> Bei Beer & de, vorm. Easi & Beer in Zwicji sind fei nef erschienen Bosch Dr. Reinh., Der Kornhandel der Nor d-Ost-Innerschweiz ' und der ennetbirgischen Vogteien irh 15. u. 16. Jahrhundert. 1913. 8°. 173 S. , " Mrk. 3.'60 Fr. 3.60 Fecht, Ottmar, Die Gewerbe der Stadt Zürich im Mittelalter. ,< 1909. 8V 87IS. { *Mrk. 2.- Fr. 2'.40 Heitz, Paul, Die Zürcher Buchermarken bis zum .Anfang des 17. Jahrhunderts. Em bibliographischer und bildlicher s ^ Nachtrag' /,u 0. RüdofphrV lind ,S*Vogelin's Arbeiten über Züricher1 Druckwerke. Herausgegeben durch die - Stiftung Schnyder von >Wartehsee. Gr.'40.\i8 S. t Preis Fr. 8. —. Huch, Dr. Ricarda, Die Neutralität der' Eidgenossenschaft, besonders der Or te Zürich unABerp wahrend des spanischen Erbfolgekrieges. 8°. 286 S.1 Mrk. 4. — Fr. 4. — Maa'g, Dr. Rudolf, Die Freigrafschaft Burgund und' ihre 1 Beziehungen zu der" Schweizerischen Eidgenossenschaft vom Tode Karls des Kuhnen bis zum Frieden von Nymwegen ("1477—1678). 1891. 8°. VI. 23 Bogen. , , ^ - . Mrk. 5.— Fr. 5.— Meyer von Knonau, G., Lebensbild dqs Professors ßeorg von Wyss. 4° 202 S-u.2 Poitiaits Mrk 6.— Fr. 6. 50 . —' - Wie soll der Schweizer Geschichte studieren ? Rektoratsvortrag. 22 S. ' ,60/Pffe. - 75 Cts. Nägeli; Dr. A., Joh. Marl. listen. 1763—1827. * > broch.-Fr. 4.^—; geb. Fr. 5.— Pestalozzi, Dr. Carl, Das Zürcherische Kirchengut in seimr Entwicklung 'zum Staatsgut. 8°, 111 S. , , Mrk. 2 — Fr. 2.— Rutsche, Dr. Paul, DerKantpn Zürich zur * Zeih der Helvetik (17QB—18Q8). 1900.8°. 345 Mrk. 4. 40.Fr. 4. 80. Schweizer, Prof. Dr. P.", Die Wallenstßinfrage m der Gesünchte t und im Drama. 8°. 354 S. Mrk. 7. — Fr. 8. - Turicensia. Beitrage zur zürcherischen Geschichte durch zürcherische Mitglieder der Allgemeinen Geschichtforschenden Gesellschaft der Schweiz bei Anlass der Feier der funfzig-jahiigon Thatigkeit der Gesellschaft am 14. und' 15. September 1891 der in Zürich abgehaltenen sechsundvierzigsten Jahresversammlung gewidmet, 1189L 8°. 243 S., ' ' Mrk. 5. — Fr. 5. - Jahrbuch für Schweizerische Geschichte herausgegeben auf Veranstaltung der allgemeiuen geschichtforsclienden Gesellschaft der Schweiz. Einundvierzigster Band. Zürich. Beer & Cie. vorm. Fäsi & Beer 1916. DIE BENENNUNGEN DEE I ALTEN EIDGENOSSENSCHAFT UND IHRER GLIEDER. Von WILHELM OECESLI. ERSTEE TEIL. Vorwort. Die nachfolgende Abhandlung verdankt ihre Anregung Herrn Dr. W. A. B. Coolidge in Grindelwald, dem verdienten Ehrenmitglied der Gesellschaft, der mich anfragte, wo er über die histo-r rische Entwicklung der Ausdrücke „Liga vetus Alamannie altae", „Kanton", „Ort" Genaueres finden könnte. Da ich ihm die Antwort schuldig bleiben musste, entschloß ich mich, selber an die Arbeit zu gehen. Man könnte gegenwärtig in solchen antiquarischen Untersuchungen einen Beweis stumpfsinniger Gleichgültigkeit gegenüber dem furchtbaren Weltenschicksal, das sich vor unsern Augen abrollt, erblicken und sie mehr als überflüssig finden. Mir waren sie eine Ablenkung von schmerzlicher Aufregung über das Fatum, das die ersten Nationen des Erdballs zum gegenseitigen Vernichtungskampf antreibt, und von der bangen Sorge um unser eigenes so schwer bedrohtes Vaterland, Gefühlen, die mich die zu größern wissenschaftlichen Aufgaben notwendige Konzentration nicht mehr finden ließen. Den Herren Staatsarchivaren Dr. Nabholz, Hegi und Glättli in Zürich, Kurz in Bern, Weber in Luzern, Durrer in Stans, de Raemy in Freiburg und Herrn Kantonsbibliothekar v. Diesbach daselbst spreche ich für freundliche Handreichung meinen verbindlichsten Dank aus. Juli 1915. W. 0. 54 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft und ihrer Glieder. 55 A, Namen der Bestandteile der Eidgenossenschaft. § 1. Waldstätte und Waldleute. Treffend bezeichnet Dierauer die Urkantone als die zusammenfassende und treibende Kraft der Eidgenossenschaft in ihrer Entstehungszeit. „Die drei Länder bildeten wie eine föderative so auch eine territoriale Einheit, die unverrückbar als ein gesicherter Kern in den Bergen wurzelte. Sie allein waren mit allen Gliedern der Eidgenossenschaft direkt verbündet, von ihnen strahlten die freiheitlichen Ideen aus; an ihrer erprobten kriegerischen Kraft fanden die Bundesgenossen für gleichmäßige Bestrebungen fortwährend einen starken Rückhalt" x). Die gemeinsame Bezeichnung dieses Kerns der Eidgenossenschaft „Waldstätte" tritt uns, so uralt sie ihrem Ursprung nach sicherlich ist, in den Quellen verhältnismäßig spät entgegen. Abgesehen von einer Urkunde von 1289, die die Worte „ze Swiz in der Waldstat" enthält2), finde ich die Benennung mit Sicher- x) Dierauer, Gesch. der Schweiz. Eidgenossenschaft (2. Aufl.) I S. 304. a) Geschichtsfreund der V Orte VII S. 52. Älter wäre allerdings der Kaufbrief von 1273, kraft dessen Graf Eberhart von Habsburg-Kyburg an Rudolf von Habsburg „lüte und gut in den Waldstetten" verkauft. Allein wir besitzen von dieser Urkunde nur das Regest in dem um 1384 abgefassten Verzeichnis der Briefe auf der Veste Baden (Oechsli, Anfänge der Eidgenossenschaft Reg. 219) und können daher nicht sagen, ob der Ausdruck „Waldstätte" schon im Original gestanden hat oder ein Zusatz des Regesten-veri'assers ist. Die älteste Spur des Namens Waldstätte wäre in dem im 12. Jahrhundert entstandenen Güterbeschrieb der Acta Murensia zu finden, heit zum erstenmal am 22. Juni 1309, wo Graf Wernher von Homberg als „pfleger des Roemschen Richs in dien Waltstetten" amtet. Auch in dem Neutralitätsvertrag, den die Herzoge Friedrich und Leopold von Österreich am 2. August 1309 mit Zürich schlossen, werden neben Graf Wernher von Homberg die „Waldstätte" als Feinde Österreichs genannt. Ein späterer Reichsvogt, Graf Johann von Aarberg, urkundet 1323, daß ihm „die vorge-scriben Waltstetten" zu des Königs und Reichs Händen gehuldigt und geschworen haben, und 1329 verbietet Ludwig der Baier dem „Rychsvoget, den wir gesetzet haben ... uber du lant der walt-stette, zuo Swiz, zuo Ura und zuo Underwalden, die lüt derselben stette" an Leib und Gut weiter als herkömmlich zu drängen. Vermutlich ist die neue Reichsvogtei, die Heinrich VII. im Juni 1309 aus den von ihm gleichmäßig gefreiten Tälern Uri, Schwyz, Unterwaiden gebildet hat, offiziell mit dem Namen der Waldstätte bezeichnet worden1). Seit 1309 ist Waldstätte der gewöhnliche Gemeinname, der den drei Ländern von Städten, Ländern, Edelleuten, Bischöfen, Herzogen und Königen gegeben wird 2), und auch sie selbst nennen wenn meine in den Anfängen der Eidgenossenschaft (Reg. 194) gegebene Übersetzung des' „Inter Silvas" mit Waldstätte richtig wäre. Allein Rob. Durrer (Die Einheit Unterwaldens, Jahrb. für Schweiz. Gesch. 35 S. 40) hat nachgewiesen, daß die Alpennamen des betreffenden Kapitels ausnahmslos in Unterwaiden liegen und „Inter Silvas" daher schwerlich etwas anderes ist als die lateinische Eorm für Unterwaiden. J) Kopp, Urkunden I S. 107 (Oechsli, Regest 489). Zürcher Urkunden-buch VIII S. 281 (Oechsli, Regest 493). Eidg. Abschiede I S. 253 (Oechsli, Regest 643). Geschichtsfreund V S. 252. 2) Luzern a. 1310: „an der suene der Waltstetten" (Oechsli Reg. 499). Glarus a. 1318: „den Lantluten gemeinlich in dryen Waltstetten" (Blumer, Urk. Glarus I S. 145). Einsiedeln a. 1319: „des Bapstes bulle wider die waltsteten" (Geschichtsfreund 43 S. 370). Bündner Oberland a. 1339: „dieselben Waldstette" (Abschiede I S. 22). Bern a. 1341: „mit dien drin waltstetten von Ure, von Switze und von Underwalden" (Abschiede I S. 24). Wallis a. 1346: „und allen drin Waltstetten" (Geschichtsfreund I S. 75). Graf Hartmann von Kyburg a. 1315: „gegen allen Waltstetten" 56 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft sich so in den Waffenstillständen mit Österreich von 1318—1320, in dem Bündnis mit Graf Eberhard von Kyburg von 1327 und in demjenigen mit den Reichsstädten von 1329 1). Mit dem Namen der Waldstätte hängt die weit früher bezeugte Bezeichnung ihrer Bewohner als „Waldleute" zusammen. Schon im ältesten Luzerner Stadtrecht vom 4. Mai 1252 ist die Rede von „dehein urlige innerhalb dem Sewe under den waltlüten", und 1293 heißt es wieder in einer Luzerner Urkunde: „alle die wile daz urlige wert von dien waltlüten". Am 9. Juli 1319 traten "> Glarus und Wesen dem Waffenstillstände bei, den die Herzoge von Österreich „mit den Waltlüten ze Ure, ze Switz und zu Under-walden" geschlossen hatten. Am 5. Juni 1327 bezeichnen sich die drei Länder in der Beitrittserklärung zum Städtebund abwechselnd als „die Lantlüte" und „die Waltlüte von Ure, von Switz und von Underwalden" 2). • Beide Benennungen, „Waldstätte" und „Waldleute" finden (Geschichtsfr. I S. 74). Freiherr Johann von Weißenburg a. 1318: „gegen den Waltsteten und ir Helfern" (Fontes rer. Bern. V S. 90). Graf Hans von Habsburg a. 1323: „wider die waldstet Switz und Glarus" (Blumer, Urk. Glarus I S. 164). Bischof Mklaus von Konstanz a. 1336: ;,den land-lüten in den Waldsteten" (Abschiede I S. 259). Herzog Leopold a. 1324: „die Küchen ze Steina die da gelegen ist in den Waldsteten" (Geschichtsfr. I S. 49). König Heinrich VII a. 1311: „que vulgariter Waldstet dicuntur" (Kopp, Urk. II S. 186). !) Abschiede I S. 244, 246, 247, 248, 251, 255. 2) Kopp, Urkunden I S. 5 u. 42. Abschiede I S. 250 u. 254. Kopp, Gesch. der eidg. Bünde II 1 S. 211 Note 1 identifiziert die „waldluten" der Luzerner Urkunde von 1252, die im lateinischen Text „intromontani" heißen, mit den Unterwaldnern, die im Bundesbrief vom August 1291 „homines intramontani" genannt werden. In diesem auf die Unterwaldner beschränkten Sinn dürften die Waldleute in zwei Berner Urkunden vom 4. Mai 1342 („incole vallium dicti vulgariter die Waltlütte") und vom 28. Febr. 1349 („die eide so wir ze dien waltlüten getanhatten" und „daz aber wir wider die Waltlüte sullen werinen und letzinen machen", Geschichtsfr. 15 S. 115, 118) zu verstehen sein. Umgekehrt dehnt sich die Bezeichnung auch auf die Bewohner der „Waldstatt" Einsiedeln aus („die Waldlütte ze den Einsiedellen", Geschichtsfr. 43 S. 381). und ihrer Glieder. 57 sich im Luzerner Bund vom 7. November 1332 und 1352 verbrannten nach dem ältesten Burgerbuch „die burger von Lucern und ir Eidgnossen die waltlüte" die Neuhabsburg am See 2). Die Zürcher benutzten „die drie Waltstette" zunächst als Verbannungs-ort für einen Teil ihrer 1336 gestürzten Räte 3); im Zürcher Bund vom 1. Mai 1351 selber kommt der Ausdruck nicht vor. Dagegen beginnt in den Urkunden des Schiedspruchs zwischen Herzog Albrecht und den Eidgenossen vom Oktober 1351 eine formelhafte Anwendung des Namens, indem die eidgenössischen Orte als „Stette und Waltstette" zusammengefaßt werden. Die Formel „Stett und Waltstett", abwechselnd mit „Stett und Lender" kehrt wieder im Waffenstillstand mit Österreich vom 22. Februar 1386, im Gegenbrief Herzog Albrechts zum einjährigen Frieden vom 4. Februar 1387, im siebenjährigen Frieden vom 1. April 1389, im zwanzigjährigen vom 16. Juli 1394, im fünfzigjährigen vom 28. Mai 1412, in dem Spruch im Zugerhandel vom 7. November 1404, im Burg- und Landrecht der Appenzeller vom 24. November 1411 und noch im Appenzellerbündnis vom 15. November 1452 4). Die Rolle der Waldstätte als Kitt der ganzen Eidgenossenschaft tritt namentlich im Berner Bund vom 6. März 1353 hervor, der nur mit ihnen direkt geschlossen wurde. Wie sehr man auch von außen sie für das Herz des Bundes ansah, erhellt daraus, daß Herzog Leopold III. in einer Urkunde vom 30. Juni 1386 den Sempacherkrieg als den „Krieg so wir jzund haben mit den Waltstetten" bezeichnet, und daß- die deutschen Fürsten nach der x) „und sol ouch uns die vorgenanten burger von Lutzern gegen dien waltlüten ... derselben rechtung benügen ... so sulent si die andren manen, bedu du stat ze Luzern die waltlüte und jeklich waldstat sunderlich" etc., Abschiede I S. 256. 2) Segesser, Rechtsgesch. der Stadt und Republik Luzern I S. 498 Nr. 2. 3) „Nyclaus Bilgri und Ulrich Thye ... süln varen in die drie Waltstette gegen Ure, gegen Switz und gegen Underwalden", Zürcher Stadtbücher I S. 103. < *) Abschiede I S. 111, 265—271, 314, 319, 324 ff., 341, 343 ff.; II S. 871. 58 Die Benennungen der alten Eidgenossensehaft Schlacht die rheinischen Bundesstädte „gegen die Waldstätte" zu Hilfe mahnen 1). Man könnte sich fragen, ob hier nicht unter den Waldstätten bereits Luzern mitverstanden sei. Aber im ganzen 14. und noch in den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts habe ich umsonst nach einer sichern Spur derViertenWaldstätte gesucht. Immer wird die Stadt Luzern von den drei Waldstätten sorgfältig unterschieden 2). Zum erstenmal scheint der Ausdruck „vier Walt-stette" in dem vom Stadtschreiber Egloff Etterlin im Jahr 1433 geschriebenen „Silbernen Buch" vorzukommen, wo die Kopie des Bundes vom 7. November 1332 die gleichzeitige Überschrift „der vier waltstetten bund" trägt3). Dann werden die „Vier waltstetten" auch in Tagsatzungsabschieden vom 21. Ok- J) Abschiede I S. 285 ff. Kopp, Urkunden I S. 184. Janssen, Frankfurts Reichskörrespondenz I S. 23. ' a) Vgl. z. B. a. 1359: „Wir der Sohultheiss, der Rat und die Burger gemeinlich der stat ze Luzern und wir die Landammann und die Lant-lüte gemeinlich der Lendern von Ure, von Switz und von Underwalden" (Bund Luzerns und der Waldstätte mit Gersau und Weggis, Abschiede I S. 297). 1366: „durch Lucern oder dur der vorgen. drier Waltstetten de-heine" (Geschiohtsfr. I 'S. 84). 1379: „fügte sich ouch ... das unser burger deheiner in den Waltstetten oder unser Eitgnossen deheiner us den Waltstetten hie in der Stat erstochen, gewundet oder ... geslagen wurde" (Abschiede I S. 60). 1390: „Es sol nieman ine den drien Waltstetten noch den .von Zuge nüt'dinges geben ze kouffende (Abschiede I S. 95). 1430: „darüber sich stöss hüben zwischen uns und den waltstetten" (Luzerner Ratsbuch, Abschiede IIS. 85). Abschiede II S. 199 u. 201 ist von Tagleistungen der vier Waldstätte die Rede; allein der Ausdruck „vier Waldstätte" ist hier Zutat des Herausgebers; er kommt nach gefälliger Mitteilung von Herrn Staatsarchivar Kurz in Bern in den als Quelle zitierten Luzerner Schreiben im alten Missivenbuch des Staatsarchivs Bern nicht vor. 3) Laut gefl. Mitteilung von Herrn Staatsarchivar P. X. Weber, der mir schreibt, daß ihm ein früheres Vorkommen dieses Ausdrucks nicht bekannt sei. Das Silberne Buch enthält 179 Urkundenkopien. Über die Zeit seiner Entstehung bemerkt die Einleitung Etterlins: „datum, actum et completum per nie Eglolfuin die martis decimanona mensis maij anno do-.mini millesimö quadringentesimo tricesimo tertio'V und ihrer Glieder. 59 tober 1465 und 24. Februar 1473 erwähnt und von da an häufig Der Dekan Albrecht von Bonstetten kennt den Ausdruck „vier Waldstätte" in seiner 1479 verfaßten Beschreibung der Eidgenossenschaft bereits als üblich; ebenso nach ihm Türst und Balcus2). Am 11. April 1481 tagen Luzern und die drei Länder zusammen in Stans „nach lut unsers ewigen pundes, den man nempt der vierwaldstetten pund", und 1529 verbietet der erste Kappelerfriede Sondertagsatzungen der „vier Waldstett" in gemeineidgenössischen Dingen. 1511 nennen Luzern, Uri und Unterwaiden sich im Entwurf eines Burgrechts mit dem Bischof von Sitten „die dry Waldstett" 3). Dementsprechend änderte auch das ehemalige Luzerner Dekanat gegen Ende des 15. Jahrhunderts seinen Namen in „Vierwaldstätter" Kapitel4), und der „Luzerner See", wie er im ganzen Mittelalter nach Analogie des Zürcher Sees heißt5), 1) „Item von den vier waltstetten sol von ieglichem Ortt 2 botten har gan Lutzern komen" (Segesser, Rechtsgeschichte II S. 23 N. 1). „die vier waltstette und andere Ort" (Luzern 24. Febr. 1473, Abschiede II S. 439). 2) „in welche vereingung darnach die von Luzern kommen, und das sind und heyssent die vier Waldstett, und vermein darunib, dass, sy in den weiden oder daby nach gelegen" (Büchi, Albrecht von Bonstetten, Briefe und Schriften S. 262, 263, vgl. 241 u. 244. Quellen zur Schweizergeschichte VI S. 24 u. 81). 3) Abschiede III 1 S. 692, IV 1 b S. 1480, III 2 S. 582. 4) Am 24. Okt. 1498 ist zum erstenmal urkundlich vom Kapitel der Priesterschaft der „vier waltstetten" die Rede (Geschichtsfr. 24 S. 3 u. 45). 5) 1244: „läcus qui dicitur Lucernensis" (Geschichtsfr. XII S. 197). 1252: „a lacu Lucernensi" (Kopp, Urkunden I S. 5). 1302: „Istis autein terminis videlicet a lacu Lucernensi usque ad locum Mueterschi" (Grenze der Pfarreien Schwyz und Morschach, Kopp, Urk. I S. 55). 1368: „in Küssnach in pede montis Riginan prope läcum Lucernensem" (Geschichtsfreund 53 S. 227). 1384: „ze Birnoltz (Birrholz, Gmd. Horw) und ze Udelges-wiler (Udligenschwil) gelegen an dem Lucernersee" (Geschichtsfr. 55 S. 175). 1418: „monasterii Montisangelorum (Engelberg) super lacum Lucernensem" (Geschichtsfr. 57 S. 181). 1497: „Stans, am Lucernersee gelegen" (Conr. Türst de Situ Confederatorum, Quellen zur Schweizergeschichte VI S. 35). 60 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft wurde im Lauf des 16. Jahrhunderts zum „Vierwaldstätter-see". Stumpf spricht 1548 noch vom Luzernersee, aber mit den den Übergang markierenden Worten: „Nach auf gang der statt Lucern ward er genennt der Lucernersee; nachdem sich aber die vier Waldstett Lucern, Uri, Schwytz und - Underwalden, so alle daran rürend, in ewige pündtnüß zesamen verstrickt habend, wirt diß wasser auch genennt der vier Waldstett See, als die gemeinlieh teil daran habend." Simler läßt 1576 Luzern ah der Reuß liegen, „da sy aus der Waldstetten See laufft", während der Luzerner Johann Leopold Gysat noch 1661 eine Beschreibung „deß Berühmbteri Lucerner- oder 4'Waldstätten-Sees" drucken ließ, allerdings mit der Bemerkung, daß er „diser Zeit gemeinlich wegen der 4 Orthen so daran stossen, vier Waldstetten See" genannt werde. Fäsi und Füeßli beschränken 1766 und 1770 den Namen Luzerner-See auf den Teil des „vier Waldstädter-Sees", der der Stadt am nächsten liege und unter ihrer Herrschaft stehe '). ' - ■ /, ,§2. v-. , , Städte und Länder, Mit Recht betrachtet man die Verbindung bäuerlicher und bürgerlicher Gemeinwesen, diese „glückliche Mischung von Elementen höherer Kultur und derber, ungeschwächter Näturkraft" als einen eigentümlichen Vorzug, der Eidgenossenschaft vor den deutschen Städtebünden, der zu ihrer Festigkeit beitrug2). Auf der andern Seite aber lag darin auch ein Element'der Schwäche, die Ursache von Reibungen und Spannungen, die sich bis zum ^Stumpf, Chronik (erste Aufl. von 1548) Bd. II Fol. 191 b. Simler, Regiment Gmeiner loblicher Eydgnoschafft (Zürich 1577), Toi. 41 b. J. L. Oysat, Der Lucerner- oder Vier Waldstätter - See (Luzern 1661) S. 17. Fäsi, Staats- und Erdbeschreibung der Helv. Eidghoßschaft (Zürich 1766) Bdl II'S. 10. Füeßlin, Staats- und Erdbeschreibung der Schweiz. Eidgenoßschaft (Schaffhausen 1770) Bd. I S. 267, 270. ■c z) Dieräuer; I S. 304. und ihrer Glieder, 61 Bürgerkrieg steigerten. Der Gegensatz zwischen „Städten und Ländern", der sich durch die ganze eidgenössische Geschichte hinzieht, war ein politischer und kultureller, Die1 „Länder" waren demokratisch organisierte Gemeinwesen rein bäuerlichen Charakters. Unter ihren Angehörigen, den „Landleüten'V gab es j.". keine rechtlichen Unterschiede. Die unmittelbare Volksregierung prägte sich in der Landsgemeinde, wie in allen übrigen Institutionen und in der Denkweise scharf aus. Inden Städten saß eine Bevölkerung, die in erster Linie von Gewerbe und Handel lebte, dort war auch, vorzugsweise der Sitz der Kunst und höhern Bildung. Die öffentliche Gewalt konzentrierte sich in den auf mehr oder weniger komplizierte Weise gewählten Räten, neben denen die Gesamtbürgerschaft nur ausnahmsweise in den Gang der Geschäfte eingriff. Noch tiefgreifender aber war ein anderer Unterschied. Die Städte, die bei ihrem Eintritt in die Eidgenossenschaft im wesentlichen auf ihr Weich- , bild beschränkt gewesen waren, hatten sich im 14. und 15. Jahrhundert durch Kauf, Verpfändung, Verburgrechtung' und Eroberung ein Gebiet erworben, das mit ihnen nicht gleichen Rechtes war, das sie als Landesherr beherrschten, mit der Tendenz, die Kluft zwischen der regierenden Stadt und der regierten Landschaft zu erweitern. Der Gegensatz zwischen Ländern und Städten war also zugleich ein solcher zwischen Demokratie\und,Aristokratie geworden, welch letztere allerdings erst nach der Reformation durch Schließung der städtischen Bürgerschäften und Patriziate ihre volle Ausbildung fand. Den fünf Ländern Uri, Schwyz, Unterwaldeii, Glarüs und Appenzell standen die sieben Städte Zürich, Bern, Luzern,. Basel, Freiburg, Solothurn, Schaff hausen gegenüber. Zug nahm eine Mittelstellung ein, indem die Stadt Zug mit den Dörfern Baar, Ageri und Merizingen, dem „Amt Zug", ein ungeteiltes Gemeinwesen mit Landsgemeinde Verfassung bildete, was die Stadt nicht verhinderte, daneben ein kleines Untertanengebiet (St. Andreas, Cham, Steinhausen, Gangolschwyl, Buonas, Hünenberg,. Walchwil) für sich zu erwerben. In den Bündnissen und Verträgen 62 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft wird daher in der Regel das Amt Zug neben der Stadt besonders erwähnt1). Der sachlichen Bedeutung des Unterschiedes zwischen den Städte- und Länderkantonen entspricht es, daß lange Zeit „Stett und Lender" die offizielle Bezeichnung für die Glieder der Eidgenossenschaft war. Von dem Moment an, wo'das städtische Element der Eidgenossenschaft durch den Beitritt Zürichs ein stärkeres Gewicht erhielt, wurde dieselbe Regel. Zur Beschirmung „unser Stett, unser Lender und Lüten" schlossen Zürich, Luzern, Uri, Schwyz und Unterwaiden 1351 ihr ewiges Bündnis und gaben „die vorgenanten Stett und Lender einandern dirre ewigen bunt-nisse ein erkantlich gezugniß mit brieffen und mit geschrifft". „Darumb sol und mag der Rat oder die gemeind derselben Statt oder des Landes, so dann geschadget ist, die andern Stett und Lender ... manen, und uff wen dann die manung beschicht ..., über den und über die sullend inen die andren Stett und Lender by den eiden unverzogenlich behulffen und beraten sin .... Und harüber ze einem offnen Urkund ... so haben wir die vorgenanten Stett und Lender von Zürich, von Lutzern, von Ure, von Switz und von Underwalden unseru Ingesigele offenlich gehenket an disen brieff" etc.2). x) Zugerbund vom 27. Juni 1352: „Der Rat und die Burger gemeinlich der Statt Zug und alle die, so zuo demselben ampt Zug gehörent". Thorberger Friede von 1368: „mit dem Amann und den Burgern zu Zuge und mit dien, die in daz Ampte daselbs ze Zuge gehörent". Pfaffenbrief von 1370: „Der Amman, der Ratt und all Burger gemeinlich der Statt Zuge, ze Egre und all die in daz selb Ampt Zug gehörent". Siebenjähriger Friede von 1389: „Zug und des Amptes ze Zug". Sempächer Brief von 1393: „Der Amman, der Rat und die in das Ampt Zuge gemeinlich gehörent". Burg- und Landrecht der Appenzeller 1411: „des ammes, der raiten und burgern Zug und des amptes gemeinlich die zuo Zug gehörent" (Abschiede I S. 275, 299, 301, 324, 327, 341); Stanser Verkommnis von 1481: „von Zug mit dem ussern Ampt, so darzuo gehört". Bündnis mit Ludwig XII. von 1499: „Zug cum officio sibi annexo" etc. (Abschiede III i S. 696, 755). Vgl. Abschiede Vi S. 1921. a) Abschiede I S. 260 ff. und ihrer Glieder. - 63 Auch der Glarner Bund von 1352 wird, obgleich außer den Waldstätten nur Zürich dabei als Mitkontrahent beteiligt war, geschlossen „durch guoten frid gemeinlich unser Stett und Lender", und die Glarner erhalten das Recht, die Verbündeten zu mahnen „mit iien briefen oder gewissen boten in die Rät unser Stett und Lender". Im Pfaffenbrief von 1370 erklären Zürich, Luzern, Zug, Uri, Schwyz und Unterwaiden: wer wohnhaft sein wolle in „disen vorgenanten Stetten und lendern, er sij pfaff oder ley, Edel oder unedel", und Österreich Rat oder Dienst gelobt und geschworen habe, „die alle sulent ouch loben und sweren, unser, der vorgenanten stett und lender nutz und Ere ze fürdern und mit guoten trüwen ze warnen vor allem dem schaden, so si vernement, daz dien vorgenanten Stetten und lendern gemeinlich oder sunderlich dekeine wis brästen oder schaden bringen möcht". „Waz ouch pfaffen in unser Eydgnosschaft, in Stetten oder in lendern, wonhaft sind, ____die sulont kein frömdes gericht, geistlichs noch weltlichs, suochen noch triben gen nieman so in disen vorgenanten Stetten und lendern sint ... Welcher pfaff aber do wider tuot, do sol du statt oder daz land, do derselb pfaff wonhaft ist, verhüten und versorgen mit aller irer gemeind, daz demselben pfaffen nieman essen noch trinken gab, huse noch hofe ... und sol ouch derselb pfaff in niemens Schirn sin unser stett noch lender" etc. Im Sempacherbrief von 1393 versprechen sich „Jekliche Statt, jeklich Land in unser Eidgnoschaft bi den Eiden, so wir unsern Stetten und lendern geswörn hant", dafür zu sorgen, daß bei Auszügen mit offenem Panner „es sye gemeinlich oder dhein Statt oder Land sunderlich" alle Ausgezogenen beieinander bleiben, daß „Jeglich Statt und Jeglich Land" Zuwiderhandelnde exemplarisch bestrafe etc.1). Im Zugerhandel von 1404 berichten die Urteilsprüche von Zürich, Luzern, Uri und Unterwaiden, wie die Stadt Zug die Schlichtung ihres Streites mit dem Amt Zug „gemeinen Stetten und Lendern" anvertraut habe, wie der Gewaltstreich der Schwyzer i) Abschiede I S. 273, 301 f., 327 f. 64 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft und Zuger Landleute gegen die Stadt „unsern Stetten und Lendern fast unlidig" gewesen sei, „wan unser Stet und Lender erforchten von solichen brächen und infeilen Zerstörung unser Eitgnoschaft". „Und also zugent unser Stett und Lender mit einander gen Barre, do kament die vorgenanten usser dem ussern Ampt für dieselbe Stett und Lehder und swuren vor Inen gelert eid zu den heiligen, die geswornen buntbrief war und stät zu halten." Bern, Solo-thurn und Glarus legen sich ins -Mittel und bewegen die vorgenannten „Stett und Lender" heimzuziehen, gegen das Versprechen der Schwyzer, sich ihrem Spruch zu unterziehen 1). 1415 nimmt Zürich „unser lieben Eidgnossen von Stetten und von Lendern" in die Pfandschaft Baden auf, und 1425 schließen sieben „Stett und Lender" einen Münzvertrag. 1439 bieten die Schwyzer den Zürchern Eecht „uff gemeiner Bydgnossen Botten von Stetten und Lendern, daß da iegklich Statt und Land zwen die schidlichste darzu schyben 2). 1454 schließen die „Bydgnossen von Stetten und Lendern" Bündnisse mit Schaffhausen und Sanktgallen und 1474 vermittelt Ludwig XI. die ewige Kichtung zwischen Herzog Sigmund und den „Fürsichtigen, Ersamen und wisen gemeinen Eidtgnossen von Stetten und Lendern"3). Auch nachdem die gemeinsame Bezeichnung ,,Or'" für die „Städte und Länder" aufgekommen war, spielen diese ihre Eolle in der Titulatur der Eidgenossen weiter bis ins 18. Jahrhundert hinein. „Wir von Stetten und Lendern gemeiner unser Eidgnoß-schaft Eät und Sendboten" ist die gewöhnliche Titulatur, die sich die Tagsatzung im 16. Jahrhundert in ihren Schreiben gibt4). 1503 schreiben „Hoptlüt, Venner und Eätt von gemeinen Eidgnossen Stett und Lender, jetz am langense im velt", an die „frommen gemeinen Eidgnossen von Stett und Lendern Eätt und Sandpotten, so jetz zu Lucern versampnet werden", und um- Abschiede I S. 108 ff., 113. 2) Abschiede I S. 351; II S: 728. Tschudi II S. 279. 3) Abschiede II S. 876;-878, 913. «) Abschiede III 2 S. 263 f., IV 1 a S. 55. und ihrer Glieder. 65 gekehrt schreiben „Von Stetten und Lendern der Eidgnoßschaft botten, als wir der Zit uß bevelch und mit vollem gwalt unser Herrn und Obern zu Lucern zu tagen versampt", an „Hoptlüt, Venner, Eätt und ganz gemeinden von Stetten und Landen unser Eidgnosschaft, als die im Herzogthumb Meyland im Veld liggen" 1). Sogar die Schützen nennen sich 1504 „Wir gemein Schießgesellen der Büchsenschützen von Stetten und Lendern gemeiner Eid-gnoschaft" 2). Wie stark das Sonderbewußtsein der beiden Gruppen, der Städte und der Länder, war, beweist, daß die Eidgenossen zuweilen in der Schlacht sich in zwei Haufen, einen der Länder und einen der Städte, formierten3), oder daß sie ihre Bündnisverträge durch eine Stadt im Namen der Städte und ein Land im Namen der Länder besiegeln ließen 4), oder daß sie „etlich von Stetten, etlich von Ländern" als Boten im Namen gemeiner Eidgenossen aussandten 5). Burgermeister, Schultheißen, Ammänner, Kate, Gemeinden, Burger und Landleute „der Stetten, Länderen und Herrschaften des großen und alten pundts obertütscher Landen" schlossen !) Abschiede III 2 S. 211, 214. 2) Abschiede III 2 S. 293. 3) „machtend d'Eidgnossen ir Ordnung, bi 100 man in ein glid, und zwen hufen, an einem die länder, so den Vorzug, am andren die stät, so den nachzug soltend-haben". Anshelm IV S. 517 (in der Schilderung der Schlacht bei Bicocca 1522). 9) „Und dises alles zu warem und vestem urkundt, so haben wir ob-genannten Stet und Lender mit sambt Pundtgenossen von Churwalheri, auch für unser Zugewanten, unsern gnedigen hern Abbt von sand Gallen und die Stat sand Gallen, die all in diser versamblung und zusaguiig gewesen sindt, für uns alle gemeinlich und sonderlich angesehen und verordnend disen brief zu besiglen mit unser lieben Aidgnossen von Lucern, als von den Stetten, und von Ury, als von den Lenndern gemainer Aydgenosschafft, Pundtgenossen und Zugewannten anhangenden Secreten zu besiglen". Beitrittserklärung der Eidgenossen zum hl. Bund; Luzern 12. Juli 1515. Abschiede III 2 S. 1392. Vgl. auch Abschiede III 1 S. 548. 6) Simler, Regiment gmeiner loblicher Eydgnoschafft Fol. 175 b. Abschiede III .2 S. 806, 1262. 66 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft und erneuerten ihre Bünde mit Frankreich von 1521 bis 1663 und bestätigten noch 1705 das Kapitulat mit Mailand x). 1646 schreiben „dienstwillige von Stett und Landten der 13 Ortten unsser Eidtgnoschafft Eät und Sandtbotten" an Ludwig XIV. und 1649 „von Stätten und Landen der Eydgnosschaft vollmächtige Raths-Pottschafften zu Baden im Ergöw zu tagen versammlet", an den Kaiser gegen die Übergriffe des Reichskammergerichts. 1669 erklären „die Abgesandte von Stett und Landen der 13 Orth der Eydtgnoßschaft" diese gegenüber Frankreich für einen „freyen, souveränischen Stand" 2). Selbst die konfessionellen Sonderbünde lassen die Formel „Städte und Länder" nicht fahren. ,,Wir von Stett und Landen der Sechs Catholischen Orten der Eydtgnoßschafft" erneuern 1581 das Sonderbündnis mit Savoyen, und „Wir von Stett und Landen der Siben Catholischen Orten Loblicher Eydtgnoßschaft Verordnete Rhät, ouch vollmechtige Anwällt und Sandtbotten" schließen 1586 den Goldenen oder Borromäischen Bund. Aber aixch in dem Waserschen Projekt eines allgemeinen eidgenössischen Bundes von 1655 nennen sich die Kontrahenten „Wir die Burgermeistere, die Schuldtheißen, die Amman, die Räthe, Burger, Landtleuth undt gantz Gemeinden von Stätten undt Landen der 13 Orthen gemeiner Eidtgnoschafft" 3). In lateinischen. Urkunden und Akten wird der Ausdruck „Stett und Lender" mit „oppida et valles", „oppida et provinciae", „civitates et provinciae", „civitates et terrae", „civitates et pagi", „urbes et patriae", in französischen mit „villes et pays" wiedergegeben4). *) Abschiede IV 1 a S. 1491;IVleS. 1385; IV 2 S. 1509; VIS. 1880; VI1 S. 1642; VI 2 S. 2299. 2) Archiv für Schweizergesch. V S. 305. Abschiede VI 1 S. 1710, 1817. a) Abschiede IV 2 S. 1581, 1590; VI 1 S. 1760. 4) Abschiede II S. 873, 892, 908, 917, 926, 930, 949; III 1 S. 738, 739; III 2 S. 1376, 1402. Archiv für Schweizergesch. 18 S. 269: M: und ihrer Glieder. 67 I Orte. l' Im Laufe der Zeit stellte sich das Bedürfnis heraus, für die I Städte und Länder der Eidgenossen einen Namen zu schaffen, I; der einerseits zur gemeinsamen Bezeichnung beider Gruppen f,r diente und sie anderseits von den später hinzugekommenen, I nicht als vollbürtig erachteten Bundesgliedern, von den Zuge-I wandten, unterschied. So taucht in der ersten Hälfte des 15. Jahr-Ii' hunderts der Name „Ort" auf, der dann bis 1798 die offizielle Be-I Zeichnung der dreizehn vollberechtigten Bundesglieder blieb. |^ Die Grundbedeutung von „Ort" ist Anfangs- oder Endpunkt ? eines Raumes, daher Spitze, Rand, Ecke, Stück, Teil1). Nach |r den Übersetzungen ins Lateinische (angulus, pars) und ins Fran-f. zösische (canton) muß die Bedeutung des Wortes, als es im schwei-zerischen Staatsrecht aufkam, zwischen „Ecke" und „Teil" ge-i schwankt haben. Im 14. Jahrhundert scheint es als Bezeichnung £ für Bundesglieder noch ganz unbekannt gewesen zu sein. Wo man ; es erwarten würde, steht „Statt und Land", „Stett und Lender", „Stett und Waldstett" etc.2). Die früheste Stelle, wo ich es gefunden habe, ist ein Zürcher Ratsbeschluß vom 23. März 1426, wo den Zürcher Boten Vollmacht zu Schritten gegen Obwalden !) Schweiz. Idiotikon I S. 480. 2) Vgl. außer den in § 2 angegebenen Stellen z. B. den Anlaßbrief vom 28. Juni 1420, wodurch Abt Heinrich von St. Gallen und die Landleute von Appenzell die Entscheidung ihrer Streitigkeiten „uff die fürnämen, fürsichtigen, wisen unser guten fründ, mit namen uff burgermeister, schult-heissen, amman und rätt diser nachgeschriben Stetten und lendern Zürich, Lutzern, Üre, Switz, Underwalden, Zug und Glarus, oder uff die,, so dann von iren Stetten und lendern, mit namen von jeklicher statt und land zwen erber man, die herzu geben werdent" abstellen (Schieß und Marti, Appenzeller Urk.-Buch I S. 197). In den gedruckten eidg. Abschieden I S. 204 (1418, 5. Okt.) ist von „drei" und „vier Orten" die Rede. Allein laut gefälliger Mitteilung von Herrn Staatsarchivar Weber in Lu-zern kommt der Ausdruck „Ort" an der betr. Stelle im Luzerner Ratsbuch, die dem Herausgeber Segesser als Quelle gedient hat, nicht vor. 68 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft wegen dessen "Weigerung, den Frieden mit Mailand zu besiegeln, gegeben wird, „umb des willen, das nit ein ort in der eidgnoschaft semlich gross uner gemeiner eidgnoschaft uftreche (anrichte)" 1). Von da an erscheint der Ausdruck immer häufiger, so in dem Schiedspruch Schultheiß Rudolf Hofmeisters zwischen Luzern und den Waldstätten betreffend Weggis, Gersau und Vitznau vom 7. Mai 14312) („dann wenne das ist, da» die vier örter... ein gemein reise ziehend oder ziehen werdent, welhes ort denne under den ietzgenanten vier ortern die egenanten von Gersow hinnenthin von ersten mante mit inen ze ziehend, mit demselben ort söllent si och denne nemlich dieselben reise usziehen"); in dem eidgenössischen Schiedspruch vom 10. März 1433 („was sich da die von Lucern und die dry Lender mit einandren eynent, dess sy alle oder ir iegklichs Ort besunder ... pflichtig sind ze tund"), in dem Berner Abschied vom 29. November 1438 („in allen örtern der Eidgnoschaft"), in dem gütlichen Spruch zwischen Schwyz und Zürich vom 12. Dezember 1438 („daruf ein tag gen Lucern in die statt gesetzt ward, daselbs hin ietlich Ort ... ir erber bott-schaft schicken solt ... und aber kein Ort dem andren sine Lüt, Land oder andre landreht solle absetzen"), in der Erklärung Zürichs darüber vom 3. Januar 1439 („wenn ietlich Ort der Eyd-gnosschafft unser anligende not darinn vermerkind ... dass uns die von Schwitz und andre Oerter in der Eydgnosschafft wol zu manen habind ... dass wir mit etlichem Ort der Eydgnosschafft in Widerwillen und unfründschafft kämind"), in dem Rechtsbot Zürichs gegen Schwyz und Glarus vom 12. Januar 1440 („also dass jegklich ort glich vil botten darzuo gab und och dass stett und lender glich vil stimmen habint") usw. 3). Dem Vorkommen des Wortes in den Urkunden und Akten entspricht der Sprachgebrauch der Chronisten. Die Zürcher !) Zürcher Stadtbücher II S. 222; Eidg. Abschiede II S. 59. 2) Urkunde vom 7. Mai 1431 (vgl. Abschiede II S. 90), mitgeteilt von Herrn Staatsarohivar Weber in Luzern. a) Tschudi II S. 205, 268—74. Abschiede II S. 90, 131, 135. und ihrer Glieder. 69 Chronikx) und Justinger2) scheinen es als Benennung für die eidgenössischen Bundesglieder noch nicht gekannt zu haben. Klingenberg3) gebraucht es, aber selten und nur in den letzten Teilen; dagegen ist es Fründ 4) schon ganz vertraut. Im alten Zürichkrieg ist der Begriff des Ortes schon vollständig entwickelt, so daß die Eidgenossen vor Wiederausbruch des Krieges im März 1443 Appenzell dadurch auf ihre Seite zu ziehen suchen, daß sie ihm die Erhebung zu einem „Ort" versprechen 5). Als „Orte" galten nur die acht Städte und Länder, die schon im 14. Jahrhundert der Eidgenossenschaft beigetreten waren und daher später als die „acht alten Orte" bezeichnet wurden. Nur diesen kam von Rechtswegen Sitz und Stimme auf der Tag- x) Ausgenommen die erst 1473 geschriebene Handschrift St. Galler Stiftsbibliothek N. 631; die zum Jahr 1425 vom Auszug der „Eidgnossen von allen Orten, än die von Bern" im August und dann der „Eidgnossen gemeinlich von allen orten" im November meldet. Dierauer, Chronik der Stadt Zürich S. 190 N. a und e. 2) Vgl. z. B. Justinger S. 264: „Also wart die sach vertegdinget zu einem satzte uf die von Zürich, von switz, von zug, von glarus, die von jegklioher stat und land dazu ordneten zwen from man". Oder S. 269: „Uf unser f'rouwentag ze herbst santen die von bern ir guten botschaft gen zürch, gen switz, gen zug und gen glarus ... Die stett und lender ant-wurtend" etc. Oder S. 158: „Also wurdent von den eydgnossen darzu geben von jeglicher stat und lant zwen erber man". Bezeichnenderweise verwandelt die 1469 geschriebene Zürcher Handschrift der Anonymen Stadtohronik diesen Satz in: „Also wurden von den eidgnossen von jek-lichem ort der stett und lender zwen erber man dargeordnet" (S. 415). 3) Klingenberg ed Henne S. 181, 260, 298. 4) Eründ S. 2 („dann allein das mich frömd bedunkt hat, das dhein ort der fromen eidgnosschaft das ander so swarlich understat ze bekriegen"). Vgl. ferner S. 77, 78, 95, 116, 145, 199, 210, 247, 248 etc. 5) Klingenberg S. 298: „Si hatten och am andren pund gestellt mit denen von Appenzell, dass si si haben wöltind für aidtgenossen, dass si ain ort für sich selber söltint sin und dass inen die aidtgenossen als vil söltind gebunden sin als die appenzeller den aidtgenossen, das alles vor nit was". 70 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft Satzung zu. Sie allein hatten das Recht, über eidgenössische Eroberungen, Kriegsentschädigungen und Subsidien zu verfügen, Bündnisse und Verkommnisse zu schließen. Bis gegen Ende des 15. Jahrhunderts herrschte unter den acht Orten das Bestreben, ihren Kreis möglichst geschlossen zu halten, sich als die souveräne Körperschaft innerhalb der sich erweiternden Eidgenossenschaft zu behaupten und neue Bundesglieder nur in der Form von Zugewandten anzunehmen. Selbst Freiburg und Solothurn, die 1481 im wesentlichen auf dem Fuße der Gleichheit in den Bund eintraten, wurden von den Ländern und Luzern noch geraume Zeit nicht als Orte anerkannt, deshalb gegen ihren Willen von neuen Bündnissen und zeitweilig von der Tagsatzung ausgeschlossen x). Gewitzigt durch die Erfahrungen Freiburgs und Solothurns stellte Basel 1501 ausdrücklich die Bedingung, daß es als „Ort" in die Eidgenossenschaft aufgenommen werde. Die Eidgenossen willfahrten ihm am 9. Juni 1501. Aber am 10. August, an dem Tage, da sie auch Schaffhausen ein ewiges Bündnis gewährten, erklärten sie, daß Basel „als ein Ort, das letst, uff uns acht ort einandern nachgan und irn stand und sitz dergstalt haben solle", „und dann demnach uff sy Friburg, Solloturn und Schaffhusen", letztere drei aber „nit als Ort unser Eidgnossenschaft, sunder pundgnossen und eidgnossen". Da indes die drei Städte alles Wesentliche, was staatsrechtlich den Inhalt des Begriffes Ort ausmachte, ständigen Sitz auf der Tagsatzung, Anteil an den gemeinsamen Eroberungen und an den Pensionen des Auslandes, behaupteten, so ließ sich ihre rein formelle Ausschließung aus dem Kreis der Orte nicht aufrecht erhalten. Seit 1502 werden sie regelmäßig unter den Orten mit aufgezählt, und am 12. April *) Oechsli, Orte und Zugewandte (Jahrbuch für Schweiz. Geschichte Bd. XIII) S. 26 ff., 37 ff. 1492—1495 waren die beharrlichen Anläufe der Länder, Freiburg und Solothurn von der Tagsatzung auszuschließen, von Erfolg gekrönt; 1492 verlangten die beiden Städte Aufnahme in die Vereinigung mit Bayern und 1496 in die Bünde mit ßätien, alles vergeblich; diese Verträge wurden von den VIII oder VII Orten ohne sie geschlossen. und ihrer Glieder. 71 1505 findet sich zum erstenmal die Bezeichnung der „acht alten Orte" im Gegensatz zu den neuen Orten, zu denen auch Basel gehörte. Im Spätherbst 1512 wurden Freiburg, Solothurn und Schaffhausen noch einmal von Luzern durch den Vorschlag, sie nur nach Gutdünken zur Tagsatzung einzuladen, in ihrer Würde als Orte beunruhigt. Allein die Mehrheit fand die Anregung unzeitgemäß; „denn diser zyt pesser ist under uns ruw, dann zweytracht ze machen". Schon ein halbes Jahr später mußten die Luzerner selber in ihrem Streit mit dem Landvolk eine Vermittlungsurkunde ihrem Archiv einverleiben, die mit den Worten begann: „Wir gemeiner Eidtgnoschaft von Stetten und Ländern der Einliff Orte Rath und Sendboten" etc.1). Im Juni 1510 bat Appenzell, es „zu einem ort loblicher aydgnosschaft wie die Stett Fryburg, Soloturn und Schaffhusen" anzunehmen und wiederholte sein Gesuch, bis es am 17. Dezember 1513 seinen Wunsch erfüllt sah und aus einem Zugewandten zum dreizehnten Ort befördert wurde2). Dagegen blieben ähnliche Gesuche des Abtes und der Stadt St. Gallen vergeblich. Bei der Stadt St. Gallen lag wohl der Hauptgrund in ihrem Mangel an einem Gebiet und infolgedessen an Mannschaft. Appenzell stellte das Zehnfache, Zürich das Dreißig- und Bern das Vierzigfache ihres Kontingentes; wie wäre es da möglich gewesen, ihr völlig gleiches Recht, in eidgenössischen Dingen mitzusprechen, einzuräumen? Der Fürstabt von St. Gallen verfügte dagegen über eine den mittlem Orten ,ebenbürtige Macht; allein seiner Erhöhung zum Ort stand in erster Linie das Abhängigkeitsverhältnis, aus dem ihn seine Schirmorte nicht entlassen mochten, entgegen, sodann wohl auch das Gefühl, daß der geistliche Fürst in der Gemeinschaft der Städte und Länder ein fremdartiges Element sei, dem man nicht volles Hausrecht gewähren mochte. Wenn Wallis und Graubünden in der Reihe der Zugewandten verblieben und nicht zu Orten em- J) Oechsli, Orte und Zugewandte S. 43 ff., 51. 2) Oechsli, a. a. O. S. 66 f. 72 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft porstiegen, geschah das nicht deshalb, weil die Orte sie als Bundesglieder mindern Rechtes betrachtet hätten, sondern, weil die eidgenössische Verbindung mit ihnen sich nicht bis zu dem Grad der ■ Intimität fortbildete, welche die Orte untereinander verknüpfte 1). Mit Appenzell war und blieb der Kreis der XIII Orte bis 1798 geschlossen. Zwischen den XIII Orten herrschte im ganzen Gleichberechtigung. Doch bestanden zwischen den acht alten und den fünf Jüngern Orten gewisse bundesrechtliche Unterschiede, die sich aus dem Inhalt der Bundesurkunden der einzelnen Orte ergaben. Die acht alten Orte besaßen nach außen freies Kriegsrecht und, abgesehen von Glarus, das in dieser Hinsicht an die Zustimmung von Zürich und den Waldstätten gebunden war, sowie von einem Veto, das den vier Waldstätten untereinander zustand, auch freies Bündnisrecht. Die fünf „neuen" oder „Jüngern" Orte dagegen hatten auf die selbständige Ausübung dieser Souveränetäts-rechte verzichten müssen; sie durften ohne die Erlaubnis der Mehrheit weder Krieg anfangen, noch neue Bünde schließen. Diese Beschränkung war insofern von Bedeutung, als sie das Zustandekommen eines reformierten Sonderbundes gegenüber dem borro-mäischen verhinderte, weil Basel, Schaffhausen und Appenzell Außerrhoden dafür die Zustimmung der Mehrheit der acht alten Orte, also auch katholischer, bedurft hätten. Äußerlich prägte sich der Unterschied zwischen alten und Jüngern Orten darin aus, daß die Gesandten der ersteren in der Tagsatzung auf etwas erhöhten Sitzen saßen. Auch gaben einander die acht alten Orte den Titel „Unsern insonders guten Freunden und getreuen Lieben Alten Eidgenossen", während im Verkehr mit den fünf jungem Orten das Wort „Alte" ausgelassen wurde 2).. In der Geschichte und im Staatsrecht der alten Eidgenossenschaft ist außerdem oft von „Fünf", „Sieben", „Zwölf" Orten, *) Oechsli, a. a. 0. S. 67 f. a) Simler-Leu, Von dem Regiment der Lobl. Eydgenoßschaft (a. 1722) S. 440, 445. und ihrer Glieder. 73 von „dreiörtischen", „fünförtischen", „siebenörtischen" Tagsatzungen usw. die Rede. Unter den „Fünf Orten" sind in der Regel die fünf innern Orte Luzern, Uri, Schwyz, Unterwaiden und Zug verstanden, die seit 1524 den festen Kern der katholischen Eidgenossenschaft bildeten, regelmäßig Konferenzen unter sich abhielten, auf eigene Faust mit dem Ausland verkehrten, Soldverträge und Bündnisse schlossen und in den Religionskriegen den reformierten Städten Zürich und Bern als Partei gegenüberstanden 1). Im goldenen oder borromäischen Bunde von 1586 schlossen sich den fünf Orten Freiburg und Solothurn aufs engste an, so daß nun die „Sieben katholischen Orte'' einen geschlossenen konfessionellen Sonderbund bildeten 2). , Sonst verstand man unter den „VII Orten" schlechthin die durch den gemeinsamen Besitz des Freiamts, Thurgaus und der Grafschaft Sargans verbundenen sieben alten östlichen Orte (ohne Bern) 3), unter den „XII Orten" die über die ennetbirgi-schen Herrschaften Lauis, Luggarus, Mendrisio und Mainthal regierenden Orte 4), d. h. sämtliche ohne Appenzell, das bei der Erwerbung jener Vogteien 1512 noch nicht zum Ort befördert und daher von der Mitherrschaft ausgeschlossen war. Dagegen war es neben den VII alten Orten Miteigentümer der Landvogtei Rheintal. Unter den „III Orten" sind Uri, Schwyz und Nid-walden zu verstehen, die über Bellinzona, Riviera und Blegno-tal regierten und deshalb „dreiörtische" Konferenzen abhielten5). Wieder eine besondere Benennung ist diejenige der „Schirmorte", d. h. der Orte, in deren besonderem- Schutz und Schirm ein gewisses autonomes Gebiet stand. Das wichtigste Verhältnis dieser Art war das der länderreichen Abtei St. Gallen zu ihren *) Vgl. z. B. Abschiede IV 1 a S. 410; IV 1 b S. 1479, 1567 ff.; IV 2 S. 1517; VII S. 1633. 2) Abschiede IV 2 S. 1590 etc. 3) Abschiede III 1 S. 724, 745, 753; III 2 S. 1132; IV 1 e S. 31, 47, 104, 114, 193, 215, 226; IV 2 S. 971 etc. 4) Abschiede IV 1 e S. 49, 169, 1215, 1363; IV 2 S. 1036 etc. ") Abschiede IV 1 e S. 229, 699 etc.; IV 2 S. 1292 etc. 74 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft IV „Schirmorten" Zürich, Luzern, Schwyzund Glarus, die kraft ihres 1451 geschlossenen ewigen Burg- und Landrechtes mit dem Abt diesem seit 1479 abwechselnd einen Hauptmann als Kastvogt und Mitregent zur Seite gaben1). Luzern, Schwyz und Unterwaiden wurden von der Abtei Engelberg, die ihr Hochtal als eigenen kleinen Kirchenstaat regierte, die vier Waldstätte insgesamt von der Miniaturrepublik Ger sau am Vier-waldstättersee als Schirmorte anerkannt. Auch das Verhältnis der Stadt Rapperswil zu ihren Herrn wird als Schirmverhältnis bezeichnet. Bis 1712 waren die drei Waldstätte nebst Glarus die „Schirmorte" oder ,,Schirmherrn" von Rapperswil. Im Zwölferkrieg nahmen Zürich und Bern die Rechte der katholischen Schirmorte zu ihren Händen und erteilten der Stadt am 13. August 1712 einen „Schirmbrief"2). Von den „Zugewandten Orten" wird unten die Rede sein. Mit 1798 wurde die Benennung „Ort" völlig durch „Kanton" oder „Stand" verdrängt. Einzig in der Innerschweiz ist sie noch insofern üblich, als es einen historischen Verein der „fünf Orte" gibt, der seine Jahresversammlungen abhält und seit 1843 regelmäßig seine Mitteilungen, den „Geschichtsfreund", herausgibt. §4. Kantone. In den lateinischen Urkunden und Akten des 15. Jahrhunderts wird der Ausdruck „Ort" gewöhnlich mit „pars" wiedergegeben. So in dem Frieden des Herzogs Philipp Maria von Mailand mit Uri von 1441, wo von Schiedsrichtern „de partibus Iige", sowie von Belästigungen der Mailänder „intra limites quarumcumque !) Abschiede II S. 864; III 1 g. 672; IV 2 S. 1439 ff., 1520 etc. a) Oechsli, Orte und Zugewandte S. 103 ff. Abschiede IV 2 S. 472, 1443 ff.; V 2 S. 945, 961, 1048, 1081; VI 2 S. 2340. In neuerer Zeit ist es üblich- geworden, den Namen „Schirmort" auch passiv für das geschirmte Gemeinwesen zu verwenden (Pfaff, Staatsrecht der alten Eidgenossenschaft S. 113). Ich habe diese Anwendung des Wortes in den Quellen nirgends gefunden. und ihrer Glieder. 