Handbuch der Schweizer Geschichte BAND 1 BUCHVERLAG BERICHTHAUS ZURICH DR. C. ULRICH 1980 160 FRÜHES UND HOHES MITTELALTER Harry Bresslau, Konrad II., in: Jahrbücher des Deutschen Reiches, 2 Bde., Leipzig 1879-84. Heinrich Büttner, Zur politischen Erfassung der Innerschweiz im Hochmittelalcer, DA 6, 1943. -> Büttner, Zur politischen Erfassung. Heinrich Büttner, Waadtland und Reich im Hochmittelalter, DA 7, 1944. ->- büttner, Waadtland und Reich. Heinrich Büttner, Markt und Stadt zwischen Waadtland und Bodensee bis zum Anfang des 12.Jahthunderts, SZG 11, 1961. Heinrich Büttner, Staufer und Zähringer im politischen Kräftespiel zwischen Bodensee und Genfersee während des 12.Jahrhunderts, MAGZ 40, 1961. -> büttner, Staufer und Zähringer. Gina Fasoli, Le ineursioni ungare in Europa nel secojo X, Firenze 1945. Augustin Fliche, La reforme Gregorienne, 3 Bde., Louvain 1924-37. Joseph GANTNER, Kunstgeschichte der Schweiz 1, Frauenfeld 1936. 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Knonau, Heinrich IV. und Heinrich V., in: Jahrbücher des Deutschen Reiches, 7 Bde., Leipzig 1890-1909. Bruno Luppi, I Saraceni in Provenza, in Liguria c nelle alpi occidentali, Bordighera 1952. Rudolf Massini, Das Bistum Basel zur Zeit des Investiturstreits, Diss. Basel, BasBeitr. 24, Basel 1946. Theodor Mayer, Fürsten und Staat, Weimar 1950. Iso Müller, Der Gotthard räum in der Frühzeit, SZG 7, 1957. Rene Poupardin, Le royaume de Bourgogne, Paris 1907. -9- Poupardin, Royaume de Bourgogne. Ernst Steindorff, Heinrich III., in: Jahrbücher des Deutschen Reiches, 2 Bde., Leipzig 1874-81. Gerd Tellenbach, Liberias, Kirche und Wclt-ordnung im Zeitalter des Investiturstreites, Stuttgart 1936. Gerd Tellenbach, Vom karolingischen Rcichsadel zum deutschen Reichsfürstenstand, in: Adel und Bauern im deutschen Staat des Mittelalters, Leipzig 1943. Karl u. Mathilde Uhlirz, Otto II. und Otto HI., in: Jahrbücher des Deutschen Reiches, 2 Bde., Leipzig/Berlin 1902, 1954. Georg Waitz, Heinrich I., in: Jahrbucher des Deutschen Reiches, Leipzig 1885. Karl Weller, Geschichte des schwäbischen Stammes, München/Berlin 1944. Die Entstehung der Eidgenossenscl VON HANS CONRAD PEYER DAS GEBIET DER SCHWEIZ IM 12. UND 13. JAHRHUNDERT 12. JAHRHUNDERT Die Lage des Gebietes der heutigen Schweiz im 12.Jahrhundert war dadurch charakterisiert, daß das politische und wirtschaftliche Gewicht auf der West- und der Ostschweiz lag. Die Zentralschweiz war eine weltabgeschiedene Region, deren Erschließung eben erst richtig begonnen hatte. Die Straßen durch das Aaretal an den Genfersee und nach Burgund sowie der Große Sankt Bernhard und seine Zufahrten gaben der Westschweiz ihre Bedeutung. In der Ostschweiz waren es die Bündner Pässe Lukmanier und Septimer. Abgesehen von Brenner und Mont-Cenis, bildeten sie die nahezu einzigen großen Verbindungen zwischen den nördlichen und südlichen Teilen des Reiches. Ihnen entlang spielte sich die große Politik zwischen Kaiser und Papst wie auch der Handel zwischen Europa und dem Mittelmeer ab1. Eine dominierende Stellung nahmen in unserem Gebiet in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts lediglich die Zähringer ein2. Neben sie traten immer mehr die Staufer. Friedrich Barbarossa und Heinrich VI. mit ihrer auf die Festigung des Reichsgefüges ausgerichteten Politik vermochten schließlich die Zähringer stellenweise zurückzudrängen3. Neben und zwischen diesen beiden Mächten befand sich eine ganze Menge größerer und kleinerer geistlicher und weltlicher Herren, die sich bald einem dieser Großen zuneigten, bald ihre eigenen Wege gingen. Bertholdu, von Zähringen hatte nach 1090 die rheinfeldischen Besitzungen geerbt und so zu seinem bisherigen großen Hausgut in Breisgau, Ortenau und Baar das Gebiet um Rhein-felden, die Aare- und Emmelandschaft zwischen Langenthal, Burgdorf und