit Graubünden hinweisen266. Obwohl die Gelegenheit für die Eidgenossen sehr günstig war, sich auf Grund der Aufforderung des römischen Königs des Südzuganges zum Gotthardpass einschliesslich Bellinzonas zu bemächtigen, entschlossen sich nur Uri und Obwalden über die Passhöhe hinaus vorzudringen. Im August 1403 schlossen sie mit den Landleuten der Leventina ein Landrecht, nachdem sie sich zuvor durch ein Bündnis mit dem Wallis gesichert hatten266. Wenn sich auch kein exakter Nachweis führen lässt, dass die königlichen Forderungen die beiden Orte zum Abschluss dieses Vertrages bewogen, so entsprach doch ein Vordringen gegen Mailand in diesem Zeitpunkt den ausdrücklichen Wünschen König Ruprechts. Möglicherweise wurde das Landrecht sogar auf Grund von Verhandlungen abgeschlossen, die ein königlicher Gesandter in diesen Jahren mit den Eidgenossen führte. Es ist uns nämlich eine undatierte Instruktion König Ruprechts erhalten, die allein der «oeffnung des Weges nach Lamparten» gewidmet ist267. Da sie kaum in die Zeit nach dem Abschluss des Landrechtes gehören kann, wird diese Gesandtschaft kürzere oder längere Zeit vorher mit den Eidgenossen verhandelt haben. Trotz den verschiedenen Begehren des Königs unterstützten die übrigen Orte die Expansion über die Berge nicht. Bei ihnen überwog das wirtschaftliche Interesse an einem guten Verhältnis zu Mailand gegenüber der Aussicht, durch Erwerbungen in den Südalpentälern den gesamten Gotthard zu beherrschen. 263 Über Mailand nach dem Tode Gian Galeazzos vgl. N. Valeri, L'ereditä di Giangaleazzo Visconti, Bibl.d.Soc.stor.subalpina, CLXVIII. 234 Vgl. Ccmtu, I, S. 286f. - Vgl. Valeri. 285 Vgl, Th.von Liebenau, I Sax signoři e conti di Mesocco, Boll.stor.d. Svizz.ital., XI, 1889; deutsch: Jber. d. Hist.-antiqu. Ges. Graubünden, 1889.-Auch Q.Hofer, Herrschaft und Hoheitsrechte der Sax im Misox, Diss. Zürich 1949; hior auch EA, I, S.97, N.229. 286 1403 VIII 19, EA, I, S.104, N.245; S.335ff; Landrecht mit dem Wallis 1403 VI 3, EA, I, S. 103, N.244. - Vgl. Dieramer, I, S.375. - K. Tanner, Der Kampf ums Esehontal und der Verrat von Domodossola, Schweiz.Stud.z.Gesch.wiss., IX, 2 (Diss. Zürich 1917), S.349. 267 RTA, V, S.544, N.395, vgl. dazu den Befehl Ruprechts an Franz von Carrara, gegen Mailand vorzugehen. 1403 VIII19, d.h. am gleichen Tage, an dem das Landrecht mit der Leventina abgeschlossen wurde (RTA, V, S. 524ff., N. 379f.). Möglicherweise führte Reinhard von Sickingen die Mission zu den Eidgenossen im Anschluss an seine Verhandlungen mit Basel im März durch. Vgl. RTA, V, N.179 (1403 III 19); Reg.Ruperti, N.1431 (1403 II 25). 170 171 Der Vertrag der beiden Innerschweizer Orte mit der Leventina lässt erkennen, dass auch Uri und Obwalden nicht sehr offensiv vorgingen, sondern sich mehr oder weniger darauf beschränkten, frühere Zustände wiederherzustellen oder zir befestigen; denn die Rechte, die mm die beiden Orte in der Leventina erhalten sollten, entsprachen etwa denjenigen, die Urner und Obwaldner Landleute schon lange Zeit im oberen Teil dieses Tales besassen oder wenigstens beanspruchten. Seit langer Zeit übten Innerschweizer im Ta.l der Leventina Rechte aus, die als Vogtei oder «officium» bezeichnet Wurden, mit denen Susten und Teilballen, also Abgaben, die direkt mit der Sicherung des Passverkehrs zusammenhingen, verbunden waren. Im unteren Teil herrschten die Visconti im Namen des Domkapitels von Mailand, das dort grössere Güter und niedere Geriohtsrechte schon seit sehr langer Zeit besass, sich aber auch als Inhaber der Grafschaft des ganzen Tales bezeichnete. Zur Zeit Heinrichs VII. hatte ein Schiedsgericht versucht, die Rechtsverhältnisse zu klären, und hatte alle Gerichtsrechte im ganzen Tal Mailand zugesprochen. Dennoch muss angenommen werden, dass diesem Spruch nicht nachgelebt wurde, sondern dass das Tal, wenigstens für gewisse Rechtsbezirke, getrennt war oder im Laufe dos 14. Jahrhunderts geteilt wurde, sonst liesse sich nicht erklären, warum sich die Besitzer Rechte im oberen Tal, die sie nicht ausgeübt haben sollen, immer wieder bestätigen liessen. Da die Gebühren für die Ausstellung von Privilegien nicht gerade niedrig waren, und auch noch Reisen zu diesem Zweck unternommen werden mussten, ist es nicht denkbar, dass diese Rechtstitel keine Einnahmen abwarfen208. a8ft Die in diesem Absatz aufgestellte These kann in diesem Zusammenhang nicht näher untersucht werden und wurde nur dargelegt, da sie die Reiohsrechte in der Leventina erklären kann. Doch kann sie nur eine Arbeitshypothese sein, die noch genauerer Untersuchungen bedarf. Hier nur noch einige Hinweise: Wir wissen, dass die Rechte des mailän-disehen Domkapitels in der Leventina auf niedere Rechte und Besitzungen zurückgehen, die die Mailänder Kirche besonders im Gebiete von Biasea bosass. (Als Rechtstitel ersoheint der Ausdruck «nctuaria», vgl. HBLS, Leventina, und Du Gange. Im Friedensvertrage von 1426 hiess es: «Exceptis fictis, redditibus et proventibua, quo dobontur ecelesie maiori Milanesi et dominis hordinariis eiusdem seu aliquibus eiusdem ex eis in inferiori vale Leventine.» EA, II, S. 754.) Wie weit diese Rechte Mailands sich in dio obere Leventina erstreckten, wäre nooh zu untersuchen. Hier sei nur auf die Tatsache hingewiesen, dass in der Zeit nach der Schlacht bei Arbedo Mailand zwar das ganze Eschental besetzt hatte, jedoch nicht über den Plattifor hinaus in die obere Leventina einmarsohiert war. Obwohl angenommen werden muss, dass Mailand die Grenze des Zürcher Bundeskreises kannte, so genügt die Möglichkeit eines Eingreifens Zürichs wohl kaum als Argument, um diese Unterlassung Mailands zu erklären. Wenn Filippo Maria der Meinung war, auf die obere Leventina die gleichen Rechtsansprüche wie auf Bellinzona und die untere zu haben, wäre es dem Herzog wohl kaum in den Sinn gekommen, nicht bis zur Passhöhe vorzudringen. Weiterhin zeigen die Kundschaften von 1311, dass es in der Leventina offensichtlich drei Orte gab, an denen Gericht gehalten wurde, von denen zwei, nämlich Bodio und Faido, sicherlich in dem mailändischen Gebiet lagen. Wenn auch der dritte Gerichtsort, Airolo, in dieser Kundschaft als zu Mailand gehörig genannt wird, so taucht er doch auffallend selten auf und unter nicht ganz eindeutigen Umständen. Dort hielt aber Werner von Homberg und anscheinend auch Waltor von Moos Gericht ab. Nach der Kundschaft Johanns von Hospental, den Ludwig der Bayer einige Zeit später seines Amtes in Urseren enthob, amtete letzteror im Auftrag der mailändischen Kirche. Falls das stimmen sollto, zoigt die Kundschaft zum mindesten, dass die von Moos schon früher Rechte in der Leventina besassen. 0/- Die Reichsrechte in der Leventina kamen aus der Hand der von Moos, die ihnen von Ludwig dem Bayern, Karl IV. und Wenzel bestätigt worden waren, wahrscheinlich wie verschiedene andere Rechte an Angehörige der Orte Uri und Obwalden. In Obwalden war der letzte Besitzer dieser Rechte, oder von Teilen derselben, den wir namhaft machen können, Peter von Hunwil, dem König Wenzel am 26. Juli 1389 diese Rechte verlieh269. Wohl im Zusammenhang mit den Streitigkeiten zwischen den Obwaldner Landleuten und Walter von Hunwil gelangten die Rechte in die Hand der Urner und Obwaldner Gemeinden, die sie nun auf Anregung König Ruprechts in einer neuen Form wiederherstellten und zum Teil sicher erweiterten270. Ferner sei auf das Weisse Buch von Sarnen hingewiesen, das seinen Bericht über die Erwerbung der Leventina mit dem Satz beginnt: «Als die von Ure und die von Undcrwaldon Lyfinen, das land innamen, dio warengötzhuslut der Ordinarien ze Meyland, unsy schirmen Sölten von den weltlichen, die den armen lüten grossen trang antaten da im land. Da nü.die Ordinarien den zwein Lendem des geriehts das sy da hatten, gönden, das wert nu etwas zytes.» Ganz hinfällig können die Rechte der von Moos und ihrer Erben in der Leventina nicht gewesen sein. Sollten sich, ihre Rechte nur auf die obere Leventina erstreckt haben ? Für die Trennung spricht vor allem, dass diose Rechte mit Einkünften aus dem Passverkehr verbunden waren. Wenn wir berücksichtigen, dass der Zürcher Bundeskrois gerade bis zum Monte Piottino gezogen wurde, wäro zu vermuten, dass die Innerschweizer Interessen auch nicht über diesen Ort hinaus gingen. Darüber hinaus sei auf dio geographische Gegebenheit hingewiesen, dass bis unterhalb des Plattifers, also bis Faido, unbedingt, gesäumt werden musste, während man ab Faido die Waren auf Fuhrwerken transportieren konnte. Aus spätoror Zeit wissen wir, dass der Transport über den Gotthard in erster Linie von Inner -schweizem ausgeführt wurde, was vielleicht auf diese Rechte zurückgehen könnte. Ferner fällt auf, dass die eidgenössischen Zollprivilegien im mailändischen Gebiet immer nur den Zoll zu Biasea und Bellinzona nennen. Solitc die Zollstätte am Plattifer, die noch heute den Flurnamen Dazio grande führt, schon in dieser frühen Zeit bestanden haben? Falls das zuträfe, was noch zu untersuchen wäre, müsste angenommen werden, dass dieser Zoll in der Hand der Eidgenossen gewesen wäre. Ferner sei noch bemerkt, dass sehr häufig im eidgenössischen Sprachgebrauch der Zeit neben der Leventina (Livinen) auch die Gegend von Biasea (Abletsch) gesondert genannt wird. Wenn unsoro Vermutung, zu der wir eine Reihe von Hinweisen hier recht wahllos anführten, zutreffen sollte, dann ergibt sich, dass nicht nur unter den Grafen von Homberg, sondern auch untor ihren Nachfolgern, den von Moos und den Eidgenossen, der gesamte Gotthardpass unter einheitlicher Aufsicht stand. Falls meine These stimmen sollte, wäre damit die Frage, ob die Eidgenossenschaft als Passtaat entstanden sei, mehr oder weniger entschieden. Vgl. auch die nächsto Anmerkung. ZÖB Vgl. ASG, XX, S.164, N.224a; Geschfr., I, S.339. Am gleichen Tage bestätigte Wenzel den Besitz des Zolles Flüelen! Dieses Privileg ist die Erneuerung einer Urkunde Karls IV., 1365X1 1, vgl. Geschfr., I, S.330, N.23; oder Geschfr., XLI, S.124, N.159. 270 Die Besitzerreihe der Rechte in der Leventina auf Grund der Privilegienbestätigungen'. 1317 Konrad von Moos; 1329 (1353) Johann von Moos; 1385 VIII 17 Johann von Moos, wahrscheinlich ist jedoch Jost von Moos gemeint, dessen Tochter Cäcilie sowohl mit Georg von Hunwil wie mit Walter von Tottikon vermählt war. Genauere genealogische Untersuchungen müssen hier unterbleiben. Karl IV. bestätigte 1365 Georg von Hunwil alles, was durch den Tod Heinrichs von Moos dem Reiche heimgefallen sei. Für Peter von Hunwil wiederholte Wenzel diese Bestätigung 1389. Da anzunehmen ist, dass ähnlich wie beim aus dem Besitz der von Moos kommenden Reichszoll zu Flüelon, der auch nicht als Ganzes vererbt wurde, ist zu vermuten, dass die Vogteirechte in der Leventina von den von Moos in Teilen an die von Hunwil fielen, vielleicht sogar an die mit ihnen verwandten von Waltersberg und von Tottikon. Obwohl wir auch hier auf reine Vermutungen angewiesen sind, besteht wohl kein Zweifel, dass Obwalden auf Grund des Gerichtes zu Wissein auch in diese Rechte eintrat. Auf den oben behandelten analogen Fall des Reichszolles zu Flüelen braucht wohl nicht besonders hingewiesen zu werden. Näheres wird sich erst sagen lassen, wenn die Genealogie der Innerschweizer Geschlechter klarliegt. Vgl. HBLS, von Moos, von Hunwil. -Dwrrer, Einheit, S. 366ff.; id., Freiherren, S. 132ff.-Geschfr., XLI, S. 100,124; XLII, S.28, 34. - Regesten zur Geschichte des Gotthardpasses, ed. H. von Liobcnau, Arch.f.Schweiz. 172 173 In den folgenden Jahren hauten die Eidgenossen ihre Positionen im Tessin weiter aus, ohne jedoch dem Wunsch des Königs, gegen Mailand Krieg zu führen, zu willfahren. 1407 nahmen die beiden Orte die Freiherren von Sax in ihr Landrecht auf, nachdem diese schon durch den Anschluss an den Grauen Bund, der wiederum mit Glarus verbündet war, einen indirekten Rückhalt bei den Eidgenossen gesuoht hatten271. Für den Schutz der beiden eidgenössischen Orte versprachen die Herren Bellinzonas, diese Feste den Eidgenossen offen zu halten und gegen Mailand zu verteidigen. Der Weg über den Gotthard war damit für den römischen König offen. Als 1410 König Sigmund von Ungarn zum römischen König gewählt worden war, wurde auch die mailändische Frage neuerdings akut, da Sigmund die gleichen Aufgaben lösen musste, an denen Ruprecht gescheitert war272. Doch stand Mailand für Sigmund lange nicht so im Vordergrund des Interesses, da sein Hauptfeind Venedig war, den er zuerst aus Dalma-tien verdrängen musste, bevor er sich mit der Reichspolitik und mit Mailand befassen konnte273. So sehr die mailändischen Wirren ein Eingreifen des Königs erleichtert hätten, konnte König Sigmund sich doch nicht so bald dieser Frage zuwenden. Bei dieser Lage bestand ferner die Möglichkeit, dass sie sich von selbst löste, falls die Visconti von einem der Condottieri vom Throne verdrängt würden. Offensichtlich vermied Sigmund, die Fehler Ruprechts zu wiederholen, der die mailändischen Angelegenheiten mit Gewalt lösen wollte. Schon bald ordnete Sigmund dem Ziel, die Einheit der abendländischen Kirche wiederherzustellen, alles andere, auch die Erwerbung der Kaiserkrone unter, wobei er seine anderen Pflichten nur zurückstellte, aber nicht vergass. Nach seiner Wahl hatte der Luxemburger noch längere Zeit in Ungarn zu tun. Wegen seiner ungarischen und böhmischen Interessen, aber auch wegen des Krieges gegen Venedig lag dem König daran, die Streitigkeiten der österreichischen Herzöge untereinander beizulegen, eine Aufgabe, der er sich schon mehrfach ohne allzu grossen Erfolg gewidmet hatte. Als römischer König durfte er nun auf grössere Wirkung rechnen. Wiederum nahm er für die albertinische Linie Stellung, auf die er Ungarns wegen besonders Rücksicht nehmen musste274. Das brachte ihn in Gegensatz zu Herzog Friedrich und zeitweilig auch zu Herzog Ernst. Der Gegensatz zu Friedrich von Österreich wurde vor allem dadurch verschärft, dass Sig- Gesch., XX, besonders N.102, 116, 220, 224a. - Gesohfr.,I, VIII, S.124, K.4; XX, S. 312, 315L, 319. - 7f. Meyer, Blenio und Leventina von Barbarossa bis Heinrich VII., besonders Schiedsspruch von 1311. 271 Landrecht 1407 VIII 21, EA, I, S. 120, N. 267. Bündnis des Grauen Bundes, dem die Freiherren von Sax angehörten, mit Glarus 1400 V 24, EA, I, S.97, N.229. - Vgl. auch Th.V.Liebenau, a.a.O. 272 1. Wahl 1410 IX 20. Zu den Verpflichtungen wegen Mailand vgl. RTA, VII, S. 107ff.', N. 64/65, und Schiff, S.6. 273 Über den venezianischen Krieg vgl. Schiff, S.4ff. 274 Vgl. A.Huber, a.a.O., S.417ff. - Reg.imp., XI, N.141, 248, 288. mund Friedrichs oberitalienische Politik missbilligte. Er verlangte von ihm ein Bündnis gegen Venedig und die Aufgabe von Gebieten in der Lombardei, die als Reichsgut galten. Zu beidem wollte sich Herzog Friedrich nicht bequemen275. Doch wollte Herzog Friedrich der Gefahr vorbeugen, die hundert Jahre zuvor seinem Namensvetter und Vorfahren schwer zu schaffen gemacht hatte, und unter allen Umständen vermeiden, dass der König und die Eidgenossen gemeinsam zu seinen Feinden zählten. Im Verein mit seinem Bruder Ernst bemühte er sich, eine grosse Koalition gegen den König zusammenzubringen, indem er mit Polen und Venedig Bündnisse schloss276. In dieser Situation gelang es den österreichischen Räten, nach längeren Verhandlungen mit den Eidgenossen den fünfzigjährigen Frieden abzu-schliessen, der zwar die österreichischen Ansprüche praktisch opferte, aber doch zu der Hoffnung berechtigte, die Eidgenossen würden sich weder mit Sigmund gegen Österreich verbünden, noch den Gegnern Österreichs in ihrer Nachbarschaft, wie in jenen Jahren dem Bischof von Chur, Hilfe leisten. Der König hatte schon drei Wochen vor dem Abschluss des Vertrages an die bayrischen Herzöge und die Grafen von Görz geschrieben, sie sollten gegen Friedrich von Österreich wegen verschiedener Schandtaten, unter anderem der Gefangennahme des Bischofs Hartmann von Chur, vorgehen277. Wenig später beauftragte der Luxemburger den Pfalzgrafen Ludwig bei Rhein, den Krieg gegen Herzog Friedrich zu leiten278. Obgleich der zwanzigjährige Friede noch galt, wurde es für die Österreicher allerhöchste Zeit, die Eidgenossen am Eingreifen zu hindern; denn jeden Tag konnte eine Mahnung des Königs, sich an dem Kriege gegen Österreich zu beteiligen, bei den eidgenössischen Orten eintreffen279. Wenn die Eidgenossen in dieser Situation noch den fünfzigjährigen Waffenstillstand abschlossen, der ihnen zwar die Eroberungen des Sempacherkrieges zusprach, mögen dabei, abgesehen von kleineren Zwistigkeiten untereinander und den noch lange unruhigen Verhältnissen im Appenzeller Gebiet, die Streitigkeiten um das Eschental und die eidgenössischen Interessen jenseits des Alpenkammes das ihrige beigetragen haben. In der Zeit der Wahl Sigmunds hatten die Eidgenossen nämlich auch das obere Eschental besetzt, um dessen Besitz sich der Bischof von Novarra und die Herzöge von Mailand, sowie"deren Condottieri stritten280. Dabei stiessen sie einerseits auf den Widerstand Facino Canes, des bedeutenden 2" Vgl. Schiff, S.8, 12, 14. - Reg.imp., XI, N. 147. 276 Vgl. Schiff, S.12ff. - Vgl. F.Qabotto, Documonti inediti sulla storia del Piemonte, S.247, N.CCXCVIII, Miscellanea di storia italiana, XXXIV. 277 1412 V 6 vgl. Reg.imp., XI, N.226, 228. 278 Vgl. Reg.imp., XI, N.228. Vgl. EA, I, S. 131, 342, N, 291. Am 23. XI. 1412 mahnt Herzog Friedrich - anscheinend auf Grund dieses Vertrages - die Eidgenossen, ihm gegen die Horzöge von Bayern zu helfen, die wiederum Sigmund gegen Friedrich aufgeboten hatten. Vgl. EA, I, S. 134, N.297; = Thommen, III, S.23, N.31. 230 Vgl. Tanner, S.353ff. (1410 IX). 174 175 inailändischen Condottiere, andererseits mischte sich sehr bald Savoyen ein und erlangte im Frühjahr 1411 die Huldigung der Bewohner des oberen Val Ossola281. Facino Cane bemühte sich, auch die verlorenen Gebiete auf dem südlichen Zugang zum Gotthard wiederzugewinnen282. Im November 1411 behandelten die Tagsatzungsboten seine Angelegenheiten283. Der König stand dem mailändischen Condottiere freundlich gegenüber, weil er die Macht besass, die Visconti von ihrer Herrschaft zu verdrängen. Wenn er ihn in einer Instruktion des Frühjahres 1412 beauftragte, die Reichs-rechte in der Lombardei wiederherzustellen, so richtete sich das vor allem gegen die Visconti und gab Facino Cane freie Hand, sich des mailändischen Staates zu bemächtigen284. Auch der andere Gegenspieler jenseits der Berge, Savoyen, besass schon lange das Vertrauen des Königs, zumal ein Glied des Hauses, Ludwig von Achaja, an dem Kreuzzuge Sigmunds gegen die Türken teilgenommen hatte und ebenso wie der Ungarnkönig in türkische Gefangenschaft geraten war286. Da beide ennotbirgischen Gegenspieler auf der Seite des römischen Königs standen, war der Platz der Eidgenossen - zumindest der inneren Orte - eher auf der Seite des österreichischen Herzogs als auf der Seite seiner Gegner. Daher entsprach es der augenblicklichen Lage, wenn die Eidgenossen sich wenigstens durch den Abschluss des fünfzigjährigen Friedens den Bücken frei hielten, und abwarteten, wie sich der neue Herrscher ihnen und ihren Streitfragen gegenüber verhielt, wenn einmal der Kontakt aufgenommen werden konnte. Während die militärischen Unternehmungen Sigmunds gegen Venedig keine Erfolge zeitigten, reizten die Wirren in Mailand noch stärker als bisher zum Eingreifen, da an dem gleichen Tage Herzog Gian Maria Visconti ermordet wurde, an dem Facino Cane starb286. Darüber hinaus erforderte das Misslingen der römischen Synode, dass sich der römische König der alle Welt beschäftigenden Frage zuwandte und nun seinerseits versuchte, die Einheit der Kirche wiederherzustellen287. Mit Bücksicht auf diese und andere italienische Anliegen wollte Sigmund zuerst mit Filippo Maria Visconti verhandeln. Die Verhandlungen scheiterten, weil der Mailänder darauf bestand, dass der König seine Herzogswürde anerkannte. Der Luxemburger konnte in diesem Punkte keine Zugeständnisse machen, da er sich gegenüber den Kurfürsten gerade zum Gegenteil verpflichtet hatte288. Daraufhin suchte Sigmund noch von 281 Vgl. Tanner, S.358ff., besonders S.368. 282 Vgl. Gabotto, Dooumenti inediti, S.247, N.CCXCVIII. 288 Vgl. BA, I, S.130, N. 286b 2; sowie ASG, XVIII, S.242f. 281 Vgl. Schiff, S.32H. 283 Vgl. Reg.imp., XI, N.220, 229, 246, 247, 268-261, 269. - Schiff, S.41. - F.Cognasso, Amadeo VIII., Collana storica sabauda, I, S.200fl., auch S.179. Über die Streitigkeiten zwischen Bern und Savoyen zu Beginn der Bsohentalpolitik vgl. Feiler, Geschichte Berns, I, S.240f. 288 1 4 1 2 V 16. Über die Situation in Mailand vgl. Valeri. Am 4.IV. 1413 schloss Sigmund mit Venedig einen Waffenstillstand; vgl. Reg.imp., N.464, sowie Schiff, S.28ff. 281 Vgl. Schiff, S.28ff., 31 ff. 288 Vgl. Schiff, S. 35ff. Filippo Maria wandte sich daraufhin an Wenzel, von dem er die Bestätigung seiner Würde erlangte. Friaul aus, Bundesgenossen gegen Mailand und Neapel zu gewinnen. Doch fand er nirgends grösseres Entgegenkommen. Sogar Savoyen wollte lieber vermitteln als Mailand angreifen389. Noch von Friaul schickte Sigmund seinen Oberwalliser Rat, Philipp von Heimgarten, zu den eidgenössischen Orten, um sie zur Unterstützung eines Zuges gegen Mailand zu gewinnen290. Doch die Eidgenossen Hessen sich Zeit, bevor sie dem König eine Antwort gaben. Sie wollten sich nicht unbesehen in Abenteuer stürzen. Vor allem galt es abzuwarten, wie sich die deutschen Reichsglieder zu den königlichen Plänen einsteUton. Ausserdem konnte man in dieser Situation möglicherweise Vorteile erhandeln und sich das Eschental wiederum von Savoyen abtreten lassen. Auch sonst waren vielerlei Interessen zu bedenken. So zogen sich die Verhandlungen der eidgenössischen Orte in die Länge. Man hatte keine grosse Lust, gegen Mailand zu kriegen, zumal es sich nicht um einen eigentlichen Romzug handelte, den allein man anscheinend zu unterstützen verpflichtet war. Als der König die Eidgenossen aufforderte, ihre Gesandten nach Chur zu senden, wo er am 2. August 1413 sein werde, schickten nur Zürich, Bern und Solothurn ihre Boten, die mit dem Könige in Meran ohne grossen Erfolg verhandelten291. Immerhin brachten sie die Bestätigungen ihrer Privilegien mit nach Hause, was sie nicht von vornherein erwartet hatten292. Neue Verhandlungen mit den Boten gemeiner Eidgenossen in Chur führten auch zu keinem Ergebnis293. Erst auf der Tagsatzung vom 8. September entschlossen sich die Orte, dem Könige eine endgültige Antwort zu senden294. Nach dem Vorbilde Österreichs und Bayerns waren die Eidgenossen bereit293, dem König durch Söldner zu helfen. Eine weitergehende Unterstützung lehnten sie ab296. Sigmund hatte kaum die Nachricht von diesem Abschluss der Verhand- 289 Vgl. Schiff, S. 35-38. - Sowie Gabotto, Documenti inediti. 298 1 4 1 3 IV 4 ernannte Sigmund Philipp vom Heimgarten zum «familiaris» (Reg.imp., XI, N.461). Die Gesandtschaft wird nicht allzu lange danach abgesandt worden sein. Vgl.' Reg.imp., XI, N.552, 717. 291 Die Botschaft Ph.von Heimgartens wurde von der Tagsatzung am 21. VI. (Reg.imp-, XI, N.552) und am 4.VII. (BA, I, S.137, N.306; = Zürcher Stadtbücher, II, S.38, N.12; = Rog.imp., XI, N.552) behandelt. Die Eidgenossen wollten daraufhin am 25.VII. eine Botschaft der Städte Zürioh, Bern und Solothurn von Zürich aus absenden (vgl. Schreiben Borns an Basel 1413 VII 20, Anz.f.Schweiz.Gesoh., V, S.322 [1889]; = Reg.imp., XI, N. 551 b; an beiden Orten ist das Datum fälschlich mit 12. VH. aufgelöst worden).Inzwischen kam das Schreiben des Königs vom 22. VII. an, das die Eidgenossen aufforderte, ihre Gesandten auf den 2. VIII. nach Chur zu senden. Dadurch verzögerte sieh die Abreise der Botschaft von Zürich etwas. Die Gesandten verhandelten mit Sigmund in den ersten Augusttagen zu Moran (vgl. Reg.imp., XI, N.608b-611; EA, I, N.307, wo jedoch das Datum nicht genau stimmt). Vgl. auch Schiff, S. 38. 292 Vgl. EA, I, S. 138, N.307, jedoch erst am 7. VIII. wurden die Privüegien ausgestellt. Vgl. Reg.imp., XI, N.609-611. 293 Vgl. EA, I, S. 138, N.308. - Justinger, S.213f. - Reg.imp., XI, N.650, 667. 2t"> Vgl. EA, I, S. 138, N. 310; = Tsahudi, I, S.670. - Vgl. Justinger, S.219. 291 Vgl. Schiff, S. 38. - H.Herre, Die Beziehungen König Sigmunds zu Italien vom Herbst 1412 bis zum Herbst 1414, Quellen u.Forsch.a.ital.Arch., IV, 1, S.56. - H.Finke, Acta Concili Constantiensis, I, S.174, Anm.5. 298 Die Reaktion der Basler Boten findet sich in ihrem Schreiben anBasel vom 1. IX. 1413; vgl. Anz.f.Schweiz.Gesch., V, S.322f. 176 12 177 hingen, den er offensichtlich für günstig ansah, erhalten, als er von verschiedenen Städten Reisige anforderte297. Doch wartete er die Ankunft dieser Truppen nicht ab, sondern brach Ende September 1413 von Chur auf und zog über den Lukmanier nach Bellinzona298. König Sigmund wählte Chur als Ausgangspunkt für seine Unternehmungen gegen Mailand, weil er auf den Bischof von Chur zählen konnte, während er Friedrich von Österreich trotz dem Frieden noch misstraute. Ausserdem garantierten ihm, abgesehen von den Eidgenossen, noch einige Bündner Adelige sichere Verbindungswege nach Deutschland. Die Herren von Sax, die vielleicht damals zu Grafen erhoben wurden, suchten ebenso wie die Rusca von Como bei dem Luxemburger einen Rückhalt und erleichterten auf diese Weise ein Vordringen in die Lombardei. Doch besass der König nur sehr geringe Machtmittel, da es ihm an Geld fehlte, weshalb wohl auch die österreichischen und bayrischen Kontingente überhaupt nicht erschienen290. In Bellinzona erreichten den Luxemburger auch sechshundert eidgenössische Söldner, die vergeblich erwarteten, dass der König ihnen sofort ihren Sold ausrichtete. Die anwesenden Gesandten der Eidgenossen konnten zwar die Knechte bewegen, mit Sigmund nach Tesserete zu ziehen. Als aber die Kontingente der elsässisohen und schwäbischen Reichsstädte dort eintrafen, verschärfte sich die Misstimmung der Schweizer Knechte. Vollends wurden sie des Dienstes für den König überdrüssig, als Sigmund mit Filippo Maria auf dem Verhandlungswege einig wurde. Anstatt eines Krieges in der reichen Lombardei erwartete sie nun Wachdienst und wenig ruhmvolle Tätigkeit im Gefolge des Königs. Wahrscheinlich hörten sie auch vom Inhalt des Vertrages, in dem der Mailänder Sigmund zweitausend Reiter und Hilfe gegen jede italienische Macht, die feindlich gegen das Reich auftrete, versprach. Die eidgenössischen Knechte glaubten sich nun überflüssig und zogen heim. Die Bemühungen der Boten Berns, Zürichs und Solothurns, denen dies Verhalten anscheinend recht ungelegen kam, konnten sie nicht zurückhalten, da weder Beute noch Sold lockten. Obwohl Sigmund die Knechte noch gerne behalten hätte, verärgerte ihn weder die Haltung der eidgenössischen Orte noch die ihrer Söldner300. Vgl. RTA, VII, S. 188, N.228; = Reg.imp., XI, N.732/33 (1413IX 14). Am 26./26.IX. 1413; vgl. Reg.imp., XI, N.762a. Die Kontingente der Reichsstädte sollten am 5. X. in Feldkirch sein. 808 Vgl. Schiff, S.42f. 300 Nach dem Berichte Justingers lagen die Knechte etwa zehn Tage zu Tesserete. König Sigmund urkundete zuletzt am 11. X. in Bellinzona, vorhandelte aber schon am 13. in Como mit den Gesandten des Papstes Johann XXIII. (Vgl. E.QSller, Kaiser Sigmunds Kirchenpolitik vom Tode Bonifaz' IX. bis 1413, Studien aus dem Collegium Sapientiae, S. 144. -Finke, Acta, I, S. 174. - Vgl. Schiff, S. 42f.) Am 23. X. schliesst er den Vertrag mit Mailand ab. Daraus kann geschlossen werden, dass Sigmund in Begleitung der eidgenössischen Knechte am 12. von Bellinzona nach Tesserete zog und die Eidgenossen unmittelbar nach dem Abschluss der Verhandlungen mit Mailand aufbrachen. Daraufweist ferner die Nachricht Justingers hin, dass die Boten Berns am l.XI. abends wieder in Bern gewesen wären. Reohnen wir für die Reise Tesserete-Bern mindestens fünf Tage und einen Tag Aufenthalt in einem der eidgenössischen Orte, so sind die Boten der Städte am 27. vom Könige geschieden. Dieses Datum legen die Privilegien für G. von Lexingen und H. von Ringgenberg nahe, Der Vertrag mit Mailand verhinderte zwar im Augenblick den Krieg, beseitigte aber das gespannte Verhältnis keineswegs, da der König die Herzogswürde des Visconti nicht anerkennen konnte301. Doch brachten die Vereinbarungen Sigmund soviel Bewegungsfreiheit, dass er sieh seinen andern italienischen Plänen widmen konnte. Die Berner Gesandten waren noch nicht in ihre Heimatstadt zurückgekehrt, als der römische König auf den 1. November 1414 ein allgemeines Konzil nach Konstanz ausschrieb302. In den längeren Verhandlungen mit den VertreternPapst Johanns XXIII. hatte Sigmund darauf beharrt, das Konzil in Konstanz abzuhalten, obwohl ihm eine Reihe anderer deutscher und italienischer Städte vorgeschlagen worden waren303. Die Gründe, die den König gerade zur Wahl dieser Stadt, die in nächster Nähe des eidgenössischen Machtbereichs lag, bewogen, kennen wir nicht. Es müssen gewichtige Argumente gewesen sein, die gerade für diesen Bisohofssitz sprachen; gab es doch im Südwesten des Reiches manche Stadt, die sich als Konzilsort mindestens genau so gut eignete. Sigmund musste einen Ort wählen, der garantierte, dass der König der mächtigste Fürst in der Umgebung war. Kein anderer durfte auf das Konzil einen Einfluss ausüben können, sei es auch nur dadurch, dass er die Verbindungen mit Italien oder dem Westen beherrschte. Wir können daher vermuten, dass Sigmund auf Grund der Verhandlungen mit den Eidgenossen sicher damit rechnete, notfalls ihre Hilfe zum Schutze des Konzils beanspruchen zu können, ohne befürchten zu müssen, dass sie den Verlauf der Kirchenversammlung irgendwie störten. Gewiss hat bei der Wahl von Konstanz auch das gute Verhältnis des Königs zu Savoyen und zum Bischof von Chur eine Rolle gespielt. Ferner konnten die zahlreichen Reichsstädte in der näheren und weiteren Umgebung der Konzilsstadt die königliche Macht steigern. Nur Herzog Friedrich von Österreich besass die Möglichkeit, in der Umgebung des Konzilsortes Unruhe zu stiften. Deshalb wählte Sigmund diejenige Bischofsstadt, die mitten in einer Anhäufung reichsunmittelbarer Gebiete lag. Das entsprach auch den königlichen Anschauungen vom Reiche, die den reichsfreien Gebieten entscheidende Bedeutung beimassen. Daher wollte sich Sigmund in seiner Politik auf die Städte stützen, soweit ihm das möglich war. Diese Auffassungen Sigmunds erklären auch das gute Ver- wenn man vermuten will, dass der von Lexingen ein Teilnehmer oder ein Begleiter der Berner Gesandtschaft war oder diese für ihn die Privilegien erwarb. (Vgl. Reg.imp., XI, N. 767/68; = Thommen, III, S. 31, N. 38 IV [1413 X 25].) Wenn wir nun noch einen oder zwei Tage für die Verhandlungen der Boten mit den eidgenössischen Kneohten und mit dem Könige einsetzen, kommen wir zu dem gleichen Resultat, dass die eidgenössischen Knechte nach dem Abschluss der Vereinbarungen mit Mailand heimzogen. Vgl. auch Reg.imp., XI, N.760/61. 881 Vgl. Reg.imp., XI, N.761a. - Schiff, S.42ff. 332 1413 X 30, Reg.imp., N.773. - Vgl. Finke, Acta, I; auch Quellen und Forschungen; sowie Qöll&r, 303 So z.B. Strassburg und Basel. Vgl. Finke, Acta, I, S.243, 15, sowie S.173, Anm.3. -Vgl. Oöller, S.144. - Herre, S.2Bf. - Schiff, S.44. Der Grund, den Ulrich von Richental nennt, die schwäbischen Hilfstruppen auf dem Italienzuge hätten Sigmund gebeten, das Konzil naoh Konstanz auszuschreiben, ist allein sicher nicht ausschlaggebend gewesen. 178 179 hältnis, das zwischen Sigmund und den Eidgenossen von vornherein bestand. Beide Teile standen sich in ihren Anschauungen von den Aufgaben des Reiches auch geistig nahe. So war es nicht verwunderlich, dass Sigmund während des Konzils fest auf die Eidgenossen zählte, zumal er bei seiner Rückkehr aus Italien in Bern ausführlich über seine nächsten Pläne, vor allem über einen Zug gegen Mailand, verhandelt hatte304. Während dieser Verhandlungen wurde auch die Präge des Eschentales nachweislich erstmals mit dem Könige besprochen305. Den Verlust dieser Eroberung an Savoyen hatten die Eidgenossen noch nicht vergessen. Er mag bei der Entscheidung, ob man dem Könige gegen Mailand helfen wolle, grosse Bedeutung besessen haben, da anscheinend besonders die an dem Besitz des Eschentales interessierten Orte eine Unterstützung des Königs ablehnten. Als man zur Zeit der Wahl Sigmunds das Eschental eroberte, mag mancher der führenden Köpfe der Eidgenossen damit gerechnet haben, die Unterstützung des neuen Königs für dieses Unternehmen zu erlangen; denn die von König Ruprecht gewünschte Öffnung des Weges nach Mailand musste auch für seinen Nachfolger von grossem Interesse sein. Um so mehr wurden sie sicherlich enttäuscht, als ihnen dort weniger Mailand durch Facfno Cane entgegentrat als Savoyen, gegen das sie wenig auf eine Hilfe durch Kaiser und Reich hoffen konnten. Nun trugen sie ihr Anliegen dem Könige vor, wenn es nicht schon bei früheren Verhandlungen geschah. Doch bat Sigmund, die Sache noch anstehen zu lassen, denn dem Luxemburger war die Vermittlung zwischen den Eidgenossen und den Grafen von Savoyen, die er beide für seinen Krieg gegen Mailand brauchte, ein zu heisses Eisen306. Wie seine Vergabungen an Gitschart von Raron, der ihn mit siebenhundert Wallisern in die Lombardei begleitet hatte, zeigen, nahm er auf beide Teile weitgehende Rücksicht und übertrug dem Walliser Landeshauptmann Gebiete, die südlich an das Eschental grenzten, jedoch schwer zu erobern und noch schwieriger zu halten waren. Wenn er schliesslich Gitschart von Raron die Landeshauptmannschaft als erbliches Lehen verlieh, so geschah das sicherlich nicht ohne Bedenken, da dadurch sowohl die Interessen Savoyens als auch der Eidgenossen berührt wurden307. Die Folgen dieser Verleihung waren noch 304 Zur Haltung der Eidgenossen gegenüber dem Konzil vgl. EA, I, S. 168, N.346; S. 162, N.366; S.166, N.368a: «Alz Herzog Ludwig, der Bischof von Passow und Burggraf ver-schriben hant, dtz wir keine pfaffen durlassend»; S.174, N.378b; S.184, N.393c. ans vgl. EA, I, S.141, N. 315/16. - Zürcher Stadtbücher, II, S.17, N.26. - Justinger, S. 217ff. - Reg.imp., N. 993a, 994/95, 997, 999-1003. Gleichzeitig verhandelte Sigmund mit italienischen Mächten über ein Bündnis gegen Mailand und Venedig. Vgl. Schiff, S.63ff. Schon von Italien aus hatte Sigmund eine eidgenössische Gesandtschaft erbeten, worüber die Tagsatzung am 12.IV. 1414 verhandelte. EA, I, S.139, N.312. - Zürcher Stadtbücher, II, S.13, ST. 21. - Vgl. RTA, VII, S.189f., N. 129-133. ">« Vgl. EA, I, S. 141, N.316; = Zürcher Stadtbüoher, II, S. 17, N. 26. - Vgl, auch ASG, XVIII, S.251, N.10.-Schiff, S.59. so' Vgl. Reg.imp., XI, N.761, 965/66. - Thommen, III, S.37, N.44. Die zweimalige Verleihung der Herrschaft Vogogna an Gitschart von Raron zeigt uns das Interesse, das König Sigmund an dem Eschental besass. Offensichtlich lag ihm aus handelspolitischen Gründen daran, es im Besitz seiner Anhänger zu wissen. Vgl. Reg. imp., XI, N. 966, 5796. - Vgl. auch % schwerwiegender als Sigmund geahnt haben mag. Die Walliser Landleute i' wehrten sich mit aller Kraft für ihren geistlichen Herren gegen die Ent- r stehung einer erblichen Landesherrschaft der Raron in ihren Tälern. Da- mit entstand ein Unruheherd, der vorab der Eidgenossenschaft schwer zu schaffen machte. Darüber hinaus interessierte er auch Savoyen und andere Mächte, nicht zuletzt den König selber, da er die Aktionsfähigkeit der Eidgenossenschaft in steigendem Masse lähmte308. Die Bedeutung des Raron-handels zeigt sich erst ganz deutlich, wenn wir die Persönlichkeiten betrachten, die sich mit ihm befassten. Vorerst weilte Sigmund noch in Italien, wo ihn die Vorbereitungen des Konzils und vor allem Verhandlungen mit den italienischen Mächten festhielten. Da er aber in Italien weder Bundesgenossen gegen den Herzog von Mailand fand, noch von den deutschen Reichsstädten unterstützt wurde, sah sich der König gezwungen, nach Deutschland zu kommen, um den Krieg gegen Mailand besser vorzubereiten300. Daher betrat Sigmund, abgesehen von seinem kurzen Aufenthalt in Innsbruck und Chur, mit seinem Besuch in Bern erstmals das Gebiet des Reiches im engeren Sinne. Bedenkt man alle die Schwierigkeiten, denen der Luxemburger in der Lombardei begegnet war, so versteht man erst, wie sehr der König aufatmete, als er in Bern, festlich empfangen, einritt. Die Berner setzten ihrerseits alles daran, um dem Herrscher zu zeigen, dass sich ihm da «ein nüwe weit» auftat310. So gern sich Sigmund wiederum gegen Mailand gewandt hätte, wozu er die Unterstützung der Eidgenossen erbat, überzeugten ihn doch die Kurfürsten, dass es notwendig sei, vor der Eröffnung des Konzils noch zur Krönung nach Aachen zu kommen. Daher vertagte König Sigmund den Krieg gegen Mailand, ohne jedoch die italienischen Angelegenheiten ganz aus seinem Gesichtskreis zu verbannen311. Ende des Jahres 1414 versammelte sich zu Konstanz das Konzil. König Sigmund traf erst am Heiligen Abend in der Konzilstadt ein. Noch keinen Monat später wandte sich der Luxemburger an die Eidgenossen, um ihre Unterstützung gegen Friedrich von Österreich zu erlangen, mit dem er aus verschiedenen Gründen in ein immer gespannteres Verhältnis geraten war312. Doch kamen die eidgenössischen Boten überein, dem Könige JS. Hauser, Die Geschichte der Freiherren von Raron, Schweiz. Stud. z. Gesch.wiss., VTII, 2 (Zürcher Diss. 1915), S. 93f. - Sowie Schulte, I, S. 104, 215ff., 473ff. - Justinger, S. 216, 254. -J.Oremaud, Documents relatifs ä l'histoire du Valais, VII, S. 141f., N.2629. 808 Neben E. Hauser vgl. zum Raronhandel D, Severin, Documenti sulle Contese sabaudo-vallesane per il possesso di Domodossola (1416-1419), Rev. «FERT», IX, 2,1937, besonders aber Gabotto, Contributo alla storia delle relationi fra Amadeo VTII di Savoia e Filippo Maria Visconti, Bolletino della societä Pavese di storia patria, III (1903), S. 153ff. 309 Vgl. Schiff, S.58f. - Vgl. auch Reg.imp., XI, N. 977. 310 Vgl. Justinger, S.218. So eindeutig positive Äusserungen über Reichsstädte aus dem Mundo oinos Königs sind wohl reoht selten. Mir ist nur eine Bemerkung Sigmunds über Frankfurt bekannt, die ähnlich lobend klang. Vgl. Janssen, Frankfurts Reichskorrespondenz 1376-1519,1, S. 319. 311 Vgl. Schiff, S.60f.; sowie RTA, VII, S.195ff., N. 136-139. 318 1415122-27, vgl. EA, I, S. 142, N. 321. - Justinger, S. 221 f. - Reg.imp., XI, N. 1399a, 1409, 1411, 1405. 180 181 gegenüber auf ihren Frieden mit Österreich zu verweisen, den sie unbedingt halten wollten313. Offensichtlich genügte die Nachricht von diesen Verhandlungen, um Herzog Friedrich zu einer konzilianteren Haltung zu bewegen, denn bald nach der Tagsatzung zu Luzern, die das Unterstützungsbegehren behandelte, finden wir den österreichischen Herzog in der Könzilstadt. Justinger erzählt anschaulich, wie Friedrich versuchte, die Eidgenossen vor dem Könige schlecht zu machen, indem er sie beschuldigte, den Frieden mit Österreich nicht zu halten. Damit drang er jedoch nicht durch, und er musste erkennen, dass trotz des fünfzigjährigen Friedens König und Eidgenossen zusammenhielten314. Darüber hinaus musste er einsehen, dass er keinen Einfluss auf den König und das Konzil ausüben konnte, obwohl er der mächtigste Fürst in der Nähe der Konzilstadt war. Es war ihm also unmöglich, die Zusagen zu halten, die er als Generalkapitän der römischen Kirche offensichtlich Papst Johann XXIII. gemacht hatte315. Daher verhalf der österreichische Herzog Papst Johann, der gleicher-massen seine Hoffnungen auf eine ihm günstige Entwicklung der Konzilsverhandlungen schwinden sah, zur Flucht316. Doch unterschätzte Herzog Friedrich die Machtmittel, die dem sonst so schwachen römischen König in dieser christlichen Angelegenheit zur Verfügung standen. So blieb Sigmund einer der wenigen, die bei der Verwirrung, welche durch diesen folgenschweren Versuch, das Konzil zu sprengen, entstanden war, einen klaren Kopf behielten. Wahrscheinlich rechnete Sigmund schon zu diesem Zeitpunkt fest mit den Eidgenossen, denn schon zwei Tage nach dem für den Erfolg des Konzils entscheidenden Ereignis, stellte er den Bernern Privilegien aus, die sich nur erklären lassen, wenn der König Hilfezusagen der Berner in der Hand hatte317. Sofort begannen Kriegsvorbereitungen. Von allen Seiten sollten die Gebiete Friedrichs angegriffen werden. Um Friedrich eines Rückhalts an dem Visconti zu berauben, kam Sigmund Mailand weit entgegen und gab sein Misstrauen Filippo Maria gegenüber auf, denn das Gelingen des Konzils war wichtiger als die Herzogswürde des Visconti318. Recht skeptisch berichtete ein Frankfurter an seine Vaterstadt, die Berner wollten dem Könige «des herzogen stede vier yme binne acht dage 818 Wohl schon in Bern hatte man darüber verhandelt. Vgl. BA, I, S.143, N.322; = Zürcher Stadtbücher, II, S.21, N.35 (1415 II 19 in Luzern). Daraufhin hatte Bern wohl um den 15. III. zugesagt, dem Könige notfalls zu helfen. Vgl. Heg.imp., XI, M\ 1492,1513/14. - Feiler, I, S.244. - Auch RTA, VII, S.279, N.1S3; S.285f., N.189. 814 DaB Schreiben Züriohs an Herzog Friedrich stellt wohl die Antwort auf die Anschuldigungen dar. Thommen, III, S.42, N.52X. - Vgl. Justinger, S.222f. 818 Vgl. Liehnowsky, V, Reg., N. 1490-1493. - Vgl. A.,Ruber, a.a.O., S. 504. 816 1415 III 20/21, vgl. Reg.imp., XI, N. 1504b, 1508a. 817 1415 III 23, BA, I, S. 143, N. 324; = Reg.imp., XI, N. 1513/14; vgl. die gleiche Verleihung für Solothurn Reg.imp., XI, N. 1547, und eine ähnliche an Basel Reg.imp., XI, N. 1652/63. 818 1415 IV 7, vgl. Reg. imp„ N. 1575. - Sckdff, S. 63. - Auch 67. Romano, Contributi alla storia della rcconstructione del Ducato milanese sotto Filippo Maria Visconti (1412-1421), Aroh.stor.lomb., 3, VII (1897), S.68f., N.116-118. antwurten, und meynen die von bern yme 8000 mannen zuführen»319. Solohe Versprechen musste jeder, der die eidgenössischen Verhältnisse jener Tage nicht kannte, als masslos übertrieben betrachten. Selbst Herzog Friedrich scheint sich nicht darüber klar gewesen zu sein, was es bedeutete, wenn die Eidgenossen ihre Machtmittel dem Könige zur Verfügung stellen würden. Doch bevor die Eidgenossen ins Feld zogen, wollten sie sich als vorsichtige Politiker nicht nur dagegen sichern, den auf Befehl des Königs und zum Wohle der Christenheit begonnenen Krieg eines Tages allein ausfechten zu müssen, sondern gedachten, bei dieser Gelegenheit auch ihre Interessen entscheidend zu fördern. Wie andere Fürsten und Städte forderten sie vom Könige Gegenleistungen. AVenn König Sigmund ihnen den Aargau überliess, so erhielt der Burggraf Friedrich von Nürnberg gleichzeitig mit der Erklärung der Reichsacht gegen Herzog Friedrich die Mark Brandenburg mit der Kurwürde für eine grössere Geldsumme. Für die geschichtliche Entwicklung sollte dies Faktum noch bedeutsamer werden als die grossen und wichtigen Vergabungen an die Eidgenossen320. Diese neuen Verhandlungen mit den eidgenössischen Orten verzögerten den Ausbruch der Feindseligkeiten, die ursprünglich am 1. April 1415, einen Tag nach der Verkündigung der Reichsacht, beginnen sollten321. Um die Eidgenossen zum schnellen Eingreifen zu bewegen, liess Sigmund Reichstag und Konzil ein förmliches Gerichtsurteil, fällen, das statuierte, die Eidgenossen seien als Glieder des Reiches verpflichtet, dem Reiche gegen Friedrich von Österreich trotz dem Frieden beizustehen, da Papst, Kaiser und römischer König nach geistlichem und weltlichem Rechte in allen Verträgen ausgenommen seien, ganz gleich, ob der Text diese Formel enthalte oder nicht322. Ausserdem erklärte Sigmund, alle österreichischen Pfandschaften und Lehen seien durch die Verurteilung Herzog Friedrichs dem Reiche heimgefallen, und befahl, sie nur dem Reiche zu lösen zu geben und nur vom Reiche wieder zu empfangen. Doch genügten diese Privilegien einem Teil der Eidgenossen nicht, weil sie offensichtlich ohne genaue Kenntnis der Rechtsverhältnisse in der Eidgenossenschaft formuliert worden waren. Ein Teil der Orte war selbst noch Österreich Untertan und war nicht de jure im Besitz der Rechte und Lehen, die Österreich abgesprochen wurden. Für diese Orte und für diese Rechte brachte das Privileg Sigmunds keinen Vorteil, sondern bedeutete eher einen Wechsel des Herren als einen Gewinn der Rechte. Daher wandten sie sich an Sigmund mit der Bitte, diese Urkunde so zu erweitem, dass 818 Janssen, I, N.495, S.285; = EA, I, S. 146, N.328. Zur Interpretation von «meynen» vgl. Lexer, Mittelhochdeutsches Wörterbuch. 320 Vgl. Reg.imp., XI, N.1541 (1415 III 30), sowie die Verpfändungen und Dienstverträge, N. 1523, 1525-1530, 1535/36. 321 1415 III 30, Reg.imp., XI, N. 1542. Über die Verhandlungen mit den Eidgenossen vgl. EA, I, N. 326-330. - Zürcher Stadtbücher, II, S. 22ff., N. 36-39, 41-44. - Reg.imp., XI, N. 1571-1574, 1584-1689. 822 1415IV 5, EA, I, S. 146, N.329. - Reg.imp., XI, N. 1560/61. 182 183 ihnen alle österreichischen Rechte innerhalb ihrer Lande zugesprochen wurden und klar festgelegt wurde, dass sie fortan zu den reichsunmittelbaren Ständen gehörten. Am 15. April stellte der König diese Privilegien aus und liess sie den Eidgenossen in grösster Eile überbringen323. Daraufhin setzten sich die Truppen der Eidgenossen in Maisch. Binnen kürzester Zeit wurde eine österreichische Burg und Stadt nach der anderen genommen. Die grossen Erfolge der Eidgenossen wurden sicherlich dadurch noch begünstigt, dass die moralische Widerstandskraft der Österreicher durch das offensichtlich unrechtmässige und konzilsfeindliche Verhalten Friedrichs schwer gelitten haben wird. Kaum drei Wochen später musste Friedrich von Österreich, der nicht nur von den Eidgenossen bedrängt wurde, sich dem König auf Gnade und Ungnade unterwerfen324. Zusammen mit andern Reichsgliedern - Herzog Friedrich soll mindestens 400 Absagebriefe erhalten haben - hatten die Eidgenossen gezeigt, dass sie dem Reiche in entscheidender Stunde in einer Weise zu helfen gewillt waren, die die Welt in Staunen versetzte. Damit hatten die Eidgenossen ferner bewiesen, dass sie inskünftig eine Macht darstellten, die auch grössere Mächte nicht mehr übersehen durften. Zuerst erkannte das König Sigmund selber, der in seiner Politik auf seine Helfer, so weit nur möglich, Rücksicht nahm. Besonders bei den sich noch lange Zeit hinziehenden Verhandlungen mit Friedrich von Österreich zog der Luxemburger die Eidgenossen immer wieder zu Rate oder holte sich ihre Einwilligung ein, sogar wenn er selber, mitten aus den Verhandlungen heraus, in aller Eile nach Zürich reiten musste, um sich mit den eidgenössischen Tagherren zu besprechen325. Mögen auch die Verdienste der eidgenössischen Orte vom Könige reichlich belohnt worden sein, so war doch das Verhältnis nicht einseitig, sondern die Eidgenossen 323 1415 IV 15, Reg.imp., XI, N.1615/16; = EA, I, S. 147, N.330. Segesser unterlief bei der Herausgabe der Abschiede ein Fehler, so dass er annahm, beide Urkunden seien doppelt ausgestellt worden. Doch trifft das nur für die erste zu. Wahrscheinlich wird ihm der Irrtum folgendermassen unterlaufen sein: Nach der Bearbeitung des Luzemer Materials fand Segesser im Staatsarchiv Zürich die erste Urkunde (Reg.imp., XI, N. 1G15) unter dem Datum vom 5. IV. Da er wegen der Zusammengehörigkeit beider Stücke nur einen Zettel geschrieben hatte, vermerkte er nur: auch in Zürich, unter dem Datum des 5. IV. ausgestellt. Später erinnorte er sich dann nicht mehr, dass Zürich nur die eine der beiden Urkunden besass. Die zweite wandte sich ausserdem nur an die Orte, in denen Österreich formell noch Rechte besass oder Rechtsansprüche geltend machte, betraf aber die Reichsstädte Zürich und Bern, die allenfalls österreichische Lehen innehatten, keinesfalls. Obwohl P.Schweizer von der zweiten Urkunde Altmann nichts mitteilte, übernahm dieser in dio Regesta imperii die Angabe der Abschiede. Durch Anführung der einzelnen Orte, ohne sie bei Tschudi zu kontrollieren, wurde der Fehler nun noch vergröbert. Dio zweite Urkunde findet sich weder heute im Staatsarchiv Zürich noch ist sie in der Archivregistratur des 18. Jahrhunderts aufgeführt, noch in den Mitteilungen P. Schweizers an Altmami genannt. Für die Nachforschungen nach diesem Stück bin ich Herrn Dr. Peyer vom Staatsarchiv Zürich zu grösstem Dank verpflichtet. Vgl. auch Reg.imp., XI, N. 1617-1622, 1637; ähnliche Urkunden für Basel vgl. Reg.imp., XI, N. 1635/36. 324 1415 V 7, Reg.imp., XI, N. 1656a. - Vgl. A.Huber, a.a.O., S.510. - Sowie O.Stolz, Dor territoriale Besitzstand des Herzogs Friedrioh IV. d.