75 partium lige" die Rede ist. Im Kapitulat von 1467 werden die „ambasiatores de dictis partibus lige supradicte", sowie eventuelle Streitfälle zwischen Mailand und „universalem ligam do-minorum de dictis partibus confederatorum vel aliquam ex dictis communitatibus vel partibus" erwähnt. „Nos confederati ante-dicti dictarum parcium lige" siegeln die Urkunde. Bei der Erneuerung des Kapitulats im Jahr 1477 werden Bern und St. Gallen den aliis Septem partibus lige, videlicet Thuricensibus, Lucer-nensibus, Uraniensibus, Switensibus, Underwaldensibus, Zugensi-bus et Glaronensibus" gleichgestellt, und es erscheinen nun die „octo partes Confederatorum unacum civitate Sanctigalli" als Kontrahenten des Vertrages. Ebenso im Frieden mit Mailand von 1479. Auch Papst Sixtus IV. verspricht in seinem Bündnis von 1479 „vobis et partibus atque provinciis vestris de Thurego, Berna etc., cuilibet parti" 1000 Dukaten, und Herzog Sigmund von Österreich verpflichtet sich 1474, beim Abschluß der ewigen Richtung, den „octo partes confederatorum" die vier Waldstätte am Rhein offen zu halten 1). Auch in den altern Verträgen mit Frankreich heißen die Orte „partes". So erscheinen die „partes lige veteris Alamanie alte" als Kontrahenten in dem Freundschaftsvertrag mit Karl VII. von 1452; ebenso in dem Freundschaftsvertrag mit Ludwig XI. von 1463 und dem Defensivbündnis von 1470. Das Bündnis von 1474 bestimmt, daß die 20,000 Fr. Pension „inter nos pre-fatas partes" gleich zu verteilen seien, und in dem Vertrag über die Freigrafschaft von 1477 ist die Rede von den „decem civi-tatibus et partibus lige confoederatorum", denen der König 100,000 Gl. zu entrichten hat. Auch der Freundschaftsvertrag mit Karl VIII. von 1484 bezeichnet die Orte als „civitates et partes" 2). Am 14. April 1500 bestätigen Ammänner, Räte und Gemein- 686. !) Abschiede II S. 506, 786, 893 ff., 899, 933 ff.; III 1 S. 671, 679, 683, 2) Abschiede II S. 870, 892, 909, 917, 919, 927; III 1 S. 714 f. ' i: 76 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft den der „trium partium veteris lige superioris Alamanie de Urania, Svitz et Underwalden subsilva" die Freiheiten von Bellin-zona, und im Frieden von Arona vom 11. April 1503 tritt König Ludwig XII. den „tres partes confederatorum Ure, Schwitz et Underwalden subsilva" Stadt und Grafschaft Bellinzona ab. 1507 schließen die „quatuor partes magnifice et antique lige confederatorum Alamanie superioris de Lucerna, Urania et Unterwaiden super et subtus silvam" ein Burg- und Landrecht mit den Markgrafen von Montferrat. 1510 wurden Artikel einer Vereinigung des Königs von Frankreich „cum dominorum Confederatorum sive Ligarum partibus" entworfen, in welchen der König versprach, Basel und Schaffhausen als „partes" zu behandeln, und noch im Genferfrieden vom 7. November 1515 werden die „oratores ex singulis partibus lige" erwähnt1). Auch die Geographen des 15. Jahrhunderts, Bonstetten und Türst, übersetzen „Ort" mit „pars", Türst daneben auch •mit „caput", der Mailänder Bakus mit „angulus" 2). Die Bezeichnungen „caput" und „angulus" werden meines Wissens offiziell nie gebraucht; dagegen wird hie und da in Akten Ort mit „pägus" oder „locus", einmal auch-mit „latus" wiedergegeben 3). !) Abschiede III 2 S. 1279, 1306, 1322, 1398; 527. a) Bonstetten (Quellen zur Schweizergeschichte XIII) S. 228 (octo partes Confoederationis), 242, 250, 262. Türst (Quellen zur Schweizergeschichte VI) S. 4 (de situ decern capitum) = 24 (Von der zechen Orten gelegenheit); 13 (si nec primum, neque minimum est caput Confoederato-rum Schvitz) = 34 (ob es nüt das erst, so ist es doch nit das minst ort der Eydgnosschaft); 17 (in proprietate octo Capitum) = 39 (angehörig den acht Orten). Balcus (Quellen VI) S. 80: „Universae terrae atque ditionis Svitensium insignia oppida quos angulos nominant, octo sunt". 3) Abschiede III 1 S. 756 (videlicet pro singulo pago memorate lige nostre duo milia dictorum francorum); III 2 S. 1337 (civitatum, pagorum sive locorum), 1338 (per singulas civitates, pagos, cantonos et loca), S. 633 (pro duodecim lateribus seu partibus, quas ipsi Cantones vocant); IV 2 S. 968 (Dilectis filiis Scultetis, Amannis Pagorum Helvetiorum Catholicorum). und ihrer Glieder. 77 Mittlerweile aber war im Französischen eine andere Übersetzung aufgetaucht, die rasch ins Lateinische und Italienische überging und schließlich selbst im Deutschen das Urwort verdrängte, „Kanton". Das Stammwort „Kant" = Ecke, das sowohl im Altfranzösischen als im Englischen, im Deutschen als „Kante", im Italienischen, Spanischen, Portugiesischen als „canto" sich findet, ist dunkler Herkunft. Diez hält das Wort für eine Entlehnung aus dem Keltischen1). Eine romanische Erweiterung ist das italienische „cantone" für Ecke, Eckstein, Seite, Gegend, das französische „canton" für Ecke, Waldrevier, dann Landstrich, Kreis, Bezirk, im mittelalterlichen Latein „canto", „cantonus" und „quantonus" == Ecke, Eckstein, Seite, Stadtviertel, Landstrich etc. Das Wort „Kanton" hat sich also von einer ähnlichen Grundbedeutung aus vieldeutig entwickelt, wie „Ort", und ist insofern die treffende Übersetzung. Scheinbar findet sich das Wort am frühesten in den bei C om-mines-Lenglet gedruckten französischen Texten der Verträge der Eidgenossen mit Karl VII. von 1452 und Ludwig XI. von 1463 und 1470, wo das lateinische „parcium ligae veteris Alamanie alte" mit „Cantons de la vieille Ligue de la haute Alle-magne" wiedergegeben wird. Ebenso ist in der französischen Version der ewigen Richtung mit Österreich von 1474 die Rede von „Villes et Cantons" und „Cantons confederez". Allein diese Texte sind wohl nach ihrer Sprache und Orthographie den lateinischen, bezw. deutschen Originalurkunden nicht gleichzeitig, sondern spätere Übersetzungen derselben2). , '. *) Grimms Wörterbuch V S. 173: Im Kymrischen bedeutet „cant" Umzäunung, Kreis, Badschiene, Rand; auch das griechische xav^o'c, Augenwinkel, das lateinische canthus, Radschiene (nach Quintilian ein afrikanisches oder spanisches Wort), kommen in Betracht. 2) Commines-Lenglet t. III S. 366, 367, 368, 312 ff. Auch die Aufschriften der bei Rott, Inventaire des documents relatifs ä l'histoire de Suisse conserves dans les archives et bibliotheques de Paris I S. 342 ff. erwähnten Dokumente, wo der Ausdruck Canton zu den Jahren 1452, 1463, 1470, 1474, 1475, 1484 vorkommt, sind spätem Ursprungs, wie das falsche Datum des Bündnisses von 1474 (26. Okt. 1473) zeigt. I 78 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft Der Gebrauch des Wortes scheint nicht in Frankreich, sondern in der Westschweiz seinen Anfang genommen zu haben. Am frühsten kommt es wohl in den Freiburger Ratsmanualen und Seckeimeisterrechnungen vor. Eine Notiz jener vom 20. Juli 1475 spricht sowohl französisch von den „quatre quantons" (Bernenses, Friburgenses, Lucernenses et Solodrenses) als lateinisch von den „quatuör quantonum", eine andere vom 5. November 1477 davon, daß die Berner sich dem König von Frankreich stärker verpflichtet hätten, „que les aultres quantons deis allies". In den Seckeimeisterrechnungen ist 1476 von Ritten frei-burgischer Magistrate „par les VII quantons des alliez", 1478 von solchen nach Luzern „sur la jornee ly s'est tenue entre les villes et les quantons" etc. die Rede 1). In die Literatur hat wohl Commines das Wort Kanton für schweizerische Gebiete zuerst eingeführt. Wenn er in dem 1489 bis 1491 geschriebenen ersten Teil seiner Memoiren unter Kantonen die „Länder" im Gegensatz zu den „Städten" (unter Verwechslung Uris mit Solothurn) zu verstehen scheint, so gebraucht er dagegen in dem 1496—98 geschriebenen zweiten Teil seines Werks das Wort im allgemeinen Sinn2). " Zwischen der Abfassung des ersten und zweiten Teils der Commines'schen Memoiren scheint nun der Name „Canton" bei den französischen Kanzlern Anklang gefunden zu haben. Er findet sich nämlich in einem in sieben Exemplaren im Berner Staatsarchiv vorhandenen Schreiben Karls VIII. vom 19. Juni 1491 an die eidgenössischen Orte Zürich, Luzern, Uri, Schwyz, Glarus, Zug und Solothurn — das für Bern selbst fehlt, — worin der König bittet, die Eidgenossen möchten im Genfer Bischofsstreit den französischen Kandidaten unterstützen. In der Adresse der sieben Briefe kommt der Ausdruck „Kanton" nicht vor; dagegen wendet ihn das Schreiben im Kontext an: „Ainsi que plus au 1) Büchi, Freiburger Akten zur Geschichte der Burgunderkriege (Freiburger Geschichtsblätter XVI) S. 16, 47, 50. Ochsenbein, Urkunden der Schlacht von Murten S. 624, 641. Segesser, Kleine Schriften II S. 30, 31. 2) Commines-Lenglet I S. 266,367,551, 556 (liv. V c. 2, VI c. 4, VIII c. 17). und ihrer Glieder. 79 long envoyons par instructions pour le vous dire et declairer et aux autre seigneurs des cantons, a noz amez et feaulx conseillers, l'evesque de Montaulban et Anthoine de Lamect, bailly d'Ostun, qui sont par de la pour ceste matiere et autres dont ilz ont charge de nous" 1). Ein im Staatsarchiv Zürich befindliches Schreiben Karls VIII. vom 3. Juni 1493 trägt die Adresse „A nos tres chers et grans amis les conseils et communautez des villes et quantons des anciennes ligues des haultes almaignes". Wenn hier „villes et quantons" als Übersetzung für „Stett und Lender" aufgefaßt werden könnte, also Kantone, wie anfänglich bei Commines, nur Länder bedeuten würde, so werden in einem Beglaubigungsschreiben, das Karl VIII. am 6. Februar 1495 seinen Gesandten Anton , v. Bessey und Jean Burdelot zum Abschluß eines Bündnisses mit den Eidgenossen ausstellte, diese zweifellos sämtlich als „les seigneurs des quantons et anciennes ligues de la haulte Allemagne" und als „seigneurs et quentons des ligues" bezeichnet2). In gleicher Weise werden die Eidgenossen in der Urkunde, durch die der König am 24. April 1496 das am 1. November 1495 mit der Mehrheit der Orte geschlossene Bündnis ratifizierte, bezeichnet 3), und in einer lateinischen Urkunde, durch die er am 10. Juni 1496 das von seinen Gesandten gegebene Versprechen, Zürich zu x) -Laut gütiger Mitteilung von Herrn Staatsarchivar Kurz. Die Adresse heißt „A nos tres chers et grans amys, les conseil, advoyer et j communité de Zuric" (Lucerne, Ury, Suych, Glazis, Subh und Solorre, \ bei den fünf letzten ohne „advoyer"). Nach Rott, Hist, de la Representation Diplomatique de la France auprés des Cantons Suisses etc. I S. 83 ii liegt das nicht völlig gleichlautende Freiburger Original im Staatsarchiv Í, Freiburg. In den Exemplaren für Zürich, Uri und Solothurn steht deut-ŕ • lieh „cantons", in den vier andern dagegen „camtons". [ 2) Das französische Beglaubigungsschreiben ist in der lateinischen Ur- S künde vom 10. Juni 1496 inseriert und trägt das Datum: „Donne á Lion le VIIIm0 jour de Fevrier ľan de grace mil CCCC quatre vings et quinze • et de noz regnes de France le treziesme et de Secille le premier". Darnach ,..... ist Rott, Hist, de la Representation diplomatique de la France auprés des Cantons Suisses I S. 90, zu berichtigen, i 3) Abschiede III 1 S. 736. 80 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft den 2000 Franken allgemeiner Pension noch 1000 Franken zuzulegen, ratifizierte, ist von den „cuilibet ex decem amicis seu quan-tonibus et communitatibus dictorum dbminorum confederato-rum" zu bezahlenden 2000 Franken die Rede 1). Von da an kehrt das Wort, bald französisch als „quanton", „quenton", „canton", bald lateinisch als „quanto", „quantonus", „cantonus", in den von Frankreich ausgehenden Aktenstücken immer wieder. Am 6. Mai 1499 bestätigt Ludwig XII. das Bündnis mit den „magnifici ac potentes domini de decem quantonibus magne et vetuste lige almanie superioris" 2); 1501 schreibt er an Schultheiß, Bürgermeister, Ammänner, Räte und Gemeinden „des quantons des anciennes ligues des haultes Allemaignes", sie möchten „ceux des quantons Uri, Suyc et Underwalden" zur Rückgabe von Bellinzona anhalten3). 1509 verspricht er den III Bünden in Curwalen, im nächsten Bündnis mit den Eidgenossen jeden der drei Bünde zu behandeln „quantum unus Gantonus", bezw. die drei Bünde „quantum tres Cantoni". Auch den Wallisern versprach er 1500 Gleichbehandlung mit den Helve-tiern oder Teutonen „aliorum Cantonorum", erklärte aber 1510, er könne sie nur „pro uno Cantono" rechnen 4). Von 33 im Staatsarchiv Zürich liegenden Schreiben Ludwigs XII. an die Eidgenossen tragen 18 die Aufschrift „A nos treschers et grans amis et confederez les S's des quantons", oder „A nos tres chers et grands amys confederez et alliez les advoyers, bourgmestres, ammans, conseillers et communitez des quentons", oder „A nos tres chers et grans amys les depputez des quentons des anciennes Ligues des haultes Allemagnes". An den Kanton Zürich lautet die Adresse „Nos tres chers et grans amys confederez et allyez les Bourgmestre et Conseil de la ville et quanton de Zürich". Ähnliche Schreiben Ludwigs XII. mit „quanton" oder „quenton" und ihrer Glieder. 81 !) Staatsarohiv Zürich C. IV 9. 2) Abschiede III 1 S. 755 ff. 3) Staatsarchiv Zürich C. IV 9. *) Abschiede III 2 S. 1282, 1329, 1340. in ihren Aufschriften liegen in den Archiven von Bern, Luzern, Freiburg etc.1). Auch Franz I. zeigte am 2. Januar 1515 „a nos treschers et grans amys les advoyers etc. ... des quantons des anciennes Ligues des Haultes Allemaignes" seine Thronbesteigung an, trat durch den Genfer Frieden vom 7. November 1515 mit den acht „quentons de Berne, Lucerne, Undrevalde, Zoug, Glaris, Fribourg, Soleurre et Basel" in enge Verbindung und erhöhte im Bündnis vom 5. Mai 1521 „unicuique Cantono dictorum Dominorum Con-foedei'atorum" das Jahrgeld auf 3000 Franken. Von 22 Schreiben Franz I. im Staatsarchiv Zürich enthalten 6 in ihren Aufschriften das Wort „quenton", 3 „quanton" und 2 „canton"2). Von den Franzosen übernahmen die Italiener das Wort. Die Agenten Mailands in der Schweiz sprechen seit 1495 von „cantoni" 3). 1507 schrieb Machiavelli: „Den Hauptkörper der Schweizer bilden die zwölf miteinander verbündeten Gemeinwesen, die sie Kantone nennen. Diese sind in solcher Weise untereinander verbunden, daß das, was auf ihren Tagsatzungen beschlossen wird, immer von allen beobachtet wird und kein Kanton sich dem widersetzen würde. Außer diesen XII Kantonen gibt es zwei andere Arten Schweizer, Graubünden und die Walliser. Diese beiden sind nicht so eng mit den XII Kantonen verbunden, daß sie nicht auch diesen entgegengesetzte Beschlüsse fassen könnten. Sie verstehen sich aber alle gut zusammen für die Verteidigung ihrer Freiheit" 4). 1) Rott, Hist, de la Representation dipl. de la France I S. 127 N. 2, 129 N. 2, 131 N. 8 u. 1, 135 N. 1 u. 4, 141 N. 2 u. 5, 143 N. 4, 148 N. 3, etc. 2) Rott a. a. O. I S. 210 N. 2, 216 N. 3 u. 7. Abschiede III 2 S. 1401 (tredeoim Canthonorum); IV 1 a S. 1498. Dumont, Corps du droit des gens IV S. 218, 333. St. Zürich C IV 9 Franz. Königsbriefe. 3) Gagliardi, Mailänder und Franzosen in der Schweiz, 1495—1499. Jahrbuch für Schweiz. Gesch. Bd. 39 S. 69*, 159*, 201*, 228*; Bd. 40 S. 37*, 70*, 127*, 138* 141*. . 4) Machiavelli opere vol. VII S. 5 ff. (ed. Milano 1805): „come il corpo principále de' Svizzeri sono dodici Comunanze cóllegate insieme, le quali chiamanó cantoni, i nomi delle quäli sono Filiborgo, Berna, Surich, 82 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft 1510 verhieß Papst Julius II. „pro quolibet ex duodecim Cantonis sive partibus hujus ligae nostre" 1000 Gl. Rh. Jahrgeld, und die Eidgenossen versprachen, die Bundesurkunde „per singulas Civitates, pagos, Cankmos et loca" zu besiegeln. Im Oktober 1511 schrieb der Papst „ad universos Cantones", und im Dezember wieder an die „dilecti filii Helvetios duodecim Can-tonum". Ebenso übersandte er 1512 die Bulle, die den Eidgenossen den Ehrentitel „Ecclesiasticae libertatis defensores" erteilte, den „Dilectis filiis duodecim Cantonibus magne et veteris lige superioris Alamanie", und erwähnt darin die „pro duodecim lateribus seu partibus quas ipsi Cantones vocant" gestifteten Banner. Auch Leo X. setzte das Bündnis mit den „dilectis filiis Helvetiis tredecim Cantonum" fort, indem er jedem 1500 Gl. Rh. Jahrgeld verhieß. Die Bündnisurkunde wurde mit den Siegeln „trium Cantonum, Thuregi videlicet, Lucerne et Schwitz" bekräftigt. Während König Eranz I. im August 1516 die „huit Cantons des Ligues", die mit ihm zu Genf Friede und Bündnis geschlossen, bereits in den Frieden von Noyon mit Karl von Kastilien einschloß, rechneten der Papst, Maximilian, Karl und Heinrich VIII. von England im Londoner Bündnis vom 29. Oktober 1516 gegen Frankreich noch immer vorzüglich auf die Hülfe der „Cantoni Helvetiorum" „ob eorum merita, virtutes, probitates et res strenue gestas". Das hinderte die beiden Habsburger nicht, 1517 mit Franz I. in einem Geheimvertrag zu Cambray über eine Teilung Italiens die Verabredung zu treffen, daß sie gemeinsam die „ligues et cantons des Suysses" für ihren Zweck bearbeiten wollten 1). Lucerna, Bala, Solor, Uri, Indrival, Tona, Glaris, Svizer, Scaphusa. Cos-toro sono in modo collegati insieme, que quello che nelle loro Dietě é deli-berato, ě sempře osservato da tutti, ně alcun Cantone vi si opporebbe. ... Oltre a questi dodici Cantoni ci sono due altre qualitä di Svizzeri, la Lega Grigia e i Vallesi ... Queste due parti non sono collegate in modo con i dodici Cantoni, que non possano deliberarsi contro la deliberazione di quelli. lntendonsi bene insieme tutti per la difesa della liberta loro". 1) Abschiede III 2 S. 1335, 1338, 1373,1377, 1378, 1403; 586, 591, 632 f., 745, 868, 1077, 1142. Monumenta Habsburgica II 1 S. 37. Auch j^Bf und ihrer Glieder. 83 S| Seit der französische König und der Papst vorangegangen Hf- waren, verkehrte alle Welt mit den Eidgenossen als den „Kan- H| tonen". Die Stadt Antwerpen schrieb 1523 an die Boten der „XIII fle Cantonorum" wegen beraubter Kaufleute, der Herzog von Sa- ■I voyen versprach 1528, dem Wallis 200 Gl. Jahrgeld zu geben IMjf „prout uni cantono Helvetiorum", der Herzog von Mailand ver- flf band sich 1531 mit den „molti magnifici et potenti S;i de Ii Can- !H| toni" gegen den Castellan von Musso und erneuerte 1532 das |H| Kapitulat mit den „'S" de Ii otto Cantoni de Suiceri"Die flt Eidgenossen selber fingen an, in ihren lateinischen oder fran- Mk zösischeii Schriftstücken sich Kantone zu nennen. Im Juli, ;■§. 1516 sandten die „Magnae et vetustae Ligae Helvetiorum Ale- B manniae superioris quinque cantonum oratores" von Zürich ■§ aus ein Schreiben an König Heinrich VIII. von England. 1520 W* nannte sich die Tagsatzung in einem Schreiben an Franz I. „nos K' Helvetii tredecim quantonorum". 1529 erneuerte die Herrin von fl| Neuenburg, die Herzogin Johanna von Longueville, das alte S Burgrecht der Grafschaft mit den „villes et cantons de Berne, i' Lucerne, Fribourg et Soleure". 1584 erneuern „Ville et Canton \ de Fribourg" und „Ville et Canton de Soleure" das Burgrecht ? mit Besancon. 1589 behielt Bern im Frieden von Nyon mit Sa- ; voyen alle seine „anciens allies et confederez des Cantons des ;' Ligues" vor, und 1603 vermittelten die „magnifiques et puissans ■ seigneurs des cinq louables cantons de Glaris, Basle, Soleure, r Schaffuze et Appentzel" mit Zustimmung der „magnifiques et ^ puissans seigneurs des autres cantons" den Frieden von St. Julien . zwischen Savoyen und Genf. 1614 erklärten Großer und Kleiner Rat „de la ville et canton de Zürich" den Beitritt „de nostre Can- , ton" zum französischen Bündnis, und 1617 schlossen Schultheiß, \ Kleiner und Großer Rat „de la republique et canton de Berne" ... — ; Leos Nachfolger, Papst Adrian, setzte sich mit den „delectis filiis tredecim Cantonibus Elvetiorum sancte Romane Ecclesie conservatoribus" etc. in, Verbindung. Abschiede IV 1 a S. 87, 195. |. i) Abschiede IV 1 a S. 318, 1518; IV 1 b S. 1566, 1578. 84 Die Benennungen der. alten Eidgenossenschaft. ein zwanzigjähriges Bündnis mit Savoyen1). Kurz, das Wort Kanton wird in den lateinischen, französischen, italienischen und englischen Aktenstücken so gebräuchlich, daß es sich nicht lohnt, für das. 16.,17. und'18. Jahrhundert die Quellehstellen einzeln anzuführen 2). Nur ein paar besonders wichtige Verträge seien hier erwähnt. Im Frieden von Crespy 1544 wurden von beiden Seiten „les Treize Cantons des Ligues", im Frieden von Cäteau-Cambresis 1559 „les Treize cantons, les Ligues Grises,. Valais, Saint-Gal, Torquembourg, Mulhausen et autres allies et confederes des dits sieurs des Ligues", im Frieden von Vervins 1598 „messieurs les !) Archiv für Schweizergeschichte XII S. 77 N. 82. Abschiede III 2 S. 1246; IV 1 b S. 1486; V 1 S. 132, 189, 1903, 1953, 1971. 2) Hier aufs Geratewohl einige Stellen: Lateinisch: Papst Sixtus V. spricht 1586 seine Freude aus über „illa vestra antiqui foederis cum reliquis catholicis Cantonibus nuper renovata coniunctio" (Abschiede IV 2 S. 967). Königin Elisabeth von England schreibt 1590 den „Magnificis viris et spectabilibus Dominis ... tresdecim Cantonum praeclarae Gentis Helveticae amicis nostris charissimis" (Archiv für Schweiz. Gesch. XII S. 128). . . Italienisch: Infant Don Fernando, Kardinal und Gubernátor von Mailand, ratifiziert im Auftrag König Philipps IV. von Spanien 1634 das erneuerte Bündnis mit den „Cantoni Svizzeri Cattolici" (Abschiede V 2 S. 2153), das in seinem Palast beschworen worden ist durch „gli Ambascia-tori delli Cantoni che sono gľinfrascritti. Cioé. Per il Cantone di Lucerna: Mauricio Ander Almenden, Scolteto; Ludovico Scochmacher, Tesoriere. Per il Cantone di Urania: Gaspar Arnoldt, Landtamano regente" etc. Im ewigen Frieden der III Bünde mit Spanien 1639 wird bestimmt, daß in bezug auf Truppendurchzüge die Bündner gehalten werden sollen, „quello che si fä con Ii Signori Svizzeri de Cantoni confederati con Sua Maestä (id. 2184). Spanisch: „Noticia de las ligas, que tienen los Cantones deli Esgui-caros con el Imperio, Espána, Francia et Saboya". „Aliänza entre sua Maest. Christianissima y los Cantones de Esguizaros, y sus aliados" (Manuskripte aus dem 17. Jahrh. Archiv für Schweizergeschichte XII S. 102). Englisch: Der Gesandte Crom wells D. John Pell berichtet aus seiner ersten Zeit als Äußerung reformierter Staatshäupter: „The Popish Cantons have leagues against us with the Pope, with Spaine, Savoy and all the Princes of Italy" (Archiv für Schweizergesch. XII S. 132). und ihrer Glieder. 85 cantons des ligues des haultes Allemagnes et les ligues Grizes et leurs alliez", und außerdem von Seiten Frankreichs noch spezieller „les treze cantons des ligues de Suisse, les sieurs des trois ligues Grises, l'evesque et seigneurie du pais du Valais, Tabbe et ville de Sainct Gall, Touhenburg, Milason (Mulhouse), comte de Neufchastel et autres alliez des dicts sieurs des ligues" eingeschlossen. Der Westfälische Friede erklärte die „Civitatem Basileam caeterosque Helvetiorum Cantones ^ffpossessione vel quasi plenae libertatis et exemptionis ab Imperio ac miliar tenus ejusdem Imperii dicasteriis et judiciis subjectos"1). Selbstverständlich machte sich der Unterschied zwischen evangelischen und katholischen Kantonen auch nach außen bemerklich. 1588 leisteten „i signori de cantoni catbolici dell'Alta Alemania" in Mailand den Bundesschwur mit Spanien, und dieses ratifizierte 1589 den Bund mit den „seis de los cantonos de Suyzos catholicos" 2). 1653 schrieben die „Consules, Sculteti, Landam-manni et Senatores Cantonum Helvetiae Evangelicorum" an die Generalstaaten und an das englische Parlament, um eine Friedensvermittlung anzubahnen, und Oliver Cromwell akkreditierte 1654 seinen Gesandten Dr. John Pell bei den „Illustribus et Amplissimis Consulibus, Scultetis, Landammanis et Senatori-bus Cantonum. Helvetiae Evangelicorum". Im Frieden von West-minster 1654 betonten England und Holland die Verdienste, die sich die „Cantones Helvetici Evangelici" durch ihren Gesandten Jakob Stocker um die Friedensvermittlung erworben, und kamen überein, ihre unerledigten Streitpunkte „Iudicio et Arbitrio Cantonum Helvetiae Protestantium" zu unterwerfen 3). Um die Mitte des 17. Jahrhunderts schleicht das Fremdwort „Canton" sich endlich auch ins Deutsche ein. Am 31. Dezember 1650 erließ Kaiser Ferdinand III. die Aufforderung an den Ad- !) Abschiede IV 1 d S. 1087; IV 2 S. 1458; V 1 S. 1872; V 2 S. 2218. 2) Abschiede V 1 S. 1840, 1843. 3) Holzach, Die Beziehungen der Schweiz zu Oliver Cromwell (Basler Zeitschrift für Gesch. und Altertumskunde IV) S. 237 u. 241, 243. Abschiede VI 1 S. 1625. 86 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft vokatum Fisci zu Speyer, dem Artikel VI des Westphälischen Friedens, der die Exemption der Stadt Basel „und übriger Schweitzerischer Cantonen" mit klaren Worten bestätige, nachzuleben, und schärfte am gleichen Tag sämtlichen Keichsständen ein, der Friedensschluß statuiere ohne einigen Vorbehalt, daß die Stadt Basel „sowohl alß die übrige Schweitzerische Cantones von dem Römischen Reich exempt und befreyet" seien. 1685 schlossen Deputierte des Kaisers und der im Thurgau regierenden Orte einen Vergleich über den Jurisdiktionsstreit auf dem Bodensee, auf Ratifikation Ihrer Majestät „und der löblichen Cantonen". 1706 wird im Bündnis Venedigs mit den III Bünden freier Durchpaß für die Truppen, „so die zwei loblichen Cantons Zürich und Bern der durchlauchten Republic geben werden", bestimmt, sowie, daß Venedig im Kriegsfall den III Bünden „gleich einem Canton von Zürich und Bern" 4000 Dukaten Subsidien monatlich bezahlen solle1). Die Verwendung des Namens „Kanton" in deutschen Aktenstücken blieb zwar selten bis 1798 2); um so allgemeiner wurde sie aber im privaten Sprachgebrauch schon gegen Ende des 17. Jahrhunderts. Im Jahre 1680 bezeichnet der Zürcher Joh. Jak. Wagner in seiner Historia naturalis den Ausdruck „Cantones" noch als ausländisch3), aber Leopold Cysat spricht schon in seiner 1661 gedruckten Beschreibung des Luzerner Sees von den „Alt Catholischen Löblichen Cantonen oder Orthen" und der Konvertit Joh. Casp. Steiner in seiner 1684 in Zug gedruckten „Grund Zeichnung deß Alt-Teutschen Spartier-Landes" von den 13 „Cantonen in Schweitz"4). Die Bibliographie der !) Abschiede VI 1 S. 1714, 1717; VI 2 S. 2283, 2322. a) In den gedruckten Abschieden finde ich nur folgende Stellen: VII1 S. 1369 (a. 1715); VII2 S. 1256 (a. 1756), 1317 (a. 1770), 1340 (a. 1777). 3) „Helvetiae Pagi ... qui barbare Cantones appellantur et quos nos Loca, die Orth der Eidgnoßschaft vocamus". Hist. nat. Helvetiae S. 5. 4) Cysat, Beschreibung des Luoerner oder 4 Waldstätten Sees S. 201. J. C. Steiner, Germano-Heiveto-Sparta oder Grundzeichnung deß Alt-Teutschen Spartier-Landes, daß ist Schweitzer-Land (Zug 1684), S- 299 f. und ihrer Glieder. 87 Schweizergeschichte von Hans Barth verzeichnet von 1694 bis 1797 36 deutsche Broschüren mit „Canton"1). Ein besonderer Liebhaber des Wortes scheint der kaiserliche Gesandte Graf Trautmannsdorf, gewesen zu sein, der von 1701 bis 1706 jedes Jahr seine Schreiben „an sammentliche Cantons löbl. Eydgnos-senschaft" publizieren ließ. Eine um 1700 in Halle gedruckte Schrift „Staat der Schweizerischen Eidgenossen und ihrer Verbündeten", wahrscheinlich von L. H. Gude, gibt eine „absonderliche" Beschreibung aller 13 „Cantons". Auch Scheuchzer gebraucht in seinen Schriften den Ausdruck häufig. 1739 erschien eine „Karte der 13 Schweizer-Cantons, deren Bundsgenossen und Unterthanen"2). Fäsi und Füeßli bedienen sich in ihren 1765 und 1770 erschienenen Staats- und Erdbeschreibungen der Eidgenoßschaft des Wortes fast so allgemein wie wir. Der Göttinger Professor Meiners spricht in seinen 1784 erschienenen Briefen aus der Schweiz von den „kleinen Kantonen"3), und auf der Tagsatzung der achtziger und neunziger Jahre unterhielt man sich über Gesinnungen und Zustände der „demokratischen Kantone" oder „Länderkantone" 4). Kurz, das Fremdwort war der Schweiz und Deutschland schon ganz geläufig geworden, als die Helvetische Verfassung von 1798, welche Orte, Zugewandte und gemeine Herrschaften gleichmäßig in „Kantone" verwandelte, es zu alleiniger Geltung brachte und das deutsche „Ort" in politischem Sinn völlig verdrängte. 1) Barth, Bibliographie der Schweizergeschichte I S. 149 N. 2329, 2335, S. 156 ff, N. 2441, 2442, 2462, 2467, 2475, 2477, 2503—2506, 2525— 2527, 2537, 2539, 2571, 2688, 2689, 2774, 2791; S. 188 ff. N. 2964, 3005, 3014, 3047, 3113, 3321; S/219 ff. N. 3444, 3481, 3493, 3508, 3540, 3543, 3558, 3642. 2) (Gude), Staat der Schweizerischen Eidgenossen etc. (Haller IN. 710) S. 106 ff. J. J. Scheuchzer, Beschreibung der Naturgeschichten des Schwei-zerlandes (Zürich 1706-1708) I S. 170 II S. 18, 19, 23, 26, 30 etc.; Natur-Historie des Schweizerlandes (2. Aufl.) I S. 43 ff. Haller, Bibl. I Nr. 165. 3) Meiners, Briefe aus der Schweiz I S. 162, 234, 241 etc. o) Abschiede VIII S. 687, 693 usw. 88 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft und ihrer Glieder. 89 § 5. Die Rangfolge der Orte. Früh setzte sich unter den eidgenössischen Orten' eine offizielle Rangfolge fest, die im Sitz auf der Tagsatzung, beim Betreten oder Verlassen des Sitzungssaales, bei festlichen Aufzügen, sowie bei der Aufführung der Orte in Bundes- oder andern Staats vertragen und gewöhnlich auch bei deren Besiegelung beobachtet wurde. Bei der Bildung dieser Rangfolge wirkten drei Faktoren mit: 1. die Zeit des Eintritts in die Eidgenossenschaft als vollberechtigtes Glied, 2. der allgemeine Vorrang der Städte vor dem platten Land, 3. die Bedeutung der Bundesglieder an sich. Im Text des ewigen Bundes der Waldstätte vom August 1291 steht Uri an erster Stelle, Schwyz folgt an zweiter, Nidwaiden an dritter. Dagegen hängt oder hing das Siegel von Schwyz an erster Stelle, vermutlich weil der Bund auf Schwyzerboden aufgerichtet wurde x); dann folgen die von Uri und Unterwaiden. Im Dreiländerbund, Brunnen 9. Dezember 1315, ist im Text und in den Siegeln die Reihenfolge Uri, Schwyz, Unterwaiden, und diese ist dann die herrschende geblieben, so daß Uri im 18. Jahrhundert sich auf der Tagsatzung rühmen konnte, der „uralt-älteste helvetische Stand" zu sein 2). Doch machte ihm, Schwyz in den Anfängen noch zuweilen diese Ehre streitig. So schreiben am 11. November 1309 „Wir, die lantlüte von Schwiz, von Uren und von Underwalden" an Luzern; am 26. Juni 1319 verlängern „Wir die Amptlüte und die Lantlüte gemeinlich in dien Waltsteten von Switz, von Uren und von Underwalden" den Waffenstillstand mit Österreich, und am 1. September 1327 schließen „Wir die Amptlüte und Lantlüte gemeinlich von Switz, von Ure und von Underwalden" ein Bündnis mit Graf Eberhard von Kyburg 3). Maßgebend für die Rangfolge sind natürlich nur die *) Oechsli, Anfänge der Eidgenossenschaft S. 295, und Lichtdruck des Bundes von 1291.' 2) Abschiede VIII S. 691. 3) Abschiede I S. 4, 247, 254. Urkunden und Akten, die von den Eidgenossen selbst ausgehen. In den Schriftstücken, die von außen an sie gelangen, herrscht in bezug darauf lange die größte Willkür. Ludwig der Baier richtete im gleichen Vierteljahr Schreiben an die „Lüte der Täleren ze Ure, ze,Switz und ze Underwalden" und an die „Prudentes viri in Underwald, Urach et'in Switz"1). Am 26. März 1316 gebraucht er im Urteil des Fürstengerichts die Reihenfolge Schwyz, Uri, Unterwaiden, ebenso im Urteil vom 4. Mai 1324 und in der Urkunde vom 24. Juni 1329 betreffend die Rechte des Reichsvogts in den Waldstätten 2). Dagegen schreibt er am 1. Mai 1327 an Schwiz, Unterwaiden und Uri, und sein Reichsvogt Johann von Aarberg nennt sich am 7. Oktober 1323 „Lantvogt ze Underwalden, ze Switz und ze Uren". Auch die Stadt Thun schreibt am 5. November 1317 an Unterwaiden, Schwyz und Uri, und im Spruch der österreichischen Schiedleute vom 12. Oktober 1351 lautet die Reihenfolge Uri, Unterwaiden und Schwiz3). Der Grundsatz, daß die Städte dem platten Lande vorangehen, scheint von den Waldstätten ohne weiteres anerkannt worden zu sein, so daß im Luzernerbund von 1332 Luzern den Ländern voransteht und im Zürcherbund von 1351 Zürich als Reichsstadt wiederum der österreichischen Landstadt Luzern. So rückte das der Zeit nach fünfte Glied der Eidgenossenschaft an die erste Stelle, die ihm in der Folge geblieben ist4). Während im Glarner-bund von 1352 Glarus an letzter Stelle steht, werden im Zuger-bund im gleichen Monat die „Statt Zug und alle die so zuo demselben ampt Zug gehörent" unmittelbar nach Zürich und Luzern vor Uri, Schwyz und Unterwaiden gestellt, ohne Zweifel kraft des Prinzips, daß den Städten vor den Ländern der Vorrang gebühre. Aber bei der Abhängigkeit, in die Zug 1364 von Schwyz geriet, J) Oechsli, Regesten 537, 540, Tschudi I 268, Geschichtsfreund 43, S. 369. 2) Oechsli, Regest 557, Geschichtsfr. 5 S. 252; 20 S. 314. 3) Tschudi I 305 (Abschiede I S. 14 geben die Reihenfolge unrichtig). Abschiede I S. 253. .Oechsli, Reg. 573. Abschiede I S. 265. 4) Abschiede I S. 256, 260. 90 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft wundert man sich nicht, daß seine Stellung ins Schwanken geriet. Der Thorberger Friede von 1368, sowie dessen Erneuerung von 1376 setzen Zug den Waldstätten nach; dagegen behauptet es seinen alten Platz am Schluß der Städte vor den Ländern im Pfaffenbrief von 1370 x). . Ganz abnorm erscheint die Reihenfolge der Orte in den Waffenstillständen mit Österreich vom 22. Februar und 12. Oktober 1386, sowie im einjährigen Frieden vom 14. Januar 1387: Luzern, Zug, Zürich, Üri, Schwyz, Unterwaiden. Im Gegenbrief Herzog Albrechts vom 4. Februar 1387 wird dieselbe Reihenfolge beobachtet mit Einschiebung von Bern und Solothurn zwischen Zürich und Uri, ebenso in der Beitrittserklärung Solothurns vom 28. Januar 1387, während in derjenigen Berns vom 21. Januar 1387 die Reihenfolge lautet: Zürich, Luzern, Solothurn, Uri, Schwyz, Unterwaiden, Zug2). .In der Glarner Landessatzung vom 11. März 1387, sowie im siebenjährigen Frieden mit Österreich vom 1. April 1389 hat Zug wieder seine Stelle, vor den Waldstätten nach Zürich und Luzern. In der Beitrittserklärung Berns vom 4. April 1389 (Luzern, Zug, Zürich, Bern, Solothurn, Uri, Schwyz, Unterwaiden) steht es sogar an zweiter Stelle. Der Sempacherbrief von 1393, das erste Verkommnis aller acht Orte nebst Solothurn, hat die Reihenfolge: Zürich, Luzern, Bern, Solothurn, Zug, Uri, Schwyz, Unterwaiden, Glarus; Zug steht also hier in der Mitte zwischen den Städten und den Ländern, wie auch im 20jährigen Frieden mit Österreich vom 16. Juni 1394 3). Auch in dem ältesten Freischarenverbot vom 25. Juni 1397 hat es seinen Platz vor den Ländern, und in einem Verkommnis zwischen Zürich, Luzern, Zug und Schwyz vom 26. März 1403 über Weinfuhren und Straßenverbesserung wird es noch seinem Schirmort Schwyz vorangestellt4). Dann aber hatte offenbar 1) Abschiede I S. 273, 275, 299, 301, 305. 2) Abschiede I S. 313, 315, 316, 317, 318, 319. 3) Blumer, Urk. Glarus I 307. Abschiede I S. 324, 327, 329. 4) Abschiede I S. 91. Geschichtsfr. 22 S. 292. und ihrer Glieder. 91 der Zugerhandel von 1404/5, der die Eidgenossenschaft an den Rand des Bürgerkrieges brachte, die Wirkung, daß Zug endgültig den Waldstätten nachgestellt wurde. So erscheint es nun an zweitletzter Stelle vor Glarus in den Burg- und Landrechten mit Appenzell und St. Gallen von 1411 und 1412, im 50jährigen Frieden mit Österreich vom 28. Mai 1412, im Pfandbrief um die Grafschaft Baden vom 18. Dezember 1415 und seitdem immer1). Daß Bern als Reichsstadt in seinem ewigen Bund von 1353 den Waldstätten vorging, war selbstverständlich. Bemerkenswert ist, daß die kaiserliche Kanzlei bei der Bestätigung der eidgenössischen Bünde vom 30. März 1361 und 27. Februar 1362 die Reihenfolge: Zürich, Bern, Luzern, Uri, Schwyz, Unterwaiden aufstellt, die dann allmählig zur festen Rangordnung geworden ist..2). Wo Bern gemeinsam mit Zürich Verträge schloß, ließ es diesem den Vortritt, so im Bündnis mit Herzog Leopold gegen Coucy vom 13. Oktober 1375, in dem großen Städtebund zu Konstanz vom 21. Februar 1385, im Münzvertrag mit Österreich vom 14. September 1387 und in den gemeineidgenössischen Verträgen, an denen es erst seit dem Sempacherbrief sich direkt beteiligte. Anfänglich ließ es auch Luzern den Vorrang, so im Münzvertrag mit Österreich 1387 und im Sempacherbrief; aber im 20jährigen Frieden mit Österreich vom 16. Juli 1394 rückte es in die zweite Stelle, um sie fortan bei allen Anlässen konsequent zu behaupten3). Mit dem zweiten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts war die Rangfolge der acht alten Orte unverbrüchlich festgestellt: I. Zürich, II. Bern, III. Luzern, IV. Uri, V. Schwyz, VI. Unterwaiden, VII. Zug, VIII. Glarus. Dagegen irrte Solothurn noch zwischen diesen Fixsternen als ein Planet herum. Als ewiger Verbündeter Berns fand es sich auf dem Schlachtfeld und im Rat so regelmäßig bei den Eidgenossen ein, daß es seit dem Sempacherkrieg !) Abschiede I S. 341, 347, 342, 351. 2) Oechsli, Polit. Jahrbuch von Hilty 1890 S. 331 f. Dierauer I S. 316. 3) Abschiede I S. 285, 304, 307, 320, 327, 329, 342. 92 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft fast in allen wichtigen Verträgen derselben mithandelnd auftritt, obgleich seine förmliche Aufnahme in den Bund zweimal, 1411 und. 1459, abgelehnt wurde. Es nahm teil am Sempacherkrieg und Sempacherbrief, am 20jährigen und 50jährigen Frieden mit Österreich. Es vermittelte 1404 an der Seite von Bern und Glarus im Zugerhandel und fällte mit den Eidgenossen die Sprüche zwischen Zürich und Schwyz wegen des Toggenburger Erbes. Es war Mitkontrahent im Frieden mit Frankreich von 1444, in den Anlaßbriefen mit Österreich von 1447, in den Freundschafts-yerträgen mit Frankreich von 1452 und 1463, im Waffenstillstand mit Österreich von 1460, im 15jährigen Frieden von 1461, im Freundschaftsvertrag mit Karl dem Kühnen 1467, im Walds-huterfrieden 1468, im Bündnis mit der niedern Vereinigung 1474. In den meisten dieser Urkunden nahm es seinen Platz mitten unter den eidgenössischen Orten entweder unmittelbar nach Bern oder dann nach Luzern, aber noch vor den Ländern ein Aber gerade dies scheint die Eifersucht der letztern erregt zu haben. Schon im 15jährigen Frieden mit Österreich 1461 finden wir es aus der Mitte der Orte an die Spitze der Zugewandten relegiert, ebenso 1468 im Waldshuter Frieden. Als es 1474 im Bündnis mit den Elsäßern wieder seinen alten Platz nach Luzern einnahm, weigerte sich Uri, den Brief zu besiegeln, weil Solothurn vor ihm stehe. Damit war für einmal dessen Schicksal besiegelt; es wurde aus der Reihe der Orte ausgemerzt und in die der Zugewandten verstoßen. Es ist bezeichnend, daß Solothurn 1474 keine Aufnahme in die ewige Richtung mit Erzherzog Sigmund fand und sich von diesem in einer besondern Urkunde bezeugen lassen mußte, daß es ebenfalls im Frieden mit den Eidgenossen einbegriffen sei2). In das Bündnis mit Ludwig XI. von 1474 wurde es allerdings.samt Freiburg als Kontrahent mit aufgenom- , !) Abschiede I S. 109, 318, 319, 327, 329, 342; II S. 113, 115, 118, 123, 124, 125, 129, 131, 132, 136, 137, 140, 181, 761, 771, 778, 805, 807, 811, 814,818, 825,869,873,883,892,899,911. 2) Abschiede II S. 886, 900, 487. Oechsli, Orte und Zugewandte S. 35. und ihrer Glieder. 93 men; aber die beiden Städte wurden, obwohl sachlich den acht Orten vollkommen gleichgestellt, sorgfältig von den „oppida et provinciae." der „magna liga Allemanie superioris" geschieden und damit deutlich erklärt, daß man sie nicht als eigentliche Glieder der Eidgenossenschaft betrachte 1). Am Schlüsse der gefährlichen Krisis des Burgrechtsstreites wurden Freiburg und Solothurn am 22. Dezember 1481 endlich in einer Urkunde vereint in den Bund der VIII Orte aufgenommen. Da aber die Länder den beiden Städten trotzdem noch geraume Zeit die Qualität von Orten bestritten, Basel dagegen 1501 die Anerkennung als Ort ausdrücklich zur Bedingung seines Eintritts in die Eidgenossenschaft machte, so erhielt Basel seinen Platz unmittelbar nach den acht alten Orten als der neunte, und Freiburg und Solothurn mußten zu ihrem großen Verdruß an die zehnte und elfte Stelle rücken. Auf sie folgten an zwölfter Schaffhausen und 1513 Appenzell an dreizehnter2). „Appenzell das dryzehnest Ort, „An mannlichkeyt ein gantzer hört, „Munder, wacker und unverdrossen „Iren feind habents zum land außgstossen. „Thetend allzeit nach ehren sträben, „Zur Eydgnoschafft sich gantz ergäben" 3). § 6. Vorort und Tagsatzung. Die Eidgenossenschaft war in ihrem Ursprung ein Staaten-; bund von höchst unvollkommener Organisation. Sie besaß keine Verfassung, keine regelmäßige Vertretung und keine vollziehende 1573. J) Abschiede II S. 917. 2) Oechsli a. a. O..S. 38 ff., 45 ff., 66. 3) Stumpf, Die dryzehen Ort der Loblichen Eydgnosschafft, Basel 94 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft Behörde, keinen Bundessitz, keine Kasse, keine Kanzlei, kein Archiv, ja nicht einmal ein eigenes Siegel1). Die einzelnen Bünde sahen nur außerordentliche Zusammenkünfte der jeweilen an einem Bunde beteiligten Orte vor Kriegsbeginn oder bei Streitigkeiten unter den Verbündeten vor; so solche Zürichs mit den vier Waldstätten zu Einsiedeln, Berns mit den drei Waldstätten zu Kienholz etc. An Stelle dieser Konferenzen unter den einzelnen Gruppen der Eidgenossenschaft traten aber in der Praxis frühe gemeineidgenössische Zusammenkünfte, sogenannte „Tage", „Tagleistungen" oder „Tagsatzungen" 2). Namentlich seit Erwerb der gemeinen Herrschaften wurden regelmäßig wiederkehrende Versammlungen der Orte zur Feststellung von Verwaltungs- und Regierungsgrundsätzen, zur Abnahme von Rechnungen und Entscheidung von Rechtsfällen eine Notwendigkeit. So entstand 1418 das Institut der „Jahrrechnung", d. h. der ordentlichen Tagsatzung, die alljährlich um Pfingsten, später am ersten Sonntag Juli, in der allen acht Orten gehörigen Stadt Baden zusammentrat, um den Vögten der deutschen gemeinen Herrschaften Rechnung abzunehmen, die Überschüsse unter den Orten zu teilen, als Appellationsinstanz Rechtsfälle aus den gemeinen Herrschaften x) Dierauer I S. 302. Ich bin mir wohl bewußt, daß dies Kapitel über eine bloße Namenforschung hinaus geht und eher in eine Geschichte des schweizerischen Bundesrechtes gehört. Es steht in einem gewissen Gegensatz zu der fleißigen Arbeit von Libson, Entstehung und Entwicklung des Vorortes (Zürich 1912), die mir die verschiedenen Zeiten nicht genügend auseinander zu halten scheint. 2) In den Akten des 15. und 16. Jahrhs. heißt die eidgenössische Versammlung gewöhnlich einfach „Tag". Von „Tag leisten", d. h. sich auf dem angesetzten Tag einfinden, und „Tag setzen", d. h. Ort und Zeit des Tages bestimmen, kommen die Ausdrücke „Tagleistung" und „Tagsatzung", die beide schon im 16. Jahrhundert nebeneinander erscheinen. So spricht Zwingli 1527 von „Tagsatzungen" (Abschiede IV 1 a S. 1043); Simmler kennt dagegen 1576 allein „Tagleistungen". Noch das Defensio-nale von 1668 hat „Tagleistungen" (Abschied VI 1 S. 1675, 1678). Im 18. Jahrh. verschwindet „Tagleistung" und „Tagsatzung" wird herrschend. Siehe Schweiz. Idiotikon VII S. 1599—1601. und ihrer Glieder. 95 zu entscheiden und bei diesem Anlaß auch andere eidgenössische Geschäfte zu behandeln ■ Neben der regelmäßigen Jahrrechnungstagsatzung zu Baden gab es aber in der Blütezeit der Eidgenossenschaft weit zahlreichere außerordentliche eidgenössische Versammlungen, deren Termin und Ort jeweilen von Fall zu Fall bestimmt wurde. Es gab Zeiten, wo die Tagsatzung fast permanent beisammen saß, wo in einem Jahr zwanzig und mehr eidgenössische Zusammenkünfte stattfanden. Im 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts wurden gewöhnlich am Schluß einer Tagsatzung Zeit und Ort der nächsten verabredet. Am häufigsten kam man in Luzern zusam-. men, dessen zentrale Lage allen Orten paßte. Allmählig wurde x) Die ersten Jahrrechnungen wurden in Zürich und Luzern gehalten (Abschiede I S. 158, 191, 193). Am 19. Juli 1418 wird in Luzern „ein Tag uf sunnentag ze Baden, ze rechnen und umbvil ander Sachen" und 1419 ein „Tag ze Baden uff sunnentag ze nacht vor pfingsten" verabredet (Abschiede I S. 200 und 211). Vgl. ferner Abschiede II S. 7, 15, 22, 36, 38 („Item als man gewonlich tag leisten sol alle iar ze Baden uff pfingsten, das sol dabi bestan, doch also dz man ze pfingsten nach dem pfingsttag an der nechsten Mittwuchen in der fronfasten zu Baden an der Herberg sin sol"). 1427 wurde Dienstag nach Pfingsten, 1430 der Sonntag nach Fronleichnam, 1462 der zweite Sonntag nach Fronleichnam und 1473, was auf dasselbe' herauskam, der dritte Sonntag nach Pfingsten für den Beginn der Jahrrechnung in Baden festgesetzt (Abschiede II S. 68, 83, 323, 450). 1611 wurde beschlossen, die Jahrrechnung solle am Sonntag nach Johann. Bapt. beginnen und zwar zunächst mit den Geschäften der XIII Orte; dann sollen die der VIII und zuletzt die der VII Orte vorgenommen werden. 1623 wurde im Gegenteil festgesetzt, dass am Sonntag nach Joh. Bapt. die wirkliche Jahrrechnung beginnen und die übrigen Orte erst zehn Tage nachher für die Behandlung der allgemeinen Geschäfte in Baden ankommen sollten. 1626 und 1630 wurde wieder umgekehrt beschlossen, daß die Jahrrechnungstagsatzung am ersten Sonntag im Juli n. K. mit den allgemeinen Geschäften anfangen und erst hernach die Appellations- und Rechnungsgeschäfte vorgenommen werden sollten (Abschiede V 1 S. 1061, V 2 S. 346, 468, 629). Der erste Sonntag im Juli fiel in der Reger zusammen mit dem Sonntag nach Peter und Paul (29. Juni), der im 18. Jahrhundert als Anfang der Jahrrechnung galt (Simler-Leu S. 443). 96 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft jedoch Zürich der Rivale Luzerns; aber auch in Bern, Altorf, Schwyz, Einsiedeln, Stans, Beggenried, Zug, Glarus, Freiburg, Solothurn, Basel, Schaff hausen fanden eidgenössische Tage statt. Überhaupt nahm jedes Ort das Recht in Anspruch, im Notfall Tag anzusetzen, wohin ihm beliebte. So lud Glarus 1424 zu einer Tagsatzung nach Beggenried und Schwyz 1454 zu einer solchen nach Luzern ein 1). 1514 erklärten die Eidgenossen kaiserlichen und mailändischen Gesandten, Boten in ferne Länder zum Abschlüsse von Bündnissen zu schicken, sei ihnen nicht gelegen; wenn jedoch der Kaiser oder der König von Spanien mit ihnen wegen einer Vereinung zu unterhandeln wünschten, so hätten sie sich nur an ein Ort zu wenden, das dann den übrigen Tag ansetzen werde, um die Sache in Erwägung zu ziehen. Noch in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts galt das Prinzip, daß jedes Ort „beauftragt" sei, auf eingegangene wichtige Nachrichten hin nach Bedürfnis einen Tag zu bestimmen2). Auf der Tagsatzung saßen die Boten, gewöhnlich zwei von jedem Ort, der Rangordnung1 der Orte nach, also diejenigen von Zürich zu oberst, dann die von Bern usw. Doch scheint, wenn die Versammlung in der Hauptstadt oder dem Hauptflecken eines der XIII Orte gehalten wurde, die Abordnung des betreffenden Ortes den Vorsitz geführt zu haben, also Luzern in Luzern, Bern in Bern, Schwyz in Schwyz usw.3). J) Abschiede II S. 42, 268. 2) Abschiede III 2 S. 818; IV 1 a S. 102: „Diesmal hat man keinen andern Tag anberaumt, sondern jedes Ort beauftragt, auf eingegangene -wichtige Nachrichten hin einen Tag nach Nothdurft zu bestimmen". 3) Leu bemerkt in seiner Ausgabe von Simlers Regiment der Lobl. Eidgenoßschaft S. 445 für das 18. Jahrh., wenn eine Tagsatzung statt in Baden ausnahmsweise in einem der XII Orte gehalten werde, die Gesandten dieses Orts und nicht die Zürichs das Präsidium führen. Ebenso Päsi, Staats- und Erdbeschreibung I S. 206. Daß dies schon im 15. Jahrhundert der Fall war, möchte ich daraus schließen, daß auf den Tagsatzungen zu Luzern dieser Ort in der Regel seine Stimme am Schluß der Umfrage ab- |Hr und ihrer Glieder. 97 B. Da die Tagsatzung bei aller Häufigkeit nur eine vorüber- , HE[ gehende Konferenz war und keinerlei eigene Organe, keinerlei Bjf Exekutive besaß, so war sie zur Vorbereitung ihrer Geschäfte, zur jBi Protokollierung und Ausführung ihrer Beschlüsse auf einzelne jB§ Orte angewiesen. Sie entlieh im 15. Jahrhundert die Schreiber ■fe ihrer Protokolle, Briefe und Urkunden gewöhnlich der Obrigkeit, ■I" in deren Gebiet sie tagte. Sie schrieb ihre Briefe unter dem Siegel » der Stadt, wo sie saß, oder derjenigen, die sie mit der Expedition Bf betraute. Sie beauftragte ein oder mehrere Orte mit den Bot- flf Schäften im In- und Ausland, deren Absendung sie beschloß, wobei flp-v zuweilen die betreffenden Orte Mühe hatten, von den andern h etwas an die Kosten zu erhalten 1). Sie gab gewissen Orten Voll- ■p macht, mit den fremden Gesandten zu unterhandeln, Vertrags- Bk< entwürfe mit ihnen zu vereinbaren, mit der fremden Macht zu M korrespondieren, Jahrgelder und Kriegskosten einzukassieren, jB- Quittungen zu schreiben, fremde Münzen auf ihren Wert zu prü- flp fen, Strafuntersuchungen vorzunehmen etc., „in unser Aller B Namen". In der Theorie hatten alle Orte die gleiche Befugnis K zu solchen Geschäften und es herrschte sichtlich die Tendenz, ?' damit abzuwechseln, insbesondere den Städten, die man damit betraute, immer ein Land beizugeben. So wurde 1481 beschlossen, >}■ daß die Raten der von Frankreich für die Freigrafschaft Burgund \ geschuldeten Friedegelder einer bestimmten Kehrordnung nach je von einer Stadt und einem Land in Lyon sollten abgeholt wer- v den 2). 