Bern sowie die Reichsvogtei Zürich, die er allerdings mit den Lenzburgern teilen mußte, erhalten. Dazu war in der Folge das Rektorat von Burgund gekommen. Der Rektortitel hätte wohl eigentlich die Herrschaft über die Westschweiz, das Saöne- und Rhonetal anstelle des Königs bedeuten sollen, wurde jedoch nie im ganzen Ausmaß Wirklichkeit. Immerhin erhielten die Zähringer damit weitere große Rechte und Besitzungen um Solothurn, im Aaregebiet bis gegen den Murten-, Bieler- und Neuenburgersee im Westen, bis gegen die Waadt im Süden und bis an die Grimsel im Osten. Von hier aus drangen sie nach Westen vor, überwanden 1133 den Gra- 1 Das vorliegende KapiteL ist 1958 geschrieben und später lediglich ergänzt worden. - Vgl. has, Karte 17. K.Meyer, Geographische Voraussetzungen der eidgenössischen Territorialbildung, in: Aufsätze und Reden, s. 281fr. 1 Für den ganzen Abschnitt grundlegend sind e.heyck, Herzöge von Zähringen, GHS 1, S.2-6, und h. büttner, Staufer und Zähringer im politischen Kräftespiel zwischen Bodensee und Genfersee während des 12.Jahrhunderts, MAGZ 40, 1961. ->- Büttner, Staufer und Zähringer. 1 h.Simonsfeld, Jahrbücher des deutschen Reiches unter Friedrich I., S.9ff., 27f., 78ff.; k.Weller, Geschichte des schwäbischen Stammes, S.284ÍF. 164 die entstehung der eidgenossenschaft 12. jahrhundert 165 fen von Genf und übten fortan beträchtlichen Einfluß auf die Bistümer Genf und Lausanne aus4. Im Wallis dagegen wurde die Macht der Grafen von Savoyen immer spürbarer, die ihre Herrschaft rund um den Großen Sankt Bernhard aufzubauen begannen. Diese Vorherrschaft der Zähringer im Gebiet zwischen Solothum und Genfersee wurde auch nach dem Tode Kaiser Lothars III. 1137 nicht gestört, als ihm der Staufer Konrad in. nachfolgte. Gerade weil dieser sich im Reich mit seinen alten Gegnern, den Weifen, auseinanderzusetzen hatte, mußte er froh sein, keine Konflikte mit den Zähringern zu haben. Konrads Neffe und Nachfolger, Friedrich I. Barbarossa, strebte bei seinem Regierungsantritt im Jahre 1152 nach einem allgemeinen Ausgleich mit den Gegnern seines Hauses, vor allem mit den Weifen. Aber auch mit den Zähringern, die er als junger Mann 1146 angegriffen hatte, suchte er ein gedeihliches Verhältnis herzustellen. Er überließ Herzog Berthold IV. die Stellvertretung des Königs in ganz Burgund im Sinne des alten Rektorates und versprach, ihm bei der Unterwerfung dieser Gebiete behilflich zu sein. Die königlichen Rechte an den Bistümern Genf, Lausanne und Sitten blieben jedoch ausgenommen. Zur Unterwerfung ganz Burgunds kam es aber nicht. Und 1156, als Barbarossa in zweiter Ehe die reiche burgundische Grafentochter Beatrix heiratete, beanspruchte er selbst die Herrschaft über das Gebiet von Doubs, Saöne und das untere Rhonetal. Der Zähringer wurde auf sein tatsächliches Einfiußgebiet zwischen Jura und Alpen eingeschränkt, Er erhielt dafür die ihm bisher vorenthaltenen Rechte an den Bistümern Genf, Lausanne und Sitten. Doch Sitten gelangte immer mehr in die Herrschaftssphäre der Savoyer, und der Bischof von Genf erreichte 1162 in einem Prozeß vor Hofgericht, daß dem Zähringer alle Herrschaftsrechte über dieses Bistum abgesprochen wurden. Dabei blieb es. Als der Bischof von Lausanne 1179 dasselbe versuchte, wurde er vom Kaiser nicht unterstützt. Diese vorsichtige Zurückhaltung gab erst Barbarossas Sohn Heinrich VI. auf. Er griff 1187 den Grafen von Savoyen an und nahm in der Folge den Großen Sankt Bernhard unter seinen besondern Schutz. Ja, 1189 verdrängte er die Savoyer aus ihren Herrschaftsrechten über das Bistum Sitten, das er direkt der Krone unterstellte. Und auch der Bischof von Lausanne leistete samt dem Adel der Westschweiz dem Zähringerherzog Bertold V. während der folgenden Jahre beträchtlichen Widerstand*. Derart wurden die Zugänge zum untern Rhonetal und zum