Ä. von Österroich-Tirol im Ober-rheingebiet (1404-1439), Z.f.Gosch.d.Oberrheins, XCIV (1942), S.30f. 331 Vgl. Reg.imp., XI, N. 3124a, 3112, 3120a, 3125/26, 3137, 3151a-3154, 3167. - EA, I, S. 194, N.411; sowie Zürehor Chronik, ed. J.Dierauer, QSG, XVIII, S. 189ff„ 226ff. waren auch in der Folge gern bereit, innerhalb ihrer Möglichkeiten und mit einer gewissen vorsichtigen Zurückhaltung dem Könige zu helfen. Die vielfältigen Fragen, die mit den neuen Eroberungen der Eidgenossen im Aargau verbunden waren, harrten zum Teil noch der Lösung, als sich neue Aufgaben in den Vordergrund schoben. Nachdem nun die äussere Bedrohung durch Österreich zumindest für lange Zeit gebannt war, galt es den inneren Zusammenhalt der Orte zu wahren. Das fiel nicht so leicht, da mit der grösseren Ausdehnung auch die Interessen der einzelnen Orte sich auf weitere Gebiete und auf oft entgegengesetzte Ziele zu erstrecken begannen. Vor allem der Streit der Walliser Landleute mit ihrem Landeshauptmann, der durch die Verleihung dieses Amtes an Gitschart von Raron hervorgerufen worden war, zog immer weitere Kreise320. Gemäss dem Wunsche des Königs hatten die Eidgenossen seit den Verhandlungen mit Sigmund zu Bern die Grafen von Savoyen in ungestörtem Besitz des Eschentales gelassen. Im Frühling 1416 brachten die Urner diese Angelegenheit innerhalb der Eidgenossenschaft wieder zurSprache327. Das Gebot des Königs, die Sache anstehen zu lassen, scheinen sie nun nicht mehr berücksichtigt zu haben. Doch möchte man vermuten, dass der König den Eidgenossen freie Hand gelassen hat, zumal er kurz zuvor den Grafen von Savoyen zum Herzoge erhoben hatte323. Sonst wäre es verwunderlich, warum die Zürcher, die das Projekt nicht uneingeschränkt befürworteten, sich des Argumentes, dem Könige sei versprochen worden, die Sache anstehen zu lassen, in ihren, uns überlieforten Äusserungen nicht bedienten329. Ausserdem hätte Sigmund den Eidgenossen den Besitz dieser Täler zwei Jahre später sicherlich nicht zugesprochen, wenn sie während seiner Abwesenheit dies wichtige Tal eigenmächtig besetzt hätten. Darauf weist ferner die Tatsache hin, dass sich die Savoyarden, die schon im April von den eidgenössischen Plänen Kenntnis erhielten, nur hinhaltend verteidigten und keinen energischen Versuch unternahmen, sich des Eschentales wiederum zu bemächtigen; denn es wäre ihnen sicher möglich gewesen, auch auf einem anderen Wege als durch das Wallis die nötigen Verstärkungen nach Domodossola zu bringen330. Sie versuchten nur, durch Kaufangebote die Eidgenossen zum Verzicht ihrer Ansprüche zubewegen331. König Sigmund hat offensichtlich dies Opfer bei der Erhebung zum Herzoge von Amadeus verlangt, da er einen zweiten Weg über die Alpen, der von keiner grossen Festung im Süden abgeschlossen werden konnte, in der Hand der königstreuen Eidgenossen wissen wollte. Vielleicht ging Sigmund schon damals wieder mit dem Gedanken um, die Handelssperre gegen 330 Reg.imp., XI, N.965/66. - Vgl. E.Hauser, S.95f. 327 Vgl. EA, I, S. 158, N.349; = Zürcher Stadtbücher, II, S.53, N.78. - Sowie Tanner, S.369. 328 1416 II 19, vgl. Reg.imp., XI, N. 1932/33. — Justinger, S. 236. 329 Vgl. Zürcher Stadtbücher, II, S.53, N.78; S.61, N.85; S.66, N.90. - Auch EA, I, S.162, N. 356. Noch im Juli wurde zwischen den Eidgenossen und Savoyen verhandelt. 330 Vgl. Tanner, S.376. 831 EA, I, S.164, N.359; = Zürcher Stadtbüeher, II, S.61, N.85. 184 185 Venedig zu erneuern und den deutsehen Handel nach Genua zu leiten. Dazu konnte ihm dieser Pass unter dem Schutze der Eidgenossen vortreffliche Dienste leisten. Anscheinend wollte der König dabei nicht offen in Erscheinung treten332. Diese Politik wurde von den Waldstätten gerne aufgegriffen, zumal es in ihren Augen ein Rachezug war, der die Eschentaler für ihre Untreue bestrafen sollte. Darüber hinaus konnte durch den Besitz des Eschentales auch die Leventina besser gesichert werden; denn Pilippo Maria Visconti bemühte sich mit stetigem diplomatischem Geschick, das Erbe seines Vaters wieder in seine Hand zu bekommen. So konnte er sich, kurz bevor die Eidgenossen ins Eschental aufbrachen, wieder Comos bemächtigen333. Wenn dieses Vordringen weiterging, waren bald die Grafen von Sax-Misox in ihrem Besitz Bellinzonas und damit die Leventina bedroht. Ein Vordringen Mailands in diese Gegenden widersprach aber den Interessen der Eidgenossen ebenso wie denen des Königs, der für seinen Romzug einen sicheren Alpenübergang brauchte und für seine handelspolitischen Pläne nicht allein auf Mailand angewiesen sein wollte. Seit der Flucht Papst Johanns aus Konstanz war das Verhältnis des Königs zu dem Herren Mailands zwar kein feindliches mehr, aber Sigmund traute Filippo Maria noch immer nicht ganz. Im Sinne der königlichen Politik hatten die Eidgenossen 1415 einen Handelsvertrag mit Mailand abgeschlossen, ohne bereit zu sein, ihre Ansprüche auf ehemals mailändisches Gebiet aufzugeben33*. Bei der Eroberung des Eschentales stiessen die Eidgenossen weniger auf den Widerstand Savoyens als auf den Mailands, das sich die Vermittlung Savoyens in seinem Konflikt mit Montferrat gefallen liess336. Mehrfach mussten die Schweizer noch über die Pässe ziehen, um den Besitz der Täler wenigstens für einige Zeit zu sichern336. Mit den Eschentaler Zügen verband sich der Raronhandel337. Die neue Erwerbung war durch ihn wesentlich begünstigt worden, weil die Walliser Streitigkeiten ein Eingreifen Savoyens die Rhone aufwärts verhinderten. Auch die Verteidigung der Erwerbung wurde sehr erleichtert, wenn die Oberwalliser die eidgenössische Politik unterstützten. Wollten die Unter waldner und Urner das Eschental weiterhin in Besitz behalten, so mussten sie danach trachten, dass der Übergang über die Pässe vom Wallis aus 332 Die in den Abschieden zum März 1417 mitgeteilte Nachricht, der König «bedürfe der Eidgenossen nicht gen Meiland und entlasse sie dieser Hilfe», lässt vormuten, dass sich das nicht nur auf die Eomzugspläne Sigmunds bezog, die der König zwar in diesen Tagen für längere Zeit aufgab, sondern auch auf die Eschentalpolitik, die vielleicht auch zu den Vorbereitungen eines Italienzuges gezählt werden muss. Vgl. EA, I, S. 176, N.380h. 838 Vgl. Cantü, I, S.292. - Arch.stor.lomh., 3, VII (1897), S.92, N.296-299; S.94f., N. 106-107. 334 Vgl. oben, S. 182, Anm. 318, sowie ASG, XVIII, N. 12 (1415 VII 10), wozu auch N. 8 ebendort gehört, S. 259ff., N. 16. 336 Vgl. ASG, XVIII, S.262f., N.19. - Gabotto, Contributo, III (1903), S.162. aas Vgl. Tanner, S.370f. 331 Vgl. E.Hauser, S.89ff. - Gute Zusammenfassung der Streitigkeiten vom Gesichtspunkt Savoyens aus bietet Gognasso, I, S. 193ff. I " fj nicht gestört würde. Es lag daher sehr nahe, die Gemeinden des Oberwallis in ihren scharfen Auseinandersetzungen mit Gitschart von Raron zu unter-|- stützen und sie so an sich zu binden. Die Burgrechtsverbindungen mit den Oberwalliser Gemeinden waren also eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Politik im Eschental338. Während sich Savoyen, dessen Politik sich eng an Sigmund anlehnte, aus den Walliser Wirren zurückzog und Frieden schloss, nahmen nun die Berner für ihren Burger, den Freiherren vonRaron, entschiedenStelhmg339. Die Walliser Gemeinden fanden aber die Unterstützung der inneren Orte, vor allem Unterwaldens und Uris. Inzwischen war König Sigmund von seiner Reise durch die Länder Westeuropas nach Konstanz zurückgekehrt. Wenige Tage später befasste sich die Tagsatzung eingehend mit allen Fragen, die man dem Könige vorlegen wollte. Als eines ihrer wichtigsten Anliegen scheinen die Eidgenossen betrachtet zu haben, sich gegenüber ihnen ungünstigem Gerede zu verteidigen. Philipp am Heimgarten, des Königs Rat aus dem Oberwallis, soll in Brig beim Arzt gesagt haben, der König habe erfahren, dass die Eidgenossen ihn «Schelmen»340. Möglicherweise bezog sich das auf die Walliser Streitfrage, da der König hier in der schwierigen Lage war, sich für Gitschart von Raron, der ihm in der Lombardei wertvolle Dienste geleistet hatte, oder die Eidgenossen, die dessen Gegner unterstützten, entscheiden zu müssen341. Nicht nur die Eidgenossen beabsichtigten dem König Wünsche vorzutragen, sondern auch der König hatte neue Begehren an die'Eidgenossen. Vor allem sollten sie ihn nochmals gegen Herzog Friedrich von Österreich unterstützen, der im März 1416 aus seiner Geiselschaft geflohen war. Sigmund wollte den neuerdings Geächteten an der Etsch angreifen, wozu die Eidgenossen Truppen stellen sollten. Diese waren jedoch nicht geneigt, bei den noch immer drohenden Konflikten im Süden sich noch andernorts zu binden342. Die Lage war nicht einfach. Einerseits konnten es sich die Orte —_ nicht leisten, den König, dem sie eine ganze Liste von kleineren und grösseren Begehren präsentieren wollten, die Hilfe rundweg abzuschlagen. Andererseits wollten sie für ihre ennetbirgische Politik « ein guten ruggen han », 338 Vgl. Tanner, S. 389, dort ist auch die eidgenössische Verwaltung der Töler und die Burgrechtsverbindungen mit einigen Oberwalliser Gemeinden behandelt. Vgl. auch EA, I, S. 364 (Burgrechtsvertrag vom 14.X. 1416), sowie E.Hauser, S. HOff. 383 Vgl. E.Häuser, S.113f. 343 Zu Schelmen, vgl. Schweizer Idiotikon, VIII, S. 707, 2a, «unredlich handeln». 341 EA, I, S. 172f., N. 376, 1417 II 3. Die Verhandlungen scheinen jedoch schon einige Tage früher begonnen zu haben, da zuerst noch von einem königlichen Tage in Basel gesprochen wurde, den Sigmund dann nicht abhielt. Am 27.1. traf Sigmund in Konstanz ein. Vgl. Reg.imp., XI, N.1986, 2037d. 312 Vgl. EA, I, S. 174ff., N. 377-382. Bürgermeister Meiss von Zürich erhält in den gleichen Tagen ein Privileg, das die Pfandsumme auf den Zoll zu Kloten erhöht, als Zürich erstmals beschliesst, dem Könige gegen Österreich zu helfen (Reg.imp., XI, N.2127. - Zürcher Stadtbüoher, II, S.82, N.107). Auch Nidwaiden scheint Sigmund die Hilfe nicht abgeschlagen zu haben, da es am 26.III. den Blutbann, das «Privilegium de non evocando» und andere Reohte verliehen bekommt (Reg.imp., XI, N.2147). 186 187 wie es eine Luzerner Instruktion ausdrückt343. So wollte sich auf der Tagsatzung kein Ort recht entscheiden344. Nach längeren Verhandlungen hatte der König jedoch ein Einsehen, weil ihm seiher daran lag, dass Mailand seine Macht nicht weiter nach Norden vorschob. Er begnügte sieh mit der Unterstützung Zürichs, das vor allem Geschütze stellte, gegen Feld-kirch. Doch schon im Herbst des gleichen Jahres trug Sigmund die gleiche Forderung den eidgenössischen Boten persönlich vor, da neue Spannungen zwischen Österreich und dem König entstanden waren345. Während die Eidgenossen nochmals über den Gotthard ins Eschental zogen, verhandelte Zürich in den ersten Februartagen mit Sigmund, wobei auch der Streit der Eidgenossen mit Savoyen eingehend besprochen wurde. Sigmund bot sich an, den Streit, der nicht nur um das Eschental ging, sondern auch den Raronhandel betraf, zu schlichten, wobei er den Eidgenossen von vornherein zusicherte, dass sie das Eschental behalten sollten346. Die Orte entschieden sich zwar noch nicht sofort, aber einen Monat später sind, die Tagsatzungsboten im Besitz der Zusage Sigmunds, ihre Streitigkeiten mit Savoyen wegen des Eschentales und wegen des Wallis zu schlichten347. Gleichzeitig gingen Boten zwischen dem König und Herzog Amadeus VIII. hin und her. Bei den Verhandlungen, die während des ganzen Jahres gepflogen wurden, scheint Sigmund überall im Hintergrund zu stehen, wenn er auch in den Abschieden nicht immer genannt wird. So zeigt der Vertrag Savoyens mit den Walliser Landleuten vom 21. Juni 1417, dass Sigmund Verdienste am Zustandekommen dieser Abmachungen besass, da sonst seinen Gesandten keine Schiedsrichterrolle neben den Eidgenossen zugesprochen worden wäre. Doch sollte die Beilegung des Raronhandels noch nicht gelingen, da die Walliser keineswegs an Frieden dachten348. Als Sigmund, der sich fast zwei Jahre lang nur wenig mit Italien befasst hatte340, im Frühjahr 1417 daran dachte, nun den Romzug zu unternehmen, zwangen ihn sowohl die Konzilsangelegenheiten wie die venezianische Politik, diesen Plan hinauszuschieben350. Nicht zuletzt mögen ihn 343 EA, I, S.176, N.379. 344 Vgl. EA, I, 8.174, N.378g. 345 Vgl. EA.I.S. 177f., N.383h; = Zürcher Stadtbücher, II, S.84, N. 109; Reg.imp., XI, N.2352, sowie für 1417 X 27 und XI 4: EA.I, S. 188/89, N.403/04; = Zürcher Stadtbücher, II, S.93f., N.121/22; vgl. auch Reg.imp., XI, N.2644a, 2700. 348 Vgl. EA, I, S. 173, N.376; S. 174, N. 378 c. Auf Sigmunds Interesse an den Walliser Wirren weist ferner hin, dass sieh der Bisohof und der Landeshauptmann schon im August 1416 an den König und seine Diener, die Gebrüder Von Heimgarten, mit der Bitte um Hilfe wandten. Vgl. B.Häuser, S. 103. - Gremaud, VII, S. 140f., N. 2629, 141S VIII 23. 34' EA, I, S.176, N.380e. 348 Vgl. JB.Hauser, S.115. - Severin, S.3. Die rege Gesandtschaftstätigkeit zwischen Savoyen und dorn Könige macht es wahrscheinlich, dass neben vielen anderen Fragen auch der Gegensatz zwischen den Eidgenossen und Savoyen behandelt wurde. Vgl. Gabotto, Contributo, III, S. 166, Anm.4; S.162, Anm.2; S.163, Anm.2. 349 Vgl. Schiff, S.65. Ohne einen Kausalzusammenhang statuieren zu wollen, sei doch darauf hingewiesen, dass die österreichischen Pässe für den König wogen seiner Streitigkeiten mit Herzog Friedrich gesperrt waren, während der Raronhandel und andere Zwistig-keiten die Schweizer Pässe zumindest beunruhigten. 380 Vgl. RTA, VII, S. 323f., N. 213. - Schiff, S. 66. dazu auch die verschiedenen Zwistigkeiten im Gebiete der Eidgenossenschaft bewogen haben, weil diese die Verbindungswege nach Italien beunruhigten und eine kräftige Unterstützung seines Vorhabens durch die Schweizer verhinderten. Da Sigmund zu jener Zeit keinen Krieg gegen Venedig führen konnte, die Markusstadt aber immer noch zu seinen Hauptfeinden zählte, nahm er nun den Plan einer Handelssperre wieder auf. Dazu musste er den deutschen Städten einen gleich günstigen Handelsweg vorschlagen. Da die Städte den Donauweg abgelehnt hatten, blieb keine andere grosse Handelsstrasse übrig als die über Genua, die alte Rivalin Venedigs351. Soweit das Konzil dem Könige Zeit liess, bemühte er sich, diese Strasse zu sichern. Ausser einer Beilegung der Konflikte im Gebiet der Alpenpässe erforderte dieser Plan neue Verhandlungen mit Mailand352. Noch bevor diese Verhandlungen begannen, wandte sich Uri besorgt an seine Miteidgenossen mit der Bitte, ihm Bellinzona behaupten zu helfen353. Es befürchtete offensichtlich, der König könne Bellinzona wiederum Mailand zusprechen, um es zum Bundesgenossen zu gewinnen, zumal sich die mailändische Politik durch Verhandlungen mit den Rusca von Como und durch Massnahmen gegen die Grafen von Sax-Misox bemühte, die Gotthardroute wieder in ihre Hand zu bekommen35'4. Ein Krieg zwischen Mailand und Montferrat vertagte die Ausführung der königlichen Pläne. Erst im nächsten Jahre nahm Sigmund die Verhandlungen mit Mailand wieder auf und schloss mit Filippo Maria ein Bündnis gegen Venedig355. Gleichzeitig sicherte er jedoch den Eidgenossen den Besitz Bellinzonas zu; denn ihm lag selber daran, «dz man dz besorg und darzu seche, dz man nit darumb komi>356. Doch führte der Weg von Oberdeutschland nach Genua nicht nur über Bellinzona. Auch das Eschental führte nach Italien und hatte den Vorteil, von keiner grossen Festung abgeriegelt zu werden. Auch war auf diesem Wege ein Umgehen des Zentrums mailändischer Macht möglich357. Daher spielte das Eschental und auch der Raronhandel in den königlichen Plänen 351 Erstmals benutzte Sigmund dies Mittel 1412; vgl. Reg.imp., XI, N.184, 192. Am l.X. 1417 gebietet Sigmund den Reichsstädten anstatt mit Venedig mit Genua Handel zu treiben. Vgl. Reg.imp., XI, N.2591. -Schiff, S.67. - Schulte, I, 8.514ff. 352 Vgl. Schiff, 8. 67. -Gabotto, III, S. 174. - Arch.stor.lomb., 3, VII, S.lllf., N.381/82; S.114f., N.388. —L.Osio, Documenti diplomatici, tratti dagli archivi Mlanesi..., II, S.64. -Archiv für österreichische Geschichte, LIX, S. 94. 383 Vgl. EA, I, S. 177, N.382h. 384 Solche Vermutungen musste Uri hegen, als es vernahm, der König habe auf die Hilfe der Eidgenossen gegen Mailand verzichtet (vgl. oben, S. 186, Anm. 332). Doch vermochte Sigmund sehr bald die Eidgenossen zu beruhigen, indem er sie auch in seiner mailändischen Politik zu Rate zog. Vgl. EA, I, S.196, N.411f. - Ferner Arch.stor.lomb., 3, VII, S.92, N. 245-248. - Th.von Liebenau, Sax, S. 13. . 355 Vgl. Schiff, 8.68S. - Gabotto, III, S. 176. - Reg.imp., XI, N.3086. - Arch.stor.lomb., 3, VII, S. 114, N.388. 358 EA, I, S. 196, N.411f; vgl. S. 179, N. 386d. 367 Dabei ist das Vordringen Savoyens im Valsassina zu berücksichtigen, das wie die Eidgenossen die königliche Politik unterstützte. Vielleicht war der Weg durch das Eschental auch günstiger, weil weniger Zölle erhoben wurden. Denn darin lag für die deutschen Städte ein wesentlicher Nachteil gegenüber dem Handel mit Venedig. Leider muss hier darauf verzichtet werden, diese Frage näher zu untersuchen. 188 189 eine Rolle. War auch der erste Vermittlungsversuch Sigmunds gescheitert, so verloren diese Angelegenheiten für den König nicht an Interesse, während gleichzeitig die nicht beteiligten Orte alles daran setzten, um zwischen Bern und den inneren Orten zu vermitteln358. Obwohl die Walliser Gemeinden ihre Verhandlungen mit Savoyen fortsetzten, verschärfte sich der Konflikt mit dem Freiherren von Raron, der nun die volle Unterstützung Berns fand. König Sigmund wandte sich besonders zu Beginn des Jahres 1418 den Walliser Wirren zu, denn nun stand die Handelssperre gegen Venedig im Vordergrund seiner Politik359. In einem Schreiben an Bern trat er für die legitimen Forderungen Gitscharts ein, weil er die Ansprüche seines Gefolgsmannes in Italien auf seinen ererbten Besitz anerkannt wissen wollte360. Doch wünschte er, dass der Streit durch einen Schiedsspruch der Eidgenossen beigelegt werde, und sah davon ab, die Anerkennung der Rechte zu verlangen, die er selber dem Walliser Landeshauptmann für seine Dienste verliehen hatte. Vielmehr war der König der Meinung, dass das Wallis nach Beilegung des Konfliktes «bei ihm und dem heiligen Reiche und den Eidgenossen bleiben» solle361. Damit lehnte der Luxemburger auch jeden Anspruch einer savoyardischen Oberherrschaft ab, zog den Rechten des Bischofs Grenzen und sprach das Wallis den Eidgenossen zu362. Darüber hinaus glaubte Sigmund zur Beilegung des Streites beitragen zu können, wenn er dem Wallis durch den Papst und das Konzil einen neuen Bischof geben liess. Als Handhabe diente ihm, dass Bischof Wilhelm von Raron noch keine Weihen erhalten habe und das Konzil auf diese Weise ein Beispiel der Reformation der Kirche geben könnte. Zuerst fragte der König jedoch bei den Eidgenossen an, welche Voraussetzungen ein Nachfolger des Bischofs Wilhelm von Raron erfüllen müsse363. Falls es die Eidgenossen wünschten, wollte Sigmund auch Bischof Wilhelm weiterhin sein Amt verwalten lassen. Schliesslich bestellte das Konzil Andreas von Gualdo, den Erzbischof von Colocza, zum Verweser des Bistums Sitten364. Damit verzichtete Sigmund auf die Dienste eines seiner bewährtesten Mitarbeiter. Erzbischof Andreas hatte als Gesandter Sigmunds entscheidende Verhandlungen sowohl mit Venedig als auch mit den Päpsten Johann XXIII. und Gregor XII. zur Vorbereitung des Konzils 368 Gabotto vermutet, dass die Gegnerschaft der Oberwalliser gegen Savoyen und auch der Raronhandel von Mailand unterstützt wurde, eine Vermutung, die nicht ganz unwahr-soheinlich ist, obwohl sich auch Gegenargumente finden lasson. Vgl. Gabotto, Contributo, III, besonders S. 107. 35» Vgl. Beg.imp., XI, N. 2871/72, 3086, 3124, 3282, 3303-3307, 3321A, 3336, 3374/75.-Ferner iSWt»#, S.71ff. Doch konnte Sigmund seinen Handelskrieg gegen Venedig nicht konsoquont durchführen. Vgl. Reg.imp., N. 3299. 380 Schreiben Sigmunds an Bern, zitiert bei E.Häuser, S. 125 (nicht in Reg.imp., XI), 1418124. 301 BA, I, S. 195, N.411a. - Vgl. E.Hauser, S. 126. 383 Vgl. die Spannungen zwischen Savoyen und dem König, BA,I, S. 195, N.411. Wahrscheinlich handelte es sich um Genf. Vgl. Cognasso, I, S. 188. 333 Vgl. EA, I, S. 195, N.411, sowie unten, Anm.365, bzw. O.Eubel, Hierarchia catholica medii aevi, I, S.442, Anm.ll. s64 vgl. E.Hauser, S. 135f. Ii! ff geführt. Auch auf dem Konzil war er einer der wichtigsten Vertrauensleute des Königs, der immer wieder als «orator regis Romanorum» auftrat365. Í; Die Wahl dieser Persönlichkeit zum Verweser des Bistums Sitten zeigt uns wie vielleicht nichts anderes, welche Bedeutung der König dem Wallis bei- Í mass und wie sehr er an der Beilegung des Raronhandels interessiert war366. ,: Dem neuen Administrator gelang es zwar sehr schnell, das Vertrauen der Landleute zu gewinnen, doch konnte er den Streit noch nicht in dem vom König gewünschten Sinne beilegen. Erst am Ende des Jahres 1418, als Sigmunds Kanzler für Ungarn, Propst Georg von Hermannstadt, und Johannes Bindi, wohl ein Jurist aus Lucca, gemeinsam vom König und vom Papst abgesandt, die Vermittlung des Konfliktes in die Hand nahmen, konnten sie die streitenden Parteien endgültig an den Verhandlungstisch bringen36'. Obwohl das von ihnen eingesetzte Schiedsgericht der vier Orte noch keinen Erfolg zeitigte, sondern zu verschärften Spannungen zwischen den Eidgenossen führte, brachen die Verhandlungen nicht mehr ab. Ein Jahr später brachten die Bemühungen des Herzogs von Savoyen, der von dem Erzbischof von Tarantaise und dem Bischof von Lausanne unterstützt wurde, endlich den Frieden, der sich inhaltlich ganz an die zwei Jahre zuvor ausgesprochenen Wünsche des Königs hielt368. Der Raronhandel war jedoch nur eine der Fragen, die den König und die Eidgenossen interessierten. Mit dem Zuge ins Eschental im Februar 1417 hatten die Eidgenossen ihre Herrschaft in diesen Tälern gesichert. Weder von Savoyen noch von Mailand waren im Augenblick ernstliche Anfeindungen wegen dieses Besitzes zu befürchten. Abgesehen davon, dass ,: dem Herzog von Savoyen der Anmarschweg durch das Wallis versperrt war, scheint der König Herzog Amadeus bewogen zu haben, keinen Rückeroberungsversuch mehr zu unternehmen. Angeregt durch ein Begehren der Leute von Bonmatt wandten sich die Eidgenössen im April 1417 an Sigmund und baten ihn, ihnen die Hoheitsrechte im Eschental zu verleihen369. Doch scheint der König nicht sofort darauf eingegangen zu sein, sondern verlangte wahrscheinlich genauere Unterlagen über die Rechtsverhältnisse in den Tälern. In der Folge bemühten sich die Eidgenossen, die Rechtsverhältnisse im Eschental zu 386 Über Andreas (de Beneiis) de Gualdo vgl. Finlee, Acta, I, S. 197; II, S. 183, 20, 198 und öfter. Über ihn aus dem Munde Sigmunds bzw. seiner Kanzlei vgl. Arch. f. öster. Gesoh., LIX, S.193f.-Vgl. auch Gremaud, VII, S.260, Anm. - Eubel, I, S.459, 197, 470, 442; über ihn als Bischof von Sitten HBLS, II, S. 97. Tschudi führt ihn in seiner Liste der Toilnohmer am Konstanzer Konzil als einzigen Vertreter des Königs auf (pro se et rege Romanorum), t II, S. 101. Am bezeichnendsten ist wohl das Zitat Eubels (S. 442): e Quem administrátorem 'Martinus V. 1418 VIII 20, Bernensibus, Friburgensibus, Thurecensibus et Lucernensibus eommendat.» 368 Für das Interesse Sigmunds in späterer Zeit vgl. Reg.imp., XI, N.5944. 381 Vgl. E.Hauser, S. 136ff. 388 Vgl. EA, I, S. 227, N.469 (1419XII20); S.228, N. 472 (1420125). - Gabotto, III, S.202, Anm. 1; S. 283, besonders Anm. 1 und 2. - E.Hauser, S. 150ff. Vielleicht handelten auch diese Vermittler im Auftrage des Königs, worauf die Strafsunrme hinweist, deren einer Teil dem König zugesprochen wurde. 383 EA, I, S. 177, N. 382m, n. - Vgl. Tanner, besonders S.387f. 190 191 regeln. So lässt sich ein Spruch der Tagsatzung über die Gerichte zu Bonmatt nachweisen370. Im Sommer 1418 hatten die Eidgenossen anscheinend ihr Material so weit beieinander, dass sie durch eine Zürcher Gesandtschaft ihre Bitte dem König erneut vortragen konnten. Dieser verlieh ihnen daraufhin das Eschental und die dazugehörenden Täler, um sie vor einer erneuten mailändischen Herrschaft zu bewahren; denn davon möchte «uns und dem heiligen Riehe und ouch den kouf lüten gemeinlichen... grosser schade und ungemach entsteen »371. Wie das Privileg zeigt, hoffte der König, durch die Verleihung an die Eidgenossen seine Handelspolitik besser durchführen zu können. Nun konnte er in den wenige Tage später beginnenden Verhandlungen mit den Reichsstädten, denen er schon einige Zeit vorher den Handel mit Venedig verboten hatte, darauf hinweisen, dass Reichsstädte und Reichsländer, die Eidgenossen nämlich, den Handelsweg nach Genua bis in die lombardische Ebene kontrollierten372. Während der Verhandlungen zu Ulm und Weingarten, die dem Handelskrieg gegen Venedig gewidmet waren, verlieh Sigmund den Eidgenossen nicht nur die Herrschaftsrechte im Eschental, sondern es kam auch wieder einmal der Besitz Bellinzonas zur Sprache, der den König gleichermassen interessierte. Schon vor Jahren hatte er die Freiherren von Sax-Misox zu Grafen erhoben und ihnen ohne Zweifel ihren Besitz als Reichslehen bestätigt378. Auch die Rusca von Como hatte der Luxemburger im Rahmen des Möglichen zu stützen versucht. Mit ihrer Unterstützung rechnete er auch noch, als sich die Rusca gezwungen sahen, sich mit Herzog Filippo Maria zu vereinbaren. Mit dem Vordringen der Mailänder in Richtung auf Bellinzona wurde die Stellung der Grafen von Sax immer schwieriger. Da der König ebensowenig bereit war wie die Eidgenossen, den Grafen in all ihren Schwierigkeiten beizustehen, und da die mailändische Macht mit ihren bedeutenden Condottieren immer näher rückte, musste man damit rechnen, dass sich die Grafen von Sax mit dem Herzog von Mailand verständigten374. 310 Vgl. EA,I,S. 184, N.395a;S.188,N.402f.; vgl. auch S. 190, N.406f,g;S. 192, N.409i. 371 Am 20. VIII. 1418 beschlossen die Tagsatzungsboten, eine Gesandtschaft zum König zu senden. EA, I, S.201, N. 422. Am 29. VIII. verlieh der König den Eidgenossen Privilegien, darunter eines, das den Eidgenossen das Eschcntal zusprach. EA, I, S.202, N.424-426, sowie S. 364; = Reg.imp., N. 3432. Über die Kosten der Gesandtschaft vgl. Zürchor Stadtbücher, II, S.107, N.136; vgl. ferner EA, I, S.2021, N.427; Brief Zürichs an Glarus vom 2.IX. Blumer, Urkundensammlung des Landes Glarus, II, S.504f., N.158; Auszug davon ASG, XVIII, S.294, N.43; Reg.imp., XI, N.3408, 3431, 3433-3439; RTA, VII, S.301ff. 3'3 1418 VIII 18 vorbot Sigmund den Handel mit Venedig und bot die Handelsstrasse durch Ungarn die Donau abwärts als Ersatz an. Der Weg nach Genua war eben noch nicht sicher. Bei den Verhandlungen dos Städtetages zu Ulm waren auch eidgenössische Vertreter anwesend. Vgl RTA, VII, S.301ff., besonders S.303, 359f., N.238-260. - Reg.imp., XI, N.3463, 3466/67, 3470-3472, 3698. - Schiff, S.76ff. 373 Weder die Beurkundung der Standeserhöhung noch die Privilegbestätigungen sind erhalten und auch nicht in der Reichsregistratur verzoichnet. Dennooh muss auf Grund der späteren Verträge mit Mailand angenommen werden, dass solche vorhanden waren. Vgl. Th. von Liebenau, Sax, S. 12f. Der verschieden interpretierte Albertus Saxariensis könnte auch ein Angehöriger des Hauses von Sax-Misox sein. Vgl. Reg.imp., XI, N.264. -Schiff, S. 34. 374 Vgl. Th.von Liebenau, Sax, S.14f. Während der Verhandlungen in Weingarten schlug Zürich dem König im Namen der Eidgenossen vor, Sigmund solle die Grafen veranlassen, den Eidgenossen Bellinzona käuflich abzutreten. Auf diesen Vorschlag ging Sigmund ein und versprach, den Grafen darüber zu schreiben. Anscheinend veranlasste dieser Schritt die Grafen von Sax, nun erst recht mit Mailand zu unterhandeln. Als Uri und Obwalden erfuhren, dass die Grafen von Sax Bellinzona wieder Mailand übergeben wollten, rückten sie mit Truppen in das Tessin und unter Vermittlung der eidgenössischen Orte wurden die Grafen von Sax-Misox gezwungen, Bellinzona den beiden Orten zu verkaufen376. Wenig später erneuerten die Grafen ihr Landrecht mit Uri und Obwalden und zeigten damit, dass sie trotz dem Verlust den Eidgenossen eher trauten als dem mailändischen Herzog376. Bald daraufscheint König Sigmund den beiden Orten den Besitz der Festung bestätigt zu haben377. Nachdem neue Verhandlungen mit Venedig, die der König auf Begehren der Fürsten und Städte unternommen hatte, gescheitert waren und der Krieg zwischen Mailand und Montferrat durch Vermittlung des Papstes, des Königs und Savoyens beigelegt worden war, nahm Sigmund seinen Plan, den deutschen Handel nach Genua zu lenken, wieder auf378. Der König intensivierte in dem Augenblick seine Bemühungen, als er annehmen konnte, dass es dem Herzog Amadeus gelingen werde, den Raronhandel endgültig beizulegen; denn nun erst war die Strasse nach Genua völlig frei und sicher379. Kaum waren die Verhandlungen mit den Reichsstädten in Fluss gekommen, als der mailändische Herzog dem König einen dicken Strich durch seine Rechnung machte. Schon im Februar 1420 verständigte sich Filippo Maria mit Florenz und im Juni begann er Bündnisverhandlungen mit den Venezianern, gegen die sich die königliche Politik vor allem richtete380. Sigmund hatte dem Visconti die Herzogswürde noch immer nicht bestätigt, worüber Filippo Maria sehr enttäuscht war. Die Bestätigung dieser Würde blieb weiterhin das Hauptziel der mailändischen Politik gegenüber dem 373 EA, I, S.221, N.459. - ASG, XVIII, S.298ff., N.47/48. 373 1419 IX 1, EA, I, S.233, N.460. 377 Diese Nachricht des Weissen Buches von Samen scheint sehr glaubwürdig zu sein, zumal sich die Eidgenossen gegenüber Filippo Maria auf den König beriefen. Dass die Urkunde nicht erhalten ist, braucht kein Gegenargument zu soin, da sio bestimmt mit andern Dokumenten beim Friedensschluss mit Mailand 1426 ausgeliefert wurde. Wahrscheinlich wurde das Privileg auf dem Brcslauor Städtetag ausgestellt, den eine Luzorner Gesandtschaft im Namen aller Eidgenossen besucht hatte. Wenn es auch zweifelhaft bleibt, ob die Eidgenossen im Besitz eines Privilegs waren, das ihnen Bellinzona zusprach, so deutet doch alles daraufhin, dass die Erwerbung der wichtigen Festung mit Wissen und Willen Sigmunds erfolgte. Auf dem Tag zu Breslau verhandelte Sigmund auch mit Mailand und Genua über den Handelskrieg gegen Venedig. Zu diesem Reiohstag vgl. EA, II, S.10, N. 13h; S. 15, N. 21, Anm. - Einladung an Bern Reg.imp., XI, N.3926, 3938a, 4032. - RTA, VII, S. 389, N.238; S.407, N.280; S.416, N. 287. - Schulte, I, S.518. - Vgl. ausserdem: Schiedsgerichtsurteil bei Gremaud, VII, S. 296ff., N. 2703, besonders S. 306. 3,3 1419 V 5, Reg.imp., XI, N.3865, 3831, 3889. - Vgl. QaboUo, Contributo, III, S. 198. -Schiff, S.77f. 3,3 1420 I 20, vgl. Reg.imp., XI, N. 3970. - Schiff, S. 77ff. 333 Vgl. Arch.stor.lomb., 3, VII, S.125, N.423; S.130, N.453. - Schiff, S.80. 192 13 193 König. Der mailändische Herzog erkannte noch nicht die Schwierigkeiten, die sich dem König im Osten entgegenstellten, und befürchtete offensichtlich, dass Sigmund in Kürze seinen Romzug unternehmen werde. Solange Sigmund die mailändisohe Herzogswürde nicht bestätigt hatte, konnte der Italienzug die Herrschaft des Visconti erschüttern, falls Sigmund mit stärkeren militärischen Kräften und im Verein mit italienischen Mächten in die Lombardei kam. Deshalb wird ihn die Erwerbung Bellinzonas durch die Eidgenossen nicht nur verärgert haben, weil sie ihm die Eeste vor der Nase wegschnappten, sondern sie beunruhigte ihn neuerdings, denn nun konnte er Sigmund erst in der lombardischen Ebene entgegentreten, falls der König plötzlich über den Gotthard nach Italien kam. Ob der Kauf Bellinzonas den mailän-dischen Stellungswechsel hervorrief, können wir hier nicht entscheiden, doch scheint er einigen Einfluss auf die mailändische Politik gehabt zu haben, zumal Filippo Maria in den Eidgenossen mehr oder weniger Werkzeuge des Königs sah381. Gefährdete das Bündnis zwischen Mailand und Florenz schon die königliche Handelspolitik, so war sie endgültig gescheitert, als Filippo Maria Visconti im Jahre 1421 den Krieg gegen Genua wieder aufnahm und die wichtige Reichsstadt, die auch in andern Plänen Sigmunds eine Rolle spielte, eroberte382. Der schlaue Visconti hütete sich, gegen die Eidgenossen sofort militärisch vorzugehen, um ihnen Bellinzona wieder abzujagen. In den ersten Monaten nach dem Kauf veränderte sich das Verhältnis zwischen den Eidgenossen und dem Herzog von Mailand anscheinend kaum. Handel und Wandel scheinen ebensowenig gestört worden zu sein wie durch die Eroberung des Eschentaies383. Dennoch war der Besitz der beiden Täler noch keineswegs gesichert. Schon 1419 erscheint in den eidgenössischen Abschieden eine Nachricht, dass der Bischof von Novarra, der das Eschental ehemals offiziell besessen hatte, bei der Kurie einen Prozess gegen die Eidgenossen angestrengt habe384. 1420 erlangte er sogar eine päpstliche Bestätigung des Bannes gegen die Eidgenossen. Auch sonst bereitete der mailändische Herzog, der sicherlich hinter dem Bischof von Novarra stand, sein Vorgehen gegen die Eidgenossen gründlich vor. Er sorgte dafür, dass die Gebiete, die an die Eidgenossen grenzten, fest in seiner Hand waren. Teilweise verlieh er sie seinen wichtigsten Condottieri385. 381 Über die Rückwirkungen der veränderten Haltung Filippo Marias auf Savoyon, das eng mit Sigmund zusammenarbeitete, vgl. Oaboäo, Contributo, III, S. 294f. 382 Über Verharidlungsversuohe Sigmunds vgl. Reg.imp., XI, N.4620-4625. - Gabotlo, Contributo, III, S.SOflf. - Ferner Arch.stor.lomb., 3, VII, S.130, N.453 (1420 VI 4). 383 Erste Anzeichen einer Verstimmung spiegeln sich in dem Schreiben der Eidgenossen an Filippo Maria Visconti vom 1.III.1420, ASQ, XVIII, S.305, N.50; ebendort gleiches Schreiben mit der Jahreszahl 1419; vgl. für das Eschental Tanner, S.379ff. 384 BA, I, S.210, N.443a,b; vgl. EA, II, S.4, B\6ee. - Sowie Th.von Liebenau, Die Schlacht bei Arbedo, Goschfr., XLI, S.205. - G.Cfiulini, Memoria spettanti a la storia della citta e della campagna di Milano ne' secoli bassi, III, S. 352. 3S5 Vgl, Th.von Liebenau, Arbedo, S.205. - Tanner, S.392ff. - Arch.stor.lomb., 3, VII, ľ' Im Juni 1420 Hess Filippo Maria die Urner wissen, er wünsche Bellinzona zu behalten und wolle ihnen die Kaufsumme erstatten386. Nach Tschudi jf verhandelte die Tagsatzung darüber nochmals im August, und die Eid- genossen entschlossen sich, Mailand einen Schiedsspruch Sigmunds vorzu-schlagen387. Bei Lage der Dinge kam das einer Ablehnung gleich. Zwar brachen die Verhandlungen mit Mailand noch nicht ab, obschon sich die Lage zuspitzte. Auch wird der Bischof von Novarra wiederholt in den Abschieden erwähnt, so dass vermutlich trotz dem Banne auch über das Eschental weiter verhandelt wurde388. Im unteren Teil des Eschentales fanden 1421 Kämpfe statt, deren Charakter nicht völlig klar ist389. Nachdem Filippo Maria am 22.11.1422 ein Bündnis mit Venedig, dem Hauptfeind Sigmunds, abgeschlossen hatte, sandte er seinen Feldherrn Francesco Carmagnola gegen die Eidgenossen, während er die andere Stütze König Sigmunds am Alpensüdfuss, Savoyen, vorerst noch unbehelligt liess, obwohl auch dort seit längerer Zeit eine Art inoffizieller Kleinkrieg geführt wurde. Noch bevor die Pässe offen waren, bemächtigten sich die Mailänder des Eschentales und Bellinzonas, das offensichtlich nicht sehr gut besetzt war390. Sofort wollten die inneren Orte aufbrechen, um Bellinzona zurückzuerobern und die übrigen Besitzungen zu sichern391. Doch hatte der mailändische Herrscher einen so günstigen Zeitpunkt für seine Unternehmung gewählt, dass unter den Eidgenossen selber Uneinigkeit entstand und man sich nicht zu einem einheitlichen und entschiedenen Vorgehen entschliessen konnte. Wenn Filippo Maria die Verbindungen zu Sigmund abbrach, so konnte er annehmen, dass das keine Schwierigkeiten verursachen werde, da Sigmund selber in kaum zu entwirrenden Verwicklungen steckte. Von allen Seiten bedrängten den König Gegner und allerorts warteten wichtige Entscheidungen auf ihn. In Böhmen griff die hussitische Bewegung immer mehr um sich. Nach dem Tode Wenzels im August 1419 musste Sigmund sich um die Sicherung seiner Nachfolge bemühen. Zwischen Polen und dem Deutschen Orden schwelte der Konflikt weiter, und beide Teile rechneten mit dem König, der ihnen helfen und den Streit in ihrem Sinne entscheiden sollte. In Ungarn hatte das Kriegsglück dem Luxemburger für den Augenblick Ruhe vor den Türken verschafft, aber Venedig schürte auch dort den Widerstand. Die deutsehen Fürsten, vor allem die Kurfürsten, verlangten immer dringender eine neue Ordnung der innerdeutschen Ange- S. 122, N.409; S. 125, N.425; S. 126, N.428; S. 141, N.494. - Vgl. auch Gabotto, Contributo, ' III, S. 195. 388 EA, I, S.230, N.477C; vgl. EA, I, S.213, N.445, Anm.2. 387 Vgl. EA, I, S. 233, N.483. - Tschudi, II, S. 135. 388 Vgl. EA, II, S.4, N.6ee (S.5); S.3, N.3p. - Vgl. auch Tanner, S.392ff. - Th.von Liebenau, Arbedo, S.205. e. 388 Vgl. S. Bianchetti, L'Ossola inferiore, I, S. 354ff. - Tanner, S. 393. 3»° Anfangs April 1422, vgl. ASG, XVIII, S.212. - Th.von Liebenau, Arbedo, S.205Í. -Tanner,S. 394ff. ,*i " 381 Vgl. EA, II, S. 12, N. 17/18. - Zürcher Stadtbücher, II, S. 154f., N. 182/83; S. 156ff., N. 186-189. 194 195 legenheiten und eine energische Bekämpfung der Hussiten. Besonders wünschten sie die vermehrte Berücksichtigung ihrer Interessen, wenn sie auch nur forderten, der König solle für Frieden und Sicherheit sorgen. Sie beklagten sich über die Bevorzugung der Städte, worunter sie auch die Eidgenossen zählten392, denn Sigmund stützte seine Herrschaft im Reiche stärker auf die reichsunmittelbaren Gebiete. Nicht zuletzt betrachtete eine Anzahl mächtiger Fürsten die Haltung Sigmunds gegenüber Friedrich von Österreich als ungerecht und erwartete die volle Rückerstattung der Österreich abgesprochenen Gebiete. Die Fürsten mochten daran denken, dass ihnen oder ihren Nachfolgern Ähnliches passieren konnte, falls sie einmal mit dem König in einen scharfen Konflikt gerieten; denn mit den Massnahmen gegen Herzog Friedrich war ein Präjudiz geschaffen worden, das sich mit dem Prozess gegen Heinrich den Löwen vergleichen lässt393. Zu Beginn des Jahres 1422 hielt sieh der König noch in Böhmen auf und bemühte sich um eine tatkräftige Unterstützung der Reichsstände gegen die Hussiten, nachdem sein erster Zug gegen die Böhmen, an dem auch ein eidgenössisches Kontingent unter Zürcher Namen und Führung teilgenommen hatte, gescheitert war394. Alles deutete darauf hin, dass der König dort noch längere Zeit festgehalten wurde, da er anfangs Januar bei Deutschbrod eine empfindliche Niederlage erlitten hatte. Da man vielerorts den Misserfolg Sigmund persönlich in die Schuhe schob, stärkte dies Ereignis noch die Opposition im Reiche, so dass die Kurfürsten sogar mit der Absetzung des Königs drohten. Sie forderten dringend, dass der König zu einem Reichstag ins Reich komme. Als Sigmund daraufhin einen Reichstag nach Regensburg ausschrieb, verlegten die Kurfürsten ihn nach Nürnberg, da ihnen Regensburg zu sehr an der Peripherie des Reiches gelegen war. In ihren Augen lag das Zentrum des Reiches in den rheinischen Gebieten zwischen Köln und Basel395. Der König, auf den sich die eidgenössische Politik des letzten Jahrzehnts gestützt hatte, vermochte den Eidgenossen in ihrer bedrängten Lage keinen Beistand zu leisten. Sie standen Mailand allein gegenüber. Darüber hinaus wünschte der König von ihnen in seiner schwierigen Situation unterstützt zu werden. Das konnten die Eidgenossen nicht abschlagen, weil eine Ablehnung der königlichen Forderungen die Opposition im Reiche gestärkt und ihr neue Argumente gegen den König und seine eidgenossehfreundliche Politik geliefert hätte396. Darüber hinaus hatte Filippo Maria Visconti mit 392 Eine Notiz im Luzerner Ratsbuch scheint darauf hinzudeuten, dass auch die Eidgenossen die Interessen der Reichsstädte als die von Gleichgesinnten berücksichtigten. Vgl. EA, I, Š. 211, Anm., N. 444. 393 Vgl. RTA, VII, VIII, Einleitungen. - Sowie Lindner, II, S.326ff. 391 Vgl. Zürcher Stadtbücher, II, S.142ff., N. 166, 168-171; sowie RTA, VIII, S.97f., N.93;S.S3ff. aas dazu E.Ziehen, Mittelrhein und Reich im Zeitalter der Reichsreform 1366-1604, I, S.26f., besonders II, S.767, 787 und öfter. 39s z.B. das Schreiben Kurfürst Ludwigs von der Pfalz an Heinrich V. von England, der sich darüber beklagt, dass Sigmund die österreichischen Besitzungen öcertis dominis communitatibus et aliquibus certis rusticis» übergeben habe (1418 VIII-1419 I). RTA, VII, S.355, 30, ň.237. iFriedrich von Österreich ein Bündnis abgeschlossen, so dass sich die Eidgenossen nicht nur von Süden her bedroht sahen397. Auf den Tagsatzungen ■ des Frühjahrs 1422 waren daher nicht nur Beschlüsse zu fassen, wie man sich Bellinzonas wieder bemächtigte, sondern man musste auch an die ^ Verteidigung der Eroberungen im Aargau denken. So verwies Zürich, das ,f sich durch einen allfälligen österreichischen Angriff zuerst bedroht sah, auf den Bundesbrief, der es nur zur Hilfeleistung bis zum Plattifer verpflichtete398. Auch die andern Orte waren nicht ohne Sorge, wie sich die Dinge nördlich der Alpen entwickeln würden399. Deshalb versuchte man - zuerst noch mit dem Eroberer Bellinzonas zu verhandeln. Graf Carmagnola verlangte jedoch die Rückgabe alles dessen, was Gian Galeazzo Visconti besessen hatte400. Das konnten die Eidgenossen nicht annehmen, da sie damit alle Erwerbungen jenseits der Berge hätten aufgeben müssen. Dennoch mag das Schreiben des mailändischen Feldherrn seine Wirkung auf die weniger interessierten Orte nicht verfehlt haben, da es den Eid-i genossen die Erneuerung der weitgehenden wirtschaftlichen Vorteile ver- sprach, die sie unter Gian Galeazzo besessen hatten. Nach langwierigen Verhandlungen unternahmen die Eidgenossen dann doch einen Zug gegen Mailand und erlitten bei Arbedo eine empfindliche Niederlage, die vorwiegend durch die mangelnde Geschlossenheit ihres Vorgehens verursacht wurde401. In der Folge ging die Leventina bis zum Plattifer verloren402. Das Eschental war schon vor der Einnahme BeOin-zonas besetzt worden. Nach der Niederlage erachteten es die Oberwalliser Gemeinden für notwendig, mit Mailand einen Friedens- und Freundschaftsvertrag abzuschliessen, der jedoch ihre Verpflichtungen aus dem Landrecht mit den Eidgenossen vorbehielt403. So schnell wie die Walliser gaben sich die Urner und Uiiterwaldner, gefolgt von Luzern und Zug, nicht geschlagen. Sie wollten die Niederlage rächen, während die übrigen Orte offenbar bereit waren, auf das Angebot Mailands einzugehen und auf ihre Ansprüche gegen die Zahlung von 20000 —— Dukaten zu verzichten. Ausser einer Handelssperre gegen Mailand unter- 3" Vgl. das Schreibon Zürichs an Luzern vom 6.VII.1422. ASG, XVIII, S.311, N.58. 898 Vgl. Zürcher Stadtbüoher, II, S. 154ff., N. 182/83, N. 186-189. - EA, II, S. 14, N. 19. 399 Vgl. EA, II, S.12f., N.19b. So beschlossen die Eidgenossen am 29.IV. 1422 Brugg und Baden stärker zu besetzen und einen Zusatz nach Zürich zu legen. 409 Das Schreiben Carmagnolas an die Eidgenossen, EA, II, S. 14, N. 19. 491 Schon am 17. VI. zogen die Urner nach Airolo und mahnten von dort am 20. VI. Obwalden. Geschfr., XXX, S. 244f.; = ASG, XVIII, S.309, N.56; vgl. ebendort, S.309, N.65.— Th.von Liebenau, Arbedo. - K.Meyer, Die ennetbirgische Politik und die Feldzüge , , der Innerschweizer bis zum Siege von Giornico, Schweiz. Kriogsgesch., I, 3, S. 51 ff. Möglicherweise nahm Savoyen im April 1422 auf Grund der mailändischen Haltung ihm und den Eidgenossen gegenüber wieder mit Florenz Kontakt auf. Vgl. Gabotto, Guerra, VII, S.436ff., 442ff. Gabottos Angaben lassen ferner vermuten, dass in den Verhandlungen zwischen Sigmund und Savoyen eine Unterstützung der Eidgenossen behandelt und offensichtlich geplant wurde. Vgl. Gabotto, Contributo, III, S.315ff., besonders Anm.6, auch Anm. 3, sowie S. 316, Anm. 3. 492 Die stetigen Weigerungen Zürichs, nur bis zum Plattifer helfen zu wollen, zeigen, dass die Mailänder nur die untere Loventina besetzt hatten. 4oa Yg\. EA, II, S. 16, N. 24. - Osio, II, S. 100, N. LVII; = ASG, II, S. 210 (1422 VIII 26). 196 197 nähmen die Eidgenossen vorerst noch nichts. Sogar diese wurde nicht von allen Orten befolgt, da sie vor allem den Interessen Zürichs und Berns widersprach404. Ohne auf die Unterstützung Sigmunds rechnen zu können, beriet die Tagsatzung in der ersten Hälfte Juli 1422 über die Hussitenhilfe406, und im September empfingen die Eidgenossen anstatt Hilfszusagen die Nachricht, der König erwarte aus der Eidgenossenschaft 250 Pferde und von den Geistlichen 100 Denare als Beitrag zum Hussitenkrieg, während jeder einzelne Kurfürst nur 50 Berittene stellen sollte406. Darüber hinaus mochten sie mit Besorgnis die schwierige Lage beobachten, in der sich König Sigmund, von vielen Gegnern bedrängt, befand. Vorerst konnten sie ihre Hoffnungen auf einen günstigen Ausgang der Verhandlungen mit Venedig setzen; denn die allgemeine Situation, violleicht auch durch den eidgenössischen Misserfolg beeinflusst, hatte den König zu der Einsicht gezwungen, dass er zuerst die Allianz der beiden italienischen Mächte sprengen müsse, bevor er seine italienischen Pläne wieder aufnehmen könne. Wenn es den Vermittlern, Savoyen und Florenz, gelang, die Streitigkeiten zwischen Sigmund und Venedig beizulegen, konnte sich der König, wie er selbst wünschte, nach Abschluss des Krieges gegen die Hussiten Italien zuwenden und bei seinem Romzug die mailändische Frage lösen407. Als eine Zürcher Gesandtschaft, die nach längeren Verhandlungen im Namen aller Eidgenossen abgesandt worden war, im Februar 1423 mit Sigmund im ungarischen Blindenburg verhandelte, drückte der König seine höchste Freude darüber aus, dass die Friedensverhandlungen zwischen den Eidgenossen und Filippo Maria Visconti gescheitert waren408. Den Zürcher Boten wird diese Ansicht des Königs ebenso unangenehm gewesen sein wie die übrigen Nachrichten, die sie dort erfuhren und heimbringen mussten; denn gerade ihre Vaterstadt widersetzte sich einem entschiedenen Angriff auf die mailändischen Positionen am schärfsten. Den eidgenössischen Wünschen, ihnen die Hilfe gegen die Hussiten zu erlassen, vermochte Sigmund nicht zu entsprechen, noch konnte er ihnen wirksame Hilfe gegen Mailand zusagen409. So begannen die Gegensätze auf der Tagsatzung neuerdings aufeinander - 404 vgl. EÄ, II, S.22f., N.37; = Zürcher Stadtbticher, II, S.167, N. 198. - EA, II, S.20, N.29e. Inwieweit die Haltung Berns und Zürichs von Savoyen beeinflusst wurde, kann nicht hier untersucht werden. Vgl. Gabotto, Guerra, VII, S.443f. 4" Die Tagsatzung am 12. VII. 1422, also kurz nach der Rückkehr von Arbedo, verhandelte nicht nur darüber, was man nun gegen Mailand unternehmen wolle, sondern auch über die Hussitenhilfe und die österreichischen Forderungen. EA, II, S.15, N.22. «« EA, II, S.17, N. 25. - Vgl. RTA, VIII, S.163, N.145; S. 246, 38, N.201. Während des Zuges über die Alpen hatte Zürich im Namen der Eidgenossen eine Gesandtschaft auf dem Reichstag zu Nürnberg, der vor allem über die Hussitenhilfe beriet. Vgl. RTA, VIII, S. 228, 37; sowie EA, II, S. 15, Anm., N. 21; für den früheren auch EA, II, S. 3f., N. 5. «' Vgl. Schiff, S.82f.-Gabotto, Guerra, VII, S.431f., 438f., 443ff., 446 (!). 408 Zürcher Stadtbücher, II, S.160, N.189; S.163f., N.193. - EA, II, S.18f., N.26; S.19, N.28g, 1, p; S.20, N.29a, e. - Vgl. Reg.imp., N.5472. 409 Schiff, S.84: «Das Kriegsbündnis gegen Mailand wollte der König nur im geheimen begünstigen.» zuprallen. Nördlich der Alpen war die Lage noch keineswegs beruhigt. Die Streitigkeiten zwischen Sigmund und Friedrich von Österreich drohten wieder auszubrechen, und die Opposition im Reiche stärkte sich zusehends410. Wie die Grubersche Fehde im Gebiete der Eidgenossenschaft für Unsicherheit sorgte, so wurde Deutschland allerorts von ähnlichen Fehden und Kämpfen belästigt. In dieser unruhigen Zeit sah jedes Ort seine speziellen Interessen bedroht, so dass es zu keinem einheitlichen Vorgehen gegenüber Mailand kam. Ein Bündnis des Bischofs von Chur mit Friedrich von Österreich liess in Zürich und den östlichen Orten neue Sorgen entstehen411. Im Sommer 1423 forderte Sigmund die Eidgenossen auf, die Grafen von Lupfen und Toggenburg gegen Herzog Friedrich zu unterstützen412. Gleichzeitig beschäftigten Streitfragen zwischen den Appenzellem und dem Abte von St. Gallen die Eidgenossen, besonders aber die Schwyzer. Andererseits bemühte sich Luzern mit den Ländern vergeblich, Bern und Zürich wenigstens zu einer Handelssperre gegen den Herzog von Mailand zu veranlassen. Innereidgenössische Gegensätze und Reibereien verschärften die Spannungen noch413. Immerhin veranlasste die unsichere Lage zusammen mit den innereidgenössischen Gegensätzen Bern, sich nun auch mit den Städten näher zu verbinden. Neben einer ewigen Vereinigung mit Luzern schloss Bern mit Zürich einen ewigen Bund ab, der die beiden Städte, die in diesen Jahren gemeinsam den Innerschweizer Wünschen widerstanden, nun direkt miteinander verband414. Als die savoyardischen und florentinischen Bemühungen, zwischen Venedig und Sigmund zu vermitteln, scheiterten, sahen die Gegner Mailands ihr Heil in einer grossen Koalition. Florenz wie Savoyen, die sich selber mehr und mehr von den vordringenden Mailändern bedroht sahen, gaben die Hoffnung noch nicht auf, Venedig auf ihre Seite zu ziehen. Vorerst versuchten sie; im Einverständnis mit König Sigmund weitere Bundesgenossen zu werben416. Offensichtlich von Savoyen eingeführt, trug Ende August 1423 ein florentinischer Gesandter der Tagsatzung Vor- 410 Sogar von Filippo Maria Visconti forderte Sigmund Hilfe gegen Friedrich von Österreich (1423 111). Reg.imp., N.5461. 