1491 und 1492 war sogar die Rede davon, „ob man die gibt; vgl. Abschiede I S. 172; II S. 71, 74, 538, 544; III 2 S. 423, 453, 517, 695, 947, 948. Auch Zürich gibt auf Tagsatzungen in Zürich seine Stimme oft zuletzt ab; Abschiede III 2 S. 937, 1170. Freilich kommt es auch vor, daß die Abstimmung in der gewöhnlichen Reihenfolge vor sich geht; Abschiede II S. 551; III 2 S. 652, 701, 992, 1129. *) Abschiede IV 1 c S. 537: „Heimbringen, wie man es fernerhin mit der Entschädigung solcher Boten halten wolle, da einige bei dem alten Brauch (dass das beauftragte Ort die Kosten selbst trage) bleiben möchten." z) Abschiede III 1 S. 91, 135. . : ; 7 08 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft Tag ze leisten welle lassen umbgan von Ort zu Ort" 1). Aber die Macht der realen Verhältnisse erwies sich auch im Bund der Eidgenossen als stärker, so daß trotz aller Eifersucht der übrigen einzelne Orte für solche Funktionen bevorzugt wurden, namentlich die drei durch Gebiet und Volkszahl überragenden und finanziell kräftigeren Städtekantone Zürich, Bern und Luzern, mit denen auf Seiten der Länder Schwyz zeitweilig rivalisierte 2). Rechtlich kann vor der Reformation von eidgenössischen Vororten nicht gesprochen werden, wohl aber von faktischen Vororten, die einen guten Teil dessen besorgten, was eigentlich Sache der nicht vorhandenen Bundesregierung gewesen wäre. Es ist bezeichnend, daß die Ansetzung von Tagen, soweit sie nicht auf Verabredung am Schluß einer Tagsatzung beruhte, fast ausnahmslos von einer der drei Städte Zürich, Bern, Luzern ausging, daß ihre Schreiber und ihre Siegel regelmäßig zur Abfassung der eidgenössischen Schriftstücke, ihre Archive vorzugsweise zur Aufbewahrung eidgenössischer Akten und Urkunden benutzt wurden, daß der Verkehr mit dem Ausland fast ganz durch ihre Hände ging 3). 1) Abschiede III 1 S. 378, 408. 2) Nach Albrecht von Bonstetten verfügte Bern 1479 über eine Streitmacht von 20,000, Zürich über 10,000, Luzern über 9000 Mann, Schwyz, das stärkste Land, über 4000 Mann. 3) Ansetzung von Tagen durch Zürich, Abschiede I S. 70, 71, 144, 192; II 'S. 13, 15, 51, 59, 72, 87, 88, 91, 99, 101, 340, 437, 496 etc.; durch Bern, Abschiede II S. 81, 85, 86, 220, 267, 339, 394, 398, 412, 437, 447, 465, 488, 490, 499, 501, 536, 540, 615, 642, 685, 690 etc.; durch Luzern, Abschiede I S. 164; II S. 18, 91, 198, 209, 459, 492, 580, 642, 645, 690 etc. Benutzung des Siegels von Zürich, Abschiede II S. 261, 264, 278, 541; III 1 S. 57 etc.; von Bern, Abschiede II S. 397, 403, 410, 413, 434, 473, 485, 515, 533, 540, 581, 684, 692, 694, 704, 705; III 1 S. 42 etc.; von Luzern, Abschiede II S. 148, 440, 464, 705; III 1 S. 44 ff.; von Schwyz, Abschieden S. 440. Benutzung der Schreiber von Zürich, Abschiede II S. 559; III IS. 115, 289, 292, 412, 515, 643; III 2 S. 4, 55, 157, 240, 834, 852, 1024; von Bern, Abschiede II S. 411, 679; III 1 S. 298; III 2 S. 568, 929; von Luzern, Abschiede I S. 211; II S. 147, 209, 220, 362, 411, 494, 498, 531, 559; III 1 S. 11, und ihrer Glieder. 99 Dabei läßt sich ein gewisser Wechsel in diesen vorörtlichen Funktionen von Stadt zu Stadt, bezw. eine Teilung derselben beobachten. Zur Zeit Bruns steht Zürich im Vordergrund, ohne Zweifel mehr durch die überragende Persönlichkeit seines Bürgermeisters als durch seine Macht, die damals noch auf das Weichbild der Stadt beschränkt war. Zürich übt auf die Kriegsführung und die Friedensschlüsse der Eidgenossen den maßgebenden Einfluß aus. Von Zürich aus geht der Plan, Glarus und Zug für die Eidgenossenschaft zu erobern, von Zürich freilich auch der Entschluß, durch Rückgabe dieser Eroberungen den Frieden mit Österreich zu ermöglichen. Es ist bezeichnend, daß Österreich alles dran setzte, nach dem Frieden den Bürgermeister Brun in sein Interesse zu ziehen, wie umgekehrt Kaiser Karl IV., als er die Eidgenossen zum Bruch mit Österreich zu bewegen suchte, vor allem Zürich 1360—62 mit einer Flut von Gnaden überhäufte1). Mit der Wiedereinnahme Zugs durch Schwyz 1364 oder 1365 rückt der Schwerpunkt der politischen: Bewegung wieder in. die Innerschweiz. Im Sempacher Krieg ist Luzern, in den Eschen- 57, 64, 67, 79, 89, 99, 114, 126, 149, 154, 172, 190, 224, 226, 259, 298, 358, 375, 412, 462; III 2 S. 134, 157, 226, 240, 257, 447, 483, 551; von Schwyz, Abschiede II S. 217, 220, 222. Benutzung des Archivs von Zürich, Abschiede II 277, 529, 544, 881, 886, 900, 911, 913; III 1 S. 190, 663, 665, 726, 753, 758 etc.; von Bern, Abschiede II S. 807, 818, 873, 892, 899, 910, 917, 918, 919, 923; III 1 S. 233, 714 etc.; von Luzern, Abschiede II S. 825, 844, 893, 916, 922, 930; III 1 'S. 11, 233, 668, 669, 673, 702, 736, 745, 755 etc.; III 2 S. 402. ' ' Münzprüfung durch Luzern, Abschiede III IS. 149, 164, 263; durch Zürich, Abschiede III S. 263. Eidg. Strafuntersuchungen durch Luzern, Abschiede III 1 S. 188, 190; durch Zürich, Abschiede III 1 S. 245, 312, 549. !) Zürcher Chronik ed. Dierauer S. 58, 62, 66, 73, 77. Abschiede I S. 291 ff. Archiv für Schweizergesch. I S. 120 ff. Böhmer-Huber, Regesta Imperii VIII N. 3512, 3610* 3613, 3852—3859. Oechsli, Die Beziehungen ■der Schweiz. Eidgenossenschaft zum Reich (Hilty, Pol. Jahrbuch 1890) S. 342 ff. Dierauer I S. 237 ff., ,290 ff., 309 ff. 100 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft talerzügen Uri mit Obwalden, in den Appenzeller Kriegen Schwyz das treibende Element. Das letztere warf sich gegen den Willen der übrigen Orte zum Vorkämpfer der demokratischen Tendenzen in der Ostschweiz auf. Im Zugerhandel 1404 vereinigten sich Zürich, Luzern, Uri und Unterwaiden, um die zu rücksichtsloser Gewaltsamkeit neigende Schwyzer Politik einzudämmen; aber schließlich lenkten doch sämtliche VII östlichen Orte durch die Aufnahme von Appenzell in ihr Burg- und Landrecht in die von Schwyz vorgezeichneten Bahnen ein. Im alten Zürichkrieg tritt die Hegemonie von Schwyz deutlich hervor. Zweimal riß es, dank der Energie seines Landammanns Ital Reding, die übrigen Orte wider Willen dazu hin, den unlösbar gewordenen Knoten mit dem Schwert zu zerhauen. Nicht umsonst wurde der Krieg von den Österreichern als ein solcher „zwüschent unser gnedigen herschafft und den von Zürich uff eyner und andersyt den von Switz und allen denen, so zu Inen verbunden sint", aufgefaßt1). Politisch und militärisch hatte Schwyz die Führung. Im Feld war der Landschreiber von Schwyz, Hans Fründ, gemeiner Eidgenossen Schreiber „in allen treffenlichen Schriften" 2). Im Juni 1446 schrieben die eidgenössischen Friederisunterhändler in Konstanz an Schwyz, die Verhandlungen hätten sich zerschlagen, es solle dies allen Eidgenossen mitteilen und sich darnach richten3). Schwyz wurde 1447 beauftragt, für die eidgenössische Botschaft auf den Reichstag zu Ulm den Vollmachtsbrief auszufertigen4). Mit dem Tode Ital Redings hatte Schwyz diese vorörtliche Rolle ausgespielt, doch wandte sich Papst Nikolaus V. noch 1454 an Schwyz, um die Verwendung der Eidgenossen bei Herzog Franz Sforza für einen Frieden zwischen Mailand und Venedig zu erlangen5). ') Abschiede II S. 181. 2) Eründ, Chronik S. 224. 3) Abschiede II S. 201. 4) Abschiede II S. 217, 220. 6) Abschiede II S. 268. Als einen Nachhall dieser schwyzerischen Vorortschaft dürfen wir es betrachten, wenn Schwyz 1488 eine Tagsatzung und ihrer Glieder. 101 An seine Stelle trat für die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts zunächst Bern. Schon vor Eroberung der Waadt war Bern weitaus der größte Kantone Nach Bonstetten betrug seine Streitmacht zur Zeit der Burgunderkriege das Doppelte derjenigen Zürichs, das Fünffache derjenigen von Schwyz. Wenn Bern trotzdem die Rolle eines ständigen Vorortes entging, so war daran vornehmlich seine Lage schuld, die für die achtörtige Eidgenossenschaft zu exzentrisch war, weshalb die Tagsatzung verhältnismäßig selten in Bern zusammenkam. Seine Interessensphäre war eine andere als die der östlichen Orte. Sein Blick war über den Jura und Genfersee gerichtet, derjenige Luzerns, Uris und Unterwaldens über den Gotthard und die Furka, derjenige von Zürich, Schwyz und Glarus gegen die Bündnerpässe, den Rhein und Bodensee. So kam es, daß Bern an einer einzigen deutschen gemeinen Herrschaft Anteil hatte, an der Grafschaft Baden, dagegen nicht am Freiamt, Thurgau, Rheintal, der Grafschaft Sargans, daß es sich von den Eschentalerzügen und der Verbindung mit den rätischen Bünden fern hielt. Dagegen griff es nach Westen aus durch seine Freundschaft mit Savoyen, seine Burgrechte mit Münstertal, Biel, Neuenstadt, Neuenburg, Payerne, Saanen und Osch etci Während die VII östlichen Orte eine engere Gemeinschaft unter sich bildeten, fühlte Bern sich stark genug, Politik auf eigene Faust zu treiben; es betrachtete die Eidgenossenschaft mehr wie eine Rückversicherung, als daß es ihre Führung erstrebt hätte. In dem Zeitraum aber, wo es ihm gelang, seine Politik bis auf einen gewissen Grad zur eidgenössischen zu erheben, fiel ihm notwendig die Hegemonie zu, in der Epoche der Bürgunderkriege. Als die Intrigen Österreichs bei Frankreich und Burgund die Eidgenossen nötigten, zu ihrer Selbsterhaltung auch mit den welschen hinter dem Rücken Zürichs veranstaltet, um gegen den Einfluss Waldmanns zu protestieren (Abschiede III 1 S. 291), oder wenn es 1494 Vollmacht erhält, einen von Zürich verkündeten Tag abzukünden und einen andern nach Schwyz anzusetzen (Abschiede III 1 S. 452). 102 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft Mächten Beziehungen anzuknüpfen und zu unterhalten, da war Bern das gegebene Organ, durch das es geschah 1). Mit Botschaften von Bern und Solothurn schloß der Dauphin Ludwig nach der Schlacht bei St. Jakob den Waffenstillstand zu Ensisheim; auf Berner Boden, zu Zofingen, ward der endgültige Friede vereinbart. Durch Berns Vermittlung kam 1452 der Freundschaf tsvertrag mit Karl VII. von Frankreich zustand und trat 1453 zum erstenmal die Versuchung der französischen Solddienste an die Eidgenossen heran 2). Durch den Berner Schultheißen Nikiaus von Deesbach wurde 1466 das französische Gold als ein neues Element in die eidgenössische Politik eingeführt und deren Zusammenwirken mit der französischen angebahnt3). Umgekehrt war es ebenfalls Bern, das 1467 den Freundsehaftsvertrag der Schweizerstädte mit Burgund betrieb und zustande brachte 4). ' In dem Vorspiel der Burgunderkriege sehen wir überall Bern in vorderster Linie tätig. Bern war es, das durch sein Bündnis mit Mülhausen 1468 die Ursache zum Sundgauerzug und Walds-huterkrieg gab und damit zu dem folgenreichen Bunde zwischen Österreich und Burgund. Seit den Verträgen von St. Omer arbeitete Bern, bezw. sein Schultheiß Nikiaus von Diesbach, mit Bewußtsein auf den Krieg gegen Burgund hin. Durch bernische Boten 'und Briefe verkehrten die Eidgenossen immer intimer mit Ludwig XL, in ihrem Namen schloß Bern 1470 ein Bündnis mit dem König, das seine Spitze gegen Burgund richtete 5). Nikiaus l) Tobler, Die äußere Politik Berns während des alten Zürichkriegs, Archiv des Hist. Vereins Bern XI S. 372 ff. Liebenau, Die Beziehungen der Eidgenossenschaft zum Auslande 1447—1459, Geschichtsfreund der V Orte 32 S. 27 ff, 90 ff. Mandrot, Etudes sur les relations de Charles VII et de Louis XI avec les Cantons Suisses, Jahrbuch für Schweizergesch. V S. 59 ff.; VI S. 201 ff. a) Geschichtsfreund 32 S. 92 f. 3) Ludwig v. Diesbachs Selbstbiographie, Geschichtsforscher VIII S. 165 ff. *) Abschiede II S. 366. 5) Abschiede II S. 397, 403, 413, 434, 485, 908, 910. und ihrer Glieder. 103 von Diesbach war die Seele der Verhandlungen, die 1474 zum Abschluß der ewigen Richtung mit Österreich, des Bundes mit der niederen Vereinigung im Elsaß, des Soldbündnisses mit Ludwig XL, mit einem Wort zu der großen Allianz gegen Karl den Kühnen führten. Im Auftrag der Eidgenossen schrieb Bern den Absagebrief an Burgund und brachte das Bündnis mit Frankreich ins Reine, indem es von sich aus eine geheime Erläuterung beifügte,, die dem König nicht bloß Werbungen gestattete, sondern die Eidgenossen zur Stellung von Truppen an ihn verpflichtete *). Nikiaus von Diesbach vereinbarte zu Bern mit einem Kommissär des Königs die Verteilung der 20,000 livres tournois, die Ludwig XL außer den öffentlichen Jahrgeldern an alle Orte zu geheimen Pensionen an bevorzugte Städte und Private bestimmte. Wie verschieden man damals die einzelnen Orte nach ihrem Einfluß wertete, bekundet dieser geheime Rodel von 1475. Von den 20,000 livres empfing die Stadt Bern 6000 und einzelne Berner 4645, die Stadt Luzern 3000 und einzelne Luzerner 2290; die Stadt Zürich dagegen bloß 2000 und einzelne Zürcher 500. Die. andern Orte wurden als solche nicht bedacht; dagegen entfielen je 200 auf die Landammänner von Uri und Schwyz, je 100 auf die von Unterwaiden und Zug a). Bern nahm auch die öffentlichen Gelder Frankreichs für die Eidgenossen in Empfang3), und die. eidgenössische Korrespondenz mit Frankreich ging so ausschließlich durch seine Hände, daß die Tagsatzung im Juli 1476 beschloß, „mit den Herren von Bern zu reden, daß sie Briefe, welche vom König von Frankreich an gemeine Eidgenossen kommen, versiegelt an gemeine Eidgenossen bringen und ohne Aller Wissen nnd Willen keine Antwort an den König geben, auch daß sie, wenn Schreiben an den König gehen, nicht Bern allein, sondern die acht Orte nach ihrer Ordnung darin vermelden sollen" 4). So !) Abschiede II S. 501, 513, 515, 917- 2) Commines-Lenglet III S. 379 ff. 3) Abschiede II S. 557, 577. 4) Abschiede II S. 599. -920, 921, 923. 104 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft sehr war man in diesen Jahren an Berner Initiative in allen Dingen gewohnt, daß es auch Tagsatzungen für Verhandlungen mit Mailand einberief, daß ihm die Eidgenossen Vollmacht gaben, für „Unterredungen" mit den Reichsstädten Tag anzusetzen, und daß sie unter dem Siegel Berns an den Kurfürsten von Sachsen schrieben 1). Auf der andern Seite trug es freilich auch die Hauptlast des Burgunderkrieges, dem es die kühne Wendung einer Eroberung der savoyischen Waadt gab. In Nikiaus von Diesbach, Adrian von Bubenberg, Nikiaus von Scharnachthal, Hans von Hallwyl stellte es die hervorragendsten Führer, wie auch die meiste Mannschaft zu den Feldzügen und Schlachten2). Der Berner Rat übte die „Funktionen eines gewissenhaft und umsichtig geleiteten Generalstabsbureaus" aus, legte Besatzungen und Kommandanten in die Grenzpunkte, sicherte Brücken und Wege, organisierte das Kundschaftswesen und hielt die Eidgenossen und Verbündeten auf dem Laufenden3). Wenn Berns stolze Pläne bei den andern Eidgenossen gehörige Unterstützung gefunden hätten, so wäre die Waadt schon damals schweizerisch und auch die Freigrafschaft ein Stück unseres Landes geworden. Aber das rasche Abbrechen der Feldzüge jeweilen nach der entscheidenden Schlacht; der Verzicht auf die schon eroberte Waadt und auf die Besetzung der wehrlosen Freigrafschaft zeigten, daß Berns Hegemonie ihre gemessenen Schranken hatte, daß die eidgenössische Mehrheit zwar bereit war, sein Gebiet mit aller Kraft zu verteidigen, aber nicht, ihm in seinen Expansionsplänen gen Westen zu folgen. So verlief der große politische Anlauf nach glänzenden militärischen Erfolgen im Sande 4). !) Abschiede II S. 465, 473, 488. 2) Bei Grandson stellte Bern (mit Neuenstadt) auf 18,115 Mann 7130. Abschiede II S. 593. 3) Meister, Neujahrsblatt der Zürcher Feuerwerker 1876 S. 24. Dier-auer II S. 250. ' 4) Gagliardi, Hans Waldmann und die Eidgenossenschaft des 15. Jahrh. S. 39 ff. und ihrer Glieder. 105 Nach dem Ende der Burgunderkriege trat Berns Einfluß sieht-lieh zurück gegen denjenigen Luzerns und Zürichs und sank zur Zeit des Schwabenkrieges auf den Nullpunkt, weil der bernische Adel im Gegensatz zur Volksstimmung den Zusammenhang mit dem Reiche zu wahren strebte und auch das militärische Verhalten der Berner zu scharfem Tadel Anlaß gab1). Auch in den Mailänderkriegen tritt Bern nicht besonders hervor, es sei denn negativ, indem es 1515 durch seinen Abzug aus der Lombardei vor der Schlacht die Hauptschuld an der Niederlage der Eidgenossen bei Marignano auf'sich lud und sich nachher an die Spitze der acht Orte stellte, die durch den Genfer Frieden vom 7. November 1515 den Tessin preisgeben und wenige Wochen nach Marignano sich schon wieder zu Mietlingen Frankreichs erniedrigen wollten. Luzerns Vorortschaft beruhte vornehmlich auf seiner zentralen Lage. Ein Tagsatzungsabschied vom Juli 1515 sagt: „Urin-ser eidgnossen von Lutzern ist bevolhen, was ineh zuökomen, das uff ze thuond, unnd diewil die selben in mitten der Eidgnoschafft, sollen sy, was also kompt, allen ortten zuö schriben unnd, ob das not, tag (be)stimmen, damit sich jederman beratten unnd jlends gen Lutzern ein potschafft schicken mag" 2). Albrecht von Bonstetten nennt es 1479 „den rechten nabel und das wäre mittel der Eidgnosschaft, desshalb oft in derselben statt ir ambasiatores versamlet werdent, ir tag und ünderredunge alda habende" 3). In der Tat fanden im Zeitraum von 1421—1477 in Luzern 354, in Zürich dagegen nur 80, in Baden 70, in Bern 52 Tagsatzungen statt. Luzern erschien so sehr als der gegebene !) Abschiede III 1 S. 617. Anshelm II S. 193. Oechsli, Hiltys Jahr- > buch 1890 S. 559. Gagliardi, Mailänder und Franzosen in der Schweiz, Jahrbuch für Schweiz. Gesch. Bd. 39 S. 88* ff., 106* ff., 122* ff., 179* ff., 211* ff., 230* ff.; Bd. 40 S. 4* ff., 24* ff., 31* ff., 69* ff., 88* ff., 109* ff. 2) Staatsarchiv Zürich, Abschiede B VIII 86 S. 390 (vgl. gedrückte Abschiede III 2 S. 892). 3) Albrecht v. Bonstetten, Briefe und ausgewählte Schriften, hg. von Büchi, S. 258. 106 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft Tagsatzungsort, daß sogar Zürich und Bern Tage dorthin ansetzten x). In weitaus den meisten Tagsatzungen des 15. Jahrhunderts führte also Luzern den Vorsitz. Das hatte zur Folge, daß ein großer Teil des diplomatischen Verkehrs durch seine Hand ging. Es wurde der Ort, wo die fremden Gesandten sich mit Vorliebe einfanden und die Minen der Überredung und des Goldes springen ließen 2). Die Burgunderbeute wurde nach Luzern geführt und die wertvollsten Stücke dort aufbewahrt, bis sich ein Käufer fand. Nach Luzern wurden die Mailändergelder gebracht, sein Archiv im Wasserturm diente zur Aufbewahrung zahlreicher eidgenössischer Dokumente 3). Die luzernische Kanzlei versah gewissenmaßen die Stelle einer eidgenössischen. Die Luzerner Schreiber führten ein regelrechtes Abschiedebuch, das in Zweifelfällen als eidgenössisches Protokoll nachgeschlagen wurde, sie entwarfen eidgenössische Bündnisse, Friedensverträge, Schiedsprüche, Emp-fehlungs- und Geleitbriefe, Kreditive und Instruktionen für eidgenössische Gesandte. Der Luzerner Unterschreiber Johannes Schilling fungierte als Tagsatzungsschreiber auch zu Baden, Stans und Einsiedeln4). In all dem, was später die Befugnisse des Vorortes Zürich ausmachte, war Luzern im 15. Jahrhundert, wenn auch nicht im alleinigen, so doch im vorzugsweisen Besitz. 1) Abschiede II S. 51, 59, 81, 85, 86, 88, 89, 101, 327, 340, 379, 394, 499 etc. Warum Bern und Zürich Tage nach Luzern ansetzten, zeigt die Geschichte einer Tagsatzung Ende Juli 1470. Bern hatte wegen der engern Verbindung mit Frankreich auf den 26. Juli 1470 eine Tagsatzung in seine Stadt einberufen, aber Luzern, Uri, Unterwaiden und Glarus erschienen nicht. Darauf setzte Bern für das gleiche Geschäft einen Tag auf den 6. August nach Luzern an. Abschiede II S. 412. 2) Abschiede II S. 5, 28, 36, 93, 337, 393, 689; III 1 S. 35, 96, 178, 487. Rott, Hist, de la Representation diplomatique de la France aupres des Cantons Suisses I passim. ' . 3) Abschiede II S. 559, 590; III l'S. 11, 56, 122, 151. , *) Abschiede II S. 209, 220, 494, 498;'III 1 S. 11, 17, 21, 41, 44, 57, 67, 68, 79, 89, 99, 114, 126, 140, 145, 168, 224, 226, 259, 407. Diebold Schillings des Jüngern Chronik S. 96. und ihrer Glieder. 107 Allmählig aber wurde ihm dieser Besitz von Zürich streitig gemacht. Zürich hatte vor Luzern und Bern voraus, daß es nach der durch das Herkommen geheiligten Rangfolge als „obrister" oder „vordrister" Ort an der Spitze stand1). Infolgedessen wurde es in allen Staatsverträgen der Eidgenossen an erster Stelle genannt. Auf der Tagsatzung nahm es den ersten Sitz ein, woraus sich in Zürich oder an Orten, wo „keine Oberkeit" war, wie in Baden, das Präsidium der Tagsatzung entwickelte. Beim Bundes-schwur verrichtete Zürichs Vertreter in allen Orten und Zugewandten „Gruß und Vorrede" und „gab die Eidespflicht", d. h. er sprach den zu leistenden Eid vor2). In den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts nahm Zürich bei dem raschen Anwachsen seines Gebietes durch die Schlag auf Schlag sich folgenden Erwerbungen auch tatsächlich die erste Stelle unter den VII östlichen Orten ein. So fiel ihm bei der Eroberung des Aargaus die politische Führung für die östliche Gruppe der Eidgenossen zu; es stellte die Bedingungen auf, unter denen diese König Sigmund die Hilfe gegen Österreich zusagten, und sicherte die neue Eroberung, indem es Baden, Mellingen, Bremgarten sich vom König verpfänden und dann die Miteidgenossen in die Pfandschaft eintreten ließ 3). J) „Geben und besigillt mit der fürsichtigen, ersamen, wisen, unser getruwen, lieben aidgnoßen von Zürich, als des obristen orts, und der von Zug anhangendem insigil von unser aller wegen." Schreiben der X Orte an König Matthias Corvinus 17. Sept. 1481, Gagliardi, Dokumente zur Geschichte des Bürgermeisters Hans Waldmann I 219. „Von der werlichisten statt Zürich, won sy under üch Eydgnossen das obrist ort den forgang hat"; Türst de situ Confederatorum, Quellen zur Schweizergesch. VI S. 25. „Witer seite er, er hette allweg gehört, dass Zürich das obrist oder vor-derst ort war"; Strickler, Aktensammlung zur Reformationsgeschichte I S. 253 N. 722. „Henricus Göldlin ex consilio Turicensi, urbe primaria ligae nostrae", Schreiben der Tagsatzung an den Papst 24. Mai 1490, Wirz, Bullen und Breven, Quellen zur Schw. Gesch. XXI S. 217. . a) Abschiede IV 1 a S. 973; IV 1 b S. 1383; IV 1 e S. 1329. Vgl. den Bundesschwur in Basel bei Brennwald, Schweizerchronik II S. 492. 3) Abschiede I S. 145, 155, 156 f. . 108 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft Dann erfolgte aber der furchtbare Rückschlag des alten Zürichkrieges, der die Stadt den Miteidgenossen für ein Jahrzehnt völlig entfremdete und ihrem Ansehen die schwersten Wunden schlug, die nur allmählig verharschten. Unter den drei Vororten nahm jetzt Zürich jahrzehntelang die letzte Stellung ein 1). In den elf Jahren von 1467—77 fanden in Luzern 125, in Bern 38, in Zürich nur 27 Tagsatzungen statt. Im französischen Pensionenrodel von 1475 figuriert es, Stadt und Private zusammengerechnet, mit bloß 2500 liv. gegen 10,645 liv. Berns und 5290 liv. Luzerns. Immerhin war Zürich doch schon vor Waldmann der Ort, über den der Verkehr der Eidgenossen mit Österreich und dem Kaiser vorzugsweise ging, und Burgund suchte 1472/73 durch Beeinflussung Zürichs das französisch gesinnte Bern auszustechen 2). Ein stärkeres Hervortreten Zürichs in eidgenössischen Dingen hing aber, wie längst erkannt worden ist, mit dem Emporsteigen Hans Waidmanns zusammen, der es verstand, die Behandlung der auswärtigen Fragen großenteils in seiner Hand zu konzentrieren. In den elf Jahren von 1478—1488 stieg die Zahl der Tagsatzungen in Zürich auf 72 an und rückte damit denen in Luzern (140) schon bedeutend näher. Indem Waldmann sich zum Haupte der mailändisch-österreichischen Partei aufwarf, wurde Zürich deren Hauptquartier, wie Luzern es für die französisch-bayrischungarische Gegenpartei war. 1487 wurde zu Zürich die Vereinigung der Mehrzahl der Orte mit König Maximilian aufgerichtet; J) Einige Beispiele zeigen, wie Luzern Zürich als Vorort voraus war. 1454 wurde Zürich beauftragt, von Schaffhausen und St. Gallen in Erfahrung zu bringen, ob sie sich mit den Bundesentwürfen begnügen wollen; in diesem Fall solle Zürich es nach Luzern melden und Luzern es an die andern Eidgenossen bringen (Abschiede II S. 267). 1471 beschloß die Tagsatzung in betreff 'Erneuerung der Bünde: was die von Zürich tun wollen, das sollen sie bis zum Maitag nach Luzern melden, und Luzern soll es erforderlichenfalls gemeinen Eidgenossen verkünden (id. S. 419). 2) Abschiede II S. 269 (Geschichtsfreund 32 S. 96), 278, 420, 423, 437, 451, 453, 486, 495, 518, 544. Anzeiger für Sohweizergesch. III S. 85 ff. Chmel, Pontes rerum Austriaearum II S. 383. und ihrer Glieder. 109 die Anhänger Waldmanns in Zürich wurden mit einem Regen von königlichen Wappenbriefen begnadet und Waldmann wurde österreichischer Oberpeusionär. Außer der allgemeinen Pension, die Maximilian jährlich an Waldmann oder seinen Nachfolger zur Verteilung unter die Orte zu liefern hatte, verhieß er 1000 Gl. Privatpension und ein einmaliges Geschenk von 3500 Gl. „nach Anzeig des Bürgermeisters" zu geben J); Die Art, wie Waldmann durch Bestechungen den eidgenössischen Schiedspruch zwischen Mailand und Wallis zugunsten des ersten lenkte, der daraus folgende Konflikt mit Luzern und Wallis und der Teilingprozeß untergruben das Ansehen des mächtigen Bürgermeisters, so daß es zu einer förmlichen Auflehnung gegen Zürichs Führung kam. Im Frühling 1488 berief Schwyz eine Tagsatzung hinter dem Rücken Zürichs, auf der geratschlagt wurde, „wie zu verkommen syn welle, dz hinfür nit so vil tagen in unser eidgenossen von Zürich Statt gesetzt und gehalten werden als bisher beschehen sye; so fürsten und herren botschaften gen Zürich komen, das da Her Hans Waldman, Ritter, Burgermeister Zürich, sich zu denselben verfüge und uß denen ziehe, wz Im füglichst sye, und demnach so er von inen bracht hab, dz Im eben sy, so müsse man umb dz übrig tag leisten (zu) Zürich, wan es Im gefalle". Die sonderbare Haltung des Luzerner Schultheißen Seiler bei Waldmanns Sturz dürfte sich zum Teil aus der Eifersucht Luzerns über Zürichs Emporsteigen erklären 2). Die Katastrophe von 1489 schädigte indes Zürichs eidgenössische Stellung nicht auf die Dauer. Schon die kräftige Durchführung der Intervention im Rorschacher Klosterbruch, die zum *) Gagliardi, Dokumente zur Gesch. des Bürgermeisters Hans Wald-}/ mann, Einleitung S. XXV, LIII ff., LXV ff., XCVIII ff. 2) Abschiede III 1 S. 291. Daß Ludwig Seiler kein grundsätzlicher f Gegner der auswärtigen Politik Waldmanns war, beweist die Tatsache, daß ' er und mit ihm Luzern nach Waldmanns Tod selber zu den Anhängern des Bündnisses mit Maximilian überging. Gagliardi I S. 432 ff. HO Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft guten Teil Zürichs Werk war, festigte sein Ansehen wieder!); Noch mehr war dies durch seine Haltung im Schwabenkrieg der Fall. „Unter disen Dingen", schreibt der Chronist Brennwald, „wurden die von Zürich tag und nacht angefochten als das oberst ort der Eignossen von den lantvögten uß dem Turgöw, Eintal, Salgans und Baden, die sach anzegrifen und den krieg in die hand ze nemen" 2). Zürich wurde gewissermaßen das eidgenössische Hauptquartier im Schwabenkrieg; vom Dezember 1498 bis Oktober 1499 fanden dort 13 Tagsatzungen statt, in Luzern nur 9. „In keinem Krieg", schließt der Berner Luginbühl aus guter Quellenkenntnis, „hat Zürich seine vorörtliche Stellung würdiger und tatkräftiger behauptet, als im Schwabenkrieg. Es bildete das Zentrum, in dem alle Fäden zusammenliefen. Nicht nur ergingen von ihm als dem ausführenden Organ der Tagsatzung meist die Aufgebote an die andern Orte, die Anordnungen betreffs der Grenzsicherung etc.; nicht nur stiegen, wie zu Waldmanns Zeiten, die Gesandten fremder Machte in Zürich ab und suchten in erster Linie diesen Ort für ihre Vorschläge zu gewinnen, sondern es stellte auch die größten Truppenkontingente ins Feld, und zwar nicht bloß nach einer Seite, sondern nach allen von dem Feinde bedrohten Eichtungen. Es hatte zeitweise 7000 Mann im Felde, Zürich nahm in mancher Beziehung während des Schwabenkrieges beinähe eine ebenso führende Stellung in der Eidgenossenschaft ein, wie etwa Schwyz im alten Zürichkrieg oder Bern während des Burgunderkrieges" 3). x) Häne, Der Klosterbruch in Rorschach S. 109. Anzeiger für Schweiz. Geschichte VIII S. 161. 2) Brennwalds Schweizerchronik, hg. von Luginbühl II S. 360. 3) id. Nachwort S. 637. Vgl. als Belege zu Luginbühls Ausführungen: Brennwald II S. 347, 352, 354, 358, 363, 380, 391, 393, 395, 409, 417, 423, 436, 439, 443, 449, 458, 462. Abschiede III 1 S. 594, 595, 598, 600, 601, 605, 610, 616, 623, 626. Büchi, Aktenstücke zur Geschichte des Schwabenkrieges S. 12, 16, 17, 24, 26, 28, 31, 34, 37, 41, 53, 61, 62, 63, 65, 72 etc. Roder, Regesten und Akten zur Geschichte des Schweizerkriegs 1499 (Schrif- und ihrer Glieder. 111 Mit dem Schwabenkrieg gewann Zürich immer deutlicher den Vorsprung vor Lüzern. Die Eidgenossen tagten jetzt ebenso' oft in Zürich,, als in Luzern1). Zuweilen trat die Nebenbuhlerschaft der beiden Städte darin zutage, daß sie fast auf die gleiche Zeit Tage ausschrieben, wobei die Eivalität der fremden Mächte mit im Spiel war 2). Die beiden Vororte machten auch kein Hehl aus ihrer Eifersucht; Luzern glänzte zuweilen an den von Zürich angesetzten Tagen durch Abwesenheit, wie umgekehrt Zürich ten des Vereins für Gesch. des Bodensees Heft 29 S. 71 ff.) N. 10, 11, 22, 24, I 29, 30, 41, 57, 59, 62, 68, 96, 102, 104, 122, 127, 128, 130, 131, 145, 146, 154, I 156, 157, 160, 161, 162, 167, 169, 170,171, 172, 173, 174,178, 182, 184, 186, I 191, 195, 197, 198,199, 200, 201, 205, 212, 214, 215, 228, 234, 238, 241, 242, 1 24S, 246, 247, 249, 250, 254, 290. E. *) Nach den gedruckten Abschieden III 2 fanden 1510—16, in der |, Periode der Mailänderkriege, in Zürich 70, in Luzern 61, und 1517—20 in I Zürich 28, in Luzern 17 Tagsatzungen statt. Für den ganzen Zeitraum von |. 1500—1520 trifft es 163 Tagsatzungen auf Zürich, 155 auf Luzern, 59 auf I Baden, 26 auf Bern (ohne die Sonderkonferenzen der westlichen Städte), Ii 25 auf Schwyz, 16 auf Zug, 6 auf Freiburg usw. i 2) 1503 schrieb Zürich einen Tag aus auf den 7. und Luzern einen solchen I auf den 8. Juni aus, so daß die Tagsatzung beschloß, kein Ort solle, wenn I bereits ein Tag irgendwohin gesetzt sei, einen andern anderswohin setzen, 1: so nahe dem ersten, daß man nicht füglich beide beschicken könne; solches bringe Unwillen, und möchte in Zukunft niemand Lust haben, seine Bot-schaft auf solche Tage zu fertigen (Abschiede III 2 S. 222, 224). 1507 schrieb i;i Zürich auf den 29. September Tag aus wegen des römischen Königs und ^ Luzern auf den 4. Oktober wegen des Königs von Frankreich (id. S. 400, l 401). Im Januar 1522 wurden zwei Tage angesetzt, der eine nach Zürich, der andere nach Luzern, „die einandren bereichend und irren wellend, i nämlich von zwei widerwärtigen Herren", und die Tagsatzung beschloß am 18. Januar, künftig nur an einem Ort zu gleicher Zeit zu tagen; wenn diß B Gesandten der Fürsten etwas vorzubringen haben, so mögen sie dahin 5 kommen. Bern gab seinen Boten bereits die Instruktion mit: „Und damit ;:■ sich niemand hab zuo erklagen, daß im der platz zuo Zürich oder zuo Lucern nit gemein sye, achten min herren nutz und guot sin, }■• daß hiefür zuo Baden getaget und derselb platz als gelegen und den acht S> Orten zuogehörig in sölicher gestalt angenomen werde" (Abschiede IV 1 a S. 151, 162, 164). 112 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft an solchen in Luzern 1). Zürich wurde nun der Ort, wo die fremden Diplomaten vorzugsweise abstiegen. Die Gesandten Maximilians und Karls V., des Königs von England, Mailands, Venedigs, Württembergs, selbst die Franzosen, die sich sonst in Bern oder Luzern wohler fühlten, fanden sich in Zürich ein; Franz I. verlangte 1518 die Ansetzung eines Tages nach Zürich 2). Besonders wurde Zürich der Lieblingssitz der päpstlichen Nuntien. Kardinal Schinner kaufte ein Haus in Zürich. Ennio Filonardi, Bischof von Veroli, der viermal im Namen Papst Leos X. in der Schweiz erschien, wohnte einmal drei Jahre nacheinander in Zürich im Haus zur blauen Fahne. 1514 übertrug er auf die sieben Hauptkirchen Zürichs die Namen der 7 Hauptkirchen Roms mit der Bestimmung, daß dem, der die 7 Zürcher Kirchen als Büßender nacheinander besuche, es zum selben Verdienst gereiche, wie wenn er nach Rom gewallfahrtet wäre. Nicht wenig tat er sich darauf zu gute, daß es ihm 1517 gelang, den Bürgermeister des ersten Orts, Marx Röist, als nominellen Hauptmann der päpstlichen Schweizergarde zu gewinnen, in der Meinung, daß dessen Sohn Kaspar die Stelle wirklich versehe 3). Wichtige eidgenössische Verträge wurden in Zürich abgeschlossen und durch die zürcherische Kanzlei aufgerichtet, so !) Abschiede III 2 S. 403, 412, 466, 469. Anderseits schrieb Zürich 1511 auf Wunsch Kaiser Maximilians einen Tag nach Luzern aus, in der Hoffnung, dort eher die innern Orte zum Beitritt zur Erbeinung bewegen zu können, und eine mangelhaft besuchte Tagsatzung zu Schwyz beauftragte 1513 Luzern, einen Tag nach Zürich zu verkünden, um über einen neuen Zug nach Mailand zu beraten (id. S. 572, 733). 2) „Und wurdent ouch vil tagen geleistet Zürich und an andren enden von bäpstlicher Heillykeit Iegatten, dem bischof von Färelan, von deß keisser, von küng von Spanien und küng von Engenland und den Vinedier, die alle jr träffenliche botten, die ouch jar und tag und etlich länger Zürich lagend, deßgliche der Galliaz von Meilland und andre lantzherren uß Meilland mit jm." Edlibachs Chronik S. 249. Vgl. Abschiede III 2-S. 1122. Rott, Hist. de la Representation I S. 178, 189, 210, 226, 231--33, 237, 239. 3) Abschiede III 2 S. 1263. Wirz, Ennio Filonardi, der letzte Nuntius in Zürich S. 11, 15, 30, 43, 49, 51. und ihrer Glieder. 113 1500 die Vereinung mit König Maximilian, mit Herzog Ulrich von Württemberg, 1514 das Bündnis mit Papst Leo X., 1515 dasjenige mit Kaiser Maximilian, Ferdinand von Aragon und dem Herzog von Mailand, 1513 der Appenzellerbund, 1515 der Mülhausen und 1519 der Rottweilerbund1). Anderwärts errichtete Verträge wurden dem Zürcher Archiv anvertraut, so der Friede von Basel, die Erbeinung mit Österreich, das Bündnis mit Herzog Maximilian von Mailand, der Friede von Dijon 2). Zürich erhielt die Haupttrophäen des Pavierzugs zur Aufbewahrung, die Bulle Julius' IL, die den Eidgenossen den Titel „Defensores ecclesiasticae libertatis" verlieh, das vom Papst verliehene Schwert und den Fürstenhut, während Bern und Luzern sich mit den zwei aus der Schlacht von Ravenna stammenden Juliuspannern begnügen'muß-ten3). Nach Zürich wurden die Brandschätze des Schwabenkrieges, das österreichische Erbeinungsgeld, ein Teil des Mailändergeldes, die Beute von Npvara, die Pension Papst Leos X. zur Verteilung gebracht. Auch die> Gelder des Friedens von Dijon und nach dem Entwurf einer Vereinung mit Venedig dessen Pension sollten nach Zürich geliefert werden. Zürich mußte auch die Geiseln des Dijoner Friedens hüten 4). Wenn Luzern 1515 eine allgemeine Vollmacht erhielt, Schreiben an die Eidgenossen zu öffnen und Tage einzuberufen, wurden !) Abschiede III 2 S. 1283, 1290, 1361, 1365, 1379, 1393, 1424. Dagegen wurden das Bündnis mit Ludwig XII. (1499), der Basler- und Schaff-hauserbund (1501), das Kapitulat mit Ludwig XII. als Herzog von Mailand (1503), das Bündnis mit Papst Julius II. (1510), dasjenige mit Savoyen (1512) und die Beitrittsurkunde zum hl. Bund (1515) in Luzern, der Pensionenbrief (1503), die Erbeinung mit Österreich (1511) und die Vereinung mit Herzog Maximilian von Mailand (1512) zu Baden aufgerichtet (Abschiede III 1 S. 601; III 2 S. 1291, 1297, 1308, 1338, 1348, 1390; 1314, 1343, 1352). 2) Abschiede IUI S. 758; III 2 S. 1343, 1357, 1361. 3) Abschiede III 2 S. 648, 650, 652. Durrer, Die Geschenke Papst Julius II. an die Eidgenossen (Wissen u. Leben 1908). 4) Abschiede III 2 S. 79, 84, 307, 699, 706, 732, 778 ff., 1133, 1235, 1243; 665, 1360; 737, 814. 114 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft Zürich solche Vollmachten im ganzen Zeiträume häufig erteiltJ). Wenn einige Orte mit Botschaften im Namen der Eidgenossen betraut wurden, war Zürich fast immer dabei; wenn alle Orte ihre Boten schickten, stand es an der Spitze. Bürgermeister Felix Schmid von Zürich überreichte dem Herzog Maximilian Sforza am 29. Dezember 1512 die Schlüssel von Mailand, und der Bericht der an Papst Julius II. gesandten eidgenössischen Boten vom 27. November wurde von Bürgermeister Marx Röist besiegelt2). Bei wichtigen Handlungen im Thurgau oder in den aargauischen Vogteien wurde in der Regel dem Landvogt eine Botschaft von Zürich beigegeben3). In den neuen ennetbirgischen Vogteien nahm der Bote von Zürich das Recht in Anspruch, auf den Jahrrechnungen zu Lugano und Locarno die, daselbst ausgefertigten Urkunden und Briefe zu besiegeln und dafür die Gebühren zu beziehen, zum großen Verdruß der Landvögte, die dagegen Jahrzehnte hindurch reklamierten, bis Zürich 1534 endlich zugab, daß der Landvogt siegle 4). Auch in militärischen Dingen glaubte Zürich ein Anrecht auf Führung zu haben. Wenn der Oberbefehl Hans Waldmanns bei Murten, Nancy und beim Bellenzerzug mit Grund in Zweifel gezogen wird, so wurde doch 1487 für einen eventuellen Hülfs-zug zu Herzog Sigmund gegen Venedig von der Tagsatzung beschlossen, den obersten Hauptmann des ganzen Zuges solle Zürich geben, der gemeine Venner dagegen mit der mehrern Hand aus den Ländern genommen werden, wenn alle Züge zusammenkommen 5). Im Pavierzug 1512 wurde in der Tat die oberste Führung zwei Bürgern von Zürich anvertraut, dem Freiherrn Ulrich von Hohensax als oberstem Feldherrn und Jakob Stapfer als oberstem Hauptmann. In Zügen, wo kein Oberbefehlshaber und ihrer Glieder. 115 L) Abschiede III 2 S. 122, 217, 610, 644, 664, 673, 716, 721, 892, 1108, 1144, 1148, 1149. 2) Abschiede III 2 S. 670. Dierauer II S. 480. 3) Abschiede III 2 S. 51, 230, 245, 486, 491, 514, 718. *) Abschiede III 2 S. 1042, 1079; IV 1 a S. 441; IV 1 c S. 349, 360, 403. 5) Abschiede III 1 S. 265. erwählt wurde, scheint der oberste Hauptmann von Zürich wenigstens die Verhandlungen des Kriegsrates geleitet zu haben1). Die Truppen im Feld wurden 1513 angewiesen, ihre Berichte nach Zürich zu schicken, das den übrigen Orten Abschriften zusenden und erforderlichenfalls Tag ansetzen werde. Als die Zugewandten beim Auszug nach Novara wegen der Bestellung der Hauptleute Schwierigkeiten machten, wies sie die Tagsatzung kurz an, sie sollten unverzüglich nach Zürich schreiben, ob sie ihre Kontingente stellen wollten oder nicht2). Als die Schweizer in Mailand im Vorsommer 1515 keinen Zürcher, sondern den Vogt Küng von Luzern und den Ammann Imhof von Uri zu obersten Hauptleuten wählten, beschwerte sich Zürich auf der Tagsatzung, „eine Statt Zürich sye nit also harkomen" 3). Die Spaltung der Eidgenossenschaft nach Marignano unterbrach diese Entwicklung der Vorortschaft Zürichs für einen Moment, da es gegen die Mehrheit im Krieg verharrte. Aber der Kompromiß im ewigen Frieden von 1516, in welchem die Minderheit ihren Standpunkt durchsetzte, daß aus dem Frieden mit Frankreich kein Bündnis werden dürfe, befestigte seine eidgenössische Stellung. Die Heimberufung der Söldner aus dem Dienst Herzog Ulrichs von Württemberg und die Intervention der Eidgenossen in der Kaiserwahl von 1519 wurden in Zürich beschlossen; unter Zürichs Siegel ergingen die Schreiben an den Papst, an die Kurfürsten und an König Franz I. selbst, um dessen Wahl zu verhindern. Wie sehr Zürich an diesen Beschlüssen beteiligt war, beweist das Verhalten des französischen Gesandten, welcher die Tagsatzung gern nach Bern, Luzern oder Zug verlegt hätte, während der Gesandte Karls von Spanien alles dran setzte, J) Abschiede III 2 S. 632. Anshelm III S. 314. Von einem Kriegsrat in der Lombardei und der Rolle des Zürcher Hauptmanns Eelix Schmid dabei gibt die Fortsetzung Gilg Tschudis (Archiv für -Schweizergesch. X S. 222), ohne Zweifel nach mündlicher Erzählung seines Vaters, der dabei war, ein anschauliches Bild. 2) Abschiede III 2 S. 650, 656, 706, 721. 3) id. S. 885. I 116 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft , sie in Zürich zu behalten-1)'. So ist es nicht zu verwundern, daß man im In- und Ausland immer mehr in Zürich den wirklichen Vorort der Eidgenossenschaft sah. 1521 wandten sich schwäbische Kaufleute an Zürich mit der Bitte, es möchte dafür sorgen, daß der Walliser Jörg uf der Flue die Kaufleute aus dem schwäbischen Bund unbehelligt ihres Weges ziehen lasse, und im gleichen Jahr ersuchte Basel Zürich, es möchte bei den österreichischen Regenten im Elsaß die Herausgabe eines der Gräfin von Tierstein vorenthaltenen Kapitals erwirken 2). Die Reformation schien aber der Vorortschaft Zürichs ein jähes Ende zu bereiten. Schon hatte es durch seine hartnäckige Weigerung, dem 1521 von allen übrigen Orten und Zugewandten geschlossenen Soldbündnis mit Franz I. beizutreten, die Miteidgenossen vor den Kopf gestoßen, als es durch seine religiöse Neuerung in eine Spannung mit ihnen geriet, die an den alten Zürichkrieg erinnerte. Wenn es auf Luzern und die Urkantone angekommen wäre, so würden die Eidgenossen mit den Waffen gegen die ketzerische Stadt eingeschritten sein; nur weil Bern gegen Gewaltanwendung war, scheiterte der Plan. Dafür mieden die Eidgenossen den Ort, wo sie sp oft getagt hatten, wie pestverseucht; seit März 1522 sah Zürich keine eidgenössische Tagsatzung mehr in seinen Mauern 3). Die V Orte nebst Freiburg und Solothurn setzten 1526 Zürichs einstweilige Ausschließung, von der Tag- und ihrer Glieder. 117 J) Eueter, Der Anteil der Eidgenossenschaft an der Wahl Karls V. S. 7, 9, 29 ff., 39, 41, 43, 52, 59, Abschiede III 2 S. 1140, 1145, 1152. z) Strickler, Aktensammlung zur Reformationsgeschichte I N. 23, 134. 3) Abschiede IV 1 a S. 179. Im Dezember 1527 versuchte Zürich, auf Wunsch Basels, wieder einmal einen eidg. Tag in seinen Mauern zu versammeln, aber nur wenige Orte erschienen (id. S. 1214). Im April und Juni 1531 berief Zürich eidgenössische Tagsatzungen zu sich wegen des Müsserkriegs, die aber durch die Abwesenheit der V Orte trotz der Teilnahme von Ereiburg und Solothurn den Charakter reformierter Sonderkonferenzen hatten (Abschiede IV 1 b S. 936, 956). Ein Luzerner spottete 1523 zu Zürich im Wirtshaus, „er hette allweg gehört, daß Zürich das obrist oder vorderst Ort wäre, nun seite man heiter, es wäre es nit mer". Strickler, Aktensammlung I N. 722. Satzung durch und verweigerten ihm den Bundesschwur als Einleitung zum Abbruch der Bundesgemeinschaft. Wenn Zürich ausnahmsweise zu Tagen geladen wurde, so mußte sein Bürgermeister draußen stehen, bis man ihn hineinrief, und wieder abtreten, wie ein „Untertan" x). Die Jahre, wo Zwingli aus Zürich einen selbständigen Herd der Reformation schuf, sind, staatsrechtlich betrachtet, eine Zeit seiner tiefen Erniedrigung. Der Schwerpunkt der eidgenössischen Politik schien mehr als je in Luzern zu liegen. Die feste Phalanx der V Orte, der sich Freiburg und Solothurn in der Regel anschlossen, verfügte ohne Rücksicht auf Zürich über die gemeinen Herrschaften und unternahm unter Luzerns Führung den Versuch, die protestantische Bewegung in der ganzen Schweiz zu unterdrücken 2). Allein die Rücksischtslosigkeit, womit die V Orte ihr kirchenpolitisches System durchzuführen strebten, führte zu ihrem Bruch mit Bern. Schon 1527 näherten sich die vermittelnden Orte, Bern an der Spitze, Zürich wieder 3) und die Berner Disputation bewirkte 1528 einen völligen Umschwung. Zürich und Bern geboten jetzt vereint den Verfolgungen ihrer Glaubensgenossen in den gemeinen Herrschaften und im Gebiet des Abtes von St. Gallen Halt. Um ihr System zu behaupten, schlossen die V Orte ihr Sonderbündnis mit Österreich, während Zürich und Bern den reformierten Sonderbund des christlichen Burgrechts ins Leben riefen4). Der erste Kappelerkrieg von 1529 drängte die katholischen Orte in die Defensive. Zürich trieb nun unter Zwingiis Leitung Politik im großen Stil, wie nie vorher und nachher. Es riß mit revolutionärer Kühnheit die Hegemonie in der ganzen Ostschweiz l 1) Abschiede IV 1 a S. 852 ff., 900 ff., 971 ff., 1043 ff. Oechsli, Die Anfänge des Glaubenskonfliktes zwischen Zürich und den Eidgenossen. 2) Oechsli, Das eidgenössische Glaubehskonkordat von 1525, Jahrb. für Schweiz. Geschichte XIV S. 261 ff. 3) Abschiede IV 1 a S. 1041. 4) Hermann Escher, Die Gläubensparteien in der Eidgenossenschaft 1527—1531. 118 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft an sich. Es verhalf der Reformation in allen deutschen gemeinen Herrschaften und in den stift-st. gallischen Landen zum Durchbrach und verfügte über diese Gebiete, ohne sich um die Rechte der V Orte zu kümmern1). Es knüpfte Verbindungen mit den süddeutschen Reichsstädten und mit Landgraf Philipp von Hessen an, um das Zusammenwirken des Kaisers mit den katholischen Orten zu verhindern, und schmiedete mit Hessen Pläne zu einer großen antihabsburgischen Koalition. Bemerkenswert ist. wie Zwingli dabei doch stets das Wachstum der Eidgenossenschaft im Auge behielt. Schon 1527 tritt er für ein Bündnis mit Konstanz, Lindau und Straßburg ein, weil die Eidgenossen damit den ganzen Bodensee inne hätten, Straßburg aber Schlett-stadt und Kolmar mit sich bringen würde. Sollte der Kaiser deshalb Krieg anfangen, so liegen zwischen ihnen und uns die unbewehrten Lande Sundgau und Elsaß; „wir wöltinds mit Gott ynnemen und also zemen brechen, daß von oben hinab hie diset Ryns bis gen Straßburg ein volk und pündnus wurde"2). Zur Ehre und zum Vorteil der Eidgenossenschaft hielt er auch daran fest, daß Zürich beim Bündnis der reformierten Städte mit Straßburg, das unter Berufimg auf seinen Rang im Reichstag die erste Stelle verlangte, den „Vortritt" haben müsse, „sittenmal ze vbr-dristen ston im titel ouch die vordreste am sitzen und handien antrifft, die darus folgen wurd". Es brauche sich niemand des Vortritts von Zürich zu sc'hämen, da Gott es vor allen Städten und ihrer Glieder. 119 *) „Und damit ir deß, so wir in den gineinen herrschaften und vog-tyen gehandlet habind, warhaften bericht empfachind, sollend ir wüssen, daß im Ryntal, Roschach, Arben, im Thurgöuw und anderen enden sich die biderben lüt mit merer hand vereint und ir botschaften zuo uns ab-gefertiget habend, mit heiterm anzeigen, daß sy des ewig beständigen wort Gottes von herzen begirig wärind und begärtind, dasselbig inen fryg und unbefärbt zuo merung christenliches läbens und irer Seelen heil geprediget zuo werden, ouch inen zuo fürderung der sach, als ire herren und oberen und als das vorderst und oberst Ort unser Eidgnoschaft hilf, rat und trost zuo bewysen". Abschiede IV 1 b S. 106. 2) Abschiede IV 1 b S. 309. Escher, Die Glaubensparteien in der Eidgenossensehaft S. 38. I 1 I berufen habe, seine Sache zu führen; wenn es anderen Städten an Reichtum nachstehe, „so ist doch allweg die hut darstrecken vil türer weder das guot". Vor allem aber liege es im Interesse der Eidgenossenschaft, daß die Schweizerstädte den Vortritt haben; „so wir ihn da (behaupten), behalten wir in allenthalb". An Bern, das Straßburg nachgeben wollte, schrieb Zürich, wenn es hierin nicht weichen könne, geschehe es nicht aus Hochrmit, sondern „gemeiner Eidgnoschaft, unserm vatterland zuo eeren und ufgang" 1). Zwingli erkannte, daß der hartnäckige Widerstand der V Orte gegen Zürichs Neuerungen ohne Krieg nicht gebrochen werden könne. Sem Plan zielte darauf ab, durch rasche Niederwerfung der V Orte eine innere Umgestaltung der Eidgenossenschaft herbeizuführen, so daß Zürich und Bern ihre Führung gehabt hätten; „das wirt aber also müessen zuogan, daß die zwo stett allweg ein-hällig sygind, so werdind sy an der Eidgnoschaft sin glych wie zwen ochsen vor dem wagen, die an einem joch ziehend" 2). Es war aber das Verhängnis der Politik Zwingiis, daß es ihm nicht gelang, Bern mit der ihm eigenen angriffslustigen Entschlossenheit zu erfüllen, daß als Resultante zwischen dem Vorwärtsdrängen Zürichs und dem Zurückhalten Berns etwas herauskam, was weder Krieg noch Frieden und, wie alles Halbe, schlimmer war als beides. Gegen Zwingiis Rat warteten die Reformierten den „Vorstreich" ihrer aufs tiefste gereizten Gegner ab und er- *) Abschiede IV 1 b S. 286, 291, 338, 353, 479. Schließlich einigte man sich dahin, daß im Burgrechtsbrief zwei „redende" Parteien eingesetzt wurden, Zürich, Bern und Basel eines- und Straßburg andern Teils. Bei Beratungen sollten zwei Bänke errichtet werden, eine für die Schweizer-stadte nach ihrer alten Ordnung, eine zweite für die außerschweizerischen, auf der Straßburg den obersten Sitz haben sollte. Bei der Umfrage sollte bald auf der eidgenössischen, bald auf der Straßburger Bank begonnen werden. Beim Betreten und Verlassen des Saales sollten die Böten immer zu zweit, je einer von Zürich und einer von Straßburg, dann einer von Bern und einer von Straßburg usw., miteinander gehen. 