Großen Sankt Bernhard unter Ausnutzung lokaler Kräfte von den großen Herrschaftsbildungen der Zähringer und Savoyer freigemacht und für den Kaiser geöffnet. Südwestlich von Freiburg hatten die Zähringer keine dauerhaften Positionen zu erlangen vermocht'1. In der Ostschweiz gab es keine derartige Machtzusammenballung wie die Besitzungen der Zähringer. An den Bündner Pässen besaßen der Bischof von Chur und das Kloster Disentis * Gute Übersicht über die neuere Zähringerforschung und vor allem über die zähringischen Besitzungen im Gebiete der Schweiz bei H.ammann, Zähringer Studien 1, S.352-387. P.KLÄUI, Zähringische Politik zwischen Alpen und Jura, Alemannisches Jahrbuch 1959. Vgl. dazu HAS, Karte 19. 1 Beste neuere Übersicht über die Verhältnisse der Westschweiz zur Zeit der Zähringer bei büttner, Staufer und Zähringer, sowie H.büttner, Waadtland und Reich im Hochmittelalter, S. 79-132. Vgl. dazu M.Chapuis, Recherches sur les institutions politiques du pays de Vaud du XI« au Xfflo siicle, 1032-1218, Lausanne 1940; H.Hüffer, Die Abteien und Priorate Welschburgunds unter den Zähringern, ZSG 4,1924, S. 241-351; P. Güterbock, Zur Geschichte Burgunds im Zeitalter Barbarossas, ZSG 17,1937; S. Hellmann, Die Grafen von Savoyen und das Reich bis zum Ende der staufischen Periode; christine mainz, Die Besetzung der burgundischen Bistümer im Zeitalter der Salier und Staufer, Diss.-Auszug Bonn 1921; J.Y.Mariotte, Le comte de Bourgogne sous les Hohenstaufen, Paris 1963. • H. büttner, Die Erschließung des Simplon als Fernstraße, SZG 3, 1953, S. 575-584, vertritt die Meinung, der Simplonpaß sei gegen Ende des 12. Jahrhunderts auf Antrieb der Staufer als Fernstraße erschlossen worden, da die Schwierigkeiten mit den Savoyern den Verkehr über den Großen Sankt Bernhard erschwert hätten. das größte Gewicht. Daneben waren zahlreiche Dynastenherrschaften im Entstehen begriffen, von denen die Herren von Vaz und diejenigen von Sax-Misox im 13. und 14. Jahrhundert zu Bedeutung gelangen sollten7. Die Bischöfe von Chur, die schon immer die eigentlichen Wächter der Bündner Pässe gewesen waren, erwarben 1137/39 von den Grafen von Gamer-tingen zahlreiche Rechte im Oberengadin und gewannen damit auch erneut die direkte Verfügung über Julier, Maloja und Bernina, neben derjenigen über den Septimer. Der Einfluß der Staufer auf Chur verstärkte sich nur ganz allmählich bis zum entscheidenden Schritt von 1160. Da fiel die Schirmvogtei über Chur, die in den Händen der Grafenfamilien von Rätien gelegen hatte, durch Erbe an Graf Rudolf von Pfullendorf. Dieser besonders treue Anhänger Barbarossas erwarb einige Jahre später auch die Schirmvogtei des Klosters St. Gallen und vermachte schließlich beide Vogteien mit seinem ganzen Besitz dem Kaiser, da er keine Nachkommen hatte8. Am Südfuß der Alpen schlug Barbarossa die Talgemeinde Chiavenna, die zu Como gehört hatte, zum staufischeii Herzogtum Schwaben. Damit hatte er auch den Südausgang des Septimers in seiner Gewalt9. Das am Lukmanier gelegene Kloster Disentis wurde vom Kaiser schon 1154 mit zahlreichen Besitzungen an der südlichen Zufahrt zu diesem Passe von der Poebene bis ins Bleniotal beschenkt. Schon König Konrad HI. hatte die Vogtei über das Bleniotal den Lenzburgern übergeben, die ja Reichsvögte in Zürich und Vögte über Glarus waren und damit den nördlichen Zugang zu den Bündner Pässen unter ihrer Kontrolle hatten. Nach ihrem Aussterben im Jahre 1173 unterstellte Barbarossa Blenio und Leventina den im Tale ansässigen bisherigen Untervögten, den Familien Torre und Giornico. Wenig später brachten die Torre durch Heirat auch das Misox, d.h. den Südzugang zum San-Bernardino-Paß, in ihren Besitz10. So haben die Staufer über die Bündner Pässe wie in der Westschweiz eine kaiserliche Herrschaft aufgebaut, die sich bis in die Zeit Friedrichs H. erhalten