411 Vgl. Zürcher Stadtbücher, II, S. 165, N. 19S. - Thommen, III, S. 145, N. 122; S. 161, N. 126; S. 162, N. 136. 412 Zürcher Stadtbüoher, II, S.168, N.199; = EA, II, S.23f., N. 39. Der Abschied zeigt, wie sehr die österreiohisohen und mailändischen Fragen einander überschnitten. Vgl. auch Reg. imp., XI, N. 5565-5570. 413 Wie genau man am königlichen Hofe über die eidgenössischen Verhältnisse informiert war, zeigt die Einladung zum Regensburger Reichstag, die nicht wie üblich, nur an «Zürich und ir eidgonossen» und an «Bern und ir eidgenossen», sondern auch an Schwyz und seine Eidgenossen gerichtet war. Vgl. Reg.imp., XI, N.4769, 4771, 4778; = RTA, VIII, S. 123, N.109. 414 Bund Berns mit Luzern 1421 III 1, EA, II, S.3, N.4, S. 719; Bund Berns mit Zürich 1423 I 22, EA, II, S. 20, N. 30, S. 723. 4» Vgl. Schiff, S.85. -Gabotto, Guerra, VII, S:452ff. - Diario diPalla Strozzi, Arch.stor. ital., Ser.4, XI, S.31. 198 199 schlage seiner Stadt vor416. Florenz wünschte den Beitritt der Eidgenossen zu einer antimailändischen Koalition, deren Umfang der Bote anscheinend grösser angab, als sie war und wurde. Zugleich sollte im nächsten Frühjahr der Krieg gegen Filippo Maria eröffnet werden. Den Eidgenossen kam dieses Ansinnen offensichtlich überraschend, und sie verschoben ihre Antwort um zwei Monate; lange genug, um auch mit dem fernen König noch darüber zu beraten. Sofort wandten sie sich jedoch an Herzog Amadeus, um nähere Auskünfte über das florentinische Begehren zu erhalten. Luzern, das den Krieg gegen Mailand ersehnte, konnte die Antwort des savoyardischen Herzogs kaum erwarten. So trug es seinen Boten auf, die Berner, die gerade mit Herzog Amadeus verhandelten, heimlich zu fragen, was sie über das florentinische Begehren erfahren hätten. Gleichzeitig liess Luzern die Berner bei Savoyen sondieren, ob der Friede zwischen den Eroberern des Eschentales und dem jungen Herzogtum wiederhergestellt sei. Herzog Amadeus, der wusste, wie sehr König Sigmund an einem guten Verhältnis zwischen den Eidgenossen und Savoyen - den beiden Stützen königlicher Macht im Alpengebiet - lag, bemühte sich, den Eidgenossen weit entgegenzukommen. An demselben Tage, an dem er Bern und Freiburg die Herrschaft Grasburg verkaufte, bevollmächtigte er die Berner, die Zwistigkeiten zwischen ihm und den Eidgenossen förmlich beizulegen117. Obwohl Bern erst im August des nächsten Jahres einen endgültigen Spruch fällte, bestanden seit dem Verlust des Eschentales an Mailand zwischen Herzog Amadeus und den Eidgenossen keine Gegensätze mehr418. Als die eidgenössischen Boten anfangs November 1423 erneut den Krieg gegen Mailand besprachen, war inzwischen ein Brief König Sigmunds eingetroffen, der die Eidgenossen offensichtlich zum Bündnis mit Florenz ermuntern sollte. Wiederum lehnte es Zürich schroff ab, einen Krieg gegen Filippo Maria Visconti zu unterstützen, ja es behauptete sogar offiziell, die Urner und Obwaldner hätten die Leventina nie zu Recht besessen419. Auch Schwyz, Glarus und Zug waren nicht ohne weiteres willig, ein Unternehmen gegen Mailand zu fördern. So antworteten Luzern, Uri und Ob-walden dem florentinischen Gesandten ausweichend, versprachen jedoch, mit Filippo Maria keinen Frieden zu schliessen420. Bald darauf rief Florenz seinen Gesandten zurück, da auch mit Savoyen kein Bündnis zustande 116 Vgl. ASG, XVIII, S. 318, N. 63. - Vgl. Gabotto, Guerra, VII, S. 455f. - Auch den Brief bei L.Scarabetti, Paralipomena di storia piemontese dall'anno 1285 al 1617 per cura di L.S., Aroh.stor.ital., Ser. 1, XIII, S.209. 111 Vgl. EA, II, S.24, N.41; S.25, N.43; sowie EA, II, N.6, deren zweiter Teil in das Jahr 1423 gehört, wahrscheinlich zu Abschied N.40 vom 4. IX., da auf den Tag in Zug am 14./15.IX. verwiesen wird. Der florentinische Gesandte erschien in Luzern Ende August. Vgl. vorhergehende Anm. 118 1424 VIII 22, EA, II, S.4I, H.64/65. Den damals zwischen dem Herzog Amadeus und Bern und Freiburg abgeschlossenen Burgrechtsvertrag betrachtete König Sigmund einige Zeit später offenbar als für alle Eidgenossen gültig. Vgl. Reg.imp., XI, N.6729. 412 Zürcher Stadtbücher, II, S. 172,3ST. 203; = EA, II, S. 27, N. 45. "» Vgl. EA, II, S.27f., N.46. kam121. Dennoch gaben weder die inneren Orte noch König Sigmund, der von Savoyen laufend orientiert wurde, ihre Bemühungen auf, die Eidgenossen zu einem Zuge gegen Mailand zu bewegen. Kurz vor Weihnachten 1423 kam ein Bote Sigmunds zu den Eidgenossen, der dringend forderte, zusammen mit Savoyen ein Bündnis mit Florenz zu schliessen und Mailand zu bekriegen. Noch immer weigerten sich Zürich, Bern und Schwyz, am Zuge teilzunehmen422. Daraufhin trugen die Boten Luzerns, Uris und beider Unterwaiden Mitte Januar den Zürcher Räten ihr Begehren nochmals vor. Dabei lasen sie den Zürchern das königliche Privileg vor, das Uri und Obwalden das Livinental verlieh. Trotzdem beharrte Zürich bei seiner Meinung, der auch Bern, Schwyz und Glarus zustimmten423. Ebenso hielt sich Savoyen zurück. Als Antwort auf diese Ablehnung sind wohl die Urkunden zu werten, die Sigmund im Februar in Ofen ausstellte. Er gedachte durch Privilegienverleihungen die widerspenstigen Orte zum Vorgehen gegen Mailand zu gewinnen424. Doch auch dadurch liessen sich Zürich und Schwyz nicht bewegen, ihre Ansicht zu ändern425. Im Gegenteil fordorten Boten von Bern, Zürich, Solothurn, Schwyz und Glarus anfangs Mai die Luzerner auf, die mailändische Angelegenheit aufzugeben426. Mitte Mai wandten sich der Sittener Bistumsverweser und die Walliser an die inneren Orte und boten ihnen an, einen Frieden mit Mailand zu vermitteln427. In den ersten Junitagen mahnten Uri und Obwalden wiederum Zürich zur Hilfe, da sie anscheinend Nachricht vom Beginn der Kämpfe zwischen Mailand und Florenz erhalten hatten428. Nochmals verweigerte Zürich jede Hilfe, bot jedoch seine Vermittlung an. Nachdem der König vergeblich auf eine bessere Nachricht seines Gesandten Caspar Torner gewartet hatte, sandte er Philipp von Heimgarten zusammen mit dem florentinischen Gesandten del Bene zu den Eidgenossen. Während Philipp von Heimgarten im Namen des Königs die Hilfe der Eidgenossen forderte, versprach der florentinische Gesandte den Orten für einen dreimonatigen Feldzug mit zehntausend Mann die Zahlung von achttausend Gulden429. Da Florenz Ende Juli eine empfindliche Niederlage erlitten hatte und Papst Martin V. zwischen Mailand und Florenz zu vermitteln suchte, liessen sich Zürich und sein Anhang weder durch das florentinische Geld noch durch die königliche Mahnung bewegen, ihre Ansicht zu ändern430. Viel- 421 Vgl. Gabotto, Guerra, VII, S.4ß9f. 422 Vgl. EA, II, S. 29, N.48. 428 Vgl. Zürcher Stadtbücher, II, S.177, N.209. - EA, II, S.30, ST.49. Für Savoyen vgl. Gabotto, Guerra, VII, S.461. 424 Vgl. Reg.imp., XI, N. 8774-5782 (1424 II 9); sowie N.5792, 5788, 5796-5798. -Thommen, III, S. 170ff., N. 145, III, IV. 428 Vgl. EA, II, S. 30, N. 50. - Zürcher Stadtbücher, II, S. 179, N. 212. Über die Haltung Savoyens vgl. Gabotto, Guorra, VII, S.463ff. 428 Vgl. EA, II, S.33, N.54. Vgl. EA, II, S.34, N.56. 428 Vgl. EA, II, S.35, N.57; = Zürcher Stadtbüoher, II, S.188f., N.277. 428 Vgl. EA, II, S.36ff., N.69-61. - Reg.imp., XI, N.5889 (1424 VI 12). 48» Vgl. Oabotto, Guerra, VII, S.469ff., 474. 200 201 mehr wies Zürich auf die Vermittlungsbereitschaft des Bischofs von Chur hin, der im Namen des Papstes handelte, und bat die inneren Orte, eine weitere Gesandtschaft des Königs abzuwarten, von welcher Zürich gehört habe131. Dennoch wollten Luzern, Uri, Obwalden, Nidwaiden und Zug "auf Grund der florentinisch-königlichen Gesandtschaft einen Zug nach Lamparten beschliessen. Zeitweise sah es danach aus, als ob ihnen auch Schwyz, St. Gallen, Glarus und Appenzell Hilfe leisten würden432. Zürich bemühte sich, die Eidgenossen davon abzuhalten. Dem König gegenüber scheint es zusammen mit Schwyz und Glarus erklärt zu haben, falls Sigmund persönlich komme, werde er ihre volle Unterstützung finden, ohne ihn wollten sie aber wie Savoyen nichts unternehmen433. Schwyz und Glarus versprachen den inneren Orten Hilfe für das nächste Jahr, falls sie den Zug verschöben434. Wie Zürich wollten auch sie die politische Entwicklung der nächsten Zeit abwarten. König Sigmund hatte für den Winter einen Reichstag nach Wien ausgeschrieben, der Klarheit über die Haltung der Kurfürsten zu bringen versprach und die Meinung der Fürsten und Städte offenbaren würde436. Darüber hinaus fanden unter den italienischen Mächten allerorts so intensive Verhandlungen statt, dass sich nicht abschätzen liess, wie sich Eilippo Marias Position verändern würde. Vor allem die savoyardischen Diplomaten waren eifrig tätig und hofften immer noch, Sigmund mit Venedig aussöhnen zu können und somit wenigstens Venedig, wenn nicht auch den König, zu einem Bündnis gegen Mailand zu gewinnen438. Mit Rücksicht auf die Lage in Frankreich war Savoyen nicht bereit, allein mit Florenz gegen Mailand zu kriegen, wenn es sich auch von Filippo Maria stark bedroht fühlte. Es bestand ferner noch immer die Möglichkeit, dass sich sowohl Savoyen als auch Sigmund mit Mailand verständigten, da beide nicht nur in Mailand ihren Gegner sahen und der König die florentinischen Wünsche, persönlich nach Oberitalien zu kommen, schon wegen der Hus-siten nicht erfüllen konnte437. Schon zu Beginn des nächsten Jahres beschäftigten sich die Eidgenossen wieder stärker mit dem Kriege gegen den Visconti438. In den ersten Februartagen war eine Zürcher Gesandtschaft beim König, die sicherlich im Namen gemeiner Eidgenossen verhandelte. Anscheinend mit dem Resultat dieser 131 Vgl. Zürcher Stadtbüchor, II, S.197, N.233; S. 199, N. 235. - BA, II, S.41f., N.6 Wahrscheinlich handelt es sich um die Gesandtschaft, die Sigmund am 17. VIII. 1424 zu Verhandlungen mit don Eidgenossen und Savoyen bevollmächtigte (Reg.imp., XI, N. Ö945). Doch sandte Sigmund -wenig später noch eine Einladung'zum Reichstag nach Wien (VIII 28, Reg.imp., XI, N.5966). Vgl. auch Thommm, III, S.181f., N.157. 433 Vgl. die unten genannten Urkunden, die teilweise zu dieser Zeit erstmals ausgestellt, aber nicht übergeben wurden. Vgl. Reg.imp., XI, N.5928, S937/38, 6930/31. - Zürcher Stadtbücher, II, S.201f., N.237. - EA, II, S.42, N.68. - Thommm, III, S.192ff., N.163. 133 Eine ähnliche Haltung vertrat auch Florenz. Vgl. Schiff, S.87.-EA, II, S.42f., N.68. 134 Vgl. EA, II, S. 42f., N. 68. - Zürcher Stadtbüchor, II, S. 200, N. 237. 43ä Vgl. RTA, VIII, S.333. 436 Vgl. Gabotto, Guerra, VII, S. 469«., 474. 437 Vgl. Schiff, S.87f.-Gabotto, Guerra, VII, S.474ff. 438 Vgl. EA, II, S.46. N.70o. Besprechungen nicht ganz zufrieden oder weil es den Zürchern wegen ihrer andern Haltung in der ennetbirgischen Politik nicht voll vertraute, beschloss Luzem am l.März 1425, seinerseits den Luzerner Schulthoissen Ulrich Walker nach Ungarn zu senden439. Neben der Erwerbung einer Reihe von Privilegien war eines der wichtigsten Anliegen beider Gesandtschaften sicherlich der Mailänderkrieg, obgleich die Verhandlungen Sigmunds mit Friedrich von Österreich bestimmt im Mittelpunkt zumindest der ersten Gesandtschaft standen; denn Mitte Februar restituierte Sigmund weite Teile der Osterreich 1415 abgesprochenen Gebiete440. Ulrich Walker, der am 3.März abreiste, hielt sich längere Zeit am königlichen Hofe auf, da Sigmund gerne die Ankunft einer Gesandtschaft aus Florenz abgewartet hätte, bevor er den Eidgenossen seine Aufträge erteilte. König Sigmund, der die Wünsche seiner Freunde zum persönlichen Eingreifen nicht erfüllen konnte, begann an den Erfolgsaussichten seiner bisherigen Politik zu zweifeln. Sich an den Beschluss des Konstanzer Konzils erinnernd, in Kürze zu einem neuen Konzil zusammenzukommen, wandte sich der König wiederum Konzilsplänen zu, zumal ein Reformkonzil seiner Politik vielleicht bessere Möglichkeiten zu eröffnen vermochte. Da Sigmund sowohl von den Hussiten als auch von den Türken bedrängt wurde, konnte er an ein energisches Vorgehen gegen Venedig oder Mailand ebensowenig denken wie an einen Italienzug, zu dem ihn Florenz veranlassen wollte441. Auch für eine Ordnung der Verhältnisse innerhalb Deutschlands konnte ein neues Konzil nur von Vorteil sein. Da der Luzerner Schultheiss den Abschluss der Verhandlungen nicht mehr erwarten wollte, entschied sich Sigmund, die Eidgenossen zusammen mit Savoyen gegen Mailand fechten zu lassen, wobei er hoffte, Florenz werde sie unterstützen448. Als Endziel schwebteihm anscheinend vor, durch eine Art Gleichgewicht einen Friedenszustand in Oberitalien herzustellen, der ein Konzil ermöglichte. Der Luzerner Schultheiss erhielt daher die Weisung, einen Zug der Eidgenossen gegen Mailand vorzubereiten. Zu diesem Zweck stellte der König den Eidgenossen eine Reihe von Privilegien aus, die er aber erst den florentinischen Unterhändlern vorlegen wollte, bevor er sie den Eidgenossen übergab. Dieser Vorwand hatte den Sinn, die Eidgenossen zur Vorbereitung des Krieges gegen Mailand und vor allem zum Abschluss des Bündnisses mit Florenz zu veranlassen, den Ausbruch des Konfliktes aber noch hinauszuschieben; denn weder der König noch Savoyen waren fest entschlossen, Mailand zu bekriegen. Damit der Luzer- 438 Vgl. EA, II, S.46f„ N.71. - Reg.imp., XI, N.6166, 6168, 6172-6174. Über dio Vorhandlungen Savoyens mit Sigmund vgl. Gabotto, Guerra, VII, S.475f. Für die Kosten der Gesandtschaft Walkers vgl. ASG, XVIII, S.333, welche Stelle deutlich zeigt, dass diese Gesandtschaft am Beginn dos Zuges vor Bellinzona stand. 440 Vgl. Reg.imp., XI, N. 6158. - Thommm, III, S. 186f., N. 160, VII, N. 162. Eine offizielle Kopie des Vertrages zwischen dem König und Herzog Friedrich erhielt Zürich zuhanden der Eidgenossen! 441 Vgl. Schiff, S.83ff., 89f.-Gabotto, Guerra, VII, S.475ff. 142 Vgl. EA, II, S.47, N.71. - Reg.imp., XI, N.6279. - Gabotto, Guerra, VII, S.476, besonders Anm. 2 und 4. 202 203 ner Sohultheiss die Eidgenossen zum Bündnis gegen Mailand gewinnen konnte, gab ihm der König eine zusammenfassende Abschrift der Privilegien mit, die er im Ealle eines Krieges gegen Mailand den Eidgenossen übergeben werde443. Obwohl diese Urkunden nicht als Urteil eines Gerichtes, sondern als königliche Privilegien ausgestellt wurden, fällt ihre grosse Ähnlichkeit mit den Verleihungen auf, die bei der Eroberung des Aargaues ausgestellt worden waren. Sie enthielten den Befehl Sigmunds an die Eidgenossen, Mailand anzugreifen und alles mailändische Gebiet vom Gotthard bis in die lombardische Ebene zu erobern. Dabei sollten die Eidgenossen von einer Reihe genannter Städte und Adeliger aus den Schweizer Gebieten unterstützt werden. Weiterhin verbot der König den Eidgenossen, das zu erobernde Gebiet zu verwüsten, und versprach es ihnen im Namen des Reiches zu verleihen. Den mailändischen Untertanen gebot Sigmund gleichzeitig, sich' unter Vorbehalt ihrer Rechte und Privilegien den Eidgenossen zu unterwerfen, die im Namen des Königs kämen, um sie von der Tyrannei der Visconti zu befreien444. Mittels dieser Privilegien hoffte der Luzerner Sohultheiss, auch die Zürcher und Berner zum Zuge über den Gotthard zu bewegen. Luzern, sicher gefolgt von Uri, Unterwaiden und Zug, vielleicht auch von Glarus, begannen auf Grund dieser Nachrichten mit umfassenden Rüstungen und begehrten im Juli von Zürich nochmals Hilfe für den Krieg gegen Mailand445. Die Zürcher Gemeinde, vor die das Begehren auf Bitten der Innerschweizer gebracht wurde, beschloss mit den Eidgenossen über einen gemeinsamen Zug gegen Mailand zu unterhandeln, lehnte jedoch für den Augenblick jede Unterstützung ab, wobei sich Zürich auf einen Brief Sigmunds berufen konnte, der Bern, Zürich, Schwyz und Glarus anwies, dafür zu sorgen, dass die Eidgenossen mit Mailand weder Frieden schlössen noch wirklich Krieg führten446. König Sigmund hatte nämlich im April 1425, bald nach der Abreise des Luzerner Schultheissen, mit Venedig Verhandlungen angeknüpft, die einen allgemeinen Frieden zum Ziel hatten. Die drohende Beteiligung Venedigs an der gegen Mailand gerichteten Koalition, die vor allem Florenz wünschte, veranlasste Filippo Maria Visconti, bei Sigmund einen Rückhalt zu suchen. Auf die im Mai begonnenen Verhandlungen trat Sigmund nur sehr zögernd ein, da er einerseits den Plan eines Krieges gegen Mailand noch nicht aufgegeben hatte und andererseits den Gang der Verhandlungen mit Venedig noch nicht überblicken konnte447. 443 Die von H.von Liebenau im ASG, XVIII, N. 66, abgedruckte Urkunde hat sicherlich Sohultheiss Walker, vielleicht zusammen mit N, 67, von der königlichen Kanzlei erhalten, denn sie enthalt praktisch den Inhalt aller Urkunden. Vgl. BA, II, S.47, N.71. - Thommen, III, S.192L, N.163. -Reg.imp., N.6265-6276. 444 Vgl. Thommen, III, S. 192f., N. 163. Diese Urkunden sind schöne Beispiele für das über den mittelalterlichen Tyrannenbegriff Gesagte. Vgl. oben, S. 33ff. 443 Vgl. ASG, XVIII, S. 327, N. 68; S. 372, N. 99. Über gleichzeitige Rüstungen Savoyens vgl. Qabotto, Guerra, VII, S.477ff. 443 Vgl. Zürcher Stadtbüoher, II, S.202f., N.238. - BA, II, S.51f., N.79. Vgl. Schiff, S.91f. - OaboUo, Guerra, VII, S.480ff. - Oslo, II, S. 134, N.66. Als Zürich die Gesandten der eidgenössischen Orte auf den 24. Juli 1425 in Luzern zusammenrief, gedachte es, mit Hilfe der Berner und unter Berufung auf ein königliches Schreiben die Eidgenossen von einem Feldzug gegen Mailand abzuhalten448. Doch scheinen in jenen Tagen neue Nachrichten eingetroffen zu sein, so dass ein völliger Umschwung der Zürcher Haltung eintrat. Baden schrieb noch am 30.Juli an die Eidgenossen: «Fuogte sich aber deheinist», dass alle Eidgenossen gemeinsam über die Berge zögen, so wolle es Beistand leisten. Jedoch schon am 7. August sandte es sein Kontingent nach Zürich, um am Zuge aller Eidgenossen, mit Ausnahme Berns, gegen Bellinzona teilzunehmen449. Weder die eidgenössischen Abschiede noch die Chroniken geben uns Auskunft über die Motive, die nach jahrelanger Uneinigkeit innerhalb weniger Tage die Eidgenossen zum Zuge über den Gotthard veranlassten450. Um diesen plötzlichen Wechsel zu erklären, müssen wir die Gründe aufhellen, die Zürich und seinen Anhang zu den gleichbleibenden Weigerungen, die in der Innerschweiz schwere Misstimmungen auslösten, bewogen451. Sicherlich trug die Sorge, Österreich könnte sieh wieder in den Besitz der 1415 verlorenen Gebiete setzen, entscheidend dazu bei, dass Zürich nur seine formell festgelegte Bundespflioht bis zum Plattifer, der Grenze des Zürcher Hilfskreises, erfüllen wollte. Unter den wenigen politischen Argumenten, die sich in den Akten der Verhandlungen spiegeln, scheint für Zürich das wichtigste gewesen zu sein, dass der Krieg gegen Mailand mehr koste, als er einbringe. Auch glaubte es, die Eroberung werde nur schwer zu halten sein. Diese wiederkehrende Meinung der Zürcher muss man wohl vor dem Hintergrund der Verhältnisse im Reiche betrachten, die Zürich und Bern durch ihre engeren Beziehungen zu den deutschen Reichsstädten besser als den Innersohweizern bekannt waren, und die im Falle eines Konfliktes am meisten bedroht waren. Schon zur Zeit des Konstanzer Konzils hatte sich unter den Fürsten eine von den rheinischen Kurfürsten geführte Opposition gegen den König gebildet, die besonders mit der Ausbreitung der hussitischen Bewegung und den gescheiterten Versuchen, sie zu bekämpfen, an Anhang gewann. Der lange Aufenthalt des Königs in Ungarn und die Wirren in Deutschland verschärften die Lage noch. Mehrfach drohte die Gefahr, die Kurfürsten würden Sigmund absetzen. Dennoch gab der Luxemburger den Fürsten nur in wenigen Punkten nach und stützte sich weiterhin auf die Reichsstädte. Durch Landfriedensbünde und mit Hilfe der Städte hoffte er, sowohl der zahlreichen Fehdon als auch der Fürsten Herr zu werden. Doch getrauten sich die vereinzelt zwischen den mächtiger werdenden fürstlichen Territorien liegenden Städte nicht, den königlichen Plänen entschieden zuzustimmen; denn jede Stadt war für sich allein den mächtigen Landes- 448 Vgl. Zürcher Stadtbücher, II, S. 202f., N. 238. - BA, II, S. 51 f., N. 79. 443 Vgl. ASG, XVIII, S.335f., N. 69/70. 450 Über die Lage in Savoyen vgl. OaboUo, Guerra, VII, S.485ff., 488. 451 Vgl. die Beleidigung des Zürcher Bürgermeisters Meiss durch einen führenden Unter-waldner. Zürcher Stadtbücher, II, S. 186ff., W. 226. 204 205 fürsten unterlegen und in ihren lehenswichtigen wirtschaftlichen Interessen zum guten Teil auf ein freundnaehbarliches Verhältnis zu den Fürsten angewiesen. Die königlichen Reformpläne konnten nur wirksam werden, wenn die Städte untereinander unter allen Umständen zusammenhielten und auf die Unterstützung durch den König rechnen konnten, der sich aber oft in fernen Ländern aufhielt und persönlich meist nur wenig wirksame Hilfe zu leisten vermochte452. Obwohl die Städte den königlichen Plänen, mit ihrer Hilfe den Frieden im Reiche aufrechtzuerhalten, grundsätzlich zustimmten, konnten sie wegen ihrer vielfältigen Sonderinteressen zu keiner Einigung gelangen. So wagten es nur wenige Städte, während der Zeit, als Sigmund in Böhmen und Ungarn weilte, Vorschläge der Kurfürsten, die den Plänen des Königs zuwiderliefen, offen abzulehnen, wie es zum Beispiel Basel tat463. Es entsprach daher völlig der Haltung der Reichsstädte, wenn sich Bern und Zürich nicht in ein Unternehmen einlassen wollten, das sich jahrelang hinziehen konnte, ihre wirtschaftlichen Interessen schädigte und nur mit Hilfe dos Königs zu einem glücklichen Ende gebracht werden konnte. Sigmund drohte jederzeit von den Kurfürsten abgesetzt zu werden, und vom Nachfolger, der vielleicht sogar Friedrich von Österreich heissen würde, war keinesfalls eine ähnliche Unterstützung im Kriege gegen Mailand zu erwarten. Mindestens mussten die Eidgenossen damit rechnen, dass Sigmund, durch die Not der Umstände gezwungen, die Eidgenossen in ihrem mailändischen Kriege im Stich liess. Um die veränderte Haltung Zürichs und seines Anhanges zu ergründen, müssen wir uns ferner fragen, welche dieser Gefahren im Sommer 1425 gebannt waren. Sicherlich stand im Vordergrund, dass sich Herzog Friedrich mit König Sigmund auf eine Weise geeinigt hatte, die den österreichischen Herzog lange Zeit damit beschäftigte, seine ihm wieder zugesprochenen Gebiete aus der Verpfändung zu lösen454. Jetzt brauchte er alle seine Einnahmen und konnte an keinen Krieg gegen die Eidgenossen denken, zumal ein Bruch mit ihnen neue Konflikte mit Sigmund hervorrufen würde. Ausserdem stellte ihn die Vormundschaft über die Söhne Herzog Emsts vor neue Aufgaben. Daneben war es von entscheidender Bedeutung, dass Herzog Amadeus von Savoyen schärfer gegen Mailand vorzugehen begann, wenn er auch noch nicht alle Verhandlungen abbrach. Da Savoyen dauernd eng mit Sigmund zusammenarbeitete, konnten die Eidgenossen auch eine stärkere Unterstützung Sigmunds erwarten. Selbst wenn diese durch einen Wandel der Lage ausfiel, fanden sie bei Savoyen einen Rückhalt, den sie schon deshalb begrüssen mussten, weil Savoyen in weit höherem Masse die nöti- 4« Vgl. die Einleitungen in RTA, VII, und besonders VIII, darin vor allem S. 104, 333 ff. -Lindner, II, S. 326-342. 483 Vgl. RTA, VIII, S.S4, 76, N.61; S. 276ff., 112, 3. 454 Vgl. Reg.imp., N. 6158 (1425 II 17). - RTA, VIII, S.405 , 37, N.341. - Siehe auch StoU,B.30l. 206 gen Kenntnisse und Mittel zu erfolgreichen diplomatischen Verhandlungen in Italien zur Verfügung standen. Im Sommer 1425 besserte sich aber vor allem das Verhältnis der Kurfürsten zum Könige. Am 10. Juni konnte Sigmund die Reichsstädte nicht ohne Befriedigung zu einem Reichstag nach Wien laden, da sich die Kurfürsten nach jahrelanger AVeigerung bereit erklärt hatten, zum König zu kommen, um mit ihm zu verhandeln155. Gleichzeitig bahnte sich eine Verständigung zwischen dem König und dem Kurfürsten Friedrich von Brandenburg an, die noch im Mai scharfe Gegner gewesen waren456. Die savoyardische Gesandtschaft, die anfangs Juli den königlichen Hof verlassen zu haben scheint, wird den eidgenössischen Orten auf ihrer Durchreise Näheres über die politische Entwicklung berichtet haben457. Wahrscheinlich brachte sie den Eidgenossen bestimmte Anweisungen Sigmunds mit, der ein etwa gleichzeitiges Losschlagen Savoyens und der Eidgenossen gegen Mailand wünschte. Sicherlich übersandte der König auch durch diese Gesandtschaft oder durch andere Boten den Eidgenossen die Urkunden, die Sohultheiss Walker bei seinem Aufenthalt noch nicht übergeben worden waren458. Diese Privilegien haben allein wohl kaum die krasse Schwenkung Zürichs bewirkt, denn ihr Inhalt bedeutete für Zürich nichts Neues. Welche Bedeutung der Zug gegen Mailand in den königlichen Plänen einnahm, ist unsicher. Entweder vermutete Sigmund, Venedig werde sich trotz den florentinischen Werbungen neutral verhalten, oder er wollte gar keinen entscheidenden Krieg gegen Mailand führen, sondern mehr nur durch militärische Demonstrationen Mailand zu einem günstigen Abschluss der Verhandlungen bewegen, wobei er möglicherweise gerne gesehen hätte, dass südliche Zugänge zu den Alpenpässen in die Hand seiner Anhänger gelangten, um künftigen Verwicklungen vorzubeugen. Wenn auch Luzern schon in den letzten Junitagen Truppen nach Airolo gelegt zu haben scheint, kam doch erst Anfang August ein gemeineidgenössisches Unternehmen zustande469. Nach einem eiligen Aufbruch zogen die Eidgenossen vor Bellinzona, das so stark besetzt war, dass sie eine Belagerung für aussichtslos ansahen, zumal sie nur wenige Geschütze über 415 Vgl. RTA, VIII, S.432f., N.362/63, S. 429ff. Vgl. RTA, VIII, S.423ff., N.360/61, mit Reg.imp., XI, N.6322, 6401, 6565. Ferne ebendort den Streit um die sächsische Kurwürde. 457 Vgl. Gabotto, Guerra, VII, S.476, 484f.; die Privilegien für Savoyen bzw. für savoyardische Untertanen, die meist nicht allzu lange vor der Abreise ausgestellt wurden. Gleichzeitig erhielt auch die französische Vermittlungsgesandtschaft Privilegien. Reg.imp., XI, N. 6336-6338, 6342, 6344. - Vgl. P.Perret, L'ambassade de l'abbe do Saint-Antoine de Vienne et d'Alain Ohartier ä Venise, Rev.hist., XLV, S. 303, bzw. Histoire des relations de la France avec du Venise du XIII8 siecle ä l'avenement de Charles VIII, I, S. 133f. 468 Darauf weist die Teilnahme des Grafen von Arberg-Valengin an einem der ennet-birgischen Züge des Jahres 1425 hin, die auf Grund der Aufforderung Sigmunds in den Privilegien erfolgt sein dürfte. Vgl. ASG, XVIII, S.341, N.74; Reg.imp., XI, N. 6267, sowie den sehr wichtigen Bericht über die Haltung Savoyens gegenübor Mailand in Arch.stor.ital., 1, Xin (1847), S.217f. 45« Vgl. Th.von Liebenau, Regesten zur Geschichte des Eschentalerkrieges von 1425, Anz.f.Schweiz.Gesch., V, S.292, Anm, 207 den Gotthard transportiert hatten. Ohne die Belagerung zu versuchen, kehrten die Eidgenossen nach wenigen Wochen zurück160. Sogar das Eschental verschonten sie. Leider gibt uns keine zeitgenössische Quelle darüber Kunde, warum die Eidgenossen den Kampf so schnell aufgaben. Ihre Uneinigkeit allein wird wohl kaum der Grund gewesen sein, dass sie so schnell darauf verzichteten, weite Gebiete jenseits des Alpenkammes zu erobern und in ihren Besitz zu bringen. Filippo Maria wandte sich schon vor dem Aufbruch der Eidgenossen wieder an den König und bemühte sich um eine Verständigung mit Sigmund, denn in der Zwischenzeit hatten die Verhandlungen Venedigs mit dem König und mit Florenz beachtliche Fortschritte gemacht. Der mai-ländische Herzog musste den Zug der Eidgenossen als Vorspiel zu einem allgemeinen Kriege gegen sich werten461. Da anfangs August die im Mai begonnenen Verhandlungen zwischen dem König und dem Visconti wieder aufgenommen wurden, ist es nicht ausgeschlossen, dass den Eidgenossen von Sigmund oder von Savoycn, das selber mit Mailand noch nicht im offenen Krieg stand, geraten wurde.weitere Unternehmungen gegen Filippo Maria im Augenblick zu unterlassen462. Trotzdem zog Ende Oktober 1425 eine Innerschweizer Freisohar ins Eschental, wo sie sich sehr bald einer starken mailändischen Truppe gegenübersah ; denn der Visconti brauchte nach dem Abschluss des Kleinkrieges mit Savoyen durch den Fall von Borgo San Dalmazzo keine grossen Trup-penverschiebungen durchzuführen463. Um ihre bedrängte Jungmannschaft zu retten, fanden sich in kürzester Frist alle Orte einschliesslich Berns bereit, mit starken Kräften nach Domodossola zu ziehen. Die Eidgenossen waren noch kaum in den entlegenen Tälern angelangt, als sich der Sittener Bistumsverweser anbot, zwischen den Eidgenossen und Mailand zu vermitteln464. Ohne lange Beratungen gingen die Eidgenossen auf den Vorschlag ein und zogen ihre Truppen zurück. Dennoch hatte das Unternehmen der Eidgenossen Filippo Maria so erschreckt, dass er seinem Sekretär de Vimercato, der unter Vermittlung des Erzbisehofs von Colocza und der Städte Bern und Freiburg die Verhandlungen mit den Eidgenossen führte, anwies, er solle trotz dem Abzug der Truppen unterhandeln, als 4t° Vgl. K.Meyer: Schweiz.Kriegsgesch., I, 3, S.59ff. Vgl. Osio, II, S.148, N.80 (1428 VII SO).-Schiff, S.91ff. Vgl. Anz.f.Schweiz.Gesch.,V, S.294, Schreiben vom 9.XI., das die sehr engen Beziehungen zwischen Savoyen und Bern belegt. Vgl. auch S. 297. 468 Vgl. Gabotto, Guorra, VII, S.489. Wegen des Besitzes von Feldkiroh wandte sich Sigmund anfangs Oktober an die Eidgenossen. Sollto der Zug am Ende dieses Monats auch durch neue Mitteilungen des Königs beeinflusst sein? Vgl. Reg.imp., XI, N.6481, das Stück gehört nach dom Itinerár in die ersten Oktobertage. 484 Vgl. ASG, XVIII, S.336ff., N.71-73. -EA, II, S.53, N.82. - Tanner, S.397ff. Berns Teilnahme dürfte auch auf die Haltung Savoyens zurückzuführen sein. Vgl. auch den gleichzeitigen Zug des Grafen von Sax und des Grauen Bundes. Th. von Liebenau, Sax, S. 19. -Anz.f.Schweiz.Gesch., V, S.294, Schreiben vom 9.XI. Von Interesse ist auch die Notiz, dass der Freiburger Bürgermeister beim Markgrafen von Montferrat weile, da dioser gleichzeitig Sigmund in seinen Verhandlungen mit Mailand beriet. Vgl. ebendort, S.296Í., Schreibon vom 5.XI. mit Osio, II, S.159, N.XCI (1425 XI 5), sowie Bianchi, Materie politiche relative all'estero degli archivi di Stato Piemontesi, S. 90, und RTA, X, S. 6. 208 ,1" " sS ob die Eidgenossen in den Vorstädten Mailands stünden, und nur auf einen f, ehrenhaften Frieden bedacht sein. Offensichtlich wollte der mailändische s Herzog alles vermeiden, was die Zahl seiner Gegner vermehren und seine Verhandlungen mit Sigmund erschweren könnte465. Einer der wichtigsten Gründe, der die Eidgenossen so bald zum Frieden geneigt machte, ist sicher in der veränderten Politik des Königs gegenüber Venedig und Mailand zu suchen, zumal Ende September der Luzerner Schultheiss Heinrich von Moos, der Feldbauptmann der Luzerner beim Zuge, vor Bellinzona, mit dem König persönlich die Lage besprochen hatte, die Sigmund zwang, Mailand zu unterstützen, um ein weiteres Anwachsen * der Macht Venedigs in Oberitalien zu verhindern466, i' Innerhalb weniger Tage wurde ein Waffenstillstand zwischen den Eid- genossen und Mailand geschlossen467. In den Mitte Januar 1426 geführten Friedensverhandlungen gelangten beide Parteien bald zu einer Einigung, wobei zahlreiche Vermittler auf ausdrücklichen Wunsch der Eidgenossen jr,'. mitwirkten468. Gegen eine ansehnliche Geldentschädigung traten die Eid- ) genossen alle ihre Ansprüche südlich des Gotthards an Herzog Filippo »• Maria Visconti ab. Daneben wurden vor allem handelspolitische Fragen erörtert und den Eidgenossen für die nächsten fünf Jahre Abgabenfreiheit j bis Bellinzona zugestanden469. Auch diese Unterhandlungen wurden an- ' scheinend in Übereinstimmung mit dem König geführt, worauf sowohl die t Politik Sigmunds wie auch die Person einiger Vermittler hinweisen470. Ebenso wie die Verhandlungen Sigmunds mit Mailand stiess die Ratifizierung des Vertrages durch die Orte auf Schwierigkeiten,, die sicherlich zum guten Teil dem Einfluss des venezianischen Gesandten zuzuschreiben sind, der sich im Frühjahr 1426 längere Zeit in Luzern aufhielt. Da sich Venedig Anfang Dezember der antimailändischen Koalition angeschlossen hatte, sollte der Gesandte nun die Eidgenossen zu einem neuen Zuge gegen Mailand bewegen. Diese Bemühungen fielen besonders dort auf fruchtbaren Boden, wo man an den Friedensbedingungen noch einiges auszusetzen £_ hatte471. Vor allem Obwalden war mit dem Vertrag nicht einverstanden, den Luzern, Uri und Unterwaiden um einige Punkte erweitert wissen wollten. ; Obwalden verweigerte die Besiegelung, weil im Friedensinstrument die Auslieferung aller Urkunden und Privilegien gefordert wurde, die die süd- 488 Vgl. Osio, II, S. 161, N. 92. - Bianchetti, II, S. 313, N.CIII; S. 314, N.CIV (1425 XI15 sendet Conrad Vimercato ab); S.315, N.CV, CVT; — Osio. 4,6 Vgl. Schiff, S.92f. - Gabotlo, Guerro, VIII, S. 113ff. - Reg.imp., XI, N.6442. 4S' Vgl. ASG, XVIII, S.338ff., N.73, 73a, - Anz.f.Schweiz.Gesch., V, S.295. Schreiben j.- vom 15.XI. - Osio, II, S.166, N.96; = Bianchetti, S.318, N.CVTI. 418 Wenigstens zum Teil vgl. z.B. die Einladung an Basel im Anz.f.Schweiz.Gesch., V, S.299. «es Vgl. EA, II, S.53ff.,N. 83 (1426126). Vgl. unten, S. 211. "0 Vgl. Gabotlo, Guerra, VIII, S. 118ff. 471 Wohl auch Savoyen hat dazu beigetragen, dass der Friede nicht sofort zustande kam. Vgl. Gabotto, Guerra, VIII, S. 116ff., 122, besonders Anm. 2. - ASG, XVIII, S. 346, Anm. -V. Ceresole, La republique de Venise et les Suisses, S. 6. - S. Romanin, Storia documentata diVenezia, IV, S.112ff. u 209 liehen Täler betrafen472. König Sigmund hatte den Obwaldnern gleichzeitig mit der Verleihung der Rechte in der Leventina den Blutbann in ihrem eigenen Gebiet verliehen. Auf diese höchst wichtige Urkunde wollten sie jedoch nicht verzichten und lehnten - wohl besonders deshalb - die Ratifizierung des Vertrages so zäh ab. Als Filippo Maria von den neuen Schwierigkeiten in der Eidgenossenschaft und vom Aufenthalt eines venezianischen Gesandten hörte, wandte er sich an Brunoro della Scala, der die Verhandlungen Sigmunds mit ihm führte, und bat ihn, im Namen des Königs die Eidgenossen aufzufordern, den Vertrag mit ihm zu ratifizieren473. Aus einem Dank Eilippo Marias an Sigmund geht hervor, dass sich der König an die Eidgenossen wandte und. sie zum Abschluss des Friedens mit Mailand anhielt474. Dennoch kamen die Verhandlungen nicht so schnell voran, wie der von vielen Seiten bedrohte Herzog von Mailand wünschte. So erneuerte der Luxemburger die Mahnung an die Eidgenossen, nichts gegen Mailand zu unternehmen, und forderte sie auf, es gegen Venedig zu unterstützen. Gleichzeitig teilte er ihnen den Abschluss eines Bündnisses mit Filippo Maria gegen die Lagunenstadt mit476. Vierzehn Tage später berichtete der König den Eidgenossen über seine Verhandlungen mit Mailand, soweit sie ihre Interessen berührten. Er habe von Filippo Maria verlangt, weitgehend die Handelsinteressen der Eidgenossen zu berücksichtigen; denn er wolle, dass sie anstatt mit Venedig mit Genua Handel trieben. Deshalb habe Sigmund mit dem Mailänder verabredet, dass zwischen den Eidgenossen und Mailand bis zum 2. Februar des nächsten Jahres ein Handelsvertrag abgeschlossen werde476. Als der König dies den Eidgenossen mitteilen liess, hatten mit Ausnahme von Obwalden schon alle Orte den Frieden mit Mailand in dem vom König gewünschten Sinne abgeschlossen. Vierzehn Tage nach der Ausstellung der Bündnisurkunde zwischen Sigmund und Filippo Maria hatten sich Zürich, Schwyz, Zug und Glarus endgültig mit Mailand geeinigt477. Der Vertrag trat an die Stelle der Sittener Vereinbarungen und überliess die ennet-birgischen Täler dem Herzog. Mailand versprach dafür, den vier Orten einen Teil der Summe, die zu Sitten abgemacht worden war, zu zahlen, während die vier Orte die Herausgabe aller Urkunden und Privilegien 4'2 Vgl. ASG, XVIII, S.342, N.75; = EA, II, S.59f., N.8B. 4" Vgl. Oslo, II, S. 175, N.CIII (1426 III 23). 4,4 «Scriptio autem, Majestatis vestre ad Svizios et alios eorum colligatos, quod nequa-quam ad cuiuscumque etiam instantiam, seu quacumque occaaione contra me prorsus atten-tent placidissima et gratissima mihi fuit; et obinde etiam oulmini vestro cum reverentia et summe regratior, non omittens, quod adeo vester sum et saeri imperii, et queeumque molestie mihi fiant, proprie vestre potius dici possent et censeri. Demum, quod vestra serenitas iam ordinaverit adversus communes hostes Venetos transmittere gentes suas summe laudo.» 1426 VI 8, Osio, II, S.215, N.CXXIII; = RTA, X, S. 100, N.58. 4,s Vgl. Schiff, S. 96ff.-Qabotto, Guerra, VIII, S. 124. -Reg.imp., XI, N.6884; = Zürcher Stadtbüoher, II, S.369f., N.200. - (1426 VII 10) vgl. EA, II, S.60, >T.85. 4'8 RTA, X, S. 41 ff., N. 8, vgl. auch S. 11.-Reg. imp., XI, N. 6697. - ASG, XVIII, S. 346 f., N. 78 (1426 VII 24/25). Das Schreiben ging auch an andere Reichsständo. 4" Bündnis Sigmunds mit Eilippo Maria 1426 VII 1-6. Vgl. RTA, X, S. 36ff., N. 3. -Reg.imp., XI, N.6678-6681. ; ■ zusagten, die die eidgenössischen Rechtsansprüche betrafen. Die schon im .: ersten Vertrage verabredete Zollfreiheit wurde von fünf auf zehn Jahre • i verlängert und von Bellinzona auf dem Wege über Como oder über Varese ,; ' bis an die Tore Mailands ausgedehnt. Nach Ablauf dieser Frist sollten die f, alten Privilegien wieder gelten, die die Eidgenossen unter der Herrschaft i Gian Galeazzos genossen hatten. Beide Teile versprachen, den Handel zu schützen478. / Mit den inneren Orten gestalteten sich die Unterhandlungen schwieriger, ; wurden aber kaum eine Woche später mit Luzern, Uri und Nidwaiden i abgeschlossen. Dieser Vertrag lehnte sich weitgehend an den Zürcher an, t regelte aber darüber hinaus noch eine Reihe wichtiger Fragen, die kurz ■ angeführt werden sollen, weil sie zeigen, welche Angelegenheiten die inne- f ren Orte besonders beschäftigten: Bei Totschlag sollte der Gerichtsort dem ' Tatort entsprechen. Die drei Orte wollten den Abt von Disentis und seine i Untertanen von Mailand als Eidgenossen behandelt wissen. Beide Teile j verpflichteten sich zum Durchlass von Söldnern in Gruppen bis zu sechzig i Köpfen und wollten für den Unterhalt der Strassen sorgen. Sogar der Privatbesitz eines Johannes Moresini in Giornico wurde in einem Artikel besonders geschützt und die Zollabgaben der Eidgenossen im einzelnen festgelegt. Gegen allfällige Veränderungen des Herzogtums Mailand sicherten sich die Eidgenossen, indem sie den Vorbehalt ihrer Rechte forderten. Auch setzten sie Abgabenfreiheit für liegende Güter der Eidgenossen im Gebiete des Herzogs von Mailand durch. Schliesslich wurde noch ein Schiedsgerichtsverfahren festgelegt, das weltliche Walliser als Schiedsleute vorsah. Endlich gestand Mailand den Eidgenossen zu, sie dürften die Leventina und das Maggiatal als Pfänder in Besitz nehmen, falls die versprochenen Gelder nicht gezahlt würden479. Obwohl auch dieser letzte Artikel zeigt, dass die Verhandlungen mit Obwalden vorangekommen waren, kam es mit diesem Ort noch zu keinem Abschluss, sondern das festgesetzte Schiedsgericht musste seinen ersten I— Spruch fällen, um die Streitigkeiten endgültig beizulegen480. Der Schiedsspruch vom 7. November 1426 statuierte, dass für Obwalden der Friedens-j vertrag mit Luzern, Uri und Nidwaiden mit Ausnahme zweier Artikel gelte. Falls Mailand das zugesagte Geld nicht zahle, solle Obwalden für sich das Antigorio- und Formazzatal als Pfand besetzen dürfen481. Weiterhin entschieden die Schiedsrichter, dass das königliche Privileg, welches die Rechte Obwaldens auf die Leventina und das Blutgericht in Obwalden betraf, in seiner Geltung auf Obwalden selbst beschränkt sei. Die Teile der Urkunde, 478 Vgl. EA, II, S.61, N. 87, S.738ff. (1426 VII12). Trotz der Befristimg bildete dieser Frieden für lange Zeit die Grundlage der eidgenössischen Handelsvorteile. m Vgl. EA, II, S.62, BT.88, S.745ff. (1426 VII 21). 480 EA, II, S. 63, N. 91, S. 757ff. Damals stand anscheinend schonfest, dass das Antigorio-und Formazzatal den Obwaldnern als Pfand zugewiesen würde, weil sonst eino Verpfändung des Maggiatales keinon rechten Sinn gehabt hätte. Vgl. auch Geschfr., XXX, S. 246, N. 19/20. 481 Domodossola ist in diesem Vertrag als für Obwalden wichtiger vor der Leventina genannt. 210 211 die sich auf die Leventina bezogen, würden hingegen kassiert und sollten in keinem Falle ein Präjudiz bilden. Die Urkunde selber durfte Obwalden behalten482. Da sich ausser dieser Frage keine wichtigen Veränderungen der Friedensbestimmungen feststellen lassen; sind wir zu der Annahme gezwungen, dass vorwiegend die Bestimmung über die Auslieferung des königlichen Privilegs den Abschluss des Friedens um Monate hinauszuziehen vermochte; ein Faktum, das uns zeigt, welche Bedeutung die beiden Vertragsparther einer königlichen Verleihung beimassen. Noch bevor die Verhandlungen zwischen den Eidgenossen und dem Herzog von Mailand beendet waren, erneuerte Luzern zusammen mit Uri sein freies Geleit für Kaufleute und Pilger und teilte dies Strassburg und wohl auch andern am Handel mit Mailand interessierten Städten mit488. Auch dies weist auf den engen Zusammenhang zwischen den Friedensschlüssen und der königlichen Handelspolitik hin, da sich sonst Luzern wohl kaum so sehr beeilt hätte, auf den freien Weg nach Genua hinzuweisen. Herzog Filippo Maria betrachtete auch weiterhin die Eidgenossen und König Sigmund als etwas Zusammenhängendes. Als er die versprochenen Gelder nicht pünktlich zahlen konnte, wartete er mit der Entsendung einer Gesandtschaft, bis er seinen Boten Briefe des königlichen Gesandten an seinem Hofe mitgeben konnte, die seine Wünsche um Verlängerung der Zahlungsfrist befürworteten484. Damit sind die Auseinandersetzungen mit Mailand um die ennetbirgischen Täler für längere Zeit abgeschlossen. Es ist müssig, zu fragen, ob der König in den Verhandlungen mit Mailand mehr die eidgenössischen Interessen vertreten habe, oder ob die Eidgenossen mehr die Nutzniesser der Politik Sigmunds gegenüber Mailand und besonders seiner Handelspolitik gegen Venedig wurden. Sigmund nahm gewiss auf die Eidgenossen ebenso Rücksicht, wie sie seine Anweisungen befolgten, soweit sie ihren Interessen nicht entgegenliefen. Ferner zeigen diese Jahre, dass offenbar die Länder geneigter waren, dem Könige bedingungslos zu folgen, während die eigentlichen Reichsstädte, Bern und Zürich, die zwar ausser am freien Handel wenig am Besitz der Lande jenseits des Gotthards interessiert waren, sich den königlichen Wünschen in wechselndem Masse widersetzten. Sie verfolgten eine Politik, die völlig derjenigen der deutschen Reichsstädte entsprach, die den königlichen Wünschen nur mit grosser Zurückhaltung und mit Rücksichtnahme auf die städtische Politik, vielleicht auch auf die Kurfürsten, gegenübertraten. j Vergleichen wir die Haltung der Eidgenossen mit derjenigen der deut-j sehen Reichsstädte und Fürsten, so zeigt sich, dass die Leistungen der ; Eidgenossen für den König und seine Politik - denn als solche muss die ennetbirgischo Politik trotz den speziellen Interessen der inneren Orte auf- *" Obwalden erhielt jedoch nicht mehr Geld als Uri! Vgl. Dieraüer, II, S. 30. - Tanner, S.400. 183 Vgl. ÄSG, XVIII, S.343, N.76; = Geschfr., XXII, S.294 (1426 VI 24). '» Vgl. ASG, XVIII, S.352ff., N. 83-85. gefasst werden - den Leistungen jeder anderen Stadt und jedes Fürsten nicht nur gleichkamen, sondern diese wesentlich übertrafen. Allein Herzog Albrecht von Osterreich, der Sigmund sehr viel zu verdanken hatte, setzte sich in ähnlicher Weise für den König ein. Da es im damaligen Reiche eine Seltenheit war, dass sich ein Reichsglied während so langer Zeit nach den Wünschen des Königs richtete, fanden sich sehr bald Neider, denn als Gegenleistung war Sigmund mit Verleihungen von Rechten und seiner Unterstützung nicht geizig485. Hier sei nur noch die Frage gestellt, was aus den Reformplänen Sigmunds geworden wäre, wenn sich alle Reichsstädte in gleichem Masse hinter den König gestellt hätten. Doch fielen ihre Interessen nicht in gleichem Masse mit denen des Königs zusammen. Da der Dienst für Kaiser und Reich üblicherweise durch Vergabungen vergolten wurde, können wir getrost die Eidgenossen als Stützen königlioher Macht bezeichnen, die nicht nur bei der Eroberung des Aargaus, sondern auch in ihrer ennetbirgischen Politik König Sigmund in hervorragender Weise unterstützten. Es trifft also für die Zeit Sigmunds vollkommen zu, wenn die eidgenössischen Chronisten und Kanzlisten immer wieder behaupten, die Eidgenossen seien für ihre grossen Dienste für das heilige römische Reich von «keiseren und küngen hoch gefryet» worden. 2. Die Privilegien und die Entwicklung des Staates in den eidgenössischen Orten Das vorhergehende Kapitel schilderte den Zusammenhang königlicher und eidgenössischer Politik vornehmlich gegenüber dem Herzogtum Mailand. Diese Untersuchung legte dar, dass die Eidgenossen, selbst wenn man von der Eroberung dos Aargaus absieht, Hervorragendes für König Sigmund leisteten, obwohl seine Politik nicht immer ihren Interessen entsprach. Da aber die Taten der Eidgenossen für den König von den Verleihungen königlicher Privilegien nicht zu trennen sind, wollen wir auch sie näher betrachten. Durch die Privilegien König Sigmunds kam eine Innerschweizer Entwicklung zu einem gewissen Abschluss, deren Anfänge wir in der Zeit nach dem Morgartenkriege feststellten. Als wir nach der Entwicklung der Staatlichkeit in jenen Jahrzehnten fragten, musste zwischen den reichsfreien Orten und denjenigen, die noch der österreichischen Oberherrschaft unterworfen waren, ein scharfer Trennungsstrich gezogen werden. Während die österreichischen Orte in der Erlangung der Reichsun-mittelbarkeit ihr wichtigstes politisches Ziel erblickten, strebten die reichsfreien Glieder schon damals die Erwerbung der vollständigen Landeshoheit an, und die Reichsstädte begannen ein Territorium zu erwerben. Diese Entwicklung fand in den ersten Jahrzehnten des 15: Jahrhunderts einen gewissen Abschluss. Mit der Eroberung der Leventina und des Aargaus wurden neue Wege der Machterweiterung beschritten. Da die Mittel und 485 yg]_ die obon zitierte Stelle aus dem Schreiben Kurfürst Ludwigs von der Pfalz an Heinrich V. von England. Oben, S. 196, Anm. 396. 212 213 Ziele der Ausbildung des Fläohenstaates bei den einzelnen Orten verschieden waren, soll versucht werden, die territorialstaatliche Entwicklung der einzelnen Orte in ihren grundlegenden Zügen zu beschreiben486. ZÜRICH Zürich war bald nach dem Tode Berchtolds von Zähringen, wie so viele andere ehemals geistliche Städte, Reichsstadt geworden487. Dennoch musste es noch lange Zeit auf seine Stadtherrin, die Praumünsterabtei, Rücksicht nehmen und konnte in der Auseinandersetzung mit ihr erst nach und nach ein Herrschaftsrecht nach dem andern erwerben. Die ersten kaiserlichen Privilegien von besonderer Bedeutung verlieh Rudolf von Habsburg der Limmatstadt, die von der habsburgischen Hausmacht recht eng umschlossen wurde. Dadurch wurde die Stadt lange Zeit zu weitgehender Rücksichtnahme gegenüber diesem Hause gezwungen; denn auch die in ihrer Gegend begüterten Adeligen standen in der Regel in österreichischen Diensten. Diese Lage beschränkte Zürichs Macht während längerer Zeit auf den engsten Umkreis der Stadt. Darüber hinaus veranlasste diese mächtige Nachbarschaft Zürich, sich stärker auf den Schutz des Reiches zu stützen. Da es diesen nur auf Grund entsprechender Gegenleistungen erhielt, nahm es schon früh unter den Reichsstädten einen angesehenen Platz ein. Daher amtete in Zürich auch ein Reichsvogt, der allerdings alle zwei Jahre wechselte, länger als in anderen Reichsstädten. Nachdem Zürich infolge des Bundes mit den Eidgenossen weniger auf seine Nachbarn Rücksioht nehmen musste, und nachdem es wesentliche Herrschaftsrechte in der Stadt erworben hatte, konnte es sich der Erwerbung einer Landschaft zuwenden. Zürich hatte durch die Aufnahme von 486 Eine differenzierte Darstellung der eidgenössischen Territorialstaatsbildung fehlt trotz der mehr theoretischen Untersuchung A.Gassers noch immer. Vgl. A.Gasser, Die Entstehung und Ausbildung der Landeshoheit im Gebiete der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 1930; id., Die territoriale Entwicklung der Schweizerischen Eidgenossenschaft 1291-1797. Besonders letztere Arbeit, so verdienstvoll diese Zusammenstellung ist, gibt ein irreführendes Bild, weil sie die einzelnen Rechte und ihre Bedeutung zu wenig auseinanderhält. Nur für' einzelne Orte besitzen wir gute, Untersuchungen der Territorialstaatsbildung. Doch auch sie differenzieren oft die einzelnen Rechte und Erwerbungen zu wenig, besonders weil sie nur zeigen, was das betreffende Ort erwarb, aber nicht immer klar herausstellen, welche Rechte noch in fremder Hand waren. Das ist natürlich im 15. Jahrhundert nicht im entferntesten vollständig durchführbar, sollte aber dennooh angestrebt werden. Eine genaue Darstellung, die die Staatsbildung auf Grund der einzelnen Rechte und Rechtskreise näher untersuchte, ergäbe ein wesentlich differenzierteres Bild. In unserem Zusammenhang müssen wir uns auf einen stark zusammenfassenden Überblick beschränken. Aus diesem Grunde wird unsere Auffassung nur mit einer kleinen Auswahl von Quellen und Literaturhinweisen belegt, obwohl diese wenigen Hinweise kaum ausreichen, um die wichtigsten Gruridzüge nachzuweisen. 