2) Abschiede IV 1 b S. 1043. 120 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft litten dann im zweiten Kappelerkrieg trotz ihrer Übermacht' eine völlige Niederlage, dank einer fast unbegreiflichen Kette von militärischen Fehlern, die mit der verzettelten Mobilisation des Zürcher Heeres begann und mit den isolierten Friedensschlüssen der Zürcher und Berner endete. Das Ergebnis des zweiten Kappelerkrieges war der jähe Zusammenbruch der Hegemonie Zürichs, die Neubegründung der Vormacht der Fünf Orte in der Ostschweiz und die dauernde Spaltung der Schweiz in ein katholisches und ein reformiertes Lager. Die katholische Schweiz organisierte sich zunächst im Walliserburgrecht von 1533 und dann 1586 im goldenen oder bor-romäischen Bündnis zu einem festen Sonderbund mit Lnzern als Vorort, mit eigener Tagsatzung, eigener Politik und eigenen ausländischen Allianzen. Die Reformierten bildeten, wenn auch ohne vertragliche Einigung, notgedrungen eine ähnliche Separatgemeinschaft. So gab es im Grunde zwei Eidgenossenschaften,, die nur noch kümmerlich durch den Buchstaben der Bünde, durch den gemeinsamen Besitz der gemeinen Herrschaften und das gemeinsame Bündnis mit Frankreich zusammengehalten wurden, Trotz der eidgenössischen Misere schuf sich Bern seit den Kappelerkriegen durch eine kräftige, von keinen lauen Mitver^-bündeten gehemmte Politik eine starke Machtstellung im Westen durch die Eroberung der savoyischen Waadt, die Protestanti-sierung Genfs, Neuenbürgs und eines Teils des Bistums Basel. Sein Gebiet reichte jetzt von Coppet am Genfersee bis Brugg im Aargau und machte beinahe ein Dritteil der gesamten Schweiz aus!). Bern war der mächtigste Kanton, der tatsächliche Vorort der protestantischen Eidgenossenschaft und hatte daher in den spätem Religionskämpfen, den beiden Villmerger-kriegen, auch die Hauptlast zu tragen, wie es im Ausland der angesehenste Staat der Schweiz war. Obschon Bern formell nicht Vorort war, betrachtete es im 18. Jahrhundert seine „Präpon- x) Püeßli, Staats- und Erdbeschreibung der Schweiz. Eidgenoßschaft I S. 178. und ihrer Glieder. 121 deranz" als die Garantie für die Ruhe und richtige Führung der ganzen Eidgenossenschaft Im Gegensatz zu Berns Aufschwung stürzte das von Zürich unter Zwingiis Leitung errichtete politische Gebäude mit den Schlachten bei Kappel und am Gubel rettungslos zusammen. Die Reformation wurde in den Freien Ämtern, in RapperswiL Uznach, Gaster, in der alten Landschaft des Fürstabts ausgerottet, der st. gallische Mönchsstaat, sowie das Mehrheitsrecht der V katholischen Orte in den gemeinen Herrschaften wieder hergestellt, die Verbindungen der reformierten Städte unter sich, mit Konstanz, Straßburg und Hessen aufgelöst, während die Sonderverbindungen der Katholiken fortbestanden oder neu geknüpft wurden. Für die schwere Einbuße, die Zürich damit erlitt, mochte es eine gewisse Entschädigung darin finden, daß seine formale Vorortschaft nun erst unbestrittenes Bundesrecht wurde. Tagsatzungssitz wurde Zürich in der alten Eidgenossenschaft nicht mehr. Aber auch Luzern büßte diese Ehre ein. Mit Mai 1528 hören die regelmäßigen gemeineidgenössischen Tagsatzungen in Luzern auf; nur sporadisch kommen solche später noch vor 2). J) Oechsli, Gesch. der Schweiz im 19. Jahrb.. II S. 15. 2) Von April 1521 bis Mai 1528 wurden in Luzern 71 gemeiueidgenös-sische Tagsatzungen gehalten (Abschiede IV 1 a S. 1330). Von da an hört die zusammenhängende Reihe der Luzerner Tagsatzungen auf. Sporadisch kommen aus beiden Religionen gemischte Tagsatzungen zu Luzern noch vor im Dezember 1529 und Januar 153,0 (Abschiede IV 1 b S. 4.64, 494), ferner im Januar, Februar und März 1535 wegen des Konflikts zwischen Bern und Savoyen (Abschiede IV 1 c S. 436, 448, 450, 461, 470), im Januar und Februar 1536 wegen des Auszugs der Berner gegen Savoyen (id. S. 606, 610, 613), im August und Oktober 1537 wegen des Reislaufens (id. S. 870, 881), im Juli 1542 wegen der französischen Werbungen (IV 1 d S. 164), im Februar 1546 wegen der französischen Sold- und Pensionsrückstände (id. S. 592), im Mai 1547 wegen einer Gesandtschaft an Heinrich II. (id. S. 811). Im Dezember 1549 und April 1550 fanden in Luzern Tage der VII in Sargans regierenden Orte statt (IV 1 e S. 193, 270), 1557, 1581, 1588, 1589 solche der katholischen Orte nebst Glarus und Appenzell (IV 2 S. 38, 739, 742; V 1 S. 119, 123, 176), wodurch der spezifisch katholische 122 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft • Dafür wurde Luzern nun als der „vorderste" unter den katholischen Orten der gewöhnliche Sitz der Sonderkonferenzen der V oder VII katholischen Orte1). Da weder Zürich den Katholiken noch Luzern den Protestanten ein „gemeiner Platz" war, so kam man auf den von Bern schon 1522 angeregten Ausweg, die Tagsatzung gemeiner Eidgenossen nach dem Ort der Jahrrechnung, nach Baden zu verlegen. Von Sommer 1528 bis 1712 war Baden der regelmäßige Sitz der gemeineidgenössischen Tagsatzung, ohne daß ein eigentliches Gesetz oder Verkommnis es dazu erhoben hätte2). und ihrer Glieder. 123 Charakter dieser Tage nicht geändert wurde, so wenig wie durch Appenzell allein, das bis zur Trennung wiederholt mit den katholischen Orten tagte. Eine archaische Erscheinung ist eine Tagsatzung der VIII alten Orte zu Luzern im Dezember 1571 wegen einer Getreidesperre Berns (IV 2 S. 486). J) Luzern als das „vorderste" unter den katholischen Orten; vgl. z. B. Abschiede IV 2 S. 549; V 2 S. 1240. Auf wiederholtes Begehren der Ur-käntone und Zugs, daß man mit den katholischen Tagsatzungen von Ort zu Ort wechsle, wurde 1592 beschlossen, die .Tagsatzungen der V und VII katholischen Orte nach altem Brauch in Luzern zu halten, in der Meinung, daß jedes Ort in dringenden Fällen Tage ausschreiben dürfe (Abschiede IV 2 S. 370; V 1 S. 232, 284). 2) Siehe oben S. 111 Note 2. Seit der Jahrrechnung 1528 wurden bis Frühling 1531 durch Verabredung auf der Tagsatzung, durch Ansetzung vermittelnder Orte, mitunter auch durch Ausschreiben von Zürich oder Bern fast alle gemeineidgenössischen Tage nach Baden verlegt (Abschiede IV 1 a S. 164, 1366, 1373, 1389, 1408, 1447, 1467; IV 1 b S. 5, 40, 85, 169, 301, 355, 371, 497, 523, 524, 547, 585, 640, 754, 804, 846, 1049; 762, 802). Im Januar 1531 wurden diese Badener Tage dadurch unterbrochen, daß die VOrte sich weigerten, weiter zu tagen, wenn Zürich nicht in weltlichen Sachen das Mehr für die gemeinen Herrschaften anerkenne. Ende März besuchten sie noch einmal eine von Bern nach Baden ausgeschriebene Tagsatzung, aber nur um ihre Erklärung zu wiederholen. Dann folgten die Weigerung der V Orte, am Müsserkrieg teilzunehmen, die Proviantsperre, die fruchtlosen Vermittlungsversuche zu Bremgarten durch die französische Botschaft und die Schiedorte und endlich der Krieg, nach dessen Beendigung im Dezember 1531 die Tagsatzungen in Baden wieder aufgenommen wurden (Abschiede IV 1 b S. 1227, 1248, 1250, 1275, 1288, 1324, 1357, 1399, 1425 etc.). Über Baden als Tagsatzungsort vgl. Simler, Vom Regiment Gmeiner Eydgnoschafft S. 177. Nach dem zweiten Villmergerkrieg aber, der die V katholischen Orte ihre Mithoheit über Baden kostete, wollten diese nicht mehr in der nun von Zürich, Bern und Glarus allein beherrschten Stadt tagen und beschlossen 1713 die Verlegung der Jahrrechnung nach Frauen fei d. Da indes selbst katholische Orte lieber in dem besser gelegenen Baden geblieben wären, trat ein schwankender Zustand ein, bis 1743 Frauenfeld für die Jahrrechnungen, d. h. für die ordentlichen jährlichen Tagsatzungen endgültig den Sieg gewann. Nur die selten gewordenen außerordentlichen Tagsatzungen wurden noch in Baden gehalten x). Eine Ausnahme von den Badener Tagen machten die Tagsatzungen zur Beratung französischer Geschäfte, welche die französischen Botschafter auf Kosten des Königs in der Eegel nach Solothurn, wo sie seit 1530 ihre ständige Residenz aufgeschlagen hatten2), einberiefen, ferner die Jahrrechnungstage oder Syndikate der. zwölf Orte für die ennetbirgischen Vogteien, die regelmäßig im Sommer zu Lauis und Luggarus gehalten wurden. Endlich die katholischen Sonderkonferenzen, die gewöhnlich in Luzern, und diejenigen der reformierten Städte, die meist in Aar au gehalten wurden. Mit der Verlegung der gemeineidgenössischen Tagsatzung nach Baden wurde Zürichs Vorsitz als des „vordristen" Ortes ständig. Die Regel, die theoretisch bis zum Ende der alten Eidgenossenschaft bestehen blieb, daß, falls eine Tagsatzung nach dem Territorium eines der XIII Orte ausgeschrieben »werde, dieser Ort den Vorsitz führe, kam praktisch außer Übung, seit Luzern nicht mehr Tagsatzungssitz war3). In Baden aber, als x) Libson, Entstehung und Entwicklung der Vorortes S. 25 ff. Abschiede VII 1 S. 29, 34, 86, 125, 128, 165, 183, 190, 236, 237, 249, 263, 289, 308, 321, 329, 330, 368, 479, 654, 666, 674, 679. ,J) Rott, Histoire de la Representation diplomatique de la France au-pres des Cantons Suisses I S. 316. . 3). Fäsi, Staats- und Erdsbeschreibung der helv. Eidgenoßschaft I S. 259. Selbst wenn später der seltene Fall eintrat, daß die Tagsatzung nicht in Baden oder Frauenfeld, sondern an einem eidgenössischen Haupt- 124 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft und ihrer Glieder. 125 gemeiner Herrschaft, konnte niemand dem vordersten Ort das an solchen Stätten seit Alters geübte Eecht des Vorsitzes streitig machen. Aber es ist begreiflich, daß die katholischen Orte sich eine Zeitlang gegen diese ständige Leitung durch Zürich stemmten. Im August 1534 unternahmen sie einen prinzipiellen Angriff dagegen: es sei von Alters her üblich gewesen, daß bei Botschaften oder auf Tagen nicht durchweg der Bote des vordersten Ortes geredet oder die Antwort gegeben habe, sondern derjenige sei dazu erwählt worden, der für die Sache am tauglichsten erschienen sei. Allein Bern nahm das Vorrecht Zürichs kräftig in Schutz; „zu Tagen die Red zu füeren, ist billich, wie das bishar gebrucht, daß je das vorderst Ort das thüe". Die katholischen Orte versuchten daher einen andern Weg. Wenn im November, Januar und Februar 1535 und im Januar und Februar 1536 die eidgenössische Mehrheit, resp. die katholischen Orte eine Reihe Tagsatzungen wieder nach Luzern verlegten, wo dieses das Präsidium führte, darf man darin die Absicht sehen, die ständige Vorortschaft Zürichs nicht einwurzeln zu lassen und diejenige Luzerns aufzufrischen 1). Aber vermutlich machten die reformierten Orte durch die Drohung, nicht mehr in Luzern zu erscheinen, diesen Bestrebungen ein Ende; mit 1537 hören sie auf2). Seitdem kommen ge- ort tagte, wußte man es so einzurichten, daß Zürich den Vorsitz behielt. So wurde eine Tagsatzung, die 1681 wegen der Begrüßung Ludwigs XIV. in Basel gehalten wurde, als Portsetzung derjenigen zu Baden erklärt, weshalb Basel den Vorsitz dem Vorort Zürich überließ, allerdings ohne Präjudiz für andere Orte (Abschiede VI 2 S. 18). Das Gegenstück dazu bildete Schwyz, das 1741 auf einer Konferenz zwischen Zürich, Schwyz und Glarus zu Grynau es ablehnte, den Vorsitz an Zürich abzutreten, da es der Übung nach bei allen auf seinem Territorium abgehaltenen Zusammenkünften das Präsidium gehabt habe (Abschiede VII 1 S. 642). !) Abschiede IV le S. 360, 410, 436, 448, 450, 452, 461, 464, 470, 606, 610, 613. 2) Wenigstens ließ Zürich, als die VII katholischen Orte auf den 26. März 1536 einen Tag nach Baden ansetzten, aber ohne Bern einzuladen, eine ähnliche Drohung fallen. Es äußerte seine Verwunderung über die Nichteinladung Berns und ersuchte die Orte, die künftig einen gemeinen r. meineidgenössische Tagsatzungen in Luzern nur noch ganz vereinzelt vor. Hand in Hand mit dem ständigen Vorsitz ging die Ausbildung eines zweiten Vorrechtes Zürichs, desjenigen, die Orte zu nicht verabredeten Tagsatzungen einzuberufen. Im 16. Jahrhundert war der alte Brauch, den nächsten Tag auf der Tagsatzung selber zu verabreden, noch häufig; erst gegen Ende kam er in Abgang. Schien die Ansetzung des künftigen Tages nicht dringlich, so erteilte man jedem Ort, dem etwas Wichtiges begegne, Vollmacht, Tag anzusetzen, oder man gab Zürich speziell Vollmacht dazu. Rechtlich blieb also jedem Ort die Befugnis zur Tagansetzung, und vereinzelt wurde auch davon bis ins 18. Jahrhundert Gebrauch gemacht. So. schrieb Bern im Februar 1547 einen Tag aus wegen der von Seite des Kaisers drohenden Gefahren, im November 1567 wegen des Kriegs in Frankreich, im Mai 1582 und Januar 1589 wegen der Feindseligkeiten Savoyens, Juli 1610, Juni 1646 und September 1704 wegen der Streitigkeiten zwischen Zürich und den V Orten im Thurgau. Luzern berief Tagsatzungen im Januar 1536 wegen des Auszugs der Berner gegen die Waadt, im Oktober 1552 und Oktober 1578 wegen Bedrohung der Freigrafschaft durch die Franzosen, im November 1588 wegen Pensions- und Soldforderungen an Frankreich. Glarus schrieb im November 1621 eine Tagsatzung aus wegen der Besetzung Bündens durch die Kaiserlichen, Basel im Mai 1634 wegen des Kesselringhandels. Häufiger als einzelne Orte nahmen sich ganze Gruppen von Orten das Recht heraus, gemeine Tage einzuberufen, namentlich die V oder VII katholischen Orte, die im März 1536 die andern Orte wegen des Krieges zwischen Bern und Savoyen, im Oktober 1539 wegen einer Verkehrssperre gegen Mailand, im Mai 1539 wegen der Fehde zwischen Rottweil und Christoph von Landenberg, Tag ausschreiben wollten, alle Orte, keinen ausgenommen, einzuladen, da sonst etliche andere Orte auch nicht erscheinen würden (Abschiede IV 1 c S..668). 126 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft im März 1555 wegen Kriegsgerüchten, im November 1557 wegen der Kriegsrüstungen Berns gegen Savoj'en, im November 1572 wegen der Rüstungen der reformierten Kantone, im August, September und Dezember 1575, im August 1577 und Januar 1578 wegen der Hugenotten und des Pfalzgrafen Johann Casimir, im November 1579 wegen fremden Kriegsvolks an den Grenzen, im Februar 1581 wegen Beleidigung des Nuntius in Bern, im Juni 1581 wegen einer Gesandtschaft nach Frankreich, im Januar 1588 wegen drohender Teurung zu Tagen luden. Im November 1584 schrieben Basel, Freiburg, Solothurn, Schaffhausen und Appenzell eine Tagleistung aus zur Vermittlung im Kalenderstreit. 1656 beriefen die „Schiedorte" Basel, Freiburg und Solothurn die Kriegsparteien zu Tagsatzungen, bei denen Bürgermeister Wettstein von Basel den Vorsitz führte. In ähnlicher Weise schrieb Basel im Mai 1712 während des Zwölferkrieges eine Tagsatzung nach Baden aus, und sämtliche unbeteiligten Orte samt dem französischen Botschafter luden zur Tagleistung nach Aarau, auf welcher schließlich der Friede zustande kam 1). J) Tagansetzung auf der Tagsatzung selbst (ich greife hier hur die spätem Fälle heraus): Abschiede IV 2 (a. 1556—86) S. 12, 27, 45, 46, 71, 81, 116, 131, 141, 163, 240, 247, 261, 268, 275, 281, 411, 450, 459, 477, 531, 781, 785, 793, 801, 809, 842, 849, 948, 957, 959; VI (a. 1587—1617) S. 82, 165, 199, 248, 432, 576, 595, 711, 841, 1001. Unterlassung mit Vollmacht zur Tagansetzung durch jedes Ort, dem etwas Wichtiges begegnen sollte: Abschiede IV 1 c S. 144, 488, 668, 795, 892, 1019, 1102; IV 1 d S. 7, 39, 70, 173, 240, 289, 331, 394, 438,458, 547, 607, 684, 805, 888; IV 1 e S. 110, 165, 250, 456, 473, 511, 583, 625, 646,, 677, 714, 738, 763, 833, 901, 999; IV 2 S. 32. Die Tagsatzung stellt es den Orten frei, selbst einen Tag zu bestimmen oder durch Zürich ausschreiben zu lassen; Abschiede IV 1 d S. 1034. Sie beschließt, ein Ort, dem etwas zustößt, solle sich für Ausschreibung eines Tages an Zürich wenden: Abschiede IV 1 e S. 1352; IV 2 S. 86, 95, 183, 321, 403, 507, 517, 534, 557, 622, 630, 642, 665, 696, 948; V1 S. 287. Zürich wird von der Tagsatzung bevollmächtigt, „ilende" Tage' zu beschreiben: Abschiede IV 1 c S. 505, 558, 820, 892, 1004 (nebst Schaff-hausen), 1048, 1228 (nebst Schaff hausen), 1240, 1255; IV 1 d S. 20, 39, 173v 290, 436, 443, 458; IV 2 S. 842. und ihrer Glieder. 127 Doch alles das waren Ausnahmen, die nur die Regel bestätigen. In dem Maße, als die Tagsatzung den Brauch der Verabredung der Tage aufgab, ging das Recht zur Ausschreibung an Zürich über, oder genauer, es beschränkte sich auf Zürich. Schon 1537 war es Brauch, daß ein Ort, der einen Tag begehrte, ihn nicht mehr selber ausschrieb, sondern sich an Zürich wandte. So beschloß Freiburg am 1. März 1537 nach Konsultation der übrigen katholischen Orte, an Luzern zu schreiben, daß es bei Zürich um eine S| Zürich schreibt Tage aus, sei es aus eigenem Ermessen, sei es auf Er-suchen von andern Orten, sei es auf Begehren des Auslands: Abschiede IV 1 c Wt S. 572, 816 (auf Ersuchen Freiburgs), 911,1019,1021; IV 1 d S. 72, 99 (Bern), ff 216, 313, 366, 418, 457 (Basel), 551, 600, 870 (V Orte), 1031; IV 1 e S. 552 Hl (Luzern), 642/44(Rottweil), 651/58(VOrte),845/55(Luzern),888; IV2S. 144, K 296, 356, 384, 410, 417 [Base]), 547, 555 (IV Städte), 561, 598 (Savoyen), 663 (Schaffhausen), 706 (Luzern), 792, 808 (Solothurn), 792, 908 (IV Städte), ff 913, 953; VI S. 271 (III Länder), 280 (Basel), 292, 298 (Österreich), 305 ff (V Orte), 319 (VI Orte), 340, 363 (Kaiser), 392 (Luzern), 397/98 (Luzern), M 421/22, 454/58 (VII Orte), 485 (Luzern), 491/93 (Solothurn), 515, 530, 532, M 533, 556 (Solothurn), 558 (Glarus), 664/66 (III Bünde), 717/18 (II Bünde), W 726 (IV Städte), 756, 767, 776, 792, 845/46, 853, 972 (Luzern), 1027, 1045 W (Solothurn), 1153 (VII kath. Orte), 1540, 1181 (Österreich), 1193, 1261 etc. m Glarus setzt Tag an wegen Bünden: Abschiede V 2 S. 239. M Bern schreibt Tage aus: Abschiede IV 1 d S. 780; IV 2 S. 375/376, H 764; V 1 S. 141/142/143, 1000; V 2 S. 1387; VI 2 S. 1187. W Luzern schreibt Tage aus: Abschiede IV 1 c S. 606 (vgl. 588); IV 1 d Jf S. 702; IV 1 e S. 718; IV 2 S. 671, 673 (auf Begehren der burgundisohen m Gesandten); V IS. 134. W Basel schreibt eine Tagsatzung aus wegen des Kesselringshandels: ff Abschiede V 2 S. 861; wegen des Zwölfer Kriegs: VI 2 S. 1659. m . Die V oder VII katholischen Orte schreiben Tage aus: Abschiede I IV 1 c S. 653, 657, 659, 669, 1138/1146, 1203; IV 1 e S. 1147; IV 2 S. 54 (58), jf 503, 571/573, 576, 586, 625/627, 637, 693, 730, 737; V 1 S. 74. ffi Die IV evangelischen Städte und Glarus schreiben Tag aus: m Abschiede V 1 S. 15. II Die „Schiedorte" Basel, Ereiburg, Solothurn, Schaffhausen, Appen-K' zell schreiben eine Tagleistung aus: Abschiede IV 2 S. 847; Basel, Ereiburg Ä und Solothurn: VI 1 S. 316, 320; die „unbeteiligten evangelischen und W katholischen Orte": VI 2 S. 1672. 128 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft gemeine Tagsatzung nachsuche. Auch Bern ging 1542 Zürich um beförderliche Ansetzung eines Tages an. Als im Schoß der V Orte im Oktober 1547 die Frage laut wurde, ob man nicht wegen kriegerischer Bewegungen an der lombardischen Grenze einen gemeinen Tag berufen solle, beschloß man, die erhaltenen Nachrichten an Zürich mitzuteilen und zu erwarten, was diesem gefällig sei; im Notfall habe man ja immer noch Gewalt, einen Tag zu verkünden. Selbst Luzern berief 1551 und 1553 nicht mehr von sich aus Tagsatzungen ein, sondern ersuchte Zürich als das „vorderste" Ort, Tage nach Baden zu beschreiben, ebenso taten das 1552 die V Orte insgesamtx). 1548 änderte die Tagsatzung den gewöhnlichen Vorbehalt bei Nichtansetzung eines Tages dahin ab: wenn einem Ort etwas begegne, so möge es entweder selbst einen Tag bestimmen oder durch Zürich ausschreiben lassen, und Oktober 1555: Es wird kein anderer Tag bestimmt; „welchem Ort etwas zustößt, das soll sich an die von Zürich wenden, die dann einen Tag ausschreiben sollen". Seitdem war es Regel, daß die Ausschreibung von Tagsatzungen durch Zürich zu geschehen habe. Selbst in der gereizten Stimmung der Hugenottenkriege, wo die katholischen Orte wieder öfters auf ihr* Urrecht, von sich aus gemeine Tage zu berufen, zurückgriffen, respektierten sie doch das Herkommen, indem auch auf solchen Tagsatzungen einzelne Orte, denen etwas begegne, an Zürich gewiesen wurden2). Um die Mitte des 16. Jahrhunderts waren die Befugnisse, die den ■ eidgenössischen Vorort Zürich ausmachten, die Ausschreibung gemeiner Tagsatzungen und der ständige Vorsitz auf denselben, anerkanntes Bundesrecht geworden. Josias Simler schildert 1576 die Funktionen des Vorortes auf der Tagsatzung. Am Vorabend der Eröffnung schickt der erste Bote von Zürich den Untervogt von Baden in alle Herbergen und läßt fragen, welcher Orte Boten angekommen seien. Der Untervogt empfängt und ihrer Glieder. 129 und grüßt die Boten in gemeinem Namen und verkündet ihnen, zu welcher Stunde sie am andern Morgen auf dem Rathaus zusammen kommen sollen. Wenn alle Boten in Baden angekommen sind, so werden sie auch alle zusammenberufen und behandelt man zuerst gemeine Sachen, die alle Orte angehen. Wenn aber auf den bestimmten Tag noch nicht alle Orte da sind, wie es denn oft geschieht, daß etliche aus den letzten Orten länger ausbleiben, alsdann kommen die 7 oder 8 Orte zusammen und behandeln die Sachen, die sie allein angehen. „So man zuosamen kompt, so setzend sich die Botten den Orten nach und sitzt zuo vorderst der Bott von Zürych uff einem höhern banck by dem tisch, demnach der von Bern, der von Lucern und also die anderen nach der Orten Ordnung. Wann sich nun die Botten gesetzt habend, hebt der Bott von Zürych die sach an, gruetzt zum ersten die Botten und wie der bruch ist, sinen selbs halben redt und entschuldigt er sich, daruf erzelt er, was in letst vergangnem tag den Botten in abscheid geben; dann umb sömlicher sachen willen werdend meer-teils die Tag bschriben. Wenn aber der Tag umb einer anderen ursach willen beschriben ist, zeigt er die selbig auch an. Demnach erzelt er, was im von seinen Herrn und Obern in befelch geben, der sach halben zuo handien, und das thuond ouch die anderen Botten und erzeilend irer Obern befelch. Nachdem unnd aber alle Botten ein andern nach ir Instruction unnd befelch geöffnet habend, so haltet dann der Landtvogt von Baden die umbfrag und muoß der Bott von Zürich anrahten und nach im die anderen den Orten nach. Deßglichen, so die umb-1 frag beschähen ist, zellt er ab, welches'das meer sye, und das den Orten, nicht den Botten nach; dann es mögend wol uß einem Ort zween Botten zuo Tagen sitzen, habend aber nur ein stimm oder hand zuo meeren" 1). Im ganzen erhielt sich die eidgenössische Tagsatzung bis 1798 unverändert. Die „Jahrrechnung" oder „ordinari Tagsatzung", die am Sonntag nach Peter und Paul anfing, wurde ohne Aus- !) Abschiede IV 1 c S. 817; IV 1 d S. 99, 869, 870; IV 1 e S. 552, 651, 845. 2) Abschiede IV 1 d S. 1034; IV 1 e S. 1352; IV 2 S. 696, 948., x) Josias Simler, Vom Regiment Gmeiner Eydgnoschafft S. 178 ff. 9 130 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft ■schreiben von Orten und Zugewandten besucht. Verlangten die Geschäfte außerordentliche Tagsatzungen, „so tuet gmeinklich ein Vorort Zürich allen übrigen Orten ein gwüssen Tag ansetzen undt solche Tagleistung zu besuechen einladen", schreibt der Schwyzer Franz Michael Büeler 1696 1). ■ Seit dem Zwölferkrieg wurden der eidgenössischen Geschäfte immer weniger, dagegen die Formen immer umständlicher. Im 18. Jahrhundert bildete der „Eidgenössische Gruß" eine Eröffnungsfeierlichkeit bei offenen Türen. Nicht nur der Präsident der Tagsatzung, sondern der erste Gesandte jedes Standes und je zwei von Unterwaiden und Appenzell hielten Begrüßungsreden, in denen sie die übrigen Stände der aufrichtigen Treue, wahren Freundschaft und bundesgenössischen Gesinnung ihres Standes versicherten. Nach dem eidgenössischen Gruß wurden die Türen geschlossen, der „Ehrengesandte" von Zürich zeigte in jeder Sitzung die zu behandelnden Geschäfte an und eröffnete die Instruktionen seiner Herrn und Obern, Dasselbe taten der Eeihe nach die andern Boten 2). Der Landvogt von Baden, in Frauenfeld derjenige des Thurgaus, saß hinten im Saal neben den Proto-kollisten, er hielt die Umfrage und fungierte als Stimmenzähler, hatte aber selbst keine Stimme, außer daß er in Appellationen und andern Sachen, die dem Mehr der Orte unterworfen waren, bei Stimmengleichheit nach alter Übung den Stichentscheid geben durfte. Der Landvogt besiegelte die von den Gesandten erlassenen Briefe, Urteilssprüche etc. Das Archiv im Schloß zu Baden diente als eidgenössisches Archiv3). Das Protokoll führte bis 1712 der Landschreiber von Baden, der, von der katholischen Mehrheit der in Baden regierenden Orte erwählt, immer ein Katholik war. Schweiz. Idiotikon VII S. 1601. 2) Fäsi, Staats- und Erdsbeschreibung I S. 205, Abschiede VIII S. 683, 687. 3) Simmler-Leu S. 445 ff. Fäsi S. 205. FüeßlilS. 34. Abschiede IV 1 c S. 131, 371, 410, 419, 503, 539, 1021; IV 1 d S. 604; IV 1 e S. 648, 717, 974, 1071; V 1 S. 467. Über den Stichentscheid des Landvogts s. Abschiede IV 2 S. 479, 481, 1222. und ihrer Glieder. 131 Seit 1633 suchten Zürich und nachher die reformierten Städte insgesamt, die sich über parteiische Protokollführung beklagten, die Zulassung eines evangelischen Schreibers neben dem katholischen zu erzwingen; aber erst im Aarauerfrieden von 1712 erreichten sie ihr Ziel. Seitdem wurden „bei allen haltenden gemeinen Tagleistungen in Eelig ions- und Standssachen allwegen ein evangelischer und ein katholischer Protokollist zugleich in die Session admittirt, deroselben führende Protocolle jeweilen gegeneinander gehalten und conformirt, folglich dann das also Verglichene in gemeinen Sessionen abgelesen". Gewöhnlich waren es der erste Eatssubstitut von Zürich und der Landschreiber von Baden oder der Landschreiber zu Frauenfeld, die zusammen den , „Abscheid" verfaßten, der in der letzten Sitzung verlesen und nachher von Zürich aus jedem Stand abschriftlich zugeschickt wurde '). Aus dem Vorsitz und dem Eecht der Einberufung der Tagsätzung ergaben sich alle übrigen Befugnisse des Vorortes. Die fremden Gesandten, deren Kredenzbriefe an gemeine Eidgenossen gerichtet waren, ließen dieselben in Zürich eröffnen, das dann den Inhalt den übrigen Orten mitteilte oder auf der Tagsatzung verlas2). Ebenso erteilte Zürich den Gesandten den „Abscheid", das Eekreditiv. Je nach Wunsch der fremden Gesandten veranstaltete der Vorort besondere Tagsätzungen oder er !) Abschiede IV 1 c S. 447, 561; V 2 S. 746, 747, 1097, 1133, 1138; VI 1 S. 1803, 1807; VI 2 S. 2335. Simmler-Leu S. 447. Eäsi I S. 205. Eüßli I S. 35. Uber das Verlesen des Abscheids auf der Tagsatzung, bevor man auseinandergehe, siehe Abschiede IV 2 S. 370, 377, 379, 390, 631. Dagegen scheint ein Beschluß der katholischen Orte von 1598, daß die Verhandlungen in Baden jeden folgenden Tag zu Anfang verlesen werden sollten, nie zur Ausführung gekommen sein (V 1 S. 467). 2) Abschiede IV 1 e S. 682. Es war dies 1565 schon so feststehender Brauch, daß die VII katholischen Orte selbst die spanischen Gesandten, deren Kredenzbrief an die XIII Orte gestellt war, an Zürich wiesen, um sie von diesem als dem ersten Ort nach alter Übung eröffnen zu lassen. Abschiede IV 2 S. 305. 132 Die Benennungen der alten Eidgenossensehaft verabredete mit ihnen Tag und Stunde, wo sie vor einer sonst einberufenen Tagsatzung erscheinen konnten Die fremden Gesandten hatten ihren Sitz zur Rechten des Vororts 2). Einzig die französischen Botschafter nahmen das Recht in Anspruch, die Orte und Zugewandten direkt nach ihrer Residenz Solöthurn zu laden, wobei der König die Kosten auf sich nahm 3). Die Schreiben der fremden Mächte an gemeine Eidgenossen oder an die XIII Orte gingen an Zürich und wurden von ihm der Tagsatzung vorgelegt oder den Orten abschriftlich mitgeteilt. Freilich beschwerten sich die V Orte 1539 unter sich darüber, daß zu Tagen oft Briefe an gemeine Eidgenossen oder die VIII Orte einlangen, welche von den Boten von Zürich eröffnet und lange umhergezogen werden, bevor sie zur Verlesung kommen. Sie gaben daher dem Landvogt von Baden ausdrücklichen Befehl, die ankommenden Briefe an gemeine Eidgenossen in Abwesenheit der Tagsatzung zu öffnen und den Orten Abschriften davon zu schicken. Zürich sah darin einen Übergriff in seine Rechte; es verbot dem Landvogt, Briefe an gemeine Eidgenossen zu öffnen und befahl, sie ihm-, dem Vorort, zu schicken. In diesem Dilemma wandte sich der Landvogt an die Tagsatzung, die ihn anwies, die bis zum nächsten Tag eintreffenden Briefe, die an die XIII, IX oder !) Abschiede IV 2 S. 598; V 1 S. 298, 363; V 2 S. 10, 1122, 1124, 1126, 1160, 1188, 1452, 1457. Simmler-Leu S. 437. „Je fis doncq scavoir selon la coustume aux ambassadeurs du canton de Zurich que je desirois avoir audiamce le septiesme Juillet en l'assemblee du matin et cela m'estant aocorde avecq les ceremonies ordinaires, je representay premierement tout ce qu j'avois de charge par Ines instructions et que se veoit par le reoes que j'en ai prins." Berichte von burgundischen Agenten in der Schweiz 1619—1629, Archiv für Schweizergesch. XX S. 199. 1534 beauftragte Bern seine Gesandten auf der Tagsatzurig, bei Zürich zu bewirken, daß die Genfer Gesandtschaft beförderlich angehört werde, Abschiede IV 1 o S. 370. 2) „J'eus doncques seance ä la main droitte de ceux de Zurich, qui est le plus ault Heu." Archiv für Schweizergesch. XX S. 186. Simmler-Leu S. 447. Abschiede VIII S. 683. 3) Abschiede IV 1 d S. 387, 616, 804; IV 1 e S. 58, 72, 90, 130, 607, 1280; V 2 S. 390, 396, 451, 485, 600, 619, 952, 1002, 1114, 1188, 1225, 1456. und ihrer Glieder. 133 VIII Orte gerichtet seien, aufzubrechen und jedem Ort eine Abschrift zuzustellen, dagegen Briefe an Zürich, Bern, Basel und Schaffhausen uneröffnet Zürich zu übersenden. Eine Zeitlang scheint es dabei geblieben zu sein, später wurden alle Schreiben von auswärtigen Fürsten und Ständen an gemeine Eidgenossenschaft wieder dem Vorort zugesandt, der sie abschriftlich den übrigen Ständen mitteilte 1). Ebenso wurden alle Schreiben gemeiner Eidgenossen ans Ausland, soweit sie nicht direkt von der Tagsatzung unter dem Siegel des Landvogts von Baden gingen, vom Vorort Zürich ausgefertigt, besiegelt Und versendet2).. Wurde ein solches Schreiben auf der Tagsatzung angeregt, aber nicht definitiv beschlossen, sondern den kantonalen Obrigkeiten „heimgebracht", hatten diese die definitive Entschließung dem Vororte Zürich mitzuteilen. Oft führte auch eine wiederholte Korrespondenz des Vororts mit den Ständen nicht zu der erforderlichen Einmütigkeit, so daß das Schreiben entweder gar nicht oder nur im Namen der Stände, die dazu stimmten, ausgefertigt werden konnte3). Bekannt ist, Abschiede IV 1 c S. 538, 1074; IV 1 d S. 725; IV 1 e S. 119, 497; IV 2 S. 344, 531. Fäsi I S. 260. 2) Abschiede V2 S. 566, 1225. 3) Über die Mühe, die es kostete, gemeineidgenössisohe Schreiben zustande zu bringen, vgl. folgendes Beispiel aus dem Jahre 1535, wo es sieh' um ein Schreiben der Eidgenossenschaft an den Herzog von Savoyen handelte: Weil die VII (katholischen) Orte hierüber ohne Instruktion sind, so werden sie beauftragt, dies heimzubringen und ihren Bescheid so bald als möglich nach Luzern zu schreiben, das diese Antworten ohne Verzug an Zürich übermitteln soll; dieses soll und mag dann im Namen der einwilligenden Orte das Schreiben an den Herzog erlassen und besiegeln. Die Boten der V Orte haben inzwischen auf Ansuchen Berns von ihren Obern weitern Bescheid eingeholt, der negativ lautet. Da man aber hofft, die Obern noch besser zu berichten, so wird ein Tag nach Brunnen angesetzt, von wo aus die Boten sofort oder am Sonntag ihre Meinung schriftlich nach Zürich melden sollen. Zürich wurde schließlich bevollmächtigt, ein gemeineidgenössisches Schreiben im Namen von zehn Orten an den Herzog von Savoyen zu erlassen, worin er aufgefordert wurde, die Feindseligkeiten gegen Genf bis auf den nächsten Tag abzustellen (Ab- 134 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft daß im November 1646 die Kreditive und Instruktionen Bürgermeister Wettsteins für den westfälischen Friedenskongreß vom Vorort nur im Namen der evangelischen Orte Zürich, Bern, Glarus, Basel, Schaffhausen, Appenzell A.-Rh., sowie der zwei zugewandten Orte St. Gallen und Biel ausgestellt werden konnten, weil die katholischen Orte jede Teilnahme an der Sendung ablehnten. Diese mangelhafte Akkreditierung drohte der Mission verhängnisvoll zu werden, bis es auf Wettsteins Begehren dem Vorort gelang, nachträglich die Zustimmung von 11 Orten, evangelischen und katholischen, sowie von St. Gallen und Biel zu einem sogen. „Favor-Schreiben" vom 19. Januar 1647 zu erlangen, das Wettstein gestattete, nun „im Namen gemeiner dreizehn Orte" aufzutreten 1). Auch wenn ein eidgenössischer Stand etwas Internes zu gemeiner Kenntnis und Beratung gelangen lassen wollte, brachte er es zuerst bei Zürich vor, das die Sache auf der Tagsatzung zur Sprache brachte oder den übrigen Ständen davon „kopeyliche Nachricht" gab 2). Von-sich' aus durfte der Vorort nichts entscheiden, es galt als selbstverständlich, daß er in allen wichtigern Dingen zuvor die Gutachten der. Orte einhole und nicht eigenmächtig von sich aus handle oder schreibe. So teilte Zürich etwa seine Konzepte zu eidgenössischen Schreiben den Orten mit, ehe es sie ausfertigte. Es kam auch vor, daß die katholische Konferenz ihm die Konzepte zu den von ihr gewünschten Schreiben schiede IV 1 c S. 504 g, 507 x, 513). Vgl. auch Abschiede VII 2 S. 222, wo der Vorort im Juli 1760 erklärt, ein letztes Jahr dem Abschied zur Ratifikation beigelegtes Schreiben an Frankreich wegen ungehinderter Fruchtzufuhr habe nicht abgehen können, weil die einen Stände die Ratifikation gar nicht, die andern zu spät eingesandt hätten, desgleichen ein Schreiben an den Großmeister zu Malta, weil nicht alle Orte ihre Zustimmung dazu gegeben hätten und Bern einige comminatorische Ausdrücke daraus habe entfernt wissen wollen. x) Gunzenbach, Rückblicke auf die Lostrennung der Schweiz. Eidgenossenschaft vom Reichsverband, Jahrbuch für Schweizergesch. X S. 153 ff., 194'ff., 243 ff., 246. 2) Fäsi I S. 201. Füeßli I S. 32. und ihrer Glieder. 135 fertig redigiert übermittelte, damit es sie unverändert im Namen gemeiner Eidgenossen abgehen lasse, mit der Drohung, sonst würden die katholischen Orte das Schreiben in ihrem Namen allein absenden 1). Bei gemeineidgenössischen Feierlichkeiten fiel dem Vorort die Rolle des offiziellen Sprechers zu. Bei den Beschwörungen des Bundes mit Frankreich von 1521—1602 hatten Luzern und Bern als die ersten der am Bunde teilhabenden Orte diese Funktionen erfüllt. Seit Zürich 1614 der französischen Allianz wieder beigetreten war, wurde es auch Frankreich gegenüber der Sprecher. So hatte es in den sogen. „Legitimationskonferenzen" die neuen Botschafter in Solothurn zu bewillkommnen. Der Zürcher Bürgermeister Waser ist als Haupt der großen Gesandtschaft von 1663 auf dem Gobelin verewigt, der den Bundesschwur in Paris mit Ludwig XIV. darstellt, und Statthalter Escher von Zürich hatte wegen Krankheit des Bürgermeisters bei dem bescheidenem Bundesschwur von 1777 in Solothurn mit dem Botschafter de Ver-gennes die Bundesinstrumente auszutauschen 2). Bei den Verhandlungen über die Erneuerung der vom Stan-ser Verkommnis geforderten periodischen Beschwörung der eidgenössischen Bünde, die besonders von 1545—58 lebhaft geführt wurden, waren die katholischen Orte damit einverstanden, daß Zürich wie vor alters in allen Orten die Feier mit Gruß und Antwort eröffne und den Eid vorspreche und daß in Zürich der Bote von Bern das tue; nur knüpften sie daran die Bedingung, daß der Eid dem Buchstaben der Bünde gemäß auf Gott und die Heiligen lauten müsse. Wenn Zürich nicht den Eid auf die Heiligen vorsprechen wolle, so solle es Bern tun, und wenn dies auch nicht J) Vgl. z. B. Abschiede V 2 S. 548, 1427, 1428, 1452, 1457. 2) Segesser, Ludwig Pfyffer und seine Zeit I S. 399, II S. 514. Quellen zur Schweizergeschichte V S. 143, 145, 148. Abschiede V 2 S. 1188; VI 1 S. 546, 601, 868; VII 1 S. 123, 323, 579; VII 2 S. 81, 128 f., 269, 407, 509 ff. Utzinger, Bürgermeister Joh. Heinr. Wasers eidgenössisches Wirken S. 108 ff. 136 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft wolle, Luzern. Die Reformierten wollten in ihren Orten keinen Eid zu den Heiligen schwören; im übrigen suchten sie den Katholiken so weit als möglich entgegenzukommen; in den katholischen Orten sollten die Boten von Zürich „nebentsich" treten und den Schultheißen oder Ammann des Ortes den Eid geben lassen. Da die V Orte darauf beharrten, daß überall die Heiligen mitgenannt werden müßten, so fiel der Bundesschwur als unmöglich dahin, bis er in den letzten Tagen der alten Eidgenossenschaft zu Aarau erneuert wurde 1). ( Auch in den gemeinen Herrschaften besaß der Vorort gewisse Vorrechte. Zürich hatte an allen Vogteien der VII, VIII und XII Orte diesseits und jenseits des Gotthard Anteil. Wie zu Baden und Frauenfeld^ so führte es auch auf den Syndikaten zu Lugano und Locarno den Vorsitz. Die Regierung der Landvögte in den ennetbirgischen Vogteien war während der Anwesenheit des Syndikats suspendiert, ihre Befugnisse gingen auf den Zürcher Gesandten als den Vorsitzenden des Syndikates über, bei ihm mußten während dieser Zeit Kriminal- und Malef izanzeigen erstattet werden. Bei der öffentlichen Einsetzung in Lugano erhielt der Landvogt von Lauis als Capitaneo Reggente vom Zürcher Gesandten den Stab. Diejenigen, die etwas vor das Syndikat bringen wollten, mußten bei dem Boten von Zürich „Tag erwerben". Im 18. Jahrhundert hatten sie sich mindestens 14 Tage vor der Ankunft des Syndikats beim Landvogt zu melden, der die Fälle notierte und dem Zürcher Gesandten davon Mitteilung machte, welcher dann jedem einzelnen Tag und Stunde seines Erscheinens bestimmte. Untertanen, die vom Syndikat an die einzelnen Orte appellierten, mußten von den Landvögten zuerst an Zürich gewiesen werden 2). !) Abschiede IV 1 b S. 1383; IV 1 d S. 459, 471, 473—75, 489, 492, 498, 522, 536, 547 etc., 956; IV 1 e S. 582, 1204; IV 2 S. 85. z) Da die Landvögte angefangen hatten, die Untertanen zuerst an den Ort, woher der Landvogt stammte, zu weisen, wurde 1613 durch Mehrheitsbeschluß das Recht des „ersten Ortes" wieder hergestellt, zum großen Verdruß einzelner katholischer Orte, die sich beschwerten, Zürich mache und ihrer Glieder. 137 Die Landvögte hatten ihre Rechnungen auf den Jahrrechnungen zuerst den Gesandten von Zürich zur Prüfung einzuhändigen, die sie dann den andern Gesandten übermittelten. Bis 1620 nahm der Gesandte Zürichs die auf der Jahrrechnung zu Lauis und Luggarus an Zöllen, Steuern, Sitz- und Audienzgeldern fälligen Gelder allein ein und verteilte sie. Dann wurden zur Verwaltung dieser Gelder die Gesandten von Zürich und Luzern bestimmt und behaupteten diese [Funktion trotz einem Antrag Berns, daß sie der Reihe nach bei allen Gesandten umgehen solle 1). Gesetze für die gemeinen Vogteien wurden in der Regel auf der Jahrrechnung angeregt und den Obrigkeiten heimgebracht; diese teilten dann ihre Meinung Zürich mit, damit es, wenn die Mehrheit sich für einen Vorschlag aussprach, die angemessenen Weisungen an die Landvögte erlasse. Auch pflegten die Landvögte in wichtigen Angelegenheiten durch Vermittlung des Vororts die Meinung der regierenden Orte einzuholen. In Fällen, die eine rasche Erledigung heischten, ging der Landvogt auch bloß eine Auswahl von Orten, die sogen. „Provisionalorte" an, die für jede Vögtei verschieden waren; Zürich aber war in allen Vogteien Provisionalort2). Dazu kam noch der besondere Schutz, den es traditionell den evangelischen Untertanen gegen die Bedrückungen der katholischen Orte und Vögte gewährte. Darin, daß Zürich nicht müde wurde, auf Erledigung von Religionsstreitigkeiten nicht einfach durch Mehrheitsbeschluß, sondern durch „gleiche Sätze" zu dringen, erblickten die katholischen Orte eine Anmaßung und Beeinträchtigung ihrer Rechte, bis der Religionsfriede von hierin in despotischer Weise zur großen finanziellen Einbuße der Untertanen sein Übergewicht geltend (Abschiede V 1 S. 1315; VI 2 S. 1710). 1) Abschiede V 2 S. 1723. 2) Für den Thurgau waren es Zürich und Luzern, für die zwölförtischen Vogteien im Tessin Zürich, Luzern, Uri und der Ort, aus dem der Landvogt stammte; Helene Hasenfratz, Die Landgrafschaft Thurgau S. 33. Weiß, Die tessinischen Landvogteien der XII Orte S. 13 ff. Vgl. Abschiede VII1 S. 1079, 1319. I 138 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft 1712 das Prinzip der Parität in den gemeinen Herrschaften zum Siege brachte 1). Zürich war auch der Vorort der evangelischen Sondereidgenossenschaft. Die evangelischen Sonderkonferenzen wurden meist von ihm einberufen, und wenn fremde Gesandte bei den evangelischen Kantonen beglaubigt wurden, so übergaben sie ihre Beglaubigungsschreiben dem evangelischen Vorort Zürich, wie diejenigen an die XIII Orte dem eidgenössischen Vorort Zürich2). Es ist begreiflich, daß die vorörtliche Stellung der Zwingli-stadt bei den katholischen Orten oft Anstoß erregte. Nicht, daß sie Zürich dieselbe mehr ernstlich bestritten hätten. Selbst der indirekte Protest, daß sie von Zeit zu Zeit über Zürichs Kopf hinweg gemeineidgenössische Tage veranstalteten, kam nach 1588 außer Brauch. 1591 schrieb Zürich auf Verlangen der drei Länder, 1592 der V Orte, 1595 und 1596 Luzerns, 1614 der VII katholischen Orte badische Tage aus 3). Aber sie wachten eifersüchtig darüber, daß der Vorort seine Kompetenzen nicht erweitere, und suchten sie im Gegenteil einzuschränken. 1597 beschloß eine Konferenz des borromäischen Bundes, wenn in Zukunft geistliche und Religionssachen auf den Tagsatzungen zu Baden verhandelt werden und die Beschlüsse der Orte darüber nachträglich eingesendet werden müssen, wolle man darauf bestehen, daß diese Voten nicht nach Zürich, sondern nach Luzern oder an ein anderes katholisches Ort geschickt werden 4). 1644 beschwerte sich Zürich bei !) Abschiede IV 2 S. 366; V 2 S. 1252, 1723; VI 1 S. 1729; VI 2 S. 597, 1738. Weiß, Die tessinischen Landvogteien der XII Orte irn 18. Jahrhundert S. 12, 15, 18, 26. 2) Zuweilen hatten die Gesandten beiderlei Beglaubigungsschreiben bei sich, um je nachdem mit gemeiner Eidgenossenschaft oder nur mit einem der konfessionellen Sonderbünde in Beziehung zu treten. Siehe Kilchenmann, Die Mission des engl. Gesandten Thomas Coxe in der Schweiz S. 74 ff., 91 ff., 132 ff. Hoiningen-Huene, Beiträge zur Geschichte der Beziehungen zwischen der Schweiz und Holland S. 161. 3) Abschiede V 1 S. 271, 305, 392, 398, 1153. *) Abschiede V 1 S. 451. und ihrer Glieder. 139 den V Orten schriftlich über die Angriffe, die sein von alters her ausgeübtes „Directorium" auf der letzten Jahrrechnung vom Luzerner Schultheißen Fleckenstein erfahren habe. Die V Orte gaben ihm keine direkte Antwort, aber sie fanden, Zürich gehe darauf aus, sein Ansehen zu weit, auszudehnen, man wolle ihm bei Gelegenheit rund heraus erklären, die katholischen Orte würden sich nicht abhalten lassen, auch ihre Autorität zur Geltung zu bringen, wenn etwa, wie jüngst zu Baden, Parteilichkeit verspürt werde Ein Vorschlag der katholischen Konferenz während der Friedensverhandlungen im ersten Villmerger Krieg, man wolle sich besprechen, wie man sich mit einem „bessern Vororte" versehen wolle, hatte keine Folgen. Dagegen beschlossen die katholischen Orte 1660, wenn Zürich, wie so oft, es abschlage, verlangte Zitationen anzuordnen, solle der Schultheiß von Luzern solche namens der katholischen Orte verfügen dürfen; auch sollen auf der Tagsatzung jeweilen die Boten der beiden Vororte Zürich und Luzern am Abend die Traktanden des nächsten Tages festsetzen und den andern Gesandten mitteilen 2). Damit berührten die katholischen Orte einen Hauptvorwurf, den sie dem Vorort Zürich machten. Gewöhnlich gab dieser im Einladungsschreiben die Hauptgegenstände an, über welche die Tagsatzung beraten sollte 3). Aber die Aufzählung der Geschäfte konnte in dem kurz gefaßten Einladungsschreiben nicht vollzählig sein. Die Feststellung der Tagesordnung geschah durch den Vorort von Sitzung zu Sitzung, und. wir begegnen, vermutlich nicht ohne Grund, seit 1660 immer wieder der Klage, daß Zürich dies benutze, um die katholischen Orte Abschiede V 2 S. 1328, 1331. 2) Abschiede VI 1 S. 321, 508, 529. 3) Abschiede VI 2 S. 694. Mitunter kam es freilich vor, daß der Vorort selber nicht wußte, worum es sich handelte. 1597 eröffnete Bürgermeister Holzhalb eine Tagsatzung mit der Erklärung, Zürich habe sie auf Begehren der in Luzern versammelten VII katholischen Orte ausgeschrieben, kenne aber die Gründe dazu nicht und habe daher auch keine Instruktionen erteilen können. Abschiede VIS. 1153. 140 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft mit „unversehenen Anzügen" ohne vorherige Anzeige zu überraschen. Die Evangelischen, sagt der Abschied einer katholischen Konferenz von 1720, überlegen unter dem Vorwand von Liebessteuern alles in besondern Zusammenkünften miteinander — womit sie übrigens nur das Beispiel der Katholiken nachahmten — und bringen wichtige Sachen in gemeiner Session ex abrupto und in verdeckter Manier und so, daß man deren Abzielung nicht wahrnehmen könne, vor, ohne daß man darüber vorher denken könne. Um solche Überraschungen zu verhindern, stellten die katholischen Orte immer wieder die Forderung, daß der Vorort die Tagesordnung am Vorabend mit dem Schultheißen oder Vorgesandten von Luzern gemeinsam festsetze oder sie zum mindesten ihm mitteile. Aber gerade die ständige Wiederholung zeigt, daß der alte Brauch bestehen blieb. . Weniger triftig scheint die Beschwerde, daß der Vorort den katholischen Orten mitunter auswärtige Schreiben nicht mitteile oder im Namen der Orte Schreiben ausgehen lasse, ohne ihnen vorher Kenntnis davon gegeben zu haben. Eine solche Unterlassung konnte Zürich 1665 auf ein bloßes Versehen der Kanzlei zurückführen und erwidern, Schreiben ohne vorgängige Mitteilung an die Orte expediere es nur, wenn es von der Tagsatzung oder auf andere Weise dazu ermächtigt seix). Auch in den Jahren vor und nach dem zweiten Villmerger-krieg hatten die katholischen Orte an der Handhabung der Geschäfte durch den Vorort mancherlei auszusetzen. Im November 1703 tadelte Uri auf einer Konferenz des borromeischen Bundes, daß Zürich allzu eigenmächtig Tagsatzüngen aus- und abschreibe und, ohne sich um die „Kommlichkeit" der Orte zu erkundigen, allzu leicht Tagsatzungen, und zwar mehr für Fürsten- als für einheimische Geschäfte, einberufe. Die V Orte stellten deshalb im Dezember zu Baden in einer von Zürich auf Begehren Sa-voyens einberufenen Tagsatzung'die Anträge: 1. Die Absicht zur J) Abschiede VI 1 S. 508, 529, 650, 683, 850; VI 2 S. 1105, 1117; VII 1 S. 192, 214, 236. und ihrer Glieder. 141 Ausschreibung einer Tagsatzung solle vorher den Orten angezeigt, 2. die Eürstensachen von den eidgenössischen getrennt, 3. die Kosten von den Fürsten, welche Tagsatzungen begehren, getragen, 4. die Verhandlungsgegenstände im Ausschreiben verzeichnet und jeweilen am Abend die des folgenden Tages kundgegeben werden. Die Weitläufige Diskussion ergab die Ablehnung dieser Anträge; doch wurde dem Vorort empfohlen, die Orte möglichst mit Tagsatzungen zu verschonen. 1706 rief die bloße Absicht Zürichs, eine außerordentliche Tagsatzung einzuberufen, eine solche Aufregung unter den katholischen Orten hervor, daß eine Konferenz des borromeischen Bundes fand, Zürich maße sich im Gefühl der Unterstützung durch die protestantischen Orte ein eigentliches „Directorium" an, woraus sich für die katholischen Orte die Notwendigkeit ergebe, das goldene Band von 1586 wieder zu befestigen, um die unbefugten Machinationen der „Stiefbrüder" zu vernichten1). Der gefährlichste Angriff auf die Kompetenz des Vororts wurde 1713 gemacht. Auf den Rat des französischen Botschafters du Luc beschloß eine katholische Konferenz im Dezember: Weil die Erfahrung gemacht worden, daß die von den katholischen Orten an Zürich abgeschickten Antworten auf Schreiben auswärtiger Mächte von Zürich zum Vorteil der evangelischen und Nachteil der katholischen Orte ausgebeutet werden, so sollen in Zukunft' dergleichen Schreiben auswärtiger Mächte an gemeine Eidgenossenschaft direkt von den katholischen Orten beantwortet werden. Dieser Grundsatz wurde sofort in der Antwort auf ein von Zürich mitgeteiltes Schreiben des kaiserlichen Botschafters in betreff der Sicherung der österreichischen Waldstätte, des Fricktals und der Stadt Konstanz in Anwendung gebracht2). Mit diesem !) Abschiede VI 2 S. 1105, 1117, 1286. 