sollte. Im Zentrum der Schweiz zwischen Rhein und Alpen befanden sich die Besitzungen einer ganzen Zahl von Adelsgeschlechtern mittlerer Große. Vor allem die Grafen von Lenzburg, die die Grafschaft im Aargau und im Zürichgau besaßen, hatten mit der Reichsvogtei Zürich eine besondere Stellung inne. Denn Zürich stellte mit seiner großen Pfalz am Zugang zu den Bündner Pässen im Hochmittelalter eine der wichtigsten Königspfalzen im Süden des Reiches diesseits der Alpen dar. Ulrich IV., der letzte der Lenzburger, der bei Friedrich I. eine ähnliche Stellung wie Rudolf von Pfullendorf einnahm, hinterließ seine ganzen Besitzungen ebenfalls dem Kaiser. Dieser hielt die Lenzburg, die Vogtei über Beromünster, Engelberg und Glarus sowie anderes mehr seinem vierten Sohne, Pfalzgraf Otto, zu. Die Zähringer bekamen nun die Reichsvogtei Zürich ganz und damit großen Einfluß aul die Zentralschweiz bis nach ' R. Hoppeler, Die Anfänge des Hauses von Vaz, JHGG 1908; J.J. Simonet, Geschichte der Freiherren von Vaz, Ingenbohl 1913-1921; G. Hofer-Wild, Herrschaft und Hoheitsrechte der Sax im Misox, Poschiavo 1949. • F. Pieth, Bündner Geschichte, S.41ff.; J.G. Mayer, Geschichte des Bistums Chur, 1, Stans 1907; K. Schmid, Graf Rudolf von Pfullendorf und Kaiser Friedrich I., Freiburg i.B. 1954; W.HOLTZ-mann, Das Ende des Bischofs Heinrich II. von Chur, ZSG 29, 1949, S. 145-194. » P. Scheffer-Boichorst, Zur Geschichte des 12. und 13. Jahrhunderts, Berlin 1897, S.119f.; ebenso in: MIOEG 28,1909, S. 128. Neue gute Gesamtiibersicht über die Alpenpaßpolitik Barbarossas bei H. Büttner, Die Alpenpaßpolitik Friedrich Barbarossas bis zum Jahre 1164/65, VF 1, 1955, S.243-276, für Chiavenna bes. S.245IT., S.257f. 101. Müller, Der Lukmanierpaß als Discntiser Klosterpaß im 12./13. Jahrhundert, BM 1934; I. Müller, Discntiser Klostergeschichte 1, S.92ff.; H. Büttner, Kloster Disentis, das Bleniotal und Friedrich Barbarossa, ZSK 1953, S.47-64; H. Büttner, Die Alpenpaßpolitik Friedrich Barbarossas, S. 251; G. Hofer-Wild, Herrschaft und Hoheitsrechte der Sax im Misox, S. 30ff.; K. Meyer, Blenio und Leventina; K. Meyer, Die Capitanei von Locarno. 166 die entstehung der eidgenossenschaft städtegründung und landesausbau 167 Uri11. Fast alle Dynasten dieser Gegend erscheinen in ihrem Gefolge. An die Kyburger, welche Grafen im Thurgau waren, fiel der Zürichgau rechts des Zürichsees mit den dortigen lenzburgischen Besitzungen, an die Habsburger der westliche Teil mit den Besitzungen an der Reuß und vielleicht auch schon der Aargau12. Dieses Erbe war die erste entscheidende Verstärkung des noch geringen habsburgischen Besitzes im Gebiete der Schweiz, Bis dahin hatten sie neben ihren Besitzungen im Elsaß nur kleine Gebiete von der Mündung der Reuß an aufwärts bis zum Vierwaldstättersee ihr eigen genannt13. Am obern Zürichsee waren die Herren von Rapperswii begütert, die Vögte des Klosters Einsiedeln waren und als zährin-gische Gefolgsleute auch großen Besitz in Uri innehatten14. Die ebenfalls von den Zähringern abhängigen Regensberger verfügten über zahlreiche Rechte vom Zürcher Oberland bis nach Kaiserstuhl hinunter. Eine entsprechende Stellung auf dem linken Seeufer nahmen die Herren von Eschenbach-Schnabelburg ein, mit Besitzungen bis an den Vierwaldstättersee und im Berner Oberland. Das einstmals wichtige, wohl mit den Regensbergern verwandte Geschlecht der Herren von Sellenbüren starb zu Beginn des 12,Jahrhunderts aus. Die Herren von Toggenburg aber haben damals allmählich ihre ostschweizerische Herrschaft aufgebaut15. Rittlings des Juras saßen die Froburger, Tiersteiner und Homberger mit zahlreichen Burgen und beträchtlichem Besitz zwischen Basel und der Aare bis zu den Herren von Neuenburg u.a.m.16. STÄDTEGRÜNDUNG UND LANDESAUSBAU Die meisten dieser zwischen Thür und Emme ansässigen Geschlechter waren