487 Vgl. Largiader, Geschichte; id., Die Anfänge des zürcherischen Stadtstaates, Festgabe Paul Schweizer (1922).- J.G.Bluntsckli, Staats- und Rechtsgeschichte der Stadt und Landschaft Zürich, 18662.-G.Meyer von Knonau, Zürcher Königs- und Kaiserregesten 852-1400, ASG, I, S. 69ff. - Besonders jedoch F. Kläui und Fl. Imhof, Atlas zur Geschichte des Kantons Zürich, der das Werden des Zürcher Territorialstaates gut spiegelt, obwohl man wünschen möchte, dass die Zeiträume zwischen den einzelnen Karten, die die territoriale Entwicklung darstellen, kleiner wären. 214 "I' Ausbürgern schon früher einen gewissen Einfluss auf seine Umgebung aus- 5? geübt. Nun kamen ihm diese Verbindungen zustatten. Mit der Verleihung Y des Zürichsees bis Horgen durch Kaiser Karl IV. begann die eigentliche Bildung eines zürcherischen Territoriums488. Dennoch war die Ausdehnung des Zürcher Herrschaftsbereiches nur ein Ziel seiner Politik. Wie für viele deutsche Reichsstädte wurde die Zürcher Politik hauptsächlich durch die Interessen der Kaufleute, welche die massgebende Schicht der Stadt darr stellten, bestimmt. Dementsprechend legten die Zürcher weniger Wert auf die Hoheitsrechte über einen grossen Bezirk als auf den Besitz an Grund und Boden und niederen Rechten, die dem städtischen Gewerbe ein Absatzgebiet zu sichern vermochten und der Stadt Natural- und Finanz-einkünfte gewährleisteten489. Während diese Art des Landbesitzes bei den deutschen Reichsstädten häufig der einzige war, unterliess es Zürich nicht, 'in seinem Interessengebiet, das vor allem von den grossen Handelsstrassen bestimmt wurde, auch Hoheitsrechte zu erwerben. Die ersten Hochgerichte kaufte Zürich von eigenen Bürgern. Doch waren seine Erwerbungen meist Pfandschaften, die unter österreichischer Lehensoberhoheit standen. Wenn auch die Pfandsummen beträchtlich waren und kaum mit einer Lösung gerechnet zu werden brauchte, so be-• deutete doch die österreichische Lehensoberhoheit über weite Teile der Zürcher Landschaft, dass die Stadt und ein Teil ihrer Bürger einem österreichischen Einfluss unterworfen waren. Zürich hatte sich von Karl IV. 1362 mit einem Reichshofgericht ausstatten lassen, um seinen Machtbereich über die Grenzen der Stadt hinaus vorschieben und fremden Hoheitsansprüchen begegnen zu können490. Unter Berufung auf die Rechte seines Hofgerichtes vermochte es fortan, in seinen Pfandschaften Appellationen an Österreich als oberstem Lehensherrn zu verhindern und seine Interessen in nah und fern wirksam zu vertreten491. Obwohl die Zürcher Bürger schon ansehnliche Besitzungen auf dem Lande innehatten, legte die Stadt vorerst noch grösseren Wert auf den Gewinn von Hoheitsrechten, die den engeren Stadtbezirk betrafen, als auf die Erweiterung durch Landbesitz. Es legte daher sein Geld zuerst für die 188 Vgl. Bluntschli, Zürich, I, S.351; = Reg.imp., VIII,N.3855 (1382 III 31). Die Stadt hatte zwar schon 1358 mit kaiserlicher Genehmigung die Vogtei über die Höfe Triehten-hausen, Zollikon und Stadelhofen, also im allernächsten Umkreis der Stadt, erworben. 489 Vgl. Largiader, Gesohiohte, I, S. 175f. 488 Vgl.Reg.imp., VIII, N. 3853. - Largiader, Geschichte, I, S.156f., 175f: - Bluntschli, Zürich, I, S.396ff. 481 Das zeigt uns besonders das Privileg Wenzels vom 16.X. 1383fürHerzogLeopoldIII., das unter direktem Bezug auf Zürich die österreichischen Untertanen von weltlichen Hofgerichten befreit. (Vgl. Thommen, II, S. 170, N. 171. - Sowie Largiader, Gesohiohte, I, S. 153.) Doch hafteten dem Reichshofgericht, das ein Graf präsidieren musste, auch.Nachteile an. Obgleich Zürich sich dieses Privileg in späterer Zeit noch mehrfaoh bestätigen Hess, wurde das Gericht seit der Zeit nicht mehr ausgeübt, in der Zürich die Reichsvogtei erwarb. Vielleicht hatte aber auch König Ruprecht das Privileg nicht bestätigt oder keinen Richter gesetzt. Da auch keine Bestätigung Sigmunds bekannt ist, dürfte es unwahrscheinlich sein, dass das Hofgericht entgegen den Wünschen Zürichs nicht mehr funktionierte. Eine genauere Untersuchung der richterlichen Befugnisse des Reichsvogtes und des Hofgerichtes in Zürich würde vielleicht weiter helfen. 215 Verpfändung der Reichssteuer und die Übertragung der Reichsvogtei an, bevor es sich dem Kauf weiteren Landbesitzes von Fremden zuwandte492. Erst nachdem Zürich alle Rechte innerhalb der Stadt direkt von Kaiser und Reich ableiten konnte, erwarb es mittels hoher Geldbeträge eine Pfandschaft nach der anderen, die teils seinen Bürgern, teils verarmenden Adeligen, teils Österreich selber gehörten. Seiner Ausdehnung waren jedoch Grenzen gesetzt, da Österreich, mit Ausnahme weniger Gebiete, rundum die Oberherrschaft ausübte. Daneben bemühte sich die Stadt, durch Burgrechtsverträge, die ihr Karl IV. 1362 mit Adeligen ausdrücklich gestattet hatte, eine Gefolgschaft niederer und höherer Adeliger zu gewinnen493. Das Burgrecht mit Friedrich von Toggenburg, der während der Regierungszeit Sigmunds eng mit den Eidgenossen zusammenarbeitete, sollte für Zürichs weiteres Geschick am bedeutungsvollsten werden. In dieser Zeit bot der Krieg gegen Friedrich von Österreich den Zürohern die einzigartige Gelegenheit, ihr Territorium zu erweitern und vor allem ihrem Staatswesen wichtige Rechtsgrundlagen zu verschaffen. Bei diesen Unternehmungen ging der innere Ausbau des Staates neuen Erwerbungen voran. Der Ring österreichischen Besitzes um Zürich herum wurde mit der Erklärung der Reichsacht gegen Herzog Friedrich, die alle österreichischen Lehen als dem Reiche heimgefallen erklärte, gesprengt. Die Inhaber der einzelnen Rechte konnten sich nun vom Könige direkt belehnen lassen. Die königliche Urkunde vom 5. April 1415 begabte Zürich mit allen ehemals österreichischen Pfandschaften als Reichslehen. Damit wurde das Reich der einzige Oberherr, den Zürich noch anerkennen musste494. Nachdem durch dieses PrivilegZürichs Macht innerhalb seiner Grenzen gefestigt worden war, zog es mit den andern Eidgenossen in den Aargau, um sich weiteren Besitz zu erobern. Das gute Verhältnis der Limmatstadt zu König Sigmund ermöglichte ihr, über diese Machtsteigerungen hinaus noch weitere Erwerbungen zu machen, unter denen die rechtlich bedeutendste war, dass der Bürgermeister den Blutbann in den Zürcher Hochgerichten verleihen durfte, denn damit war die Herrschaft der Stadt über die Landschaft gesichert496. Daneben verdankte Zürich dem Luxemburger, dass es die Grafschaft Kyburg aus der Pfandschaft lösen durfte. Als Sigmund nach der Kaiserkrönung 1433 die Zürcher Privilegien bestätigte und der Stadt darüber hinaus noch das Recht verlieh, innerhalb ihres Herrschaftsbereiches Reichslehen zu verleihen, war Zürich auch auf dem Gebiete des Lehenrechtes zur obersten Gewalt in seinem Gebiete auf- 492 Vgl. die Privilegien in ASG, I, S.122ff., mit Largiadir, Geschichte, I, S. 176f. -BluntscKli, Zürich, I, S.351ff. «» Vgl. Reg.imp., VIII, N. 3864 (1362 III 31). - Largiadir, Geschichte, I, S. 150f., 156f.; 168 f. Im übrigen ist daraufhinzuweisen, dass durch die Vorloihungen von Reichslehen an angesehene Zürcher Bürger durch Karl IV. Zürich zur Erwerbung von Herrschaftsrechten auf der Landschaft angeregt wurde. Vgl. ASG, I, Regesten, N. 111, 131/32, 138. 494 Vgl. Reg. imp., XI, N. 1660. - EA, I, S. 146, N. 329. - Sowie oben, S. 183f. 496 Vgl. Largiadir, Geschichte, I, S. 179. - Bluntsohli, Zürich, I, S. 353. - Reg.imp., XI, N. 1573/74,1622,1877,2157,5777-5782,5797/98,6172-6174,8229,9509. - Sowie oben, S. 193. ä gestiegen496. In seinem Territorium vermochte keine andere Macht oder S' Person ausser dem Kaiser auch nur den geringfügigsten Einfluss auszu- f üben; denn alle Rechtstitel, auf die sich ein solcher stützen konnte, waren 4 im Besitze der Stadt. Die wenigen Rechte, die Zürich auf der Landschaft noch fehlten, waren nur niedere Rechte und zudem meist in dem Besitz l» seiner Bürger. Zürich hatte also nicht nur ein ansehnliches Territorium, § sondern auch die Landeshoheit erworben, wie sie auch zahlreiche Fürsten anstrebten, aber noch lange nicht erreicht hatten. Diese Zusammenfassung, aller Herrschaftsrechte in der Hand der Stadt steigerte Zürichs Macht bedeutend und stärkte es besonders im Inneren. V Diese nicht nur für städtische Verhältnisse sehr frühe Zentralisation der staatlichen Machtmittel verdankte die Limmatstadt ihrem guten Verhältnis zu den römischen Kaisem und Königen, vorab jedoch König Sig-mund. Letztlich beruhte der weitgehende Ausbau des Stadtstaates aber auf der Bereitwilligkeit der Zürcher, ihre Macht und ihre finanziellen i> Mittel dem Könige zur Verfügung zu stellen497; denn Vergabungen waren f i die einzige Möglichkeit des Herrschers, ihm geleistete Dienste zu kompen- l sieren, und es galt daher als Pflicht des Kaisers, seine Getreuen mit neuen Rechten auszustatten. Nichts spiegelt das enge Verhältnis Zürichs zu Sigmund so gut, wie die beiden Goldbullen, in denen der Kaiser bald nach der Kaiserkrönung die Zürcher Privilegien bestätigte. Die erste wies noch besonders auf die Pfandschaften hin, die Zürich vom Reiche aus dem Besitz Friedrichs von Österreich erhalten hatte, und wiederholte die Bestimmung, dass die Pfänder, nämlich die Eroberungen im Aargau und einige weitere Erwerbungen, nur vom Reiche gelöst werden dürften. Am nächsten Tage wurde die gleiche Urkunde nochmals ausgestellt498. Jetzt liess man jedoch den Satz, der den ehemals österreichischen Rechten gewidmet war, fort und verstärkte die Pönformel. Beide Urkunden wurden ausgestellt, mit Goldbullen besiegelt und ausgeliefert. Obwohl eine Rasurstelle die Frage aufwirft, handelt es sich nicht um eine erste Ausstellung, die den Zürcher Gesandten, darunter Bürgermeister Stüssi, nicht behagte, sondern um zwei verschiedene Bestätigungen, die einander ergänzen sollton499. 186 Vgl. Reg.imp., XI, N.9506 (fälschlich unter dem 21.VI. eingereiht, denn es wurde am 20.VI. ausgestellt), N.9507-9514; = STA Zürich, C, I, Stadt und Land, N.98-109. Innerhalb des Umkreises von drei Meilen hatte schon Karl IV. Zürich mit dem Reoht begabt, Reichslehen zu verleihen. Vgl. Reg.imp., VIII, N.4158. Vgl. Reg. imp., XI, N. 10463,5798. Deutsche Reichsstädte versuclitenbesonders unter schwachen Herrschern die Roichsabgabon zu sparen und führten sie öfters nicht ab. Zürich zahlte sie bereitwillig und löste sie bei günstiger Gelegenheit ganz ab (vgl. ASG, I, S.98ff. passim). 498 STA Zürich, Stadt und Land, C, I, N. 108, 109; = Reg.imp., XI, N.9506/07. Die erste Urkunde wurde möglicherweise schon vor oder dann sehr bald nach der Krönung formuliert, denn Caspar Schlick ist noch «vicecancollarius» und kein cmiles». Ausserdem weist die Reihenfolge in der Kanzleiregistratur darauf hin. 499 Das Wort Österreich ist entweder auf Rasur geschrieben oder wurde nachträglich zu tilgen versucht, aber dann von einer sicherlich gleichzeitigen Hand - wahrscheinlich vom Urkundenschreiber solbcr - wiederhergestellt. 216 217 Die erste war anscheinend zum Gebrauch gegenüber Österreich bestimmt, während die zweite ganz allgemein benutzt werden und nicht jedermann zeigen sollte, dass Zürich weite Gebiete besass, die ehemals Österreich gehörten. Man wollte offensichtlich damit verhindern, dass Gegner, denen dieses Privileg gezeigt werden musste, sich an Österreich um Unterstützung wandten. Zürich war folglich seiner Sache noch nicht ganz sicher und getraute sich nicht recht, offen zu zeigen, dass es Österreich beerbt hatte. Nichts kann uns über die Bedeutung kaiserlicher Privilegien in den Augen der Zeitgenossen und besonders des Zürcher Rates so gut belehren wie diese doppelte Privilegienbestätigung. Selbst wenn wir von den beiden prächtigen Goldbullen absehen, erforderten die Kanzleigebühren. für jede Ausfertigung einiges Geld600. Da man aber im 15. Jahrhundert für nutzlose oder wenig bedeutsame Dinge genau so wenig wie heute geneigt war, grössere Beträge aufzuwenden, müssen diese Urkunden einen Wert besessen haben, der sich für den rückschanenden Betrachter kaum vorstellen lässt. Im wesentlichen lag dieser Wert sicher darin, dass diese Privilegien in ihren Konsequenzen Zürich zu einem politischen Körper erhoben, der in seinem Gebiet zwar noch kein absolutes, aber doch ein sehr weitgehendes Monopol legitimer Maehtausiibung besass: Die Landeshoheit eines Reichsgliedes. BERN Obwohl die Stadt Bern im Vergleich zu andern Städten der Schweiz und Deutschlands erst sehr spät gegründet wurde, zählte sie bald zu den bedeutenderen Reichsstädten. Dazu trug die weitgehende Privilegierung bei der Gründüng der Stadt und vollends durch die Handveste, mag sie nun echt sein oder nicht, wesentlich bei. Bern erwarb mit einer Urkunde Rechte, die andere Städte in mühsamen Verhandlungen im Laufe langer Zeitspannen erst einzeln zusammensammeln mussten601. Schon bald nach der Erhebung zur Reichsstadt wurde Bern von den Staufern mit Aufgaben betraut, die, wie der Klosterschutz, im allgemeinen von Adeligen und Fürsten ausgeführt wurden, falls der König sie nicht selber erfüllen konnte502. Damit wurde Berns Politik von Anfang an in eine Richtung gedrängt, die nicht der sonst für die Städte üblichen entsprach. Da schon die Handveste den Berner Burgern das Recht, Lehen zu besitzen, zugestand, vermochte Bern den niederen Adel seiner Umgegend an sich zu fesseln, ohne dass dieser seine Besitzungen ausserhalb der Stadt und ■M Vgl. z.B. Justinger, S.213. 501 Das Kölner Recht, auf das die Handveste und auch Justinger mehrfach verweisen, war eines der am weitesten entwickelten Stadtrechte. Für den gesamten Absatz über Bern vgl. R. Feller, Geschichte Berns, I. - H. Rennefahrt, Grundzüge der bernischen Rechts-geschiohte, l.Teil, Abh.Z.Schweiz.Recht, NF, 34 (1928). - Sowie SRQ, II, Bern, 1 (Stadtrechte), III, wo die wichtigsten Verträge und die Privilegien Berns bequem zugänglich zusammengestellt sind. «»2 Vgl. SRQ, II, 1, III, S.24, N.2; S.28, N.6; vgl. auch S.26, N.4. - Sowie Feller, Ge-. schichte Berns, I, S. 29ff., 38ff. - Rennefahrt, Freiheiten für Bern aus der Zeit Friedrichs II., Z.f. Schweiz.Recht, XLVI (1927). 218 seine Adelsvorrechte aufgeben musste603. Der bernische Adel blieb land-sässiger Adel mit ausgesprochenen Herrschaftsrechten, während die adeligen Bürger der deutschen Reichsstädte meist bald zu vornehmlich handeltreibenden Patriziern absanken. Dazu mag sowohl die Lage Berns, abseits von den grossen Handelsstrassen, als auch die Unterstützung, die die Stadt ihren adeligen Bürgern zur Erhaltung ihres Landbesitzes schon frühzeitig gewährte, beigetragen haben. Da Berns politische Führungsschicht auch nach langer Zeit noch dem Adel angehörte und politisch-machtmässig dachte, erkor die Stadt zum Ziele ihrer Politik eine einem Fürstentum ähnliche Machtstellung, während sonst die Städte den Ausbau ihres Handels und die Gewinnung neuer Absatzgebiete für ihr Gewerbe in den Vordergrund der städtischen Politik rückten. Diesem Ziele bernischer Politik, das schon durch die von den Staufern verliehene Schirmherrschaft über R,eichsklöster vorgezeichnet war, kam die Ausstattung mit einem der wohl am besten ausgebauten Stadtrechte entgegen. Wie es scheint, hat Bern nie einen Reichsvogt gekannt, sondern der Schultheiss erhielt in den frühen Zeiten den Blutbann direkt vom Kaiser verliehen604. Schon König Adolf gestattete der Aarestadt während der Vakanz des Reiches, die sich aber nicht nur vom Tode eines Herrschers bis zur Wahl des nächsten, sondern bis zu dem Zeitpunkt, an dem der neue König in die weitere Umgebung der Stadt kam, ausdehnte, den Blutbann selber zu ordnen. Ebenso erwarb Bern sehr bald das Privilegium «de non evocando »606. Im 13. Jahrhundert beschränkte sich Bern darauf, seine Stellung durch Bündnisse mit anderen Städten seines Raumes und durch Burgrechtsverträge mit adeligen und unadeligen Ausbürgern zu stärken und sich dadurch vor allem eine militärische Gefolgschaft zu verschaffen606. Den ersten Schritt zum Erwerb einer Landschaft unternahm Bern 1323, als es die Reichspfandschaft Laupen kaufte. Nur wenige Wochen später erwarb es von Eberhard von Kyburg Thun, das es jedooh unter Vorbehalt der Heeresfolge dem Verkäufer kurz darauf wieder als Lehen verlieh607. 605 Obwohl besonders in Süddeutschland schon früh ein Rocht der Bürgor, Lehen zu besitzen, bestand, hat der Umstand, dass die führenden Berner Geschlechter landsäsaige Ministerialien waren, die Entwicklung Berns bestimmend beeinflusst. Möglieherwoiso wurdo Bern schon so früh mit diesem Recht begabt, weil man den umliegenden Adel in die Stadt ziehen wollte und damit Hindernisse aus dem Wego räumte. Die frühzeitige und allgemein anerkannte Geltung dieses Rechtes, das anscheinend schon um 1400 allgemein für die Innerschweizer Landleute galt, setzte sich im Norden Deutschlands nur teilweise und gegen grössere Widerstände durch. Wenn einmal diepersönliohe Rechtsstellung der Innersohweizer Lehensinhaber untersucht ist, lässt sich vielleicht hier eine wirkliche und frühe Besonderheit eidgenössischer Rechtszustände feststellen. Vgl. W.A.Münch, Die Lehensprivilegien der Städte im Mittelalter, Basler Z. f. Gesch. u. Altertumskunde, XVI (1917), S. 86ff. - H.Planitz, Die deutsche Stadt im Mittelalter, S. 264f. - F. Frensdorf?, Die Lehensfähigkeit der Bürger, Nachr.d.Ges.f.Wiss.Göttingen, 1894. '"•'Vgl. Rennefahrt, Rechtsgeschichte, I, S. 108, 98. "« Vgl. SRQ, II, 1, III, S.44L, N. 19b, c. ■so« Vgl. Feller, Geschichte Berns, I, besonders S.39L, S7ff. und passim. Siehe auch SRQ, II, 1, III, . sm Vgl. SRQ, II, 1, III, S.75, N.42; S.68, N.40; sowie oben, S. 113, Anm. 47. i 219 Während des 14. Jahrhunderts gelang es Bern, gestützt auf seine Bündnisse mit den Städten des burgundisohen Raumes, ein ansehnliches, aber noch unzusammenhängendes Gebiet unter seine Oberhoheit zu bringen. Dabei kam es ihm im Gegensatz zu andern Städten nicht auf die Gewinnung von Einnahmequellen an, sondern es brachte zuerst vornehmlich Reichsgut, wie zum Beispiel 1334 die Reichspfandschaft Hasli, mit den damit verbundenen Herrschaftsrechten in seine Hand. Darüber hinaus sah es gerne, wenn seine Bürger, von denen es wusste, dass sie ihre Machtmittel der Stadt zur Verfügung stellen würden, weitere Herrschaftsrechte kauften oder sich verpfänden Kessen. Die städtischen Bürger und auch die Städte selber legten im allgemeinen wenig Wert auf den Besitz von Herrschaftsrechten, weil diese so gut wie nichts einbrachten und auch die Versorgung der Stadt mit Lebensmitteln in Notzeiten nicht sicherzustellen vermochten. Dagegen sehätzten die Berner reinen Landbesitz und die niederen Rechte nicht sehr hoch ein. Es genügte ihnen in vielen Fällen, wenn sie das militärische Aufgebot, ferner die Steuerhoheit und darüber hinaus gegebenenfalls noch die hohe Gerichtsbarkeit kontrollierten. So kennen wir eine ganze Reihe von Beispielen, in denen Bern niedere Rechte, die es zusammen mit der hohen Gerichtsbarkeit erworben hatte, wieder an seine Bürger oder sogar an Fremde abtrat, um seine knappen Geldmittel für den Kauf eigentlicher Hoheitsrechte zu sparen. Bern trieb also weniger städtische Territorialpolitik als fürstliche; denn die Fürsten überliessen meist die niederen Rechte ihrem landständischen Adel. Dem entsprach es, wenn Bern schon früh danach trachtete, sich vom Kaiser wichtige Befugnisse verleihen zu lassen, die sonst Städte nur wenig zu interessieren pflegten. So gestattete ihm schon Karl IV. die Einlösung von Reichspfandschaften, und Wenzel begabte Bern mit dem Recht, Reichslehen an Stelle des Königs zu verleihen508. In der gleichen Zeit dehnte die Aarestadt ihren Herrschaftsbereich weiter aus und kaufte einen Rechtstitel nach dem anderen. Darüber hinaus brachten ihm die zahlreichen Kriege neuen Gebietszuwachs. Vor allem im Sempacherkriege verstand es Bern, sich weiter Teile des österreichischen Besitzes in seinem Gebiet zu bemächtigen509. Schon im Kyburgerkriege hatte es versucht, den wichtigsten Reohts-titel, der im burgundischen Räume zu vergeben war, zu gewinnen. Aber selbst die eidgenössischen Schiedsleute konnten ihm damals die landgräflichen Rechte in Kleinburgund noch nicht zusprechen. Erst 1406/07 erwarb die Aarestadt von den Besitzern beider Teile diesen ehemals so wichtigen Rechtstitel, der freilich mit dem Niedergang des Hauses Kyburg stark ah «e Vgl. SRQ, II, 1,111, S.190ff., N.80;S.216ff., N.91; vgl. auch S. 144, N.67; S. 197f., N.S1; S.212ff., N.89; S.219, N.92; S.315, N. 107. - Feiler, Geschichte Berns, I, S.243. Vgl. Feller, Geschichte Berns, I, S.113-214. - SRQ, II, 1, III, N.51, 55-58, 73/74, 76, 83-87, 96, 97, 98, 102-104, 106, usw. Bedeutung eingebüsst hatte510. Gleichzeitig gelang es Bern, sich dieses Recht von Österreich, als dessen Lehen es die Kyburger besessen hatten, zusammen mit seinen Eroberungen im Sempacherkriege für dauernd abtreten zu lassen, obwohl es als Gegenleistung nur den Schutz der mit ihm verburgrechteten österreichischen Städte im Aargau versprach511. Mit dem Titel eines Landgrafen, den sonst nur Fürsten und höhere Adeli ge zu führen pflegten, hatte Bern die Nachfolge seines Stadtgründers angetreten. Bern war mm auch rechtlich die hervorragende Macht in Kleinburgund und besass einen Rechtstitel, der seinen gesamten Herrschaftsbereich überspannte, und auf den es sich notfalls immer dann berufen konnte, wenn seine andern Titel nicht ausreichten. Um die Bedeutung dieses Rechtes, die den Bernern wohl bewusst war, zu steigern, Hessen sie sehr bald nach seiner Erwerbung Kundschaften aufnehmen, die die früheren Befugnisse des Landgrafen in Kleinburgund näher bestimmen sollten. Als Bern 1415 von König Sigmund aufgefordert wurde, sich am Kriege gegen Friedrich von Österreich zu beteiligen, brauchte es nicht wie die übrigen Orte auf eine Verleihung der ehemals österreichischen Rechte zu warten, die der König erst nach dem Achturteil geben konnte, sondern stand dem König sofort zur Verfügung, da Österreich schon einige Jahre zuvor den Bernern alle Eroberungen des Sempacherkrieges abgetreten hatte612. Dafür liess sich Bern ein Privileg ausstellen, das ihm zur Abrun-dung seiner Hoheitsrechte verhalf. König Sigmund verlieh der Aarestadt das Recht, dass sie auch dort, wo sie nur die niederen Rechte besass, das Aufgebot, Steuerrechte und die hohe Gerichtsbarkeit ausüben dürfe513. Damit war Bern, das schon seit Wenzel auf dem Gebiete des Lehenrechtes zum Oberherrn über die Reichslehen in seinem engeren Herrschaftsbereich geworden war, mit Reohtstiteln ausgerüstet, die ihm den Rang und die Bedeutung mindestens eines mittleren deutschen Fürsten zuwiesen614. Der bernische Staat war auch in seiner Struktur am ehesten mit den landesfürstlichen Territorien zu vergleichen, weil er wie der fürstliche vor allem auf die Hoheitsrechte Wert legte und innerhalb seines Territoriums noch andere als Inhaber von niederen Herrschaftsreehten, ja selbst von Hochgerichten, ziemlich ungestört leben liess, falls sie sich seiner Oberherrschaft beugten. Bern benutzte ihre Hilfe, um seine Macht zu erweitern, und räumte ihnen durch die Aufnahme in den Rat auch politische Einflussmöglichkeiten ein. 510 Der Zusammenhang der Landgrafsohaft Kleinburgund mit dem Rektorat der Zähringer, der sicherlich nachzuweisen ist, sollte einmal aufgeklärt werden. 811 Vgl. SRQ, II, 1, III, S.386ff., N. Iii.-Feller, Geschichte Berns, I, S.209, 195, 239ff. äl2Vgl. Feiler, Geschichte Berns, I, S.240. - Sowie SRQ, II. 1, III, S.395f., N. 127. Bis ygl. SRQ, II, 1, III, S.486ff., N.133e. Der Twingherrenstreit wurde schliesslich im Sinne dieses Privilegs beigelegt, obwohl es in den chronikalischen Aufzeichnungen nicht erwähnt wird. Thüring Fricker spielt jedoch einmal auf Privilegien Sigmunds an. Gleichwohl dürfte es in dieser wichtigen Auseinandersetzimg eine hervorragende Bedeutung gohabt haben. 514 König Sigmund hatte dies Privileg, das von Wonzol räumlich begrenzt worden war, noch erweitert. Vgl. SRQ, II, 1, III, S.480, N. 133b. 220 221 Daher war der Staat Bern, der in der Stadt sein Zentrum fand, recht locker aufgebaut. Im Gegensatz zu Zürich legten die Berner nur geringen Wert auf die Konzentration aller Herrschaftsrechte in ihrer Hand. Daher besassen auch die Twingherren und die Untertanen in Stadt und Land oft weitgehende Freiheiten, die auch in späterer Zeit nur unbedeutend eingeschränkt wurden. Trotz der lockeren Organisation muss man Bern schon unter König Sigmund als einen weit ausgebildeten Staat ansehen: Obwohl Bern noch lange nicht alle Herrschaftsrechte in seiner Hand vereinigte, besass es doch alle wichtigen Rechte, um seine Oberhoheit nicht nur durch ! Gewalt, sondern auch im Rahmen des Rechtes durchsetzen zu können. Die ! Stadt Bern war zur «Landgrafschaft» Bern geworden. Sie war weniger ein I Stadtstaat, wie ihn die deutschen Reichsstädte - aber auch Zürich - mit i ihrem kleinen oder grösseren Landbesitz verkörperten, als ein von einer ! Stadt regiertes «Fürstentum», wie Valerius Anshelm nicht unrichtig Bern hin und wieder bezeichnet515. Diese Stellung hatte es in erster Linie der eigenen Kraft und dem eigenen Geschick zu verdanken. Darüber hinaus spielten aber Kaiser und Reich für die bernische Entwicklung eine höchst wichtige Rolle. Als südwestlichstem Stützpunkt des Reiches nördlich der. Alpen hatten die römischen Kaiser und Könige Bern schon zu Beginn des 13. Jahrhunderts und nun, nach der Eroberung des Aargaus zu des Reichs Händen, erst recht dazu ausersehen, Kaiser und Reich in dem burgundischen Raum zu vertreten, der mit der Verlagerung des politischen Schwergewichtes vom Rhein in den Osten dem Zentrum des Reiches immer mehr entrückte. Diese Aufgabe kam den bernischen Interessen entgegen und bestimmte Berns politische Entwicklung. Daher ist es nicht verwunderlich, wenn sich Bern noch lange Zeit als «Träger der Reichsgewalt in seinen Grenzen betrachtete»516. LUZERN Die Entwicklung Luzerns zum Staate zeigt ein völlig anderes Bild. Als die Stadt am Vierwaldstättersee in den Bund der Eidgenossen eintrat, war sie noch eine österreichische Landstadt, die zwar auf Grund ihrer Murbachischen Herkunft und durch Verleihungen Rudolfs von Habsburg eine grössere Autonomie als viele andere Landstädte, aber kaum mehr Rechte als etwa die österreichischen Städte im Aargau besass517. Luzern wehrte sich im 14. Jahrhundert vor allem gegen den österreichischen Versuch, es 816 Vgl. oben, S. 05, sowie Anshelm, I, S. 91: «Ein fürstliche stat erbuwen und ein furstentfim überkomen.» 818 Feiler, vgl.das Zitat im richtigen Wortlaut oben, S. 57, hier etwas umgestellt; vgl. Feller, Der Staat Bern in der Reformation, Gedenkschrift zur Vierhundert]ahrfeier der bernischen Kirchenreformation, I, S. 5. 611 Luzerns rechtliche Stellung könnte man vielleicht am besten charakterisieren, wenn man es mit der Entwicklung geistlicher Städte zu Reichsstädten vergleicht, die in diesem Stadium steckengeblieben ist. An Literatur für Luzern ist zu vergleichen; Segesser. -F.Sohaffer, Die Geschichte der luzernischen Territorialpolitik bis 1500, Diss. Zürich 1941, auch im Geschfr., XOV, S. 119f; XOVII, S. 1 ff. in stärkerem Masse in den österreichischen Territorialstaat einzubauen, nachdem es unter der Murbachischen Herrschaft sich schon recht grosser Selbständigkeit erfreut hatte. Wie noch das Bündnis der Eidgenossen mit Glarus vom Jahre 1352 zeigt, lag es Luzern nicht in erster Linie an einem Bruch mit Österreich, sondern es suchte die Reichsunmittelbarkeit nur neben der Erhaltung seiner Rechte zu erlangen518. Seine Lage drängte es zu einer vermittelnden Haltung zwischen den Eidgenossen und Österreich, da die Stadt mehr oder weniger vom Gotthardverkehr lebte. So hatte es 1317 bei Herzog Leopold durchgesetzt, dass die Stadt und ihre Bürger nicht für Österreich als Pfand haften sollten, ein Recht, das sein lockeres Verhältnis zu seinem Oberherrn kennzeichnet519. Erst in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wandte sich Luzern einer Politik zu, die direkt darauf zielte, die Reichsunmittelbarkeit zu erringen. Während Karl IV. die Stadt noch unbedingt als eine österreichische Landstadt ansah620, gelang es ihr, von König Wenzel einige Privilegien zu erhalten, die ihr noch stärkere Unabhängigkeit gaben und ihren verfassungsrechtlichen Status ziemlich unklar Hessen. 1379 erhielt Luzern eine Freiheit, die fremde Gerichte für städtische Bürger ausschloss und die Aufnahme von Ächtern gestattete. Zwei Jahre später verlieh ihm der König ein Reoht, das nach der Blutgerichtsbarkeit und dem Blutbann aussieht, beides aber nicht unbedingt zu sein braucht521. Vieles deutet darauf hin, dass das Privileg nicht in der üblichen Form ausgestellt wurde. Wahrscheinlich wollte man durch eine unklare Formulierung vermeiden, dass Österreich Einspruch erhob, der zu erwarten war, wenn das Privileg der für Reichsstädte üblichen Form entsprach. Obwohl Luzern noch keine Reichsstadt war, scheint es sich selber von diesen Verleihungen an als eine Stadt betrachtet zu haben, die mit den Reichsstädten auf annähernd gleicher Stufe stand. Es wurde auch offensichtlich von andern Reichsstädten als solche angesehen. Der Sempacherkrieg vollendete diese Entwicklung zur Reichsstadt, denn schon 1387 wird in einem Vertrage mit Österreich Luzern unter den Reichsstädten aufgeführt522, j Damit war die Reiohsfreiheit gegenüber Österreich durchgesetzt, aber es fehlte der Stadt noch die reichsrechtliche Bestätigung, dass sie wirklich als Reichsstadt zu gelten habe. Als solche kann man die Urkunde betrach- J ten, in der König Wenzel wenige Jahre später den Blutbann - nun in einer rechtlich einwandfreien Form - verlieh523. Dennoch waren die Luzerner ihrer Sache nicht sicher; denn sie Hessen sich vor der Unterzeichnung des zwanzigjährigen Friedens von ihren Miteidgenossen noch besonders ver- 518 Luzern trat nämlich dem Bündnis mit Glarus nicht bei, weil dies sieh klar gegen Osterreich wandte und einen Vorbehalt österreichischer Rechte nicht enthielt. Vgl. EA, I, S.274, N.22, mit dem Zuger Bund, EA, I, S.275ff., N.23. Vgl. oben, S. 156f. 618 Vgl. QW, I, 2, S.464, N.895. "° Vgl. Urkunde vom 3.V. 1366, Gesehfr., I, S.5, N\6. Vgl. Geschfr., I, S. 6, N. 7 (1379 X 16); S.7, N. 8(1381 X 10). - Vgl. Segesser, 1, S.280f. *" Vgl. Segesser, I, S. 282, 274. - EA, I, S. 76f., N. 183, S. 320. m Vgl. Geschfr., I, S.7, N.9 (13901 18). -Segesser, I, S.281. 222 223 sprechen, dass man ihnen helfe, wenn jemand den Blutbann beanspruche, oder falls Österreich die ihm im Friedensvertrage zuerkannte Lehensoberhoheit gegen Luzern auszuspielen versuche521. Obwohl Luzern nun immer noch nicht ohne weiteres an seine Reichs-unmittelbarkeit und ihre Erhaltung glaubte, begann es schon nach dem ersten Privileg Wenzels, sich weiter auszudehnen. 1380 erwarb es die nicht sehr bedeutende Vogtei Weggis525. Je sicherer es wurde, dass seine Reichsfreiheit nicht mehr in Frage gestellt würde, desto eifriger wandte sich die Stadt der Erwerbung einer Landschaft zu, wobei sie den Vorsprung der alten Reichsstädte Bern und Zürich einzuholen trachtete626. Vor allem brachten ihr die Verträge mit Österreich nach dem Sempacherkriege nicht nur die faktische Reichsfreiheit, sondern zugleich gelangten aus österreichischem Besitz weite Gebiete in der Nähe der Stadt in ihren Besitz527. Die Geltung dieser Verträge war aber zeitlich begrenzt und behielt Österreich noch gewisse Rechte vor, die seine Lehensoberhoheit unterstrichen628. Wenn Luzern auf die Dauer diese Gebiete behalten und sich gegen allfällige österreichische Rückforderungen sichern wollte, musste es anstreben, die österreichische, wenn auch mehr scheinbar als wirklich existierende Lehensoberhoheit abzuschütteln, und wenigstens für das engere Stadtgebiet die förmliche Anerkennung der Reichsfreiheit erwerben. Da König Ruprecht wegen seines guten Verhältnisses zum Haus Habsburg die österreichischen Rechte in der Eidgenossenschaft zu gut kannte, war unter seiner Herrschaft in dieser Richtung kein Schritt voranzukommen. Luzern unterliess daher offensichtlich auch einen Versuch, sich seine Reichsfreiheit von König Ruprecht bestätigen zu lassen, zumal sich Ruprecht verpflichtet hatte, Privilegien Wenzels nur nach genauester Prüfung zu erneuern. Dennoch dehnte Luzern während der Regierungszeit des Pfälzers seinen Landbesitz weiter aus, wobei es grossen Wert auf die hohen Gerichte legte529. • Als König Sigmund 1413 die Hilfe der Eidgenossen wünschte, war er 1 sich - wahrscheinlich auf den Rat Philipps von Heimgarten hin - darüber 324 Vgl. Segesser, I, S. 274, Anm. 1, - BA, I, S. 86, N. 203. "» Vgl. Schaffer, S.46ff. - Segesser, I, S.369f. 688 Besonders kurz vor dem Sempacherkriege schloss es zahlreiche Burgrechtsverträge mit österreichischen Untertanen, gegen dio niemand etwas einwenden konnte, da Luzern ja noch österreichische Stadt war. Vgl. Schaffer, S. 50,174f., 178. - BA, I, S. 312f., N. 35B, C. 637 Dass Luzern nooh kurz vor dem Sempacherkriege als österreichische Landstadt galt, zeigt der Bund der eidgenössischen Eeichsstädte mit den rheinischen und schwäbischen Städtebünden vom 21.11.1385, der die unklare verfassungsrechtliche Situation gut spiegelt. Vgl. EA, I, S.67, N. 164, S.307ff. Für die Erwerbungen Luzerns im Sempacherkriege vgl. Schaffer, S. 51ff. und die Karte nach S. 160. 328 Der fünfzigjährige Friede fasst die einzelnen Bestimmungen der vorhergehenden Verträge zusammen und orkonnt die erworbenen Rechte den Eidgenossen unter der Bedingung an, dass diese Abtretung «derselben Herschaft an ir Manschaft, an ir Leohenschaft und an ir Losung unschedlich» sei. EA, I, S.343, N.46; vgl. ebendort, S.329f., W.42. 333 Vgl. Schaffer, S. 59ff., 146. - Segesser, I, S. 409, 501, 522, 527 usw. Sollte die Tatsache, dass die Überlieferung der ersten luzernischen Vögte auf der Landschaft, die meist auch das Hochgericht verwalteten, erst nach 1390 einsetzt, mit der Verleihung des Blutbannes durch König Wenzel zusammenhängen ? 224 im klaren, dass er Luzern keine Schwierigkeiten machen durfte, wenn die Eidgenossen ihn unterstützen sollten. Daher wird Luzern schon im ersten Schreiben des Königs als Reichsstadt aufgeführt, und bald darauf bestätigte Sigmund ganz allgemein die Luzerner Privilegien630. Wenige Jahre später war der König zu Beginn des Konstanzer Konzils wiederum auf den Beistand der Eidgenossen angewiesen. Deshalb wollte er Luzern und die übrigen Orte der Innerschweiz durch ein Privileg für ihre Dienste entschädigen, dasihnen die österreichischenLehenundPfandschaftenalsReichslehen zusprach631. Diese Urkunde war jedoch mehr auf die Zürcher Verhältnisse zugeschnitten und genügte daher Luzern und den inneren Orten nicht. Luzern und mit ihm die ehemals österreichischen Orte nutzten nun die Gunst des Augenblicks. Allem Anschein nach forderte es neue Verhandlungen, die damit beendet wurden, dass Luzern und den andern ehemals österreichischen Orten in feierlicher Form die Reichsfreiheit zugebilligt wurde. Darüber hinaus bestätigte König Sigmund der Stadt an der Reuss alle ihre früheren Privilegien532. Nun hatte Luzern sein wichtigstes politisches Ziel der letzten Zeit erreicht und konnte sich durch die Beteiligung am Kriege gegen Herzog Friedrich der Erweiterung seines Territoriums zuwenden. Obwohl Luzern nach dem Kriege von Sempach, besonders aber nach der Erteilung des Blutbannes durch König Wenzel, danach trachtete, möglichst viele Hochgerichte zu gewinnen, unterliess es nicht, auch niedere Rechte zu erwerben. Doch erfolgte die Erwerbung niederer Gerichtsrechte mit wenigen Ausnahmen erst, als die wichtigsten Hochgerichte in seiner Hand waren. Um einen Verkauf der Rechte im Eigental an Unterwaldner Landleute abzuwenden, führte Luzern die Innerschweizer Bestimmung bei sich ein, dass nur Bürger der Stadt innerhalb des Luzerner Hoheitsgebietes liegendes Gut kaufen dürften. Offensichtlich blieb diese Verordnung aber auf die eigentlichen Herrschaftsrechte beschränkt und behielt keine besondere Bedeutung für die spätere Zeit638. Wie uns das vorangehende Kapitel zeigte, blieb Luzern König Sigmund ctuch weiterhin für die Erhöhung zur Reichsstadt dankbar und unterstützte die königliche Politik in besonderem Masse. Diese Haltung trug ihm in 633 Vgl. Reg. imp., XI, N. 667, 552. - Vgl. Geschfr., I, S. 7f., N. 10. 331 Privileg vom 5.IV. 1415, Reg.imp., XI, N. 1560. 332 Vgl. Reg.imp., XI, N. 1616, 1619/20; = Geschfr., I, S. 8f., N.ll-13. - Segesser, I, S. 288ff. Vgl. oben, S. 183 f. Dieses Privileg, das die österreichischen Orte der Eidgenossenschaft zu reichsfreien erhob, nannte auch Uri, Sohwyz und Unterwaiden, deren Reichsfreiheit schon lange feststand. Leider lässt sich nicht beurteilen, ob diese Orto nur in der Eile mitaufgeführt wurden oder ob man damit irgendwelchen österreichischen Ansprüchen entgegentreten wollte. Immerhin liess sich Schwyz auch dieses Privileg nach der Kaiserkrönung Sigmunds nochmals bestätigen. (Reg.imp., XI, N. 10017. - Thmwmen, III, S.259ff., N.244.) Thommert bringt auch die meisten andern Urkunden Sigmunds, die sonst nicht gedruckt sind. 533 Vgl. Segesser, I, S.349. Wieweit diese Verordnung Geltung für Luzern besass, wäre noch näher zu untersuchen. Auch Zürich beriet mehrfach darüber, was es gegen dieses Gesetz der Innerschwöizor tun könne, das den Interessen der Stadt und städtisoher Bürger zuwiderlief. Zürcher Stadtbücher, II, S.5, N.4; S.5, N.5 (= EA, I, S.132, N.292); S.99, N.126. Vgl. unten, S.229f. 225 schneller Folge eine Reihe weiterer Privilegien ein, die die andern eidgenössischen Reichsstädte während grösserer Zeitspannen einzeln erworben hatten. So erhielt Luzern 1418 das Münzrecht, die Befreiung von fremden Gerichten und das Recht, Steuern und Zölle zu erheben534. Bald darauf übertrug Sigmund ihm das, vorerst noch eingeschränkte, Recht, in seinem Gebiete Reichslehen zu verleihen636. Da durch den Heimfall der österreichischen Rechte an das Reich keine nennenswerten anderen Besitzer im luzernischen Territorium existierten, war Luzern auch dort zum Oberherrn geworden, wo es noch nicht alle Herrschaftsbefugnisse besass. Nach der Kaiserkrönung verlieh der Luxemburger der Stadt dieses Recht für dauernd und bestätigte ihr alle früheren Privilegien. Darüber hinaus gestattete er der Stadt die Änderung des Stadtrechtes, die Erhebung von Steuern und einiges mehr636. Luzern bekam ebenso wie Zürich eine doppelte Ausfertigung der allgemeinen Privilegbestätigung ausgehändigt. Beide Urkunden wurden am gleichen Tage von dem kaiserlichen Kanzler Caspar Schlick ausgestellt und unterscheiden sich nur wenig. Die eine erwähnt die Rechte und Privilegien, die Luzern von «der Herschafft von Osterrich und von andern Hern erworben» hatte, und bestätigt kraft «Romischer keyserlicher machtvol-komenheit» ausdrücklich ihre Geltung für alle, Zukunft537. Die andere Urkunde berührt Österreich und seine ehemaligen Rechte nicht. Anstatt des besonderen Hinweises auf die Geltung all seiner Rechte in allen Einzelheiten wird der Stadt versprochen, dass der Kaiser die Stadt schirmen und bei ihren Rechten bewahren werde. Diese Urkunde wurde jedoch nicht mit . einer Goldbulle, die den Luzernern anscheinend zu teuer gewesen ist, sondern mit einem grossen Wachssiegel bekräftigt. Vielleicht nahm man auch in Luzern an, dass man dieses Privileg nicht allzuoft brauchen werde, weil Luzern vorwiegend aus österreichischem Besitz stammende Rechte besass. Mit diesen Privilegien hatte Luzern innert eines halben Jahrhunderts nicht nur die Reichsfreiheit und ein Territorium gewonnen, sondern es war in seinem Gebiet zum Inhaber der Landeshoheit geworden, wenn auch hoch eine Anzahl wichtigerer und unwichtigerer Rechte in der Hand seiner Bürger und Fremder, vorwiegend aber geistlicher Besitzer waren. Da Luzern den Vorsprung der andern eidgenössischen Städte einzuholen hatte, bedeuteten diese Jahre für Luzern eine äusserste Anspannung seiner Kräfte. Wenn es Luzern gelang, binnen wenigen Jahren ein so grosses Territorium zu erwerben, so verdankte es seine Erfolge nicht nur seiner finanziellen Opferbereitschaft und seinen militärischen Leistungen, sondern auch sei- 534 Vgl. Reg.imp., XI, N. 3408, 3431, 3466; = Geschfr., I, S. 9f., N.14-16; vgl. S.10 N. 17. - Segesser, I, S. 300. 333 Möglicherweise zählte König Sigmund auch die Innerschweizer Orte dazu, da diese ausser Landammann Reding dios Recht nicht erhielten, aber auch nicht benötigten, weil die Länder noch kein Untertangebiet kannten. Vgl. Reg.imp., XI, N.3467, 4032. 533 Vgl. Reg.imp., XI, N.9725/26, 9912; = STA Luzern, N.22/849, 22/850, 22/851; = Geschfr., I, S. 10ff., N. 18-20. 53' STA Luzern, N.22/849 (1433 X31) und 22/860; = Reg.imp., XI, N.9726/26; = Geschfr., I, S. 10f., N. 18/19. Mit den andern Herren dürfte wohl Murbach gemeint sein. 226 1- nen erfolgreichen Bemühungen, sich mit König Sigmund so gut wie nur möglich zu stellen; denn der Luxemburger gewährte der Stadt am Fusse des Pilatus die notwendige Unterstützung, indem er ihr alle Rechte verlieh, die sie benötigte, um ihre Eroberungen und Erwerbungen auch bewahren zu können. Obwohl Luzern in diesen Jahren bedeutende Erfolge errungen hatte, und obgleich es ihm gelungen war, seine Reichsfreiheit von Österreich zu erkämpfen und von König Wenzel, vor allem aber von Sigmund anerkennen zu lassen, so scheiterten seine seit 1415 wiederholt unternommenen Versuche, seine Miteidgenossen zur Abänderung der Bundesverträge zu bewegen. Diese waren offensichtlich noch misstrauisch, ob sich die bedeutenden Erfolge auch in Zukunft behaupten lassen würden, und verweigerten den Luzernern eine Änderung der Bundesbriefe. Sie wollten offenbar die Geltung der Bundesverträge nicht gefährden, falls sich die Reichsfreiheit der ehemals österreichischen Stadt nicht aufrechterhalten liess. Erst 1454/515 waren die Orte bereit, den ewigen Bund Luzerns und auch die anderen, den Vorbehalt der österreichischen Rechte enthaltenden Bünde neu auszustellen und nur die Rechte des Reiches vorzubehalten538. So seltsam das klingen mag, brauchte Luzern also eher mehr Zeit, um grundsätzlich seine Reichsfreiheit von seinen Miteidgenossen anerkennen zu lassen, als um sie vom Reiche zu erwerben. Das war der Stadt aber nur deshalb in so kurzer Zeit gelungen, weil sich König Sigmund unbedingt auf Luzern verlassen konnte, das er «mit luterer, steter trawe und flüssigen nutzen, diensten in unseren und des Richs geschefften unverdrossen und willig emphunden» habe «und noch tcglichon», sowohl bei der Eroberung des Aargaus als «auch sust vor und nach» finde539. DIE WALDSTÄTTE Wiederum anders waren die staatlichen Verhältnisse in der Innerschweiz. Wie wir oben sahen, war die Reichsunmittelbarkeit der drei Waldstätte 1334 beziehungsweise 1354/55 auch von Österreich anerkannt worden und damit von niemand mehr bestritten540. Obwohl die inneren Orte seit den Privilegien Heinrichs VII. wesentliche Hoheitsrechte besassen, war ihre selbständige Herrschaft noch nicht völlig gesichert. Immerhin besass Österreich in Schwyz und Unterwaiden noch zahlreiche niedere Rechte "3S Vgl. QW, 1,2, S. 800ff., N. 1638.-Durrer, Einheit Unterwaldens, Jb.f. Schweiz.Gesch., XXXV, S. 160. - Geschichte Luzerns, S. 430ff., 602, 750f. - Th.von. Liebenau, Am Vorabend der Bundesfeier von 1891, Kath. Schweizer Blätter, 1871 S. 193. - EA, I, S.257, 180, N.387; II, S.267, N.411d; S.269, N.417g; S.271, N.481. - Vgl. auch B.Meyer, Zum Text der Bundesbriefe von 1332 und 1315, ZSG, XVII, S.272ff. 333 STA Luzern, N. 22/851 (1333XII20); = Reg.imp., XI, N. 9912; = Geschfr., I, S. 11 f., N. 20. Man vergleiche diese aussergewöhnliche Formulierung mit der sonst in der Kanzlei Sigmunds üblichen. Dann wird die besondere Hervorhebung der Luzerner Verdienste erst recht deutlich. 540 Vgl. oben, S. 119ff. An Literatur vgl. vor allem J .J .Blumer, Staats- und Rechtsgeschichte der schweizerischen Demokratien. 227 und Landbesitz, der teilweise an eidgenössische Landleute, aber auch noch an fremde Adelige verliehen war. Vor allem standen Teile der führenden Schichten beider Orte in einem Dienstverhältnis zu Österreich, da sie österreichische Lehensträger waren641. Daneben besassen noch einige Klöster, die meist unter österreichischer Vogtei standen, niedere Rechte in den drei Orten642. In den kleinräumigen Bergtälem mit ihrer nur genossenschaftlich zu betreibenden Alpwirtschaft besassen diese niederen Rechte und der reine Landbesitz wesentlich grössere Bedeutung und brachten auch grössere EinflussmÖglichkeiten mit sich. Da eine territoriale Erweiterung des Raumes, der schon die geographischen Gegebenheiten widerstrebten, nur gegenüber Österreich oder gegenüber dem mächtigen Herzogtum Mailand möglich war, konnten die inneren Orte auch dann noch nicht an territoriale Erweiterungen ihres Gebietes denken, als sie durch die Verleihung des Blutbannes das wichtigste Hoheitsrecht erworben hatten543. Die Bedeutung der «Gemeinde» für die Politik der Länder und die der Markgenossenschaft für ihre Wirtschaft Hessen es notwendig erscheinen, die innere Kraft jedes Ortes zu stärken, bevor an die vollständige Erwerbung aller Hoheitsrechte, die, wie zum Beispiel das Münzregal, nicht unbedingt zur Erhaltung der Freiheit lebenswichtig waren, gedacht wurde. Daher strebten die Waldstätte schon zur Zeit des Morgartenkrieges den Ausschluss aller österreichischen Einflüsse an und Hessen sich von Ludwig dem Bayern auch die niederen Rechte und den Landbesitz Österreichs innerhalb ihres Gebietes zusprechen544. Obwohl es ihnen in der ersten Hälfte des H.Jahrhunderts nicht gelang, jeden fremden Einfluss auszuschalten, bemühten sie sich in der Folge immer wieder darum. Diese Politik richtete sich besonders gegen Österreich als den Hauptbesitzer von Grund und Boden und niederen Rechten in den inneren Orten und darüber hinaus gegen j eden landfremden Besitzer. Das wichtigste Dokument dieser Bestrebungen war der Pfaffenbrief, der neben der Sicherung der Gotthardstrasse das Ziel hatte, fremden Einfluss über den Weg eines Lehens- oder Dienstverhältnisses auszuschalten; denn jeder Eidgenosse, der Österreich dienstpflichtig sei, musste beeiden, dass er der Eidgenossen «nutz und Ere ze fürdern, und mit guoten trüwen ze warnen vor allem dem schaden, so si vernement.. .»64B. URI In IM, das früher ziemlich vollständig der Fraumünsterabtei gehört hatte, war dieses Kloster der Hauptgrundbesitzer. Aber auch das Kloster 641 Vgl. das Habsburger Urbar.