2) Abschiede VII1 S. 50. Dem Beschluß entsprechend weigerten sich z. B. die V Orte nebst Innerrhoden (1720), einem Begehren Zürichs, daß wegen der österreichischen Zollbeschwerden in aller Stände Namen an den Kaiser geschrieben werde, Eolg'e zu geben. Die katholischen Orte entwarfen vielmehr ein eigenes Schreiben an den Kaiser, um sich nicht 142 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft Beschluß und dem aus dem gleichen Geist hervorgehenden Trückli-bund von 1715 verschwand sozusagen der letzte Rest gemeinsamer Politik der Eidgenossenschaft gegenüber dem Ausland für mehr als ein halbes Jahrhundert. Auch machte Zürich im 18. Jahrhundert von seinem Rechte, außerordentliche Tagsatzungen einzuberufen, nur mit größter Vorsicht Gebrauch. Als es 1719 wegen des Wilchinger Aufstandes einen „gemeineidgenössischen Congressus" nach Schaffhausen veranstaltete, holte es dazu erst die schriftliche Zustimmung der Orte ein. Dagegen rief die Ausschreibung einer außerordentlichen Tagsatzung nach Baden im November 1726 auf Begehren eines kaiserlichen Gesandten, ohne Begrüßung der Stände, wieder einen Sturm unter den katholischen Orten über „sein despotisches Verfahren" hervor. Luzern erhielt den Auftrag, gegen den „Unfug" Zürichs zu remonstrieren, und ersuchte dieses zu Baden „bestmeinend", künftig vor Ausschreibung und Fixierung solcher Tagsatzungen zuerst die Orte darüber zu vernehmen. Zürich berief sich darauf, daß es diese Tagsatzung nach alter Manier ausgeschrieben und aus Respekt für die kaiserliche Majestät nicht habe länger verschieben können1). Im Grunde bewegte sich das vielbeneidete „hohe Directorium" Zürichs2) ganz innerhalb der Grenzen formaler Ehrenrechte, die zwar der zürcherischen Kanzlei einen großen Aufwand von Mühe verursachten, aber der zürcherischen Regierung keinen Zuwachs an Macht brachten. Eine eigentliche Bundesleitung kam Zürich nicht zu. Als Vorort konnte es keinen Soldaten marschieren lassen, keinen Heller Abgabe erheben, keine irgendwie eingreifende Verfügung oder Anordnung treffen. Dennoch war es neben seiher geistigen und wirtschaftlichen Rührigkeit namentlich das Ansehen des Vororts, was Zürich neben dem mächtigen Bern nicht in den und ihrer Glieder. 143 vielleicht ähnlichem Unwillen auszusetzen, wie die Evangelischen, während ihre Politik erfordere, die Wohlgewogenheit aller benachbarten katholischen Potenzen und namentlich des Kaisers sich zu erwerben. Abschiede VII 1 ■S. 189, 192. !) Abschiede VII 1 S. 298, 302. 2) Abschiede V 2 S. 1328; 1331; VI 2 S. 1286; VII1 S. 214; VIII S. 103. Schatten treten ließ. „Diese beiden Kantone", schrieb der französische Botschafter La Barde 1651, „sind die ersten der Schweiz, welche allen andern den Anstoß geben". Die geheimen Denkschriften, welche die Regierung Ludwigs XIV. ihren Gesandten übergab, erklären es für sehr wichtig, daß man den Kanton Zürich trotz seiner Entfremdung von Frankreich und Zuneigung zu Holland möglichst schonend behandle, weil er in andern Kantonen großen Einfluß habe und durch seine Gesandten, „gewöhnlich gewandte Männer", allen Tagsatzungsbeschlüssen die erste Richtung geben könne x). Was die Bezeichnung „Vorort" betrifft, so sprechen die Akten des 15. und 16. Jahrh. immer nur vom „ersten", „vordri-sten" oder „obersten Ort"2). Noch im Jahre 1613 befiehlt die Jahrrechnungstagsatzung den Landvögten in den gemeinen Herrschaften, die Untertanen, die an die regierenden Orte appellieren wollen, zuerst an die Stadt Zürich zu weisen „als an dz Erst und vorderst Ort"3). Während des dreißigjährigen Kriegs scheint dann der kurze und bezeichnende Name „Vorort" aufgekommen zu sein. Zum erstenmal finde ich ihn 1641, wo der Originalabschied der Bewillkommnungstagsatzung vom 11. Februar in Solothurn vom neuen französischen Botschafter Caumartin bemerkt, Ihre Exzellenz habe „zu beglaubter Sicherheit der habenden Charge unßern G. L. E. der Statt Zürich als dem Vororth die könig- !) „Oes deux Cantons sont les premiers de la Suisse qui donnent le branle ä tous les autres". Archiv für Schweiz. Gesch. VII S. 282. Vgl. Balthasar, Helvetia I S. 78, Zellweger, Geschichte der diplomatischen Verhältnisse der Schweiz mit Frankreich, Beilagen S. 13. 2) Vgl. zu den S. 107 angeführten Stellen Strickler, Aktensammlung zur Reformationsgeschichte II N. 900 7. Abschiede IV 1 a S. 1043, IV 1 c S. 360, 460; IV 1 e S. 845, 1377; V I S. 1315. Stumpf, Gemeiner lobl. Eydgnoschafft.. .Chronikwirdiger thaaten beschrybung (1548) S. 416; id. Die dryzehen Ort S. 1. Simler S. 176 b. Vgl. auch Abschiede IV 2 S. 1519: „Diewyl die Statt Lucern by den fünff Cathölischen Ortten das vordrist ortt ist". 3) St. Zur. B VIII 116, Originalabschied der Jahrrechnung 1613 Art. 24. 144 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft liehen Credential Schreiben überschickt und sie dabei von Ihrer Ankunfft verständiget". Am 13. Juli 1644 beschwert sich Zürich in einem Schreiben an die Fünf Orte, daß es auf der Jahrrechnung „als das Vorort an dem von Alters har geführten directorio nit wenig angegriffen" worden sei. Umgekehrt beschweren sich Luzern, Schwyz, Unterwaiden und Zug am 6. September 1658 bei den zu Baden versammelten Orten darüber, daß Zürich ihre Gründe gegen die Abhaltung der Tagsatzung mißachtet habe, und sprechen die Erwartung aus, „das die sach künfftiglich von dem Vorort nach Gebür beobachtet" werde1). Aber nicht Zürich allein, auch Bern und Luzern erheben um die Mitte des 17. Jahrhunderts Anspruch auf die, Bezeichnung als Vororte. Im Februar 1645 beruft Bern wegen der Zwistigkeiten Zürichs mit den V Orten im Thurgau „als ohninteressiertes Vororth" eine Tagsatzimg nach Baden, und die 1645 geschriebene, 1661 gedruckte Beschreibung des Lucerner oder 4 Waldstätter-sees von Joh. Leop. Cysat nennt Luzern „das Vorohrt der Alt Catholischen Löblichen Cantonen oder Orthen". Die Sprüche der nach dem ersten Villmerger Krieg ernannten Schiedsrichter vom 30. Januar 1657 sprechen von den „Lobl. (Evangelischen) Vororthen und Stätten Zürich und Bern"2), Doch bleibt der Name an Zürich vorzugsweise haften 3), und auch die Bezeichnung seiner Befugnis als „Directorium" bürgert sich ein. So heißt es im Originalabschied der Tagsatzung zu Basel vom 14. Oktober 1681: „Nachdeme der Herr Ehren- und ihrer Glieder. 145 St. Zur. Originalabschiede B VIII 127 S. 3. Missiven B IV 105 S. 410 b (vgl. Gedruckte Abschiede V 2 S. 1328, 1331). Akten, Luzern und die V Orte, A 250. 2) St. Zur. Originalabschiede B VIII 128 S. 442 (Gedr. Abschiede V 2 S. 1341). Cysat, Beschreibung des Luzernersees S. 201. Abschiede VI 1 S. 1801, 1805. 3) Der Katholik J. Casp. Steiner nennt in seiner „Grundzeichnung deß Alt-Teutschen Spartier-Landes" (Zug, 1684) Luzern den „Vor-Orth Löbl. Catholischer Eydgnoßschaft", aber Zürich „das Haupt und Vor-Orth deß gantzen Schweitzer-Lands" (S. 160 f.). 1- gesandte Lobl. Statt und Vororttes Zürich angezeigt, was-maßen die in verschienenen Wochen zu Baden im Ergöw gehaltene Zusammenkunft auß diser Ursach allhero verleget worden ..., diser Congreß also keine nüwe, sondern eine de-pendentz und Fortsetzung der Badischen Tagsatzung sye, der Ursache auch die Statt Basel das Directorium dem Lobl. Vorortt Zürich . deferirt habe, ... war hierüber durch den Herrn Ehrengesandten Lobl. Vorortts Zürich vermeldet weiter bericht. einkommen, daß" usw.1). Im Dezember 1703 überläßt es die Tägsatzung dem „Lobl. Directiorio", es mit der Einberufung von Tagsatzungen nach Gutfinden zu halten, empfiehlt ihm aber, die Orte damit so viel als möglich zu verschonen. Im Februar 1706 klagen die katholischen Orte darüber, daß Zürich sich ein eigentliches „Directorium" anmaße; aber im September 1712 beschweren sie sich selber beim „Directorium", daß der reformierte Secretärius dem Landfrieden zuwider der Session in Vogteisachen beigewohnt habe. 1713 stellt die Tagsatzung es dem „Directorium" anheim, den Wunsch, daß das ennetbirgische Syndikat wieder in gewohnter Zeit möge gehalten werden, den Orten zu insinuieren. Auf der Tagsatzung zu Frauenfeld im Juli 1785 bezeugt der französische Geschäftsträger Bacher aus Auftrag seines Ministeriums „bey dem hohen Directorio" die Fortsetzung des Wohlwollens und bundesgemäßen Zuneigung Seiner Majestät gegen die Eidgenossenschaft; was seitdem jedes Jahr bis 1790 bei dem „hohen Directorio" wiederholt wird 2). Im übrigen ist es merkwürdig, wie verhältnismäßig selten der Ausdruck „Vorort" oder „Directorium" in den Akten vorkommt, weil der Vorort der alten Eidgenossenschaft eben kein verfassungsgemäßes Institut war, wie später unter den Verfassungen von 1803 und 1815, sondern auf bloßem Herkommen !) St. Zur. Originalabschiede B VIII 144 S. 329 (vgl. gedruckte Abschiede VI 2 S. 18). 2) Abschiede VI 2 S. 1286; VII 1 S. 5, 34, 214; VIII S. 103. St. Zur. Originalabschiede B 165 S. 431 und B VIII 216—218 (in Mappe). 10 146 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft beruhte, gewissermaßen nur geduldet war. In den Tagsatzungsabschieden ist Zürich für gewöhnlich ein „Stand" wie die andern, nur ausnahmsweise, namentlich bei den Legitimationskonferenzen in Solothurn, wird es Vorort genannt Zürich selbst hat den Titel „Vorort" oder „Directorium" eigentlich nie geführt; seine amtlichen Schreiben tragen bis 1798 gewöhnlich die Unterschrift „Bürgermeister und Rat der Stadt (des Standes) Zürich"2). Die Eidgenossen schreiben auch in Vororts- und Tagsatzungsangelegenheiten nicht an den „Vorort", sondern nach hergebrachter Formel „denen Frommen, Fürsichtigen, Ehrsamen und Weisen Burgermeister und Rath der Stadt Zürich, Unsern insonders guten Freunden und getreuen (vertrauten) Lieben Alten Eidgenossen". Selbst eidgenössische Gesandte und Kriegsräte begnügen sich damit, „denen Hochgeachten Wohledeln etc. Burgermeister und Rath Lobl. Stadt Zürich" Bericht zu erstatten 3). Erst gegen Ende der alten Eidgenossenschaft fing Zürich an, sich in eidgenössischen Schreiben indirekt den Titel Vorort beizulegen, indem es die Schlußformel: „Geben und in 1) Vgl. Gedruckte Abschiede VI 1 S. 611, 868, 1003; VI 2 S. 128, 162, 173; VII 1 S. 323, 360, 579; VII 2 S. 81, 128; VIII S. 49, 95, 103, 112,206, 207,' 227. St. Ä. Zürich Originalabschiede B VIII136 S. 99, 394; B VIII140 S. 235; B VIII142 S. 292; B VIII146 S, 4, 265, 327; B VIII157 S. 177,179; B VIII 165 S. 431; B VIII 170 S. 44 etc. 2) Die wenigen Ausnahmen bestätigen die Regel, so wenn sich die Unterschrift „Bürgermeister und Rath des Eidg. Standes und Vorortes Zürich" in einem Schreiben an den kaiserlichen Residenten v. Nagel vom 15. Mai 1778, in einem solchen an den Generalauditor der Nuntiatur vom 3. April 1790 und in einem solchen an den spanischen Botschafter de Herredia in Turin vom 12. Oktober 1795 findet. St. A. Zur. B IV 473, 493, 507. 3) Vgl. die Berichte von Oberst Zwyer und Bürgermeister Wettstehi über ihre Sendung nach Wien 1651 und diejenigen der eidgen. Kriegsräte Bucher und Lusser über die kaiserlichen Schanzen bei Äugst 1690, St. A. Zur. Akten Kaiser A 176, 4 und 5. Dagegen schreibt der Solothurner Mollondin, der 1686 in Sachen von vier Regimentern nach Paris geschickt wurde, seine Briefe an die „Hochgeachten etc. Burgermeister und Rath Lobl. Statt Zürich, Vororth lobl. Eydtgnosschafft", Akten Frankreich A 225. und ihrer Glieder. 147 unserm gemeinen Namen mit U. G. L. A. E. der Stadt Zürich Secret Insigel verschlossen", in „mit dem Siegel des Eidgenössischen Vorortes Zürich" oder „mit des Standes und Vorortes Zürich gewohntem Siegel verschlossen" umänderte1). § 7. Zugewandte und Verbündete. Der Begriff der Eidgenossenschaft war mit den XIII Orten nicht erschöpft. Außerhalb den Orten gab es eine zweite Kategorie von Bundesgenossen, die einen höchst ansehnlichen Teil des eidgenössischen Gebietes und Volkes ausmachten, ohne die uns die Schweiz den Eindruck eines traurig verstümmelten Gebildes machen würde, die Zugewandten und Verbündeten. Der Ausdruck „Zugewandte" scheint im eidgenössischen Bundesrecht zum erstenmal in dem Burg- und Landrecht aufzutauchen, das der Bischof von Sitten und die Landleute von Wallis mit Luzern, Uri und Unterwaiden am 3. Juni 1403 eingingen: „In disem Burgrecht und lantrecht ist och bedinget, were es, das wir obgenanter bischoff und lantlüte von Wallis oder unser nachkommen dhemest stoß gewunnen mit Herren, Stetten oder lendern, so denn den obgenanten von Lucern, von Ure oder von Underwalden Eydgnoschaft oder püntnisse halb ge- *) Einen ersten Versuch, in Erlassen und Schreiben der in den gemeinen Vogteien regierenden Orte die Datierungsformel um den Vorort zu bereichern, machte die zürcherische Kanzlei im Januar 1779, hörte aber anfangs 1780 damit wieder auf, vermutlich weil einzelne Orte dagegen Widerstand bekundeten. Wie kitzlich die Stände in solchen Dingen waren, zeigt eine Reklamation Solothurns im August 1788, weil in den zwei letzten Abschieden des Lauiser Syndikats dem Gesandten von Zürich der Titel eines „Präsidenten" gegeben worden, was früher nie geschehen sei (Abschiede VIII S. 137). Erst mit Beginn des Revolutionsjahrs 1789 erscheint die Formel: „Gaben und in unser allseitigem Namen mit des Standes und Vororts Zürich gewohntem Siegel (Secret Insigel) verschlossen" wieder, v um von da an bis in den Januar 1798 zu verbleiben. Vgl. St. A. Zürich Missivenbücher B IV 475, 479, 504, 507, 509, 525. 148 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft want werint, das gott all zit wende, so söllent wir die obgenanten von Lucern oder von Ure und Underwalden dyselbigen Herren, stette oder lender, so danne sölich stoß berürent, früntlich bitten, und obe bitte nit hülffe, so söllent wir si ermanen nach unser geschwornen puntbriefen sag, das si sich lassen benügen von den obgeschriben unserm gnädigen Herrn mitburger und lant-mann, dem bischoffe und den sinen, unsern mitburgern und lant-lüten von Wallis an einem Rechten als dann zwüschent uns und dien, so uns, wie obgemeldet stat, gewant sint, billich ist, und als si uns von der iren wegen ze manen hant, als dick das ze schulden kumt"x). „Gewant" mit oder zu jemandem heißt, ähnlich wie „verwant", „in Beziehung, in Verbindung mit jemand stehend". In diesem allgemeinen Sinn ist es hier gebraucht. Der Ausdruck „Eydgnoschaft oder püntnisse halbgewant" geht zweifellos in erster Linie auf Bern, wie schön die dem Vertrag von 1403 nachgebildeten Burg- und Landrechte der Walliser Zenden von 1416/17 zeigen, wo Bern direkt an jener Stelle eingesetzt ist. Nach dem Sprachgebrauch von 1403 war also ein Ort, wie Bern, den Waldstätten „gewant". In ähnlichem allgemeinem Sinne ist das Wort in dem Waffenstillstand zwischen Zürich, Schwyz und Glarus vom 1. Dezember 1440 gebraucht, wo der Waffenstillstand von beiden Teilen gelobt wird „für uns und all unser nachkomen, für alle unser helfer und helfers-helfer und für alle die, so dewedrer parthie halb harzu gehaft und gewant oder darunder verdacht sind". Wenn also hier der Ausdruck „Gewant" sowohl für Orte als Zugewandte in späterm Sinn gebraucht wird, so nimmt er rasch *) Abschiede I S. 104. Ich benütze den Anlaß, um die in meiner Arbeit „Orte und Zugewandte" (Jahrbuch für Schweiz. Gesch. XIII) S. 23 ausgesprochene Ansicht, daß der Ausdruck „Zugewandte" nicht vor dem alten Zürichkrieg auftauche, nach A. Meier, „Das erste Auftreten des Ausdrucks Zugewandte" (Anzeiger f. Schweiz. Gesch. XI S. 104) zu berichtigen. Im übrigen verweise ich für das Kapitel über die Zugewandten und Verbündeten auf meine eingehende Abhandlung, deren Hauptresultate ich hier mit einigen Ergänzungen wiederhole. und ihrer Glieder. 149 eine engere Bedeutung an. Im Anlaßbrief zwischen Österreich und den Eidgenossen vom 9. Juni 1446 werden „die Eydgenossen und ir Buntgenossen und die zu Ine gewant. sin" unterschieden; Bern, Solothurn, Luzern, Uri, Schwyz, Unterwaiden, Zug, Glarus und Appenzell versprechen als „Eydgenossen und Buntgenossen" „vor uns und alle die unsern und alle die zu uns gewant sint und zu uns gehören", den Vertrag zu halten. Am 7. Dez. 1460 schließen die VIII Orte, samt Solothurn, Schaffhausen, St. Gallen, Preiburg und Appenzell „in irem und aller, der, s o zu Inen gewandt sind, namen", Waffenstillstand und am 1. Juni 1461 ebenso den fünfzehnjährigen Frieden mit Österreich. Hier dient mithin das Wort Zugewandte zur Bezeichnung aller, die mit den Orten oder einzelnen unter ihnen in irgend einem bundesrechtlichen Verhältnis stehen, ohne in der Urkunde namentlicher Aufführung gewürdigt zu werden. Zuweilen scheinen selbst die Untertanen darunter mit einbegriffen zu sein; doch werden diese gewöhnlich als „Zugehörige" von den Zugewandten unterschieden 1). . Wenn zunächst St. Gallen, Appenzell, Schaff hausen, sowie Freiburg und Solothurn neben den „Eidgenossen" der VIII Orte noch als „Puntgenossen" namentlich erwähnt werden, also noch nicht unter den Sammelbegriff der Zugewandten fallen, so ändert sich das mit der Zeit der Burgunderkriege. Je höher das Ansehen der Eidgenossen stieg, um so mehr hielten die VIII Orte darauf, daß sie als die ausschließlichen Träger der „gemeinen Eidgenossenschaft von Städten und Ländern des großen Bundes oberdeutscher Lande" erschienen. Bei der ewigen Richtung von 1474 wurden Solothurn, Appenzell und St. Gallen nicht mehr als Kontrahenten zugelassen. Die VIII Orte als „gemeine Eidgenossen von Städten und Ländern" schließen den Vertrag allein und handeln für sich und „ihre Zugewandten und Zugehörigen". In das Bündnis mit der niedern Vereinigung im Elsaß findet Solothurn an der Seite Berns Aufnahme; im übrigen l) Oechsli, Orte und Zugewandte S. 24 ff. 150 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft handeln auch hier die VIII Orte für sich, die „Iren und Ire Zu-gewanten und Zugehörigen". In die Verträge mit Ludwig XI. werden Freiburg und Solothurn dank ihrer Verbindung mit Bern, dem Haupturheber des französischen Bündnisses, aufgenommen, nicht aber St. Gallen und Appenzell, so wenig als der Abt von St. Gallen oder Schaffhausen, Rottweil und Mülhausen, mit denen sie als „Zugewandte" oder „äußere Städte" auf eine Linie gestellt werden. Die VIII Orte nebst Freiburg und Solothurn sind auch die alleinigen Kontrahenten in den Friedensschlüssen mit Savoyen, mit Maximilian und Maria von Burgund, in den Bündnissen mit Matthias von Ungarn und Papst Sixtus IV. Die Ausschließung von Verträgen ist nur ein Symbol der Zurücksetzung der Zugewandten des 15. Jahrhunderts gegenüber den Orten in vielen andern Dingen. Die Zugewandten haben keinen regelmäßigen Sitz auf der Tagsatzung, zu der sie nur eingeladen werden, wenn Dinge, die sie speziell betreffen, zur Behandlung kommen. Sie erhalten keinen Anteil an den Eroberungen oder an den Lösegeldern für Rückgabe von solchen, d. h. an Kriegsentschädigungen, und, Freiburg und Solothurn ausgenommen, an den Jahrgeldern und Subsidien. Man kann sagen, daß zur Zeit der Burgunderkriege die VIII Orte den souveränen Bundeskörper bildeten, zu dem die Zugewandten in einer gewissen Abhängigkeit standen, wie etwa die alten Latiner zu Rom. Wie diese, waren sie nach innen autonom, hatten aber nach außen gebundene Hände; wie diese mußten sie für Kriege Zuzug leisten, die sie nicht hatten mitbeschließen dürfen, und Eroberungen machen helfen, an denen ihnen kein Anteil winkte. In der Periode des Schwabenkriegs und der Mailänderkriege hob sich aber die Stellung der Zugewandten sichtlich. Ein Teil, Freiburg, Solothurn, Schaff hausen, Appenzell; stieg zu Orten empor. Bundesglieder, wie Graubünden und Wallis, konnten nicht wie abhängige Klienten behandelt werden. Daher wurden die wichtigern Zugewandten seit dem Schwabenkrieg öfter zu den Tägsatzungen beigezogen und 1507 der förmliche Beschluß, gefaßt, bei Sachen, welche wie z. B. Kriegsläufe gemeine Eid- und ihrer Glieder. 151 genossenschaft und ihre Zugewandten berühren, die letztern auch einzuladen wie die Orte. Die größern Zugewandten erhielten ihre bestimmten Sitze auf der Tagsatzung, so der Abt von St. Gallen den vierzehnten, die Stadt St. Gallen den fünfzehnten, Graubünden den sechzehnten, Wallis den siebzehnten, Mülhausen den achtzehnten, Rottweil den neunzehnten. Nach der Periode der großen Kriege wurden die Tagsatzungen mit Zugewandten wieder seltener; aber der Grundsatz erhielt sich, sie in besonders wichtigen Dingen, wie Abschluß von Bündnissen, Festsetzung der Kontingente für Auszüge u.dgl., beizuziehen. Daher erscheinen auch. die bedeutenderen Zugewandten seit Beginn des 16. Jahrhunderts in den Verträgen mit dem Ausland als Mitkontrahenten und erhalten nach ihrer Bedeutung abgestufte Anteile an den Jahrgeldern und Friedegeldern 1). Noch immer war indes der Begriff der Zugewandten ein ziemlich unbestimmter. Im weitesten Sinn umfaßte er alles, was außerhalb der XIII Orte im Machtkreis der Eidgenossen lag, ohne etwas Näheres über die Art der Verbindung mit diesen auszusagen: Verbündete, die als wirkliche Eidgenossen galten, wie auch fremde Fürsten und Städte, die mit den Eidgenossen nur in vorübergehenden Allianzen standen, neben Abt und Stadt St. Gallen, Graubünden und Wallis auch Besancon und Mont-beliard, neben den Grafen von Neuenburg die Herzoge von Mailand und Württemberg. Daher sagte man auch vor der Reformation nie, daß ein Bundesgenosse als zugewandter Ort aufgenommen worden sei, weil man damit nur gesagt hätte, er sei nicht unter die Orte aufgenommen worden. Um die Stellung eines neuen Bundesgliedes zu charakterisieren,- legte man vielmehr ein bestehendes Bündnis zugrund; man nahm es auf, wie Freiburg und Solothurn, wie St. Gallen, Mülhausen, wie den Abt von St. Gallen. Daneben begann aber doch der Sprachgebrauch in dem Maße, als der geographische Begriff der Eidgenossenschaft sich fixierte !) Oechsli a. a. O. S. 54 ff. 152 ' Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft und vom Reich ausschied, auch den Kreis der Zugewandten enger zu ziehen. Der Begriff der Schweiz war in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts, von der Westgrenze abgesehen, schon ziemlich abgeklärt und schloß außer den XIII Orten auch diejenigen Zugewandten in sich, die regelmäßig mit den XIII Orten „reisten", d. h. zu Kriege zogen, so daß sie wie diese als Eidgenossen oder Schweizer, die vorübergehend Verbündeten aber als „ausländisch" galten. Das sind nun die Zugewandten im engern Sinn, „unser alt Zugewandten", wie das Bündnis mit Papst Leo X. sie nennt, „als das Gotzhus und die Statt Sant Gallen, das land zu Wallis, die dryg pündt in ChurwaL die Stett Biel und Mülhussen und die Landschaft Sanen", wozu der ewige Friede und das Bündnis mit Frankreich noch die Stadt Rottweil, die Grafschaften Toggenburg und Greyerz, überhaupt alle hinzufügen, die von „uns Eydtgnossen in Pundt-nuß und Burg oder Landrecht sind angenommen ...; doch us-geschlossen alle die, so usserthalb der Märchen der Eydtgnos-schafft und einer andern Nation und Sprach, dann tütscher, und uns Eydtgnossen nit underwurfig sind" 1). Unter diesen Zugewandten im engern Sinn waren aber wieder so gewaltige Unterschiede in ihrer bundesrechtlichen Stellung, daß es unmöglich ist, sie unter eine einheitliche Definition zu bringen, weil sie nur die negative Eigenschaft gemein hatten, zur Eidgenossenschaft zu gehören, ohne Orte zu sein. Wenn man das Hauptmerkmal der Zugewandten in einem ungleichen Bündnis und einem daraus resultierenden Protektorat der Orte über sie gesucht hat, so gilt das für die meisten, aber nicht für die wichtigsten Zugewandten, nicht für Wallis und Graubünden. In den Beziehungen zu Frankreich wog Wallis so viel wie ein Kanton, und Graubünden sogar so viel als drei Kantone. Ebenso unrichtig ist es aber, wenn man das Wesen der Zugewandten damit erklärt hat, daß sie nur mit einzelnen Orten, aber nicht mit allen verbündet gewesen seien. Vor der i) Oechsli a. a. 0. S. 106 ff. E und ihrer Glieder. 153 P Reformation kam im Grunde wenig darauf an, ob ein Bundes- I glied formell mit allen oder nur mit einzelnen Orten im Bunde I stand. Der eidgenössische Zusammenhang war seit dem alten I Zürichkrieg weit über den Buchstaben der Verträge hinaus- I gewachsen. Es herrschte ein so kräftiges Solidaritätsbewusst- m sein unter allen Gliedern des schweizerischen Bundeskörpers, i daß man sagen darf: es gab neben den geschriebenen spe- |v ziellen Bünden einen allgemeinen Bund, der auf keinem Per- 1 gamente stand, aber in den Herzen lebendig war. Auch die- I jenigen Verbündeten, die formell nur mit einzelnen Orten im % Bunde standen, hatten ein zwar ungeschriebenes, aber tatsäch- |. lieh anerkanntes Verhältnis zur Gesamteidgenossenschaft, zum l „Vaterland", und dies Verhältnis richtete sich in seiner Innig-' I keit weniger nach dem Buchstaben der Verträge, als nach den. I Diensten, die das betreffende Bundesglied der Gesamtheit schon I geleistet hatte oder die man von ihm erwartete. Die Stadt h St. Gallen war formell nur mit sechs Orten im Bunde; deswegen I stand sie der Eidgenossenschaft doch näher, als die mit allen l Orten verbündeten Städte Mülhausen und Rottweil. Der Abt r von St. Gallen war nur mit vier Orten verburgrechtet, und f doch erhielt er den ersten Rang unter den Zugewandten. Greyerz |. und Saanen waren nur je mit einem Ort verburgrechtet, und |; doch verschafften ihnen die Eidgenossen 1516 eine vertraglich I gesicherte Pension, während das mit allen Orten verbündete I Rottweil sich eine solche erst erbetteln mußte. Der Maßstab ix für die bundesrechtliche Stellung der Zugewandten vor der };■■■ Reformation ist daher weniger in ihren Bünden zu suchen, als i> in dem Anteil, den ihnen die Orte an der eidgenössischen Souve- ; ränetät als Gegenwert für ihre Leistungen gewährten. Dabei i< lassen sich vier Kategorien unterscheiden. Die unterste bildeten ; Gemeinwesen, die wegen ihrer geringen Bedeutung weder auf Tagsatzungen berufen, noch in den Staatsverträgen erwähnt \.t wurden, noch vertraglich gesicherte Pensionen erhielten: so die [< mit den IV Waldstätten verbündete Miniaturrepublik Ger sau, ! die im Schirm von Luzern, Schwyz und Unterwaiden stehende 154 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft geistliche „Freiherrschaft" Engelberg, die mit Bern verburg-rechteten bischöflich - baseischen Gebiete Neuenstadt und Münstertal, sowie das unter Biels Pannerhoheit stehende Erguel. Die zweite Kategorie umfaßte diejenigen, die in Staatsverträgen erwähnt wurden, aber nicht als kontrahierende Parteien, und vertraglich gesicherte Pensionen erhielten, aber nie zu Tagsatzungen geladen wurden. Dahin gehörte das Toggenburg, das 1468 vom Abt von St. Gallen erworben wurde, aber nicht, wie die übrigen äbtischen Lande, unter der Schirmherrschaft der IV Orte stand, sondern durch sein aus der Zeit des alten Zürichkrieges stammendes Landrecht mit Schwyz und Glarus sowie durch seine freie Verfassung eine eigene Stellung in der Eidgenossenschaft neben dem Gotteshause einnahm. Dann die Täler des Grafen von Greyerz, Greyerz und Saanen, jenes mit Freiburg, dieses mit Bern verburgrechtet, die ' aber durch den Bankrott des Grafenhauses 1555 ihre eidgenössische Stellung einbüßten und bei der Liquidation dem Untertanengebiet der beiden Städte einverleibt wurden. Zur dritten Kategorie gehörten diejenigen Zugewandten, die als Kontrahenten zu Staatsverträgen zugelassen und mehr oder weniger häufig zu Tagen geladen wurden, aber, teils wegen der Bestimmungen ihrer Bünde, teils wegen ihrer geringen Macht zu den Orten in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis standen: Abt und Stadt St. Gallen, Mülhausen, Kottweil, Biel. Letzteres gehörte nominell dem Bischof von Basel, stand aber seit 1352 mit Bern und auch mit Freiburg und Solothurn in ewigem Bündnis und regierte sich als selbständige eidgenössische Republik. Die vierte Kategorie bildeten endlich Wallis und Graubünden, die den Orten völlig ebenbürtig, aber von ihrer engern Gemeinschaft dadurch ausgeschlossen blieben, daß sie gelegentlich eine abweichende Politik nach außen verfolgten, die Tagsatzungen unregelmäßig besuchten, selbst wenn sie geladen wurden, und keine gemeinsamen Untertanenlande mit jenen besaßen. Weil die sieben Stände der zwei letzten Kategorien sich einzig aktiv neben den Orten an der eidgenössischen Politik beteiligten, wur- den im 16. Jahrundert gewöhnlich sie unter den Zugewandten verstanden '). Wieder anders gestaltete sich das Verhältnis der Zugewandten nach der Reformation, wo es sich zum Teil sehr zu ihren Ungunsten veränderte. An ihnen offenbarte sich vornehmlich die Zersetzung des schweizerischen Staatsgedankens, die Verheerungen, welche die Glaubensspaltung im Vaterlandsgefühl der Schweizer anrichtete. Jetzt begann man die Hilfsverpflichtung, zumal den Andersgläubigen gegenüber, sorgfältig nach dem Buchstaben der Verträge abzuwägen und lehnte immer mehr jede Verbindlichkeit ab, die nicht geschrieben stand. Man anerkannte keine Hilfsverpflichtung mehr gegenüber Zugewandten, mit denen man nicht direkt im Bunde stand, man ergriff sogar den ersten besten Anlaß, um alten Verbündeten, die, „mit der widrigen Religion behaftet waren", die Bundesgemeinschaft zu künden. So schieden sich seit der Glaubensspaltung die Zugewandten in solche, die noch immer von der ganzen Eidgenossenschaft als Verwandte anerkannt wurden, und in solche, die nur von einzelnen Orten, bezw. von einer der beiden Glaubensparteien als Verbündete betrachtet wurden. Nach der Anschauung des 16. und 17. Jahrhunderts waren nur die ersteren wirkliche „Zugewandte' Orte", wie man in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu sagen anfing 2). Dabei brauchte die „Zugewandt- !) Oechsli a. a. 0. S. 109 ff. 2) Die früheste Anwendung des Ausdrucks „Zugewandte Orte" statt Zugewandte dürfte sich im Original-Abschied der Aarauer Konferenz der IV evangelischen Städte vom 22. September 1572 finden: „Und alls dann die Zugewandten Ortt Evangelischer Religion Verwandte alls S. Gallen^ Müllhusen, Biel zu jetziger Conferentz nit beruften worden" etc. St. A. Zur. B VIII 104 (vgl. Gedruckte Abschiede IV 2 S. 500). Dann ist 1595 die Rede von „diser jetz werenden allgemeiner Eidgnossischer und Zugewandter Ordten Zusammenkunfft" (St. A. Zur. B VIII 110 S. 222) u. seitdem häufig. Dagegen steht der in den gedruckten Abschieden (IV 2 S. 68) 25. Mai 1558 in einem aus dem Nidwaldener Exemplar gezogenen Artikel gebrauchte Ausdruck „Zugewandte Orte" im Original, wie mir Herr Staatsarchivär Durrer gütigst mitteilt, nicht; dieses hat wie gewöhnlich „Zugewandte". 156 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft schaff keineswegs durch einen, Vertrag mit allen XIII Orten ausgesprochen zu sein; sie konnte ebensogut auf Gewohnheitsrecht, auf altherkömmlicher Zulassung zu eidgenössischen Ver-1 trägen beruhen. Umgekehrt konnte selbst ein Bundesvertrag mit allen XIII Orten ein Bundesglied nicht vor Ausstoßung aus der Gesamteidgenossenschaft schützen, wie das Beispiel von Mülhausen zeigt. Den Zugewandten Orten gegenüber stehen nun als eine davon verschiedene Kategorie die „besondern Verbündeten" einzelner Orte, denen die konfessionellen Antipathien es unmöglich machten, die Bundesgemeinschaft mit allen Orten zu erlangen oder festzuhalten, gegen welche wohl einzelne Orte Bundespflichten anerkannten, nicht aber die Eidgenossenschaft als solche. Die Zugewandten Orte stehen „im eidgenössischen Bund", sie machen mit den XIII Orten „ein Corpus" aus, die „besondern Verbündeten", die wir schlechthin Verbündete nennen wollen, dagegen nicht. Jene haben Pflichten und Rechte gegenüber der gesamten ■ Eidgenossenschaft, diese bloß gegenüber den Orten, mit denen sie speziell im Bunde stehen, bezw. zu der Glaubenspartei, die sie zu ihren Verwandten zählt. Die Verbündeten gehören wohl in den Augen ihrer „Religionsverwandten" und am Ende auch in denen des Auslands zur Schweiz, aber nicht in denen der Eidgenossen anderer Konfession So klar nun der Unterschied zwischen den mit der ganzen Eidgenossenschaft in Bundesgemeinschaft stehenden Zugewandten Orten und den nur von der einen oder andern Glaubenspartei anerkannten Verbündeten an sich ist, so schwankend ist er in der Anwendung auf die-einzelnen Gemeinwesen, weil er weniger auf festen Verträgen, als auf wandelbarem Gewohnheitsrecht beruhte. Ein anerkanntes Bundesverhältnis zur Gesamteidgenossenschaft haben bis 1798. eigentlich nur vier Zugewandte Orte behauptet: der Fürstabt von St. Gallen, die Stadt St. Gallen, das Wallis und Biel. In engster Beziehung zu den XIII Orten i) Oechsli a. a. 0. S. 111 ff. und ihrer Glieder. 157 standen Abt und Stadt St. Gallen sowie Biel, da jene durch eine besondere Verkettung von Umständen 1667 — Biel etwas später — den ständigen Beisitz auf der Tagsatzung gewannen und 1668 in die eidgenössische Wehrverfassung, das Defensionale, eingeschlossen wurden. Tatsächlich war damit zwischen den XIII Orten und den drei Zugewandten jeder bandesrechtliche Unterschied verschwunden. Diese stellten auf der Tagsatzung Anträge, halfen die fremden Gesandten empfangen, beteiligten sich bei eidgenössischen Gesandtschaften, stellten bei Grenzbesetzungen Kriegsräte und Stabsoffiziere, ganz wie die Orte. Die Schreiben der fremden Mächte gingen an die lob 1. XIII und Zugewandten Orte, und die eidgenössischen Schreiben erfolgten ebenfalls im Namen der XIII und Zugewandten Orte. Nur in Äußerlichkeiten bekundete sich noch das Selbstgefühl der Orte gegenüber den Zugewandten. Da die Ratsstube in Baden an Überfüllung litt, beschloß die Tagsatzung 1698, daß kein Zugewandter Ort mehr als einen Gesandten schicken solle, während die Orte in der Regel mit zwei Gesandten aufrückten 1). Seit ein Teil der Zugewandten regelmäßig Sitz und Stimme auf der Tagsatzung besaß, erlitt der Begriff der Zugewandten Orte eine neue Verengerung. Gegen Ende des 17. Jahrunderts fing man an, darunter offiziell nur noch den Abt und die Stadt St. Gallen sowie Biel zu verstehen. Die übrigen alten Zugewandten wurden mit den besondern Verbündeten der Glaubensparteien in der Bezeichnung „ewiger Mitverbündeter" zusammengefaßt2). So konnte sich in bezug auf das Wallis im *) Oechsli a. a. 0. S. 17, 18, 54, 67 f., 95, 115, 128 ff., 164 ff., 173 ff., 248—286,358—365,400—404. t 2) Abschiede VI 2 S. 323, 640, 859. v. Jan, Staatsrechtliches Verhältnis ■; der Schweiz zum deutschen Reiche III S. 308: „gemeine Eydgnossenschaft l der lobl. XIII Orthen und dero Zugewandte, sammt aller derselben i ewig Mitverbündeten". Päsi (Staats- und Erdbeschreibung I S. 216) I und Füeßlin (I S, 39) suchen den Unterschied durch lateinische und fran- 158 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft 18. Jahrhundert ein Streit erheben, ob es unter die zugewandten Orte zu rechnen sei oder nicht. 1743 verlangte es, daß der Vor- zösische Ausdrücke zu illustrieren: Abt und Stadt St. Gallen und Biel seien wegen ihres Sitzes auf der Tagsatzung „Socii" (Associes), die übrigen Zugewandten Orte nur „Confoederati (Allies) Helyetiorum". Auf was für Dokumente oder anderweitige Quellen sich diese Unterscheidung zwischen „Socii" und „Confoederati"gründet, habe ich bisher nicht ausfindig machen können. Ich halte sie für einen bloßen Einfall Päsis, den ihmPüeßli nachschreibt, entstanden aus einer Bemerkung Leus zu seiher Simlerausgabe S. 8 („Zugewandte, d. i. Mit-Verbündete: Latein. /Socii alque Confoederati Helveliorum, Prantzös. Associez, Confederks et Co-AUiis"). Wagner bezeichnet in seiner Historia naturalis S. 5 Abt und Stadt St. Gallen, Graubünden, Wallis, Mülhausen, Biel, Neuenburg, Genf und den Bischof von Basel sämtlich als „Socii". Der Friede von Utrecht zwischen Frankreich und Preußen nennt allerdings die „tredeoim Pagi Helvetiae cum omnibus eorum ßociis ac Foederatis", macht aber zwischen beiden Ausdrücken so wenig einen Unterschied im angedeuteten Sinne, daß er Neuenburg und Genf vor St. Gallen und Mülhausen zwischen St. Gallen und Biel stellt. Im gleichen Frieden schließt Großbritannien die evangelischen Kantone mit ihren Foederatis, darunter St. Gallen und Biel, ein (Abschiede VII 1 S. 1408 und 1409). In den lateinischen Einschlüssen des Friedens von Ryswik werden von Seiten Großbritanniens, des Kaisers und Frankreichs als Foederati der XIII Orte sowohl die angeblichen „Socii" Abt und Stadt St. Gallen Und Biel als die angeblichen „Confoederati" Genf, Neuenburg, Mülhausen, Bünden und Wallis durcheinander erwähnt (Oechsli, Orte und Zugewandte S. 239 ff.). In dem lateinisch geführten Notenwechsel zwischen Großbritannien und der Eidgenossenschaft schreibt Zürich im Namen der „XIII Helvetiae Cantonum ac Gonfoederatorum", so daß hier Confoederati gerade für Abt und Stadt St. Gallen und Biel steht (St. A. Zur. Missiven B IV 290). Also kannte weder das Inland noch das Ausland einen Unterschied zwischen Socii und Confoederati Hefvetiorum. Ebensowenig läßt sich die von Füeßli behauptete Trennung der Zugewandten in „Associes" und „Allies" konstatieren. Der Ausdruck „Associes" kommt überhaupt in den Allianzverträgen und Friedensschlüssen nicht vor, „Allies" ist aber recht eigentlich das Wort für Zugewandte im weitesten Sinne. Fragen könnte man sich, ob sich aus den Dokumenten etwa ein rechtlicher Unterschied zwischen „Allies" und „Confederes" oder zwischen „Allies" und „Coallies" folgern ließe; allein auch das ist nicht der Fall. „Allies et Confederes" ist einfach ein pleonastischer Ausdruck für „Allies" und bezeichnet alle, die mit den Schweizern in einem Bundesverhältnis stehen, gleichviel ob mit allen Orten und ihrer Glieder. 159 ort die von den fremden Mächten eingehenden Schreiben an „lobl. eidgenössische und zugewandte Orte" auch ihm mitteile. Zürich aber weigerte sich, dies zu tun, sie seien denn an „sämtliche lobl. Eydtgen. und Zugewandte Ohrt unter dem Namen aller Mitverbündeter oder expresser Behamsung der Republik Wallis" gerichtet. Es war also nicht bloß Zufall, wenn der Vorort im 18. Jahrundert die Schreiben der Gesamteidgenossenschaft an den König von Frankreich, an seine Minister oder Botschafter mit der Unterschrift „Burgermeister, Schultheiß, Ländammann und Räte der XIII und Zugewandten Ohrt der Eydtgnoschafft so auch der Republic Walliß" oder „der XIII Stände und Zugewandten Ort der Eidgenossenschaft nebst der Republik Wallis" ergehen ließ. Die Reformierten wollten offenbar zugunsten Mülhausens, das sich im 18. Jahrundert bemühte, wieder den Beisitz auf den Legitimationskonferenzen zu Solothurn zu erlangen, einen Druck auf die katholischen Orte ausüben, indem sie drohten, gegen das Wallis gleich zu verfahren, wie die Katholiken gegen Mülhausen, d. h. es aus der Reihe der Zugewandten oder nur mit einzelnen. Im Frieden von Ryswik werden dieselben Stände von Großbritannien und Spanien als „Alliez et Confederez" der Schweizer eingeschlossen, wie, unter Beifügung des Abtes von St. Gallen und des Wallis, von Frankreich als „Alliez". Im Allianzvertrag von 1663 werden sechs Zugewandte, mit Einschluß von Mülhausen, das die Katholiken nur noch als besondern Verbündeten der Reformierten betrachteten, bald als „Alliez, Amis et Combourgeois" (Bundtsverwandte, Freunde und Mitbürger), bald als „Alliez, Amis et Confederez" (Zugewandte, Freunde und Bundtgenoßen), bald als „perpetuels Alliez" (Ewige Bundtsgenoßen und Zuegewandte), bald einfach als „Confederez" (Zuegewandte) oder „Alliez" (Zuegewandte, Bundtsgenossen) bezeichnet (Abschiede VI 1 S. 1641—1657). Im Bündnis von 1777 erscheinen die gleichen Zugewandten — ohne Grau-bühden — bald als „Etats Co-Allies" oder „Co-Allies", bald als „Allies", in beiden Fällen durch „Mit-Verbündete" übersetzt, so daß Allies und Co-Allies identisch sind, oder genauer: die Co-Allies sind diejenigen unter den Allies, denen in beidseitigem Einverständnis die Aufnahme ins französische Bündnis gewährt wird (Abschiede VII 2 S. 1323, 1327, 1329, 1335). 160 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft Orte auszuschließen und es als Sonderverbündeten der Katholiken zu behandeln Das eidgenössische Bundesglied Wallis war das bischöfliche Oberwallis. Es zerfiel in sieben größere Gemeinwesen, die sog. „Zenden", und seine innere Entwicklung bestand darin, daß sich das geistliche Fürstentum durch Einschränkung der Gewalt des Landesherrn, des Bischofs von Sitten, immer mehr in einen republikanischen Staatenbund verwandelte, der sich 1628 den offiziellen Namen einer „Republik" beilegte und ihn dem Bischof, dem Papst und den katholischen Eidgenossen zu trotz behauptete 2). Als grundlegend für die Zugehörigkeit des Wallis zur Eidgenossenschaft galt nicht das Burg- und Landrecht von 1403, sondern dasjenige, das fünf von den sieben Zenden 1416/17 im Aufstand gegen den Bischof Wilhelm von Raron und sein Haus mit Luzern, Uri und Unterwaiden eingingen. Dazu gesellte sich ,1475 ein ewiges Bündnis des Bischofs und der Zenden mit Bern. Seitdem betrachteten sich die Walliser als Schweizer und nahmen teil an den eidgenössischen Kriegen und Bündnissen, wie sie 1475 dem mit Karl dem Kühnen verbündeten Savoyen das Unterwallis entrissen und als Untertanenland behaupteten. Bei seiner Größe und Volkszahl konnten die Eidgenossen das Wallis nicht anders als auf dem Fuß der Gleichberechtigung behandeln. Wenn es dennoch kein Ort wurde, geschah es, weil es ein größeres Maß partikularistischer Selbständigkeit in Anspruch nahm als die Orte. . ' und ihrer Glieder. 161 !) Oechsli a. a. 0. S. 181 ff. St. A. Zürich, Missiven B IV 367, 444, 469, 476,507,508. 2) Gay, Histöire du Vallais S. 209. Während Bern nicht anstand, bei der Bundeserneuerung von 1643 dem Wallis den Titel „Republik" zu geben (St. A. Zürich, Akten Wallis A 258 2), so sträubten sich die katholischen Orte aus Rücksicht auf den Bischof ein halbes Jahrhundert hindurch dagegen, bis 1680 ein Vergleich zustande kam, dessen erster Artikel lautete: „Soll einem lobl. Stand Wallis von den sieben lobl. katholischen Orten der Titul Reipublicae in allen schrift- und mündlichen actis gegeben werden ohne Vorbehalt". Abschiede VI 2 S. 21. In der Reformation schlossen Bischof und Landschaft 1529 und 1533 ein ewiges Bündnis mit allen katholischen Orten. Der Form nach nur eine Erneuerung und Erweiterung des alten Burg- und Landrechts mit Luzern, Uri und Unterwaiden, war der Vertrag von 1529/33 in Wirklichkeit ein konfessioneller Sonderbund der VII katholischen Orte mit Wallis. Doch . fand dieses es für geraten, auch sein Bundesverhältnis zu Bern von Zeit zu Zeit zu erneuern. Daher sahen auch die reformierten Orte im Wallis fortwährend ein Glied der Gesamteidgenossenschaft, obschon es bei seiner insularen Abgeschlossenheit am Bündesieben nur geringen Anteil nahm und — im Gegensatz zu Abt und Stadt St. Gallen — seit Mitte des 17. Jahrhunderts auf den Tagsatzungen nur sporadisch erschien, gewöhnlich nur noch bei denjenigen in Solothurn, wenn etwas mit dem französischen Botschafter zu verhandeln war. Auch hatte es keine organische Stelle im eidgenössischen Defensionalsystem; man begnügte sich mit seiner Versicherung, daß es für den Notfall seine Mannschaft bereit halte 1). In Churrätien oder Churwalen, d. h. dem Churerwelsch-land, wie die Alamannen im Mittelalter diesen Rest der alten Provinz Rätien getauft hatten, war im 15. Jahrhundert das neue Gemeinwesen der drei Bünde entstanden. Der älteste der drei Bünde war der 1367 geschlossene Gotteshausbund, gewöhnlich das „Gotzhauss zue Chur", das „Gemein Gotzhus" oder schlechthin „das Gotzhus", daneben aber schon 1519 auch „der Gotzhus Pundt" genannt (lat. Liga de Domo Dei Curiensis, Foedus Domus Dei, Foedus Cathedrale; romanisch la Chiade, la Ligia de la Chiade; italienisch Lega Cade, Cadea, de la Casa di Dio; französisch Ligue de la Cadee, Ligue de. la Maison-Dieu)2). ») Oechsli a. a. O. S. 13, 69 ff., 133 ff., 178 ff., 286—310. 2) Fr. Jecklin, Materialien zur Standes- und Landesgeschichte Gem. III Bände II S. 17, 19, 21, 30 etc., 135, 388 ff., 463. C. Jecklin, Urkunden zur Verfassungsgesch. Graubündens S. 41 ff., 57, 75, 82, 88, 100, 104, 115. Zu den nicht deutschen Benennungen vgl. Abschiede III 2 S. 1327, 1330; 11 162 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft Der Zeit nach der zweite, dem Eange nach seit 1550 der erste war der Obere oder Graue Bund (1395 und 1424), anfänglich der „Ober Tau", der „gemein Tau im Oberland", der „ge-main Pund im obren Tau", der „obere Tail und Pund", der „Obere Pundt" oder schlechthin „der Pundt" genannt1). Der Name „Grawer Pund" scheint ursprünglich ein Spottname gewesen zu sein, wurde aber von ihm vor 1486 adoptiert. Im Bündnis mit den Eidgenossen vom 21. Juni 1497 nennen sich die vertragschließenden Gemeinden „alle gemeinlich des grawen punds in ober Curwalen", und 1499 führt der Bund ein eigenes Siegel mit der Umschrift „Ligae Grisae" 2). Im Pensionen-Brief von 1500 erscheint er als der „obere grawe punth", und das V 1 S. 1906; V 2 S. 2035, 2038, 2039, 2161, 2176; VII1 S. 1397; VII2 S. 1310. Schieß, Bullingers Korrespondenz mit den Graubündnern (Quellen zur Schweizergesch. B. 22—25) I S. 43, 56, 354 etc. Campell, Raetiae Des-criptio (Quellen zur Schweizergesoh. VII) S. 46, História Raetioa (Quellen VIII) I S. 444. Rott, Inventaire sommaire I S. 305, 312, 314, 345, 422 ff.; IV S. 395. x) Wartmann, Rätische Urkunden, Quellen zur Schweizergesch. X S. 256, 273, 321, 355, 373, 386, 414. Fr. Jecklin, Materialien II S. 17, 19, 20, 24, 26, 30, 32, 33, 34, 39, 44, 47, 48, 49, 58, 63, 66, 70, 79, 88, 90, 91, 94, 96, 97. C. Jecklin, Urkunden zur Verf. Graub. S. 35, 48, 69, 71. 2) Vom „Grawen Bund" sprechen z. B. Zürich und Österreich 1442, die Eidgenossen 1470 und 1476 (Abschiede II S. 155, 158, 405, 590), Ammann und Rat zu Davos 1469 (Jecklin, Materialien II S. 31), ferner die sog. Klingenberger Chronik zu 1437 S. 236,247, der Dichter Veit Weber in seinem Lied auf Freiburg 1475 (Tobler, Schillings Berner Chronik I S. 324), ein Beweis, daß der Name im 15. Jahrh. schon allgemein verbreitet war. Offiziell erscheint er erst 1486 im Friedensvertrag mit Mailand (Jecklin, Die Wormserzüge S. 84) und 1497 im Bündnis mit den Eidgenossen (Abschiede III 1 S. 745). Das Siegel des Obern Bundes existierte beim Abschluß des Bundes mit den Eidgenossen am 21. Juni 1497 noch nicht; denn die Vertreter des Obern Bundes siegeln den Bundesvertrag teils mit den Gemeindesiegeln, teils mit ihren persönlichen Siegeln. Aber ein Bericht der Boten der III Bünde in Zürich über die Schlacht bei Dornach am 23. Juli 1499 trägt bereits das Siegel des Obern Bundes mit dem Kreuz und der Umschrift Ligae Grisae; Fr. Jecklin, Anzeiger für Schweiz. Gesch. VIII S. 31. und ihrer Glieder. 163 ist von nun an seine regelmäßige Bezeichnung. Lateinisch heißt der Bund Liga Grisa oder Grisia, Liga Superior, Liga Superior Grisaque, Foedus Superius, Foedus Griseum, Foedus Canum, romanisch Ligia Grischa, Ligia Dsura, italienisch Lega Grisa oder Grigia, französisch Ligue Grise 1). Im Todesjahr des letzten Toggenburgers Friedrich VII., 1436, entstand in seinen rätischen Besitzungen der Bund der „Elfgerichte", der durch die Verschmelzung des dem Domstift Chur gehörigen „Chorherrengericlits" zu Schiers mit dem dortigen herrschaftlichen Gericht zum Zehngerichtenbund wurde2). Obschon die letzten Spuren des Chorherrengerichts zu Schiers sich erst im 17. Jahrhundert verlieren, ist doch die Verwandlung der „Ainliff Gerichte in Churwalchen" in die „Zehen Gerichte" schon gegen Ende des 15. Jahrhunderts vollzogen. Die „Zehen Gerichte in Churwalhen", auch schlechthin „die Gerichte" oder „der dritt Pund", seit 1569 auch „Zechen Gerichten Pundt" (lat. Decem Judicia, Communia Judicia, Liga oder Foedus Decem Judiciorum, Jurisdictionum, Foedus Inferius; rom. Ligia de las Desch Dratüras; ital. Le Diece Dritture, Liga delle X Dritture; franz. Ligue des Dix Droictures, des X Jurisdiction) treffen bereits im Jahre 1498 Bestimmungen über Tröstungen, Kleidertracht etc. und helfen 1500 den Pensionenbrief erlassen 3). *) C. Jecklin, Urkunden S. 77, 82, 88, 94, 104, 105, 112, 115. F. Jecklin, Wormserzüge S. 86, 87, 124. Abschiede III 2 S. 1327, 1330; V 1 S. 1906; V 2 S. 2035 f., 2161, 2174; VII1 S. 1396; VII 2 S. 1310. Campell, Descriptio S. 44 f., Historia I S. 444. Schieß a. a. O. I S. 210, 404; III 292. z) Wagner und Salis, Rechtsquellen des Kantons Graubünden II S. 4. 