nun auch in der Innerschweiz begütert oder besaßen dort als Stifter oder Vögte von Klöstern Einfluß. Schon die Tatsache, daß der ganze in der Innerschweiz berechtigte Hochadel im benachbarten Mittelland saß, nicht aber in der Innerschweiz selbst, deutet darauf hin, daß die geschlossenen Bergtäler in der Hauptsache erst im Laufe des Hochmittelalters von der Ebene aus allmählich besiedelt und kolonisiert wurden. Diese Kolonisation schlug im 12. Jahrhundert eine raschere Gangart als in den vorangegangenen Jahrhunderten ein. Das war keine spezifisch innerschweizerische Erscheinung, sondern die lokale Folge einer gesamteuropäischen Entwicklung. Die starke Bevölkerungszunahme und das Bestreben der Herren, ihre lockeren und verstreuten Herrschaftsrechte zu flächenmäßig geschlossenen Gebietsherrschaften auszubauen und sie auch wirtschaftlich besser zu nutzen, waren damals in ganz Europa anzutreffen. Sie führten mehr als je zuvor zur Gründung von Städten einerseits, Urbarmachung und Besiedlung ungenützter Gebiete andrerseits. Am deutlichsten wird diese innere Ausbauarbeit in unserer Gegend bei den Zähringern. Sie gründeten um 1120 rechts des Rheines die Stadt 11 w. merz, Die Lenzburg, Aarau 1904. Zum Verhältnis der Lenzburger zu Barbarossa, vgl. K. Schmid, Graf Rudolf von Pfullendorf, Freiburg i.B. 1954, S.54ff., 64ff.; H. Weis, Die Grafen von Lenzburg, Diss., Schreibmasehinenmanuskript, Freiburg i.B. 1959. " C. Brun, Geschichte der Grafen von Kyburg bis 1264; M. Feldmann, Die Herrschaft der Grafen von Kyburg im Aaregebiet, GHS 1, S.7ff. " GHS 1, S.12B". Gute Übersicht bei H.E. Feine, Die Territorialbildung der Habsburger im deutschen Südwesten, vornehmlich im späten Mittelalter, S.182ff.; H. Ammann, Die Habsburger und die Schweiz, Arg 43, 1931, S.125ff. "GHS 1, S.63rT.; P. Kläui, Geschichte der Gemeinde Uster, Uster 1964, S. 30ff.; P. Kläui, Bildung und Auflösung der Grundherrschaft im Lande Uri. " GHS 1, S.44ff.; P. Kläui, Die Entstehung der Grafschaft Toggenburg, ZGO, NF 51, S. 161-206. P. Kläui, Die Freiherren von Sellenbüren, ZSAK 14, 1953, S. 83-85. " GHS 1, S.26ff., 129fr,; W. MERZ, Die Burgen des Sisgaus, 2, Aarau 1910, S.87ff., 151ff., 3, S.266ff.; B. Amiet, Solothurner Geschichte 1, S.201ff.; H. Ammann, Die Froburger und ihre Städtegründungen, Festschrift Nabholz, Zürich 1934. Freiburg im Breisgau, die zum Vorbild aller späteren zähringischen Städtegründungen wurde, und begannen den Schwarzwald systematisch zu erschließen11. In ihren linksrheinischen Besitzungen gründeten sie zuerst zwischen 1150 und 1170 Freiburg im Üchtland und 1191 oder schon früher Bern und versahen sie mit dem freiburgischen Stadtrecht. Für beide Städte hatten sie günstige Schutzlagen an der Saane und Aare gewählt, die zudem auch militärische Schlüsselstellungen gegen das Berner Oberland und Burgund hin bildeten18. Weitere Zähringer-Gründungen sind Rheinfelden, Burgdorf, Murten und Thun19. Auch andere Dynasten begannen dasselbe zu tun, wie die Herren von La Sarraz-Grandson in der Waadt mit dem Burgstädtchen La Sarraz, die Neuenburger mit Neuenburg, die Eschenbacher mit Luzern und die Kyburger mit Winterthur und Dießenhofen20. Aber auch die alten Bischofs- und Ffalzstädte, wie Basel oder Zürich, entwickelten sich im 12.Jahrhundert stark. Bei Zürich und Solothurn haben wohl auch wieder die Zähringer mitgewirkt21. Im 13.Jahr-hundert folgte dann die große Welle von Städtegründungen. Die Städte des 13. und 14.Jahrhunderts haben jedoch in keinem Falle die Bedeutung derjenigen des 12.Jahrhunderts und früherer Zeiten erreicht22. Gleichzeitig mit diesen für die Schweizer Geschichte folgenschweren Städtegründungen scheinen gerade die Zähringer und andere Dynasten die stete Bevölkerungsvermehrung für die Erschließung und Besiedlung der Alpentäler ausgenützt zu haben. Zahlreiche Herren und