^QSG, XV, 1, besonders den Zofinger Lehenstag, 8.408-589; vgl. auch die Urbare in QW, Ii. ^ "» Vgl. J.J. BUmer, ReohtegeeoMohte, I, S.212tt • 643 Ein genauer Zeitpunkt, seit wann die Landammänner ohne Mittelstellung eines Reichsvogtes bzw. des Reichslandvogtes in Sohwaben den Blutbann ausübten, ist nicht fixierbar. s« Vgl. oben, S. 165. s> 646 EA, I, S.301f., N.31. - Vgl. auch J.Schürmann, Studien über den eidgenössischen Wettingen und andere Klöster bezogen aus Urner Besitzungen Einkünfte und hatten durch ihre Meier gewissen Einfluss auf die Einwohner. Uri hatte mehrfach versucht, dm-ch Gewalt diese Ansprüche abzuschütteln oder doch stark zu reduzieren546. Damit hoffte es einerseits, die Hörigen zu freien Landleuten zu erheben. Andererseits scheint diese Befreiung nicht der Hauptgrund für diese Bestrebungen gewesen zu sein, sondern die des Ausschlusses Fremder vom Landrecht. Soviel sich ohne genaue Untersuchungen ersehen lässt, besass in älterer Zeit jeder, der«mit husrouchi »Innerhalb der Täler wohnte, die vollen politischen Rechte, sowohl in der Markgenossenschaft als auch auf der Landsgemeinde54'. Das erforderte natürlich einen viel schärferen Schutz vor Überfremdung als in den Städten, wo der Erwerb eines Hauses und der Eintritt ins Bürgerrecht viel schwieriger zu erlangen war als auf dem Lande. Man wollte mit diesen Bestrebungen verhindern, dass weitere Personen auf die Alpnutzung Anspruch erhoben und auch nur unbedeutenden Einfluss auf die Politik der Orte ausüben konnten. Daher beschlossen die Länder, aber auch Urseren, wiederholt, dass kein Landmann einem Fremden - ganz gleich, ob es auch ein Angehöriger eines anderen eidgenössischen Ortes oder eine Kirche war - irgendwelche liegende Güter oder Rechte, die innerhalb der Landmarch lagen, verkaufen oder vererben durfte648. Gerade diese Bestimmungen zeigen, dass nicht in erster Linie Adels- oder Kn-chenfeindschaft, noch der Wunsch vom Hörigen zum Freien aufzusteigen, die Hinausdrängung fremder Grundbesitzer hervorrief. Vielmehr bedingte der Mangel an Alpweiden den Ausschluss fremder, vor allem reicher Grundbesitzer, weil diese dann die knapper werdenden Alpweiden stärker benutzten. Weiterhin sorgte diese Politik dafür, dass auch jede noch so geringe Einflussnahme, die über den Weg der niederen Rechte die Unabhängigkeit des Landes berühren korinte, ausgeschaltet wurde, was sich vor allem durch die dauernden Hinweise auf die Klöster und die Adeligen zeigt. Es ist zu vermuten, dass gerade diese ihren Anteil an der Gemeinmarch, vor allem aber an den Alpweiden, dadurch übermässig beanspruchten, dass sie im Sommer Vieh, das sie andernorts überwintert hatten, mit auf die der Gemeinde gehörende Alp trieben549. Pfaffenbrief von 1370, Diss.phil. Freiburg 1948; = Z. f. Schweiz. Kirchengesch., Beiheft VI.-Vgl. Dierauer, I, S.298, 318, 321. - J.J.Blumer, Reohtsgesohiohte, I, S.439ff. - EA, I, S.90f.,N.213. 343 Vgl. z.B. Geschfr., VIII, IX. - EA, I, S. 40, N. 105; S. 84, N. 200. 341 Pfaffenbrief EA, I, S. 301, N. 31; ähnlich in Urkunde Wenzels für Urseren (1382 VII 20), Geschfr., XLII, S.25, N.181; vgl. weiterhin Geschfr., XLII, S.88, N.238; S.68, N.227; S. 37, N. 197; die Waffenstillstandsverträge mit Österreich EA, I, S. 325, 332, 343; sowie ■/.,/. .BtemrayRechtsgesohiohte, I, S.377, 388ff., der sich zwar nicht näher darüber ausspricht. 348 Vgl. Geschfr., XLII, S. 45 (N.206, 3) 1360; ebendort, N. 206, 6 (1367) = Uri; eben-dort, S. 87, N. 238 = Talrecht Urseren, Art. 1; vgl. vor allem J. J. Blumer, Reohtsgeschiohte, I, S.439ff., 567f. (Schwyz 1294), S.561 (Glarus). 618 Dies ist eine yermutung, aber leider konnte dies© Frage nicht näher untersucht werden. Viele. Urkunden Hessen sich so interpretieren. Vgl. z.B. das Landrecht des Abtes von Disentis in Uri vom Jahre 1407 bei Jecklin, Urkunden zur Staatsgeschichte Graubündens, Jb;d.Antiqu. Ges. Graubünden, XX, 1890, S. 14f., besonders S. 16. 228 229 Die inneren Orte trachteten aber nicht nur danach, jeden neuen Besitzerwerb durch Fremde zu verhindern, sondern begannen schon früh die Rechte Fremder, vor allem aber der Klöster, systematisch aufzukaufen. Bei bedeutenderen Rechten; wie wir es zum Beispiel bei dem Reichszoll zu Flüelen sahen, betätigte sich das Ort als Käufer, während viele andere Rechte und Besitzungen meist von den Markgenossenschaften eingehandelt wurden660. Da das Land nur über geringe Geldquellen verfügte und gegenüber den Klöstern Gewaltmassnahmen keine Erfolge eingetragen hatten, dauerte dieser Ankauf sehr lange, zumal Uri aus den verschiedenen Auseinandersetzungen mit Östen-eich keinen Nutzen zu ziehen vermochte. Dennoch besassen die Urner zu Beginn des 15. Jahrhunderts weite Teile ihres Landes mit allen wichtigen Rechten. Nachdem Uri, wie auch Urseren, von König Wenzel die Wahl des Blutrichters zugestanden worden war, konnte das Land an eine Ausdehnungspolitik denken661. So verstärkte Uri, dem König Wenzel den Schutz Urserens anempfohlen hatte662, 1410 seine Bindungen zu dieser Talschaft. Das neue Landrecht bedeutete jedoch die weitgehende Aufhebung der Reichsunmittelbarkeit Urserens653. Schon Jahre zuvor hatte Uri gemeinsam mit Obwalden alte Rechte seiner Landleute in der Leventina erneuert. Da es sich wegen seiner Bindungen im Süden nicht an den Erwerbungen der Eidgenossen im Aargau beteiligte, blieb Uri nach dem Verlust dieser Täler das Ort, das zu Beginn des 15. Jahrhunderts sowohl in seiner innerstaatlichen Entwicklung am wenigsten Fortschritte machte, weil es keine irgendwie hervortretenden Rechte Österreichs in Uri gegeben hatte, als auch bei den äusseren Erwerbungen zu kurz kam. Zur Zeit des Konstanzer Konzils konnte das jedoch niemand voraussehen, weil es schien, dass Uri für seine Dienste jenseits der Berge entschädigt werden würde. Dennoch hatte auch Uri unter Sigmund seine Herrschaftsrechte vervollständigt und sich auch im Inneren weiter gestärkt654. Eine kontinuierliche Entwicklung seiner Staatlichkeit war vorauszusehen. SCHWYZ Grössere Erfolge waren Schwyz und Unterwaiden beschieden. In beiden Ländern war die Masse des Grundbesitzes und der niederen Rechte in österreichischer Hand oder von ihm lehensabhängig. Besonders in Schwyz war Österreich der bedeutendste fremde Grundbesitzer, neben dem die Klöster Einsiedeln und Engelberg stark in den Hintergrund rückten. Wie Uri suchte auch Schwyz Österreich zuerst durch Gewalt aus seinen niederen 6so Vgl. die in den älteren Bänden des Geschfr. publizierten Urkunden. Auf eine Aufzählung von Beispielen wird verziehtet. Vgl. Geschfr., I, S.339f., N.28 (1389 VI 26) = Uri. - Geschfr., XLII, S.25, N.181 (1382 VII 20) = Urseren. 662 Vgl. Privileg Wenzels für Urseren in vorhergehenden Anm. 663 Vgl.EA, I, S.128, N.278; = Geschfr., XI, S.187. 651 Vgl. Reg.imp., XI, N. 994, 1560, 1615f., 1621, 3431, 9718; = Geschfr., XLII, S. 74, N.232; XLIII, S.42, N.273. Übrigens wurde auch Uri wie die andern Länder in Sigmunds Urkunde 1415 reichsfrei orklärt! 230 ] ' Rechten und seinem Grundbesitz zu verdrängen, griff aber dann auch zu I ■ dem Mittel des Kaufes und konnte im Verlaufe des 14. Jahrhunderts, «1 beginnend im Jahre 1354 mit dem Kaufe des Hofes Arth von der Mark- I gräfin von Baden, die Engclbcrger und Einsiedler Rechte und Besitzungen { erwerben556. Zu Beginn des Sempacherkrieges besass anscheinend nur ,i6 Österreich noch niedere Rechte innerhalb des Landes. Allerdings hatte I Schwyz schon vorher begonnen, über seine Landmarch hinauszugreifen, gi So sah es trotz dem ewigen Bündnis mit Zug vom Jahre 1352 lange Zeit i aus, als ob Zug ein Schwyzer Untertanengebiet oder dem Lande einverleibt W werden sollte. Auch der March wandten sich die Schwyzer Interessen zu. II Aber erst im Kriege des Jahres 1386 sollten diese Versuche gelingen und V dank der politischen Lage nach der Jahrhundertwende sich als dauernde f Erfolge erweisen668. Sowohl die Besitzungen Österreichs innerhalb des it Landes als auch den grössten Teil der eroberten Gebiete sprachen die I Waffenstillstandsverträge den Schwyzern zu. Nur wenige Abgaben, die |f gleichsam die österreichische Lehensoberhoheit noch ausdrücken sollten, £ blieben den Habsburgern erhalten. Mit den Urkunden Sigmunds vom Jahre k 1415 fielen auch diese Ansprüche dahin, und es wurde erneut festgestellt, dass Schwyz ein unmittelbares Reichsglied sei, was sich die Schwyzer nach jder Kaiserkrönung Sigmunds in einer besonderen Urkunde nochmals be-J ' stätigen Hessen657! Darüber hinaus erwarb Schwyz von Sigmund noch eine ganze Reihe weiterer Rechte, vorab den Blutbann, den es aber anscheinend I schon von.König Wenzel erhalten hatte, da das «Privilegium de non evo-" cando» und das Recht Ächter zu hausen, besonders in der Form dieser f Verleihung, den Blutbann voraussetzen568. Wichtige Verleihungen waren [ vor allem das Münzrecht, die beiden Zölle, das Recht, Pfarrpfründen zu vergeben, und ganz besonders die Vogtei über das Kloster 'Einsiedeln, worüber es zwar noch zu einem Streit mit dem Kloster kam559. Lehenrecht-liohe Befugnisse bekam Schwyz nicht zugesprochen, da der König dem Schwyzer Landammann Ital Reding und seinen Erben das Recht zuge--- standen hatte, die ehemals österreichischen Lehen in der March zu verleihen560. Obgleich Schwyz kein eigenes Untertanengebiet - falls man die Vogtei über Einsiedeln und die Herrschaft in der March nicht als eine Herrschaft über Untertanen betrachten will, was für die frühe Zeit zutreffend wäre - erworben hatte, so war die Ausbildung seines Staatswesens seit dem Sempacherkriege, nicht zuletzt durch die königlichen Verleihungen, weit fortgeschritten, so dass man ihm die Landeshoheit in seinem Gebiet zuerkennen muss. Das Landrecht mit dem Grafen von Toggenburg 655 Vgl, J.J,Blumer, Reohtsgesohichte, I, S.216f. *" Vgl. J.J.Blumer, Reohtsgesohichte, I, S.307f., auch S.303f. 6Ii' Vgl. Reg.imp., XI, N.1409, 1616, 9908, 10017. - Thommen, III, S.259f., N.244. Sowie oben, S. 183ff. *" Vgl. J.J.Blumer, Rechtsgoschichte, S.210. - Reg.imp., XI, N.1647, 6774/75, 9811; = Geschfr., XLV, S. 289. - ASG, XVIII, S. 319f. - Geschfr., V, S. 291. ,M Vgl. Reg.imp., XI, N.5776, 9880, 10259. - EA, I, S.330, N.42; II, S.95, N.144. -Vgl. J. J.Bhimer, Rechtsgeschiohte, I, S. 304f. 1,0 Vgl. Reg.imp., XI, N.5788. -J.J. Blumer, Rechtsgeschichte, I, S.308. * 231 und die Schirmherrschaft über Ostschweizer Orte verhiessen unter günstigen Umständen weiteren Gebietszuwachs. Schwyz war rechtlich und politisch zur stärksten Macht unter den Ländern aufgestiegen. UNTER WAL DEN Unterwaiden vermochte aus der Gunst der Lage zu Beginn des 15. Jahrhunderts zwar nicht so viele Vorteile zu ziehen wie Schwyz, errang aber doch bedeutendere Erfolge als Uri. Überall von eidgenössischem Gebiet eingeschlossen, war Unterwaiden jede eigene Expansion von vornherein verwehrt. Nur mit Uri zusammen konnte der eine Teil, Obwalden, versuchen, jenseits der Berge einen weiteren Herrschaftsbereich zu erwerben. Doch schwächte das Auseinanderleben der beiden Halbkantone die Aktionskraft. Darüber hinaus war der Territorialstaat Unterwaldens noch lange nicht so weit ausgebaut, dass das Ort eine kräftige Ausdehnungspolitik durchzuführen vermochte. In Unterwaiden besass Österreich, teils direkt, teüs als Lehensoberherr über adelige und unadelige Besitzer, noch viele Rechte, darunter fast alle Kirchenpatronate661. Ausserdem hatte das Kloster Engelberg noch ausgedehnten Besitz. Diese fremden Rechte, Güter und besonders die fehlende Einheitlichkeit des Handelns hinderten Unterwaiden an der Zusammenfassung aller Machtmittel. Um schon zur gleichen Zeit wie Uri und Schwyz den Ankauf fremder Rechte beginnen zu können, fehlten Unterwaiden einerseits die Geldmittel582, andererseits auch die innerstaatlichen Voraussetzungen: Als solche scheint der Besitz der wesentlichsten Hoheitsreohte, zumindest des Blutbannes, von den Eidgenossen betrachtet worden zu sein; denn alle Orte begannen erst dann mit dem systematischen Aufkauf fremder Herrschaftsrechte und Besitzungen, nachdem der Besitz der wichtigsten Hoheitsrechte das Ort innerlich gefestigt hatte. Bei der fortschreitenden Teilung Unterwaldens war aber die Erwerbung der Hoheitsrechte zum politischen Ziel jedes Teiles geworden663. Gerade im Vergleich zu Uri, das schon in den Auseinandersetzungen mit Johannes von Attinghusen zu Ende der fünfziger Jahre des 14. Jahrhunderts seinen Staat durch den Erwerb wiohtiger Besitzungen, und Rechte ihres ehemaligen Landammannes bedeutend kräftigte, zeigt sich, dass Unterwaiden erst dreissig Jahre später ähnliche Wege beschritt und wohl auch erst beschreiten konnte, indem es führende Geschlechter ihres Besitzes beraubte. Die bedeutende Familie der von Hunwil drohte, naohdem sie durch eine grosse Erbschaft weitere österreichische und Reichsrechte erworben hatte, zur einflussreichsten des ganzen Landes zu werden; besonders dann, wenn sie auf die Unterstützung Österreichs oder anderer Auswärtiger 581 Auch in den andern Orten besasa Österreich im 14.Jahrhundert noch,Kirchenpatronate. 502 Unterwaiden besass kaum-Einkünfte durch den Gotthardhandel und nur einzeihe Familien hatten Anteile am Zoll zu Flüelen besessen. 683 Vgl. Durrer, Einheit, besonders S. 138f. Wut'. rechnen konnte664. Schon einige Jahre vor dem Prozess gegen Walter von Hunwil, der im Zusammenhang mit dem Ringgenberger Handel stand, begann Unterwaiden einzelne Besitzungen und niedere Rechte aufzukaufen. 1368 kauften die Landleute Rechte der von Wolhusen in Alpnach und erwarben in der Folge weitere niedere Rechte sowie Grund und Boden von Verkäufern, die auch andernorts begütert waren666. Da Unterwaiden jedoch nicht über grössere Einnahmequellen verfügte - wie das für Uri durch den Reichszoll zu Flüelen der Fall war - zog sieh die Erwerbung der niederen Rechte und des Grundbesitzes sehr lange hin. Erst als 1686 der restliche Besitz des Klosters Engelberg von den Landleuten gekauft wurde, kam dieser Prozess zum Abschluss566. Der Sempacherkrieg braohte auch Unterwaiden einigen Zuwachs, da Österreich auf seine Rechtsansprüche im Lande mehr oder weniger verzichtete. Im Vergleich zu Schwyz oder gar zu Luzern war der Gewinn aber recht unbedeutend, da Österreich nur noch wenige Rechte im Lande selber ausübte. Da meist Landleute oder Adelige diese Rechte innehatten, war für Unterwaiden der Krieg gegen Herzog Friedrich mit der leeren Tasche wichtiger, weil er die österreichische Lehensoberhoheit abschaffte und die österreichischen Pfandschaften zu Reichspfandschaften erhob. Gleichzeitig erwarb Unterwaiden mit den zahlreichen Privilegien König Sigmunds für die Eidgenossen eine Anzahl weiterer, hervorragender Herrschaftsrechte. 1415 erhielt Unterwaiden den Blutbann, falls nicht schon Wenzel oder sogar Karl IV. ein entsprechendes Privileg ausgestellt hatte, was zwar nicht sehr wahrscheinlich ist667. 1417 erhielt auch Nidwalderi eine Urkunde Sigmunds, die eine gesonderte Gerichtsbarkeit in diesem Drittel des Landes statuierte588. Mit der Privilegbestätigung vom 31. Oktober 1433 besass auch Unterwaiden die wesentlichsten Hoheitsrechte, die notwendig waren, um aus der Herrschaft in seinem Gebiet einen Staat werden zu lassen669. Ähnlich den andern Ländern beschlossen die Unterwaldner Landsgemeinden mehrfach, dass keine liegenden Güter an Gotteshäuser oder Landfremde verkauft oder versetzt werden dürften670. Auch in Unterwaiden bewertete man also die niederen Rechte und den Grundbesitz höher als den Erwerb weiterer Regalien. Das zeigt sich unter anderem darin, dass Unterwaiden nach dem Abschluss der ennetbirgischen Ausdehnungsversuche 1426 sich nicht wie Schwyz beim König um weitere Hoheitsrechte bemühte, sondern niedere Rechte kaufte671. 511 a.a.O., S.132ff.; sowie oben, S. 173f. ' 685 Vgl. J.J. Blumer, Rechtsgeschichte, I, S.217ff. 888 a.a.O., S.219. 881 Vgl. Reg.imp., XI, N. 1405 {= Geschfr., XXX, S. 242), N. 1621, 1648 (= Geschfr., XXX, S. 243; = Durrer, Einheit, S.271), N.3431. 688 Vgl. Reg.imp., XI, N.2I47; = Durrer, Einheit, S.273f.; vgl.-ebendort, S.138ff. 888 Vgl. Reg.imp., XI, N. 9730; = Geschfr., XXX, S. 251; vgl. auch Reg.imp., XI, N. 1616, 10017, 10748. 8,0 Vgl. J.J.Blumer, Rechtsgeschichte, I, S.439ff. - Durrer, Einheit, S.129, 134. 571 Bezeichnenderweise liess sioh Unterwaiden nur die Verleihung der Pfarrpfründen in Alpnach, Sachsein und Giswil von Kaiser Sigmund übertragen. Vgl. Reg. imp., XI, N. 10748. - Durrer, Einheit, S. 148, Anm. 6. 232 233 Da die vier Waldstätte um 1425 Klostervögte von Bngelberg geworden waren672, lässt sich auch für Unterwaiden - selbst unter Berücksichtigung der, wohl durch die Alpwirtschaft hervorgerufenen, besonderen Wertsehätzung des Grundbesitzes und der niederen Kechte - die Ansicht vertreten, dass es die Landeshoheit besass; denn alle im Lande wichtigen Rechte waren in der Hand der Gemeinde. ZUG Stadt und Amt Zug können als ein schönes Beispiel für die im mittelalterlichen Rechte mögliche Aufspaltung von Herrschaftsrechten gelten573. Klöster und niederer Adel besassen in kleinen Teilen fast alle Herrschaftsrechte im Lande. Später konnte Österreich, teils über den Weg der Kloster-vogtei, teils auf Grund landgräflicher Rechte, teils über das Lehenrecht -weil der dort begüterte Adel unter den österreichischen Schutz trat - die wesentlichsten Herrschaftsbefugnisse gewinnen, so dass die Zuger als österreichische Untertanen galten. 1352 schlossen die Eidgenossen mit Zug den ewigen Bund ab, der Zug als praktisch gleichberechtigtes Ort in die Eidgenossenschaft aufnahm. Doch sollte dieser Bund durch die ihm folgenden Friedensverträge hinfällig werden. Gleichwohl bemächtigten sich die Schwyzer sehr bald wieder des Landes. Der Thorbergische Friede setzte eine Art gemeinsamer Herrschaft von Österreich und Schwyz über das Land fest. Jetzt war Zug auf dem besten Wege, eine Art Schwyzer Untertanenland zu werden, denn Schwyz setzte den Ammann in Zug. Andererseits trat Zug in eidgenössischen Angelegenheiten als Ort und Stadt auf574. Letzteres brachte ihm den Vorrang vor dem Lande Schwyz ein. Offensichtlich mit der Unterstützung der Schwyzer gelang es Zug, 137,9 von König Wenzel das «Privilegium de non evocando » zu erhalten575. Nachdem die österreichischen Ansprüche auf die Herrschaft über Zug im Sem-pacherkriege und in den ihm folgenden Verträgen praktisch aufgegeben wurden, liess sich Zug 1400 von Wenzel formell mit dem Blutbann be: lehnen576. Da das Privileg den Vorrang der Stadt vor dem Amte sehr betonte, entstand darüber Streit zwischen der Stadt und dem Amte, das seine Gleichberechtigung behauptete und durchzusetzen trachtete. Da sich das Land Schwyz einseitig auf die Seite des Amtes stellte, musste der Zuger 573 Vgl. Geschfr., LVII, S. 160, 162f., 172f., 175. - HBLS, III, S. 37, Engelberg. - EA, II, S.45, N.70 1; vgl. S.10, N.13a. 17 3 Vgl. J.J. Blumer, Rechtsgeschichte. - B. Sehmid, Stadt und Amt Zug bis 1798, Beitrag zur Kenntnis des älteren Staatsrechts des Kantons Zug, jur. Diss. Zürich 1914/15. 374 Vgl. J.J.Blumer, Rechtsgeschichte, I, S.227f. 675 Vgl. Zuger Neujahrsblatt 1889, wo die Zuger Privilegien in Regesten veröffentlicht wurden. Schon das erste Privileg vom 16.IX. 1379 kann man als eine Anerkennung der Reichsunmittelbarkeit durch Wenzel ansehen, da Zug anscheinend schon von Österreich mit dem Blutgericht ausgestattet worden war und durch diese Urkunde dieses Recht direkt vom Reiche ableiten konnte. Vgl. Schmid, S.40, dessen Ansicht, dass es sioh an der angeführten: Stelle um eine Verwechslung mit dem Privileg Wenzels handle, zu bezweifeln ist. Vgl. auch J. J. Blumer, Rechtsgeschichte, I, S. 230f., 232. 573 1400 VI 24, vgl. a.a.O., S.230ff. Handel durch Zürich, Luzern, Uri und Unterwaiden beigelegt werden. Obwohl der Schiedsspruch den städtischen Forderungen zum grösseren Teile nachkam, sank nun das Ort von einer Stadt zu einem Lande ab und wurde fortan am Ende der acht Orte vor Glarus aufgezählt577. Doch verhinderten sowohl die Eidgenossen als auch die königlichen Privilegien, dass Zug zu einem Annex von Schwyz wurde. Nachdem König Sigmund 1415 auch Zug zum reichsfreien Ort erhoben \ und es mit einigen Hoheitsrechten ausgestattet hatte378, war Zug zu einem \ Herrschaftsverbande herangewachsen, der etwa dem Stande der Staat- ■ liehen Entwicklung der inneren Orte nach dem Morgartenkriege entsprach, i Obwohl die Zuger bestrebt waren, sich in der Folge auch von den Grundlasten zu lösen, so gelang das erst ein Jahrhundert später annähernd vollständig. Jedoch verlieh ihnen König Sigmund nach seiner Kaiserkrönung noch weitere Rechte, nämlich die Zölle und Umgeld zu erheben und eine Sust zu unterhalten579. Die Staatsbildung von Stadt und Amt Zug war zwar noch lange nicht so weit fortgeschritten, wie bei den übrigen Orten, f, aber dennoch gelangte Zug in den Genuss einiger wichtiger Rechte, die ' König Sigmund allen Orten gemeinsam verliehen hatte580. Zug allein hätte l <,, derartige Privilegien wohl nie erhalten. Das zeigt uns, dass der Zusammen- ) halt der eidgenössischen Orte gewachsen war. Sowohl diese Privilegien für alle Orte, die auf die besonderen Verhältnisse der Glieder nicht Rücksicht nahmen, als auch die Gewohnheit der kaiserlichen Kanzlei, die sich noch zu Beginn der Regierungszeit Sigmunds mindestens an zwei Gruppen der , eidgenössischen Orte - ähnlich den Gruppen der deutschen Reichsstädte -gewandt hatte, den Eidgenossen nur einen Brief zu senden, lassen erkennen, dass die Eidgenossenschaft für den aussenstehenden Betrachter zu einer untrennbaren Einheit geworden war, deren innere Aufgegliedertheit nebensächlich wurde. GLARUS Das Kloster Säokingen hatte seit jeher Glarus besessen. Da geistliche Herrschaften eines Vogtes für die Ausübung der Gerichtsbarkeit bedurften, verhinderte auch in dieser Talschaft die Teilung der Rechte den Aufstieg einer starken Territorialmacht. Wie bei vielen andern geistlichen Herrschaften, übten die Glarner recht früh einzelne Rechte selbständig aus. Die Äbtissin trat ihnen weitere Rechte ab. An der Erwerbung der Reiohs-freiheit hinderte sie jedoch weniger das Kloster als dessen Vogt. Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts besass Österreich diese Vogtei. Glarus musste 577 Vgl. z.B. die Urkunden in den Abschieden, die eine Aufzählung der Orte.bieten. Die königlichen Urkunden und Briefe, die nicht auf. Grund direkter Verhandlungen zwischen dem König und den Eidgenossen ausgestellt wurden, hielten noch länger an der alten Reihen-folgo fest. Aber auch für die königliche Kanzlei bildete von nun an die neue Hierarchie die Regel. 573 Vgl. Reg.imp., XI, N. 1411, 1649. 573 Vgl. Reg.imp., XI, N.9732, 9909. 5,3 Vgl. Reg.imp., XI, N.1560, 1616, 3431ff. 234 235 sich an dessen nächstgelegenen Gegner, die Eidgenossen, anlehnen, falls es der Eingliederung in den österreichischen Territorialstaat widerstreben und die Reichsunmittelbarkeit erwerben wollte581. Der erste Versuch, diesem Ziele durch einen Bund mit den Eidgenossen näher zu kommen, scheiterte, weil Karl IV. nicht bereit war, die Eidgenossen und die Glarner dabei zu unterstützen582. Auch war das Land noch zu weit von den Zentren eidgenössischer Macht entfernt. Erst als Zürich 1386 mit dem Abt von Einsiedeln und dessen Burg Pfäffikon ein Burgrecht schloss, und die Schwyzer im Sempacherkriege sowohl die March als auch die Waldstatt Einsiedeln besetzten, war man nun nicht mehr allein auf die Pässe angewiesen, um nach Glarus zu gelangen583. Jetzt konnte die Verbindung der Eidgenossen mit Glarus mit grösseren Erfolgsaussichten erneuert werden. Sofort nach dem Ausbruch des Konfliktes schlossen sich die Glarner den Eidgenossen an und bewiesen in der Schlacht bei Näfels, dass sie auch zu Opfern für ihre Freiheit bereit waren. In den folgenden Verträgen verzichtete Österreich auf seine Herrschaft, und damit hatten die Glarner ihre Reichsfreiheit erfochten584. Doch fehlte ihnen noch die Zustimmung des Reiches, die notwendig war, um die Reiohsunmittelbarkeit auf die Dauer erhalten zu können. Während die Glarner nun mit dem Kloster über die Ablösung der Grundlasten verhandelten585, blieb ihnen anscheinend vorerst noch die formelle Bestätigung der Reichsfreiheit vom König verwehrt, wenn sie überhaupt versuchten, diese von Wenzel oder Ruprecht zu erlangen. Dennoch zeigt der Bundesvertrag mit Zürich vom Jahre 1408, dass sie sich als Reichsunmittelbare betrachteten, da die Glarner darin «unsern herren dem küng und dem heiligen Römschen rieh... ir rechtung» vorbehielten536. Es besteht zwar die geringe Möglichkeit, dass Wenzel oder eher Ruprecht von der Pfalz Glarus ein Privileg ausstellte, worauf der Verweis auf frühere Verleihungen im Privileg Sigmunds und die Tatsache, dass Sigmund Glarus von der ersten Fühlungnahme an als reichsfrei betrachtete, hinzudeuten scheint. Dem widerspricht jedoch die Haltung Ruprechts gegenüber den österreichischen Orten und viele andere Anzeichen587. Mit den Urkunden, die König Sigmund vor Beginn der Eroberung des Aargaus ausstellte, wurde auch Glarus zum reichsunmittelbaren Stand der 5,1 Vgl. J. Winteler, Geschichte des Landes Glarus, I. - Sowie J.J. Blumer, Reohts-geschichte, I. 6« Vgl. oben, S. 156ff. 883 Vgl. LargiaMr, Geschichte, I, S.161. - J.J.Blumer, Reohtsgeschiohte, I, S.307. »" Vgl. die Waffenstülstandsvertrage, EA, I, S.324ff., N.40; S.329ff., N.42; S.342ff., N.46. 5B5 Vgl. Blumer, Urkundensammlung des Landes Glarus, S. 359ff., 383ff. 688 Vgl. a.a.O., S.437; = EA, I, S.340, N.44. 887 Die früheren Privilegien könnten auch von der Äbtissin oder von Österreich ausgestellt worden sein. Doch ist nicht ersichtlich, ob vielleicht Glarus auch mit den andern Orten schon im Januar 1415 privilegiert wurde, worauf die Tatsache hinweist, dass Glarus schon von Beginn der Regierung Sigmunds an von dem königlichen Hofe als reichsfrei betrachtet wurde. Vgl. Reg.imp., XI, N.663, 680; vgl. besonders N.1621, 1647-1649 mit 1408, 1409, 1411. Eidgenossenschaft. Alle österreichischen Rechte waren in seine Hand übergegangen, und es erhielt darüber hinaus noch besonders das «jus de non evocando»und den Blutbann verliehen588. Wie Zug kam auch Glarus durch seine Eigenschaft als eidgenössisches Ort in den Genuss weiterer Rechte. Nach der Kaiserkrönung bestätigte Sigmund auch Glarus alle seine Rechte, wobei ausdrücklich erwähnt wurde, dass diese Bestätigung nicht nur für die vom Reiche verliehenen, sondern auch für die vom Kloster Säckingen stammenden Rechte gelte589. Bald nach der Eroberung der Reichsfreiheit von Österreich löste Glarus die Grundlasten durch eine Geldsumme vom Kloster ab und fixierte die übrigen Abgaben auf einen alljährlichen Pauschalbetrag580. Als der Papst während des Konstanzer Konzils in der Nähe weilte, beeilten sich die Glarner, ihn um die Bestätigung dieser Ablösung zu bitten591. Auch Glarus strebte also wie die Waldstätte die Konzentration aller Rechte, einschliesslich des Grundbesitzes, in der Hand der Landleute an592. Obwohl es weiterhin seine Bindungen an das Kloster Säckingen nicht verleugnete, hatte es doch alle Rechte, die es für die Beherrschung seines Landes als wichtig ansah, erworben und beschränkte sich in der Folge auf seine Selbständigkeit innerhalb der Eidgenossenschaft und unter der Oberhoheit des heiligen römischen Reiches. ZUSAMMENFASSUNG Die Betrachtung der staatlichen Entwicklung der Eidgenossenschaft ergab, dass die acht Orte in der Zeit Kaiser Sigmunds in den Besitz aller wesentlichen Herrschaftsrechte gelangt waren. Das pflegt man «Landeshoheit» zu nennen. Mit graduellen Unterschieden, die grossenteils auf ihren besonderen Bedürfnissen und ihrer inneren Struktur beruhen, besassen die Eidgenossen nun alle diejenigen Rechte, die sie zum Ausbau ihrer Staaten benötigten. Wenn man also die Frage der Ablösung der Eidgenossenschaft vom heiligen römischen Reiche mit rein staatlichen Kriterien lösen wollte, wie es Bluntschli und Oechsli taten, müssten wir nun den Schluss ziehen, dass die eidgenössischen Orte zu Kaiser Sigmunds Zeiten sich «de facto» vom Reiche gelöst hätten. Da jedoch das Verhältnis, welches zwischen Kaiser Sigmund und den Eidgenossen geherrscht hat, nicht gut als Begründung oder als Anlass für die Ablösung der Eidgenossenschaft vom 588 Vgl, Beg.imp., XI, N. 1637; = Blumer, Urkundensammlung, S.481; sowie Reg.imp., XI, N. 1560, 1615/16, 3431. 688 Vgl. Reg.imp., XI, N.9865; = Blumer, Urkundensammlung, S.632f., N.188. Der Glarner Bundesbrief wurde später geändert, weil Glarus gleichberechtigtes Ort wurde. Da im Bund von 1352 nur aioklieh ir herschaft 9 vorbehalten hatte, war deswegen eine Änderung nicht notwendig. 590 Vgl. Blumer, Urkundonsommlung, S.359ff., N.117; S.383ff., N. 125-127. 581 Vgl. Blumer, Urkundensammlung, S.477ff., M\ 152. 683 Vgl. die Glarner Landessatzung von 1387 bei Blumer,!, S.561. Da Glarus kein Untertanengebiet erstrebte, liess es sioh auch von Sigmund keine lehenrechtlichqn Befugnisse verleihen. 236 237 heiligen römischen Reiche angeführt werden kann, erkennen wir wieder einmal, dass die staatlichen Kriterien zur Lösung dieser Frage nicht ausreichen. Auf den nun gewonnenen Rechtsgrundlagen liess sich im Laufe der Zeit ein moderner Staat aufbauen. Vorerst musste jedoch noch auf vielerlei Rücksicht genommen werden, bevor die «gnädigen Herren» über alte Gewohnheiten und Sonderrechte hinwegsohreiten konnten, um ihre Rechtstitel zu den allein massgebenden zu erheben. Dazu brauchte es noch sehr lange Zeit. Je geringer der Unterschied zwischen Untertan und Obrigkeit war, desto vorsichtiger musste letztere vorgehen, um ihre Rechte und damit ihre Macht zu steigern. Die Eidgenossen hatten nun etwa den Stand der Entwicklung erreicht, wie ihn die Kurfürsten mit der Verleihung der Regalien durch die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. für ihre Kurlande erreicht hatten. Obwohl diese Fürsten damit innerhalb ihrer Territorien weitgehende Selbständigkeit erlangt hatten, kann man ihre Herrschaften noch kaum als Staaten ansprechen, weil ihnen im Vergleich zu den eidgenössischen Orten noch viel an der territorialen Geschlossenheit fehlte. Auch sie mussten in langsamer, mühevoller Arbeit danach trachten, ihre Rechte zu den 'alles bestimmenden zu erheben, um die Macht in ihrer Hand zu zentralisieren. Dabei benötigten sie die Hilfe der Landstände, in denen der Adel ^ und die Städte vertreten waren. Wenn die Landstände in den fürstlichen Territorien die Entwicklung zum Staate ermöglichten, so bedingte das grosszügige Rücksichtnahme des Fürsten auf die Interessen des Adels und ; der Städte. Daher strebten die fürstlichen Territorialstaaten die Konzentration wichtiger Rechte in der Hand des Staates an, während sie die weniger wichtigen den ständischen Vertretern zur Ausübung überliessen. Eine solche Politik trieb innerhalb der Eidgenossenschaft nur Bern. Alle anderen Orte kennzeichnete eine besondere Wertschätzung, die den niederen Rechten entgegengebracht wurde. Es charakterisiert vor allem die Innerschweiz, dass den niederen Rechten und darüber hinaus dem reinen Landbesitz hohe Bedeutung beigemessen wurde. Zwar war auch dort die Hochgerichtsbarkeit, die weitherum als Zeichen der Herrschaft galt, von grösster Bedeutung. Während die Städte den übrigen Regalien und hohen Rechten den Vorrang gaben, verzichteten die Länder, nachdem, sie die wichtigsten Hoheitsrechte in ihrem Besitz wussten, auf die Erwerbung weiterer Regalien und begnügten sich damit, die niederen Rechte und den reinen Grundbesitz in die Hand ihrer Bürger zu bringen. Diese Bestrebungen, die wahrscheinlich auf die Wirtschaftsform der Bergtäler und ihre rechtliche Regelung zurückzuführen ist, bedeuten, dass die Länder schon sehr früh danach trachteten, ihrem Staat, der von allen Landleuten gebildet wurde, alle nur irgendwie bedeutsamen Rechte zu übertragen. Die Innerschweizer Länder Messen staatliche Einflussnahme auf Gebieten zu, die sonst bis in modernste Zeiten hinein der privaten Sphäre vorbehalten waren. Die Länder tendierten vielleicht ge- rade deshalb zu einer so starken Zentralisation aller Machtmittel und Rechte in der Hand des Staates, weil ihr Gemeinwesen durch die Lands-gemeinde so locker organisiert und daher fremder Einflussnahme leichter zugänglich war. Obgleich die Städte, selbst wenn sie, wie Luzern, diese Bestimmung übernahmen, diese schroffe Haltung gegenüber jedem fremden Besitzer nicht mitmachten, erstrebten auch sie im Vergleich zu den Territorialstaaten der deutschen Landesfürsten frühzeitig eine wesentlich stärkere Konzentration staatlicher Befugnisse in ihrer Hand. Zwar Hessen sie ihre Bürger im Besitz von Herrschaftsrechten, aber forderten in wachsendem Masse die Unterwerfung unter ihre Oberhoheit. Fremde Grundbesitzer Hessen sie jedoch ungestört, soweit diese nicht auch Herrschaftsrechte ausübten. Dann strebten sie an, diese wenigstens durch ein Burgrecht der Herrschaft der Stadt zu unterwerfen. Mit der Zeit verschwanden diese Besitzungen, weil die Besitzer entweder ausstarben, oder sie sonst an die Stadt abtraten, so dass später nur noch wenige Bürger niedere Rechte innerhalb des städtischen Territoriums besassen. Da die Geschlechter, die eigene Herrschaften innehatten, meist auch im Rate vertreten waren und die städtische Politik mehr oder weniger bestimmten, ging die staatliche Entwicklung kontinuierlich vor sich. Dem Staate wurden dort neue Befugnisse eingeräumt, wo er sie brauchte. Andererseits wurden die Rechte der Bürger weitgehend geschont. Es kam also, wenn wir vom Twingherren-streit in Bern absehen, zu keinen ernsthaften und lange Zeit andauernden Konflikten zwischen der Obrigkeit und den Geschlechtern, die noch Herrschaften besassen. Solche wurden in den fürstlichen Territorien zwischen dem landständischen Adel, der vor allem niedere Herrsohaftsrechte beanspruchte, die Regel, nachdem der Staat auf die Unterstützung durch die Stände verzichten konnte, weil er nun die wichtigsten Hoheitsrechte selbständig ausübte. Da die eidgenössischen Orte die Landeshoheit in einer Zeit erwarben, in der die Fürsten in ihrem gesamten Herrschaftsbereich dieses Ziel noch.' anstrebten, muss man die Staatswesen der eidgenössischen Orte im 15. Jahrhundert als hoch entwickelt qualifizieren. Das wurde besonders durch die ■ Kleinräumigkeit erleichtert, in der sich eine Einheit einfacher herstellen liess, zumal die natürlichen Grenzen Rivalitäten unter den Orten erschwerten. Diese engeren Bezirke Hessen sich leichter unter einer Gewalt vereinigen als weite, oft verstreut liegende Besitzungen. Dazu benötigten die Fürsten die Unterstützung der Stände, mit denen sie sich dann später auseinandersetzen mussten, als ihr Staat eine weitere Zentralisation und einen besseren Ausbau verlangte. Diese besonders im Zeitalter des Absolutismus erfolgte Steigerung staatlicher Macht hinterliess in der Eidgenossenschaft nur geringe Spuren. Hier war der Staat schon früh und ohne Mithilfe von Landständen - falls man nicht den Twingherren, die zugleich im städtischen Rate sassen, eine analoge Funktion zuschreiben will - ausreichend zusammengefasst. Die Kleinräumigkeit erübrigte die 238 239 AusbOdung eines besonderen Verwaltungsapparates und ersparte damit Kosten. Andererseits verhalf das Pensionenwesen den eidgenössischen Orten zu so grossen Einnahmen, dass auf eine stärkere Steuerlast verzichtet werden konnte, während die Notwendigkeit, hohe Steuern einzutreiben, die Fürsten immer wieder dazu zwang, ihren Staat und seine Bürokratie weiter auszubauen. Es mag seltsam erscheinen, wenn die eidgenössischen Orte, Städte und Länder, mit fürstlichen Territorien verglichen werden. Wenn man die eidgenössischen Orte aber nur den deutschen Reichsstädten gegenüberstellt, muss der Vergleich schief werden, weil die deutschen Städte nur in wenigen Fällen ein grösseres Territorium erwarben. Ihre Interessen waren von vornherein anderen Zielen zugewandt. Die bedeutenderen Reichsstädte waren grosse Handelszentren, was man von den eidgenössischen Orten nicht unbedingt behaupten kann. So strebten die Bürger deutscher Städte nur selten den Besitz eigentlicher Hoheitsrechte an, sondern begnügten sich mit dem finanziell ertragreicheren Grundbesitz und dem niederer Rechte. Zwar besassen auch deutsche Reichsstädte in älterer Zeit ansehnliche Herrschaften, aber in ihnen kamen die Herrschaftsbefugnisse mit der Zeit in die Hand der Fürsten. Die Hoheitsrochte spielten in der städtischen Politik eine wesentlich geringere Rolle, besonders nachdem sich die Städte gezwungen sahen, mehr und mehr auf die steigende Macht der Fürsten Rücksicht zu nehmen. Die eidgenössischen Städte und vor allem die Länder lebten mehr vom Transithandel und vom Verkehr als vom Fernhandel der eigenen Bürger. Ihre Interessen erforderten daher den Schutz der Verkehrswege, die ihren Reichtum ausmachten. Es kennzeichnete Zürich, die einzige Stadt, die auch noch Fernhandel trieb, dass ihre staatliche Entwicklung auf die finanziell ertragreicheren Rechte stärkeren Wert legte. Bezeichnenderweise erwarb unter den deutschen Reichsstädten Erfurt, das sich nicht durch weitreichende Handelsbeziehungen auszeichnete, aber den einem Pass vergleichbaren Übergang zwischen dem Thüringerwald und dem Harz beherrschte, ein sehr grosses Territorium593. Daneben unterschied die eidgenössischen Städte von den deutschen, dass ihre Bürger in stärkerem Masse waffenfähig - im rechtlichen wie im effektiven Sinne - blieben und schon frühzeitig Lehen besassen. Dies ist jedoch nur ein gradueller, kein prinzipieller Unterschied, da diese Rechte auch Bürgern deutscher Städte zustanden. Es spielte jedoch eine weit geringere Rolle in der städtischen Politik und kennzeichnete besonders in der späteren Zeit diejenigen städtischen Schichten, die nicht mehr vorwiegend Kaufleute und Bürger waren, sondern Patrizier, die von ihrem Landbesitz lebten und ihre volle Aufnahme in die Kreise des Adels anstrebten. Im 15. Jahrhundert bestanden aber noch keine so wesentlichen Unterschiede zwischen den deutschen Reichsstädten und den eidgenössischen 503 Vgl. z.B. Planitz, Stadt, S.264ff. - Doutsches Städtebuch, ed.E.Keyser, II, Erfurt (oa. 610 km3); I, Hamburg, Lübeck; III, Dortmund, Soest (220. Ion2). - F.Rurig, Die europäische Stadt und die Kultur des Bürgertums im Mittelalter, S. 114. Orten, dass es gerechtfertigt wäre, die eidgenössischen Stadtstaaten mit den italienischen gleichzusetzen und von den deutschen zu trennen. Erst die spätere Zeit brachte die Einverleibung der städtischen Territorien in die Landesfürstentümer. Daher betrachteten sich die Eidgenossen während des 15. Jahrhunderts als mit den Städten des Reiches gleichberechtigt und auf gleicher Stufe stehend. Erst als die Städte an Einfluss auf die Geschicke des Reiches und seine Politik verloren und jede einzeln immer stärker auf die ihr benachbarten Fürsten Rücksicht nehmen musste, erkannten die Eidgenossen, die in der gleichen Zeit zu einer europäischen Macht aufstiegen, dass sie sich mit den Städten nicht mehr vergleichen konnten. Die Eidgenossen wurden sich ihrer Selbständigkeit und ihrer Macht bewusst. Doch war diese Selbständigkeit noch die eines bedeutenderen, deutschen Reiehsgliedes. Wie die mächtigeren Landesfürsten oder die Kurfürsten, trieben die Eidgenossen selbständige Politik unter der Oberhoheit des Reiches. Diese Selbständigkeit entsprach der Lehre des Bartolus, der den italienischen Staaten des 14. Jahrhundorts «de facto» Selbständigkeit zubilligte, «de jure» aber der Oberherrschaft des heiligen römischen Reiches unterwarf. Wenn matt an dieser Formulierung festhalten will, muss man sich jedoch darüber klar sein, dass im Mittelalter und in der beginnenden Neuzeit noch nicht die faktischen Zustände entschieden, sondern dass dem Rechtsdenken noch ein Vorrang gegenüber dem machtstaatlichen zukam. 240 241 AUSBLICK DIE HALTUNG DER EIDGENOSSEN ZU KAISER UND REICH IM WEITEREN VERLAUE DES 15. JAHRHUNDERTS Annäherung an die Kurfürsten und die Reichsopposition Wenn diese Untersuchung mit der Ausbildung der Landeshoheit der eidgenössischen Orte abgebrochen wird, ist das insofern berechtigt, als damit eine wichtige Entwicklung ihren Abschluss fand, die die erste Voraussetzung dazu bildete, dass sich die Eidgenossenschaft später einmal vom heiligen römischen Reich löste. Mit der Geschichte der Ablösung der Eidgenossenschaft vom Reiche hat die Ausbildung der Landeshoheit noch nichts zu tun, weil die gleiche auch in den deutschen Fürstentümern erfolgte ; allerdings hatte sie nur in wenigen Gebieten - etwa in Österreich und den Kurfürstentümern - zur gleichen Zeit einen ähnlich hohen Stand erreicht. Für die Geschichte der Trennung der Eidgenossenschaft vom Reiche scheint daher unsere Untersuchung wenig Bedeutung zu haben, da sie bestenfalls ihre Vorgeschichte behandelt. Dennoch erachtete der Verfasser diese Fragen für so wichtig, dass er auf die Schilderung der Zeit vor und nach dem Schwabenkriege verzichtete, obwohl gerade der Schwabenkrieg, der als der wesentlichste Trennungsfaktor gilt, eigentlich im Mittelpunkt unserer Arbeit stehen sollte. Der Verfasser hat für diese spätere Zeit einiges Material gesammelt, das allerdings zu einer eingehenden Darstellung noch nicht genügt, weil vor allem noch eine ganze Anzahl Emzelfragen abzuklären sind. Da die eidgenössische Chronistik ausserdem eine Reihe von Hinweisen gab, soll nun versucht werden, die Stellung der Eidgenossen zu Kaiser und Reich in grossen Zügen zu skizzieren und auf einige Fakten und Probleme hinzuweisen, die für diesen Zeitraum wichtig erscheinen. Obwohl sich diese Gedanken bei der Beschäftigung mit den Quellen gebildet haben, können sie zum grossen Teil nur als Arbeitshypothese gelten, deren Überprüfung noch notwendig ist. Trotzdem glaubt der Verfasser, dass es diese Gesichtspunkte verdienen, dargelegt zu werden. Um das Verhältnis der Eidgenossen zu König Sigmund zu charakterisieren, griffen wir aus den verschiedenen Problemen, die bei näherer Betrachtung ein ähnliches Bild ergeben hätten, die ennetbirgische Politik heraus, um bei einer Behandlung der Mailänderkriege darauf zurück- 243 greifen zu können. Einige wichtige Fragen, wie die Bedeutung der Eidgenossen als Schutzmacht des Konstanzer Konzils, wurden kurz gestreift. Völlig unbeachtet Hessen wir die vielfachen Anweisungen des Kaisers an die Eidgenossen, bestimmte Streitfragen zu regeln oder im königlichen Auftrag Frieden zu stiften. Hier sei nun noch die Frage aufgeworfen, ob die Eidgenossen gegenüber dem Basler Konzil eine ähnliche Funktion ausübten wie gegenüber dem Konstanzer. Obwohl der Kaiser 1433 die Eidgenossen anwies, in seinem Namen das Konzil zu bewegen, nichts gegen Papst Eugen zu unternehmen, bevor er am Konzilsorte eingetroffen sei, ist dies nicht einfach zu entscheiden, da der Natur der Sache nach darüber kaum Akten oder Aussagen zu finden sind1. Basel lag dem Zentrum eidgenössischer Macht nicht so nahe wie Konstanz, obwohl die Differenz nicht sehr bedeutend war. Vielleicht hat sie aber dennoch genügt, um den Einfluss der Eidgenossen wie den des Kaisers auf die Kirchenversammlung vermindern zu helfen. Einige Bedeutung hatten die Eidgenossen für die Ruhe des Konzils sicherlich. Darauf weist die intensive Vermittlungstätigkeit des Konzils im Alten Zürichkrieg hin2, aber auch die lrirchenpolitische Haltung der Eidgenossen und ihr selbstverständlicher Versuch, die Basel und das Konzil bedrohenden Armagnaken nicht erst in ihrem Gebiet zu erwarten, sondern schon vor den Toren Basels zu bekämpfen. Kaiser Sigmund hielt sich in seinen letzten Lebensjahren vornehmlich im Osten auf, wo dringende Fragen, vor allem die endgültige Beilegung der Hussitenkriege, seine Anwesenheit erforderten. Daher treten die Eidgenossen in dieser Zeit nicht mehr im gleichen Masse in den Vordergrund der kaiserlichen Politik, wie in dem behandelten Zeitraum. Dennoch spielen sie in der italienischen Politik Sigmunds auch nach dem Frieden mit Mai- -land noch eine wesentliche Rolle, die zeitweise die Vermutung erweckt, dass der Kaiser in seiner Italienpolitik stark von der Hilfe der Eidgenossen abhängig gewesen sei3. Die eidgenössischen Orte hielten sich dabei jedoch stärker zurück als in der vorangehenden Zeit, sicherlieh aus eigenem Interesse, aber wohl auch deshalb, weil Sigmund die italienischen Fragen nur als untergeordnete Probleme behandeln konnte. Nur Uri machte dabei eine Ausnahme. Als Kaiser Sigmund am 9. Dezember 1437 starb, verloren die Eidgenossen ebenso wie die deutschen Reichsstädte in ihm einen Schirmherren, der trotz seinen vielfältigen Aufgaben und trotz aller Schwäche der Zentralgewalt des Reiches durch seine Autorität ihre Selbständigkeit geschützt und ihre Entwicklung gefördert hatte. Schon lange Zeit hatten die Fürsten, vor allem aber die kleinen, verarmenden Adeligen, den Aufstieg der reichen Städte, als deren mächtigste Exponenten die eidgenössischen Orte galten, mit scheelen Blicken verfolgt und dem Kaiser öfters vorgeworfen, er ver- 1 Vgl. BA, II, S.99f., N.150; S.91, 99 usw. 8 Vgl. BA, II, S. 142, 166, 174, 182f., 185ff., 197f. 8 Vgl. RTA, XI, XII. gesse die Vorrechte des Adels und der Fürsten. Je reicher und je mächtiger aber die Städte wurden, desto begieriger wurden die Fürsten, ihre Macht einzuschränken und, wenn möglich, die ihnen nächstgelegenen in ihren Territorialstaat einzugliedern. Daher verlangten die Kurfürsten von König Albrecht II. wie auch von Friedrich III., dass der König ihre Zustimmung zu den Privilegbestätigungen der Reichsstädte einhole. Obwohl das beide Herrscher ablehnten4, kennzeichnete dieser Wunsch die für die Städte bedrohlich werdende Situation, wenn auch die Rivalität unter den Fürsten und die Gegensätze innerhalb des Reiches den Städten die Verteidigung ihrer Interessen erleichterte. Wenn man den Alten Zürichkrieg, der in diesen Jahren ausbrach, im Zusammenhang mit der Situation im Reiche betrachtet, erkennt man nicht nur seine besondere Bedeutung für die Geschicke der Eidgenossenschaft, sondern es wird offenbar, dass er den süddeutschen Reichsstädten gleichsam als Prüfstein diente, ob sich ihre Unabhängigkeit erhalten liesse, oder ob sie den mächtigeren Reichsfürsten in die Hände fallen würden. Die bedrohliche Lage der Reichsstädte erklärt weitgehend das hohe Interesse, das sie den innereidgenössischen Konflikten entgegenbrachten. Deshalb soll die erste grosse Krise der Eidgenossenschaft etwas näher betrachtet werden. Schon seit längerer Zeit hatte Zürich danach getrachtet, sich in den Besitz jener Gebiete zu setzen, die den Handelsweg über die Bündner Pässe kontrollierten. Seit 1415 befanden sich die wichtigsten Besitzungen auf diesem Wege in der Hand des letzten Grafen von Toggenburg, der als Zürcher Bürger eng mit der Stadt zusammenarbeitete. Indirekt beeinflusste Zürich also schon den Weg ins Bündnerland bis weit ins Rheintal hinein. Graf Friedrich von Toggenburg pflegte seit den Appenzellerkriegen jedoch auch gute Beziehungen zu Sohwyz, dessen Haltung im Raronhandel möglicherweise durch toggenburgische Einflüsse bestimmt wurde. Bei Zürich fand der Toggenburger dagegen immer weniger Unterstützung. Vielmehr erlangte die Limmatstadt 1424 von König Sigmund ein Privileg, das ihr gestattete, die ehemals österreichischen Pfänder vom Grafen zu lösen5. Dieses Privüeg konnte weder dem Grafen noch den Schwyzern, deren Land im Falle einer Lösung dieser Pfänder von Zürich abhängig zu werden drohte, angenehm sein. Daher bemühte sich der Graf, die Zürcher zu einem Verzicht auf dieses Recht zu bewegen6, was ihm anscheinend gelang. Ferner wandte er sich nach der Kaiserkrönung an Sigmund und liess sich ein Privileg ausstellen, das ihm gestattete, seine Pfänder zu übergeben, wem 1 Zürich bildete dabei offensichtlich eine Ausnahme; denn die Erzbischöfe von Mainz, Trier und Köln stellten nach dem Abschluss des Bündnisses zwischen Friedrich III. und Zürich Willebriefe für Zürich aus, die ihre Genehmigung zur Privilegbestatigung enthielten. Vgl. STA Zürich, Urkunden, N. 313/14 (1442 VIII 5/11). 5 STA Zürich, C, I, Urkunden, N. 64/65 (1424 II 9); = Reg.imp., XI, N. 5777-5779. -vgl. N.5901/02; = Blumer, Urkundensammlung, S. 62], N. 161; S. 568f., N.171. - Vgl. Dierauer, II, S.42ff. 8 Vgl. Dierauer, II, S. 49, 61. - ASG, X, S. 252. - Oechsli, Der Streit um das Toggenburger Erbe, Vortrag vor der Antiqu.Ges.Zürich, 1885, Winterthur, 1885/86, S. I6ff., 19, 38. 244 245 er wolle7. Immerhin veranlassten diese Auseinandersetzungen, dass der letzte Toggenburger stärker von Zürich abrückte und sich Schwyz anschloss, dem er anlässlich der Erneuerung seines Landreohtes einen Anteil an seinem Erbe versprach8. Diese Lage veränderte sich nicht bis zum Tode Graf Friedrichs von Toggenburg Ende April 1436. Da er keine Bestimmungen über sein Erbe hinterliess, suchte sich jeder, der auf Grund irgendwelcher Rechtstitel Ansprüche auf toggenburgische Besitzungen erheben konnte, zu sichern, indem er Teile davon in seine Macht brachte. Obwohl Zürich seit längerer Zeit der Haupterbe des Grafen zu werden schien, besass es im Augenblick des Todes keine rechtlich einwandfrei gültigen Zusagen, während sich Schwyz auf Grund der Bestimmungen des Landrechts mit dem letzten Toggenburger die resthohen Teile der March einverleiben konnte. Als die Schwyzer dies taten, bekamen es die Zürcher mit der Angst zu tun, sie könnten allenfalls leer ausgehen, und versuchten unter Berufung auf das königliche Privileg, Teile der töggenburgischen Gebiete unter ihre Hoheit zu bringen oder schlossen mit ihnen Burgrechte ab. Doch hatten die Erben die ehemals österreichischen Gebiete inzwischen dem Herzog Friedrich von Österreich aus der Pfandschaft zu lösen gegeben, so dass Zürichs Rechtstitel noch fragwürdiger wurde. Dennoch fuhr Zürich fort, die Bewohner dieser Gebiete in sein Burgrecht aufzunehmen, was ihm teilweise gelang, weil diese nicht unter ihre alte Herrschaft zurückkehren wollten9. Damit verletzte Zürich den fünfzigjährigen Frieden, der die Burgrechtsaufnahme österreichischer Untertanen strikt untersagte. Herzog Friedrich IV. von Österreich-Tirol protestierte bei Zürich energisch dagegen. Zürich berief sich auf das königliche Privileg, das aber den Toggenburger als Pfandherren ansprach und dem Herzoge nicht bekannt war10. Um seine Rechtsansprüche zu bewahren, suchte Herzog Friedrich IV. Unterstützung. Da der alte Kaiser, der ihm nie gewogen war, ausserhalb des eigentlichen Reichsgebietes in Ungarn und Böhmen weilte, wandte er sich an das Konzil und die Kurfürsten, denen eine Art Vertreterstellung des Kaisers während seiner Abwesenheit zukam, falls kein Reichsvikar ernannt war11. Gleichzeitig gestattete der Herzog, dass die Bewohner der umstrittenen Gebiete mit Schwyz und Glarus ein Landreoht schlossen12. So gelang es Schwyz auf Grund einwandfreier Rechtstitel, eine Reihe von Landrechten abzuschliessen, während gleichzeitig die Kurfürsten an Zürich schrieben und gegen die Aufnahme der gleichen Gebiete ins Zürcher Burgrecht sowie gegen den offensichtlich unrechtmässigen Anspruch ' Privileg ist nur in Mitt.z. vaterl. Gesch.'St. Gallen, XXV, S. 174 (1433 XI 13), gedruckt. 