3) „Ainlif Gerichte", C. Jecklin, Urk. S. 29, 42, 58, 90. Fr. Jecklin, Materialien II S. 10, 17, 33, 45, 90. Wagner u. Salis II S. 30. „Gerichte" oder „Gemeyne Gerichte", Fr. Jecklin Mat. II S. 30, 31, 34, 35, 36, 38, 44, 48, 63, 71, 73, 93. „Zehen Gerichte", Wagner u. Salis II S. 31; C. Jecklin, Urk. S. 75, 77, 82, 94, 105, 112. „Zechen Gerichten pund", Fr. Jecklin Mat. II S. 405, 468; C. Jecklin, Urk. S. 115; Abschiede V 1 S. 1874. Zu den fremden Benennungen vgl. Abschiede III 2 S. 1327, 1330; VIS. 1906; V 2 S. 2036,2161,2174,2176,2195,2208; VII1 S. 1396; VII2 S. 1287,1310; Schieß a. a. O. III S. 562; Fr. Jecklin, Wormserzüge S. 86; Campell, Hist. I S. 444. 164 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft Schon vor 1461 müssen sich nun die drei Bünde wieder zu einem größern Gemeinwesen verbunden haben, das uns am 28. August jenes Jahres unter dem Namen „Dryger Pünden" handelnd entgegentritt und dessen Bundestage zu Chur, Uanz und Davos als den Hauptorten der drei Bünde sich seitdem beinahe für jedes Jahr nachweisen lassen1). Der offizielle Name dieses größern Gemeinwesens ist „Die dry Pünt in Chur-walchen" oder „Gemeyn dry Pünt"2), woraus im Leben „die Dry Pünt", „die Pünt" oder „Pünt" schlechthin und schließlich die Adverbialform „Pünten, Bünden" für das Land wurde 3). All diese Namen finden sich schon im 15. Jahrhundert. Der Humanismus, der die Erinnerungen an die alte Provinz Rätien wachrief, zeitigte im 16. Jahrhundert Formen, wie „Gemeiner dreyer Rhätieren Pündten" (a. 1576), „der dryen gmeynen Pündten hocher Rhätyen" (a. 1600), „gemeyner dryen Pündten in hocher Rhätia" (a. 1602). Zürich erneuerte 1706 sein Bündnis mit den „dreien Pünden in hoher Rhätia4). Die Redaktoren des verhängnisvollen Bundes zwischen den drei Bünden und Venedig von 1603 bekundeten ihr antiquarisches Wissen, indem sie von dem „lobl; Standt der ersten uralten Rhefcia" *) Fritz Jecklin, Zwei Urkunden zur Frage des Vazerolerbundes (Sep. aus der Neuen Bündner Zeitg. 1907). 2) C. Jecklin, Urk. zur Verfassungsgesch. Graubündens S. 73, 75, 78, 83, 89, 113. Fr. Jecklin, Materialien II S. 70, 72, 92, 100, 111, 199, 435 etc. Abschiede III 2 S. 1366, 1369, 1390, 1393, 1397, 1406, 1417. 3) „Dry Pünt", Jecklin Materialien passim. „Die Pünt": id. S. 27, 67, 78, 80, 91, 101 etc., Acta des Tirolerkriegs passim, Schradin (Geschichtsfreund IV) S. 17, 44, Anhorn (Haffter, Jenatsch, Urkundenbuch S. 171). „Zürich und Pünt", Jecklin, Mat. II S. 141; „Aidgnossen und Pünt", Acta des Tirolerkriegs S. 30, Eidg. Abschiede IV 1 b S. 1565. „In Pünten", Jecklin Mat. II S. 105,151, Anhorn S. 173, Ardüser, Chronik S. 58,84; „von Pünten", Jecklin Mat. S. 14, 118, 142, Acta S. 35, Jecklin, Wormserzüge S. 122; „uss den Pünthen", Jecklin Mat. II S. 151; „auß Pünten", Anhorn (S. 172), (Zürcher) Zeitung Post 1633 und 1635. *) Jecklin, Mat. II S. 467. Abschiede V 1 S. 1874, 1894, 1897; VI 2 S. 2325. und ihrer Glieder. 165 (ill. Rhetiae primae antiquae ordo) und den „Gmeinden gmeiner dreyen Püntten der ersten freyen Rhetia in ober dütschen Landen" (Rhetiae primae liberae in superiore Alemania sub trium foe-derum Rhetorum nomine clarae communitates) sprachen. 1706 erneuern „Landrichter, Präsident, Landammann, Rath und Gemeinden dies- und jenseits der Bergen der dreien Pündten des grauen, Gottshaus und zehen Gerichten der ersten alten Rhätia" das Bündnis mit Venedig *). Wie das Wallis, wollten auch die Gemeinen III Bünde den Titel Republik haben. So schloß die „Hoch-Rhätische Republik" 1713 ein Defensivbündnis mit den Niederlanden, und 1763 erneuerte Maria Theresia als Herzogin von Mailand das alte Bündnis Spaniens mit der „Lobl. Republick der drey Bündten in Hohen Hhätien" (magnificam trium Foederum altae Rhaetiae Rem-publicam). Am 17. Oktober 1798 schloß der Kriegsrat des „Freistaats der drei Bünde" ein Übereinkommen mit den kaiserlichen Generälen über die Besetzung des Landes gegen Franzosen und Helvetier 2). Von den III Bünden haben die „Pünter" des 15. und 16. Jahrhunderts und die „Püntner, Bündtner" des 17. und 18. Jahrhunderts ihren Namen3). „Puntsknechte" heißen die !) Abschiede VI S. 1905 f.; VI 2 S. 2318. 2) „Allianz-Tractat zwischen denen Herren General Staaten und der Hoch-Rhätischen Republic, so Anno 1713 beschlossen und ratificirt worden" (Barth N. 2812), Abschiede VII 2 S. 1286. Strickler, Aktensammlung der Helv. Republik III S. 140. 3) Der Übergang von der Form „Pünter", die wir in den eidgenössischen Akten (vgl. z. B. Abschiede IV1 b S. 949) und den Chronisten des 16. Jahrhunderts, so bei Ludwig Sterner (Büohi, Quellen z. Schweizer Gesch. Bd. 20) S. 606, Brennwald II S. 344, 420, Anshelm II S. 115, 118, 119, 199, 200 finden, zu der uns geläufigen „Püntner" zeigt Anhorn, Graw Püntner Krieg, der, wenigstens nach der von Moor veröffentlichten Abschrift, anfänglich „Pünter" schreibt (S. 10, 12, 13, 26 etc.), später dagegen „Püntner" (S. 92, 114, 118 usw.). Die Probe, die Haffter (Georg Jenatsch, Urkundenbuch) S. 169 ff. aus dem Originalmanuskript gibt, hat „Pünter" und „Püntner". Der gleichzeitige Ardüser schreibt „Pündtner" (S. 78, 88 etc.). igg Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft Krieger der III Bünde, „Puntsman", „Pundsleut" die Angehörigen der souveränen Republik im Gegensatz zu den Untertanen und Fremden x). Neben dem Namen der „Drei Bünde" in seinen verschiedenen Variationen, der bis März 1799 der offizielle blieb, ging aber seit dem 15. Jahrhundert ein anderer her, der jenen schließlich verdrängt hat, Graubünden. Der Graue Bund hat dem ganzen Land und Volk den Namen gegeben, wie Schwyz der Schweiz und den Schweizern, wohl weniger deshalb, weil er am „Punts-tag" die meisten Stimmen hatte und 1550 durch Urteil des Zehn-gerichtenbundes den Vorrang vor dem altern Gotteshausbund zuerkannt erhielt, als weil sein Name als etwas Eigenartiges, Charakteristisches sich der Welt einprägte. Im Schwabenkrieg hießen die Bündner bei den Tirolern und Vorarlbergern die „Grawen Puren" und sogar die „Grawen Hund" 2). Schon 1496 verhandelte die Innsbrucker Regierung mit den „drey Graben Pundt", und im Beginn des Schwabenkriegs mahnte König Maximilian Zürich davon ab, den „Grawen Punndten in Cur-walhen" Zuzug zu leisten 3). Auch in der Einzahl wird der „Graw Pund" schon während des Schwabenkriegs für das ganze Land gebraucht, so von Maximilian, der seine Diener in ihren Anstrengungen „wider die vom Grawen Pundt Curwalhen" bestärkt, und von den eidgenössischen Hauptleuten, die von feindlichen Truppenbewegungen „wider die unnsern vom Grawen Pund in daz Etschland", sowie von Klagen „unser pundgnossen vom Grawen Pund" melden. Das Lied von der Calvenschlacht läßt und ihrer Glieder. 167 J) Pundsknecht: Acta des Tirolerkriegs passim. „Puntsman" und „Pundsleut"; Acta S. 26, C. u. Er. Jecklin, Festschrift zur Calvenfeier II S. 55, C. Jecklin, Urk. zur Verf. S. 116, Fr. Jecklin, Materialien II S. 473 („So seindt die Bargüner Pundsleuth und nit Veltliner"), Anhorn, Graw-pünder Krieg S. 17, 26, 37 usw., Ardüser S. 12, 40 usw., Tobler, Schweiz. Volkslieder II S. 122, 124. 2) Jecklin, Calvenfeier II 'S. 6, 53. Brennwald II S. 376, 419. 3) Fritz Jecklin, Materialien II S. 103,-105. C. u. F. Jecklin, Calvenfeier II S. 94. die „puren im grawen pund" die „Krähe" (das Tiroler Wappen) jagen, und der alte Gris beginnt sein Gedicht vom Schwabenkrieg mit den Worten: „Der graw punt hat zuo den eidgnossen geschworn" x). Seit dem Schwabenkrieg ist in den eidgenössischen Akten neben den „Dry Pünden in Curwalen" oft die Rede von „den drien Grawen Pünden", „den dryen Pündten im Grawen Pundt" und den „Grawpündern". So werden 1515 im Frieden von Gallarate der „grau Bund" und die „Grawen-pünder", im Bündnis mit Franz I. von 1521 die „dri grawen Pünd" erwähnt, die seitdem in allen eidgenössischen Allianzverträgen mit Frankreich bis 1663 als Kontrahenten figurieren2). 1526 reklamieren die XII Orte beim Herzog von Mailand wegen ihrer „pundgenossen in dem grawen Pund" und machen ihn auf ihre Verwandtschaft mit den „grawen Pünderen" aufmerksam. 1531 schließen die „drey Grahen Pündt" samt den VIII Orten mit Mailand die Allianz gegen den Müsser und 1532 ratifizieren „die dry Pünde des Grawen punds" den Frieden mit letzterem 3). 1621 versprechen die IV evangelischen Städte, ihre „Eid- und Bundesgenossen der III grauen Bünde in Rhätien" zur Observation des Madrider Vertrags anzuhalten, und im Ewigen Frieden von 1639 geloben sich „Königl. Majestät in Hispania und die Herren der drey grauen Pündten" wahren Frieden und ewige Nachbarschaft. In dem Bündnis Berns mit den III Bünden von 1602, wie bei der Bundeserneuerung mit Zürich von 1706 wird das Rechtsverfahren zwischen den beiden Städten und den „drei grauen Bünden" festgesetzt, und um 1745 wurde sogar der Entwurf einer Allianz zwischen Großbritannien und „denen loblichen Grauen Bündten" gedruckt4). ' J) C. und F. Jecklin, Calvenfeier II S. 57, 60, 130, 149, 223. 2) Abschiede III 2 S. 907, 910; IV 1 a S. 1491; IV 1 b S. 275; IV 1 e S. 1385; IV 2 S. 1510; V 1 S. 1882; VI S. 1643. Uber das Verhältnis Graubündens zum Bunde von 1663 siehe Oechsli, Orte und Zugewandte S. 210 f. 3) Abschiede IV 1 a S. 790; IV 1 b S. 1563—65, 1582. *) AbschiedeVl S. 1894; V2 S.224, 2177; VI2 S.2327. BarthIN. 3010. 168 Die Benennungen der alten Eidgenossensehaft Auch in der Literatur rivalisieren der „Graw Pund", die „Grawen Pünde" und die „Grawpünder" mit den Gemeinen Drei Bünden, den Bünden und Bündnern. Schradins Reimchronik feiert die „dry grawen Pündt" und die „Grawpünder" als Sieger „uff der Malßerheid". Bei Brennwald und Anshelm erscheinen der „Grauwe Pund", die „Grawenpünde", die „Graw-pünter" oder „Grauwpüntner" häufig. Tschudi bezeichnet in seiner Alpisch Rhätia das Land bald als „Grawpund" in der Einzahl, bald als „die Grauen dry Pünd", Simler das Volk als „Grauwpündter" oder „Pündter", während er das Land immer die „drey Pündt" oder „Pündten" nennt. Campell erwähnt in seinem lateinischen Werk als allgemein gebräuchliche Bezeichnungen „die Grauven Pündt" und „die Grauven Pündter". Guler von Weineck veröffentlichte 1616 eine „Ausführliche und wahrhaffte Beschreibung Der dreyen Loblichen Grawen Bündten", und Anhorn, der Zeitgenosse des Georg Jenatsch, schrieb zehn Bände über den „Grauw Püntner Krieg" x). Im 17. Jahrhundert wurde endlich aus den „Grauen Bünden" nach Analogie von Bündten „Graubündten" oder „Graubünden", wie das Land in der Literatur des 18. Jahrhunderts gewöhnlich genannt wird 2). 1) Gesohiohtsfreuud IV S. 15, 18, 43, 44. Anshelm-IV. S. 174 hat, allerdings im Dativ, schon die heutige Form „Grawpünden". Simler, Regiment lobl. Eydgnoschafft S. 228 ff. Campell, Descriptio S. 44, 57 und Historia I S. 61. Über Anhorns Werk siehe Haffter im Anzeiger für Schweiz. Gesch. VII S. 546. 2) „Böhmen, Venedig and Graupindn wissen ihre Schalckheit zu ergründen". Lied von 1620, Zinsli, Politische Gedichte aus der Zeit der Bündner Wirren S. 106. Den Übergang von den Grauen Bünden zu dem artikellosen Graubünden zeigt die 1688 in Leipzig erschienene Übersetzung von Burnets Reise durch die Schweiz und Italien, Deutschland und Frankreich 1685/86 (Barth N. 17519) S. 163 („die Haupt-Stadt Cur in denen Graubündten") und 235 („der Wein in Graubünden"). Die Schrift „Staat der Schweizerischen Eidgenoßen und ihrer Verbündeten" (von Gude, Haller I N. 710) sagt noch um 1700: „die Graubündte sind reformirt" (S. 92), dagegen haben die Lexika von Zedier (1735) und Leu (1747 ff.) Graubünden oder Graubündten. Auch Scheuchzer, der das Land sonst gewöhn- und ihrer Glieder. 169 Viel früher als im Deutschen, gelangte der Name Graubünden in den romanischen Sprachen zu alleiniger Geltung. Die rätoromanischen Formen „las Ligias Grischas" und „ils Grischuns" [reichen, wenn auch literarisch erst im 16. Jahrh. bezeugt1), sicher ins 15. Jahrh. zurück. Ebenso zeigen die von Jecklin veröffentlichten Mailänder Akten über die Wormserzüge von 1486/87, daß „Liga Grisa" (Grisia, Grisea) im Lateinischen oder „Lega Grisa" (Grixa) und „Grisoni" im Italienischen als Gemeinbezeichnung für die „Barbaren" der „Tres Ligae Cur-waliae" in der Lombardei schon im 15. Jahrhundert üblich waren 2). An dem Bündnis der Eidgenossen mit Papst Leo X. von 1514 nahmen die „Tres partes Ligae Grisiae (Grigiae) in Curwal", an dem Genfer Frieden mit Franz I. von 1515 die „Tres ligae Grisanorum" teil3). Die Berichte der Agenten Ludovico Moros über den Schwabenkrieg sprechen fast auf jeder Seite von den „Grisani", „Grixani", „Grissoni", „Grixoni", während Mac-chiavelli und Guicciardini Zeugen dafür sind, daß die „Grigioni" schon im Anfang des 16. Jahrhunderts Aufnahme ins klassische Italienisch gefunden haben 4). Schon 1499 beginnt auch die Korrespondenz der französischen Könige mit den „III Ligues Grises"5). „Les trois Ligues Grises" oder „les cantons de la Ligue -grise" oder „le pays des Grisons" blieben fortan ein Haupt-objekt der französischen Politik in der Schweiz. Neben dem Bot- lich „Pündten" nennt, hat in Nummer 9 seiner „Natur-Geschichten" (3. März 1706) S. 33 „Grau-Pündten". !) Campell Dešcr. S. 45, 57, Hist. I S. 61. 2) Fr. Jecklin, Die Wormserzüge der Jahre 1486/87 S. 80—87, 122, 126 (universitas Trium Ligarum Aíamaniae, quos vulgo confederates Ligae Grisae appellant); 92, 101, 103, 112, 116, 118, 125 (Alamani delle Tre Lighe seu della Liga Grisa), 127. 3) Abschiede III 2 S. 1372—77, 1398. 4) Motta e Tagliabue, Pel Quarto Centenario della battaglia di Calven e Mals, documenti, passim. 6) Rott, Hist, de la Representation Diplomatique de la France auprés des cantons Suisses I S. 120, N. 2, 122 N. 8, 125 N. 4. 170 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft schafter in Solothurn unterhielt Frankreich seit 1525 einen besondern Botschafter „aupres des Grisons" 1). Der Grund, der den Anschluß Graubündens an die Eidgenossenschaft herbeiführte, war die planmäßige Annexionspolitik Österreichs, das vermöge, gewisser Herrschaftsrechte im Münstertal und Unterengadin festen Fuß im Gotteshausbund gefaßt hatte, 1477 und 1496 acht von den Zehn Gerichten und 1497 die Herrschaft Räzüns im Obern Bund an sich brachte. Zunächst schloß der graue Bund am 21. Juni 1497 ein ewiges Bündnis mit den VII östlichen Orten (ohne Bern) und am 13. Dezember 1498 folgte der Gotteshausbund dem Beispiel, während der Zehngerichtenbund unter dem Einfluß Österreichs sich fern hielt. Die Verträge mit den zwei Bünden waren auf dem Fuße voller Gleichheit geschlossen, und doch wurde Graubünden kein Ort, weil das Bündnis zu locker war. Da dieses keine klare Hilfsverpflichtung stipulierte, sondern beide Teile nur zu „getreuem Aufsehen" verpflichtete, war es eigentlich bloß ein ewiger Freundschaftsvertrag, der nur durch die Umstände erhöhte Bedeutung erhielt. Denn so wie die Dinge lagen, bedeutete er doch die Losreißung Graubündens von der Machtsphäre Österreichs, und die unmittelbare Folge davon war der Schwabenkrieg, in dem Schweizer und Bündner sich die tätigste Hilfe leisteten. Auch der Zehngerichtenbund, der anfänglich hatte neutral bleiben wollen, wurde mit in den Kampf hineingerissen und besiegelte durch die Bluttaufe an der Calven seine Verbindung mit den beiden andern Bünden und damit indirekt die mit den Eidgenossen. Seit dem Schwabenkrieg galten die III Bünde als ein integrierender Bestandteil der Eidgenossenschaft. Sie nahmen teil an ihren Feldzügen und Allianzen und erhielten ihren bestimmten Rang und Sitz auf der Tägsatzung. Aber schon während der !) Rott I S. 242 N. 3, 320 N. 5, 343,345 N. 6u. 7, 346 N. 2 u. 3,347 N. 1,4, 371 N. 1, 387 N. 6, 467 N. 6, 496 N. 3 u. 5, 497 N. 7, 498. La Ligue Grise (im Sinn des Ganzen), les cantons de la Ligue Grise: Rott I S. 158 N. 1, 216 N. 2, 343 N. 1, 347 N. 1, 346 N. 2 u. 3, 347 N. 1, 348 N. 4 u. 5, 416 N. 1. H}\ und ihrer Glieder. 171 BJ Reformation drohten die V katholischen Orte Graubünden mit Rr Abbruch der Bundesgemeinschaft, wenn es die Ketzerei in seinem Bf. Gebiet dulde, und das vieldeutige getreue Aufsehen der Verträge B bot ihnen den bequemen Vorwänd, um dem großenteils protestan-B tisch gewordenen Lande jede Hilfe zu versagen, so zuerst 1531 B im Müsserkrieg und dann in den Bündner Wirren des 17. Jahr-IS; hunderts. Bis ins 18. Jahrhundert hinein machte Graubünden B Versuche, die unvollkommenen Bundes vertrage von 1497/9& K durch bessere zu ersetzen. Alles, was es erreichte, war, daß Ip Zürich und Glarus am 18. September 1590 auch den Zehn-IS; gerichtenbund ausdrücklich in das Bündnis aufnahmen, |§ ferner ein Bündnis aller III Bünde mit Wallis vom 6. August R 1600 und endlich ein solches mit Bern, das sich 1497/98 fernge- ■ halten hatte, aber nun am 30. August 1602 mit allen drei Bünden m einen Vertrag abschloß, der die Verpflichtung zu gegenseitiger ■ Bundeshilfe unzweideutig festsetzte. Mit Basel, Schaff hausen H| und Appenzell gelangte dagegen Graubünden rechtlich zu gar keiner Verbindung, weil es dazu der Einwilligung der katholischen Orte bedurft hätte. Die katholischen Orte aber sahen in den Bündnern seit der Reformation tatsächlich eher Feinde als Eidgenossen, wenn sie sich auch hüteten, ihnen das Bündnis förmlich aufzusagen. Als Spanien und Österreich sich im Beginn des Dreißigjährigen Krieges die inneren Wirren Graubündens zunutze machten, um das wegen seiner Pässe so wichtige Land in ihre !: Gewalt zu bringen, da spielten die katholischen Orte mit den ■ Habsburgermächten unter einer Decke und sperrten den Zürchern ; und Bernern, die ihre Bundespflicht erfüllen wollten, den Weg. Wenn Graubünden damals nicht der Schweiz verloren ging, war dies nicht der gespaltenen Eidgenossenschaft, sondern dem Eingreifen Frankreichs und der verschlagenen Politik des Georg Jenatsch zu verdanken. Die natürliche Folge war, daß Graubünden von nun an seine eigenen Wege ging. Seit Mitte des f 17. Jahrhunderts besuchte es die Tagsatzung nicht mehr, es lehnte auch die Teilnahme an den eidgenössischen Defensional-einrichtungen ab, solange ihm die Eidgenossen nicht ein anderes 172 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft Bündnis gewährten, kraft dessen es bestimmt auf ihre Bundeshilfe rechnen konnte, und was seine Entfremdung vollständig machte, es trat aus der französischen Allianz aus und ersetzte sie durch eine solche mit Spanien-Österreich. Im 18. Jahrhundert war Graubünden für die Schweiz beinahe ein fremder Staat geworden, mit dem nur Zürich und Bern noch eine notdürftige Bundesgemeinschaf t. auf recht erhielten. Obschon es noch immer als ein Zugewandter Ort galt, so bildete es in Wirklichkeit den Übergang zu den bloßen „Verbündeten" 1). Deren Reigen eröffnete Mülhausen im Elsaß, das schon 1466 ein 25jähriges Bündnis mit Bern und Solothurn geschlossen hatte und 1515 als ein „Ortsschloß und eine Vormauer gemeiner Eidgenossen" von sämtlichen XIII Orten ins ewige Bündnis aufgenommen worden war, alle Rechte eines zugewandten Ortes genössen und seinen bestimmten Sitz auf der Tagsatzung erhalten hatte. Aber die reformiert gewordene Stadt lud den Groll der Katholiken auf sich durch Begünstigung der Werbung für die Hugenotten, und die Beleidigung einer Gesandtschaft der katholischen Orte während des sog. Finningerhandels bot dem eben geschlossenen Borromeischen Bund den willkommenen Vorwand, Mülhausen am 4. November 1586 den Bund zu künden. Die katholischen Orte setzten auch Mülhausens Ausschließung aus der Tagsatzung durch, indem sie drohten sich zu entfernen, wenn ihrem Verlangen nicht willfahrt werde. So wurde Mülhausen gegen seinen Willen aus einem zugewandten Ort der Eidgenossenschaft zum Sonderverbündeten der reformierten Orte degradiert, die es für eine politische und religiöse Ehrenpflicht hielten, die Schweizerstadt im Elsaß nicht preiszugeben. Auch nahm Mülhausen an allen Erneuerungen des französischen Bündnisses teil. Erst das revolutionäre Frankreich nötigte die kleine !) Oechsli, Orte und Zugewandte S. 78 ff., 116, 119 f., 124 ff., 133 ff., 164, 176ff., 209ff., 404—433. Pieth, Graubünden und der Verlust des Veltlins S. 5 ff. Iund ihrer Glieder. 173 Republik an der III zum Anschluß, der am 15. März 1798 voll-zogen wurde, ohne daß die selbst bedrohten Schweizerstädte es mehr zu hindern vermocht oder versucht hätten 1). Ähnlich wie Mülhausen hatte die Stadt Rott weil am Neckar ein schon im 15. Jahrhundert eingegangenes zeitweiliges Bundesverhältnis zu den Eidgenossen erlöschen lassen, um es 1519 durch ein ewiges Bündnis mit allen XIII Orten neu zu : knüpfen. Aber eigentlich schweizerisch konnte die schwäbische Reichsstadt bei ihrer entfernten Lage nicht werden. Sie versuchte das Kunststück, deutsch und schweizerisch zugleich zu sein, was auf die Dauer nicht möglich war. 1610 trat die eifrig katholische Stadt der katholischen Liga im Reiche bei, und beim Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges ergriff sie ohne Rücksicht auf dje Neutralität der Eidgenossen Partei. Rottweil wurde ein Hauptstützpunkt der kaiserlich - ligistischen Heere, es besuchte die eidgenössische Tagsatzung trotz wiederholter Einladung nicht mehr, beseitigte die eidgenössischen Abzeichen am Rathaus und gab den eidgenössischen Trommelschlag auf. Erst der Umschlag des Kriegsglücks durch das Erscheinen Gustav Adolfs in Süddeutschland rief den Rottweilern plötzlich wieder ' j ihre Zugehörigkeit zur Eidgenossenschaft ins Gedächtnis. Aber ■• nun erklärten die reformierten Orte 1632, weil Rottweil sich seit j geraumer Zeit von der Eidgenossenschaft abgesondert, indem es dem Haus Österreich, dem Kaiser und der papistischen Liga ; Paß und Repaß gegeben, sie mit Geld unterstützt, Garnison ! eingenommen, wolle man sich seiner nicht beladen. Sie versagten also Rottweil die fernere Anerkennung als eines zuge-X wandten Ortes, und auch die katholischen Orte zeigten keine , . Lust, der Stadt mit der Tat zu helfen, der beste Beweis, daß die reformierten Orte im Recht waren, indem sie Rottweil nicht sowohl aus dem Bund stießen, als vielmehr seinen Abfall konstatierten und nur den Versuch vereitelten, die freiwillig auf-i gegebene Verbindung wieder neu anzuknüpfen2). : - .■ r/ J) Oechsli a. a. 0. S. 88 ff., 116, 123, 161, 192, 366—400. I 2) Oechsli a. a. O. S. 92 ff., 120, 137, 191, 212, 311—320. 174 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft Ein altes Stück Schweizerboden war das Fürstentum oder die frühere Grafschaft Neuenburg. Grundlegend für die Zugehörigkeit Neuenbürgs zur Eidgenossenschaft war ein ewiges Doppelburgrecht, das der Graf und die Bürgerschaft von Neu-chätel 1406 mit Bern abschlossen,"kraft dessen Graf und Bürger in innern Streitigkeiten Bern als Schiedsrichter anerkannten. Noch älter war ein Burgrecht des Grafen mit Solothurn; 1495 gesellte sich ein solches mit Freiburg und 1501 ein solches mit Luzern hinzu. Dank dieser Verbindung mit den vier Städten wurde Neuenburg von den Eidgenossen als ein Land betrachtet, •das sich „ihres Friedens und Unfriedens" zu trösten habe, als die Grafschaft 1504 durch Heirat an das französische Fürstenhaus der Herzoge von Longueville gelangte. Als die Eidgenossen mit Frankreich in Krieg gerieten, trauten sie dem neuen Herrn nicht, nahmen deshalb Neuenburg 1512 in Besitz und regierten es als gemeine Herrschaft, bis sie es 1529 dem Haus Longueville gegen Erneuerung der Burgrechte mit den vier Städten zurückstellten. Bern sorgte durch Einführung der Reformation dafür, dass seine Verbindung mit Neuenburg durch die Religionsgemeinschaft verstärkt wurde. Aber gerade deshalb nahmen die katholischen Orte nicht mehr das gleiche Interesse an dem Ländchen. Noch 1549 erklärten sämtliche Orte Neuenburg in einem Zwist mit Frankreich „als im Zirkel der Eidgenossenschaft gesessen und demselben einverleibt". Aber bei dem steigenden Religionshaß sah sich Neuenburg je länger je mehr auf Bern angewiesen. Schon Ende des 17. Jahrhunderts wurde den Neuenburgern das Recht, sich Eidgenossen zu nennen, von den katholischen Orten bestritten. Als vollends 1707 an Stelle des katholischen Fürstenhauses das protestantische Preußen trat, betrachteten selbst die mit Neuenburg direkt verbündeten katholischen Städte, etwa mit Ausnahme Solothurns, das Bundesverhältnis als erloschen. Dagegen blieb das Burgrecht Neuenbürgs mit Bern in voller Kraft, und König Friedrich I. wies das Fürstentum, das mit Preußen nichts als die Person des Fürsten gemein hatte, an, „sich immerhin als ein wahres Glied der Eidgenossenschaft zu betragen, sich und ihrer Glieder. 175 an ihre Schlüsse, Maximen und Politik ohne andere Rücksicht zu halten" *). Wenn Graubünden, Mülhausen, Neuenburg wenigstens zeitweilig von allen Orten als Bundes- und Eidgenossen anerkannt worden wären, so war das mit Genf nie der Fall, das daher der eigentliche Typus eines bloßen Verbündeten, im Gegensatz zum Zugewandten Ort, ist. 1519 hatte Genf durch ein Burgrecht mit Freiburg und 1526 durch ein solches mit Bern und Freiburg seine republikanische Freiheit gegen den Herzog von Savoyen gerettet; aber die Duldung der reformierten Predigt, die Bern forderte, hatte zur Folge, daß Freibürg 1534 den Burgrechtsbrief mit abgerissenen Siegeln zurückschickte. Während Bern durch den kraftvoll geführten Feldzug von 1536 die Waadt als verwirktes Pfand für die Sicherheit Genfs in Besitz nahm und dieses für die Schweiz rettete, schlossen die katholischen Orte ein Bündnis mit Savoyen, durch das sie sich verpflichteten, Genf keinerlei Schirm zu gewähren. Sie hielten ihr Wort nur zu gut. Alle Bemühungen Genfs, als Zugewandter Ort in die Eidgenossenschaft aufgenommen zu werden, blieben vergeblich. Einzig Zürich trat 1584 dem Bunde Berns mit Genf bei. Die übrigen evangelischen Orte wagten das nicht, da sie gemäss ihren Bünden ohne Zustimmung der eidgenössischen Mehrheit keine neuen Verbindungen eingehen durften. Nie aber konnten die katholischen Orte dahin gebracht werden, auch nur die leiseste Verbindlichkeit gegenüber der Stadt Calvins anzuerkennen oder ihre Zustimmung zu einer Erweiterung ihrer Verbindung auf die übrigen evangelischen Orte zu geben. Die Republik Genf blieb also die ausschließliche Verbündete von Zürich und Bern, die ihr Jahrhunderte hindurch als treue Berater und Helfer zur Seite standen, bis der Zusammensturz der alten Eidgenossenschaft es Frankreich möglich machte, 1798 seine Hand über die Burg an der Rhone zu schlagen2). !) Oechsli a. a. O. S. 99 ff., 117, 123, 130,184, 203, 219—225,433—435. 2) Oechsli a. a. O. S. 117,122,130,136,184, 203, 212—217, 230, 235 ff., 446—486. Les Cantons suisses et Geneve 1477 —1815, Festschrift der 176 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft Am. sonderbarsten war das Verhältnis der Eidgenossenschaft zum Bischof' von Basel. Dieser Reichsfürst, der über die Stadt, von der er den Namen trug, schon im Mittelalter seine weltliche Herrschaft eingebüßt und vollends seit der Reformation ihr nichts mehr zu befehlen hatte, residierte gewöhnlich in Pruntrut. Mit Biel, das nominell zu seinem Fürstentum gehörte, sich aber tatsächlich als eigene eidgenössische Republik regierte, standen seit alters die bischöflichen Herrschaften Iiifingen (Orvin) und Erguel (St. Immertal) in enger Gemeinschaft, da sie als „Pannergenossen" verpflichtet waren, dem Aufgebot der Stadt zu folgen und Kriegssteuer an. sie zu entrichten. Zwei weitere bischöfliche Territorien, Neuenstadt und Münstertal, waren seit dem Mittelalter durch ewige Burgrechte mit Bern verbunden. Bern und Biel fesselten diese Gebiete durch Einführung der Reformation fester an sich. Von Norden her drohte die Stadt Basel, das Bistum sukzessive aufzusaugen. Die Bischöfe sahen sich aus Geldnot gezwungen, ein Stück ihres Gebiets um das andere an Basel zu verpfänden, das die Einführung der Reformation in diese Landschaften planmäßig beförderte. So schien die völlige Absorbierung des Bistums Basel durch die drei Städte Basel, Bern und Biel im 16. Jahrhundert nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Da schlossen die VII katholischen Orte 1579 mit dem Bischof Jakob Christoph Blarer von Wartensee in konfessionellem Interesse ein Bündnis auf Lebzeiten, das dem energischen Kirchenfürsten den nötigen Rückhalt gewährte, um die Rekonstituierung des Bistums vorzunehmen. Der Bischof unterdrückte die Reformation im größten Teil der Stiftslande und nötigte Basel, all seine Erwerbungen im Pruntrut herauszugeben. Im Münstertal und Erguel stieß er auf den festen Widerstand von Bern und Biel; aber wenn er die alten Verbindungen dieser Täler mit den Schweizerstädten nicht lösen und hier die Glaubensneuerung nicht aus- Societe d'histoire et d'archeologie de Geneve auf die Versammlung der allgem. geschichtf. Gesellschaft der Schweiz in Genf, 5. u. 6. Sept. 1915. und ihrer Glieder. 177 rotten konnte, so machte er doch jedem Vordringen der beiden Städte ein Ende. Ohne die Dazwischenkunft der katholischen Orte wäre der Basler Jura schon im 16. Jahrhundert schweizerisch geworden. So blieb er in der Gewalt eines Reichsfürsten, der sein Bündnis mit den katholischen Orten, das von Zeit zu Zeit erneuert wurde, nur als eine konfessionelle Allianz betrachtete und ursprünglich gar nicht die Absicht hatte, ein Eidgenosse zu werden. Im Dreißigjährigen Krieg aber machte der Bischof die Erfahrung, daß weder das Reich noch die katholischen Orte allein die Kraft oder den guten Willen besaßen, ihn vor äußern Gefahren zu schirmen. Auf der andern Seite fanden die evangelischen Orte, daß „der helvetische Leib entblößt und geöffnet sei", solange der Basler Jura nicht in irgend einer Weise eidgenössisch werde. Unter ihrer Mitwirkung ward daher das Bistum seit 1676 regelmäßig in die schweizerische Neutralität mit eingeschlossen, und man gewöhnte sich daran, es als ein Stück der Schweiz anzusehen. Aber zu einer förmlichen Aufnahme in die Eidgenossenschaft kam es nicht, wiewohl der Bischof wiederholt darum nachsuchte. Und zwar waren es gerade die katholischen Orte, die sich widersetzten; teils aus Besorgnis, in Glaubenskriegen nicht mehr auf den Bischof zählen zu können, wenn er mit den reformierten Orten ebenfalls im Bunde stünde, teils aus Unlust, sich zugunsten des Pruntruts mit wirklichen eidgenössischen Pflichten zu beladen. Ja, 1735 ließen sie ihr eigenes Bündnis mit dem Bischof ohne Erneuerung auslaufen. Als die französische Revolution ausbrach, stand der Pruntruterhof in gar keiner rechtlichen Verbindung mit den Orten, weder mit den katholischen noch mit der Gesamtheit. Und die mit Bern und Biel verbundenen Teile seines Gebiets, Erguel, Neuenstadt und Münstertal, galten mit Sicherheit nur in den Augen der Reformierten als Schweizerboden, das übrige war, obwohl man das Bistum allgemein zur Schweiz rechnete, rechtlich Reichsland geblieben1). x) Oechsli a. a. 0. S. 117,130 f., 138,200 f., 204, 225—232, 241, 320/358. 12 178 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft und ihrer Glieder. 179 Genf, Neuenburg und der Bischof von Basel konnten als bloße Verbündete einzelner Orte nach der Auffassung der nachreformatorischen Zeit keinen Anspruch auf Sitz und Stimme in der Tagsatzung erheben. Der Gedanke, die drei Verbündeten an eidgenössischen Beratungen teilnehmen zu lassen, war den XIII Orten so fremd, daß für gewöhnlich nicht einmal die Religionsverwandten sie zu den konfessionellen Sonderkonferenzen einluden. Und wenn die Absicht bestand, Graubünden in das Defensionale hineinzuziehen, aber durch seine Weigerung vereitelt wurde, so wurden Mülhausen, Neuenburg, Genf und der Bischof von Basel gegen ihren Willen trotz der Bemühungen der evangelischen Orte durch die katholischen davon ausgeschlossen1). So gab es einen katholischen und einen reformierten Begriff von der Eidgenossenschaft, die sich nicht deckten. Der erstere war bedeutend enger, indem er außer den XIII Orten und ihren besondern und gemeinsamen Untertanengebieten nur Stift und Stadt St. Gallen, Biel und Wallis umfaßte, während' im reformierten außerdem noch Graubünden, Mülhausen, Neuenburg, Neuenstadt, Erguel und Genf enthalten waren. Die evangelischen Orte waren bemüht, ihre besondern Verbündeten, namentlich Genf, durch Einschluß in die europäischen Friedensverträge in ihrer Selbständigkeit und Zugehörigkeit zur Schweiz durch die Mächte anerkennen zu lassen. Im Frieden von Rys-wyk 1697 wurden diese Wünsche im vollsten Maße erfüllt, und es ist daher dieser Vertrag für die Schweiz von ähnlicher Bedeutung wie derjenige von Münster und Osnabrück, indem er zum erstenmal in unzweideutiger Weise feststellte, welche Gebiete das Ausland als mit den XIII Orten zum Corpus Hel-veticum vereinigt anerkannte. Hatte, der westfälische Friede die Unabhängigkeit der Schweiz anerkannt, so bestimmte der Friede von Ryswyk ihren Umfang, ihre Grenzen. Frankreich machte zwar dem Kaiser gegenüber bloß das Wallis unter den Verbündeten der XIII Orte ausdrücklich nam- !) Oechsli a; a. 0. S. 184, 129 ff., 133—141, 1841. i haft; dagegen bezeichnete es Holland und Großbritannien gegenüber „die XIII Kantone und ihre Verbündeten, als den Abt und die Stadt St, Gallen, die Republik Wallis, den Fürsten und Staat von Neuchätel, die Stadt Genf und ihre Zubehörden, die Städte Mülhausen und Biel und die III Bünde der Grisonen" als von seiner Seite in den Frieden eingeschlossen. Die nämlichen Zugewandten und Verbündeten wurden von Seiten des Kaisers aufgeführt. Großbritannien und Holland schlossen ebenfalls die XIII Kantone nebst ihren Zugewandten und Verbündeten, besonders diejenigen der evangelischen Kantone, nämlich Stadt und Republik Genf, Stadt und Grafschaft Neuenburg, die Städte St. Gallen, Mülhausen, Biel und die Grauen Bünde mit ihren Dependentien ein 1). So waren in einem großen europäischen Traktat sämtliche ewige Bundesgenossen der XIII Orte als integrierende Bestandteile der Schweiz erklärt, und zwar nicht bloß die eigentlichen Zugewandten, sondern auch die von der katholischen Eidgenossenschaft nicht als Eidgenossen anerkannten evangelischen Verbündeten, wie Genf, Neuenburg und Mülhausen; wurden doch die beiden ersteren von den meisten Mächten sogar den eigentlichen Zugewandten vorangestellt. Wir begegnen also hier der seltsamen Tatsache, daß das Ausland sozusagen einstimmig der Schweiz einen weitern Umfang zuerkannte, als ein Teil der Schweizer selber. Nur ein Gebiet war ihr durch den Frieden von Ryswyk nicht zu-, sondern eher abgesprochen worden: das Bistum Basel. Der Kaiser allein hatte seiner gedacht, aber unter den Reichsständen, nicht unter den Verbündeten der Eidgenossen. Das Gegenteil geschah in den Friedensschlüssen von Utrecht 1713 und Baden 1714, die im übrigen der Schweiz in ähnlicher Weise gedachten, wie der von Ryswyk, von Seite Frankreichs, das sich sowohl Großbritannien als dem Kaiser gegenüber weigerte, diesmal Neuenburg einzuschließen, an seine Stelle aber mitten J) Oechsli a. a. 0. S. 237—241. 180 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft unter die Zugewandten und Verbündeten der Eidgenössen den Bischof von Basel setzte. Im Wiener Frieden 1738 wurde dagegen der Bischof wieder ausdrücklich den Reichsständen beigezählt x). Das 18. Jahrhundert verwischte in der Literatur den Unterschied in der Terminologie, indem es auch die bloßen Verbündeten unter die Zugewandten Orte rechnete 2). Aber in der Sache J) Oechsli a, a. 0. S. 241 f. 2) Der Katholik J. Casp. Steiner zählt im dritten Teil seines „Alt-Teutschen Spartierlands" (1884) als „Zugewandte Orthe" den Abt und die Stadt St. Gallen, die Graubündner, Walliser, Rottweil, Mülhausen, Biel, Genf und Neuenburg auf, Genf jedoch mit der Bemerkung,'Bern habe sich umsonst bemüht, „dise Statt in den allgemeinen Bundt mit den Schweitzeren einzubringen" (S. 348), und Neuenbürgs Bund mit den vier Städten werde „ein Zit hero nit mehr erneweret und dannen hero weniger beobachtet äußert daß Newenburg mit etwas besonderer Vereinigung und Burgerrecht noch heutiges Tags der Statt Bern verwandt verbleibet" (S. 350). Das Bündnis der katholischen Orte mit dem Bischof von Basel führt er bezeichnenderweise erst am Schlüsse des ganzen Buches unter den „Bünd-nussen mit den ausländischen Königen und Pürsten" auf (S. 619 ff.). Wagners „Mercurius Helveticus" erwähnt als „Zugewandte oder Mit-verbündete Orth": Abt und Stadt St. Gallen, die Rhetier oder Grau-Bündtner, Wallis, Mülhausen, Biel, Neuenburg, Genf, den Bischof von Basel, aber auch den Bischof von Constanz „wegen etlichen Lehen und Vogteyen, so er auf Schweizerischem Boden hat", die vier österreichischen Waldstätte Rheinfelden, Seokingen, Laufenburg und Waldshut, weil sie im letzten Krieg von gesamten Eidgenossen in Schutz genommen worden seien, und die Reichsstadt Rottweil, „weit außer der Eidgnoßschaft gelegen" und 1632 wegen Nichtverbleibens in der eidgenössischen Neutralität „von dem Eidgnossischen Bund abgeschlossen" (S. 19—21). Leu fügt den von Simler 1576 genannten sieben „Zugewandten und Bundsgenosseh" (Abt und Stadt St. Gallen, den Bünden in Curwalen, Wallis, Rottweil, Mülhausen und Biel) Neuenburg, Genf und den Bischof von Basel „wegen derselben mit einigen Loblichen Qrthen sinth Simleri Zeiten gemachten Bündnussen und Burg-Rechten" hinzu (S. 9). Scheuchzer rechnet Neuenburg, Genf und den Bischof von Basel einfach unter die „Zugewandten Ohrt der Eydgnoß-schaft" (Natur-Historie des Schweizerlandes I S. 60—68). Auch Fäsi und Püeßli nennen Genf, Neuenburg, das Bistum Basel und Mülhausen „Zu- 1» und ihrer Glieder. 181 K blieb der Unterschied in voller Schärfe bestehen, wie die ver-H geblichen Anstrengungen beweisen, die Genf, Neuenburg und K' der Bischof von Basel machten, um die Aufnahme in das Bündnis K der Eidgenossen mit Frankreich von 1777 zu erlangen. Alle K evangelischen Orte, sowie ein Teil der katholischen waren da-H| mit einverstanden; aber an dem durch Frankreich unter der I« Hand genährten Widerstand von Uri, Uhterwalden, Freiburg, Ii katholisch Glarus, Appenzell Innerrhoden und Wallis scheiterte }■•■ dieser Versuch, die westlichen Gebiete in ein engeres Verhältnis !, zur Gesamteidgenossenschaft zu bringen. So gelangte die alte i Eidgenossenschaft durch eigene Schuld zu keiner festen Grenze \. gegen Westen. Fast im letzten Augenblick ihres Bestehens erklärte sie, daß sie als Gesamtheit Genf, Neuenburg und das Bis-I tum Basel nicht als eidgenössisch arierkenne, und lud damit die Nachbarmacht förmlich ein, sich dieser Gebiete zu bemächtigen. '<•■ Es bedurfte der Ungeheuern Erschütterung der französischen '*. Revolution, um Genf nicht etwa die Aufnahme in die Gesamteidgenossenschaft zu verschaffen, aber es einen ersten Schritt in dieser Richtung tun zu lassen. In der im Mai 1792 erlassenen ; Neutralitätserklärung wurden das Bistum Basel, Neuen-i bürg und — zum erstenmal — Genf mit eingeschlossen. Aber '{■■■ nun rächten sich die alten Sünden; Frankreich erklärte, es sei nicht verpflichtet, andere Staaten als diejenigen, die beim Abschluß der Allianz von 1777 die schweizerische Eidgenossen- I* schaft gebildet hätten, als neutral anzuerkennen. Die Franzosen ! blieben in Pruntrut stehen, indem sie einstweilen die unzweifelhaft schweizerischen Teile des Bistums respektierten, und im Oktober 1792 versuchten sie einen Handstreich auf Genf, I' der allerdings an der raschen Hilfeleistung Zürichs und Berns L scheiterte '). Sr gewandte Orte oder Stände", machen aber unter ihnen den erwähnten |; Unterschied zwischen Socii und Confoederati Helvetiorum. \ l) Oechsli a. a. O. S. 143, 230—32, 485 f. 182 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft ; § 8. Stände. Bei den Unterschieden zwischen Orten, Zugewandten und Verbündeten machte sich das Bedürfnis nach einer Benennung geltend, die für alle Kategorien von Bundesgliedern paßte, und da bot sich nach Analogie der deutschen „Reichsstände", die alle unmittelbaren Glieder des Reichs umfaßten, der Begriff der eidgenössischen „Stände" dar, der um die Mitte des 1.6. Jahrhunderts im schweizerischen Staatsrecht auftaucht. 1552 erneuerte Don Fernan Gonzaga, kaiserlicher Statthalter in Mailand, mit den XIII Orten „zu gutem und gemeinem nutz allen iren Stenden und undertanen" das alte Kapitulat über gegenseitigen Handel und Wandel. 1557 bestätigte Philipp II. von Spanien die Erbeinung, die „vorgedachte Stette und gemeine Stand der Eydgnoßschaft" mit Kaiser Maximilian 1511 geschlossen hatten, und 1589 versicherte der französische Botschafter v. Sillery die Tagsatzung der freundschaftlichen Absichten seines Herrn „zu fürdrung der Wollfart üwrer Ständen" J). Mit Vorliebe wurde zunächst das Wort „Stände" als neutrale Bezeichnung in den Beziehungen zwischen Orten und Zugewandten gebraucht. So erneuerten 1578 die VII katholischen Orte das Bündnis mit dem Wallis, das 1533 „zu Lob, Nutz, Eer und Frommen unser beeder Stenden" geschlossen worden war, und das „vorgenampte Stendt" alle zehn Jahre hätten beschwören sollen. 1589 stellten Bischof und Zenden des Wallis einen Revers aus über Erneuerung ihres Bundes von 1475 mit Bern in Anbetracht, daß „beyde Stänndt vorberürten Pundt" hätten alle zehn Jahre neu beschwören sollen2). Besondern Gefallen scheinen die Zugewandten an dem Wort gefunden zu haben. 1599 entwarfen Deputierte der III Bünde und des Wallis Bündnisartikel „uff beider Stenden Rhätt und 1) Abschiede IV 1 e S. 1391; IV 2 S. 1457. Originalabschied vom 29. Jan. 1589, St. A. Zur. B VIII 109 S. 217. 2) Abschiede IV 2 S. 1552; VIS. 155. und ihrer Glieder. 183 Gmeinden" Ratifikation hin, und am 5. August 1600 würde das Bündnis wirklich geschlossen, kraft dessen „bayde Ständt und Staat einander schitzen und schirmen" sollten. Falls „beyde Stendt und Respublicae in Speen und Steeß wuchsendt (darvor dan Gott sein wolle), so sollendt von yedem Standt dry eerliche Menner, die Sach rechtenglichen zu endtscheyden, dargeben werden" etc. 1602 schlossen auch Bern und Bünden ein ewiges Bündnis, „uns den beden Ständen zu Lob, Nutz und Frommen", und 1603 gingen die „hochlobliche Herrschaft Venedig und der lobliche Standt der ersten uralten Rhetia" ein Bündnis ein „zue Wolstandt und Glückhseligkheit aller beider Stenden". 1620 baten der Gotteshaus- und der Zehngerichtenbund die Eidgenossen, sich ihres „bedrängten Standes" anzunehmen, und 1647 ersuchten Häupter und Kriegsräte der III Bünde die Tagsatzung, man möchte bei diesen gefährlichen Läufen ihres Standes als eines Gliedes der Eidgenossenschaft eingedenk sein. Der 1626 von den Bünden eingesetzte Staatsrat nannte sich „Häupter und Standesrä'te der III Bünde", und 1636 empfahlen die III Bünde „unsern allgmeinen Stand" der Protektion des Königs von Frankreich. 1675 schlugen sie den Eidgenossen eine Konferenz „beider Stände" vor, um über das Defensionale und die Revision ihrer Bünde mit den Orten zu beraten 1). Aber auch unter den Orten wurde die Benennung „Stände" immer mehr Mode. 1614 trat Zürich „umb Irer Mayestat, auch unnser gmeinen Ständen Bestens willen" dem Bündnis mit Frankreich bei. 1618 protestierten die „vier evangelischen Stände" dagegen, daß man sie in Schreiben an fremde Potentaten Ketzer tituliere. 1622 fanden sie, daß die Wirren in Bünden nicht allein „die evangelischen. Stände, sondern alle Orte berührten", und 1632 wurde die Hoffnung ausgesprochen, daß König Gustav Adolf „die Evangelische Stend der Eidtgnoßschaft" in „Allergnedigster Recommendation" haben werde. 1628 be- !) Abschiede V 1 S. 517, 1874, 1896 f., 1905; V 2 S. 167, 602, 1419, 2162. Oechsli, Orte und Zugewandte S. 176. f 184 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft klagten sich Uri und Schwyz über Privatwerbungen ohne Einwilligung der Obrigkeit, was dem Ansehen der „Stände" schade. 1644 wollten Luzern, Schwyz, Unterwaiden und Zug den Urner Landeshauptmann zum Brunnen „wegen groben gegen ihre Stände ausgegossenen Stichworten" nicht mehr zu Tagen zulassen, während Uri „wegen Exclusion seines Gesandten und dabei interessirten Standes" Satisfaktion begehrte. Bei der Erneuerung des Bundes mit Spanien 1634 gaben die katholischen Orte als Zweck desselben an „Beschirmung der catholischen Religion und Erhaltung unser Orten und Stenden", und der Abt von St. Gallen behielt Papst und Kaiser vor, „diewyl wir, unser Stand, geistliche Personen und Religiösen one alles Mittel dem Heiligen Apostolischen Stul unterworfen, auch ein Glid des Heiligen Römischen Reichs sind". In dem Waserschen Bundesprojekt von 1655 führt die Einleitung aus, wie der eidgenössische Bund „unßern allerseits Ständen, Landen und Leuthen Gott Lob woll erschossen hat". Freiburg und Solothurn beklagen sich 1656, daß all ihre Bemühungen, „das alte Vertrawen under allen Ständen gemeiner Eydgnosschaft" herzustellen, vergeblich gewesen seien 1). Auch die Eidgenossenschaft als Ganzes wurde als „Stand" bezeichnet. Im Februar 1648 wurde der neue Ambassadeur de la Barde zu Solothurn „von unnseres gemeinen Helvetischen Standes wegen" empfangen und begrüßt. Im November 1650 beschwerte sich Bürgermeister Wettstein über die fortgesetzten Schikanen des Kammergerichts zu Speyer als „gemeinen Eidt-genössischen Standts Befreyung und Exemption entgegen und präjudizirlich". Das Defensionale von 1668 bezweckt „unsers allgmeinen Standes und Vaterlands nothwendige Beschirmung", und 1677 ersuchen die XIII und Zugewandten Orte den Kaiser Leopold kraft der ihnen „höchst obligenden Beobachtung unßers gemeinen Eidgnössischen Standts und Vaterlandts i\ Abschiede V 1 S. 1951; V 2 S. 47, 283, 552, 680, 1319, 2147, 2152; l) VII S. 1761,1805. und ihrer Glieder. 185 Sicherheit und Wohlfahrt" um Anerkennung der Neutralität. Im Trucklibund von 1715 wird „Corps Helvetique" mit „Eydt-gnosischem Standt" wiedergegeben. Auf der Tagsatzung werden die allgemein eidgenössischen Traktanden als „Standessachen" oder „Standesgeschäfte" von den bloßen „Vogteisachen" .unterschieden. So verlangten die Gesandten von Zürich auf der Jahrrechnungstagsatzung von 1639, daß ein evangelischer Protokollist dem Landschreiber von Baden „in wichtigen Dingen und Standtsgeschäften" protokollieren helfe, widrigenfalls sie Befehl hätten, mit den katholischen Orten in „Standtssachen wyters nützit ze handien". Im Zwölfer Frieden wurde wirklich bestimmt, daß künftig bei allen Tagleistungen „in Religions und Standssachen" ein evangelischer. Protokollist zugelassen werden müsse; als der reformierte Secretarius aber auch in „vogtei-lichen Sachen" der Session beiwohnte, erklärten die V Orte dies als dem Frieden zuwider und erzwangen sein Verschwinden 1). Im 18. Jahrhundert betitelten sich die eidgenössischen Orte mit Vorliebe als Stände. Im Zwölfer Krieg und den Friedensschlüssen, die ihn beenden, stehen die „beiden loblichen Stände Zürich und Bern" den „Loblichen Ständen Lucern, Uri, Schwyz, Unterwaiden und Zug" gegenüber. Die „hohen Stände Zürich und Bern" empfangen unter Vorbehalt der Rechte des „hoch^ loblichen Standes" Glarus die Huldigung der Stadt Rapperswil. Die „drey Loblichen Compaciscierenden Stände" Zürich, Bern und Stift St. Gallen bestimmen 1759 das Schicksal der Toggen-burger. Bern und der Bischof von Basel sind die „beeden Hohen Stände", die sich 1758 über die Stellung von Neuenstadt einigen. Bern und Zürich betiteln sich gegenseitig „Unsere Vertrauten Lieben Alten Eidgenossen Lobl, Standes Bern",, bezw. „Lobl. J) Staatsarch. Zürich, Originalabschiede B VIII 126 S 150 161' B VIII 129 S. 406, 130 S. 64; Die 13 Orte und Zugewandten an den Kaiser 3/13. März 1677, A 176. 5; Hirzel und Rahn an Bürgermeister und Rat 19. Juli 1639, A 227. 1. Gedruckte Abschiede VI 1 S. 1675- VI 2 S 2335-VII 1 S. 5; 1361, 1371; 1379. 186 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft Standes Zürich" J). Im Allianzträktat mit Ludwig XVI. von 1777 werden am Eingang als Kontrahenten die „Eidgnossischen Republiken und Mit-Verbündeten Stände" bezeichnet, hier also das Wort Stände speziell für die Zugewandten gebraucht. Dann aber wird auf den Trucklibund der „Loblichen Catholischen Stände" von 1715, sowie auf die vielfältigen Beweise des Wohlwollens und der Freundschaft hingewiesen, die der König immerfort „allen Ständen der Eidgnoßschaft" gegeben habe und wiederholt der Ausdruck „Lobl. Stände und ihre Mitverbündete" synonym mit „Lobl. Orte und Mitverbündete" („Louables Cantons et Alliés") gebraucht2). Eidgenössische Schreiben wurden im Namen „der XIII Stände und zugewandten Orte" ausgefertigt. „Standeskontingente" hießen die Truppen der einzelnen Bundesglieder, „Standesfarben" ihre Farben. Es gab „Standessiegel", „Standeshäupter", „Standesreiter", „Standeskommissionen", „Standesprotokolle", „Standesversammlungen" und „Standestribunale", sogar „Standesvorfahren"3). Gerne wurden die verwandten Begriffe pleonastisch gehäuft, so „Eydgnoßische Statt und Stände", „Stände und Orte", die „Eydgnosischen Orth, Republiq und Stände". 