Ministerialen aus der Gegend des Juras, des Neuenburger- und Bielersees tauchten im Laufe des 12.Jahrhunderts erst im Seeland und an der mittleren Aare, dann im Berner Oberland und schließlich in Uri und im Wallis auf. So hatten sich die Herren von Oppligen vom Neuen-burgersee ins mittlere Aaretal verschoben, herrschten dann in Brienz und Ringgenberg und verzweigten sich hierauf nach Uri, wo sie das Lazariterhaus Seedorf gründeten, und ins Wallis, wo sie als Herren von Raron in Erscheinung traten. Auch die alten Juragrafen von Saugern, die 1131 die Zisterze von Frienisberg gründeten, scheinen Ableger in Uri gehabt zu haben. Aus dem Aare- und Emmegebiet stammten auch die in Uri erscheinenden Attinghausen-Schweinsberg, Grünenberg, Utzingen usw. Aus der Gegend des Vierwaldstättersees erschienen die Herren von Eschenbach und Rotenburg in Uri, vom Zürichsee her die Rap-perswiler, welche den hintersten Urner Talgrund mit Göschenen erschlossen und später der " Neben dem Standardwerk von Heyck sind in diesem Zusammenhang von prinzipieller Bedeutung Th. Mayer, Der Staat der Herzoge von Zähringen, Freiburg i.B. 1935; Th. MAYER, Die Entstellung des modernen Staates im Mittelalter und die freien Bauern, ZRG, GA57,1937,S.210-288; E. Hamm, Die Städtegründungen der Herzoge von Zähringen, Freiburg i.B. 1932. " Die gesamte Lit. bei p. Guver, Bibliographie der Städtegeschichte der Schweiz, Zürich 1960. Freiburg i. ü.: p. de Zürich, Lcs origines de Fribourg, MDR, 2= s., 12,1924, S.31ff., 71ff. H.WlCKI, in: Fribourg-Freiburg 1157-1481, Freiburg 1957,S.19ff. Die Gründung am Orte einer viel älteren Siedlung muß zwischen 1152 (Amtsantritt Bertholds IV.) und 1177/78 (erste eindeutige Erwähnung der Stadt) fallen. De Zürich möchte sie vermutungsweise auf 1157 ansetzen im Sinne einer Gegenmaßnahme gegen die Heirat Barbarossas mit Beatrix von Burgund 1156. - Bern: Vgl. S. 217. " Rheinfelden: F. E. Welti, Zur Gründungsgeschichte der Stadt Rheinfelden, in: Die Urkunden des Stadtarchivs Rheinfelden, Aarau 1933, S.VIlff. - Burgdorf: K.Geiser in: Heimatbuch des Amtes Burgdorf 2, Burgdorf 1938, S.54ff. - Thun: H. Ammann, Die Anfänge der Stadt Thun, ZSG 13,1933, S.327H". Berührt auch die andern westschweizerischen Zähringer Städte, wie Moudon, Murten, Oltigen, Laupen und Gummencn. - Moudon: B. de Cerenville, Charles Gilliard, Moudon sous le regime savoyard, MDR, 2' s., 14, Lausanne 1929. "La Sarraz: H.Büttner, Waadtland und Reich im Hochmittclalter, S.79fT. - Luzern: Vgl. S. 202. - Winterthur: W. ganz, Winterthur, Einführung in seine Geschichte, Winterthur 1960. H. kläui, Winterthur vor 1264, Winterthur 1964. - Dießenhofen: W. Rüedi, Die Gründung der Stadt Dießenhofen, Zürcher Diss., Dießenhofen 1945. " Zürich: Vgl. S. 207. - Solothurn: B. Amiet, Solothumische Geschichte 1, S.199f. " Vgl. HAS, Karte 15. 168 DIE entstehung der eidgenossenschaft von ihnen gestifteten Zisterze Wettingen übergaben23. Da alle diese Herren zum Anhang der Zähringer gehörten, die das ganze Aaregebiet beherrschten und die Reichsvogtei Zürich innehatten, zu der auch Uri gehörte, liegt die Vermutung nahe, dieser ganze Vorgang sei vor allem von den Zähringern angetrieben worden. Seine kolonisatorischen Kolgen zeigten sich bald. Im Berner Oberland wurde das Haslital und damit auch die Grimsel erschlossen sowie auch die Seitentäler gegen das Wallis hin. Die Bewohner Uris griffen zur Gewinnung von Alpen über den Klausenpaß auf Glarner Boden hinüber, woraus der bekannte, sagenumrankte Streit um den Urnerboden entstand, über den Kinzigpaß auf Schwyzer und über den Surenen-paß auf Engeiberger Boden24. In der zweiten Hälfte des 12.Jahrhunderts begann die unter der Herrschaft des Bischofs von Sitten stehende Bevölkerung des Oberwallis nach allen Seiten hin die Grenzen ihres Tales zu überschreiten. Die deutsch-französische Sprachgrenze