8 Vgl. Dierauer, II, S.50, 42ff. 8 Vgl. a.a.O., S.55ff. 18 Vgl. STA Zürich, 0, I, Urkunde vom 15.XI.1436 und 28.XII. - ASG, X, S.263. -Sowie das Schreiben Zürichs an Kaiser Sigmund (1436 XI 21), ASG, X, S.266. 11 Vgl. STA Zürich, Urkunde vom 28.XH. 1436 und 24.1.1437. la Vgl. Dieräuer, II, S.57ff. 246 Zürichs, die von Österreich zurückgekauften Pfandlande von diesem zu lösen, scharf protestierten13. Ferner verlangten sie die Aufhebung der Handelssperre, die Zürich zuerst gegen die ehemals töggenburgischen Untertanen, die ihm nicht schwören wollten, dann auch gegen Schwyz und Glarus verhängt hatte. Die strittige Gegend, vor allem die Herrschaften Windegg, Sargans, Wesen, Gaster, Walenstatt, kam also im Einverständnis mit den Kurfürsten ins Landrecht von Schwyz und Glarus. Mitten in diesen Herrschaften erhebt sich eine Berggruppe, die den Namen «Churfirsten» trägt. Es erscheint recht wahrscheinlich, dass der kurfürstliche Protest zusammen mit der freundlichen Haltung der Kurfürsten während des ganzen Krieges auf die Bewohner der umstrittenen Lande einen so nachhaltigen Eindruck gemacht hat, dass sie die Berggruppe nach den Kurfürsten benannt haben11. Sollte sich meine These halten lassen, wäre das für uns ein weiterer Hinweis, dass die Institutionen des heiligen römischen Reiches in der Eidgenossenschaft lebendig waren und auch den breiten Schichten der Bevölkerung nicht unbekannt waren. Sonst hätte sich dieser Bergname trotz Mithilfe anderer Deutungsmöglichkoiten wohl kaum durchsetzen können15. Dass die politisch führenden Kreise die kurfürstliche Mahnung ernst nahmen, zeigt der Entscheid des eidgenössischen Schiedsgerichtes, das unter Mitwirkung von zahlreichen Gesandtschaften deutscher Reichsstädte die Schwyzer Haltung im wesentlichen rechtfertigte. In der Folge gelang es Schwyz, noch weitere Erfolge zu erzielen, so dass grosse Teile der umstrittenen Gebiete, teils als Pfandschaft von Österreich, teils von den Erben der Grafen von Toggonburg, teils nur durch den Abschluss von Landrechtsverträgen in seine Hand kamen16. Zürichs Haltung wurde mit der steigenden Erbitterung über seine Misserfolge starrer und es war zu keinerlei Kompromiss mehr zu gewinnen. Es glaubte immer noch, seine Ansprüche unter allen Umständen durchsetzen zu können. Doch hatte es sich weder unanfechtbare Rechtstitel besorgt, noch nach der notwendigen Hilfe zu so wichtigen Erwerbungen umgesehen. Ihm waren nicht nur die Eidgenossen ungünstig gesinnt, sondern auch Österreich betrachtete das 18 Vgl. STA Zürich: A181 Pfalzgraf Ernst, Herzog in Bayern, an Zürich 1437 I 5; A182 Pfalzgraf Otto, Herzog von Bayern, an Zürich. 14-37 113; A182 Pfalzgraf Johann an Zürich 1437 III 23; A182 Pfalzgraf Heinrich an Zürich 1437 I 26; A183 Kurfürst Friedrich von Brandenburg an Zürich 1437 122; A197 Erzbischof von Köln an Zürich und Friedrich von Österreich an Erzbischof von Köln 1437 121 und 1436 XII 28; A197 Erzbischof von Trier an Zürich 1437 I. Antwort Zürichs vgl. N. 1556 (1437 II 9). 14 Zur Namengebung der Churfirstengruppe vgl. meine Miszelle, die in der Zeitschrift für Schweizergesohichte, IX (1959), Heft 1, erschienen ist. 15 Für spätere Zeit weist das Brauchtum in Unterwaiden, der am Schmutzigen Donnerstag tagende «Unüberwindliche Rat* von Stans, einer Fastnachtsgesellschaft und kirchlichen Bruderschaft, daraufhin, dass man die Institutionen des Reiches besser kannte, als es scheint. Vgl. H.von Matt, Der Unüberwindliche Grosse Rat von Stans, Innerschweiz. Jb.f.Heimatkunde, VII, VIII-X, XV-XVI, 1943ff. 16 Vgl. EA, II, S.112ff., N. 175-177; S.llöff., N. 181-185. - Dieräuer, II, S.59ff., besonders S. 61 f. 247 Zürcher Vorgehen als Bruch des fünfzigjährigen Friedens und fand dabei die Unterstützung der Kurfürsten. Selbst der alte Kaiser Sigmund forderte die Aufhebung der Handelssperre, weil sie die Freiheit der Strassen des Reiches verletzte17. Darüber hinaus forderte Sigmund die übrigen Eidgenossen auf, die Reichsfreiheit von Rapperswil und Winterthur zu -schützen18. Anscheinend befürchtete er, dass Zürich auch diese Städte unter seine Herrschaft bringen wolle. Nach seinem Tode wiederholte König Albrecht II., an den sioh sowohl Zürich als auch Schwyz gewandt hatten, die Aufforderung, die Handelssperre aufzuheben. Darüber hinaus befahl der neue König, den Streit anstehen zu lassen, bis er nach Deutschland käme und die Angelegenheit selber regele19. Obwohl Sigmunds königlicher Schwiegersohn ein Habsburger war, brauchten die Eidgenossen einen solchen Spruch nicht zu fürchten; denn Albrecht galt wie Sigmund als ein Schirmer und Freund städtischer Interessen und stand mit seinen Vettern der leopoldmischen Linie nicht auf dem besten Fusse. Doch lassen sich nur vage Vermutungen über die Haltung Albreohts zu den Eidgenossen aufstellen, da dieser König todkrank vom Türkenkrieg heimkehrte und nie ins Reich kam. Immerhin leisteten sowohl Zürich als auch Schwyz und Glarus der königlichen Anweisung insofern Folge, als sie den von vielen Vermittlem vorgeschlagenen Waffenstillstand annahmen und einigermassen einhielten, obwohl die Spannungen zwischen beiden Teilen wuchsen. Erst als König Albrecht gestorben war, brach der Krieg aus, den diesmal Schwyz durch die Vertreibung der Zürcher aus Sargans auslöste. Doch handelte es dabei weniger im eigenen Interesse als im Sinne der kurfürstlichen Forderungen, indem es nur den in den Schiedsgerichten anerkannten Rechten eines der Erben des Toggenburgers, der inzwischen ihr Landmann geworden war, zur Anerkennung verhalf20. Da Zürich mit Österreich noch keinen Frieden geschlossen hatte und in der Stadt selber keine Einigkeit über die einzuschlagende Politik herrsehte, fand es nirgends Hilfe und musste sich sehr schnell zum Frieden mit Schwyz bereit finden. Die Streitigkeiten mit Schwyz und Glarus entschied ein eidgenössisches Schiedsgericht unter Assistenz zahlreicher Städteboten. Der Konflikt mit Österreich wurde dem Basler Konzil zur Entscheidung übertragen. Beide Sprüche fielen, wie zu erwarten war, zuungunsten Zürichs aus, das sogar die Höfe in der March als eine Art Kriegsentschädigung an Schwyz abtreten musste21. Doch war Zürich nicht gewillt, seine Niederlage einzustecken. Als die Kurfürsten Herzog Friedrich den Jüngeren aus der leopoldinischen Linie der Habsburger zum römischen König gewählt hatten, beschloss Zürich, " Vgl. Reg.irop., XI, N. 12047. 18 Vgl. Reg.imp., XI, N. 12099, 12104; = BA, II, S. 122, M. 194. in Vgl. Blumer, Urkimdensammlung, II, S.164I. - Sowie EA, II, S.127, N.204; S.129, N.208. - Sowie STA Zürich, Urkunden, N. 1486-1488, 1671, 1675. 2° Vgl. Dierauer, II, S.68ff. " Vgl. a.a.O., S.70ff. - EA, II, S. 143f., N.232/33; S. 773ff., N. 12. um seine Hilfe zu werben, und hoffte, durch ihn die entgangenen Gebiete noch zu gewinnen. Als Friedrich III. in Aachen zur Krönung weilte, gelang es Zürich unter grossen Opfern, ein Hilfsversprechen des neuen Königs zu erhalten. Friedrich III., auf dessen Jugend die Schweizer Chronisten entschuldigend immer wieder hinweisen22, dachte in seiner langen Regierungszeit selten an die Interessen des Reiches, sondern war stets bestrebt, die österreichische Hausmacht auszubauen und zu stärken, selbst wenn er dabei offen das Gegenteil dessen tun musste, was die Zeitgenossen als Aufgabe eines Kaisers ansahen. Im Grunde trieb Friedrich III. auch als Kaiser vorwiegend landesfürstliche Politik. Daher nützte er die günstige Gelegenheit und ging, wenn auch unter grossen Forderungen, auf das Angebot Zürichs ein. Er versprach Zürich weitgehende Unterstützung gegen die Eidgenossen und die Erwerbung der strittigen Gebiete aus dem toggen-burgischen Erbe. Dafür sollte sich Zürich zur Hilfe bei der Rückgewinnung des Aargaus bereit finden und andere ehemals österreichische Reohte abtreten. Praktisch lief der Vertrag mit dem Könige darauf hinaus, dass sich die Reichsstadt Zürich unter österreichische Oberherrschaft begab23. Falls es gelang, den Eidgenossen eine ebenbürtige Macht gegenüberzustellen, stand eine bedeutende Machterweiterung des Hauses Habsburg in Aussicht. Die österreichische Position stärkte sich noch weiter, als Herzog Friedrich IV. von Österreich-Tirol 1439 starb und der König die Vormundschaft über den minderjährigen Sigmund antrat, obgleich im Hause Habsburg zwischen dem Könige und Herzog Albrecht VI. lange Zeit schwere Konflikte bestanden. Die Eidgenossen stellten aber schon damals unter den städtischen und fürstlichen Territorien eine hervorragende Macht dar und beherrschten -falls man sie als eine Einheit betrachtet - ein Gebiet, das grösser als jedes deutsche Landesfürstentum - einschliesslich des in verschiedene Linien gespaltenen Österreich - war und sich durch eine innere Geschlossenheit auszeichnete, wie sie nur wenige deutsche Territorien bis dahin erreicht hatten. Ausserdem konnte die Eidgenossenschaft schon damals aus eigenen Kräften in ihrem Gebiet Truppenmassen aufbieten, die keine deutsche Territorialmacht auch nur annähernd aufzustellen vermochte. Den deutschen Fürsten waren die Reichsstädte mit ihrer Macht und vor allem mit ihrem Reichtum schon lange ein Dorn im Auge, besonders seit Kaiser Sigmund die Städte stark gefördert hatte. Nun wandte sich das Haupt des Reiches zusammen mit einer Reichsstadt gegen die Exponenten reichsstädtisoh-bürgerlicher Macht, die Eidgenossen. Als reichsunmittelbare, unadelige Herrschaften wurden sie als Repräsentanten der Reichsstädte angesehen, welche an der Macht der Eidgenossen, selbst wenn sich die Eidgenossen nicht besonders für einzelne Städte und ihre Interessen einsetzten, einen gewissen Rückhalt fanden. So sahen die süddeutschen Reichsstädte den Konflikt der Zürcher mit den Innerschweizern als einen 2S Vgl. oben, S.69f., 77f. 23 Vgl. EA, II, S.150ff., N. 247/48; S.788ff., IST. 15—17. — Dierauer, II, S.75ff. 248 249 Streit an, der auch ihre eigenen Konflikte mit ihren benachbarten Adeligen und Landesfürsten berührte. Die Haltung der deutschen Landesfürsten wurde nicht nur durch ihre Wünsche, die ihnen benachbarten Reichsstädte einzuverleiben, bestimmt, sondern für sie galt es auch zu verhindern, dass die Macht des Königs durch die Einverleibung weiterer Teile der Eidgenossenschaft gesteigert wurde. Friedrich III. gelang es aber, die Unterstützung des niederen Adels gegen die Eidgenossen zu erlangen. Der Adel war schon lange auf die Städte, die auf Grund der wirtschaftlichen Entwicklung an Macht und Reichtum zunahmen, eifersüchtig, weil er seine Adelsvorrechte den reichen Bürgern gegenüber kaum mehr behaupten konnte und immer mehr verarmte. So war er gern bereit, gegen gute Bezahlung in den Dienst Zürichs und Österreichs gegen die Eidgenossen zu treten. Um noch weiteren Anhang zu gewinnen, hatten die Zürcher und die Österreicher schon bald nach dem Abschluss des Bündnisses einen Propagandakrieg entfacht, der in seiner Zeit kaum eine Parallele findet. Unter Ausnutzung des allgemeinen Neides auf die bürgerlichen Städter und die sich im Spätmittelalter überall zeigende Verachtung der Bauern beschimpften die Zürcher und Österreicher die Eidgenossen als «Bauern» und «Vertilger des Adels», schrieben ihnen unmenschliche Grausamkeiten zu und bezichtigten sie bezeichnenderweise auch der Kirchenfeindschaft24 Der Zürcher Chorherr Felix Hemmerli belegte in seiner Schrift «de nobi-htate et de rusticitate» diese Thesen aus seiner Kenntnis der eidgenössischen Vergangenheit. Da Hemmerli ausser dieser Schrift nichts Politisches verfasste, möchten wir vermuten, dass in die Streitigkeiten zwischen Zürich und den Eidgenossen auch die kirchenpolitische Situation hineinspielte. Seit der Wahl Felix V. zum Konzilspapste war zwischen Eugen IV. und dem Basler Konzil ein unüberbrückbarer Bruch entstanden. Friedrich III. verfolgte aber eine von den Kurfürsten und grossen Teilen des Reiches abweichende Politik gegenüber dem Basler Konzil, das von den Eidgenossen, vor allem von dem seit 1441 mit Basel verbündeten Bern, stark gestützt wurde25. Damit standen die Eidgenossen auch kirohen-politisch im Gegensatz zum römischen Könige. Erst in dieser Verbindung kirchlicher und politischer Gegensätze bestand der Nährboden, auf dem die erbitterte Polemik erwuchs. Der Hauptchronist dieses Krieges, der Sehwyzer Landschreiber Fründ, teilt uns einige der eidgenössischen Verteidigungsschreiben an Kurfürsten und Reichsstädte mit, die den Verleumdungen der österreichischen Zürcher entgegenwirken sollten. Entsprechend der kirchlichen und politischen Lage fanden die Eidgenossen bei den rheinischen Kurfürsten einen Rückhalt. Die österreichische Propa- 21 Für die allgemeine Gültigkeit vgl. z.B. Historische Volksliedor, od. Lilienoron, passim. -V.von Kraus und K.Käser, Deutsche Geschichte im Ausgang des Mittelalters (14,38-1319), I, S. 122; Schlachtruf: «Zuerst über die Bauern, dann über die Städter.» - Vgl. auch Janssen, II, S. 102. 06 Vgl. z.B. Schroiben Papst Felix V. an Bern: « Quatenus operam dotis emeacem eoiam braohio seculari extenso...» Thommen, IV, S.28f., N.20 (1443 XI12). ganda erreichte ihr Ziel nur dort, wo man sowieso schon städtefeindlich dachte. Deshalb erhielt Österreich von den deutschen Reichsstädten keinerlei Hilfe26. Während Zürich noch in Aachen mit dem neuen Könige verhandelte, weilten die Boten der Eidgenossen aus fast allen Orten in Frankfurt, wo auch des Konzils wegen wichtige Verhandlungen gepflogen wurden27. Offensichtlich hofften die Eidgenossen aber noch, Zürichs Bemühungen um ein Bündnis mit dem neuen König entgegenwirken zu können. Dabei suchten sie anscheinend die Unterstützung des Konzils, der deutschen Fürsten und vor allem der Reichsstädte zu gewinnen. Wenn sie auch schliesslich unterlagen, weil Zürich Friedrich III. grösste Zugeständnisse machte, so beweist doch gerade dieser Verzieht auf bedeutendeBesitzungen, dass es Zürich nicht ohne weiteres gelang, den König auf seine Seite zu ziehen. Doch konnten die Eidgenossen bei Lage der Dinge dem Österreicher nichts Gleichwertiges anbieten. Dafür zeigte sich bald, dass die Kurfürsten und andere Reichsfürsten, vor allem aber die Reichsstädte aus eigenem Interesse gewillt waren, die Sache der Eidgenossen politisch zu unterstützen28. So fand Friedrich gegen die Eidgenossen ausser den unbedeutenden Kräften der St. Georgengesellschaft keine wirksame Hilfe. Er musste sich beim französischen Könige nach Hilfe umsehen, da die Macht der Eidgenossen seine und seiner Verbündeten Kräfte überstieg. Obwohl er damit fremde Kriegsvölker in das Gebiet des Reiches holte und eine grosse Truppenmaoht auf die Stadt marschieren liess, welche noch die Reste des Konzils beherbergte, blieb ihm keine andere Wahl, weil er weder im Reiche noch bei Burgund Hilfe gegen die so sehr verunglimpften Eidgenossen fand20. Da der König bald nach der Schlacht bei' St. Jakob an der Birs seine Unterhandlungen mit \ Papst Eugen begann, sollte man einmal untersuchen, ob die Armagnaken nicht nur gegen die Eidgenossen Hilfe bringen, sondern auch das Konzil unter Druck setzen sollten. Bei der Betrachtung der Schlacht bei St. Jakob stellt sich ferner die Frage, warum die Eidgenossen Basel so eilig zu Hilfe zogen, statt die ansehnliche und kriegsgewohnte Truppenmacht nach gründlicher Vorbereitung in einem Gelände zu erwarten, das, wie die Jurapässe, ihrer Kriegstaktik besser entsprach. Die Freundschaft und das Bündnis mit Basel vermögen ihre Haltung ebensowenig zu erklären als : ihre Kampfesfreude. Der Gedanke, das Konzil sei bedroht, könnte viel- 1 leicht dazu beigetragen haben, die Belagerung der Farnsburg so eilig abzubrechen und den Baslern so schnell zuzuziehen. 2G Vgl. auch RTA, XVII, 2. 1, S. 315ff. 2' Vgl. Janssen, II, S.44. - BA, II, S. 149, N.244; S.162, N.249/S0. 2a Als Friedrich III. 1443 dio Hilfo des Reiches forderte, lehnten die Kurfürsten diese ab, weil «kgl. Majestät... wider altes Herkommen, ohne ihr Wissen und Bewilligung diesen Krieg angefangen» hätte. Auch dio Städte vertraten die Meinung: «Dieser Krieg gehe nicht das Reich, sondern allein Österreich an.» - J.J.Müller, Des heiligen Römischen Reiches Teutscher Nation Reichstagstheatrum, wie selbiges unter Kayser Friedrich V. ... Regierung 1440-1493 gestanden, Jena 1713, I, S.216. 22 Vgl. Dierauer, II, S. 91ff., - Ton Kraus, I, S. 123ff. 250 251 Schon bevor diese Schlacht geschlagen wurde, waren in Baden eine grosse Zahl von Vermittlern zusammengekommen, deren Bemühungen zwar keine Erfolge zeitigten, uns aber demonstrieren, welohe Bedeutung der Konflikt für die südlichen Teile Deutschlands erhalten hatte30. Nach mehreren Versuchen des Konzils, der rheinischen Kurfürsten und anderer Mächte, vor allem der Reichsstädte, gelang es schliesslich dem Pfalzgrafen Ludwig bei Rhein, die Gegner an den Verhandlungstisch zu bringen. Es ist wohl bezeichnend, dass trotz vielfältigen Bemühungen anderer erst der Pfalzgraf, dem die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. eine Richterstellung über den römischen König einräumte, in eigener Person den Konflikt zwischen Österreich und den Eidgenossen beilegen konnte31. Die uns überlieferten Akten der Verhandlungen lassen erkennen, welch grosse Bedeutung die Eidgenossen den über sie verbreiteten Verleumdungen zuwiesen. Sie betrachteten den Krieg als «wider Got, ere und recht und wider allen glimpf» und als einen Versuch sie «mit unrechter gwalt von dem hailigen Römsehen rieh» zu drängen32. Sie bitten die Kurfürsten, sie vor weiteren solchen Versuchen, ihre Reichsunmittelbarkeit anzufechten, zu schützen und versprechen dafür: «Wo wir dz umb Ir gnad ze ewigen zitten und och um dz hailig römsch rieh beschulden und verdienen künden, darzu weiten wir willig sin und funden werden als gehorsam kint des haiigen riches33.» Die Eidgenossen suchten und fanden nicht nur während des Alten Zürichkrieges die Unterstützung der Kurfürsten, vor allem des Pfälzers, sondern wandten sich auch in andern wichtigen Angelegenheiten an den «vicarye» des heiligen römischen Reiches31. Da Friedrich III. den Eidgenossen konstant die Bestätigung ihrer Privilegien verweigerte, weil er yon ihnen die Herausgabe seines «väterlichen Erbes», vor allem des Aargaus verlangte, sahen sich die Orte vor schwerwiegende Rechtsfragen gestellt. Zwar fiel ihnen die Durchsetzung ihres Herrschaftsanspruches ohne die königliche Bestätigung innerhalb ihres Herrschaftsbereiches nicht schwer, zumal sich der König durch Nichtanerkennung der meisten zwischen Österreich und den Eidgenossen geschlossenen Verträge offensichtlich ins Unrecht setzte. Viel schwerwiegender waren aber die Folgen ausserhalb der Eidgenossenschaft. Vor allem das Hofgericht zu Rottweil und das Landgericht zu Stühlingen erhielten immer wieder Klagen, die sich gegen Eidgenossen richteten. Aber auch fernerliegende Gerichte, selbst die Femgerichte Westfalens35, verhandelten hin und wieder über Ange- 30 Vgl. Janssen, II, S.72f. (1444 IX 24, 26). - EA, II, S.185,- N.283/84. - Dierauer, II, S.112H. " Vgl. Dierauer, II, S. 117ff. 38 EA, II, S.196, N.294. 33 Ebendort. 34 Vgl. EA, II, S.233, N.3B2. 38 Vgl. 0. W.Scherer, Die westfälischen Femgerichte und die Eidgenossenschaft, 1941. Diese Arbeit zeigt, dass sich die eidgenössischen Orte wie andere Reichsglieder einen gewissen Einfluss auf die Femgerichte sichorton, indem wichtige Bürger Freischöffen wurden, obwohl 252 legenheiten, die auch die Eidgenossen betrafen. In gewöhnlichen Zeiten genügte es, auf die Privilegien hinzuweisen, dass die Eidgenossen von fremden Gerichten exempt seien. Die Gerichte verlangten jedoch eine gültige Bestätigung dieser Rechte vom regierenden Könige. Daher kamen die Eidgenossen in der Zeit Friedrichs III., als mit dem Ende des Zürichkrieges wieder friedliche Verhältnisse einzogen, in eine missliche Lage. Offensichtlich verstanden sich das kaiserliche Hofgericht zu Rottweil und das Landgericht in Stühlingen nicht dazu, die alten Freiheiten der Orte stillschweigend anzuerkennen. Aus diesem Grunde wandten sich die Eidgenossen an den Pfalzgrafen bei Rhein und baten diesen, in seiner Eigenschaft als Reichsvikar bei den beiden Gerichten vorstellig zu werden und dahin zu wirken, dass sie die Freiheiten der eidgenössischen Orte anerkannten, obwohl diese von Friedrich III. nicht bestätigt worden waren36. Anscheinend gingen diese Gerichte darauf ein und behandelten die Eidgenossen trotz fehlender Privilegbestätigungen sehr rücksichtsvoll. Wenn man die Stellung der Eidgenossen zum Reiche im weiteren Verlaufe des 15. Jahrhunderts untersucht, bleibt zwar die eidgenossenfeindliche Einstellung Friedrichs III. eine Konstante, die weder von den Verhandlungen der Eidgenossen mit den Vettern des Kaisers, vor allem mit Herzog Sigmund, noch von der allgemeinen Lage im Reiche beeinflusst wurde. Bei der andauernden Feindschaft des Kaisers wundert man sich nur, dass weder in der Chronistik noch in den Akten feindliche Äusserungen der Eidgenossen dem Kaiser gegenüber zu finden sind. Die Feindschaft Friedrichs wird mit einer gewissen Selbstverständlichkeit hingenommen, ohne dass es zu schärferen Reaktionen kommt. Vielmehr bemühten sie sich immer wieder, als loyale Untertanen des Kaisers zu erscheinen, wobei sie jedoch auf die Wahrung der eigenen Rechte und des eigenen Prestiges grössten Wert legten. Mit dem Verhältnis zum Kaiser erfasst man aber, wie wir schon in der Zeit Ludwigs des Bayern sahen, nicht das ganze Verhältnis der Eidgenossen zum Reiche. Je schwerwiegender die Vorwürfe der Österreicher und des Kaisers gegenüber den Eidgenossen waren, desto mehr suchten diese nach einem Rückhalt an der Reichsopposition. In der Zeit des Alten Zürichkrieges fanden sie einen solchen bei den rheinischen Kurfürsten, vor allem beim Pfalzgrafen, sowie bei den süddeutschen Reichsstädten. Auch in der Folge pflegten die Orte die Beziehungen zu den verschiedenen Zweigen des Hauses Wittelsbach, so dass noch 1504 während des pfälzischbayrischen Erbfolgekrieges ganz Süddeutschland täglich das Eingreifen der Eidgenossen erwartete. Diese Ansicht war nicht grundlos. Nachdem schon 1460 die Eidgenossen dem Kurfürsten von der Pfalz durch recht ansehnliche Soldtruppen Beistand geleistet hatten, der in diesem Faüe der Reichsstadt Mainz die Freiheit gekostet hatte, folgte eine gegenseitige diese Gerichte schon wegen der Entfernung nur untergeordnete Bedeutung für die Eidgenossenschaft besassen. Vgl. auch Segesser, II, S. 121ff. 88 Vgl. EA, II, S.233, N.352. 253 4 Hilfeleistung der anderen37. Noch zu Beginn des Sehwabenkrieges war eine Pfälzer Gesandtschaft eifrig um die Vermittlung bemüht. Die formelle Teilnahme der Pfalz am Kriege wurde durch territorialstaatliche Gegensätze erzwungen. So wichtig die Kurfürsten als die Repräsentanten des Reiches waren, so bildeten sie im 15. Jahrhundert doch nicht mehr allein das Reich. Es wäre also eigentlich notwendig, bei einer Darstellung des Verhältnisses der Eidgenossen zum Reiche im 15. und beginnenden 16. Jahrhundert auch die Beziehungen der Eidgenossen zu den Pürsten und den Reichsstädten näher zu betrachten. Soweit das an einigen Beispielen übersehen werden kann, hängt die Haltung der Eidgenossen gegenüber Pürsten und Städten in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wesentlich von deren Stellung zu Friedrich III. ab. Im einzelnen bedingte natürlich die besondere Lage oft sehr seltsame Verbindungen38. Da die Eidgenossen durch die Feindschaft des Kaisers zu weitgehender Rücksichtnahme auf die Kurfürsten gezwungen waren, konnten sie nicht immer den Reichsstädten, mit denen sie nach wie vor eng verbunden waren, ihre Unterstützung gewähren; denn sie durften es mit denjenigen Fürsten, die zum Kaiser in Opposition standen, nicht verderben. Dennoch unterstützten sie die städtischen Interessen, wenn es ihnen möglich war; vor allem aber halfen sie dort, wo diese Hilfe gleichzeitig die antikaiserliche Partei stärkte. So finden sich eidgenössische Söldner während des grossen Städtekrieges im Solde Nürnbergs und anderer Reichsstädte, die durch die eidgenössische Hilfe ihre Selbständigkeit erhalten konnten. Die Eidgenossen gewährten den Reichsstädten aber nicht nur durch Zulaufenlassen von Kriegsknechten Unterstützung, sondern auch durch Vermittlungsaktionen und diplomatische Fürsprache39. Diese Hilfe erhielten jedoch nicht mehr die Reichsstädte allein, wie das lange Zeit die Regel war. Vielmehr bahnten sich freundschaftliche Verbindungen zu verschiedenen Fürsten an. Das entsprach einerseits der Entwicklung im Reiche, wo die Bündnisse seit dem Städtekrieg nicht mehr unter einem Stand allein abgeschlossen wurden, sondern fortan Fürsten, Adelige und Städte gleichermassen umfassten. Ein Stand allein konnte seine Interessen nur schwerlich mehr wahren. Andererseits zeigen die Verbindungen der Eidgenossen mit einzelnen Fürstenhöfen innerhalb und ausserhalb des Reiches, dass ihre Macht wuchs und ihr Selbstvertrauen die ständische Hierarchie zu überwinden vermochte. Je stärker die Eidgenossen in Beziehungen zu den grösseren Mächten traten, desto schwächer wurden ihre Bindungen an die Allge- 37 Vgl. W.F.von Mülinen, Geschichte der Schweizer Söldner bis zur Errichtung der ersten stehenden Garde (1497), Diss.Bern 1887, S.39ff. 38 Vgl. M.Steibeli, Die Eidgenossen und die südwestdeutschen Territorien 1450-1488, ungedr.Diss. Heidelberg 1946, die leicht zugängliches Material zusammenstellt. Da ihr einige wichtige Beziehungen entgangen sind, so zum Pfalzgrafen, enthält die sehr interessante Arbeit einige Irrtümer. 39 Vgl. von Mülinen, S. 17ff.; sowie z.B. EA, II, S.241, N.366. m meinheit der Reichsstädte. Diese Entwicklung wurde durch die kaiserliche unterstützt, die zwischen Reichsstädten und Eidgenossen, wie auch zwischen Reichsstädten, Hansestädten und Seestädten zu unterscheiden ' begann40. Die reale Macht der Eidgenossen Hess sich immer weniger mit derjenigen der Reichsstädte auf die gleiche Stufe stellen. Dennoch trieben die Eidgenossen, mindestens bis zu den Burgunderkriegen, eine Politik, die der reichsstädtischen Politik im allgemeinen völlig entsprach41. Das beste Beispiel hierfür dürfte das Bündnis mit Rottweü sein, das 1463 die Stadt als zugewandten Ort mit der Eidgenossenschaft verband, obwohl weite Landstriche beide Teile voneinander trennten42. Trotz aller Unterstützung der Reichsstädte mutet es seltsam an, dass sich die Orte einer so weit abliegenden und von den Grafen von Württemberg und von Österreich so sehr bedrohten Stadt annahmen. Die Gründe zum Bündnisabschluss sind sicher nicht darin zu suchen, dass man auf diese Weise noch einen Verbündeten mehr gegen Österreich erhielt; denn die Eidgenossen waren im Abschluss von Bündnissen und bei der Aufnahme ins Burgrecht in dieser Zeit oft sehr wählerisch und nahmen in der Regel nur den in ihren Schutz auf, der ihnen auch etwas zu bieten hatte. Obwohl Rottweil keine bedeutende Macht besass, war es den Eidgenos-sen wichtig genug, um mit der Stadt ein Bündnis einzugehen. Ohne Zweifel lockte die Eidgenossen die Einflussnahme auf das kaiserliche Hofgericht zu Rottweil. Dieses Gericht, das unter dem Vorsitz eines Grafen von dem Rottweiler Stadtrat gebildet wurde, war eines der wenigen Gerichte, das über engere Grenzen hinaus im Reiche eine bedeutende Wirkung entfaltete. Wenn auch die eidgenössischen Orte durch ihre Privilegien den Sprüchen des Gerichtes nicht unterworfen waren, so zeigen schon allein die Vidimi ihrer Privilegien und anderer Urkunden, die das Hofgericht in Rottweil ausstellte, die Bedeutung dieses Gerichtes für die Eidgenossenschaft43. Bezeichnenderweise finden sich unter den vielen Vorwürfen, die man Peter von Hagenbach machte, auch der, dass er das Hofgericht in Rottweil völlig ignorierte, denn das Hofgericht besass oder beanspruchte auch über die exempten Reichsstände noch einige, wenn auch unbedeutende Kompetenzen. Da die Eidgenossen zu dieser Zeit keine gültigen Privilegien be-sassen, weil Friedrich III. eine Bestätigung verweigerte, war die Einflussnahme auf das Hofgericht besonders wichtig und veranlasste Städte und Länder der Eidgenossenschaft, ohne grosse Diskussion den Bund mit Rottweil einzugehen44. Die Zeit vom Tode Kaiser Sigmunds bis zu den Burgunderkriegen 48 Vgl. Janssen, II, S.286 (1473 V 24-28), S.2901 41 Vgl. UTA passim (soweit orsch.) sowie Darstellungen der Geschichte einzelner Städte. 42 Vgl. EA, II, S.890, N. 39; S. 327, N. 519. - Dierauer, II, S. 141. t ■ 43 Vgl. P, Butler, Die Beziehungen der Reichsstadt Rottweil zur schweizerischen Eid- . genossensohaft bis 1528, Jb.f.Schweiz.Gesoh., XXXIII (1908), S.61. - Segesser, II, S.G9ff. ■ Möglicherweise hängt die Herkunft vieler Schweizer Schreiber und Chronisten aus Rottweil [*■ ' mit dem Hofgerioht vuid den dortigen Bildungsmöglichkeiten zusammen, r. ■.. 44 Man vergleiche mit andern Bündnissen, von denen keinem so reibungslos zugestimmt I wurde. 254 255 brachte der Eidgenossenschaft eine Ausweitung des politischen Aktionskreises. Einerseits befassten sich nicht mehr nur die näheren Nachbarn mit den Eidgenossen, sondern alle bedeutenderen Mächte innerhalb und ausserhalb des Reiches traten in dieser Zeit in Kontakt mit ihnen. Wenn man nur die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Frankreich und Burgund betrachtet, könnte man in der Überschreitung der Grenzen des Reiches durch die eidgenössische Politik einen Hinweis auf die kommende Ablösung erblicken. Doch weitete sich etwa in der gleichen Zeit auch für die meisten deutschen Landesfürsten der politische Raum, und es wurde zur Selbstverständlichkeit, dass die Politik des Reiches und der Rcichs-glieder wesentlich von äusseren Mächten beeinflusst wurde. Möglicherweise lässt sich sogar ein Zusammenhang zwischen den ersten eidgenössischen Schritten auf dem Parkett der westeuropäischen Diplomatie mit der kurfürstlichen Politik aufzeigen16. Wenn wir den Alten Zürichkrieg und die ihm folgenden Auseinandersetzungen mit Österreich und Friedrich III. im Zusammenhang mit dem süddeutschen Städtekrieg und anderen Kämpfen im Reiche betrachten, zeigt sich, dass auch diese Konflikte der Eidgenossen mit dem Kaiser als Familienoberhaupt der Habsburger sich im wesentlichen im Rahmen der Reichspolitik abspielten. Die Bündnisse und Freundschaften der Eidgenossen sowie die Vermittler in den immer wieder angebahnten Verhandlungen lassen erkennen, dass die Eidgenossen zur Opposition im Reiche zählten und von ihr als wichtige Stütze betrachtet wurden. Da wir eine ähnliche Situation schon im 14. Jahrhundert kennenlernten, muss man sich ernsthaft fragen, ob die Konflikte mit Friedrich III. wirklich schon zur Vorgeschichte der Ablösung der Eidgenossenschaft vom heiligen römischen Reiche gehören. In den eidgenössischen Quellen findet sich ausser den Verleumdungen der Eidgenossen durch Österreich und den niederen Adel nichts, das auf eine kommende Trennung hinwiese. Vielmehr beteuerten die Eidgenossen, wie uns auch die Chronistik dieser Jahrzehnte zeigte, ihre legitime Herkunft vom Reiche und wiesen wieder und wieder auf ihre Verdienste um das Reich hin. Diese Argumente der Eidgenossen galten jedoch nicht nur gegenüber den fremden Mächten, vielmehr standen die Reichspolitik und das Reich selbst dort im Vordergrund, wo es eigentlich selbstverständlich gewesen wäre, das eigene Interesse hervorzuheben. II. Die Burgundericriege Die neueren Schilderungen der Burgunderkriege stellen diese weltgeschichtliche Auseinandersetzung vor allem als einen Krieg der Eidgenossen und unter ihnen Berns mit Karl dem Kühnen dar. Wenn man das militärische Potential und die kriegerischen Leistungen betrachtet, stehen sie 45 Obgleich die Bedeutung der Bindungen an Frankreich nicht herabgemindert werden darf, so ist es vielleicht einmal am Platz, darauf hinzuweisen, dass vor allem in späterer Zeit eine grosse Anzahl deutscher Landesfürsten ähnliche Bindungen besass oder anstrebte. bestimmt im Mittelpunkt der Ereignisse. Doch muss man sich fragen, ob die Sieger über Karl den Kühnen auch politisch die Hauptrolle spielten, die ihnen die Geschichtsschreibung auf Grund ihrer militärischen Erfolge zuschreibt. Diese Rolle soll ihnen mehr oder weniger der gewiegte Diplomat auf dem französischen Königsthron, Ludwig XI., mit Hilfe des Berner Sohultheissen Nikiaus von Dieshach zugeschoben haben. Hier sei nun die Frage aufgeworfen, ob man mit Recht den Anteil der Niederen Vereinigung und Herzog Sigmunds von Österreich ihrer militärischen Bedeutung entsprechend in den Hintergrund rücken darf und ob nicht neben Frankreich auch Kaiser und Reich, die man beim Ausbruch der Burgunderkriege eher als eine «quantite negligeahle» betrachtet hat, ein besonderer Einfluss zugebilligt werden muss. Nikiaus von Diesbachs hervorragende Persönlichkeit hat den Gang der Geschehnisse ohne jeden Zweifel entscheidend bestimmt. Dennoch erscheint es nicht ganz gerechtfertigt, die Burgunderkriege nur von Bern aus zu betrachten; denn Bern war nur eines der Zentren, wo die Entscheidungen fielen. Deshalb bemühen sich die Berner Chronisten, von denen Schilling die Ereignisse aus nächster Nähe miterlebte, die Kämpfe - bei allem Stolz auf die eigenen Leistungen - in grössere Zusammenhänge zu stellen46. Bern hat den Krieg weniger vorbereitet, sondern sich vielmehr in das politische Spiel eingeschaltet und getrachtet, die Lage zu seinen Gunsten auszunutzen. Die Berner, noch mehr die übrigen Eidgenossen, vermieden bezeichnenderweise alles, was nur von Ferne den Anschein erwecken konnte, als ob sie im Vordergrund der Auseinandersetzungen ständen, obwohl sie ihre wichtige Rolle unter den Gegnern Karls des Kühnen nicht ableugneten. Erst im Laufe des Krieges - nachdem Nikiaus von Diesbach gestorben war - ergriff die Aarestadt verschiedene Massnahmen, gegen welche die andern Orte indessen sofort protestierten, weil sie die Eidgenossen zu «houptsächern» des Krieges zu machen schienen47. . Noch lange nach dem Kriege wehrten sich die Eidgenossen energisch dagegen, als die eigentlich Kriegführenden angesehen zu werden. Sie hatten sicherlich recht, wenn sie für sich zwar den Waffenruhm in Anspruch nahmen, politisch aber nur einen untergeordneten Platz einzunehmen wünschten. Auch Bern legte den grössten Wert darauf, dass die Eidgenossen den Krieg für die deutsche Nation gegen welsche Tyrannei geführt hätten. Diese Behauptung findet sich in den Berner Chroniken ebenso wie in denjenigen anderer eidgenössischer Orte. Aber auch die deutschen Städtechroniken betrachten die Burgunderkriege unter dem gleichen Aspekt. Diese in den Chroniken und in den Akten einheitlich vertretene Meinung könnte als ein erfolgreicher Gegensehlag wider die Verleumdungskampagne der Österreicher und des Adels während des Alten Zürichkrieges und der folgenden Zeit gedeutet werden43, falls sie langsam gewachsen 46 Vgl. z.B. Schilling, I, S. 174; oben, S. 78f. 4' Vgl. BA, II, S.638, N\788o. - Feiler, I, S.389ff. 48 Vgl. oben, S. 250ff. 256 257 wäre. Das trifft jedoch nicht zu; denn mit dem Abschluss der Ewigen Richtung setzen ziemlich plötzlich an verschiedenen Orten Äusserungen ein, die die Eidgenossen nicht nur als Retter des Elsasses und der städtischen Freiheiten, sondern auch als Vorkämpfer der deutschen Nation und als Schirmer des Reiches betrachten. Manchem Zeitgenossen fliessen dabei Worte in die Feder, die Burgund mit dem Türken gleichsetzen und die Eidgenossen als zukünftige Türkenbekämpfer und Kreuzzugskrieger feiern. Vor allem im Eisass tritt diese Ansicht früh auf, wird aber auch von österreichischen Untertanen, wie zum Beispiel von Veit Weber, dem aus Freiburg im Breisgau stammenden Dichter der eindrucksvollsten Lieder über die Burgunderkriege vertreten49. Das Auftauchen dieser Meinungen ausserhalb der Eidgenossenschaft und vor den grossen Siegen beweist, dass es den Zeitgenossen ernst war, wenn sie in den Gegnern Karls des Kühnen die Vertreter der wahren Interessen des Reiches sahen. Diese weitverbreiteten Auffassungen legen es nahe, den Ausbruch der Burgunderkriege einmal vom heiligen römischen Reiche und von Österreich her zu beleuchten. Gewiss muss man die Burgunderkriege als einen Erfolg der Politik Ludwigs XI. von Frankreich, der die burgundische Macht durch sein Bündnis mit den Eidgenossen in die Zange nahm, bewerten. Die Politik Kaiser Friedrichs III. und der ihn beratenden Fürsten lässt sich jedoch ebenso als ein grossangelegter Versuch auffassen, die Macht der Eidgenossen und die Macht Karls des Kühnen gegenseitig zu schwächen. Damit Hessen sich Karls Bedingungen für eine Heirat seiner Tochter mit dem Sohne Friedrichs herabschrauben, und zugleich eröffnete sich eine begründete Aussicht, die verlorenen österreichischen Erblande zurückzugewinnen. Die Österreicher bemühten sich seit langer Zeit, gegen die Eidgenossen geeignete Bundesgenossen zu finden. Schon zur Zeit des Alten Zürichkrieges hatten sie vergeblich um die Hilfe Frankreichs und Burgunds geworben. Schliesslich hatten sie gehofft, durch die Verpfändung der elsässischen Vorlande Burgund zum Bundesgenossen gegen die Eidgenossenschaft zu gewinnen. Burgund war j edoch vor und nach der Verpfändung nicht bereit, gegen die Eidgenossen zu kriegen60. Allerhöchstens wollte es sich einem weiteren Vordringen der Eidgenossen hindernd entgegenstellen. Wie der Pfalzgraf bei Rhein so fanden die Eidgenossen bei den Burgunderherzögen immer wieder freundschaftliches Entgegenkommen, so dass sie in jenen Jahren öfters auf den Dank hinwiesen, zu dem sie sich Burgund gegenüber verpflichtet glaubten. Herzog Sigmund von Österreich-Tirol musste erkennen, dass sich seine Lage trotz der Verpfändung nicht gebessert hatte; vielmehr kam zu der Sorge vor den Eidgenossen die Befürchtung hinzu, nun auch die elsässischen Vorlande für dauernd zu verlieren. Burgund -vertreten durch den rücksichtslosen und undiplomatischen Peter von 48 Vgl. Historische Volkslieder, II, S.21ff. - J.Knebel, Diarium, Basler Chroniken, II, S.68ff. -Dierauer, II, S.211 f. 58 Vgl. Dierauer, II, S.93, 112, 147ff., 183ff., 193ff. 258 Hagenbach - bemühte sich nämlich, die Pfandlande mit allen Mitteln damaliger Staatlichkeit in seine geordnete Verwaltung einzufügen51. Das bedrohte nicht nur die recht weitgehende Unabhängigkeit der Untertanen, die sich als Folge der Schwäche Österreichs herausgebildet hatte, sondern beunruhigte auch die übrigen Lande und versetzte vor allem die elsässischen Reichsstädte, von denen Mülhausen mit Bern und Solothurn verbündet war, in grösste Sorge. Herzog Sigmund war allerdings in erster Linie von der burgundischen Haltung deshalb enttäuscht, weil er keine wirksame Unterstützung gegen die Eidgenossen erhielt62. Zwischen den Eidgenossen und Österreich waren zwar seit 1468 Verhandlungen über einen dauernden Frieden in Gang gekommen, aber immer wieder steckengeblieben. Solange noch Hoffnung bestand, das burgundi-sohe Bündnis werde allen Hindernissen zum Trotz Erfolge zeitigen, waren die Österreicher nicht bereit, den eidgenössischen Besitzstand anzuerkennen53. Gleichzeitig waren durch die Vermittlung Herzog Sigmunds Besprechungen zwischen Kaiser Friedrich III. und Burgund eingeleitet worden, die eine Heirat der burgundischen Erbtochter Maria mit dem Sohne des Kaisers, Maximilian, herbeiführen sollten54. Der Burgunderherzog, einer der mächtigsten und der gefürchtetste Fürst Europas, lockte den Kaiser mit der Hand seiner Tochter. Friedrich III. musste die zukünftige Machtorweitorung seines Hauses reizen, ganz abgesehen davon, dass eine Rückkehr der verpfändeten Herrschaften damit gesichert war. Karl der Kühne besass ferner die Macht, die dem Kaiser zu seinen vielfältigen Plänen fehlte, und Karl war nicht völlig abgeneigt, sie gegen die Türken und auch gegen innere Feinde des Kaisers zur Verfügung zu stellen. Die sich für Friedrich eröffnenden Aussichten waren gross, aber auch die burgundischen Forderungen. Als wichtigste Gegenleistung forderte der Burgunderherzog die Wahl zum römischen Könige, zumindest wünschte er aber seine Lande als lehensunabhängiges Königreich zu erhalten. Bevor die beiden Herrscher zu einer persönlichen Begegnung nach Trier reisten, kam Kaiser Friedrich nach Basel. Offensichtlich wünschte er sich persönlich über die Lage am Oberrhein zu orientieren, die mit ihren wachsenden Spannungen das Verhältnis zu Burgund stärker beeinflussen konnte. Nachdem er dem Berner Schultheissen, Adrian von Bubenberg, zu verstehen gegeben hatte, er wünsche einen «ewigen oder lengern friden» zwischen den Eidgenössen und seinem Hause, empfing er in Basel die Gesandten der Eidgenossen mit seltener Zuvorkommenheit. Auf dem 81 Vgl. S. Brauer-Gramm, Der Landvogt Beter von Hagenbach, Göttinger Bausteine z. Gesoh.wiss., XXVII, 1957. 83 Vgl. a.a.O., passim, besonders S.276. - A. Bachmann, Deutsche B,eichsgeschichte im Zeitalter Friedrichs III. und Maximilians, II, S.462ff. 88 Vgl. BA, II, S.321, N.503; S.326, N.515; S. 368, N.586; S.370, N.591; S. 376, N. 603; S.378,N.606;S.380, N.612;S.380ff.,N. 614; S.391,N.617a;S.393,N.618c;S.395,N. 624b; S.452, N.716; S.455, N.717. Bemerkenswert ist das Interesse verschiedener deutscher Fürsten, vor allem der Wittelsbacher, an einem dauernden Frieden. 84 Vgl. Bochmann, II, S.268ff., 273, 286, 291ff. usw. - Brauer-Gramm, S.190ff. 259 Basler Tage stimmte er Verhandlungen über einen ewigen Frieden zu, bestand allerdings noch auf der Rückgabe des Aargaus55. Ohne sich jedoch irgendwie gebunden zu haben, zog der Kaiser nach Trier weiter, wo in wochenlangen Verhandlungen über Wohl und Wehe Europas entschieden wurde. Mit grösster Aufmerksamkeit folgte man überall, besonders in der Eidgenossenschaft, den Besprechungen. Kam eine Vereinbarung der beiden Häupter zustande, wie es längere Zeit schien, war die Eidgenossenschaft von Österreich und Burgund eingekreist und musste schwere Gefahren befürchten. Dem Kaiser konnten dann die elsäs-sischen Wirren, mochten sie noch so sehr Reichsrechte verletzen und die Unabhängigkeit der Städte bedrohen, gleichgültig sein; denn sein Sohn würde ja die gesamte Macht erben. Die Rückgewinnung des Aargaus - ein Hauptziel kaiserlicher Politik seit der Wahl Friedrichs zum römischen König - war damit in greifbare Nähe gerückt. Allerdings war die Möglichkeit, dass Karl der Kühne den Habsburgern über den Kopf wuchs, gebührend in Rechnung zu stellen. Scheiterten die Gespräche, so war ein Konflikt zwischen beiden Mächten nicht ausgeschlossen. Dann konnte ein Bündnis Burgunds mit den Gegnern des Kaisers, vor allem mit dem Pfalzgrafen und den Eidgenossen, die Folge sein. Die Interessen des habsburgischen Hauses erforderten in diesem Falle, dass dem Vordringen Burgunds am Oberrhein ein Riegel geschoben wurde. Dazu war es allerdings notwendig, die Eidgenossen als Bundesgenossen zu gewinnen oder wenigstens doch so weit an Österreich zu binden, dass sie oder ihre Söldner Burgund nicht unterstützten. Auf diese beiden Möglichkeiten, entweder mit Burgund gegen seine Gegner, darunter die Eidgenossen, oder mit den Eidgenossen und ihren Freunden gegen Burgund vorgehen zu müssen, musste sich der Kaiser vor der Zusammenkunft in Trier einstellen. Es entsprach deshalb den kaiserlichen Interessen, wenn in Verhandlungen mit den Eidgenossen ein Friede und ein Bündnis vorbereitet wurden, sei es auch nur, um damit Burgunds Forderungen zu mildern. Nicht nur die Eidgenossen waren durch eine Verständigung beider Fürsten bedroht. Obwohl der Gedanke, Karl den Kühnen zum römischen Könige zu erheben, aus Kreisen stammte, die der Reichsreform nahe, dem Kaiser jedoch feindlich gegenüberstanden, musste eine ganze Anzahl von Fürsten Schlimmstes befürchten, sollte Karl der Kühne als römischer König zum Exekutor kaiserlicher Wünsche werden. Vor allem die Reichsstädte dachten voller Schrecken an eine solche Möglichkeit. Die städte-feindliohe Einstellung Friedrichs hatte sie schon fast völlig von den Reichstagen verdrängt, vermochte aber ihre Freiheit dank den fehlenden Machtmitteln nicht zu unterdrücken. Sie sahen mit wachsender Unruhe die straffe, vor rechtlichen Übergriffen nicht zurückschreckende Verwaltung der 65 "Vgl. EA, II, S.452f., N.716a, sowie Anm. dazu; = STA Bern, Teutaohes Missiven-buch, C, fol. 76f. Dem Regest in den Abschieden ist hinzuzufügen, dass das kaiserliche Ver-mittlungsangcbot sowie weitere nicht genannte Punkte «in grosser geheimbd» erfolgt seien und darin bleiben sollten. Vgl. ferner Brauer-Gramm, S.238. - Baclimcmn, II, S.419f. -Janeschitz-Kriegl, Geschichte der Ewigen Richtung, ZGOR, CV, 1957, S.220ff. Pfandlande, nachdem Karl der Kühne schon vorher durch die erbarmungslose Härte, die er Lüttich gegenüber an den Tag gelegt hatte, weite Kreise Deutschlands in Angst versetzt hatte. Der Kaiser schien nun im Burgunderherzog die fehlende Macht zu finden, um Friedrich den Siegreichen von der Pfalz zur Aufgabe seiner Kurwürde zu veranlassen und andere Widersacher seinen Befehlen zu unterwerfen. Daher widersprachen die Interessen dessen, was man in jener Zeit als Reich empfand, schroff denen des Kaisers und des Hauses Habsburg. In vertraulichen Verhandlungen, deren genauer Inhalt so sehr geheimgehalten wurde, dass über ihren Verlauf noch heute keine Klarheit zu gewinnen ist, rangen Kaiser und Herzog miteinander56. Man nimmt gemeinhin an, die Verhandlungen seien am Widerspruch der Kurfürsten gescheitert. Obgleich dieser Widerspruch und die rechtlichen Schwierigkeiten, die jedoch in erster Linie eine Wahl zum römischen König behinderten, nicht gering veranschlagt werden dürfen, sprechen doch einige Bedenken gegen diese Ansicht. Falls die Verhandlungen allein am kurfürstlichen Widerspruch gescheitert wären, hätte sich doch wohl eine Verstimmung des Kaisers ihnen gegenüber bemerkbar machen müssen, zumal Friedrich III. nur selten auf rechtliche Schwierigkeiten und Reichsinteressen Rücksicht nahm, besonders wenn diese denjenigen seines Hauses zuwiderliefen. Wahrscheinlich haben den Kaiser, der anfangs den burgundischen Wünschen nicht völlig ablehnend gegenüberstand, auch solche Gründe zum Abbruch der Verhandlungen bewogen, die sich mit seiner «österreichischen» Politik vereinbaren lassen. Sollten am Ende neben dem Pfalzgrafen' auch die Eidgenossen eines der Gesprächsthemen in Trier gebildet haben ? Zunächst fällt auf, dass der Kaiser zu den Geheimverhandlungen nur solche Räte beizog, die schon mehrfach eidgenössische Angelegenheiten bearbeitet hatten57. Wichtiger erscheint es jedoch, dass Herzog Sigmund in der gleichen Zeit durch eine Gesandtschaft und durch seinen Vetter dem Burgunderherzoge die Frage vorlegen liess, ob er sein Versprechen, Österreich gegen die Eidgenossen wirksam zu unterstützen, einhalten wolle. Nachdem die Gesandten während der ganzen Tagung auf Bescheid gewartet hatten, gab ihnen Karl wenige Tage vor dem endgültigen Scheitern unmissverständlich zu verstehen, dass er in absehbarer Zeit nicht 58 Vgl. Heimpel, Karl der Kühne und Deutschland, Elsass-Lothringisches Jb., XXI, 1943. - Bachmann, II, S.421ff. " An den geheimen Verhandlungen zu Trier nahmen nur die kaiserlichen Räte Haug von Werdenberg, von Montfort, Rudolf von Sulz, Hans Rebein und Fiskal Keller teil. Diese, besonders die Adeligen, hatten sich schon mehrfach mit eidgenössischen Angelegenheiten befasst. Die Adeligen gehörten ihrer Herkunft aus dem Hegau nach zu erbitterten Gegnern der Eidgenossen und standen auch in eigener Sache den Eidgenossen feindlich gegenüber. So treffen wir zu Beginn des Streites zwischen Bilgeri von Heudorf und Schaffhausen bei Sohlichtungsverhandlungen Rudolf von Sulz, der anscheinend Österreich und Heudorf vertrat. Da in diesen Verhandlungen erstmals von einer «durchgehenden» Richtung zwischen Österreich und den Eidgenossen gesprochen wurdo, sind sie noch besonders bedeutsam (vgl. EA, II, S. 368, N. 586). Vgl. Kraus, I, S. 545ff., besonders S. 550. - Bachmann, II, S.438. - Auch F. Wiedemann, Die Reichspolitik des Grafen Haug von Werdenberg in den Jahren 1466-1486, Diss. Greifswald 1883. 