1742 veröffentlichte der kaiserliche Botschafter Graf von Froberg seine Proposition „an die gesambte aydtgnossische Stände deren löbl. 13 Cantons und zugewandten Orthen"4). Zur Beliebtheit des Wortes „Stand" trug bei, daß sich im 17. und 18. Jahrhundert der Begriff der staatlichen Souveränität damit verband. Der Ausdruck „Freyer Stand" oder „Freystand" wird als Verdeutschung von Republik gebraucht. In i) Abschiede VI 2 S. 2332, 2337 ff., 2340, 2342; VII 2 S. 1265 ff., 1283, 1284. a) Abschiede VII 2 S. 1323 ff. 3) Abschiede VII 2 S. 510, 1270, 1287; VIII S. 54, 170, 196, 683 i, 685 f, 686 f. Barth, Bibliographie der Schweizergeschichte I N. 3215, 3217, 3269,' 3330, 3399, 3505, 3568, 3613, 3619, 3620, 3621, 3691, 3692, 3704, 3733, 3734. 4) Abschiede VII 1 S. 1363; VII 2 S. 1260, 1337. Barth N. 3005. B; und ihrer Glieder. 187 m diesem Sinn wird die ganze Eidgenossenschaft ein „freyer Stand" m genannt. 1635 erinnert die Tagsatzung gegenüber einem Creden-K tialschreiben des Kaisers, worin dieser „befahl" und „begehrte", K daß man seine Gesandtschaft anhöre, diese daran, daß die Eid-m genossenschaft ein „freyer Stand" sei, der künftig mit solchen m Ausdrücken verschont zu werden wünsche. 1646 führte Bürger-Ii meister Wettstein in seinen Denkschriften für den Friedens-H kongreß in Westfalen aus, es sei „reichs- und weltkundig, daß I die Eydtgnoßschaft ein fr eye r Stand sei, so nechst Gott einzig I von sich selbsten dependiert". Er berichtete auf der Solothurner i ' Tagsatzung im Februar 1648, daß der Kaiser durch ein Diplom ff. die Eidgenossenschaft für einen „souveränen öder unmittelbaren I Stand" erklärt habe,' und in der Tat wies Kaiser Ferdinand III. 1650 das Kammergericht an, seine Prozesse „wider einen Stand, I so von dem Reich gäntzlich eximirt und befreyet", einzustellen, wie er dem Kurfürsten von Mainz begreiflich machte, daß die ,' Prozesse und Arreste „gegen ermeldte Stadt Basel und andere I der Eydgnosschaft verbundene Stände" nach dem Art. 6 des , Friedens „alß nunmehr unwidersprechlichen von dem Reich gantz, eximirte freye Stände" gänzlich „cassirt und aufgehebt" seien. ) 1668 gaben die Eidgenossen eine Erläuterung der Erbeinung mit Österreich „in Ansechen der Freyheit unsers souveränischen Stands" und 1669 eine solche des französischen Bündnisses „zue Erhaltung unseres Lobl. Eydtgn. Standtß souverainetet, Freyheit, Ehre und Ansechen". Das Defensionale von 1668 verpflichtete Hauptleute und Soldaten auf den Eid, zur Erhaltung „unßers allgemeinen lieben Vatterlandts und deß herrlichen freyen Standts gemeiner Eydtg." ihr Bestes zutun1). 1689 veröffentlichte der Schwyzer Franz Michael Büeller einen staatsrechtlichen Traktat, um nachzuweisen, daß sowohl die Lobl. Eyd-gnoßschaft insgesamt „ein freyer, souverainer, independierender Stand" sei, der „von keinem höhern dependiere als von Gott !) Abschiede V 2 S. 958, 1457, 2193, 2262, 2268 f.; VI 1 S. 1675, 1681, 1716, 1722, 1724, 1815, 1817. 188 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft allein", als auch, jedes der XIII Orte für sich. Mit besonderem Selbstgefühl aber betonten die Kantone diese Selbstherrlichkeit nach innen. Als der Vorort Zürich 1722 eine Tagsatzung wegen des Werdenbergerhandels ausschrieb, protestierte Glarus dagegen, es lasse sich als „absoluter und independenter Stand" nichts vorschreiben. 1732 erschien in Zug eine Schrift „Vindiciae reipublicae Tugiensis oder Eettung des freyen Stands der Stadt und Ambts Zug". Der „hochlobliche Stand Uri" führte 1755 Krieg „wider ihre rebellischen Unterthanen der Landvogtey Livinen". Solo-thurn erneuerte 1756 als „ein Ohnmittelbarer Freyer Stand" sein altes Burgrecht mit Neuenburg. 1768 erschienen verschiedene Schriften über das Urteil, „so von der höchsten Gewalt des Frey-Standes Bern" über den Konflikt zwischen dem König von Preußen und der Bürgerschaft von Neuchätel ausgefällt worden, und 1792 wurde in Basel ein Bewillkommnungslied zur Ankunft der Kontingente „der drey Hochlöblichen Freyständen Uri, Schweitz und Unterwaiden" gedruckt1). Durch die Helvetik wurde der Ausdruck „Kanton", wie bereits gesagt, herrschend und ist seitdem auch der verfassungsmäßige geblieben. Aber daneben tauchte schon im Anfang der Mediationszeit die Benennung „Stand" wieder auf. Auf der Tagsatzung und in der interkantonalen Korrespondenz waren es weniger die „Kantone", als die „löbl. Stände", die miteinander verkehrten. 1804 übernahmen die „löblichen Stände" Zürich, Schaffhausen, St. Gallen, Aargau, Thurgau die in ihrem Gebiet liegenden fürstlich-bischöflichen konstanzischen Gefälle und Liegenschaften kraft Vertrags mit dem Großherzogtum Baden. 1806 schlossen die „hohen Stände" Bern und Solothurn ein Konkordat wegen des protestantischen Bucheggeberges, und x) Er. M. Büeller, Tractatus von der Ereyheit, Souverainetet und In-dependenz der Loblichen dreyzehen Orthen der. Eydgnoßschaff t (Baden, 1689). Blumer, Staats- und Rechtsgesch. der Schweiz. Demokratien II 1 S. 237. Abschiede VII 2 S. 1260. Barth a. a. O. N. 2962, 3040, 3041, 3188, 3193, 3473. und ihrer Glieder. 189 1813 gaben Landammann und Tagsatzung den „Eidgenossen aller löblichen Stände des Bundes" Kenntnis von der beschlossenen Neutralität1). Vollends unter dem Bundesvertrag von 1815 blühte die alte Ständeherrlichkeit wieder auf. Die „Gesandten der XXII souveränen Stände" beschworen am 7. August 1815 den neuen Bund und besiegelten ihn. Der vollständige offizielle Titel der höchsten Bundesbehörde lautete „Die Tagsatzung der XXII Eidgenössischen Stände der Schweiz", und der Vorort schrieb an die „Hochgeachteten Herren Bürgermeister und Rat (Schultheiß und Rath, Landammann und Rath) des Eidgenössischen Standes N. N., unsere getreue, liebe Eid- und Bundsgenossen". Bei den Bundesbeschlüssen und Konkordaten wurden nicht sowohl die „Kantonsstimmen" als die „Standesstimmen" gezählt. Staatsverträge wurden ratifiziert von „Bürgermeister und Staatsrath des Standes Zürich als wirklicher Eidgenössischer Vorort im Namen und nach der uns erklärten Zustimmung der XXII Stände der Schweiz" 2). So ist es denn kein Wunder, wenn in der Bundesverfassung von 1848 diejenige Kammer des schweizerischen Parlaments, die der Idee nach die Fortsetzung der Tagsatzung war, den Namen „Ständerat" erhalten hat, zumal der Name „Kantonsrat" längst für die Großen Räte der einzelnen Kantone verwendet war. § 9. Die Untertanen. Das Hauptmerkmal, das die alte Eidgenossenschaft von der modernen unterscheidet, sind die Untertanenverhältnisse, vermöge deren vor 1798 der größere Teil des Schweizervolkes vom kleineren politisch abhängig war. In den Kantonen, die von den Städten den Namen tragen, war die Stadt nicht bloß der Haupt- !) Kaiser, Repert. der Abschiede 1803 bis 1813 S. 510 ff., 675, 787. a) Offizielle Sammlung der das Schweiz. Staatsrecht betreffenden Aktenstücke I S. 12, 16; II S. 4, 205. 190 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft ort, sondern der Landesfürst, der die Landschaft als erkauftes oder erobertes Untertanengebiet beherrschte. Aber auch die Landsgemeindekantone, sowie die Eeferendumsdemokratien Wallis und Graubünden hatten ihre Untertanen. Nur Unterwaiden und Appenzell bildeten eine Ausnahme, und auch diese hatten Teil an den gemeinen Herrschaften. So gab es neben den Bürgern und Landleuten der. souveränen Orte und Zugewandten eine zu-Tückgesetzte Kategorie von Schweizern, die mit jenen nicht „im Bunde" standen1), sondern in ihnen „Herren" zu erblicken hatten. Anfänglich bezeichnete man sie als „die so zuo uns gehören", die „Zugehörigen", oder einfach die „Unsern". Zürich erließ Gebote und Verbote für seine „grafschaften, herschaften, gerichte und gebiete", Luzern bot im Krieg seine „Empter", Bern seine „Stett und 1 ander" auf2). Allmählig finden wir den Ausdruck „Untertan", der sonst das Verhältnis der Kirchgenossen zum Pfarrer bezeichnete 3), auch auf das weltliche Verhältnis zur Obrigkeit angewendet. Die lateinische Form „subditi" kommt bereits 1441 und 1444 in den Friedensschlüssen mit Mailand und Frankreich vor 4), und 1448 gaben, die Landleute von Grasburg der Stadt Bern das Versprechen, „üch undertenig und J) ■Zürich klagt 1526, es werde behandelt, als ob es in keinen Bünden begriffen wäre, und in die Klasse der Untertanen, wie Baden und Mellingen, erniedrigt. Abschiede IV 1 a S. 853; vgl. IV 1 c S. 1161. 2) Abschiede I S. 314, 328; II S. 720, 791, 805, 837, 882, 911, 944. Zürcher Stadtbücher III S. 223, 226 f. Gagliardi, Waldmann Dokumente I S. 314. Segesser, Rechtsgeschichte II S. 409. Ochsenbein, Urkunden der Belagerung und Schlacht von Murten S. 27, 241, 248. 3) Segesser II S. 803, III S. 251. Zürcher Stadtbücher I S. 165. Gagliardi a,a. O. I S. 256 N. 3. Ochsenbein a.a.O. S. 279 (AnKilchhern und undertan zu Jegistorf). Büchi, Ereiburgs Bruch mit Österreich S.. 206 (in siner kilchen sinen undertanen). *) „ Quibuscumque hominibus de dicta liga veteri et solita confedera-torum et ewum subditis, magnificis dominis de Berno et de Solodro cum eorum subditis... illorum de Urania antiqui subditi." Abschiede II S. 785. „Nobiles, Burgenses et habitatores ac subditos villarum et communitatum de Basilea, Berno, Lucerna" etc. id. II S. 807 ff. gefölgig" sein zu wollen 1). „Untertanen" der Eidgenossen werden erwähnt 1476 im Waffenstillstand von Lausanne, 1479 im Bündnis mit Matthias von Ungarn, 1481 im Stanser Verkommnis, 1486 im Bündnis mit Papst Sixtus IV., 1499 im Basler Frieden 2). 1489 schreibt Bern an Freiburg über die „nuwe uffruor zwuschen unßern eydtgnossen von Zürrich und ir underthan", und der bald nachher entstandene stadtzürcherische Bericht erzählt den Waldmannhandel zur Warnung für „herren" und „underthanen", während der bäuerliche Höngger Bericht Waldmanii es gerade zum Vorwurf macht, er habe versucht, die ganze Landschaft „nach sinem willen undertenig zu machen". Das hinderte die Winter-thurer nicht, 1493 die Entziehung der Reisläuferstrafen in ihrer Gerichtsherrschaft Hettlingen „als ünderthenig gehorsamen lüt gantz geneigt" entgegen zu nehmen3). Und am 12. Januar 1516 wurde der unter dem Namen Lebkuchenkrieg bekannte Aufstand damit beendet, daß „der selben unser gnedigen Herren von Zürich Undertanen und gantz gemeinden vor der Statt Zürich von Stetten und uff dem land" gegen verschiedene Zugeständnisse versprachen, nie mehr einen Sturm gegen die Stadt ergehen zu lassen. Dreimal nennen sich die Angehörigen der Stadt Zürich in dieser Urkunde „Untertanen" 4). So scheut sich denn auch Zwingli nicht, die Obrigkeit 1525 zu den Bauern sagen zu lassen, sie hätten solche Artikel vorgebracht, „daß, wo wir die all blyben liessind, jr nit allein weder unsere underthonen noch pflichtigen wurdind syn, sunder ... uns minder thuon, weder wir selbs thuon müssend". Und 1527 führt er unter den Vorteilen eines Bundes mit Konstanz, Lindau und Straßburg auch den an, daß er „zuo erhaltung der obergheit und zuo ghorsame der undertanen einer !) Welti, Alte Missiven 1444—1448 (Arch, des hist. Ver. Bern XXI) S. 176. 2) Ochsenbem, a. a. O. S. 327. Abschiede III 1 S. 667, 696, 718, 760 f. 3) Gagliardi, Waldmann Urkunden II S. 377, 405, 467. Zürcher Stadtbücher III S. 237. *) St. Zürich, Urk. Stadt und Land N. 3267. 192 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft jeden statt" diene1). Man sieht, daß die Eidgenossen nicht erst im 17. Jahrhundert ihre Untertanen mit diesem Namen bezeichneten, wie Segesser anzunehmen scheint, wenn auch zuzugeben ist, daß der Ausdruck in der inner« Schweiz langsamer durchdrang; beschloß doch die Landsgemeinde von Schwyz erst 1767, die Einsiedler nicht mehr Angehörige, sondern „mit dem rechten Namen Unterthanen" zu nennen 2). Die Untertanen zerfielen in die zwei Gruppen der besondern Untertanen der einzelnen Stände und die gemeinen Herrschaften3). Das Gebiet der Stadt Zürich umfaßte im 18. Jahrhundert 19 innere Vogteien (Altstetten, Birmenstorf, Bonstetten, Bulach, Ebmatingen, Erlenbach, Höngg, Horgen, Küsnacht, Mäni- *) Zwingiis Werke, Ausgabe von Schuler und Schultheß II 2 S. 371. Abschiede IV 1 b S. 309; zur Datierung vgl. Escher, Die Glaubensparteien in der Eidgenossenschaft S. 38. 2) Blumer, Staats- und Rechtsgesch. der Schweiz. Demokraten II S. 216. 3) „in der Eydtgenoßschaf t gemeinen und sundern landen" (Walds-huter Frieden 1469, Abschiede II S. 902). „unsern gemeinen und sund-rigen grafschaften, herrschaften, vogtyen und emptern" (Ratschlag gegen Reisläufer und Pensionen 1500, Absch. III 2 S. 11). „Des ersten so wellen wir, daß ... die von Unterwaiden und ir anhänger in den herrschaften, grafschaften und gepieten, da wir beid stett Zürich und Bern mit inen gemeinlich oder sonderlich ze regieren und verwalten hand, des gloubens halb nützit handien, gepieten noch verpieten" (Artikel Zürichs und Berns für einen Frieden mit Unterwaiden 1529, Absch. IV 1 b S. 129). „Daß dann ein jedes Ort unser Eidgnoßschaft mit sinen underthanen und zuo-gehörigen in sinen eigenen landen, gerichten und gebieten, da es allein zuo herschen und zuo regieren, sunst mit nieman teil noch gemein hat, in Sachen des geloubens ... fry ungebunden sin.. .soL ... Wo under uns ein oder meer Ort... dem Evangelio ... anhängig ... und dann das oder dieselben Ort mit andern, eim oder meer Orten, so villicht solicher leer nit anhängig, an grafschaften, herrschaften, landen, lüten, schlossen, Stetten, markten, dörfern ... teil und gemein hettind daß dann dieselben gemeinen landschaften, herrschaften, täler, gemeinden, stett, markt, dörfer und ander flecken, so nit eins einzigen Orts allein sind, hierin ganz fry ungebunden sin (sollent)" (Friedensvorschläge Zürichs 1529, Absch. IV 1 b S. 132 f.). und ihrer Glieder. 193 dorf, Meilen, Neu-Amt, Regenstorf, Rümlang, Schwamendingen, Stäfa, Vierwachten, Wiedikon, Wollishofen) und 9 äußere oder Landvogteien (Grafschaft Kyburg, die Herrschäften Andelfingen, Eglisau, Greifensee, Grüningen, Knonau, Regensberg, Wädenswil, die Freiherrschaft Sax im Rheintal). Abgesehen von der kleinen Vogtei Ebmatingen, die immer dem altern Bürgermeister von Amts wegen zustand, wurde jede innere Vogtei von zwei Mitgliedern des Kleinen Rates, die in der Stadt blieben und in ihrer Amtsführung jährlich wechselten, als Obervögten verwaltet. Dazu kam noch die Obervogtei Keller am t im Reußtal, das mit den hohen Gerichten zu Zürich, mit den niedern zur Stadt Bremgarten gehörte. Die äußern Vogteien wurden durch Landvögte regiert, die der Große Rat erwählte und die auf den obrigkeitlichen Schlössern residierten. Nicht unter den Landvögten standen die zwei autonomen Munizipalstädte Winterthur und Stein. Die Stadt Winterthur besaß ihrerseits das Dorf Hett-lingen mit hohen und niedern Gerichten, sowie die niedern Gerichte über Oberwinterthur und Pfungen. Der Stadt Stein gehörten Hemishofen und die Obervogtei Ramsen, auf die aber Österreich als Inhaber der Landgrafschaft Neuenbürg landeshoheitliche Ansprüche erhob, bis Zürich es 1770 gelang, Ramsen und Hemishofen samt der zur Landvogtei Andelfingen gerechneten Ortschaft Dörflingen von den österreichischen Ansprüchen loszukaufen. Doch mußte Zürich die Landeshoheit als ein „freies Lehen" jeweüen durch einen adeligen Lehensträger vom Kaiser empfangen Stein, Hemishofen, Ramsen, Dörflingen verlor Zürich in der Helvetik-an Schaffhausen, Sax-Forsteck an St. Gallen, das Keller- J) Fäsi, Staats- und Erdsbeschreibung etc. I S. 302 ff. Füeßli I S. 56 ff. David Wyß, Politisches Handbuch für die erwachsene Jugend der Stadt und Landschaft Zürich S. 65 ff. (1796). Meyer von Knonau, Der Kanton Zürich II S. 204 ff. Eidg. Abschiede VII 2 S. 1357. In der summarischen Übersicht der Gebiete werden niedere Gerichtsherrschaften nur dann erwähnt, wenn sie für die Kantons- und Landesgrenzen oder sonst irgendwie von Bedeutung sind. 13 194 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft amt an Aargau. Dagegen erhielt es zu seinem alten Kanton das zur Grafschaft Baden gehörige Amt Dietikon mit Schlieren, die in deren Landeshoheit liegenden Herrschaften Weiningen-Ötwil und Uitikon, sowie das zum Thurgau gerechnete Rheinau. Es erlosch die nach Baden gehörige, Malefizhoheit in Ober-Urdorf sowie die zum Thurgau gehörige Malefizhoheit in Ober- und Unterstammheim und in dem rechts vom Bach liegenden Teil der Gemeinde Ellikon, während umgekehrt die niedere Gerichtsherrlichkeit, die Zürich in den thurgauischen Herrschaften Steinegg, Weinfelden, Pfyn, Neunforn, Wellenberg und Hüttlingen besessen und durch Obervögte verwaltet hatte, dahinfielJ). Als ältestes Gebiet der Stadt Bern wurden von jeher die Vier Kirchspiele auf der rechten Seite der Aare gegenüber der der Stadt (Muri, Bolligen, Vechigen, Stettlen) betrachtet, gewissermaßen der erweiterte Stadtbezirk. Nicht zu verwechseln mit den IV Kirchspielen sind die Vier Landgerichte: Seftigen, Sternenberg (Köniz, Bümpliz, Neuenegg, Gümminen etc.), Zollikofen und Konolfingen. Die Vier Landgerichte wurden von den vier Vennern der Gesellschaften zur Pfistern, Schmieden, Gerbern und Metzgern verwaltet. Abgesehen von den vier „Freyen Städten" im Aargau (Zofingen, Aarau, Lenzburg, Brugg) und der ebenfalls autonomen ehemaligen Bischofsstadt Lausanne, ferner der unter Landammännern aus ihrer Mitte stehenden Talschaft Hasle und der im Besitz der Familie Erlach befindlichen Freiherrschaft Spiez zerfiel das übrige Gebiet der Stadt Bern in 37 deutsche und 12 welsche Landvogteien 2). Die Landvögte der „Graf- *) Meyer von Knonau a. a. 0. I S. 51 f. a) Im untern Aargau lagen die Landvogteien Schenkenberg, Castelen, Biberstein, Lenzburg, das Hofmeisteramt Königsfelden mit dem Amt Eigen, die Stiftschaffnerei Zofingen; im obern Aargau die Landvogteien Aarburg, Aarwangen, Wangen, Bipp, Landshut; im Emmental Stadt und Grafschaft Burgdorf, die Landvogteien Brandis, Sumiswald, Trachselwald, Signau; im Mittelland die Landvogteien Laupen, Köniz, Buchsee, Eraubrunnen, Thorberg; im Seeland die Landvogteien Büren, Nidau, Erlach, Aarberg, Gottstadt, St. Johannsen, Frienisberg; im Ober- Wm> und ihrer Glieder. 195 B Schäften" Thun, Burgdorf, Büren und der Stadt Unterseen trugen K den Titel von Schultheißen, diejenigen von Frutigen, Ober- und ■ Nieder-Simmental den von Castlanen, der von Königsfelden m den eines Hofmeisters. Die Stadt Burgdorf besaß ihrerseits \ einen reichen Kranz von „Twingherrschaften", 19 Gemeinden, wo > sie durch zwei Vögte aus ihrem Kleinen Rat die niedere Gerichts-; barkeit ausübte. Vom heutigen Kanton fehlte dem Gebiet der ; „Stadt und Republik Bern" der Jura, Biel, Neuenstadt, die gemeine Herrschaft Schwarzenberg. Dafür gehörte ihr der Südwesten des Kantons Aargau von Aarburg bis Brugg, sowie der i Kanton Waadt mit Ausnahme der gemeinen Herrschaften Grand-son, Orbe und Echallens1). Luzern besaß 14 Ämter oder Vogteien (Willisau, Rothenburg, Entlebuch, Ruswil, das St. Michaelsamt [Münster], Meri-schwanden, Wykon, Büren, Knutwil [Neu] Habsburg, Malters, Weggis, Kriens, Knutwil, Ebikon) und zwei „freie Städte", Sempach und Sursee. Die fünf ersten Vogteien wurden als die j. großen, die neun übrigen als die kleinen bezeichnet. Mit Ausnahme des Landvogts von Willisau und des Schloßvogts von : land die Ämter Thun und Unterseen, die Landvogteien Oberhofen und IInterlaken, die Kastlaneien Frutigen, Nieder- und Ober-Simmental, die Landvogtei Saanen. In die Klasse der deutschen Vogteien wurde trotz der welschen Sprache wegen der frühern Eroberung Aelen (Aigle) gerechnet, j,: Diese Landvogteien waren übrigens nicht alle einander nebengeordnet; \ so gehörten die hohen Gerichte über die Landvogtei Köniz in das Land-i. gericht Sternenberg, über Frienisberg, Thorberg und Fraubrunnen zum . Landgericht Zollikofen. Die 12 welschen Landvogteien waren Vevey (Vivis), Lausanne, Morges (Morsee), Nyon (News), Bonmont, Aubonne, fj Romainmotier, Yverdon (Iferten), Moudon (Milden), Oron, Payerne (Peter-i lingen), Avenches (Wiflisburg). [ *) Fäsi I S. 586 ff. Füeßli I S. 206 ff. Heinzmann, Beschreibung der * Stadt und Republik Bern (1794). Mülinen, Beiträge zur Heimatkunde des >, Kantons Bern, 6 Hefte. Ochsenbein, Die Grundherrschaften der Stadt J Burgdorf, Archiv des Hist. Vereins Bern XX S. 218. Blösch, Geschichtliche f Entwicklung der Stadt Bern zum Staate Bern, Festschrift zur 7. Säkular: i feier der Gründung Berns 1891. 196 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft Wykon wohnten alle Vögte in der Stadt. Vom heutigen Kanton fehlten dem alten Gebiet der „Stadt und Republik" Luzern Hitzkirch und Richensee, die ein Bestandteil der aargauischen Freiämter waren. Dagegen gehörten Luzern als Enklaven Schongau und Merenschwand; 1802 wurden Hitzkirch und Richensee mit Luzern vereinigt, um die Enklave Schongau mit dem Stamm des Kantons zu verbinden, während dafür Merenschwand an Aargau fiel1). Das souveräne Land Uri hörte in der Schöllenen auf. Die Talgemeinde von Urseren stand unter seiner Oberhoheit, das 1798 von Uri abgetrennte Livinental (Val Leventina) war eine urnerische Landvogtei mit dem Sitz in Faido. Das „gefreite" Land Schwyz, der jetzige Bezirk Schwyz, beherrschte mit Ausnahme von Gersau die äußern Bezirke des jetzigen Kantons, den Flecken Küßnacht, die Höfe am obern Zürichsee, die March und die Waldstatt Einsiedeln. Von dem Untertanengebiet der Stadt Zug war Seite 61 die Rede. Glarus bevogtete die kleine Grafschaft Werdenberg im Rheintal2). ■ Basel besaß 5 Landvogteien, Liestal, Farnsburg, Homburg, Münchenstein, Waldenburg, auf der linken, und zwei Obervogt eien, Riehen und Klein-Hüningen, auf der rechten Seite des Rheins. Vom heutigen Baselland fehlte ihm die zum Bistum Basel gehörige Landvogtei Birseck 3). Den Kern des Kantons Freiburg bildeten die 27 Kirchspiele der Alten Landschaft. Dazu gesellten sich 19 Landvogteien, *) Fäsi II S. 51 ff. Füeßli I S. 279. Balthasar, Hist., topogr. u. ökon. Merkwürdigkeiten des Kantons Luzern (1785—89). Kas. Pfyffer, Der Kanton Luzern I S. 10 ff. Segesser, Rechtsgeschichte der Stadt und Republik Luzern I S. 353 ff., III S. 250 ff. a) Blumer, Staats- und Rechtsgeschichte der Schweiz. Demokratien I S. 296 ff., II S. 206 ff. ' 3) Fäsi II S. 538 ff. Füeßli II S. 89 ff. Bruckner, Versuch einer Beschreibung hist. und natürlicher Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel (1748—63). Heusler, Verfassungsgeschichte der Stadt Basel im Mittelalter S. 355 ff. und ihrer Glieder. 197 3 innere (Illingen, Piafeyen, Jaun), deren Landvögte in der Stadt wohnten, und 16 äußere, wo die Landvögte residierten (Mon-tenach, St. Aubin, Estavayer [Stäffis], Font, Cheire, Surpierre, Romont, Pont [Favernach], Vuippens [Wippingen], Vaulruz [Thalbach], Rue, Bulle, Corbieres [Korbers], Gruyere [Greyerz], Chätel St. Denis, Attalens). Vom heutigen Kanton fehlte Freiburg die gemeine Herrschaft Murten, die ihm durch die Helvetik zugeteilt wurde x). Solothurn besaß 4 innere Landvogteien (Bucheggberg, Kriegstetten, Flumenthal, Am Laberen), deren Vögte aus dem Kleinen Rat genommen wurden und in der Stadt wohnten, und 7 äußere (Falkenstein, Bechburg, Ölten, Gösgen, Thierstein, Gilgenberg, Dorneck), deren aus dem Großen Rat gesetzte Landvögte auf den betreffenden Schlössern residierten 2). In der Landvogtei Bucheggberg nahm Bern die hohe Gerichtsbarkeit in Anspruch, die der an der Spitze des Landgerichts Zollikofen stehende Venner von Gerbern ausübte. Eine Folge davon war, daß hier die Reformation unter dem Schutze Berns sich behauptete und daß schließlich nach langen Streitigkeiten der Bucheggberg 1665 der Berner Kirche förmlich einverleibt wurde. Schaff hausen, das seine Gebietsbildung später als die andern Schweizerstädte begann, vollendete sie erst im 18. Jahrhundert, indem es 1723 die hohe Gerichtsbarkeit über den Reyat um 215,000 Gl. von Österreich als „freies Lehen" erkaufte. Dabei blieb das Dorf Büsingen, wo Schaffhausen den Kirchensatz und die Schaffhauser Familie Im Thum die niedern Gerichte besaß, sowie der Österreich gehörige Verenahof in Büttenhardt ausgenommen; beide Enklaven bestehen als großherzoglich badische Gebiete noch heute. Das Gebiet Schaffhausens zerfiel in 9 Ober- j *) Fäsi II S. 622 ff. Füeßli II S. 124 ff. Büchi, Freiburgs Bruch mit I Österreich S. 2 mit Karte. § 2) Fäsi II S. 760 ff. Füeßli II S. 150 ff. Strohmeier, Der Kanton Solö- b thurn S. 144. Blösoh, Gesch. der Schweizerisch-Reformierten Kirchen I (- S. 419, 465. 198 Die Benennungen der alten Eidgenossensehaft vogteien (Buch, Thäingen, Herblingen und Reyat, Neuhausen, Beringen, Löhningen, Merishausen, Schieitheim, Rüedlingen), deren Obervögte als Glieder des Kleinen Rates in der Stadt wohnten, und die Landvogtei Neukirch, wo der vom Großen Rat frei erwählte Landvogt residierte. Durch Dekret der helvetischen Räte wurden 1798 die zürcherischen Gebiete Dörflingen und Stein samt Ramsen und Hemishofen dem Kanton Schaff hausen einverleibt Das Fürstentum des Abtes von St. Gallen umfaßte zwei sehr verschieden gestellte Teile, die absolutistisch regierte Alte Landschaft und die weitgehende Selbstregierung genießende Grafschaft Toggenburg mit einem äbtischen Landvogt zu Lichtensteig. Die'Alte Landschaft zerfiel in vier Ämter, das vom Landeshofmeister auf Burg (bei Straubenzell) verwaltete Landeshofmeisteramt, das Rorschacheramt, das ein geistlicher Statthalter auf Mariaberg nebst einem weltlichen Obervogt regierte, das Oberbergeramt unter einem Obervogt auf Schloß Oberberg und später in Goßau, und endlich das untere oder Wyler Amt unter dem P. Statthalter auf der Pfalz in Wyl, wo auch der Vertreter der Schirmorte, der „Vierortenhauptmann" seine Wohnung hatte. Außer ihrem eigentlichen Gebiet besaß die Abtei St. Gallen zahlreiche Gerichtsherrschaften im Thurgau und Rheintal unter der Oberherrlichkeit der regierenden Orte, sowie in Deutschland die Herrschaften Ebringen im Breisgau, Neu-Ravensburg bei Wangen jenseits des Bodensees u. a. m. Die Stadt St. Gallen besaß wohl einige Gerichtsherrschaften im Thurgau, von denen Bürglen die wichtigste war, aber von ihrem Weichbild abgesehen, kein Gebiet, über das sie die Landeshoheit gehabt hätte 2). J) Fäsi III S. 40 ff. Füeßli II S. 190 ff. Bäehtold, Wie die Stadt Schaffhausen ihre Landschaft erwarb (Pestschrift der Stadt Schaffhausen zur Bundesfeier 1901). Wildberger, Die Landschaft im XVI., XVII. und XVlII. Jahrhundert (Festschrift des Kantons Schaffhausen 1901). 2) Fäsi III S. 593 ff., 639 ff. Füeßli III S. 17 ff., 108 ff. Baumgartner» Gesch. des Kantons St. Gallen I S. 110 ff. (Dierauer), Entstehung des Iund ihrer Glieder. 199 Die III Bünde hatten im 16. Jahrhundert am Fuß der Luzisteig, des nördlichen Tores ihres Landes, die Herrschaften Maienfeld (mit Fläsch) und Aspermont (Malans und Jenins) erworben. Das Ganze heißt noch heute „die Herrschaft" und bildete eine Landvogtei, welche die bündnerischen Gemeinden nach einem bestimmten Turnus besetzten. Anderseits waren Maienfeld und Malans zwei Gerichte des Zehngerichtenbundes und hatten als solche Anteil an den Ämtern des herrschenden Landes, so auch an der Landvogtei Maienfeld, wann die „Rod" an sie kam. Maienfeld und Malans waren also in der seltsamen Lage, daß sie einerseits ein von den III Bünden erkauftes und beherrschtes Unter-tanenland, anderseits einen Bestandteil des herrschenden Frei-; Staats bildeten; sie waren „mitregierende Herren und respektive : Untertanen" zugleich. ..; ■ Die eigentlichen Untertanen der Graubündner waren auf der andern Seite der Berge, die Landschaft Veitlin und die Graf-' schatten Bormio (Worms) und Chiavenna (Clefen). An der ; : Spitze des Veltlins standen der Landeshauptmann und der ! Vicari zu Sondrio, welche die hohe Obrigkeit im mittleren Teil des Landes, dem Terzero di Mezzo, repräsentierten, aber auch in den übrigen Terzieren gerichtliche und administrative Befugnisse ausübten. Dazu gesellten sich drei Landvögte oder Podestaten . , zu Tirano (für den Terzero di Sopra), zu Teglio und zu Morbegno l (für den Terzero di Sotto). Die Grafschaft Worms hatte ihren Po-; destä zu Bormio, Cleven einen „Commissari" zu Chiavenna und : einen Podestä zu Plurs. I In einem bloßen Schutzverhältnis zum Freistaat der III Bünde ; stand die nach manchem Wechsel an die Salis gelangte Freiherr-I schaft Haldensteinx). Kantons St. Gallen (Neujahrsblatt 1870); derselbe, Das Toggenburg unter äbtischer Herrschaft (Neujahrsblatt 1875). Gmür, Die Entwicklung der st. gallischen Lande zum Freistaate von 1803. !) Fäsi IV S. 189 ff. P. C. Planta, Die currätischen Herrschaften S. 408 ff. M. Schmid, Beiträge zur Gesch. des Finanzwesens im alten Graubünden S. 67 ff., 89 ff. Bott, Die ehemalige Herrschaft Haldenstein. Lehmann, 200 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft Wichtig für die ganze Schweiz war es, daß den Bündnern in der Mitte des 17. Jahrhunderts die Ablösung der Gerechtsamen Österreichs in den Grenzgebieten gelang, wodurch der halben Untertänigkeit wichtiger Landesteile unter eine fremde Macht ein Ende bereitet wurde. 1649 und 1657 gestattete Österreich den acht Gerichten des Zehngerichtenbundes, 1652 dem Unter-engadin den Loskauf der ihm noch gebliebenen Hoheitsrechte, mit Vorbehalt der Herrschaft Tarasp, die als Besitztum des Fürsten Dietrichstein bis 1803 eine tirolische Enklave bildete, dann durch den Reichsdeputationshauptschluß als Entschädigung für die st. gallische Herrschaft Neu-Ravensburg der Helvetischen Republik, bezw. dem Kanton Graubünden überlassen wurde. Im Münstertal, dessen zwei Gerichte Ob- und Unter-Calven Mitglieder des Gotteshausbundes waren, wurde zwar schon 1592 das „Kreuz" zwischen Münster und Taufers, da wo heute die Grenze zwischen Graubünden und Tirol durchgeht, als Grenze der Territorialhoheit des Gotteshauses Chur festgesetzt, aber erst in den Bündner Wirren des 17. Jahrhunderts die politische Verbindung Unterkalvens mit den III Bünden völlig durchschnitten. Im 18. Jahrhundert drohte der gänzliche Verlust des Münstertales, indem der Bischof von Chur 1734 alle ihm verbliebenen Rechte über das Tal an den Kaiser verkaufte. Doch gelang es den III Bünden nach langen Unterhandlungen, 1748 das Münstertal unter Verzicht auf das zu Ob-Kalven gehörige Taufers zurückzukaufen; die Ausstellung der Loskaufsurkunde wurde aber bis 1762 verzögert1). Die Landschaft Veltlin nach ihrer bisherigen politischen und geographischen Lage dargestellt (1799); derselbe, Die Grafschaften Chiavenna und Bormio (1798). Fritz Jecklin, Die Amtsleute in den bündnerischen Untertanenlanden (20. Jahresber. der Hist.-ant. Ges. v. Graubünden 1890). x) Planta, Ourrätische Herrschaften S. 119, 131 ff., 134, 146 f., 408. Foffa, Das Bündnerische Münsterthal S. 38 ff., 47 ff., Urkunden N. 61, 101, 105, 122, 126, 127, 134. Bott, Losreißung des Gerichts Untercalven und der Gemeinde Taufers von dem Freistaat der drei Bünde. Plattner, Das Verhältnis des Unterengadins und des Münstertals zur Grafschaft Tirol und die und ihrer Glieder. 201 Im Wallis bildete das eine halbe Stunde unterhalb Sitten von rechts her in die Rhone sich' ergießende Flüßlein Mors, französisch Morge, die Grenze zwischen den herrschenden sieben Zenden des Oberwallis und dem untertänigen Unterwallis. Freilich umfaßten die sieben Zenden ursprünglich durchaus nicht das ganze Oberwallis „ob der Mors". Sie waren anfänglich nur die bedeutendsten Gemeinden und gelangten am frühesten zur Mitregierung neben dem Bischof, während kleinere Gemeinden in der Entwicklung ihrer Selbständigkeit zurückblieben und erst später durch Anschluß an einen der schon bestehenden Zenden Anteil an der Landesregierung zu gewinnen vermochten. Erst im Lauf des 16. und 17. Jahrhunderts wurde die Ausdehnung der sieben Zenden auf dag ganze Oberwallis vollzogen. Das Lötschen-tal war sogar bis 1791 ein Untertanenland der fünf obern Zenden. Das 1475 und 1536 eroberte Unterwallis „nid der Mors" zerfiel in die zwei Landvogteien St. Maurice und Monthey, die abwechselnd von den sieben Zenden alle zwei Jahre besetzt wurden. 1665 erhielt der Meier der Jurisdiktionen Nendaz und Heremence in seinem Gebiet dieselbe Gewalt, die früher der Landvogt von St. Maurice hatte, und wurde als „Großmeier" den Landvögten gleichgeordnet, während die übrigen „Vögte" des Unterwallis, der von den Zenden abwechselnd ernannte Castlan von Bouveret, der Großkastlan von Martigny und der Meyer von Ardon, die beide vom Bischof ernannt wurden, sowie der vom Stift St. Maurice gesetzte Großkastlan des Bagnetals den Landvögten subordiniert geblieben zu seih scheinen 1). Das Fürstentum Neuenburg war aus der 1584 vollzogenen Vereinigung der Grafschaft Neuenburg mit der lange zu ihr nur in Lehensabhängigkeit stehenden Grafschaft Valangin ent- Gebietsbereinigung zwischen letzterer und dem Freistaat der III Bünde (23. Jahresbericht der Hist.-antiqu. Ges. von Graubünden'1893). Valer, Die Beziehungen der III Bünde zu Tirol 1632—1652 (32. Jahresbericht 1903). !) Fäsi IV S. 316 ff. Füeßli III S. 333 ff. Heusler, Rechtsquellen des Kantons Wallis S. 16 ff., 23 ff., 102, 456. Gay, Histoire du Vallais S. 135, 183 f., 187. Grenat, Hist. moderne du Valais S. 1, 19 f., 43 ff., 78, 312. 202 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft standen. Die Gewalt des Fürsten war sehr beschränkt, zumal seit Preußen vor dem Spruch, der ihm 1707 das Land zuerkannte, in die „Articles generaux" gewilligt hatte, welche die Freiheiten des Ganzen und der einzelnen Korporationen sicher stellten. Tatsächlich lag die Gewalt in der Hand der einheimischen Aristokratie, gegen die gewisse demokratische Elemente ein Gegengewicht bildeten. So insbesondere die vier „Bourgeoisien" von Neuchätel, Valangin, Boudry und Landeron, die kraft ihrer verbrieften Freiheiten eigene Verwaltungs- und Gerichtsbehörden besaßen und das Recht ausübten, gegen die Erlasse der Regierung beim Fürsten Einwendungen, „Remonstranzen", zu erheben. Die Bourgeoisie von Neuchätel, die ihr Zentrum in der Stadt hatte, aber über zahlreiche durch das ganze Land zerstreute „Ausburger" gebot, bildete eine Oligarchie, diejenige von Valangin eine Landsgemeindedemokratie inmitten des Fürstentums. Alle drei Jahre strömten die Bürger von Valangin aus den 27 Gemeinden der alten Grafschaft zur Bürgergemeinde zusammen, die unter freiem Himmel ihre Behörden wählte und über ihre Angelegenheiten beriet. Die Bourgeoisien von Boudry und Landeron standen an Zahl und Bedeutung hinter den beiden andern zurück, aber sie bildeten mit diesen zusammen die „Vereinigung der Körperschaften und Gemeinden", deren zwar selten zusammentretende Abgeordnete als Ersatz für die nicht mehr einberufenen Landstände betrachtet werden konnten. Das Fürstentum zerfiel für Verwaltung und Gericht in 4 Kastlaneien (Chätellenies: Thiele, Landeron, Boudry, Val Travers) und 15 Meyereie-n (Mairies: Neuchätel, Lignieres, Boudevilliers, La Cote, Colombier, Cortaillod, Bevaix, Rochefort, Verrieres, La Brevine, Valangin, La Sagne, La Chaux-de-Fonds, Le Locle, Les Brenets), wozu sich noch drei im Familienbesitz befindliche Freiherrschaften mit hoher Gerichtsbarkeit (Gorgier, Vaumarcus, Travers) gesellten *). !) Eäsi IV S. 439 ff. Püeßli III S. 392 ff. Recueil de diverses pieces concernant les franchises et liberies des peuples de la Principaute de Neu- und ihrer Glieder. 203 Auch der größere Teil der Einwohner der Republik Genf befand sich in untertäniger'Stellung. Um Citoyen, d. i. regimentsfähiger Bürger zu sein, mußte man von bürgerlichen Großeltern abstammen und in Genf geboren sein. Von den Ämtern ausgeschlossen, aber zur Teilnahme an der Bürgergemeinde berechtigt waren die Neubürger, die Söhne von Neubürgern und die außer Landes geborenen Genfer, die man alle unter dem Namen Bourgeois zusammenfaßte. Neben der zweigeteilten souveränen Bürgerschaft gab es aber in der Stadt eine weit zahlreichere nicht eingebürgerte Bevölkerung, die ebenfalls in zwei Klassen zerfiel, indem sich von den frisch zugewanderten „Ansäßen", den Habitants, die in Genf geborenen Nachkommen von Ansäßen als „Natifs", Eingeborene, durch einige Vorrechte unterschieden. Im übrigen waren Natifs und Habitants von jeder politischen Berechtigung, sowie von den höhern Berufsarten ausgeschlossen. Außerhalb der Stadt saßen als fünfte Klasse die Suj ets oder Untertanen, die zum Teil noch leibeigenen Bauern der wenigen zu Genf gehörigen Dörfer, die fünf in bernisches, französisches und savoyisches Gebiet eingeschlossene Enklaven bildeten, von denen die unter Kastlanen stehenden „Mandements" Peney und Jussy die wichtigsten waren1). chätel et Valangin (1762). Guinand, Eragmens neuchätelois oü Essai historique sur le droit public neuchätelois (1833). Tribolet, Hist, de Neuchätel et Valangin depuis l'avenement de la maison de Prusse jusqu'en 1806 (1846). Grandpierre, Memoires politiques S. 15 ff. (1877). Chambrier, Les Mensonges historiques sür Neuchätel (1880). Expose de la Constitution de la Principaute de Neuchätel et Valangin, dressö en 1806, publ. par Tripet (1893). Borel, Le Conflit entre les Neuchätelois et Erederic-Le-Grand 1766—68 (1898) ch. I u. II. Hurny, Le Proces de 1618, Introduction (1910). Arnold Robert, Quelques notes sur la Seigneurie de Valangin (1902). Vivien, La bourgeoisie de Valangin (1902). !) Abschiede VII1 S. 1399 ff. Päsi IV S. 38ß ff., 420 ff. (D'Yvernois), Tableau historique et politique des deux derniöres revolutions de Geneve (1789) I S. 5 f. Cornuaud, Memoires sur Geneve et la Revolution de 1770—• 1795, p. p. Em. Cherbuliez (1912) S. XVIII, 1 f., 8 f., 48 etc. Du Bois-Melly, Les Mceurs Genevoises de 1700 k 1760 (1875) S. 31 ff., 166 ff. Habi- 204 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft Das Fürstbistum Basel gehörte halb zur Schweiz, halb zum Reich. Unbestrittener Schweizerboden war die Stadt Biel, die im 16. Jahrhundert so gut wie unabhängig und Herrin der bischöflichen Herrschaften Erguel und Iiifingen geworden war. Dank der Unterstützung des Bischofs durch die katholischen Orte und einem langwierigen, schließlich verunglückten Tauschgeschäft, das der Bischof 1598 wegen einer Abtretung seiner Rechte auf Biel an Bern gegen dessen Verzicht auf das Münstertaler Burgrecht anknüpfte, mußte Biel 1610 wieder eine beschränkte Oberherrlichkeit des Bischofs anerkennen und diesem Erguel und Iiifingen unter Vorbehalt der „Pannerhoheit" zurückgeben. Repräsentant des Landesfürsten in Biel war der Meyer, zu dessen Amt Iiifingen (Orvin) gehörte. Eine Art gemeine Herrschaft Berns und des Bischofs war der einerseits unter dem Landvogt von Nidau, anderseits unter dem Meyer von Biel stehende Tessenberg (Montagne de Diesse) ob dem Bielersee. Die Herrschaft Erguel (Val St.Imier und Pery) bildete im 17. und 18. Jahrhundert unter Vorbehalt der Militärhoheit Biels eine bischöfliche Landvogtei. Ähnlich wie in Biel fungierte ein bischöflicher Meyer zu Neuenstadt neben den städtischen Behörden. Den Übergang vom Schweizerboden zum Reichsboden bildete das mit Bern, verburgrechtete Münstertal (Prevote Moutier-Grandval), indem es im Gegensatz zu Biel, Erguel und Neuenstadt die Reichsanlagen des Bistums mittragen half. Den beständig wiederkehrenden Religionsstreitigkeiten im Münstertal wurde 1711 durch vollständige Ausscheidung der Konfessionen ein Ende gemacht. „Ob den Felsen" (oberhalb der Talenge bei Choindez) durften nur Reformierte, „unter den Felsen" (in Courrendlin und Seehof) nur Katholiken wohnen. Zum Reichsboden gehörten acht Landvogteien: 1. Eisgau mit Stadt und Schloß Pruntrut, 2, Delsberg mit der „Cour- tantenbewilligungen würden im 17. Jahrh. um 100 Gl., im 18. Jahih. in der ersten Hälfte um 200 GL, in der zweiten um 400 Gl. erteilt; das Bürgerrecht dagegen kostete 1707 5000 Gl. Ein Südfranzose hatte 7000 Gl., ferner 10 Thaler für den Kl. Rat und 10 Thaler für die Bibliothek zu bezahlen. und ihrer Glieder. 205 tine" von Bellelay, 3. St. Ursiz, 4. Freibergen (Franches Mon-tagnes), 5. Zwingen mit der Stadt Läuffen, 6. Pfeffingen, 7. Birseck, und 8. jenseits des Rheines das in zwei Enklaven im Badischen geteilte Amt Schliengen. Ein Lehen der Herzoge von Württemberg-Mämpelgard vom Bischof war endlich die Herrschaft Franquemont, deren Hnks vom Doubs gelegener Teil 1780 an Frankreich abgetreten wurde 1). Die zweite Gruppe von Untertanen waren diejenigen, die von mehreren Orten gemeinsam gewonnen und gemeinsam beherrscht wurden, die gemeinen Herrschaften oder Vogtei'en. Es gab solche von zwei, zweieinhalb, vier, sieben, acht und zwölf, seit 1712 auch von drei und neun Orten. „Gemeine Vogteien" und „Gemeine Herrschaften" sind indes nicht ganz identisch; der letztere Begriff ist insofern weiter, als er auch unbevogtete Gebiete, wie Rapperswil, oder wo der Landvogt nichts zu gebieten hatte, wie Baden, Frauenfeld, Bremgarten, Mellingen mit umfaßte 2). Der prägnante Ausdruck scheint namentlich in den Jahren 1527—1529 in Schwung gekommen zu sein, als Zürich, unterstützt von Bern, seinen Glaubensgenossen „in den gemeinen herschaften und vogtien, da si nit minder teil dann ein an- Fäsi IV S. 508 ff. Oechsli, Orte und Zugewandte S. 200 f., 204 ff., 225 ff., 320—338, 400^04. Rennefahrt, Die Allmend im Berner Jura (1904) S. 47 ff. Kleinert, Der Bieler Tauschhandel (1914). Kistler, Das Burgrecht zwischen Bern und dem Münstertal (1914). Arnold Robert, La seigneurie de Franquemont (1904/5). a) Simler, Vom Regiment Gemeiner lobl. Eydgnoschafft (S. 129 ff. u. 239 ff.) spricht zuerst von den Städten, „die ir freyheit und gerechtigkeit, auch eigne Schulthessen und Rächt habend", und dann von den „neun gemeinen Vogteyen". 1712 behielt sich Glarus bei der Ratifikation des Aarauer Friedens „alle unßere Recht und' Gerechtigkeiten an den gemeinen Teutschen Land Vogteyen und an denen Stätten Baden, Mellingen, Bremgarten, Rapperschwyl" etc. vor (Absch. VI 2 S. 2339, VII 1 S. 1350). 206 " Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft der Ort habent", seinen tätlichen Schutz gegen jede Verfolgung zusicherte und ihre Glaubensfreiheit durchsetzte 1). Die, ersten gemeinen Herrschaften wurden im Beginn des 15. Jahrhunderts auf der Südseite des Gotthard eingerichtet. 1403 nahmen Uri und Obwalden gemeinsam das Livinental in Besitz. 1410 wurde das Eschental (Domo d'Ossola) eine gemeine ') Folgende Stellen aus den Abschieden geben einen ungefähren Begriff von der Entwicklung der Benennung. 1426: „in den vogtyen, so gemeinen Eidgnossen zugehörent" (II S. 61). 1471: „in allen statten, emptern und vogtyen, es sy im Ergow, baden, bremgarten oder mellingen" (II 422). 1500: „ouch allen unsern gemeinen und sundrigen grafschaften, herrschaften, vogtyen und emptern (III 2 S. 11). Febr. 1527: „wiewol wir an der graf-schaft Thurgöw und andern herrschaften mee gmeine gerechtigkeiten mit unsern Eidgnossen haben" (IV 1 a S. 1045). März 1528: „in den vogtyen, ämpteren, grafschaften und herrschaften, so wir mit inen gemein und als vil teil als ein ander Ort daran habend" (id. S. 1294). Burgrecht zwischen Zürich und Bern 25. Juni 1528: „Und als wir dann ouch etlich grafschaften, herschaften und vogtyen mit unsern lieben Eidgnossen gmeinlich und sonderlich zuo verwalten haben, ... und aber etlich der-selbigen unser gmeinen underthanen und zuogehörigen uß gnaden gottes begirig werent____, das göttlich wort und heilig evangelium luter und rein zu hören daruf habent wir uns vereint und entschlossen, daß hinfür dhein predicänt, der ze predigen ordenlich berüeft ist, in gemelten unsern gemeinen grafschaften, herschaften und vogtyen ... nit beleidiget, gefangen, gestraft, von siner pfruond vertriben noch des lands verjagt werden solle, desglichen ouch dheiner unser gmeinen underthanen, geistlich noch weltlich, so ... sin sach mit warem gottes wort verantwurten mag, ouoh nit gestraft werde" (Abschiede IV 1 a S. 1524). 1528, August: „es sye von wegen gemeiner herrschaften, der Schmitz- und schmachworten halb" (id. S. 1381). Oktober: „so unsere herren in den gmeinen herrschaften und vogtyen, bi üch und anderschwo (da sy nit minder theil dann ein ander Ort) gehandlot ... Sy werdent ouch ... die biderben lüt in söllichen gmeinen herrschaften göttlichen worts halb nit mer also mit gfänknus und in ander weg strafen, beleidigen und verjagen lassen" (id. 1419 f.). November: „dass si hinfür die biderben lüt in den gemeinen herschaften und vogtien, da si nit minder teil dann ein ander Ort haber.t; des götlichen worts halb, wo man si darumb an Hb, ere oder guot strafen und mit gwalt davon weite trengen, nit werdint verlassen und solichs nit mer dulden" (id. 1443). und ihrer Glieder. 207 Herrschaft von Luzern, Uri, Unterwaiden, Zug und Glarus, in deren Mitbesitz später auch Zürich und Wallis traten und die 14161 um Val Maggia und Val Verzasca erweitert wurde. 1419 erkauften Uri und Obwalden Stadt und Herrschaft Bellinzona. So war die Gotthard- und Simplonstraße bis an den Langensee bereits im Besitz der Eidgenossen, als 1422 mit der Niederlage von Arbedo alles wieder an Mailand verloren ging*). Die ältesten bleibenden gemeinen Herrschaften gewannen die Eidgenossen 1415 bei der Eroberung des Aargaus. Zürich stellte im Beginn den Antrag, „dz man dz alles Hesse gemeinen eydgnossen zuogehören, ummb dz wir alle und gemein land dester bas bi friden und genaden beliben muge" a). Allein bei der endgültigen Verteilung der Beute galt umgekehrt in der Hauptsache der Grundsatz, daß jeder das behielt, was er allein, ohne Mithülfe der andern, eingenommen hatte. So kam der ganze südwestliche Aargau von Aarburg bis Brugg an Bern, Sursee und St. Michaelsamt (Münster) an Luzern, das Freiamt an Zürich. Mellingen wurde dagegen durch Zürich und Luzern, Bremgarten durch alle östlichen Orte außer Uri zur Ergebung genötigt, und bei der Bezwingung der Hauptstadt des österreichischen Aargaus, Badens, halfen alle acht Orte, auch Bern, mit. Auf diese Gebiete fand daher das Prinzip der gemeinen Herrschaften Anwendung. Die rechtliche Sicherung der gemeinsamen Eroberungen übernahm Zürich, indem es sich von König Sigmund am 22. Juli 1415 die Städte Baden mit ihren zwei Vesten sowie Mellingen, Bremgarten und Sursee mit allen Gerechtsamen, Nutzungen, Steuern, hohen und niedern Gerichten, die Österreich in den genannten „Stetten und uf dem land" besessen, für 4500 Rh. Gl. verpfänden und am 18. Dezember Luzern, Schwyz, Unterwaiden, Zug und Glarus in die gesamte Pfandschaft, Bern speziell in die Pfandschaft Baden eintreten ließ, bei deren Eroberung allein es sich J) Dierauer I S. 425, 476;,II S. 18 ff. Eligio Pometta, Come il Ticino venne in potere degli Svizzeri I S. 15 ff. a) Zürcher Stadtbücher II S. 28. 208 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft beteiligt hatteBei diesem Anlaß wurde auch das wichtige Prinzip festgesetzt, daß bei der Regierung der gemeinen Herrschaften die Minderheit der regierenden Orte sich der Mehrheit zu fügen habea). Uri verschmähte damals den Eintritt, wohl weniger aus besonderem Feingefühl für die Rechte Österreichs, als aus Verdruß über die Hemmungen, die Zürich und Schwyz seiner Expansionspolitik auf der Südseite des Gotthard bereiteten 3). Sursee war ohne die Absicht Zürichs in den königlichen Pfandbrief gesetzt worden und sein Alleinbesitz blieb Luzern unbestritten; dagegen erhoben Zürich, Schwyz, Unterwaiden, Zug und Glarus Anspruch auf Mitherrschaft in den ebenfalls von Luzern allein okkupierten „Ämtern" Meyenburg, Richensee und Vil-mergen, die 1425 durch einen Schiedspruch Berns der gemeinen Herrschaft der sechs Orte einverleibt wurden *). Im alten Zürichkrieg machten die aargauischen Städte Miene, zu Zürich und Österreich zu halten. Luzern, Uri, Schwyz, Unterwaiden, Zug und Glarus legten sich daher Ende Mai 1443 vor Bremgarten, auch die Berner erschienen vor dem Platz, nachdem sie auf dem Durchzug durch Mellingen Zürichs Herrschaftsanteil zu gemeiner Eidgenossen Hand'en genommen, und die sieben Orte zwangen Bremgarten durch Beschießung zur Übergabe. Baden fand es für geraten, den Eidgenossen freiwillig zu huldigen. Bei diesem Anlaß trat Bern in die Mitherrschaft über Mellingen und Bremgarten, Uri in diejenige über alle drei Städte ein5). Da J) Abschiede I S. 349, 351, 352. Dierauer I S. 488 ff., 494 ff. 2) „das da der minder teil dem meren teil volgen sol, ane alle widerred". 