wurde allmählich rhoneabwärts gegen die Lonzamündung bei Gampel verschoben, die Walser drangen in die Täler am Südhang des Monte Rosa, nach Osten ins Ursercntal und schließlich auch nach Norden ins Berner Oberland ein, wo man sie Lötscher nannte. Vom Alpensüdhang gelangten sie im 13.Jahrhundert über Italien bis weit nach Graubünden hinein25. Diese zunehmende Besiedlung der hintersten Talabschnitte am Gotthardmassiv führte schließlich fast zwingend zur Öffnung der Schöllenen und damit des Gotthardpasses um 1200. Eine ähnliche Entwicklung ist auch in Unterwaiden zu erkennen, wo die großen Grundherren, die Sellenbüren, das Kloster Muri und das Stift Beromünster, ihren Besitz durch Rodung und Siedlung ausdehnten. Die Herren von Sellenbüren gründeten 1120 das Kloster Engelberg und leiteten damit die Nutzung des hintersten Talgrundes von Nidwaiden ein26. Nicht viel anders verhielt es sich in Schwyz. Die Leute von Schwyz drangen unter der Führung der Lenzburger, die die größten Grundbesitzer im Tale waren, wohl schon gegen Ende des ll.Jahrhunderts über die Wasserscheide zwischen Muotha und Sihl vor. Daraus entstand der so folgenschwere Marchenstreit mit dem Kloster Einsiedeln um die bisher unbesiedelten Waldgebiete. 1114 von Kaiser Heinrich V. und 1143 von König Konrad III, zugunsten des Klosters Einsiedeln entschieden, sollte dieser Streit bis zum 14.Jahrhundert nicht mehr abbrechen21. Ähnliche Kolonisationsvorgänge wickelten sich damals auch sonst allenthalben " Heyck, Herzöge, S.433; meyer, Ursprung, S.617-626; H.Büttner, Zur politischen Erfassung der Innerschweiz, S.505 ff. Beste Übersicht bei P.Kläui, Bildung und Auflösung der Grundherrschaft im Lande Uri. E.Hauser, Geschichte der Freiherren von Raron, Zürich 1916. E.Schwei-kert, Die deutschen edelfreien Geschlechter des Berner Oberlandes bis zur Mitte des N.Jahrhunderts, Bonn 1911. " H. Büttner, Zur politischen Erfassung der Innerschweiz, S. 503 (F. "Gesamtdarstellung: H.Kreis, Die Walser, 2.A., Bern 1966; E.Meyer-Marthaler, Die Walserfrage, faßt die ganze bisherige Walserforschung kritisch zusammen, mit reichen Literaturangaben; L.joos, Die Walserwanderungen vom 13. bis 16.Jahrhundert und ihre Siedlungsgebiete, ZSG 26, 1946, S.289-344, bes. S.294; H.Kreis, Die Lötscher im Berner Oberland, SZG 4, 1954, S.510-536; H.Büttner, Anfänge des Walserrechtes im Wallis, VF 2, 1955, S.89-102; I.MÜLLER, Die Wanderung der Walser Uber Furka-Oberalp und ihr Einfluß auf den Gotthardweg, ZSG 16,1936, S.352-428; I.müller, Der Paßverkehr über Furka-Oberalp um 120D, BWG 10, 1946-1950, S.401 bis 437. " E, Bürgtsser, Der Besitz des Klosters Muri in Unterwaiden, Festgabe H. Nabholz, Aarau 1944; H. Büttner, Zur politischen Erfassung der Innerschweiz, S.497ff.; F. Güterbock, Engelbergs Gründung und erste Blüte, ZSG, Betheft 6, Zürich 1948; B. Meyer, Immunität und Territorium, ein Beitrag zur Verfassungsgeschichte Engelbergs, Festschrift Th. Mayer, 1, Konstanz 1954, S.223-246. " H. Büttner, Zur politischen Erfassung der Innerschweiz, S. 494 ff.; Meyer, Entstehung, S. 174 u. Anm. 44. Vgl. dazu QW1,1, Nr. 64, 104, 130, 252 u. die ältere I.it., wie M.Reichlin, Die schwy-zerische Oberallmend bis zum Ausgang des 15.Jahrhunderts, Freiburger Diss,, Schwyz 1908; O. Ringholz, Geschichte des fürstl. Benediktinerstiftes U.L.F.v.Einsiedcln 1, Einsiedeln 1904, S.69IT. Vgl. unten S. 187fT., Anm. 86, 96. stadtegrundung und landesausbau 169 ab so u. a. im ganzen Jura von Basel bis Genf, im Toggenburg, im Appenzellerland und etwas später mit den Waisern auch in Graubünden28. Sowohl die Stadtgründungen als auch die Kolonisation spielten sich wohl nur selten spontan und ohne bestimmte Leitung ab. Nahezu überall dürfte ein hochadliger Grundherr den Anstoß gegeben und kleinere Dynasten, Ministerialen oder einfach bewährte Kaufleute, Krieger und