260 261 gegen die Eidgenossen zu fechten gedenke58. Der Krieg gegen die Eidgenossen war nun nicht nur ein Ziel Sigmunds, sondern auch des Kaisers, der seit langem seinem Hause den Aargau zurückgewinnen wollte. In den Augen Friedrichs III. musste die Weigerung Burgunds, die Eidgenossen zu bekriegen, noch erhöhtes Gewicht erhalten, da sie zu erkennen gab, dass er sich nicht bedingungslos auf die Hilfe Karls gegen seine Feinde verlassen konnte. Sollte diese Ablehnung auch in den geheimen Verhandlungen ausgesprochen worden sein, könnte sie den kaiserlichen Entschluss, die Unterredung zu beenden, wesentlich mitbestimmt haben. Diese Vermutung wird ferner durch die Reaktion Karls des Kühnen auf die Absage der Eidgenossen gestützt. Seine Empörung über den Fehdebrief der «Bauern» erwuchs wohl kaum allein aus dem Adelsstolz. Selbst wenn man der ein halbes Jahr zuvor erfolgten Hinrichtung Hagenbachs einen Anteil beimisst, vermögen die Ereignisse am Oberrhein, für die in erster Linie Herzog Sigmund die Verantwortung trug, den Hass Karls nicht ganz zu erklären. Da im entscheidenden Augenblick sowohl der Herzog als auch sein Landvogt den Eidgenossen immer wieder entgegengekommen war, war das Verhältnis der Eidgenossen zu Burgund recht freundschaftlich gewesen, mochte auch Peter von Hagenbach seinem Hass wider die Eidgenossen oft genug Ausdruck verliehen haben. Nichts deutet darauf hin, dass Karl der Kühne beabsichtigte, sich in absehbarer Zeit gegen die Eidgenossen zu wenden. Falls sich Karl gegenüber dem Kaiser weigerte, gegen die Eidgenossen zu fechten, und falls diese Weigerung am Scheitern der Verhandlungen Anteil hatte, wäre Karls Erbitterung, die ihn alle andern politischen Pläne vertagen Hess, gründlich motiviert59. Einige Zeit nach der Zusammenkunft in Trier traten die Verhandlungen um die Ewige Richtung in ihr entscheidendes Stadium. Obwohl der Kaiser nicht mehr direkt daran teil nahm, stand er doch für alle BeteiHgten im Hintergrund, zumal er in Alwig von Sulz einen Beobachter nach Konstanz sandte, der ihn offensichtlich laufend orientierte80. Auf Grund der jahrelangen Vorbesprechungen kam man recht schnell voran. Nur um wenige Punkte, vor allem um den Geltungsbereich des Vertrages, entbrannte erbitterter Streit. Herzog Sigmund wollte nur sich und seine Leibeserben ver^ pflichtet wissen, während die Eidgenossen das Gesamthaus einbeziehen wollten. Es erscheint nicht als ausgeschlossen, dass die Österreicher diese Bestimmung auf ausdrücklichen Wunsch des Kaisers forderten, dessen Handlungsfreiheit auf diese Weise gewahrt blieb, während sie Herzog Sigmund eher gleichgültig sein konnte. Die Auslösung der Pfandlande wurde schon bei diesen Verhandlungen in Betracht gezogen. Da die Eidgenossen dabei helfen wollten und sollten, musste dieser Punkt für den Kaiser von erheblichem Interesse sein, weil damit Burgund ein Gegner erwachsen konnte, 58 Vgl. Monumsnta Habsburgica, I, 1, S.45ff., N.llj S.49ff., N.12, sowie S.82ff., N.18, und S.87ff., N. 19. - Jancschitz-Kriegl, S.412f. 18 Vgl. Brauer-Gramm, S. 203. -08 Vgl. Janeschite-Kriegl, S.4.30. dessen Stärke die Österreicher am besten zu beurteilen vermochten. Solange Friedrich selber nicht in diese Angelegenheiten hineingezogen wurde, konnte ihm nach dem Scheitern der Verhandlungen eine Verfeindung beider Mäohte nur recht sein, selbst wenn sein Tiroler Vetter vorerst auf der Seite seiner Feinde zu stehen kam. Wurden die Eidgenossen und Burgund zu Gegnern, so konnte Friedrich eher ein Entgegenkommen in der Heiratsfrage erwarten; zugleich näherte er sich auch dem Ziel seiner eidgenössischen Politik, den Aargau mit burgundischer Hilfe zurückzugewinnen. Nur musste er vermeiden, dass die Eidgenossen Argwohn schöpften, Burgund eines Tages, vom Kaiser, Österreich und ihren Verbündeten verlassen, allein gegenüberzustehen. Adrian von Bubenberg, der neben Nikiaus von Diesbach die diplomatischen Vorhandlungen - vor allem mit Burgund und dem Kaiser - führte, scheint diese Gefahr erkannt zu haben. So sehr er für den Abschluss der Ewigen Richtung eintrat, wünschte er die Erhaltung der burgundisohen Freundschaft. Doch trauten sich die Berner, die den Österreichern nicht weniger Misstrauen als die inneren Orte entgegenbrachten, unter Dies-bachs Leitung zu, das gefährliche Spiel mit dem Kaiser aufzunehmen. Vorsichtshalber traten sie allerdings energisch für eine weitere Rückversicherung durch das Bündnis mit Frankreich ein. Obwohl ihnen an der Abwendung der burgundischen Umklammerung, die durch den drohenden Anschluss Savoyens noch verstärkt wurde, sehr gelegen war, handelten sie vorsichtig und waren nicht bereit, auf Grund der \ Unterzeichnung der Ewigen Richtung und des Abschlusses der niederen y Vereinigung im Eisass militärisch einzugreifen. Bevor sie mit Burgund brachen, bestanden sie darauf, dass die Richtung auch «vollzogen» werde, mochte sich auch inzwischen das Eisass selber befreit und der Kaiser wegen der Belagerung von Neuss den Reichskrieg gegen Karl den Kühnen erklärt haben. Vielmehr schien es noch im August, als ob Österreich nicht auf die Hilfe der Eidgenossen zählen könne. Diese Vorsicht war schon deshalb ratsam, weil Ludwig XI., dem die strittigen Fragen als letztem der vielen Vermittler vorgelegt worden waren, entgegen den Erwartungen Herzog Sigmunds eindeutig zugunsten der Eidgenossen entschieden hatte. Wie sie verlangt hatten, dehnte der französische König die Geltung des Vertrages auf das Gesamthaus Habsburg aus. Auf legale Weise war es nun nicht mehr möglich, die Rückerstattung des Aargaus zu fordern. Deshalb war Herzog Sigmund über diesen Entscheid entsetzt und wollte nicht darauf eintreten. Diese Wendung dürfte vor aUem jedoch dem Kaiser höchst ungelegen gewesen sein, da sie vermutüch seinen Plänen in die Quere kam. In dieser Lage suchte Herzog Sigmund einen Rückhalt beim Kaiser, von dem er die Zustimmung zur Ratifikation oder einen formeüen Protest gegen die veränderten Bedingungen wünschte61. Aber Friedrich III. begnügte sich mit einem Schreiben 81 Vgl. Mon.Habs., I, 2, S. 160ff. - Jameschitz-Kriegl, S.447Í". - Bachmann, II, S.490. -Sowie EA, II, S. 510. 262 263 an den Herzog, das Sigmund alle Verantwortung zuschob, jedoch auch als Zustimmung zum Abschluss des Vertrages gedeutet werden konnte, zumal er gleichzeitig an die Eidgenossen schrieb und ihnen befahl, seinen Vetter gegen Burgund zu unterstützen62. Da im Eisass der Krieg mit Burgund praktisch schon ausgebrochen war, den Österreich ohne Hilfe der Eidgenossen nicht führen konnte, blieb Herzog Sigmund nichts anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Nach einigem Zögern ratifizierte er anfangs Oktober die Ewige Richtung, wobei jedoch einige Vorbehalte - vor allem den Geltungsbereich des Vertrages betreffend - dem französischen König nochmals vorgelegt werden sollten. Ein anderer Weg blieb ihm bei dieser Lage kaum mehr übrig, es sei denn, er wollte sich zwischen die Stühle setzen. Der Kaiser war über diesen Gang der Entwicklung, in die er einzugreifen verschmäht hatte, weniger erfreut; denn in der Folge nehmen die Spannungen zwischen den Vettern merklioh zu63. Schon Monate zuvor hatte Karl der Kühne in den Kölner Bistumsstreit eingegriffen und die Stadt Neuss zu belagern begonnen. Das löste bis nach Lübeck hinauf panikartige Stimmung aus. Falls der Kaiser das Heiratsprojekt wieder aufnehmen wollte, wie das zu Trier beschlossen worden war, konnte er nur wenig Interesse daran haben, Karl den Kühnen noch mehr zu verärgern. Dennoch fand sich Friedrich III., der sich um den Einfall der Armagnaken überhaupt nicht gekümmert hatte, binnen recht kurzer Frist und ohne Beachtung der üblichen rechtlichen Regeln bereit, ein Reichsaufgebot zu bestellen und den Reichskrieg gegen Karl den Kühnen zu erklären01. Mögen dabei auch die ihn beratenden Fürsteh eine wichtige Rolle gespielt haben, so muss man sich doch fragen, was den «österreichischen» Kaiser zu so schnellem Handeln veranlasste. Waren das nur Rücksichten auf seinen Vetter, der auf diese Weise das Eisass leichter zurückgewinnen konnte, oder beeinflusste gar die öffentliche Meinung das Handeln des Kaisers, oder sollten sich dahinter noch andere Gründe verborgen ? Es gingen nicht nur Aufgebote nach Neuss hinaus, sondern auch Mahnungen an Fürsten und Städte - darunter auch an die Eidgenossen -, die eine Unterstützung Herzog Sigmunds im Eisass befahlen05. Weder diese Schreiben noch Mahnungen der Niederen Vereinigung und Österreichs vermochten die Eidgenossen zum Auszug gegen Burgund zu bewegen06. Erst als Kaiser Friedrich seinen Rat Rudolf von Sulz mit der formellen Mahnung zum Reichskrieg sandte67, und nachdem Herzog Sigmund die Ewige Richtung ratifiziert hatte, trug die Tagsatzung, die am •2 Vgl. EA, II, S.BIO, N.760d5; = Mon.Habs., I, 2, S.169f. - Dierauer, II, S.216ff. a3 Vgl. Bachmann, II, S. 580. - Dierauer, II, S. 217ff. 11 Am 29. VII. begann die Belagerung und schon am 27.VIII. erfolgte das kleine Aufgebot, nachdem der Kaiser sich mit der Angelegenheit schon einen Monat befasst hatte. Vgl. Bachmann, II, S. 482f. - Kraus, I, S. 562f. "5 Vgl. EA, II, S.501, N. 756; S.510, N.760d5; S.519, N.769. " Vgl. EA, II, S. 499, N. 765 w. - Vgl. Schilling, I, S. 171ff. " Vgl. EA, II, S. 501, N. 756. 1 v> gleichen Tage die Ewige Richtung besiegelte und auf Berns unablässiges Verlangen dem Bündnis mit Frankreich zustimmte, Bern auf, Karl dem Kühnen den Absagebrief zu senden68. Dieses Dokument bezeichnet die Eidgenossen ausdrücklich als «helffer» des Kaisers, des Reichs, des Herzogs von Österreich und der Niederen Vereinigung09. Wenn man diese von der Tagsatzung geforderte Formulierung als Vorwand betrachten will, dann verfolgte sie den Zweck, ein Abschwenken der eidgenössischen Bundesgenossen zu verhindern oder doch zu erschweren. Doch kann dieser Wortlaut nicht nur Vorwand gewesen sein. Mit der Absage an Karl den Kühnen hatten die Eidgenossen mit Burgund gebrochen. Als sie mit dem Zug gegen Hericourt auch noch in burgundisches Gebiet eingefallen waren, konnte Kaiser Friedrich seinen Plan, die Eidgenossen und Burgund miteinander zu verfeinden, als gelungen betrachten. Hatte er sich noch kurz zuvor sehr erfreut über den Zug gegen Burgund ausgesprochen, so tönte es nun ganz anders. Vorerst bestand er auf einer Hilfe der Oberländer bei Neuss, da er behauptete, der Abbruch des Zuges gegen Burgund wegen des Winters habe die Lage vor Neuss verschlechtert70. Von nun an waren für ihn der Neusser Krieg und die oberrheinischen Konflikte gesonderte Angelegenheiten. Der Reichskrieg gegen Karl den Kühnen wurde auf Grund der allgemeinen Angst vor dem Herzoge zu einem Erfolge. Relativ schnell kamen grössere Kontingente zusammen, die einen Entsatz der belagerten Stadt ermöglichten. Gleichwohl ging Friedrich sehr vorsichtig zu Werke und bemühte sich, nichts Entscheidendes gegen den Burgunderherzog zu unternehmen. Vielmehr schloss er zum Missfallen weiter Kreise schnell mit ihm Frieden71. Dem Herzog weit entgegenkommend, liess er dabei den Herzog von Lothringen, die Eidgenossen und ihre Verbündeten am Oberrhein im Stich, mochten sie auch als «helffer» des Kaisers und auf Grund kaiser: hoher Mahnungen den Krieg begonnen haben. Seinem Vetter räumte der Vertrag zwar noch das Recht ein, unter Rückgabe der Pfandschaft dem Frieden beizutreten. Darauf konnte Herzog Sigmund nicht mehr eintreten, wenn er sein Gesicht wahren wollte. Wenn nicht schon wesentlich früher, so sah der Kaiser jetzt seine grosse Stunde kommen. Er brauchte nun nicht mehr um einen Krieg Karls gegen die Eidgenossen bitten. Sein Heiratsprojekt und Bündnisverhandlungen wurden wieder aufgenommen. Nachdem die Niederlage von Grandson dem burgundischen Ansehen einen schweren Schlag versetzt und die hochfahrenden Träume eines unabhängigen Königreichs Burgund stillschweigend 68 Vgl. EA, II, S. 513f., N. 762c, e. - Schilling, I, S. 174. - Dierauer, II, S. 218. - K.Dänd-liher, Ursachen und Vorspiel der Burgundorkriege, S. 68. " EA, II, S. 615, N. 764. - vgl. Dierauer, II, S. 218. - Dändliker, Ursachen, S. 68. '» Vgl. EA, II, S.519, N.769f. - Mon.Habs., I, 1, S.170«. - Ferner; EA, II, S.526, N.777e; S. 527, N.779e; S. 529f., N.780c,m; S. 534, N.783b; S.538, N.788a; S.556, N. 803 f -Knebel, S.112f., 129 usw. - Schilling, I, S.195ff., 176. 71 Vgl. EA,II, S.571, N. 820.-Kraus, I, S.669ff., 582[.-Dierauer,II, S.228. - Bachmann, II, S.526ff. 264 265 begraben hatte, waren die Verhandlungen wesentlich erleichtert worden. Der Kaiser war bereit, auch dem geschlagenen Herzog entgegenzukommen; denn nun konnte er davon träumen, seine aargauischen Erblande zurückzuerhalten. Wenige Tage vor der Schlacht bei Murten kamen die Verhandlungen der kaiserlichen Gesandten mit Karl dem Kühnen zum Abschluss'2. Die langersehnte Heirat war beschlossen und ein Bündnis beider Mächte weitgehend vorbereitet. Um dem Burgunder seine Hilfe zu bezeugen, gingen Mahnungen an die Reichsstände hinaus, die ihnen strikt verboten, die Verbündeten am Oberrhein zu unterstützen73. Durch Vermittlungsangebote stiftete Friedrich auch unter den Verbündeten einige Verwirrung, da diese immer noch an der Meinung festhielten, für den Herzog Sigmund und das Reich zu fechten74. So waren die meisten eidgenössischen Orte nicht bereit, Bern schon im Waadtland zu verteidigen; denn eine Verteidigung der Eroberungen in der Waadt würde sie aus «helffern» zu «houptsächern» machen75. Selbst die Berner vertraten diese Ansicht noch acht Tage vor der Schlacht bei Murten in einem Schreiben an Frankfurt: «Wir hoffen, denselben (Karl den Kühnen) unnsern eidgnosen und zugewandten allen und darnauch gemeiner Tutscher nation, die er us gantzer begird mitt siner grimmikeit gern vertilgen wolt, dero vorwächter wir ouch jetz sind, abzuladen76.» So wenig man die machtstaatliohen Interessen Berns und der Eidgenossen an einer Verringerung der burgundischen Umklammerung unterschätzen darf, so wenig darf man diese Behauptung als Propaganda abtun. Vieles spricht für die Ehrlichkeit dieser Aussagen. Durch Karl den Kühnen und seinen burgundischen Staat waren die Eidgenössen, die elsässischen Städte, ja Deutschland überhaupt mit Methoden neuzeitlicher Staatlichkeit in Berührung gekommen. Am Beispiel Lüttichs und der elsässischen Städte hatte man überall erkannt, dass Burgund und seine Verwaltung Prinzipien mitbrachten, die sich mit der überlieferten Ordnung nur schwerlich vertragen konnten. Hier bestimmten alte Rechte, Freiheiten und Gewohnheiten, gleichsam vielfältige Rechtsordnungen, das öffentliche Leben, während dort nur ein einziges Recht, das der «Hoheit» des Herzogs und seines Staates zur alleinigen überragenden Geltung erhoben wurde. Wie wir oben sahen, machte die hergebrachte Rechtsordnung, die Freiheiten, einen wesentlichen Teil dessen aus, was man in jener Zeit unter dem heiligen römischen Reiche verstand. Auf der Geltung der Freiheiten und Privilegien, deren Schutz als eine wichtige Aufgabe des Kaisers betrachtet wurde, beruhte in erster Linie die Selbständigkeit der Reichsstädte, denen es an realer Macht fehlte, Übergriffen eines mächtigen, rücksichtslosen Fürsten zu widerstehen. Sollte das Beispiel Karls des Kühnen Schule machen, so war wirklich das, was die Städte unter dem Reiche verstanden, 72 Vgl. Bachmann, II, S. 559/60, 589ff. 'a Vgl. Knebel, S.279ff„ 311, 343, 348. - Kraus, I, S.586. 74 Vgl. Bachmann, II, S.558, 561«. - Dierauer, II, S. 256. 76 Vgl. BA, II, S.538, N.788; S.683, N.838b. - Schilling. 78 Janssen, II, S.376. ernsthaft gefährdet. Vorerst drohten zwar nur die elsässischen Städte und Savoyen «vom heiligen römischen Reiche gedrängt» zu werden, wie man damals den Verlust der Selbständigkeit zu umschreiben pflegte. Wenn man ein zukünftiges Zusammengehen von Kaiser und Herzog in Rechnung stellte, so waren sehr bald auch die Städte und kleineren Mächte gefährdet. Sollte sieh der Herzog als getreuer Gefolgsmann des Kaisers erweisen, dann konnte eines Tages die Zweiheit von Kaiser und Reich auf die Einheit des Kaisers reduziert werden. Damit war auch die Freiheit der deutschen Nation und ihr Vorrecht, den Kaiser zu wählen, in Frage gestellt. Wie schon auf Grund der weiten Verbreitung dieser Ansichten geschlossen wurde, waren die Eidgenossen ernsthaft der Meinung, neben ihren eigenen Interessen wieder einmal die des heiligen römischen Reiches zu vertreten, selbst wenn sie dabei dem Kaiser entgegentreten und sich mit dem französischen König verbünden mussten. Auf den Ernst ihrer Ansichten weist ferner die Haltung des Leiters der bernischen Politik im Twingherrenstreit hin. Thüring Frickers Bericht lässt deutlich erkennen, dass für Nilclaus von Diesbach Kaiser und Reich noch viel zu verehrungswürdige Begriffe waren, um hinter ihrem Schilde eigene Machtpolitik zu verbergen77. Wenn man auch mehrfach versuchte, - wie Schilling berichtet - die Eidgenossen zu «houptsächern» zu machen, hielten die Eidgenossen an ihrer Auffassung, für die Freiheit der elsässischen Städte, für Österreich und die deutsche Nation zu fechten, auch noch fest, als die Hauptlast des Krieges auf ihren Schultern lag und es zwecklos war, einen «Vorwand» noch länger aufrechtzuerhalten78. Neben den Verhandlungen über die Verteilung des Landgewinnes beim Friedensschluss lässt sich das am eindrücklichsten am Oberbefehl der Truppen in .der Entscheidungsschlacht gegen Karl den Kühnen demonstrieren79. Obwohl die Eidgenossen in ihren Schlachten keinen eigentlichen Oberbefehlshaber kannten, stand doch immer einer der Hauptleute dem Kriegsrat vor und überwachte die Ausführung der dort gefassten Beschlüsse. Nur in seltenen Fällen kennen wir die Person dieses Leiters. Der Basler Johannes Knebelnennt denMann, der die Schlacht bei Murten auf diese Art leitete80. Da sich die Schlacht schon in ihrer Anlage von den meisten der Sehlachten der Eidgenossen unterschied, kam dem Manne, der den Kriegsrat präsidierte, erhöhte Bedeutung zu. Obgleich die Eidgenossen die Hauptmasse der Truppen stellten und kriegsgewohnte und fähige Hauptleute genug besassen, vertraute man diesen wichtigen und ehrenvollen Posten keinem Berner und keinem andern Eidgenossen an, sondern einem in österreichi- 77 Vgl. Twingherrenstreit, QSG, I, besonders S.29ff. Man vergleiche auch die Haltung seines Vetters, Wilhelms von Diesbach, zur Zeit des Schwabenkrieges, der als Exponent der Reichstradition in der Eidgenossenschaft botrachtet wird. Vgl. Dierauer, II, S. 384. 78 Schilling, I, S. 137, 134 usw. 71 Schilling II S.281 ff., bes. S. 282,35 f., 284,40; = EA III, 1 S. 706 ff. (1484). 80 Vgl. R.Luginbuhl, Gab es in der Schlacht bei Murten auf der Seite der Schweizer und ihrer Verbündeten einen Oberanführer ?, Jb.f.Schweiz.Gesch., XXXI, 1906. - A.Schoop, Die Frage des Oberkommandanten in der Sohlacht bei Murten, Allg. Schweiz. Militärzeitung, 1942. 266 267 sehen Diensten stehenden schwäbischen Adeligen aus altem und.angesehenem Geschlecht: Wilhelm Herter von Hertenegg. Das ist doch wohl nur damit zu erklären, dass die Eidgenossen in den ontscheidensten Stunden des ganzen Krieges noch demonstrieren wollten, dass sie nicht die eigentlichen Gegner des Herzogs von Burgund seien. In einem Augenblick, da alles auf dem Spiele steht, nimmt man jedoch auf keinen Vorwand mehr Bücksicht. Die Burgunderkriege können also auch als Krieg der Eidgenossen für die Interessen des Reiches betrachtet werden. Sie lassen in einzigartiger Weise erkennen, wie sehr Reichsinteressen und kaiserliche Politik in jener Zeit einander widerstreben konnten. Obwohl man vermuten sollte, dass die Eidgenossen, die noch Jahrzehnte später stolz auf ihre grossen Leistungen für das heilige römische Reich und die deutsche Nation hinwiesen, die Haltung Friedrichs als Verrat brandmarkten, findet sich nur selten ein kritisches Wort angedeutet. Mit vornehmer Zurückhaltung übersahen sie die Gehässigkeiten des Kaisers. In ihren amtlichen Chroniken werden sogar Fakten, wie die Verhandlungen des Kaisers in Lausanne einschhesslich den Vereinbarungen über die Heirat Maximilians mit Maria von Burgund unterdrückt. Nur die süddeutschen Reichsstädte, von denen Nürnberg wegen der eidgenössischen Hilfe in seinem Kriege gegen Albrecht Achilles besonders genannt wird, werden wegen ihres Beiseitestehens getadelt81. Ausserhalb der Eidgenossenschaft liess man seinem Groll gegen Friedrich freieren Lauf. So wurde in Basel ein Libell gegen den Kaiser, den päpstlichen Legaten, der den Frieden zwischen Friedrich und Karl dem Kühnen vermittelt hatte, und den Markgrafen Albrecht Achilles von Brandenburg, den Führer des Reiohsaufgebotes und Berater des Kaisers, angeschlagen. Sein Inhalt muss schwerwiegend gewesen sein, denn der Rat liess den Urheber trotz anderen Sorgen und trotz dem Gegensatz zum Kaiser suchen, um ihn wegen Majestätsbeleidigung vor Gericht zu stellen82. Der Basler Kaplan Johannes Knebel, ein Schüler und Freund Peters von Andlau, die beide als hervorstechende Vertreter reichsstädtischer Reichsauffassung zu gelten haben, vertraute bald nach dem Friedensschluss des Kaisers mit Karl dem Kühnen seinem Tagebuch ein Urteil über Friedrichs Haltung an, das sich von den eidgenössischen Äusserungen krass unterscheidet: «Ipse (Friedrioh), ut timeo, tenet partem cum Thurcis (gegen Matthias Corvinus) et partem cum Burgundo, ut utrobique Oristianus populus infestetur et pereat et non fiat resistencia hereticis et paganis83.» So wagten die Eidgenossen nicht einmal während des Schwabenkrieges über den Kaiser zu sprechen. 81 Vgl. z.B. Schilling, I, S.363. 88 Knebel, Basier Chroniken II, S. 320f. 83 Knebel, S.392, der noch viele ähnliche Äusserungen enthält. III. Die Eidgenossen und die Reichsreformbestrebungen Um die Haltung städtischer Kreise zu den Reichsreformbestrebungen kennenzulernen34, sind wir in erster Linie auf kritische Äusserungen über den Zustand des Reiches und die königliche Politik angewiesen. Solche Äusserungen fehlen, wie wir sahen, in der Eidgenossenschaft fast vollkommen. Diese Besonderheit findet mehr oder weniger ihre Erldärung in der österreichischen Polemik, die Eidgenossen handelten gegen das Reich; denn die Eidgenossen hätten mit kritischen Äusserungen nur ihren Feinden neue Handhaben zu ihren Verunglimpfungen geliefert. Daraus zu schlies-sen, dass die Eidgenossen an den Reichsreformbestrebungen keinerlei An-' teil genommen hätten, ist mindestens gewagt, obwohl sicher ist, dass sie l an den Reichsreformbestrebungen geringeren Anteil als andere Reichs- £ stände nahmen, weil für die Eidgenossenschaft die Misstände nicht so 3$, fühlbar waren wie für weniger mächtige Territorien. Obwohl keine Reform-ä wünsche von eidgenössischer Seite vorgebracht wurden, lassen einige An- % zeichen vermuten, da$s die Reform des Reiches, die eigentlich von der |< Kirchenreform kaum zu trennen ist, auch von Eidgenossen diskutiert 'i wurde. Selbstverständlich betreffen diese wenigen Andeutungen nur die ff Reformbestrebungen, wie sie von den Reichsstädten ausgingen. *' nicht, um nur nach Aussen ihr Gesicht zu wahren, sondern aus tiefster Überzeugung heraus112. Die deutschen Beiehsstande zeigten selten Ver-_ j ' stendnis^für die schwierige Situation, in der sich die Eidgenossen zwischen den mit Geld beladenen französischen Werbungen und der von ihnen im i llahmen der althergebrachten Freiheiten voll anerkannten, aber nur mangelhaft belohnten Dienstverpflichtnngen gegenüber dem Beiohe befanden. Maximilian scheint die Haltung der Eidgenossen, wenigstens zeitweilig, eher anerkannt zu haben; denn sonst wäre er wohl kaum so oft den eidgenössischen Wünschen entgegengekommen. Mit seinen Landsknechten hatte der König auch genug Sorgen, da auch diese in fremde JDienste liefen, ohne auf die Wünsche der Obrigkeit Rücksicht zu nehmen. -r±~ I Obwohl sich die Eidgenossen nicht zu einem Bündnis mit Maximilian ent-^schliessen konnten, sondern die Vereinigung mit Frankreich erneuerten,-obwohl sie die Reformbeschlüsse für sich nicht anerkennen wollten, sondern vom König die Aufhebung ergangener Achturteile forderten, waren beim j Ausbruch des Schwabenkrieges praktisch alle Streitigkeiten, die meist ' 110 Man vergleiche dazu besonders die Empörung der Eidgenossen, als Frankreich 1507 mit eidgenössischen Truppen Genua — das als Reichsstadt galt — nahm, obwohl ihnen zugesichert worden war, dass die Truppen nicht gegen das Reich eingesetzt werden sollten. Dieses Ereignis hat die Verhandlungen des Konstanzer Reichstages wesentlich bestimmt und die Lösung der Eidgenossen von Frankreich stark beeinflusst. Vgl. Anshelm, III, S. 14.-Brennwald, II, S. 512. 111 Man vergleiche aber auch das Verhalten deutscher Landsknechte, das sich von dem ihrer schweizerischen Konkurronton durch nichts unterscheidet. 112 Das zeigen vor allem die Beteuerungen Frankreichs und anderer Mächte, dass sie nicht im entferntesten im Sinne hätten, etwas gegen das Reich zu unternehmen. Wenn die j Eidgenossen darauf nicht so entscheidenden Wert gelegt hätten, wären diese Argumente , - weniger häufig benutzt worden und ständen nicht so im Vordergrund der Diskussion. Man vergleiche Brennwald oder Anshelm. ' 279 iit noch aus der Zeit Friedrichs III. stammten, beigelegt oder doch so geregelt, dass sie den Eidgenossen keine Nachteile braohten113..Dennoch kam es zum Kriege, der seit dem Borschacher Klosterbrugh vermieden worden war, obgleich damals und in der Folge trudln- < ■Winde für oine lniliUirUche Ajis^amtosetzung yorhanden waren. Die zeitweilig sehr bedrohliche Situation der Jahrzehnte nach dem Burgunderkriege hatte breiteste Kreise sowohl innerhalb der Eidgenossenschaft als auch im Gebiete Österreichs und des Schwäbischen Bundes auf einen Krieg vorbereitet und auf beiden Seiten fehlte es nicht an Leuten, die wie die geächteten Räte das Volk aufhetzten. In diesen Jahrzehnten pflegte man überall grösste Pläne zu schmieden und auszusprechen, mochte die reale Ausführung noch so unwahrscheinlich sein, und mochte auch das Geld zu den allernotwendigsten Aufgaben fehlen. Gleichzeitig lebte klein und gross unter ähnlich phantastischen Ängsten. Der Kaiser befürchtete, dass der französische König sich zum Kaiser krönen lasse; die Eidgenossen hatten Angst, es bereite sich eine allgemeine Koalition der Grossmächte gegen sie vor. Wenn eine Stadt ihre Selbständigkeit verlor, sahen alle Städte weit und breit ihre Freiheit bedroht. Die hochfliegenden Träume und völlig unsinnig erscheinenden Ängste treffen wir um die Jahrhundertwende nicht nur auf politischem Gebiet. Sie sind nur ein schwächerer Abglanz der geistigen Situation der Zeit, die von grossartigen Reformgedanken und Angst vor dem nahenden Weltende bewegt wurde. Diese geistige Situation haben wir sicherlich auch zu berücksichtigen, wenn wir die erbitterten Wortgefechte und die innere Beteiligung breitester Schichten der Bevölkerung verstehen wollen. Zu der scharfen Polemik, die schon einige Zeit vor Ausbruch des Krieges zwischen den Eidgenossen und ihren Gegnern im Schwabenkrieg wütete, haben die geächteten Räte und ihre Widersacher im Lager des schwäbischen Bundes beigetragen. Da die Reichsstädte und eine ganze Anzahl kleinerer Territorialherren die Reformbeschlüsse weniger aus eigenem Antriebe annahmen, dürften sie auf die Eidgenossen voller Neid geblickt haben, die in der gleichen Zeit durch Kriegsdrohungen die Aufhebung der Varnbühlers wegen über St. Gallen verhängten Reiohsacht erzwangen. Da alle Eidgenossen seit König Sigmund weitgehende Privilegien be-i sassen, die sie von fremden Gerichten und Appellationen befreiten, anerkannten sie schon unter Friedrich III. die Entscheide des kaiserlichen I Kammergerichtes, das unter Friedrich neu errichtet worden war, nicht, zumal Friedrich III. dies Gericht mehrfach in rechtlich anfechtbarer Weise gegen sie benutzt hatte. Auf Grund ihrer Machtstellung verlangten sie eine Interpretation dieser Privilegien, die der für die Fürsten üblichen entsprach, welche nur vor der Person des Kaisers zu Recht zu stehen hatten. Maximilian anerkannte zum grossen Bedauern vieler Reichsstände die eidgenössischen Appellationsprivilegien und lud die Streitparteien vor sich zur Entscheidung. «3 Vgl. Dicrauer, II, S.295, 334f., 363ff. - BA, III, 1, pasaim. Die Eidgenossen waren sich mit den Burgunderkriegen ihrer Grossmachtstellung bewusst geworden, und die grossen Mächte hatten diese Stellung anerkannt. Entscheidend hatte aber zur Trennung der Eidgenossen von den städtischen Interessen beigetragen, dass die süddeutschen Reichsstädte den Eidgenossen in den Burgunderkriegen keine Hilfe geleistet hatten, so sehr die Orte auch darum gebeten hatten114. Ferner vollzog sich unter Friedrich III., der häufig nur die mit ihm befreundeten Reichsstände zu Reichstagen geladen und die Reichsstädte völlig auszuschliessen angestrebt hatte, die Trennung des Reichstages in drei Stände, die die Bedeutung der Reichsstädte stark verminderte. Da die Eidgenossen wie die Reichsstädte von Friedrich fast nie zu Reichstagen geladen worden waren, erschienen dort nun nur noch selten eidgenössische Vertreter. Meist scheinen sie - ihrer Machtstellung entsprechend - wie fremde Fürsten und bedeutendere Reichsglieder durch besondere Gesandtschaften die sie speziell angehenden Fragen verhandelt zu haben, ohne als Mitglieder des Reichstages an den Sitzungen teilzunehmen. In der ständischen Gliederung des Reichstages war für die Eidgenossen kein Platz mehr, der ihrer Machtstellung entsprach. Auf Grund ihrer politischen Bedeutung hätten die Eidgenossen mindestens einen Sitz im Kurkolleg beanspruchen dürfen. Deshalb betrachteten es die oberen Stände und der Kaiser als notwendig, mit den Eidgenossen gesondert zu verhandeln. Besonders Maximilian kam es sehr gelegen, mit den Eidgenossen direkt zu verkehren; denn er konnte sie auf diese Weise sich persönlich verpflichten, ohne dabei auf die Forderungen des Reichstages und der Reform-freunde Rücksicht zu nehmen. Das erbitterte aber Reformfreunde wie den Erzbischof Berchtold von Henneberg sehr, denn er konnte den König dadurch weniger zur Durchführung der Wormser Beschlüsse zwingen. Wenn er den Eidgenossen Reichsfeindschaft vorwarf, meinte er damit vermutlich auch die direkten Verhandlungen der Eidgenossen, weil er ihre Unterstützung gegen den König wünschte. Da die Reform des Reiches eine recht populäre Angelegenheit war, wenn auch jeder etwas anderes darunter verstand, mag die Haltung der Eidgenossen zu den Wormser Beschlüssen auch einen Anteil an den scharfen Gegensätzen gehabt haben. Doch dürfte die Reichsreform die gereizte Volksstimmung nur geringfügig beeinflusst haben. Anders dürfte es sich mit der Freundschaft der Eidgenossen zu Frankreich verhalten haben, da im ausgehenden 15. Jahrhundert lebhafte nationale Regungen auftraten. Durch die burgundische Erbschaft war Frankreich zum Hauptfeind Maximilians geworden und griff bald danach erstmals in grösserem Ausmass in Italien ein. Damit wurde der Gegensatz Maximilians zu Frankreich auch zu einem Gegensatz des Reiches zum westlichen Nachbarn. Die Eidgenossen stellten dem französischen Könige Truppen, der als Gegner des Reiches betrachtet wurde, und dem man sogar das Streben nach der Kaiserkrone nachsagte. Deutsche Reichsstände 114 Vgl. z.B. Schilling, I, S.363; vgl. II, S.92, 3. 280 281 scheinen die Meinung vertreten zu haben, dass es mehr oder weniger die Pflicht der Eidgenossen gewesen wäre, das Schwert des Eeiches zu sein. Wie die eidgenössischen Diskussionen über die Solddienste und auch die Verhandlungen mit den Päpsten erkennen lassen, waren die Eidgenossen nicht abgeneigt, Kaiser und Papst als «bracchium seculare» zu dienen, falls ihnen das nicht nur Ehre, sondern auch klingenden Lohn einbrachte. Daran scheiterten aber vor und nach dem Schwabenkriege die Verhandlungen zwischen Maximilian und den Eidgenossen immer wieder. Weder Maximilian noch das Reich war auf längere Zeit imstande, die von den Eidgenossen geforderten Summen aufzubringen, obwohl die Eidgenossen vielfach darauf verzichteten, vom römischen König ebenso grosse Beträge zu fordern, wie sie Prankreich und andere Mächte anboten. Wenn eidgenössische Knechte Maximilian einmal den «oepfelküng» tauften116, weil sie weder Sold noch rechte Verpflegung erhalten hatten, so zeigt dies ebenso wie die Tatsache, dass dem König oftmals mehr Eidgenossen zuliefen, als er nur entfernt bezahlen konnte, dass es den Eidgenossen nicht f am guten Willen fehlte, Kaiser und Reich in ihren Auseinandersetzungen zu unterstützen. Dennoch riefen gerade die Solddienste für Prankreich den grössten Unwillen des Kaisers, der Stände sowie weiterer Kreise besonders in Süddeutschland hervor. Der Berufsneid der sich konkurrenzierenden eidgenössischen Reisläufer und der schwäbischen Landsknechte spielte dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle. Beide fochten oft auf der gleichen Seite, erhielten aber häufig unterschiedlichen Sold. Oftmals standen sie sich auch auf den Schlachtfeldern gegenüber. Die gegenseitigen Gehässigkeiten der Kriegsknechte nördlich und südlich des Rheins wurde noch durch die Reichsreform verschärft. Laut den Reformbeschlüssen sollten die Reichsritter, die vielfach die Anführer der Landsknechtshaufen waren, ihren Anteil am gemeinen Pfennig zahlen, während sich die Eidgenossen auf die Urkunden beriefen, die ihnen anlässlich der Verpfändung der Reiohsabgaben ausgestellt worden waren. Die Landsknechte und ihre Hauptleute erhielten keine ins Gewicht fallenden Pensionen, sollten aber noch einen Beitrag zu den allgemeinen Kriegskosten leisten, während die Eidgenossen bei höherem Sold die Abgaben nicht zahlten. Um die gegenseitigen Beschimpfungen in der Zeit des Schwabenkrieges zu erklären, führten wir eine Reihe von Motiven an; sie könnten die Verleumdungen der Eidgenossen erklären, wenn die eidgenossenfeindliche Polemik auf politisch stärker interessierte Kreise beschränkt gewesen wäre. Die weite Verbreitung und die Schärfe der Verleumdungen sprechen gegen die alleinige Gültigkeit der angeführten Motive. Forscht man den Schimpfreden etwas näher nach, so stellt man fest, dass die schärfsten Äusserungen ausser im Kriege einige Jahre vor dem Schwabenkriege fielen und die Polemik kurz vor dem Kriege nicht mehr so stark "'Anthelm, I, S.284. war. Ausserdem fällt auf, dass sich nicht alle Kreise der süddeutschen Bevölkerung daran beteiligten. Schwäbische Städtevertreter berichten während des Krieges von Sympathien der Städte und einzelner Adeliger für die Eidgenossen. Hin und wieder taucht sogar die Behauptung auf, dass sich die «Bauern» über die Erfolge der Eidgenossen freuten116. Eidgenössische Hauptleute meldeten gleichzeitig aus dem Felde, dass die Bevölkerung der besetzten Gebiete im Hegau bereit sei, den Eidgenossen zu huldigen, wenn man nicht plündere. Noch Anshelm schreibt, dass die Eidgenossen weite Gebiete hätten erobern können, wenn sie das beabsichtigt hätten117. Wenn die Polemik die Eidgenossen als «Bauern» beschimpft, so geht diese Bezeichnung, soweit mir eine Kontrolle möglich war, meist von Leuten aus, die an der Erhaltung der bestehenden politischen Ordnung interessiert waren. Ist die Übertragung der allgemeinen Verachtung des Bauernstandes auf die Eidgenossen nur eine Wiederaufnahme der Behauptung Felix Hemmeriis, dessen Schriften Sebastian Brandt zur Zeit des «Bundschuhs» im Druck herausgab, oder sollten da andere Einflüsse im Spiele sein118 ? Maximilian selber beschimpfte die Eidgenossen als Bauern, obwohl er und seine Räte die Eidgenossen viel zu gut kannten, um nicht zu wissen, dass Bie alles andere als nur Bauern waren119. Sie hatten selber Adelsprivilegien ausgestellt und mit den eidgenössischen Aristokraten mit und ohne Adelstitel in den letzten Jahren oft genug über die Rechte der adeligen Räte, die nach ihrer Vertreibung vom Innsbrucker Hofe die Unterstützung der Eidgenossen gefunden hatten, verhandelt. Die Wiedergutmachungsansprüche dieser Adeligen hatten an den politischen Spannungen und an der Polemik bedeutenden Anteil. Sogar die Bündner Wirren, die den Ausbruch des Krieges veranlassten, waren durch die Vertreibung der Räte stark beeinflusst worden120. Den «Bauern» die Schuld am Kriege zuzuschreiben und die Eidgenossen als Bauern zu bezeichnen, war nur möglich, wenn die.Eidgenossen in weiteren Kreisen, in denen diese Beschimpfungen wirken sollten, als Bauern betrachtet oder mit ihnen in Verbindung gebracht wurden. In den letzten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts zeigten sich besonders im südwestdeutschen Raum Sozialrevolutionäre Tendenzen. Der sogenannte Oberrheinische Revolutionär, eine der wenigen Schriften, die 116 Vgl. Urkunden zur Geschichte des Schwäbischen Bundes, ed.Klüpfel: «Wenn die Eidgenossen in Herzog Ulrichs Land kommon, so sei zu besorgen, die Bauern würden sich alle zu ihnen schlagen.» I, S.32S; vgl. S.280, 2B4, 319, 34S, 346, 328, 373. Der Adel im Hegau, aber auch andernorts, hielt sieh im Kriege von Anfang an stark zurück, während die Fürsten anscheinend die Hauptrolle spielten, wie ebendort ersichtlich. Die eidgenössische und österreichische Propaganda behauptete jedoch das Gegenteil. 117 Als Beispiel diene Hallau und die Dörfer des Klottgaues. - Vgl. Klüpjel, II, S.312. -Anshelm, II, S.234, 141, 191, 204. - Brennwald, II, S.378f. - QSG, XX, Aktenstücke zur Geschichte des Schwabenkrieges, ed.A.Büchi, S.52, 54, 61, 72. 118 1497 in Strassburg. "» Vgl. Anshelm, II, S. 174ff. - Auch in Hiltys Politischem Jahrbuch, XIII. - Vgl. Dierauer, II, S.392f. 120 Sogar bei den Friedensverhandlungen spielten die Forderungen der geächteten Räte noch eine Rolle. Vgl. Hegi, Räte, besonders S.670ff. 282 283 solche Gedanken aussprechen, soll um 1510 entstanden sein121. Gleichzeitig beschäftigte die Unruhe unterer Bevölkerungsschichten fast alle Obrigkeiten Süddeutschlands. Der «Bundschuh», bei dem eidgenössische Einflüsse nachgewiesen, werden konnten, rückt zeitlich in unmittelbare Nähe des Schwabenkrieges122. Selbst der Schwäbische Bund kam nur zusammen, weil «der Gegensatz zu Bayern, den Eidgenossen, zu Herzog Ulrich und die drohende soziale Krise die Gründung des Bundes und seine Erstreokung... bestimmend beeinflusst» hat123. Soziale Bewegungen sind in dieser Zeit kaum zu erfassen, viel weniger aber äussere Einflüsse auf solche nachzuweisen. Es drängt sich aber die Vermutung auf, dass der Schwabenkrieg in die nächste Nähe der Bauernkriege gerückt werden muss. Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass sich die süddeutschen Mächte deshalb so sehr am Krieg und an der Polemik gegen die Eidgenossen beteiligten, weil sie in der Eidgenossenschaft den Herd sahen, von dem die soziale Unruhe in ihrem Gebiet ausging oder doch unterstützt wurde. Den Schwabenkrieg müsste man dann vielleicht als eine Art präventiven Bauernkrieges ansehen. Zumindest vermag dieser Aspekt des Krieges die Schärfe und die Art der Polemik gegen die Eidgenossen besser zu erklären als alle anderen Gründe miteinander. In der Untersuchung der Reichsauffassung der Schweizer Chronistik wurde dargelegt, dass der Schwabenkrieg von den Eidgenossen durchwegs als eine Auseinandersetzung mit Österreich und dem Schwäbischen Bund betrachtet wurde. Gegen die Behauptung der Reichsfeindschaft wehrten sich die Eidgenossen nicht nur in der Chronistik, sondern auch während der Friedensverhandlungen. H. Sigrist hat nachgewiesen, dass der eine Satz des Vertragsentwurfes wegfiel, weil er die Eidgenossen «als Glieder des Reiches zu Gnaden und Hulden kommen lassen» wollte. Dies schien den Eidgenossen schon auszudrücken, dass sie einmal gegen das Reich gehandelt haben könnten, weshalb sie die Streichung verlangten124. Doch zeigten nicht nur diese Streichung, sondern auch andere Teile des Vertrages, dass es den Eidgenossen sehr daran gelegen war, den Anschein zu vermeiden, der Krieg sei gegen das Reich geführt worden. Darauf weist auch die Vertragsbestimmung hin, dass Österreich und der schwäbische Bund dafür sorgen sollen, dass die Beschimpfungen der Eidgenossen unterdrückt würden, in denen die Eidgenossen die eigentliche Kriegsursache sahen. Noch wichtiger sind die Aussagen des Friedensvertrages über die Kriegsursachc und die beiderseitigen Verbündeten. Durch den ganzen Vertragstext hindurch wurde festgehalten, dass der Krieg von 121 Haupt. - Auch die Dissertation von 0.Eckstein, Die Reformsohrift des sogenannten Oberrheinischen Revolutionärs, Leipzig 1939. 122 A.Bosenkranz, Der Bundschuh, besonders S.16f., S.68; vgl. Register. - Q.Franz, Der Kampf um das alte Recht in der Schweiz im ausgehenden Mittelalter, Vjschr. f. Soz. u. Wirtsch.gesch., XXVI (1933), S. 106 ff. E.Bock, S.4fl. 124 H.Sigrist, Reichsreform und Sohwabenkriegj id., Zur Interpretation des Basler Friedens von 1499, Schweiz.Beitr. z. allg. Gesch., V (1947), S. 114f; VII (1949), S. 153ff. Maximilian «von wegen sine Maiestät Graffschafft Tirol» gegen den «Bischoff Heinrichen zu Chur», der die Wormser Reformbeschlüsse hatte redigieren helfen, geführt wurde. Die Eidgenossen werden also nur als Helfer aufgeführt. Selbst beim Einschluss der Reichsstände in den Frieden werden wohl «Churfürsten, Fürsten und Stennde des heiigen Richs» aufgeführt, aber der einfachere Ausdruck das «Heilige Reich» vermieden126. Wie die Akten der Verhandlungen zeigen, fiel es den Eidgenossen nicht schwer, ihre Meinung durchzusetzen, obgleich die ersten Forderungen Maximilians gerade ihre Reichsfeindschaft stark betont hatte. Wenn der leichte Sieg der eidgenössischen Meinung schon auf den propagandistischen Charakter dieser Behauptungen hindeutet, so wird dieser durch Äusserungen von städtischen Vertretern des schwäbischen Bundes während dos Krieges bewiesen, die den Krieg als österreichische Angelegenheit bezeichneten126. Obwohl Maximilian formell den Reichekrieg erklärte, nahmen nur wenige Reichsstände, die dem Schwäbischen Bunde nicht angehörten, daran teil. Selbst im Schwäbischen Bunde gab es von Kriegsbeginn an Kreise, die den Krieg gegen die Eidgenossen sehr ungern sahen127. Diese verschiedenen Gesichtspunkte lassen eikennen, dass der Krieg weder südlich noch nördlich des Rheines als eine Auseinandersetzung zwischen Eidgenossen und dem heiligen römischen Reich empfunden wurde, mochte auch die Kriegspropaganda noch so sehr die Gegnerschaft der Eidgenossen zum Reiche betonen. Als tiefere Kriegsursache hat man meist die Reichsreformbeschlüsse von 1495 angeführt, die im Friedensvertrag auch erwähnt sind. Ein Artikel sicherte den Eidgenossen zu, dass alle ergangenen Achturteile und hängenden Prozesse aufgehoben werden und die Eidgenossen bei ihrem Herkommen wie vor dem Kriege bleiben sollten. Sicherlich bedeutete diese Vereinbarung, dass [die Geltung der Reichsreformboschlüsse für die Eidgenossen hinfällig wurde. Zumindest wurde ihre Geltung stark beschränkt, da dieser Artikel den Vorbehalt der eidgenössischen Privilegien ausdrückte. Doch hatte Maximilian schon vor dem Kriege die Geltung eidgenössischer Privilegien praktisch anerkannt, so dass die Reformbeschlüsse als Kriegsgrund keine besondere Bedeutung besessen haben können. Das zeigen auch die Friedensverhandlungen. Wenn die Reformbeschlüsse Kriegsgrund gewesen wären, hätten die kaiserlichen Unterhändler wohl kaum diese eidgenössische Forderung von vornherein akzeptiert, sondern darüber ähnlich verhandelt wie über das Landgericht im Thurgau123. Die Reformbeschlüsse spielten nicht nur im Frieden eine untergeordnete 125 EA, III, 1, S.788ff.,N.35; S.624ff., N.6S7ff. - Sowie Thommen.V, S.333ff., N.334. 126 Vgl. Klüpfel, II, S.286, 367. «Herzog Albrecht (von Bayern) habe von des Reichs wegen noch nichts tun wollen.» Vgl. auch die Reichsaoht Maximilians gegen den Bischof von Chur und seine Anhängor bei Thommen, V, S. 323ff., N.327. 12' Vgl. Klüpfel, II, S.328, Ungelter an Esslingen 1499 IV 30 «vom Reich erst D00 da». Vgl. Ulmann, I, S. 749f. Der Pfalzgraf versuchte immer wieder zu vermitteln. 128 Der Bischof von Chur, der an den Reformbeschlüssen 1496 mitgearbeitet hatte, ist im Vortrage als eigentlicher Gegner Österreichs genannt! Vgl. Ulmann, S. 364. 284 286 Rolle, sondern auch in der Zeit vorher. Schon im Herbst 1495, als der Wormser Reichstag eine grosse Gesandtschaft mit Erzbisohof Berchtold von Mainz an der Spitze zu den Eidgenossen sandte, sollten sie nicht etwa über die Annahme der Reichsreform verhandeln, sondern einzig und allein über die französischen Solddienste und die Hilfe, die das Reich gegen Frankreich benötigte129. Nachdem die Gesandten schon wieder heimgereist waren, schickte einer von ihnen, der Basler Stiftsherr Johann von Hattstat, aus Basel die Reformbeschlüsse und den Abschied des Wormser Reichstages an Zürich und bat um Antwort auf das Begehren der Gesandten, nicht etwa um Annahme der Beschlüsse130. In den Abschieden dieser Jahre erscheint die Frage des Kammergerichtes und des gemeinen Pfennigs, soweit es die Orte selber betrifft, fast überhaupt nicht. Die Eidgenossen vermieden es aber, Gesandte auf die Reichstage dieser Jahre zu senden, wenn der König abwesend war. Erst auf dem Freiburger Reichstage 1497 wollten sie dem Könige erklären, dass sie auf Grund ihrer Freiheiten nicht gewillt seien, sich dem Kammergericht zu unterwerfen und ^ den gemeinen Pfennig zu zahlen131. Soweit sich erkennen lässt, akzeptierte I Maximilian diese Forderung ohne längere Verhandlungen. Strittig war an-!■ scheinend nur ihre Geltung für die Zugewandten. Darüber wundert man sich nicht, wenn man bedenkt, dass zahlreiche deutsche Reichsstände sich in den gleichen Jahren ebenfalls weigerten, die Reichsreformbeschlüsse für sich anzuerkennen. Mit den Wormser Beschlüssen von 1495 begann die Reichsreform erst und war noch lange nicht abgeschlossen und angenommen. Die Durchsetzung der Reichsreform dauerte noch einige Zeit über den Schwabenkrieg hinaus. Ausserdem waren auch später nicht alle Glieder des Reiches dem Kammergericht unterworfen. Schon von Anfang an «behielten sich die grossen weltlichen Territorien ihre Appellationsprivilegien vor. Auch weigerten sich die Fürsten, vor dem Kammergericht Recht zu nehmen »13a. Wenn der Basler Friede die eidgenössischen Privilegien anerkannte, geschah damit doch nichts anderes, 12» vgl. die Instruktion bei: J. J. Müller, Reichstagstheatrum, wie selbiges unter Kayser Maximilian I. ..., S. 346. - Datt, S. 847 ff. 130 Am 23. X. 1495 (Fritig nacht nach der XI dusent junckfrowentag) sandte Johann von Hattstat, Schulherr des hohen Stift zu Basel und Domherr zu Worms, von Basel aus den Abschied und die Ordnung von Worms, teils gedruckt, teils handschriftlich und bittet Zürich um Weiterleitung an Zug, Schwyz und Glarus. Bern habe sie für die andern Orte erhalten. Die Verhandlungen mit der grossen Reichsgesandtschaft fanden aber Mitto September statt und der Schreiber weiss bereits, dass seither wiederum eine Tagsatzung stattgefunden hat. Daher müssen wir annehmen, dass trotz dem anscheinend anders lautenden Abschied die grosse Gesandtschaft nur über die Reformbeschlüsse berichtote, die Söldnerfrage aber im Vordergrund stand, da die Eidgenossen mit Frankreich über den Abschluss eines neuen Bündnisses verhandelten. Vgl. STA Zürich, A175 (Reichssachen). - Vgl. auch Hegi, Räte, S.Sllff. - EA, III, 1, S.493, N.519d. 131 Vgl. EA, III, 1, S.553, N.586d; vgl. S.548, N.582; S.555, N.589d; S.565, N.600d; S.566, M. 601; S.574f., N.609. 132 F. Härtung, Deutsche Verfassungsgesohichte vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart, 1914, S. 19: «Der Kaisor blieb freilich auch hier ausserhalb der ständischen Ordnung, weil er seine eigenen Lande ihr nicht unterstellen wollte und bei der Bedingung der Unterordnung unter das Kammergericht auch nicht konnte.» S. 17. 