3) „Also ward ir fast gespottet von denen von Switz und von andern aidtgenossen und sprachent: „luog jederman, wie sind die kröpf von ure aber so witzig und so göttlich! si wellent nit unrecht fertig guot han, si muessent ain besunders han." Klingenberg S. 181. *) Segesser, Rechtsgeschichte I S. 295 N. 2; II S. 57 N. 4, S. 62 ff. ä) Ffünd S, 140 ff. Klingenberg S. 208. Abschiede II S. 168. Die Urkunde vom 2. Juli 1443, durch welche' Bern, Luzern, Uri, Schwyz, Unterwaiden, Zug und Glarus den siebenten Teil Zürichs an Stadt und Grafschaft Baden zuhanden nehmen und die Stellung Badens für die Dauer und ihrer Glieder. 209 beim Friedensschluß 1450 auch Zürich seinen Anteil zurück erhielt, so gehörte nun die Herrschaft in Baden, Mellingen und Bremgarten allen acht Orten1), während in den „Ämtern" sie noch immer auf die sechs Orte beschränkt blieb. Es bestanden mithin seit 1450 im Aargau folgende gemeine Herrschaften: 1. Stadt und Grafschaft Baden, allen acht alten Orten gehörig. Da die Stadt „lut ir frigheit inwendig iren crütz-steinen alle gericht, groß und dein, ouch alle buossen und frevel zuo straffen, stock und galgen alle Übeltäter hinzuorichten" hatte, da sie nicht dem Landvogt, sondern dem Syndikat huldigte und ihren Schultheißen samt den übrigen Behörden ohne Einmischung der regierenden Orte bestellte, so gehörte sie eigentlich nicht zur „Vogtei"*). Die Regierung und Verwaltung der Grafschaft besorgte der abwechselnd von den herrschenden Orten alle zwei Jahre ernannte Landvogt, der im „Niderhus", der kleinen Burg an der Brücke auf der rechten Seite der Limmat, seinen Sitz hatte. Die Grafschaft zerfiel in acht „innere Ämter" (Rohrdorf, Birmenstorf, Gebistorf, Dietikon, Wettingen, Siggenthal, Ehrendingen und Leuggern) mit je einem Untervogt an der Spitze, und drei äußere, bischöflich konstanzische Vogteien, Klingnau, Zurzach und Kaiserstuhl. In den letztern nahmen die Eidgenossen die hohe Gerichtsbarkeit und das Mannschaftsrecht in Anspruch, des Kriegs näher bestimmen (Welti, Die Urkunden des Stadtarchivs Baden I S. 588), ist als Zeitpunkt des Eintritts von Uri in die Mitherrschaft über die Grafschaft Baden samt Mellingen und Bremgarten zu betrachten. 1) Siehe die Urkunden für die drei Städte am 27. Juli 1450 bei Tschudi II S. 555. Welti, Urk. Baden II S. 656. Argovia X S. 117. Vgl. Abschiede II S. 245. 2) „Es hat aber der Landtvogt nichts zuo gebieten über die Statt zuo Baden, sonder allein über die Graaffsehafft". Siraler p. 243. Welti, Urbar der Grafschaft Baden, Argovia 1862 und 1863 S. 194ff. Ein Bürger von Baden reitet oder geht „in die vogty hirius". Doch hatte der Vogt auch in der Stadt gewisse Rechte der Herrschaft, namentlich finanzieller Art, zu wahren. 14 210 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft während sonst alle „Herrlichkeit" dem Bischof von Konstanz zustand, der sie durch zwei „Obervögte" ausüben ließ. Der eine für Klingnau und Zurzach wohnte im Schloß zu Klingnau, der andere für Kaiserstuhl und die zur Obervogtei gehörigen Gebiete rechts vom Rhein in dem Kaiserstuhl gegenüber liegenden Schloß Röteln. In einer eigentümlichen Stellung zur Grafschaft Baden befanden sich die ennetrheinischen Gemeinden Hohen-thengen, Lienheim, Herdern und Kadelburg. In den drei ersteren besaß der Bischof von Konstanz, in Kadelburg das Stift Zurzach die niedere Gerichtsbarkeit; die hohen Gerichte gehörten zu der im Besitz der Grafen von Sulz, seit 1687 der Fürsten von Schwarzenberg befindlichen Landgrafschaft Klettgau. Die in Baden regierenden Orte aber übten in den vier Gemeinden das Mannschaftsrecht aus. Seit dem Schwabenkrieg „reiste" die Mannschaft derselben mit den Eidgenossen. Die Folge war ein beständiger Streit über die Landeshoheit in diesen ennetrheinischen Gebieten, der bis Ende der alten Eidgenossenschaft nie zum Austrag kam, Komplizierte Rechtsverhältnisse bestanden auch in den zur Grafschaft Baden gehörigen, im Besitz der Meyer von Knonau befindlichen Herrschaften Weiningen und ötwil. In Weiningen, wo die Meyer von Knonau die Vogtei als Lehen von Einsiedeln inne hatten, stand die Zivilgerichtsbarkeit Einsiedeln, bezw. dessen Vertreter, dem Propst im Kloster Fahr, die Strafgerichtsbarkeit bis ans Blut, die Polizei, der Wildbann usw. den Meyer von Knonau, die Mannschaft der Stadt Zürich,, die Vollziehung von Malefizurteilen dem Landvogt von Baden zu. Die Herrschaftsleute huldigten dem Vogtherrn und dem Abt von Einsiedeln, aber nicht dem Landvogt. In ötwil hatten die Meyer von Knonau alle Gerichtsbarkeit bis ans Blut, während das Mäle-fizgericht nach Baden gehörte. In Oberötwil hatten Zürich, in Unterötwil die in Baden regierenden Orte das Mannschaftsrecht. Oberötwil huldigte dem Gerichtsherrn allein> Unterötwil auch dem Landvogt. In ähnlichem Verhältnis zu Baden . stand ; die Steinersche Herrschaft Uitikon (Uitikon, Ringlikon, Nieder- und ihrer. Glieder.: 211 ürdorf). Auch ein Teil der zürcherischen'Obervogtei Altstetten sowie Ober-Urdorf gehörte für das Malefiz.nach Baden1), 2. Die Städte Mellingen und Bremgarten standen seit 1443 ebenfalls unter allen acht'Orten und erfreuten sich einer ähnlichen Selbstregierung wie Baden. Bremgarten besaß aus der österreichischen Zeit her eine kleine Landschaft, besonders das „Kelleramt" (Lunkhofen, Jonen, Oberwil etc.), wo es die nie-dern Gerichte und die Mannschaft inne hatte1, während die hohen Gerichte, der Wildbann etc. Zürich zustand. Bis zum Kappelerkrieg wurden die beiden Städte zur Grafschaft Baden gerechnet, indem der Badener Landvogt bei ihnen die Interessen der regierenden Orte wahrzunehmen hatte2). Aber die Gleichartigkeit des Schicksals in der Reformationszeit brachte sie mit den Freien . Amtern in engere Verbindung. Wie die Freien Amter wurden Bremgarten und Mellingen im zweiten Landfrieden von der den gemeinen Herrschaften zugesicherten Glaubensfreiheit ausgeschlossen und den V Orten zur Bestrafung und Bekehrung überlassen. Nicht nur mußten die beiden Städte zum alten Glauben .zurückkehren, es wurde ihnen auch die Schultheißenwahl entzogen. Der Landvogt in den Freien Ämtern erhielt den Schlüssel zum Gefängnisturm in Bremgärten, damit er nach Belieben seine Gefangenen darin unterbringen könne. Im April 1532 beschwerten sich Zürich und Bern darüber, weil am Ende daraus erfolgen möchte, daß die Stadt zu den Freien Ämtern und nicht mehr.zur Grafschaft Baden gerechnet würde. In der Tat wurden in der Folge Bremgarten und Mellingen, obschon sie den VIII Orten gehörten, -1) E. Welti, Urbar der Grafschaft Baden; F. E. Welti, Die Stadtrechte von Baden und Brugg,, Kaiserstuhl und Klingnau (Sammlung Schweiz. Rechtsquellen, Aargau I 2 u. 3). Fäsi III S. 396 ff., IV Zusätze S. 25 f. Merz, Die mittelalterl. Burganlagen und Wehrbauten des Kantons Aargau I S. 84 ff. Höchle, •Gesch..der Reformation und Gegenreformation in der Stadt. und Grafschaft Baden S. 10 ff. , Kreis,, Die Grafschaft Baden im .18. Jahrhundert (Schweizer Studien zur Geschichtswissenschaft I) S. 269 ff., 317 f., 319 ff., 326 ff. 2) Welti, Urbar der Grafschaft Baden S. 198 f. 212 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft den unter den VII Orten stehenden Freien Ämtern zugerechnet, so daß 1598 und 1612 der Vorschlag erwogen werden konnte, dem Landvogt der Freien Ämter einen ständigen Wohnsitz in Bremgarten anzuweisen. Die beiden Städte zeigten sich jetzt in der Unterdrückung der neuen Lehre ebenso eifrig wie vorher in ihrer Förderung. Dank der Unterstützung der V Orte konnte Bremgarten sogar im Kelleramt der Landeshoheit Zürichs zu Trotz die Gegenreformation durchführen. 1610 wurde Bremgarten und 1612 Mellingen die Schultheißenwahl zurückgegeben1). 3. Wohl zu unterscheiden von dem zürcherischen Freiamt2) zwischen Albis und Reuß, das im 15. Jahrhundert allein diesen Namen führte, sind die Freien Ämter im Aargau, die ge- !) Abschiede IV 1 b S. 1220, 1308, 1321; V 1 S. 1476. Schultz, Reformation und Gegenreformation in den Freien Ämtern S. 101 ff., 107 ff., 115 ff., 123, 141. Vgl. ferner über die beiden Städte: Merz, Stadtrechte von Bremgarten und Lenzburg (Rechtsquellen, Aargau I 4). Weissenbach, Re-gesten des Stadtarchivs Bremgarten (Argovia VIII); Die Stadt Bremgarten im 14. u. 15, Jahrh. (Argovia X). Wind, Die Reformation im Kelleramt (Taschenbuch der Hist. Ges. Aargau 1896). Liebenau, Die Stadt Mellingen (Argovia XIV). z) Schon Simler p. 136 hält es für notwendig, auf den „underscheid zwüschend dem Eryenampt und den Eryenämpteren an der anderen syten der Rüß" hinzuweisen. Das Freiamt war ursprünglich eine geographisch keineswegs geschlossene, unter habsburgischer Landgrafschaft stehende Genossenschaft freier Bauern zwischen Albis und Reuß, die in Affoltern einen größern zusammenhängenden Komplex ausmachten, in andern Dörfern aber sich nur zerstreut fanden. So erscheint das Ereiamt im habsburgischen Urbar und in der noch erhaltenen Öffnung des Ereiamts Affoltern. Im Lauf des 14. Jahrhunderts verwandelte sich durch die von Österreich für die Verwaltung bezw. Verpfändung seiner Besitzungen getroffenen 'Maßnahmen das Ereiamt in einen räumlich geschlossenen Bezirk, der als solcher 1415 bei der Ächtung Herzog Friedrichs vom König Sigmund an Zürich verliehen wurde. Dies „Fryenambt" wurde mit dem schon 1406 von Zürich erworbenen Amt Maschwanden zu einer Landvogtei vereinigt, die seit 1512, wo die den Meyer von Knonau abgekaufte niedere Vogtei Knönäu hinzukam, nach dem Sitz des Landvogts das „Knonauer Amt", im Volksmund aber bis ins 19. Jahrhundert Freiamt hieß (Fr. v. Wyß, Abhandlungen zur Gesch. des Schweiz, öffentlichen Rechtes S. 188 ff.). und ihrer Glieder. 213 meine Herrschaft der Eidgenossen auf der linken Seite der Reuß, die 1415—1425 aus den österreichischen Ämtern Meienberg, Richensee, Vilmergen und Muri gebildet wurde 2). Die Vermutung läge nahe, daß die Freien Ämter im Aargau in ihrem Namen mittelalterliche Rechtsverhältnisse konservieren und auf alte Genossenschaften freier Bauern hindeuten, wie das beim zürcherischen Freiamt wirklich der Fall ist2). Allein der Name „Freie Ämter" ist für die Gegenden links von der Reuß nicht vor dem Anfang des 16. Jahrhunderts bezeugt. Im 15. Jahrhundert werden die Ämter Meyenberg, Richensee, Vilmeringen, Mure zusammengefaßt als die „Vogtei im Waggenthal", die „Ämter im Waggenthal", „Gemeiner Eydgnossen empter", „Gemeine Ämter", die „Ämter im Aargau", die „Ämter" oder der „Aargau" schlechthin, aber nie als Freiamt oder Freie Ämter bezeichnet3). Unter dem Namen „Fri ampt" und „Frye empter" erscheinen sie erst seit *) Ereilich umfaßt die gemeine Herrschaft diese Ämter, wie sie im habsburgischen Urbar erscheinen, nicht vollständig. Ein Teil der Ämter Meyenberg und Richensee war schon im Sempacherkrieg von Luzern in Besitz genommen, Merischwand 1394 erkauft worden. Ermensee (im Urbar zum Amt Richensee gehörig) und Schongau (zum Amt Vilmergen) galten 1415 als Teile des Michelsämtes und blieben deshalb bei Luzern. Segesser, Rechtsgeschichte I. S. 549 ff., II S. 62 f. z) Wo in den Quellen des 15. Jahrhunderts, in den Abschieden (z. B. II S. 222, 228), in den Zürcher Stadtbüchern, den Bremgartener Urkunden, der Zürcher Chronik, in Fründ, Klingenberg etc. das „Ery Ampt" genannt wird, ist immer das zürcherische Ereiamt (mit Einschluß des Kelleramts) gemeint. 3) In den Freiämter Akten des Staatsarchivs Zürich (A 322, 1) heißt der Landvogt „der Eidgnossen vogt zu Mure" (1478), „der eidgnossen vogt im waggental und derselben emptern, so man nempt der eidgnossen emptter" (1485), „vogt der empteren in Ergow" (1494). Vgl. Abschiede II S. 269, 469, 573, 634, 636, 660, 672; III 1 S. 39, 353, 385, 625; III 2 S. 57 (Waggental); III 1 S. 483 (Ämter im Wagental); III 1 S. 440 (Ämter im Aargau); II S. 149, 421, 450, 488, 550, 564, 572, 601 (Gemeiner Eidgenossen Ämter); II 564; III 1 S. 69,154, 213, 460; III 2 S. 57 (Ämter); II S. 304; III 1 S. 297; III 2 S. 123 (Aargau). 214 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft 1502 1). Dann kämpfen die alten Namen mit dem neuen noch drei Jahrzehnte hindurch; seit 1533 scheint das Waggenthal aus den offiziellen Akten verschwunden zu sein2). Was den neuen Namen betrifft, so schwankte der Sprachgebrauch von Anfang an zwischen der Einzahl „dem Fryen Ampt", und der Mehrzahl „den Fryen Emptern", so jedoch, daß die letztere bis zur Helvetik vorherrscht, während im 19. Jahrhundert, wo er bloßer Landschaftsname geworden ist, die Einzahl, Freienamt oder Freiamt, den Sieg erlangt hat3). 1) Orig. Abschiede St. Zürich B VIII 83 S. 240—243 „von dem vogt im l'ryen ampt" (Jahrrechnung 1502); „Item der vogt von Särganser-land und us den fryen emptern" (Jahrrechnung 1502, Tschudisohe Sammlung W 39); „von dem vogt in fryen emptern" (Jahrrechnung 1503; B VIII 84 S. 18). 2) Abschiede III 2 S. 165, 166, 230, 265, 266, 349, 466, 600, 889; IV 1 a S. 7, 50, 164, 213, 295, 296, 377, 381, 394, 437, 438, 498 usw. In den gedruckten Abschieden verschwindet der Name Waggental mit der.Erwähnung des von dem Zuger Stadtschreiher Jakob Kollin 1533 geschriebenen ürbars der „Empter in Ergöw" (Abschiede IV 1 b S. 1409). 3) In den Originalabschieden von 1502 ist bald von dem Vogt „im fryen ampt", bald- von dem „us den fryen emptern" die Bede. Brennwald erwähnt „das Ery Ampt so man nembt das Waggental", aber aucli „die Erien Empter im Ergöw" (II S. 514 u. 522). Dies Schwanken zwischen der Einzahl und Mehrzahl läßt sich durch die Jahrhunderte verfolgen. In der Reformationszeit ist „Gemeine Erygen Aempter" gewöhnlich, daneben kommt aber auch „Ery Ampt" (Abschiede IV 1 a S. 164), „im frygen Ampt" (Abschiede IV l'b S. 197, 1168) vor. Auch im 17. und 18. Jahrhundert ist die Mehrzahl das Gewöhnliche, aber Wagners Mer-curius (S. 23) teilt die „Ereyen Aempter" in das „Ober- und Unter-Ampt", und Eäsi spricht abwechselnd von den Landvogteieri des „Obern und des Untern Ereyen Amts" und der „Obern und Untern Ereyen Ämter". Die Verfassung des Peter Ochs weist 1798 die „freien Ämter" dem Kanton Zug zu (Strickler, Akten der Helvetik I S. 571), die regierenden Orte aber erließen Ereilassungsurkunden für das „obere" und das „untere Ereiamt" (Abschiede VIII S. 453, 495), Die Verfassung vom 25. Mai 1802 teilte die „untern Ereiämter" dem Aargau, die „obern" Zug zu (Strickler VII S. 1374 f.). Die Organisationskommission des Kantons Zug aber spricht neben den obern Ereiämtern vom „Unter-Ereienamt" (Strickler VIII S. 960). und ihrer Glieder. 215 Der Historiker der freien Bauerngemeinden der Schweiz im Mittelalter, Fr. v. Wyß, hält es mit dem Sammler der Aar-gauer Rechtsquellen, Fr. Ott, für kaum denkbar, daß der Name „Freie Amter", wenn er in alten Verhältnissen seinen Grund gehabt hätte, während eines ganzen Jahrhunderts verloren gegangen wäre, um dann im 16. Jahrhundert neu aufzutauchen. Unter den Erklärungsversuchen scheint mir derjenige Otts der plausibelste. Die Ämter im Waggenthal, deren Name zu dem Spottwort „waggenthalern" (wankelmütig sein) Veranlassung ge-■ geben hatte, suchten ihn durch Übertragung des schönen Namens des benachbarten Freiamts zu verdrängen, zumal die in der alten Öffnung des Freiamts Affoltern angegebenen Grenzen der Landgrafschaft, von der dieses einen Teil bildete, leicht zu der irrigen Deutung führen konnten, als ob der Name Freiamt ursprünglich für die ganze Gegend zwischen Dietikon und Zug, dem Zürichsee bis zu den Wagenden Studen bei Zofingen gegolten habe 1). Im Gegensatz zu Baden, Mellingen und Bremgarten gehörten die Ämter im Waggenthal bis 1532 nur den sechs alten Orten ohne Bern und Uri. Im Dezember 1531 stellte Uri zunächst bei seinen Kampfgenossen im Kappelerkrieg das Begehren, „si ouch in die vogty der fryen Ämptern zuo vergrifen und kommen zu lassen". Luzern wollte anfänglich die Bedingung stellen, daß es dafür von den Waldstätten zur Mitherrschaft über Bellenz, Bollenz und Rapperswil zugelassen werde; doch unterstützte es schließlich das Gesuch Uris mit den andern katholischen Orten im konfessionellen Interesse. Glarus wurde leicht gewonnen, und auch das gedemütigte Zürich willigte in die am 27. Januar 1532 von einer Urner Botschaft vorgebrachte Bitte „freundlich" ein, obschon es sich sägen mußte, daß das Übergewicht der V Orte in dem gewaltsam bekehrten Lande x) Er. Ott, Die altern Rechtsquellen des Aargau, Zeitschrift für Schweiz. Recht XVII S. 49. Er. v. Wyß, Abhandlungen zur Gesch. des Schweiz, öffentlichen Rechts S. 216. 216 Die Benennungen der alten Eidgenossensehaft dadurch erheblich verstärkt werde1). Der Landvogt residierte nicht, sondern erschien zweimal im Jahr und sonst nach Bedürfnis in seiner Vogtei, wobei er in dem reichen Kloster Muri oder in der Commende Hitzkirch Herberge nahm 2). Eine eingreifende Veränderung erlitten die gemeinen Herrschaften im Aargau durch den Religionskrieg von 1712. Da die V Orte kraft ihrer Mehrheit militärisch über diese Gebiete verfügten, bildeten sie einen trennenden Keil zwischen den großen reformierten Kantonen Zürich und Bern, so daß sich diese der Aare- und Reußübergänge mit Gewalt bemächtigen mußten. Zur Sicherung ihrer Verbindung ließen sich die beiden Städte im Aarauer Frieden von den V Orten ihren Anteil an Stadt und Grafschaft Baden, Mellingen, Bremgarten und an den untern Freien Ämtern, die nördlich von einer von Lunk-hofen nach Fahrwangen gezogenen Grenzlinie lagen, abtreten; auch mußte Bern in den Mitbesitz der obern Freiämter, wie der übrigen VHörtischen Herrschaften, aufgenommen werden. Der Anteil des neutral gebliebenen Glarus wurde dadurch nicht berührt. Zürich und Bern besaßen also seit 1712 über Baden sieben und über das untere Freiamt sechs Teile, Glarus einen, oder während eines Regierungsumgangs von 16 Jahren über Baden entfielen auf Zürich und Bern je sieben, von 14 Jahren über das untere Freianit je sechs, auf Glarus zwei Jahre. Die Landvögte des untern Freiamts wohnten während ihrer Amtsverrichtungen in einem Gasthaus zu Bremgarten3). 4. Die bedeutendste gemeine Herrschaft war die 1460 Herzog Sigmund von Österreich auf päpstliche Aufmunterung hin entrissene Landgrafschaft Thurgau. Das Hauptstück mit Frauenfeld eroberten die VII östlichen Orte allein, an der Belagerung von Dießenhofen nahmen auch Bern und Schaff- und ihrer Glieder. 217 J) Abschiede IV 1 b S. 1271. Strickler, Aktensammlung zur Schweiz. Reformationsgesch. IV N. 1199, 1286, 1350. Schultz a, a. 0. S. 111, 113, 116, 119. a) Simler p. 137. Eäsi III S. 441. 3) Kreis, Die Grafschaft Baden im 18. Jahrh. S. 273.EäsiIII S.401, 450. hausen teil. Ein wichtiges Hoheitsrecht, das Landgericht, war zur Zeit der Eroberung als Pfandschaft in den Händen von Konstanz, das dies Recht bis zum Schwabenkrieg behauptete.' Im Frieden von Basel 1499 mußte Konstanz das Landgericht an die Eidgenossenschaft abtreten, die damals aus X Orten bestand. Diesem Gang der Dinge entsprach die Verteilung der Rechte am Thurgau.. Der Landvogt wurde bis 1712 abwechselnd von den VII Orten ohne Bern, seit 1712 auch von diesem ernannt, empfing aber in Dießenhofen die Huldigung zuhanden der IX Orte und schaltete als Landrichter in Malefizsachen im Namen der X Orte. Nicht unter der Gerichtsbarkeit des Landvogts, sondern unmittelbar unter den regierenden Orten ständen kraft ihrer Freiheiten die autonomen Städte Frauenfeld und Dießenhofen mit eigenen Schultheißen, Kleinräten und Großräten, hohen und niedern Gerichten über ihr Weichbild und ein gewisses Gebiet außerhalb desselben J). Auch im übrigen Thurgau lag die Staatsgewalt nur ausnahmsweise ungeteilt in der Hand der regierenden Orte, meist hatten sie dieselbe mit einer Unzahl von niederen Gerichtsherren, Klöstern, Städten und Privaten, zu teilen. Über die gewöhnlichen Gerichtsherren, die im Thurgau einen besondern Stand mit jährlichen Versammlungen, einer geistlichen und weltlichen Bank bildeten, erhob sich der Fürstbischof von Konstanz, dessen Herrschaften im Thurgau in „altstif tische" und „neustiftische" oder vormals reichenauische zerfielen. Die altstiftischen Besitzungen bildeten vier Obervogteien: Arbon mit den Gerichten Eggnach und Horn, Bischofzell, Güttingen und Gottlieben. Hier erhob der Bischof auf förmliche Landeshoheit Anspruch und suchte die der Eidgenossen möglichst zurückzudrängen. Doch behaupt- J) Eäsi III S. 159 ff. Helene Hasenfratz, Die Landgrafschaft Thurgau vor der Revolution von 1798. Dikenmann, Die Stellung der Stadt Konstanz in der Landgrafschaft Thurgau 1417 —1499. Thurgauische Beiträge zur vaterländischen Geschichte, hg. vom Hist. Ver. des Kantons Thurgau Heft 2 mit der Karte der Landgrafschaft Thurgau. 218 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft teten diese die „höchste" Landesherrlichkeit, das Besatzungsrecht, die Mannschaft, das Richteramt, wenn der Bischof mit seinen Städten in Streit geriet, und die evangelischen Städte erzwangen die Unterwerfung der bischöflichen Gebiete unter die Vorschriften des Landfriedens von 1712. In den neustiftischen Herrschaften, den ehemaligen Gütern der 1538 dem Hochstift Konstanz inkorporierten Abtei Reichenau, die teils ein Obervogt in Reichenau, teils ein fürstlicher Amtmann zu Frauenfeld verwaltete, besaß der Bischof nur die Rechte eines gewöhnlichen Gerichtsherrn. Auch der Fürstabt von St. Gallen hatte ausgedehnte Besitzungen im Thurgau ,und nahm unter den Gerichtsherrn eine Ausnahmestellung ein. Die stift-st. gallischen Herrschaften wurden in die sog. „Malefizgerichte" und die „neustiftischen" Herrschaften unterschieden. In den sieben Malefizgerichten (Romanshorn, Keßwil, Herrenhof, Sommeri, Sitterdorf, Rickenbach, Wuppenau oder Berggericht) besaß der Abt von St. Gallen mit Ausnahme der Bestrafung von Malefizfällen alle Rechte eines Landesherrn; selbst das Mannschaftsrecht übte er zuhanden seiner IV Schirmorte aus. Beschränkter waren die Rechte der Abtei in den „neustiftischen" Herrschaften (Roggwil, Hagen-wil, Dozwil, Wängi usw.). Die Besitzungen des Stifts im Thurgau waren zum Teil den Ämtern der st. gallischen alten Landschaft eingegliedert, zum Teil bildeten sie ein eigenes Romanshorneramt mit einem Obervogt an der Spitze. Eine Reihe niederer Gerichtsherrschaften hatte die Stadt Zürich im Thurgau erworben, die sie durch Obervögte verwalten ließ: Steinegg, Weinfelden, Pfyn, Neunforn und Wellenberg. In den Grenzgemeinden Stammheim und Ellikon übte Zürich alle landesherrlichen Rechte aus, mit einziger Ausnahme der Beurteilung der als malefizisch erkannten Fälle und der Konfiskation des Vermögens hingerichteter Missetäter, was den X Orten zustand !) Hasenfratz a. a. 0. S. 68 ff., 85 ff., 96 ff., 99. Hj und ihrer Glieder. 219 Wk Über das Kloster Rheinau und das dazugehörige Städt- m chen beanspruchten die im Thurgau regierenden Orte die Lan-m desherrlichkeit, die Kastvogtei über das Stift und das Mann-I schaftsrecht. Der Landvogt im Thurgau nahm die Huldigung ein, bezog den dritten Teil von allen Bußen und konfiszierte das ■■ Vermögen hingerichteter oder landflüchtiger Verbrecher. Und : doch ließen die Mönche durch den gelehrten Van der Meer 1782 1 eine eigene Schrift schreiben, um zu beweisen, daß ihr Kloster nicht'in der Landgrafschaft Thurgau liege, sondern ein freies Reichsstift sei, und finden damit noch heute Gläubige1). 5. Ammann, Rat und gemeine'Landleute von Appenzell erkauften am 17. September 1460 „die Herrschaft und vog-' tye Rinegk und das Rintal" von Jakob Paier, der sie als Pfand inne hatte. Im Rorschacher Klosterbruchkrieg (Februar 1590) aber mußte Appenzell sein 30 Jahre lang besessenes Untertanenland zur Strafe und Kriegsentschädigung an die IV Schirm-l orte der Abtei St. Gallen abtreten, die Uri, Unterwaiden und Zug !sofort in die Gemeinschaft eintreten ließen. Nach der schweren Probe des Schwabenkrieges stellten die VII Orte Appenzell zwar nicht, wie es verlangte, das entrissene Rheintal zurück, aber sie I nahmen es am 14. November 1500 „für einen achtenden teil" I in die Mitbeherrschung desselben auf. So bildete das Rheintal eine I gemeine Herrschaft der VII alten Orte und Appenzells, wozu I sich 1712 noch Bern gesellte. Die Landvogtei zerfiel in das un-I tere Rheintal (Rheinegg, Thal, Stad) und das obere (St. Mar-? grethen, Bernegg, Balgach, Marbach, Altstätten, Oberried, Eich-s berg). Der Landvogt hatte seinen Sitz in Rheinegg. Als niederer I Gerichtsherr hatte aber der Abt von St. Gallen auch hier so f weitgehende und einträgliche Rechte, daß ihn die katholische v Mehrheit der regierenden Orte gegen den Willen von Zürich und 3 Glarus 1676 in die Mitherrschaft aufnahm, in dem Sinn, daß x) Hohenbaum van der Meer, Gründliche Untersuchung, ob Rheinau in der Landvogtey Thurgau liege. Erb, Das Kloster Rheinau und die helvetische Revolution S. 9ff. 220 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft er seine Rechte und Einkünfte in die Gemeinschaft einschieße und dafür einen so großen Anteil an der Regierung erhalte, als alle übrigen Orte zusammen. Allein infolge von Zwistigkeiten, in die der Abt mit Schwyz geriet, wurde 1700 der alte Zustand wieder hergestellt. Auf Schloß Blatten bei Oberriet und auf der Rosenburg bei Bernegg saßen stift-st. gallische Obervögte 1). 6. Bei der Einnahme des Thurgaus (1460) eroberte eine Schar Schwyzer, Urner und Glarner auch das österreichische Städtchen Walenstadt mit den Herrschaften Nidberg und Freudenberg bei Mels und Ragaz. Die drei Orte mußten 1462 durch einen Schiedspruch Zürich, Luzern, Unterwaiden und Zug in das Miteigentum dieser Eroberungen aufnehmen. Die hohe Gerichtsbarkeit darüber stand aber beim Inhaber der Grafschaft Sargans, welche Graf Georg von Sargans 1483 den VII Orten verkaufte, womit die ganze Gewalt und das ganze Land in deren Hand sich vereinigte. Ein streitiges Grenzgebiet war der Hof Quarten am Walensee (die Dörfer Quarten, Unterterzen, Quinten und Murg), den Schwyz und Glarus für die von ihnen besessene Herrschaft Windegg oder Gaster in Anspruch nahmen. Durch schiedsgerichtliches Urteil wurde 1519 die hohe Gerichtsbarkeit über die streitigen Dörfer der Grafschaft Sargans zugesprochen, während sie in anderer Hinsicht beim Gaster verblieben. In der Gemeinde War tau besaß Glarus als Käufer der Herrschaft Werdenberg seit 1517 die niedern Gerichte, sowie den Kirchensatz. Der Versuch der katholischen Orte, 1695 in der evangelischen Gemeinde und ihrer Kirche die Messe wieder einzuführen, brachte die Schweiz hart an den Rand des Bürgerkrieges. Sitz des Landvogts war das alte Grafenschloß über dem Städtchen, Sargans. 1712 würde Bern in die Mitregierung aufgenommen 2). >■) Schieß u. Marti, Appenzeller ürkundenbuch I S. 464, 615, 661. Häne, Der Klosterbruch in Rorschach und der St. Galler Krieg S. 131 ff. Eäsi III S. 281 ff. Oechsli, Orte und Zugewandte S. 259, 263. Dierauer, Die Befreiung des Rheintals 1798 S. 7 ff. *)' Gubser, Geschichte der Landschaft Gaster bis zum Ausgang des Mittelalters (Mitteilungen zur vaterl. Geschichte, hg. vom Hist. Verein und ihrer Glieder. 221 Neben den gemeinen Herrschaften im engern Sinn, deren Entstehung auf dem Grundsatz beruhte, daß alle in einem bestimmten Zeitpunkt vorhandenen Orte, die es wünschten und zur Erwerbung mithalfen, zum Anteil berechtigt seien *), gab es andere, die nur einer Minderzahl von Orten gehörten. Der verhängnisvolle Wettkampf, den Zürich beim Aussterben der Toggen-burger, die angebotene Gemeinschaft verschmähend, um den Alleinbesitz der Handelsstraße nach Chur mit Schwyz anhob, endete damit, daß Schwyz gemeinschaftlich mit Glarus die Landschaften zwischen Zürich- und Walensee in Besitz nahm, zuerst 1436 durch ein Landrecht mit den Leuten von Uznach und Gaster, dann 1437/38 durch Verpfändung dieser Gebiete von seiten der nunmehrigen Besitzer. So entstanden als gemeine Vogteien von Schwyz und Glarus: 7. Die Landvogtei Uznach, die am 25. Mai 1437 von den toggenburgischen Erben.an Schwyz und Glarus verpfändet und 1469 von Petermann von Raron förmlich verkauft wurde. 8. Die Landvogtei Gaster, im 15. Jahrhundert nach der Veste (Unter-)Windegg die Herrschaft Wind egg genannt2), die am des Kantons St. Gallen XXVII 2) S. 266ff., 271. Fäh, Aus der Geschichte der Gemeinde Walenstadt und des Sarganserlandes S. 2ff. Fäsi III S. 335ff., 343. 2) In diesem Sinn sagt Simler p. 135 von den gemeinen Vogteien: „es sind aber ir aller neun, nämlich die Graaffschafft Baden, die Fryen-ämpter im Waagenthal, Thurgöuw, Sargans, Rhyntal, Lowertz, Luggariß, Mendriß unnd Meyental". Die Sonderung der Städte von den gemeinen Vogteien gibt ihm Gelegenheit, auch Rapperswil zu nennen, und bei der Aufzählung der italienischen Vogteien erwähnt er auch Bellenz. Sonst übergeht er die kleinen Vogteien. - z) Abschiede II S. 322, III 1 S. 247, 324. Blumer, Staats- und Rechts-gesch. der Schweiz. Demokratien I S. 313ff.; Urkunden Glarus II S. 105, 119, 125. Der Name Gaster (Gastim 1230, Chastren 1283) bezeichnet bei seinem ersten Auftreten im 13. Jahrhundert nur einen Hügel unterhalb Maseldrängen, das heute noch so genannte Gasterholz, und hat sich dann allmählig erweitert. Im Beginn des 15. Jahrhunderts scheint man darunter schon die ganze Landschaft nördlich von der Veste Windegg verstanden zu 222 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft 2. März 1438 von Österreich den beiden Orten verpfändet wurde. Die Landvögte von Gaster und Uznach wohnten nicht in den Vogteien, sie erschienen nur zu bestimmten Zeiten. Derjenige im Gaster nahm Einkehr in dein reichen Damenstift Schännis, derjenige von Uznach im Ordenshaus der Antonier daselbst. 9. In einer Art Personalunion mit Gaster stand das Dorf Garns im-Rheintal, das sich 1496 von seinem damaligen Herrn loskaufte, aber in der Erkenntnis, daß es nicht auf eigenen Füßen stehen könne, 1497 Schwyz und Glarus bat, den Kauf abzuschließen. Der Landvogt in Gaster schaltete zugleich als Landvogt in Gams 10. Die Stadt Rapperswil fiel 1458 von Österreich ab und anerkannte die drei Waldstätte nebst Glarus als neue Herren, zu denen ihr Verhältnis 1464 geregelt wurde, wobei die Stadt gegen Zusicherung ihrer Freiheiten versprach, „ihnen in all der Gerechtigkeit gehorsam zu sein, welche die Herrschaft Österreich in der Stadt und Burg gehabt habe". Infolge ihres Abfalls zur Reformation fanden es die drei katholischen Schirmorte für gut, nach ihrem Siege im Kappelerkrieg das Untertanenverhältnis Rapperswils straffer anzuziehen. Nicht nur mußte es zum alten Glauben zurückkehren, sie erklärten ihm auch, daß sie mit ihm nicht im Bunde stünden und daher von ihm Herren und nicht Eidgenossen, wie bis anhin, genannt werden wollten. Sie ver- haben. Die Verpfändung an Schwyz und Glarus erstreckte sich auf „die Veste Windegk mit sampt dem Gastell, Wesen, Walenstatt und dem Amdman" (Amden). Walenstadt blieb indes am Ende des alten Zürichkrieges im Besitze Österreichs und kam dadurch zur Landvogtei Sargans. Ende des 16. Jahrunderts heißen die Vögte noch „Vogt zu Windeck und im Gaster". Im 16. Jahrhundert weicht die Benennung Windeck dem Worte „Gaster" völlig, so daß Tschudi auch Walenstadt einen ehemaligen Bestandteil des Gaster nennt. S. Winteler* Über einen Römischen Landweg am Walensee S. 34. Gubser, Gesch. der Landschaft Gaster S. 17f. 1) Blumer, Urkundensammlung Glarus II S. 105, 125; id., Staatsund Rechtsgeseh. der Schweiz. Demokratien I S. 313ff. Gubser, a.a.O. 'S. 234ff. Gmür, Rechtsgeschichte der Landschaft Gaster. langten von ihm eine förmliche Huldigung und behielten sich vor, in die Schultheißenwahl und die Gerichtsbarkeit einzugreifen. Doch behielt Rapperswil seine Autonomie und richtete und re- ř gierte nicht nur sich, sondern auch eine kleine Landschaft (Buß-: kilch, Kempraten, Jonen, Bolligen, Wurmsbach). 1712 ging die Oberherrlichkeit der drei katholischen Orte über die Stadt und ihre „Höfe" an Zürich und Bern über. Zugleich mußte Schwyz r; den Brückenkopf Hürden auf der andern Seite des Sees an die ; beiden reformierten Vororte abtretenx). 11. In der Westschweiz hatten Bern und Freiburg vier ;'" gemeine Vogteien. Die älteste, schon 1423 von Herzog Ama-E deus VIII. von Savoyen erkaufte, war die Landvogtei Grasburg i oder Schwarzenburg, wie sie seit 1573 genannt wurde, wo der ; Sitz des Landvogts von der baufällig gewordenen alten Veste Grasburg nach dem Flecken Schwarzenburg verlegt wurde2). Die drei andern waren Überbleibsel aus der 1475 erfolgten ersten Eroberung der Waadt. Bei der Rückgabe an Savoyen wurde ; Murten mit Umgegend ausdrücklich ausgenommen. Ebenso Í wurden die ersten Eroberungen, die 1474 Und 1475 vor der Kriegs->. erklärung an Savoyen gemacht worden waren, die Besitzungen des Hauses Chälons (Erlach, Granson, Orbe-Echallens), dann Iiiens, Ormont, Aigle, Bex und Ollon zurückbehalten und teils j. von Bern allein, teils mit Freiburg zusammen in Besitz genommen. !'• Aber die übrigen Orte erhoben auch Anspruch auf diese waadt-ländischen Herrschaften, da „gemein eidgnoschafft von alter also . harkommen, waz in iren gemeinen Kriegen je und je an Stetten, Slossen, landen, lüten oder Herlikeiten gewunen und erobert, 1 I !) Simler S. 134. Simler-Leu S. 353. Fäsi I S. 918, III S. 385 ff. 3 I Füeßlil S. 145, IV S. 64ff. Rickenmann, Gesch. der Stadt Rapperswil (1878). ••: i Dierauer, Rapperswil und sein Übergang an die Eidgenossenschaft (Neu- i; jahrsbl. St. Gallen) 1892. Eppenberger, Die Politik Rapperswils von 1531 j: bis 1712. Oechsli, Orte und Zugewandte S. 101 ff. ; [/ •*) Burri, Die Grasburg, Archiv des Hist. Vereins Bern XVIII S. 246ff. •■; \ und XX S. 161, 200 ff. 224 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft das solichs Ir aller gemeinlich gewesen und glichlich den orten nach geteilet worden were". Daraus entspann sich ein langwieriger Rechtsstreit, an dem interessant ist, daß die Parteien sich nicht, wie sonst damals in den übrigen Fragen, nach Städten und Ländern schieden, sondern Zürich, Luzern und Solothurn mit den Ländern gegen Bern und Freiburg zusammengingen. Eine gewisse Scheu vor Bern, das in den Burgunderkriegen das meiste getan, bewog sie, das Prozeßverfahren nur gegen das schwächere Freiburg zu richten, in der Meinung, „was si denen von Friburg mit recht oder sus angewunnen, des muesten inen dann die von Bern ouch ingan". Aber die Berner waren klug genug, diese Taktik zu durchschauen und standen von Anfang an den Freiburgem mit Rat und Hülfe zur Seite. Der Rechtsstreit zog sich jahrelang hin, endlich fand er am 29. Mai 1484 durch einen Vergleichsvorschlag des Obmanns des Schiedsgerichts, Bürgermeister Heinrich Göldli von Zürich, seine Erledigung in Minne: die übrigen Orte traten die streitigen Herrschaften an Bern und Freiburg ab gegen Zahlung einer Entschädigung von 20,000 Gl. Durch friedliches Abkommen überließen die Freiburger Erlach, Aigle, Ormont, Bex, OHon ohne weiteres den Bernern; diese gaben ihnen dafür als Gegengeschenk Iiiens 1). Das übrige bildete drei „gemeine Ämter" oder Vogteien der beiden Städte: 12. Murten, 13. Granson, 14. Orbe-Echallens. Die Landvögte wurden schon im 16. Jahrhundert von den beiden Städten abwechselnd auf je 5 Jahre ernannt; derjenige von Murten trug den Titel Schultheiß. Derjenige „zu Orbe und zu Echallens" residierte in dem Flecken Echallens (Tscherlitz), wo sich einzig die katholische Konfession neben der evangelischen behauptet hatte, während zu Orbe ein Kastellan oder Statthalter des Landvogts wohnte. Anfänglich wurde in Bern oder Freiburg den Vögten Rechnung abgenommen; seit 1646 hielten Bern und Freiburg in Murten eine „Rechnungskonferenz" für alle vier Landvogteien G. Tobler, Der Streit unter den Eidgenossen über die Eroberungen im Waadtlande 1476—1484, Bemer Taschenbuch 1901. und ihrer Glieder. 225 ab, zuerst etwas unregelmäßig, dann seit 1707 regelmäßig alle ! zwei Jahre im Herbst1). ', Das klassische Land der Vogteien war der Tessin, der eine i bunte Musterkarte davon bot. Nicht daß die alte Eidgenossenschaft schon den Namen Tessin als Landschaftsbezeichnung gekannt hätte; der alte Gesamtname dafür war vielmehr „ennet-birgische", „welsche" oder „italienische Vogteien" oder die „Landvogteien im Welschland", worunter man nicht 5 die bernisch-freiburgischen in der Westschweiz, sondern diejenigen italienischer Zunge verstand2). Außer dem LivinentaL das seit x) Abschiede V 2 S. 365, 896, 1291, 1097, 1955, 1963, 1973, 1985, 1994; VI 1 S. 14, 229, 265, 571, 638, 728, 807 etc., 1529ff.; VI 2 S. 2165. Eäsi III S. 465ff. Eüeßli IV S. 108ff. 2) Die Bezeichnung „vogtyen ennet dem gebirg" findet sich schon in einem Abschied vom 13. Januar 1517, und derjenige „herrschafften enet dem gebirg" in einem solchen vom 7. April 1517 (Zürch. Staats-I archiv Abschiede B VIII 87 p. 131 und 143, vgl. gedr. Absch. III 2 S. 1035, I 1050). Zwingli unterscheidet 1531 „tütsche" und'„welsche vogtyen" !• (Abschiede IV 1-b S. 1043/1044), Simler 1576 Vogteien „Teutscher I zungen" und „Italienische Vogteyen" oder „Vogteyen ennert dem I Gebirg" (p. 135, 138, 251). 1587 bewilligt Philipp II. den „eydtgnossischen I TJnderthanen enert Gebirgs" freien Markt im Herzogtum Mailand (Absch. £ VIS. 1831), und bei der Erneuerung des spanischen Bundes 1634 nehmen I ;sich die katholischen Orte „der enetpirgischen Underthanen" besonders an l (Absch. V 2 S. 843). 1654 beschließen die Orte eine „durchgehende Ke-I l'ormation über die gemeinen teutschen Vogteyen" (Absch. VI 1 S. 1729), I die freilich in den „welschen Vogteyen" (S. 1791) noch notwendiger gewesen I wäre: Das eidg. Defensionale von 1668 verlangte, daß allen Landvögten * „in Teutschen und Weltschen Vogteyen" der Befehl gegeben werde, die I neuen Wehranstalten unverzüglich in ihrer „Ambtsverwaltung" in Kraft I zu setzen (Absoh. VI 1 S. 1675, 1686j. Auch 1702 wurden „deutsche und I welsche Vogteien" aufgefordert, ihren dreifachen Auszug in Bereitschaft zu |: halten und fleißig Späher auszusenden (Absch. VI 2 S. 2288). 1705 sicherten \: die katholischen Orte durch Erneuerung des spanischen Bündnisses den i „eidgenössischen Unterthanen ennet Birgs" die Verkehrsfreiheit mit'Mem I Herzogtum Mailand (id. S. 2300). J. C. Steiner unterscheidet 1684 „In-J ländische" und „Uberbürgige" gemeine Herrschaften (S. 352), Wagners l Mercurius 1701 die „in Teutschland oder Inländische" und die „im Welsch-I ,15 226 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft \ 1439/41 eine Landvogtei der Urner war, lagen sieben gemeine Vogteien, drei von dritthalb Orten und vier von zwölf Orten, im land oder Uberbürgige" (S. 22), Simler-Leu 1722 „Teutsche" und „Welsche oder Italiänische" oder „EnnertbirgischeVogteyen" (S. 672 u. 696). Scheuch-zer spricht (S. 71) -von „denen Welschen oder Ennetbirgischen Vogteyen", Fäsi (III S. 513) von den gemeinen Landvogteyen jenseits des Gotthards, „die in der Eidgenoßschaft die Italiänischen Vogteyen genennt werden", J. R. Schinz von der „Italienischen" oder „Ennetbürgischen Schweiz" (Beiträge zur nähern Kenntniß des Schweizerlandes S. lff, 387ff.). Der offiziell gebrauchte Name war indes die „Ennetbirgischen Herrschaften" (St. Zürich, Missiven B IV passim), nur ausnahmsweise „italienische" Vogteien (Absch. VIII S. 132, 141, 719). Als Erfinder des „Kantons Tessin" erscheint General Brune, der im Organisationsstatut der von ihm geplanten Rhodanischen Republik vom 16. März 1798 als einen der fünf ihr zugeteilten Kantone „Le Tesin, cidevant Baillages Italiens" aufzählt (Arch. für Schweiz. Gesch. XII S. 366, Strickler, Akten der Helv. Republik I S. 511). Am 20. März fragte das Wahlkorps von Sarine et Broye den General an, ob unter dem Kanton Tessin nur die vier großen italienischen Vogteien verstanden seien oder auch die drei kleinen der Waldstätte und das Livinental (Strickler S. 523). Nach diesem ephemeren Aufleuchten verschwand der Tessin wieder und machte den zwei Kantonen der ersten helvetischen Verfassung des Peter Ochs, Bellinzona und Lugano, Platz. Ein Beschluß des Helvetischen Großen Rates vom 2. Mai 1798 über die Zusammenziehung der innern Kantone schlug neben den Kantonen Waldstätten, Linth, Sentis auch einen Kanton Tessin vor, aber die darauf basierende Verordnung des Regierungskommissärs Rapinat überging den Tessin (Strickler I S. 796—798, 940, 944). Im Dez. 1798 motivierte Escher bei der Beratung über die Neueinteilung Helvetiens die Zahl 10 Kantone damit, daß der zu bildende „italienische" Kanton 175,000 Seelen zähle und damit genau zu der Einteilung in 10 Kantone passe, und im Juli 1799 befaßte sich Haas mit einem dahin gehenden Projekt, wobei der „Tessin" den sechsten Kanton bildet (Str. IV 1291/1292). Die Verfassung von Malmaison vom 29. Mai 1801 tat den entscheidenden Schritt, indem sie einen „Kanton Italienische Vogteien" bildete, den der Gesetzgebende Rat am 2. Juli bei der Festsetzung der Bezirksdeputierten zur Kantonstagsatzung in „Tessin" umtaufte (Str. VI S. 933; VII S. 38; Oecnsli, Gesch. der Schweiz im 19. Jahrh. I S. 330). Offiziell gibt es also s.eit dem 2. Juli 1801 einen Kanton Tessin, für\Ien auch im August 1801 bereits ein Verfassungsentwurf geschaffen wurde (Str. VII und ihrer Glieder. 227 heutigen Tessin. 1495 besetzten die Urner Blenio, 1499 bei der Flucht Ludovico Moros Biasca und Riviera, und am 14. April 1500 gab die stark befestigte Stadt Bellinzona aus Furcht vor Züchtigung durch die Franzosen für einen Aufstand sich den drei Ländern Uri, Schwyz und Nidwaiden aus freien Stücken zu eigen. Diese behaupteten den vielbegehrten Schlüssel zum Gotthard gegenüber den Drohungen der Franzosen, und 1503 zwang ein eidgenössischer Feldzug Ludwig XII. zum Vertrag von Arona, durch den er Stadt und Grafschaft Bellinzona nebst den am Südfuß des Monte Ceneri gelegenen Gemeinden Isone und Medeglio den drei Ländern abtrat. Sie machten aus den Eroberungen von 1495/1500 drei gemeine Vogteien: 15. Bellinzona (Bellentz), 16. Blenio (Bollenz oder Palensertal) und 17. Riviera (Revier). Außer Bellinzona, wo nebst dem Landvogt, der den Titel eines Commissarius führte, drei Castellane, einer von jedem Land, in den drei Schlössern Wache hielten, waren Ossogna in der Riviera und Lottigna im Bleniotal Sitze der „dritthalbörtigen" Landvögte 1). S. 1551). Die kurzlebigen helvetischen Verfassungen vom 24. Okt. 1801, 27. Febr. und 2. Juli 1802 behielten den neuen Kanton bei (Str. VII S. 592, 1044, 1375), dem dann die Mediaktionsakte das eigentliche Dasein gab. J) Die „Tre Valli" Livinen, Blenio und Riviera bildeten kirchlich bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts ein durch das Bistum Como völlig getrenntes Generalvikariat der Diözese Mailand mit ambrosianischem Ritus. Bis zur schweizerischen Eroberung waren sie auch politisch eine Art Kirchenstaat, indem das Domkapitel zu Mailand die volle Gerichtsbarkeit und damit die Landeshoheit darüber besass, die freilich im 14. Jahrhundert durch „Verpachtung" an die Visconti überging (Karl Meyer, Blenio und Leven-, tina von Barbarossa bis Heinrich VII. S. 6 ff., 102 ff., 112 ff., 244 ff.). Nachdem die Urner 1441 die Abtretung des Livinentals bis zum Einfluss des Brenno durch den Herzog und nach der Schlacht bei Giornico diejenige durch das Domkapitel erlangt, nahmen sie 1495 Blenio und 1499 Biasca und Riviera, worauf 1500 der freiwillige Übergang von Bellinzona an die drei Länder erfolgte (vgl. Pometta, Come il Ticino venne in potere degli Svizzeril S. 161 f., II S.5). Zum Übergang Bellinzonas an die Länder s. Abschiede III 2 S. 1279,1305. Brennwald II S. 481, 484 ff., 493 ff., 503 ff. Maulde-la-Claviere, La conquete du canton de Tessin par les Suisses (1890). 228 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft Nach dem Pavierzug 1512 ließen sich die Eidgenossen von Herzog Maximilian Sforza zum Dank für seine Wiedereinsetzung auf den Thron seiner Väter die Herrschaften Lugano, Mendrisio, Locarno, Val Maggia, Luino, Domodossola und Eschental abtreten, während die Graubündner Chiavenna, Veltlin und Bormio in Besitz nahmen. Damit hatten die Eidgenossen die Südrampen aller Alpenpässe vom Monte Rosa bis zum Ortler in ihre Gewalt gebracht. Domodossola mit dem Eschental und Luino gingen ihnen 1515 nach der Schlacht bei Marignano verloren, für das übrige ließ ihnen Franz I. im ewigen Frieden von 1516 die Wahl zwischen dem Land oder einer Geldentschädigung von 300 000 Kronen1). Die Eidgenossen zogen das Land vor und bildeten daraus vier gemeine Herrschaften der XII Orte, aus denen die Eidgenossenschaft 1512 bestanden hatte, also aller Orte ohne Appenzell: 17. Lugano (Lauis), 18. Locarno (Luggarus), 19. Val Maggia (Maintal), 20. Mendrisio (Mendris). Das einzige, was die IV Landvogteien miteinander verband, war die gemeinsame Oberherrlichkeit der XII Orte, die sich alljährlich in dem Syndikat (Jahrrechnungstagsatzung) offenbarte, das bis 1654 auf Johannes Bapt. (24. Juni), später auf St. Lorenz (10. August) „ennet Gebirgs" zusammentrat, um zuerst ein paar Wochen in Lauis, dann noch eine Woche in Luggarus den Landvögten Rechnung abzunehmen, ihre Verwaltung zu kontrollieren und den Untertanen als Oberinstanz Recht zu sprechen. Im Kriegsfall sollte der Landvogt von Kohler, La conquete du Tessin par les Suisses, Revue Historique 1891. Burckhardt, Die Erwerbung der ennetbirgischen Vogteien (Schweiz. Rundschau 1891). Ponietta a. a. O. I S. 75 ff. Über die dreiörtischen Landvogteien s. Simler p. 139, Eäsi III S. 512-—535, J. R. Schinz, Beyträge S. 202 ff. xj Absch. III 2 S. 1409. Daraus, daß Mendrisio im ewigen Frieden übersehen worden war, entspann sich ein langwieriger Rechtsstreit um den Besitz mit Frankreich, der damit endete, daß die Eidgenossen sich im Nov. 1521 von Mendrisio und Baierna von neuem schwören ließen und Franz I. es für gut fand, beim Ausbruch des Krieges mit Karl V. das Streitobjekt fahren zu lassen (Abschiede IV I a S. 59, 144, 146, 148). und ihrer Glieder. 229 Lauis oberster Führer der Truppen aus allen vier Vogteien sein, weshalb er unter den vier Landvögten als „Capitaneo Reggente" den ersten Rang einnahm. Die Landvogtei Lugano bestand a) aus der eigentlichen Landschaft Lauis, die wieder in vier Viertel (Pieve) zerfiel, b) aus acht Freigemeinden oder Terre separate (Morcote, Carona, Vezia, Sonvico, Monteggio, Ponte Tresa, Ca-rabietta, Ponte) und c) der Beroldingenschen Herrschaft Ma-gliaso, die Landvogtei Mendris aus den zwei Pieve Mendrisio und Baierna, die Landvogtei Luggarus aus der Landschaft Locarno und den drei Freigemeinden Brissago, Riviera di Gambarpgno, Val Verzasca, die Landvogtei Maintal aus der Landschaft Valle Maggia und dem „innern Gericht" Lavizzara. Das Maggiatal und Lavizzaratal waren zwei völlig getrennte Herrschaften, die nur durch die Personalunion des Landvogts zusammenhingen. Dementsprechend hatte der Landvogt auch zwei Residenzen, Cevio, wo er gewöhnlich wohnte, und Sornico, wo er den Bewohnern von Lavizzara Recht sprach *). Eine mailändische Enklave war das Lugano gegenüberliegende Dorf Campione, eine Besitzung des Klosters S. Am-brogio in Mailand. Als der eidgenössische Landvogt 1542 dort einen Akt der hohen Gerichtsbarkeit ausüben wollte, protestierte der Marchese del Guasto, kaiserlicher Statthalter in der Lombardei, da Campione mit hohen und niedern Gerichten dem mailändischen Gotteshaus gehöre. Die Eidgenossen anerkannten den Einwand und Campione blieb mitten im schweizerischen Gebiet ein mailändisches Dorf. Aber bei den Wechselfällen des Krieges hatten die Spanier nichts dagegen, daß die Bauern von Campione unter schweizerischem Schutze blieben, und die Eidgenossen hatten ein Interesse daran, daß Campione x) Simler-Leu S. 696 ff. Fäsi III S. 536 ff. J. R. Schinz, Beyträge zur nähern Kenntnis des Schweizerlandes S. 300 ff. Franscini, Der Canton Tessin. Heusler, Rechtsquellen des Kantons Tessin. Weiß, Die tessinischen Landvogteien der XII Orte im 18. Jahrhundert. 230 Die Benennungen der alten Eidgenossenschaft. kein Asyl wurde, von dem aus geflüchtete Übeltäter ihrer Justiz Hohn sprechen konnten. So stellte sich die Gewohnheit fest, daß Campione bei Truppenaufgeboten des Lauiser Kontingents für jeden Auszug anderthalb Mann zu stellen oder vielmehr zu bezahlen pflichtig war und daß die aus der Herrschaft Lauis geflüchteten Übeltäter nicht länger als drei Tage in Campione geduldet werden durften1). !) Abschiede IV d S. 172, 193; IV2 S. 1209; V 1 S. 1561 f.; VI 2 S. 2050; VII 1 S. 1078; VII 2 S. 978. Eäsi III S. 553. Inhaltsübersicht. Seite Vorwort........... . 53 A. Namen der Bestandteile der Eidgenossenschaft ... 54 § 1. Waldstätte und Waldleute....... 54 § 2. Städte und Länder......... 60 § 3. Orte............ 67 § 4. Kantone........... 74 § 5. Die Rangfolge der Orte........ 88 § 6. Vorort und Tagsatzung . . > . . ■ . . • . 93 § 7. Zugewandte und Verbündete ... . . . . 147 § 8. Stände............ 182 § 9. Die Untertanen.......... 18» I l-A DULIVßANCE DE GENEYE ET LA [ CONQUETE Dü DUCHE DE SAVOIE EN 1536 PAH FRANCIS DE CRUE.