286 als was den grösseren Territorialmächten, von denen die Eidgenossenschaft neben Österreich die bedeutendste war, auch bewilligt werden musste. Als Maximilian 1507 die Hilfe der Eidgenossen zum Romzug wünschte, wurden diese Fragen im Einzelnen nochmals verhandelt und vom Könige und einer Reihe von Fürsten den Eidgenossen urkundlich bestätigt133. Mit dem Basler Frieden und besonders mit den Vereinbarungen auf dem Konstanzer Reichstag von 1507 erhielten die Eidgenossen von Maximilian eine bevorzugte Stellung innerhalb des Reiches eingeräumt. Andere Reichsstände beanspruchten zwar eine ähnliche Selbständigkeit, konnten diese aber damals nur teilweise durchsetzen. Nur für seine Hausmacht verlangte Maximilian eine entsprechende Selbständigkeit. Der Schwabenkrieg und die Verhandlungen zu Beginn der Mailänderkriege regelten die Stellung der Eidgenossen zu Kaiser und Reich. Obwohl der Eidgenossenschaft weitgehende Selbständigkeit zuerkannt wurde, kann man von einer Ablösung nur schwerlich sprechen, da einzelne Reichs-stände, vor allem Österreich, sich gleichfalls einer ähnlichen Stellung erfreuten. Die Eidgenossen wurden vielmehr nun als des heiligen römischen Reiches «freyo Stande», als die sie sich noch zu Beginn des 17. Jahrhunderts bezeichneten, anerkannt134. Dem mag man keine politische Bedeutung zumessen. Doch belehrt uns ein Blick in die Akten, dass zwischen der Haltung der Eidgenossen zum Reiche vor und nach dem Kriege kein Unterschied bestand. Beispielsweise führte Zürioh seine Vermittlungstätigkeit in Streitigkeiten süddeutscher Reichsstände nach dem Kriege eher noch intensiver als vorher durch. Man nahm sogar die gleichen Händel, die durch den Krieg noch nicht entschieden worden waren, wieder auf135. In besonderem Masse zeigen aber Verhandlungen über die Solddienste, dass der gleiche Streit um die eidgenössischen Reisläufer weiterging und Kaiser und Reichsstände die gleichen Forderungen erhoben, wie sie schon 1495 die grosse Gesandtschaft des Wormser Reichstages den Eidgenossen vorgetragen hatte. Die Geschichte der Mailänderkriege zeigt diesen Streit auf seinem Höhepunkt. Der Versuch, die Lombardei unter eidgenössische Oberherrschaft zu bringen, erfolgte im Einvernehmen mit Maximilian und muss neben seinen vielseitigen Aspekten auch als Versuch gewertet werden, der Militärmacht der Eidgenossen eine Art Reichsvikariat in der Lombardei zu übertragen, um die Rechtsansprüche des Reiches auf die oberitalienischen Ge-. biete noch aufrecht erhalten zu können. Es sei nur darauf hingewiesen, dass Kardinal Schinner einmal, als die Tagsatzung nicht seinem Willen iss Vgl. EA, III, 2, S.376, N.274, mit STA Zürioh, A176, Deutscher Kaiser. Ist noch näher zu untersuchen. 134 Vgl. M.Goldast, Melchior von Haiminsfeld, Reiohshandlungen, Traktate,... 1609, Epištola dedicatoria, 4vff. (auch in seiner Reichssatzung gedruckt). Als einor der besten Kenner des Reiches und seiner Vorfassung behandelt er in dieser Einleitung, wahrscheinlich weil er selber aus der Eidgenossenschaft stammte, das Verhältnis der Eidgenossen zum Reich. Diese kurze Abhandlung zeigt deutlich, dass man eher von einem Herausdrängen als von einer gewollten Ablösung sprechen kann. Vgl. unten, S. 291. 13s Vgl. STA Zürich, Urkunden, Missiven, Kaiser. 287 folgen wollte, am nächsten Tage Messe hielt und über die Zweischwertertheorie predigte. Die Haltung der Eidgenossen gegenüber Papst und Kaiser, den beiden Häuptern der Christenheit, zu Beginn des 16. Jahrhunderts gehört zu den interessantesten Problemen der Schweizergeschichte. Beide beriefen sich auf den mittelalterlichen Reichsgedanken, um die Eidgenossen als weltliches Schwert für ihre wirklichen und oft vorgeschützten christlichen Ziele zu gewinnen. Neben diese beiden Mächte trat der französische König, der als «allerchristhchster» ebenfalls die Interessen der Christenheit zu vertreten behauptete. Die Geschichte der Mailänder kriege und ihre Verbindung mit dem Reichsgedanken auch nur skizzenhaft aufzuzeigen, muss schon deshalb unterbleiben, weil die Geschehnisse so vielseitige Aspekte haben. Doch sei hier nur auf die untersuchten Ereignisse zu Beginn des 15. Jahrhunderts hingewiesen, in der ennetbirgisohe und königliche Politik Hand in Hand gingen. Dass die Verdienste der Eidgenossen für das Reich in den Mailänder kriegen ziemlich allgemeine Anerkennung fanden, zeigt ein Schreiben Bucers vom Augsburger Reichstag 1530 an Zwingli. Um Angriffen des Dr. Eck gegen die protestantischen Eidgenossen und die Protestanten überhaupt zu entgegnen, erbat Bucer von Zwingli eine Art Bekenntnisschrift. Bucer wünschte eine Schrift, die an Kaiser und Stände gerichtet sei und KarlV. entgegenkomme. Deshalb solle Zwingli die Pflicht des Kaisers als Schirmer der Kirche gebührend würdigen und, um den Angriffen auf die Eidgenossen zu begegnen, «Eure glänzend bezeugte Treue zum Reiche unter der Regierung Maximilians und auch später in Erinnerung bringen»136. Zwingli richtete seine Schrift zwar nur an die Reiohsstände und nahm den von Bucer angeregten Gedanken nicht auf, stellte jedoch für Zürich fest: «Die uralten Statt Zürich (als die historien vor Christus geburt har anzeigend, und voruss Lucius Cassius, der Burgermeister von Rhom, den sy erschlagen), die er doch uff Carolum den grossen genannt legt, sam der die gebuwen hab, der armutsälig mensch, der die historien nit weisst, die verschnódet er also mit erdichten lüginen, das er kein übel verdiente Statt nit wirs noch unverschämter schmehen kónd. So doch am tag ligt, dz weder zů diser noch voralten zyten gar kein statt gewesen, die so vil hundert jaren mit so vil trüw das Bömisch rych gefürdret, dz ouch uss keiner einigen statt flyss und arbeit eim huss österrych und Romischem rych merere wolfart und zůnemen widerfaren. Darin ich die gschichtbůcher der Pürsten von österrych und römischen Keiseren ze kundschafft darbüt, nach allen alten historien137.» is« W.Köhler, Der Augsburger Reichstag von 1530 und die Schweiz, SZG, III (19537, S. 185. Der Passus im Briefe Bucers lautot wörtlich: «In eo autem velim te diligentem esse, ut et cesarie ofntium, quantum ad defensionem eeclesie et restituendam religionis unitatem attinet, luculenter, modeste tarnen, describas et vestram erga impérium fidem imperante Maximiliano ac ctiam postea insigniter deolaratam commoneres, tum avaritie ot volentie crimina, quorum passim vos infamant multi et magni, Christiana mansuetudine depeilas.» Zwingli, Opera, XI, S. 83. 137 Am Schluss des Sendschreibens vom 27. VIII. 1530, das 1530 in deutscher und lateinischer Fassung bei Froschauer gedruckt wurde. (An die durchlüchtigen Fürsten Tütscher Beide Argumente, die im einen Ealle auf Kaiser und Reichsstände, im andern nur auf die Stände wirken sollten, setzen voraus, dass die Gesandten der wichtigsten Pürsten die Vergangenheit Zürichs und der Eidgenossenschaft wenigstens in ihren grossen Zügen kannten, und dass Karl V. und die Reiohsstände, oder wenigstens die Mehrheit unter ihnen eine ähnliche Auffassung vertraten. Die Eidgenossen nannten sich seit dem Schwabenkriege gerne des «heiligen Römschen richs besunders gefryete staend», als was sie trotz Schwabenkrieg und trotz allen Auseinandersetzungen mit Friedrich III. zu bezeichnen sind. Da die ständische Gliederung des Reiches ihnen aber keinen ihrer Macht entsprechenden Platz einräumen konnte, und sie den habsburgischen Kaisern nicht voll vertrauen konnten, legten sie notgedrungen auf ihre wohlerworbenen Privilegien, ähnlich den Kurfürsten, stärkstes Gewicht, ohne die Oberhoheit des Kaisers zu leugnen, der überall im Reiche nur eine «rechtliche», aber keine «faktische» Bedeutung zukam. nation zu Ougspurg versammlot, ein sendbrief Huldrych Zuinglis die scholckwort Eggens, so er wider die warheyt usgossen, betreffendt.) In der lateinischen Fassung: «Ad Illustrissi-mos Germaniae Principes Augustae congreatos, De convitiis Eccii epištola Huldrici Zvinglii & lautet der zitierte Passus: «Civitatem Tigurinorum vetustissimam, id quod res priscae, et maximo Lucius Cassius Consul Romanus ab eis caesus, iam tot saeculis praedicat, non tantum in Carolum magnum reijeit, horum rerum imperitus, verum etiam confictismendaeijs sie coram mundo proscindit, ut pessime meritam urbem non possit impudentius. Cum constet tam istis quamretro temporibus nullam, nullamdieo, taňte ííde tot saeculis Romanuni impérium coluisse, nullius etiam unius opera, maiora emolimenta ad Austriacam domum atque adeo ad impérium ipsum rediisse. Qua in re dueum Austriae et imporatorum diurnales ad testimonium cito, post veteres historias.s Vgl. Köhler, Reichstag, S. 186. 288 289 SCHLUSSBETRACHTUNG Der soeben zitierte Ausspruch. Zwingiis, dessen Feindschaft zu Karl V. und dem Hause Österreich allbekannt ist, wie auch die Ansicht des gebildeten und politisch erfahrenen Bucer offenbaren, dass es in jenen Zeiten weitere Kreise gegeben haben muss, die die Eidgenossen als hervorragende Glieder des Reiches betrachteten, eines Reiches jedoch, das nicht nur Kaiser und Österreich umfasste. Der Schwabenkrieg hatte die eidgenossen-feindliohe Polemik weit verbreitet, und die politischen und geistigen Auseinandersetzungen in der Reformationszeit, die dem Gedanken der einen Christenheit und des einen Reiches einen schweren Schlag versetzten, entfachten auch die Polemik gegen die Eidgenossen immer wieder von neuem, wobei die stärker einsetzende Nationalisierung des Reiches einen bedeutenden Anteil hatte. Die Humanisten begannen zwischen Helvetiern und Germanen zu unterscheiden und verherrlichten das Kaisertum stärker, wobei nationale Gefühle mehr und mehr in den Vordergrund traten. Vor allem aber nahmen die römisoh-reohtlich geschulten Juristen die Argumente der Polemik gegen die Eidgenossen auf, da die Eidgenossenschaft ihren staatsrechtlichen Anschauungen entsprechend keinen rechten Platz mehr innerhalb des Reiches fand. Goldast charakterisiert diese Haltung sehr gut, wenn er schreibt: «Es werden gantz Lastwegen volBůcher geschrieben: de processibus juris, de jurisdictione, de exactionibus, de immunitatibus et exemptionibus und was dergleichen. Hie muessent die Schweitzer und Eydtgenossen allenthalben herhalten und als Meyneydige / Abtrünnige und vom heiligen Reich Abgefallene Ständt durchgezogen werden. Aber die guten Herren und Eydtgnossen wöllent das nicht gestehen und widersprechend es auff das höchst / erkennent den Keyser für jhrn einigen ordentlichen natürlichen Herren / gebent sich fůr desselbigen freye Stande auss / wöllent auch dess Lob / Ehr Ruhm und namen haben1.» Je häufiger die Juristen und Publizisten eine eidgenossenfeindliche Haltung einnahmen, desto grösseres Gewicht legte man alten Gegnerschaften zu. Da sich das protestantische Deutschland immer wieder genötigt sah, dem Kaiser und seinen Plänen Widerstand entgegenzusetzen, musste es sich immer wieder auf seine Selbständigkeit und auf die Reformbestrebungen zu Ende des 15. Jahrhunderts berufen. Damit erhielt der Wormser Reichs- 1 Qoldast, Reichshandlungen, Epištola dedicatoria, fol. 4vf. 19 291 tag von 1495 eine wachsende Bedeutung, die ihn zum grossen Einschnitt in der Geschichte der Reichsinstitutionen werden Hess. Deshalb lag es sehr bald nahe, den Schwabenkrieg als eine Auseinandersetzung mit der Reichsreform und dem heiligen römischen Reiche deutscher Nation zu betrachten, wozu die Ausdrucksweise der Akten geholfen haben mag, weil diese in ihrem Sprachgebrauch des Wortes «Reich» und besonders der Formulierung «Entfremdung vom Reiche» leicht missverstanden werden konnten. Diese Entwicklung näher zu verfolgen, wird Aufgabe einer Geschichte der Ablösung der Eidgenossenschaft vom heiligen römischen Reiche deutscher Nation sein. Es erscheint dem Verfasser als das wichtigste Ergebnis seiner Darstellung, dass diese Geschichte nicht dem ausgehenden Mittelalter angehört, sondern noch zu schreiben ist. Die schweizer-geschiohtliche Forschung auf dies höchst wichtige Problem eidgenössischer Vergangenheit aufmerksam zu machen, einige Wege der Erkenntnis aufzuzeigen und wenige grundlegende Fragen, die der Vorgeschichte dieses Problems angehören, näher zu untersuchen, betrachtet der Verfasser als den Zweck seiner Arbeit. Aus diesem Grunde fällt es jedoch schwer, über das bereits Gesagte hinaus eine Zusammenfassung der Ergebnisse zu bieten. Diese sollen anregen, den Werdegang des «Sonderfalles Schweiz»im einzelnen zu studieren. Hier musste auf die Untersuchung dessen, was im einzelnen Falle schon Besonderheit war, oder es erst dadurch wurde, dass ähnliche Entwicklungen in Deutschland stecken blieben oder durch andere rückgängig gemacht wurden, verzichtet werden; denn auf die wichtigeren Fragen ist - zum Teil allerdings zu Unrecht - oft genug aufmerksam gemacht worden. Ausserdem zeigte es sich immer wieder, dass die bedeutenden Eigenheiten der Eidgenossenschaft gegenüber Deutschland, das um 1500 noch die vielfältigsten Verfassungsformen besass und politische und soziale Gliederungen in seltsamen Gegensätzen kannte2, grösstenteils darin bestanden, dass sich innerhalb der Eidgenossenschaft ältere Zustände erhielten, während die entsprechenden Erscheinungen in Deutschland vom später und stärker ausgebauten Staat der Landesfürsten vernichtet wurden. Diese Arbeit darf nicht als eine abschliessende Darstellung gewertet werden. Nur wenige Probleme konnten eingehend untersucht werden, und vieles musste unterbleiben. Da viele und wichtige Gebiete des staatlichen Lebens nicht berücksichtigt wurden - zum Beispiel wurde nicht die Durchführung von Reichstagsbeschlüssen durch eidgenössische Orte und das Verhältnis eidgenössischer Verordnungen und Gesetze zu denen des Reiches behandelt3 -, sind unsere Schlüsse auch nur für die wirklich untersuchten Fragen gültig. Da einige der untersuchten Fragen besonders 2 Man vergleiche z.B. die teilweise sehr ähnliehen Zustände in Friesland, auf die das Herkommen nicht umsonst hinweist. In der Zeit des Schwabenkrieges begannen dort die ersten grundlegenden Wandlungen. 3 Man lege dazu als Vergleichsmatorial für Deutschland die Dissertation von W.Hartz, Dio Gesetzgebung des Reiches und der weltlichen Territorien in der Zeit von 1495 bis 1656, Marburg 1931, zugrunde. wichtig sind und die nur angeschnittenen Probleme, soweit es sich erkennen lässt, keine gegenteiligen Ergebnisse zeitigen würden, waren wohl allgemeinere Folgerungen erlaubt. Diese sind jedoch nur als vorläufige Ergebnisse anzusehen und sollen die Forschung auf dies höchst interessante Beispiel der Entwicklung eines selbständigen und souveränen Staates hinweisen. Die Geschichte der Ablösung der Eidgenossenschaft vom heiligen römischen Reiohe besitzt meines Erachtens nicht nur für die Schweizer Vergangenheit Bedeutung, sondern die Trennungsgeschichte vermag auf die Entstehung des modernen Staates und auf seine geistigen Grundlagen besonderes Licht zu werfen. Auch ermöglicht sie, den Charakter und die Wandlungen des heiligen römischen Reiches in seiner Spätzeit besser zu illustrieren als alle Schriften der zeitgenössischen Juristen. Diese Untersuchung hat wohl auch einen kloinen Beitrag zur Klärung des Reichsbegriffes im späteren Mittelalter geleistet. Mindestens zeigte sich immer wieder, dass die Zeitgenossen im 15. Jahrhundert scharf zwischen Österreich und dem Reiche unterschieden. Weil wir diese Unterscheidung aufnahmen und den Quellen entsprechend besonders auf die habsburgi-schen Kaiser anwandten, kamen wir zu einer stark von den bisherigen Auffassungen abweichenden Beurteilung. Man sollte aber nicht nur zwischen Österreich und dem heiligen römischen Reich unterscheiden, sondern man muss unter allen Umständen auch zwischen der Zugehörigkeit zum Reiche und der staatlichen und politischen Selbständigkeit differenzieren. Die historische Forschung der letzten Jahrzehnte hat zwar öfter den Begriff der Souveränität auf mittelalterliche und frühneuzeitliche Staatswesen übertragen. Es stellt sich aber die Frage, ob eine solche Übertragung gerechtfertigt werden kann. Die machtstaatlichen Verhältnisse und die politische Haltung vieler Machtträger scheinen dafür zu sprechen. Doch hängt der Souveränitätsbegriff sehr eng mit einer innerweltlichen Begründung des Staates zusammen, die einem Denken angehört, das sich mehr für die «faktische» Wirldichkeit als für die rechtlichen Gründlagen interessiert. Während in der neueren Zeit die Staatsräson danach trachtet, sich das Recht zu unterwerfen, und man sich immer mehr nur nach den tatsächlichen Verhältnissen richtet, standen im Mittelalter die Rechtsfragen im Vordergrund. Niemand mass den Machtmitteln besondere Bedeutung zu, nach denen der Souveränitätsgedanke vor allem fragt, sondern den Herrschaftsrechten und ihrer legitimen Erwerbung wurde der Vorrang eingeräumt. Um den Unterschied von staatlicher Selbständigkeit und Zugehörigkeit zum heiligen römischen Reich aufzuzeigen, wurde die Darstellung mit einem Versuch begonnen, den Charakter des Reiches in seiner Spätzeit zu klären. Die beiden folgenden Kapitel, die untersuchten, auf welohe Weise die Eidgenossen ihre Staatlichkeit legitimierten, und welche Vorstellungen sich die Eidgenossen von Kaiser und Reich machten, Hessen nicht nur erkennen, dass zwischen den in Deutschland vertretenen Auffassungen und 292 293 den eidgenössischen kein Unterschied bestand, sondern veranschaulichten auch am Detail die mehr theoretischen Erörterungen des ersten Kapitels. Daneben offenbarten diese Untersuchungen den tieferen Zweck der eidgenössischen Chronistik, vor allem ihrer Schilderungen der Entstehung der Eidgenossenschaft. Dieser Zweck bestand in dem Nachweis, die reohts-mässige Herkunft der eidgenössischen Freiheiten von Kaiser und Eeich zu belegen, um auf diese Weise die Staatlichkeit der eidgenössischen Orte zu legitimieren. Dieser Legitimation bedurften die Eidgenossen in besonderem Masse, da sie sich nicht wie die fürstlichen Territorien auf ein Gottes-gnadentum des Herrscherhauses berufen konnten und sich immer wieder gegen die österreichische Polemik wehren mussten. Gerade diese Polemik veranlasste die Eidgenossen, sich stärker auf Kaiser und Reich zu berufen als viele andere Reichsunmittelbare. Man denke etwa an die Hansestädte, deren Bürger sich wohl als «Kaufleute des heiligen römischen Reiches» bezeichneten, aber nur in Ausnahmefällen den Kaiser wirklioh unterstützten und von ihm Hilfe erhielten. Viele Hansestädte erachteten es lange Zeit, teilweise sogar dauernd als überflüssig, für die rechthohe Anerkennung ihrer praktisch reichsfreien Stellung zu sorgen. So veranlasste erst die drohende Abtretung an Schweden die Bremer Bürger sich kurz vor Abschluss des westfälischen Friedens erstmals ein Privileg ausstellen zu lassen, das ihre reichsunmittelbare Stellung sanktionierte. Im Gegensatz zu den Hansestädten, aber auch zu manch einer andern Stadt spielte der Reichsgedanke und vor allem die Reiohsunmittelbarkeit in der eidgenössischen Chronistik eine höchst wichtige Rolle. Ein Bruch in der Tradition konnte in dem untersuchten Zeitraum nicht nachgewiesen werden, obwohl die Chronistik zu diesem Zwecke so genau bearbeitet worden war. Vielmehr erkannten wir, dass Kaiser und Reich von den Eidgenossen noch bis ins 18. Jahrhundert hinein zur Legitimierung ihrer Herrschaft herangezogen wurden. Obgleich damit nicht behauptet werden soll, dass man die Eidgenossen bis zu diesem Zeitpunkt als Reichsglieder anzusehen hat, erhellt aus dieser Untersuchung, dass die These der faktischen Ablösung im Schwabenkriege mindestens äusserst vorsichtig ausgelegt werden muss, zumal wir in der Legitimation des untergeordneten Territorialstaates eine der wesentlichsten Funktionen des späten Reiches zu sehen haben. Der politische Teil beabsichtigte die Verbindungen eidgenössischen Geschehens mit dem innerhalb des Reiches aufzuzeigen. In den im einzelnen dargestellten Zeiträumen konnte mehr oder weniger nur die Stellung zum Könige geschildert werden. Gleichwohl bemühten wir uns, auch den Einflüssen anderer politischer Kräfte des Reiches, die wir kurz als Reichsopposition bezeichneten, nachzugehen, obwohl dem sowohl die Quellenlage als das völlige Fehlen von Vorarbeiten hindernd im Wege stand. Immerhin konnten wir schon für die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts aufzeigen, dass sich die Haltung der Eidgenossen gegenüber Ludwig dem Bayern wandelte. Nachdem die Eidgenossen zu Beginn der Auseinandersetzungen Ludwigs des Bayern mit Friedrich dem Schönen auf der Seite 294 der Wittelsbacher Partei ergriffen hatten, kühlte das Verhältnis mit der Annäherung Ludwigs an die Österreicher merklich ab, wobei nicht sicher bestimmt werden konnte, welche Gründe - zum Teil recht reale wie der Besitz des Reichszolls zu Flüelen - ausschlaggebend waren. Auch vermochten wir nicht sicher zu erkennen, wer sich von beiden Partnern zuerst vom andern abwandte. Doch ist der Nachweis, dass sich die Eidgenossen nicht erst im 15. Jahrhundert, sondern schon in den dreissiger Jahren des 14. Jahrhunderts an die Opposition im Reiche, welche von den Luxemburgern angeführt wurde, anlehnten, höchst bedeutungsvoll, weil er uns zeigt, dass für die Eidgenossen Kaiser und Reich ebensowenig zusammenfielen wie für andere Reiohs-glieder. Ferner lässt sich daran ablesen, dass die Eidgenossen, wie alle andern Reichsglieder, zur kaiserlichen und zur Reichspolitik entsprechend der Haltung des Kaisers ihnen gegenüber und entsprechend ihren eigenstaatlichen Interessen Stellung bezogen. Das führte sie einmal an die Seite des Kaisers, den sie dann meist in besonderem Masse zu unterstützen pflegten, oder liess sie bei der Reichsopposition einen Rückhalt suchen, deren Freundschaft sie jedoch wieder aufgaben, sobald der Kaiser ihren Wünschen und Forderungen entgegenkam. Neben diesen allgemeinen Ergebnissen erlaubte die Konfrontation von Reichspolitik und eidgenössischem Geschehen eine ganze Reihe kleinerer Entdeckungen, die auf die lokalen Ereignisse neues Licht werfen. So konnten die Anerkennung der Reichsfreiheit der Waldstätte durch Österreich auf die Zeit um 1334 festgelegt, der Laupenkrieg mit dem Beginn des hundertjährigen Krieges zwischen England und Frankreich zusammengebracht, die Gründe, welche die Eidgenossen zum Abschluss des Ewigen Bundes mit Zürich bewogen, herausgearbeitet und auf die Bedeutung des 'Reichszolles zu Flüelen für die frühe Geschiohte der Eidgenossenschaft hingewiesen werden, um nur einige der wichtigeren Ergebnisse anzuführen. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts wandten wir uns besonders der ennet-birgischen Politik zu, deren enge Verbindung mit der königlichen Politik als überraschendes Ergebnis bezeichnet werden kann. Es zeigte sich, dass nicht nur der Aargau und die vom Reiche verliehenen Freiheiten, sondern sogar die bedeutsamen eidgenössischen Handelsvorrechte in Mailand auf die Unterstützung der Politik Sigmunds durch die eidgenössischen Orte zurückzuführen sind. Diese Ergebnisse sind jedoch für die eidgenössische Geschichte zu Beginn des 15. Jahrhunderts weniger bedeutsam als für die Betrachtung der Mailänderkriege, die nur kurz gestreift werden konnten. Um die Haltung der Eidgenossen voll zu würdigen, wäre es eigentlich notwendig gewesen, ihre Politik mit derjenigen anderer Reiohsglieder innerhalb eines grösseren Zeitraumes zu vergleichen, vor allem mit solchen Mächten, deren Territorium wie das der Eidgenossen nicht im Zentrum des Reiches zwischen Köln, Nürnberg und Basel lag. Auf solche Vergleiche wurde verzichtet, weil es keinen Reichsstand gab, der als Beispiel der allgemeinen Haltung dienen könnte. Wer irgendeine Darstellung der Ge- 295 schichte eines deutschen Territoriums oder einer Reichsstadt unter diesem Gesichtspunkt liest, wird erkennen, dass die Eidgenossen nicht nur die subjektive Wahrheit sagten, wenn ihre Chronisten und ihre Gesandten stolz auf ihre grossen Verdienste für das heilige römische Reich hinwiesen. Mit vollem Recht sahen sie darin die Gründe ihrer grossen Selbständigkeit, weil sie für ihre Leistungen so weitgehende Privilegien erhalten hatten. Die Überprüfung dieser Behauptung, wie sie zum Beispiel der Luzerner Schultheiss und der Landammann von Uri gegenüber Erzbischof Berch-told von Henneberg auf dem Wormser Reichstag von 1497 aufstellten4, erschien mir als eine der wichtigsten Prägen, die gelöst sein müssten, bevor man die Geschichte der Trennung von Eidgenossenschaft und deutschem Reich behandeln könne. Ihr kommt hervorragende Bedeutung zu, weil die Antwort mehr oder weniger entscheidet, ob die Trennung schon früh ein Ziel, sei es auch nur ein unbewusstes, der eidgenössischen Politik gewesen ist oder nicht. Selbstverständlich ist es sehr schwierig, eindeutig zu entscheiden, ob die Eidgenossen durch Dienstleistungen Privilegien erwarben, um sich vom Reiche zu lösen, oder ob sie ihre Freiheiten mehr ihrer Bereitwilligkeit verdankten, in Reichsangelegenheiten dem Kaiser ihre Kräfte zur Verfügung zu stellen. Dennoch zeigte sich im Verlaufe unserer Darstellung, dass die Eidgenossen trotz eigenstaatliohen Interessen, die sich allerdings oft mit denen des Reiches verbanden, Kaiser und Reich grosse und bedeutsame Dienste leisteten, die sich nicht nur aus ihren eigenen Interessen erklären und mit den Verdiensten deutscher Fürsten nur selten vergleichen lassen. Daher verwundert es nicht, wenn in diesen Zeiten zwischen dem Oberhaupt des Reiches und den Eidgenossen meist enge Verbindungen bestanden. Selbstverständlich wandelte sich dies Verhältnis gemäss der persönlichen Haltung und der Hausmaohtpolitik des Herrschers, wie es sich ebenso nach den Zielen eidgenössischer Politik richtete. Wenn Gegensätze zum Kaiser entstanden, suchten und fanden die Eidgenossen im 14. als auch im 15. Jahrhundert bei der Reichsopposition Anschluss. Vor dem Regierungsantritt Friedrichs III. konnten wir engere Beziehungen der Eidgenossen zur Reichsopposition nur selten und nur für recht kuTze Zeiträume feststellen. Erst die Feindschaft Friedrichs III. zwang die Eidgenossen zum engeren Anschluss an die Reichsopposition, besonders an die Wittelsbacher. Gleichzeitig setzten sich die Eidgenossen mehrfach für Dinge ein, die man damals vornehmlich als Aufgaben des Reiches betrachtete. In knapper Zusammenfassung bemühten wir uns, den Nachweis zu erbringen, dass sowohl die Burgunderkriege als auch die Mailänderkriege unter dem Gesichtspunkt eines Kampfes für die Reichsinteressen betrachtet werden können, wobei man allerdings immer wieder daran denken muss, dass im Reiche wie in der Eidgenossenschaft nie eine einhellige Meinung darüber herrschte, was ihre wahren Interessen erforderten. 4 Vgl. Janssen, II, 2, S. 602. Auf Grund děr Verhandlungsgegenstände der eidgenössischen Abschiede und einiger Chroniken erhielten die Bemerkungen über die Zeit vor und nach 1500 den Titel:«Der Streit um die eidgenössischen Söldner »; denn dieser bestimmte sowohl die eidgenössische als auch die europäische Politik gegenüber den Eidgenossen entscheidend. Alle anderen Fragen traten hinter diesem Problem zurück, mochten sie auch Reichsreform oder Kammergericht, Bündnis mit Frankreich oder Bündnis mit dem Kaiser, Übergewicht der Städte oder der Länder geheissen haben. Diese Erkenntnis veranlasste zusammen mit einigen Hinweisen, die die eidgenössische Chronistik der Zeit nahelegte, die Aufzählung einer Reihe von Gesichtspunkten, die den Schwabenkrieg, diesen «krieg in tütschen landen»6, in einem neuen Lichte erscheinen lassen. Leider musste darauf verzichtet werden, diesen Fragen in Einzelheiten nachzugehen und die geäusserten Ansichten so zu belegen, dass sie als gesicherte Forschungsergebnisse gelten können. Obwohl dem Verfasser auf Grund seiner Kenntnis des Materials mit Ausnahme einiger Spezialfragen kaum eine andere Interpretation möglich erscheint, kann das Gesagte nur Arbeitshypothese sein. Immerhin hofft der Autor gezeigt zu haben, dass die bisherigen Anschauungen nur zum kleinen Teil haltbar sind. Dennoch ist es einem Anfänger nicht recht wohl dabei, fast ohne jegliche Unterstützung in einer so wichtigen Frage der Schweizergeschichte eine andere Meinung vertreten zu müssen als alle anderen, zum Teil sehr bedeutenden Forscher, welche sich vor ihm mit der Geschichte dieser Zeit und dem Verhältnis der Eidgenossenschaft zum Reiche befasst haben6. Zur Unterstützimg unserer Ansichten sei zum Schluss noch ein Blick auf die Niederlande geworfen, die zusammen mit der Eidgenossenschaft, jedoch in einer etwas abweichenden Form, die Lösung ihres Staates vom Reiche durchsetzten. Der niederländische Reohtshistoriker R. Feenstra hat vor einigen Jahren die Lösung der Niederlande vom Reiche untersucht und kam zu dem Ergebnis, dass sich die Abwendung vom Reiche in der Zeit zwischen 1608 und 1648 vollzog7. Bei der Untersuchung der Stellung der Eidgenossen zum Reiche sollte man die Verhältnisse in den Niederlanden immer wieder vergleichen, obschon dort die Entwicklung wesentlich anders verlief als in der Eidgenossenschaft. Für keinen Zeitraum lässt sich eine ähnliche Bedeutung der Lande an der Mündung des Rheins für das Reich und die Reichspolitik feststellen, wie wir sie für die Eidgenossenschaft des 14. und 15. Jahrhunderts nachweisen konnten. Die Niederlande verdankten ihre besondere Stellung innerhalb des Reiches zum kleinen Teil der Zusammenfassung ihrer Lande fi Schradin; vgl. oben, S.82f. 6 Ausser den beiden Miszellen von H. Sigrist kann nur der Aufsatz von B. Amiet, Solothurn und das Reich von don Ottonen bis zum Westfälischen Frieden, als Stütze angeführt ■werden. SZG, III (1953), S.321ff.j vgl. oben, S. 284. 7 R.Feensbra, A quelle époque Les Provinces-TJnies sont-elles devenues indépendantes en droit á 1'égard du Saint-Empire ?, Tijdschrift voor Rechtsgesohiedenis, XX, 1952. Auf diesen Aufsatz wies mich freundlicherweise Herr Prof. K. S. Bader, Zürich, hin. 296 297 im Staate Karls des Kühnen. Bedeutsamer war, dass Maximilian die Forderung der reformfreundlichen Beichsstände, die eine Eingliederung der habshurgischen Hausmacht in das Reich und die Unterwerfung unter das Reichsregiment und das Kammergericht verlangten, konstant ablehnte. Auf diese Weise nahmen die Niederlande zu Beginn des 16. Jahrhunderts eine ähnliche Stellung im Reiche ein wie die Eidgenossenschaft. Diese Sonderstellung wurde von Karl V. bedeutend verstärkt, als er die Niederlande mit seinen spanischen Erblanden vereinigte. Weder die Reichsstände noch Österreich und der habsburgisohe Kaiser vermochten fortan in diesem Lande irgendwelchen Einfluss auszuüben. Dennoch zählte man diese Lande noch zum Reiche, obwohl es nahe läge, auch in diesem Falle von einer «de faoto»Trennung zu sprechen. Wenn B. Feenstra als die entscheidende Zeit der Trennung der Niederlande vom Reiche die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts erkannte, so legt dies wiederum die Vermutung des engeren Zusammenhanges von Ablösungstendenzen und den neuen, vom Naturrecht stark beeinflussten Staatsauffassungen nahe; denn in dieser Zeit erschien ein hochbedeutendes Werk staatsrechtlichen oder naturrechtlichen Inhaltes nach dem anderen. Die meisten wurden von niederländischen Druckern herausgegeben. Obwohl die Niederlande eine Art geistiges Zentrum jener Zeit bildeten, dachte man in diesem Lande jedoch noch nicht so fortschrittlich, um den niederländischen Staat als reine Republik zu gründen, sondern man suchte sich noch einen besser legitimierenden Monarohen. Auch dieser Vergleich weist wiederum darauf hin, dass die Geschichte der Ablösung der Eidgenossenschaft vom heiligen römischen Reiche deutscher Nation, wenn man von der rechtlichen Festlegung im westfälischen Frieden absieht, noch geschrieben werden muss. LITERATURVERZEICHNIS Ungedruckte Quellen Staatsarchiv Zürich: Urkundenregister 1400-1ÖT6 Akten A 171 Reichssaohen A 176 Deutscher Kaiser A 159 Schwabenkrieg A 180 Baden-Durlach A 181 Bayern A 182 Bayrische Pfalz A 183 Brandenburg (Kurfürsten) A 197 Erzbischof von Köln " B IV, 1 Massiven B IV, 2 Missiven B IV, la und 1 b Missiven B VII, 1 Instruktionen für die Tagsatxung Gedruckte Quellen Urkunden, Akten usw.: Acta Concili Constantiensis, ed.Finke, 1896. 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Rusca Corvinus, Matthias -s- Ungarn Cues, Nicolaus von, Kardinal und Bischof von Brixen (1401-1464) 270 Dalmatien 174 DelBene,üorentinischer Gesandter (<—-1420) 201 Deila Scala, Brunoro (t 1434) 210 Deutschbrod (Schlaoht) 196 Diesbach, Nikiaus von, Berner Schultheiss (1430-1475) 257, 263, 267 Disentis, Benediktinerabtei 115, 116, 123, 125-127, 132, 136, 151, 211; vgl. Attinghusen, Thüring von Domodossola 185, 208; vgl. Eschental Eck, Johannes, Professor in Ingolstadt (1486-1543) 288 Edlibach, Gerold, Zürcher Chronist (1454- 1630) 80-82 Eduard -5- England Ehenheim 116 Eigental 225 Einsiedeln, Kloster 46, 48-50, 84, 109, 111, 149, 161, 230, 231, 236 Elsass 133, 178, 258-260, 262, 264-267 Engelberg, Kloster 113,230-234 England, Engländer 35, 68, 134, 137, 296 - Eduard III., König von (1312-1377) 65, 132-135, 137 Erfurt 240 Ernst Österreich Erstfeld 111 Eschental (Val Ossola) 175-177, 180, 185- 189, 191, 192, 194, 195, 197, 200, 208 Etsch 187 Etterlin, Peterman, Gerichtsschreiber zu Luzem (t 1509) 40, 41, 46, 84, 85, 88, Farnsburg 251 Feldkirch 188 Flandern 137; vgl. Niederlande Florenz 170, 193, 194, 198-204, 207, 208 Flüelen 109, 123, 141-144, 153, 164, 230, 233, 296 Formazza-tal 211; vgl. Eschental Frankfurt 133, 182, 261, 266, 270 Frankreich 14, 35, 65, 68, 75, 92-94, 100, 129, 132-135, 137, 202, 256, 258, 263, 265, 272-274, 278, 279, 281, 282, 286, 288, 295, 297 - Karl IV., König von (1296-1328) 116,116 - Ludwig XL, König von (1423-1483) 267, 268, 263, 267, 271 - Ludwig XIV., König von (1638-1715) 27 - Philipp August (IV.), König von (1268-1314) 27 - Philipp VI., König von (1293-1350) 131, 137 Freiburg im Uechtland 58, 74, 129, 130, 136, 145, 200, 208 - im Breisgau 258, 286 Friaul 177 Fricker, Dr., Thüring, Berner Stadtschreiber (~ 1429-1519) 59, 80, 92, 267 Friedrich I. (1122-1190) 65, 84, 94 Friedrich II. (1194-1250) 20, 21, 32, 42, 43, 49, 65, 76, 86, 91, 94 Friedrich der Schöne (1286-1330) 48, 49, 108, 109, 112, 113, 116-118, 120, 294 Friedrich III. (1415-1493) 13, 47, 69, 70, 72, 76, 77, 82, 88, 91, 92, 95, 245, 248-256,. 258-268, 270-276, 280, 281, 289, 296 Friedrich -> Brandenburg, Österreich, Pfalzgraf Friesen 40 Fründ, Hans, Schwyzer Landschreiber und Chronist (ca. 1400-1469) 68-73, 250 Gaster 247 Genf 47 Genua 188, 189, 192-194, 210, 212 Gessler 49 Giornico 211 Glarus 63, 145, 156, 157, 159, 161-163, 174, 200-202, 204, 210, 223, 236-237,246-248 ßöldli, Hoinrich, Bürgermeister von Zürich (1457-1514) 273 Görz, Grafen von 175 Goldast ab Heiminsfold, Melchior (1578- 1635) 291 Goten 40 Gotthard 110, 118, 123, 170, 171. 174, 176, 188, 194, 204, 205, 208, 209, 223, 228 Graisbach, Berthold von, gen. von Neiffen (1280/90-1342) 124, 127 Grandson 265 - Otto von (t 1375) 134 Grasburg 200 Graubünden, Grauer Bund 171, 174, 245, 283 -+ Chur, Disentis, Vaz Greyerz, Peter VII. von (1304-1342) 134 Gualdo, Andreas -> Sitten, Bischof Günther -> Schwarzenberg Habsburg, Grafen von 40, 44, 45, 47, 48, 123, 130, 143, 144, 147, 153 - Johann II. von (f 1380) 130, 132, 142, 143, 152; vgl. Österreich, Rudolf Hagenau 122 Hagenbach, Peter von (1423-1474) 88, 92, 255, 258, 259, 262 Hasli 40, 41, 71, 83, 220 Hattstatt, Johannes von, Stiftsherr 286 Hegau 283 Heinrich VI. (1165-1197) 43,65 ' Heinrich VII. (1274/75-1313) 48, 49, 84, 91, 108, 109, 111, 112, 172, 227 Heinrich der Löwe (1129-1195) 196 Heimgarten (de Plateo), Philipp von, Rat Sigmunds 177, 187, 201, 224 IMvetier 47, 90, 291 Hemmerli, Felix, Chorherr in Zürich (1388- ~ 1464) 52, 250, 283 Henneberg Mainz Hericourt 265 Hermannstadt, Georg Probst von, Kanzler Sigmunds für Ungarn 191 Herter von Hertenegg-Dusslingcn, Wilhelm (~ 1424-1477) 268 Hohenberg, Rudolf IL, Reichslandvogt im Elsass (1327-1335) 124 Homberg, Werner I. von (1284-1320) 109 - Werner II. von (1320-1323) 123,142,144 Honorius 40 Horgen 215 Hospental, Heimich von 110 Hunwil, von 232 - Peter von (f 1338) 173 - Walter von (f 1423) 173, 233 Hussiten 195, 196, 198, 202, 203, 205, 244 Innsbruck 181, 283 Interlaken 145 Irland 67 Italien 18, 19, 37, 38, 87, 93, 98, 118, 121, 129, 160, 163, 170, 179-181, 188-190, 194, 198, 202, 203, 207, 241, 244, 287; vgl. Lombardoi, Mailand Jerusalem 94 Johannes -> Päpste Julius -> Päpste Justinger, Conrad, Stadtschreiber und amtlicher Chronist (t 1438) 42, 44, 46, 50-52, 64-68, 72-76, 84, 93, 134, 182 Kaiser -> Vornamen Kärnten 137-139 - Heinrich von, KönigvonBöhmen (f1335) 122, 123, 130, 137, 139 - Margarete Maultasch (1318-1369) 138 Karl der Grosse (742-814) 41, 42, 82, 88, 90 288 Karl IV. (1316-1378) 66, 67, 76, 77, 85, 91, 129, 137-139, 143-153, 156-167, 173, 215, 216, 220, 223, 233, 236, 238, 252 Karl V. (1500-1558) 288, 289, 201, 298 Karl Burgund, Frankreich Kaysersberg 116 Kistler, Peter, Berner Schultheiss (f 1480) 92 Knebel, Johannes, Basler Priester und Universitätsnotar (1414-1481) 267, 268 Köln 196, 264, 295 - Erzbisohof Wilhelm von (1349-1362) 161; Virneburg Könitz, Deutschordenshatis 146 Konrád II. (~ 990-1039) 29 Konstantinopel 67 Konstanz 47, 108, 115, 118, 123, 147, 150, 186, 187, 262, 287 - Konzil von 21, 67, 167, 168, 179, 181, 182,186,187, 203, 205, 225, 230, 237, 244 - Bischof von 124, 160 -- Gerhard von (1307-1318) 111 --Nikolaus von Frauenfeld (1334-1344) 133, 134 Krain 137-13» Kurfürsten 14, 29, 43, 66-68, 70-72, 75, 76, 82-85, 89-91, 97, 98, 116, 133, 168, 176, 181, 183, 195, 196, 198, 202, 205-207, 212, 238, 241, 243, 245-248, 250-254, 261, 271, 281, 285, 289 Kyburg 216 Kyburg-Burgdorf, Grafen von 44, 220, 221 - Hartmannll. von (f 1322) 112-114, 116 - Eberhard II. von (1299-1357) 74, 113, 114, 116, 118, 121, 219 Landenberg 49 Laupen 134, 135, 137, 145, 148, 152, 157, 164, 219, 295 Lausanne 47, 268 - Bischof von 134, 191 Leibniz, Gottfried Wilhelm (1646-1716) 23 Leopold -> Österreich 316 317 Leventina (Livinen) 4S, 110, 123, 170-174, 186, 193, 197, 200, 201, 210-213, 230; -> Bellinzona Locarno 140 Lombardei 121, 129, 168, 170, 171, 175, 176, 178, 180, 181, 187, 192, 194, 204, 287 Lothringen, Herzog Ronat II. von (1451- 1508) 265 Ludwig der Fromme (778-840) 41, 42 Ludwig der Bayer (1283-1347) 48, 49, 66, 91, 108-145,148^150, 156, 157,164, 165, 173, 228, 253, 294, 295 Ludwig Brandenburg, Frankreich, Pfalzgraf Lübeck 99, 264 Lüttich 261, 266 Lukraanier 178 Lupfen, Grafen von 199 Luther, Martin (1483-1646) 36, 94 Luxemburger 113, 140-142, 164, 295 Luxemburg, Balduin von, Erzbisehof von Trier (1285-1354) 120 - Johann, König von Böhmen (1296-1346) 117, 119-125, 131, 137-139 - Johann Heinrich, Graf von Tirol (1322-1375) 137-139; -> Böhmen, Karl IV., Sigmund, Wenzel Luzern 41, 42, 46, 49, 08, 60, 63, 83-86, 88-90, 112, 118, 122, 129-131, 141-144, 154, 155, 157, 161, 162, 166, 182, 188, 197, 199-206, 207, 209, 211, 212, 222-227, 233, 235, 239, 269, 296 Lyon 65 Machiavelli, Niccolo (1469-1527) 33, 37 Maggia-tal 211 Mailand 115, 123, 132, 139, 140, 163, 168-172, 174-182, 186, 189, 191, 193, 196-213, 228, 243, 244, 272, 273, 295 ~> Lombardei, Visconti Mainz 146, 253 - Erzbischof von 85, 112, 133 - - Peter Aspelt (~ 1240-1320) 109,112 --BerchtoldvonHennoberg(1441-1504) 271, 277, 281, 286, 296 ---> Buchegg, Matthias; Virneburg, Heinrich Maroh 231, 236, 246, 248 Margarcto Maultasoh -> Kärnten Matsch, Vögte von 140 Matthias von Neuenbürg (~ 1315-~ 1370) 112, 116, 158, 161 Maximilian I. (1459-1510) 81, 83, 85, 88, 91, 92, 95, 259, 268, 272-274, 277-283, 285-288, 298 Mecklenburg-Schwerin, Karl Leopold von (1678-1747) 26 Memmingen 108 Meran 177 Montferrat 186, 189, 193 Moresini, Johannes aus Giornico 211 Morgarten 44-50, 109, 110, 160, 157, 164, 165, 213, 228, 235 Morschach 111, 149 Mos, von 173 - Konrad von 110 - Heinrich von, Schultheiss zu Luzern (1387-1430) 209 Moser, Johann Jakob (1701-1786) 11, 23 Mühldorf 113 Mülhausen 115, 116, 259 Münch, Konrad von, Herr zu Landskran, Bürgermeister in Basel (1318-1358) 146 München 137 Muothatal 149 Murbach 42, 166, 222, 223 Murten 114, 145, 266, 267, 271 Näfels 236 Nazareth, Petrus von, Titularcrzbischof (1330-1345) 111 Neapel 112, 177 - Robert König von (1309-1343) 112,116 Neuenburg am Rhein 115 Neuss 77, 263-265 Nidau, Grafen von 134 - Rudolf III. von (f 1339) 109, 136 Nidwaiden 202, 211, 233; -5- Obwalden, Unterwaiden Niederlande 26, 100, 101, 272, 297, 298 Novarra, Bisohof von 175, 194, 195 Nürnberg 111, 196, 254, 268, 270, 295 Oberhasli ~> Hasli Oberrhein -> Elßass Oberrheinischer Revolutionär 283 Obwalden 45, 141, 145, 149, 157, 171-173. 193, 200-202, 209-212, 230, 232; ->Unterwaiden, Nidwaldcn Österreich 12, 16, 27, 40, 41, 44-52, 69, 70, 72, 74-77, 79, 81-83, 86, 88, 89,107-118, 121, 122, 124-132, 135-141, 144, 145, 148, 150-166, 168, 169, 174, 176, 177, 182-185, 188, 196, 203, 205, 213-218, 220-228, 230-237, 243, 247-253, 255-260, 262-264, 267, 269, 274, 276-278, 280, 284, 285, 287, 288, 291, 293, 295, 298 - Agnes von, Königin von Ungarn (1281-1364) 129, 136, 144, 145, 153, 157, 158, 159 - Herzog Albrecht II. von (1298-1358) 117, 120, 132, 136, 139, 144, 150, 162, 156, 158-162 - Herzog Albrecht III. von (1848-1395) 169 - Herzog Albrecht V.l. von (1418-1463) 249 - Herzog Ernst von (1377-1424) 88, 174, 175, 206 - Herzog Friedrich IV. von (1382-1439) 174-176, 178, 179, 181-184, 187, 196, 197, 199, 203, 206, 216, 217, 221, 225, 233, 246, 249 Österreich, Kunigunde von, Horzogin von Bayern (1465-1520) 275 - Herzog Leopold I. von (~ 1290-1326) 47, 49, 50, 108-110, 112-117, 223 - Herzog Leopold III. von (1351-1386) 169 ! - Herzog Leopold IV. von (1371-1411) 169 - Herzog Otto von (1301-1339) 117, 120 - Herzog Rudolf IV. von (1339-1365) 157, 158, 163 - Herzog Sigmund von (1427-1496) 85, 249, 253, 257-259, 261-266, 273-277 - -> Albrecht, Friedrich der Schöne, Friedrich III., Karl V., Maximilian, Rudolf von Habsburg; vgl. Habsburg, Grafen von Ofen 201 Ossola, Val Eschental Otto I. (912-973) 84 Otto II. (905-983) 84 Otto III. (980-1002) 67, 84 Otto IV. (1177-1218) 48 Otto Österreich Pavia 29, 123 Papst 22, 37, 41, 65-68, 71, 73, 85, »0, 92-94, 113, 183, 194, 202, 237, 273, 274, 282, 288 - BenediktXII. (1334-1342) 130,133-135, 140 - Eugen IV. (1431-1447) 244, 250, 251 - Felix V. (Konzilspapst, 1438-1449) 250; vgl. Savoyen, Amadeus VIII. - Gregor XII. (1406-1417) 190 - Johann XXII. (1316-1334) 112, 115-117, 120, 121, 124, 129, 133 - Johann XXIII. (1410-1415) 179, 182, 186, 190 - Julius II. (1503-1513) 96 - Martin V. (1417-1431) 191, 201, 202 Peter Aspolt Mainz Peterlingen (Payerne) 145 Pfäfflkon 236 Pfalzgraf bei Rhein70-73, 82,83, 85,254,277 --Friedrich der Siegreiche (1425-1476) 258, 260, 261, 275 - - Ludwig IV. (1424-1449) 175,252,253 --Anna, Gemahlin Karls IV. (1329- 1353) 150 ---> Ruprecht, Wittelsbach Pfullendorf 116 Philipp -> Frankreich Platifer (Monte Piottino) 197, 205 Polen 67, 175, 195 Portugal 67 Pufendorf-, Samuel von (Monzambano, 1632-1694) 23 Rappcrswil 152-154, 248; vgl. Habsburg Raron, Gitschart von (1383-1424) 180, 181, 185-191,193, 245; Sitten, Bischof von Reding, Ital, der Ältere (f 1447) 231 Regensburg 75, 157, 160-162, 196 Rheinfelden 115, 116, 120 Rhense 116, 133 Rom 41, 67, 90, 94 Rorschaoh 276, 280 Rotenburg (bei Luzern) 49 Rottweil 131, 148, 252, 253, 255, 270 Rudolf von Habsburg (1218-1291) 29, 42, 46-50, 66, 67, 85, 90, 214, 222 Rudolf Österreich Ruprecht von der Pfalz (1352-1410) 66, 67, 73, 91, 143, 168-171, 173, 180, 224, 236 Rusca von Como 122-124, 178, 189, 192 - Franchinus 123 Russ, Melchior, der Jüngere, Luzerner Stadtschreiber (f 1499) 41, 42, 46 Säckingen, Kloster 235, 237 St. Gallen 47, 115, 116, 118, 120, 130, 147, 150, 202, 276, 280 - Abt von 199 St. Jakob an der Birs 251 Sargans 247, 248 Samen, Weisses Buch von 45, 107 Savoyen 121, 135, 170, 176, 177, 178-181, 185-188, 190, 195, 198-203, 207, 208, 263, 267, 271, 273 - Amadeus VIII. von (1383-1451) 185, 188, 191, 193, 200, 206, als Konzilspapst Papst, Felix V. - Aymo Graf von (1291-1343) 129, 134 - Ludwig II., Herr der Waadt (f 1349) 121, 129, 134 - Ludwig von Achaja (1364-1418) 176 Sax-Misox, Freiherren von, Grafen von 171, 174, 178, 186, 189, 192, 193 Schaffhausen 47, 63, 115, 116, 120 Schilling, Diobold, Berner Chronist und Schreiber (f 1485) 43-45, 72-80, 85, 93, 257, 267 - Diebold, Luzerner Chronist (ca. 1460-1520) 42, 86-89 Sohinner, Matthäus, Kardinal, Bischof von Sitten (~ 1465-1522) 287 Schlick, Caspar, Kanzler Sigmunds ('--' 1396-1449) 226 Schradin, Nicolaus, Schreiber zu Luzern (t ca. 1531) 40, 82, 83 Schwarzenburg, Günther von, Gegenkönig (1304-1349) 150 Schwarzwald 110 Schweden 40, 294 Schwyz 40, 41, 44, 45, 47, 49, 68-71, 81, 83, 110, 111, 114, 116, 117, 124-127, 149, 151, 154, 158, 199-202, 204, 210, 227, 230-234, 236, 245-248, 250; vgl. Waldstätte Selz 115, 116 Sempaoh 166, 167, 169, 170, 175, 220, 221, 223-225, 231, 233, 236 318 319 Senn von Münsingen, Burckhardt (f 1369) 148 - Johann, Bischof von Basel (1338-136S) 133, 134 Sforza, Galeazzo Maria (1469-1494) 81 Sigmund (1368-1437) 13, 15, 21, 65-67, 76, 81, 85, 88, 91, 169, 174-196, 198-210, 212, 213, 216, 217, 221, 222, 224-227, 230, 231, 233, 235-237, 243-246, 248, 249, 286, 269, 280, 295; vgl. Luxemburger Sigmund Österreich Silenen 111 Simler, Josias (1530-1576) 41, 49, 50, 53, 55 Sitten 210 - Bischof von 134, 181, 201 - - Andreas Gualdo (1418-f 1437), Erz. bischof von Colocza (1413-1420) 190, 191, 201, 208 - - Wilhelm VI. von Baron (1402-1418) 190; Schinner Solothurn 47, 58, 109, 112-114, 116, 135, 136, 145, 147-149, 177, 178, 201, 259 Speyer, Bischof von 120 Spiez 75 Steinen 111 Stoffeln, Peter von 154 Strassberg, Imer von (f 1364) 154, 155 - Otto II. von (t 1318) 109 Strassburg 212, 270 - Bischof Johann von Lichtenberg (1364-1365) 161 ---> Buchegg Berchtold von Stühlingen 252, 253 Stüssi, Rudolf, Bürgermeister in Zürich (t 1443) 217 Stumpf, Johannes (1500-1577/78) 41, 47, 53-56 Sulz, Alwig von (t 1493) 262 - Rudolf von (f 1488/95) 264 Tarantaise, Erzbisohof von 191 Tesserete 178 Tessin Leventina Thun 113, 114, 219 Thurgau 285 Thum, Peter von, Herr zu Gestelen (f nach 1356) 134 Tirol 122, 137-140, 151, 156, 170, 275-278; vgl. Brandenburg, Ludwig; Kärnten, Österreich Toggenburg, Diethelm V. Graf von (f 1337) 130 - Friedrich IV. von (| ~ 1315) 109 - Friedrich VII. von (vor 1385-1436) 69, 199, 216, 231, 245-249 Torner, Caspar 201 Trier 269-262, 264 - Erzbischof von Luxemburg, Balduin von Tschachtlan, Benedieht, Berner Ratsherr und Chronist (f 1493) 71-76, 80 Tschudi, Aegidius (1505-1572) 41, 48, 49, 51-53, 59, 195 Türken 27, 83, 84, 94, 176, 195, 203, 258, 259, 268 Ulm 108, 192 Ungarn 88, 117, 174, 195, 198, 201, 203, 205, 206, 246 - Matthias Corvinus, König von (1443-1490) 268, 273, 275; vgl. Sigmund Unterwaiden 44, 45, 47, 110, 116, 117, 125-127, 151, 154, 158, 187, 197, 201, 204, 209, 225, 227, 230, 232-235; -> Nidwaiden, Obwalden, Waldstätte Uri 44, 45, 47, 110, 111, 115-118, 124, 125, 127, 142-144, 153, 158, 171-173, 185-187, 189, 193, 195, 197, 200-202, 204, 209, 211, 212, 228-230, 232, 233, 235, 244, 296; vgl. Waldstätte Urkantone -> Waldstätte Ursoren 110,117,123,125, 229, 230; vgl.Uri Varose 211 Varnbühler, Ulrich, St.-Galler Bürgermeister (ca. 1440-1495/96) 271, 280 Vaz, Donat von (~ 1280- vor 1338) 122, 126, 127, 129, 132 Venedig 174-176, 186, 188-190, 192, 193, 195, 198, 199, 202-204, 207-210, 212 Vionne, Dauphin Humbert II. von (1312-1355) 129 Vimercato, Conrad de, Sekretär Filippo Maria Viscontis 208 Virneburg, Heinrich von, Erzbischof von Mainz (1328-1346; f 1353) 120 Visconti 115, 123, 172, 174-176 - Azo (1302-1339) 122, 123, 140 -Filippo Maria (13. .-1447) 176, 178, 179, 181, 182, 186, 189, 192-196, 198- 200, 202, 204, 208-212 - Gian Galeazzo (1351-1402) 168-171, 197, 211 - Gian Maria (1389-1412) 176 Vitoduran -s- Winterthur Waadt 266; Savoyen Wädenswil 153; von Waldkirch, Johann Rudolf (1678-1767) 49 Weidmann, Hans, Zürcher Bürgermeister (1435-1489) 92 Waldstätte 48-51, 74, 85, 89, 103, 106-112, 114, 118, 119, 122-126, 128, 129, 131, 136, 136, 141-145, 150-154, 156, 157, 159, 160, 162, 164-166, 186, 205, 227-234, 237, 238, 295 Walenstadt 247 Walker, Ulrich, Schultheiss zu Lünern (t 1427) 203, 204, 207 Wallis 45, 171, 180, 181, 185-188, 190, 191, 201, 211; vgl. Heimgarten, Raron, Sitten Weber, Veit, Liederdichter 258 Weesen 247 Weggis 224 Weingarten 192, 193 Wenzel (1361-1419) 29, 66, 68, 76, 85, 88, 91, 143, 166-169, 173, 195, 220, 221, 223-225, 227, 230, 231, 233, 234, 236; Luxemburg Werdenberg-Heiligenberg, Albrecht I. von (1308-1364) 119, 122, 123, 125-127, 132, 136, 142, 149-161 - Hugo IV. von (f 1329) 126 Wettingen, Kloster 158, 229 Wettstein, Johann Rudolf, Basler Bürgermeister (1594-1666) 12 Wien 202, 207 Windegg 247 Winterthur 248 - Johannes von (~ 1300-1348) 119, 141, 149 Wittelsbach 152, 165, 296 - Bayern, Brandenburg, Ludwig der Bayer, Pfalzgraf Wolhusen, von 233 Worms 14, 271, 281, 285-287, 291, 296 Württemberg, Grafen von 266 - Herzog Ulrich von (1487-1550) 284 Zähringen, Herzöge von 93 - Herzog Berchtold V. von (f 1218) 42, 43, 55, 56, 65, 214 Zofingen 154 Zürich 41, 42, 47, 67-70, 81, 82, 85, 89-92, 108,115,118-121,130-132,136,141,144, 146, 147, 150-155, 157-163, 165, 177, 178, 184, 185, 188, 192, 193, 196-202, 204-207, 210, 212, 214-218, 222, 224, 225, 236, 236, 240, 244-253, 256, 273, 286, 288, 289, 295 Zürcher Chronik 42, 67, 68 Zug 145, 156, 157, 159, 161-163, 200, 202, 204, 210, 231, 234, 235, 237, 273 Zwingli, Huldrich (1484-1531) 288, 291 320 321