Bauern als eigentliche Unternehmer und Anführer einer Gruppe von Siedlern die Gründung oder Rodung praktisch durchgeführt haben. So wie bei Berri, wo die Zähringer die Gründung veranlaßten und die Bubenberg zu den eigentlichen Unternehmern gehörten, und wie bei den Walserkolonien des 13. Jahrhunderts mit ihren Auftraggebern und Anführern, dürfte es fast überall gewesen sein29. Ein wesentliches Hilfsmittel bildete auch, wie in früheren Zeiten, die Gründung von Klöstern. Die neuen, um 1100 entstandenen Orden der Zisterzienser und Prämonstratenser, die mit Vorliebe abgelegene Wald- und Berggebiete aufsuchten und sie durch Rodung erschlossen waren dafür besonders geeignet. Beide faßten zuerst in der Westschweiz Fuß, die Prä-monstratenser vor allem im Jura, Die Zisterzienser aber mit ihrer straffen internationalen Organisation überzogen das Gebiet der Schweiz mit einem Netz von schließlich dreißig Klöstern29". Und so wie bei der Stadt die vorteilhaftere Rechtsstellung des Stadtbürgers («Stadtluft macht frei!») eine Hauptattraktion für ihre Besiedlung bildete, so dürfte schon im ^.Jahrhundert die Kolonisten- oder Rodungsfreiheit bei der ganzen innerschweizerischen Siedlungswelle eine beträchtliche Rolle gespielt haben. Im einzelnen nachzuweisen ist dies allerdings erst bei den Walserkolonien des 13.Jahrhunderts30. Mit besonderen Vergünstigungen »Jura: Büttner, Staufer und Zähringer. - H.Büttner, Waadtland und Reich im Hochmittelalter, S.100ff. - Toggenburg: P.Kläui, Die Entstehung der Grafschaft Toggenburg, ZGO, NF 51, S 161-206. - Appenzell: St.Sonderegger, Grundlegung einer Siedlungsgeschichte des Landes Appenzell an Hand der Orts- und Flurnamen, AJ 85, Trogen 1957. - Graubünden: L.joos in: ZSG 26, 1946, S.289ff. "Vgl. zu dieser Frage K.S.Bader, Bauernrecht und Bauernfreiheit im späteren Mittelalter, Hist.Jb. 61, 1948, S.51-87. Für Bern vgl. H. Strahm, der zähringische Gründungsplan der Stadt Bern, AHVB 39,1948, S.36Iff., bes. S.386, wo Strahm aus der Tatsache, daß die Familien Bubenberg und Egerdon (Ägerten) ganz ungewöhnlich große Grundstücke in der Stadt besaßen, auf ihre Rolle als Unternehmer bei der Stadtgründung schließt, wie die Sage sie berichtet. Das Stadtrecht von Freiburg i. B. zeigt die Wichtigkeit der Gründungsunternehmer. - Bei den Waisern wird das Unternehmertum im Falle von Davos und Hinterrhein besonders deutlich, wo die bündnerischen Dynasten die Veranlasser und die Anführer der walserischen Söldnerverbände, wie etwa Wilhelm und seine Gesellschaft zu Davos, die eigentlichen Unternehmer sind. Vgl. E. Meyer-Marthaler, Die Walserfrage, S.7, 12; K. Meyer, Über die Anfänge der Walserkolonien in Rätien, BM 1925. "* HBLS, s. u, Cisterzienser, Praemonstratenser. - N.Backmund, Monasticon Praemonstratense 1, Straubing 1949, S.58ff., 354ff.; B. Bligny, l'eglise et les ordres religieux dans le royaume de Bourgogne aux XIe et XUe siecles, Grenoble 1960. " H. Kreis, Die Walser, S. 135rT.; E. Meyer-Marthaler, Die Walserfrage, S.20ff.; P. Liver, Mittelalterliches Kolonistenrecht und freie Walser in Graubünden, Zürich 1943, haben das Wesen des Walserrechts als eines Kolonistenrechtes, d.h. eines bessern und freien Rechtes als das der Umwohner und der Herkunftsgegend, gezeigt. Für die Innerschweiz ist die große Bedeutung der Rodungs- oder Kolonistenfreiheit vor allem von Th. Mayer, Die Entstehung des modernen Staates im Mittelalter, S.258ff.; Th. Mayer, Die Entstehung der Schweizer Eidgenossenschaft und die deutsche Geschichte, DA 6, 1943; TH. Mayer, Die Schweizer Eidgenossenschaft und das deutsche Reich im Mittelalter, DA 7, 1944, S.255ff.; P. KLÄui, Der Fraumünsterbesitz in Uri und im Aargau, ZSG 22, 1942, S. 161, postuliert worden. K.Meyer lehnte in verschiedenen Arbeiten die Rodungs-fteiheit scharf ab, ja sieht in der Kolonisation ein Werkzeug der Knechtung. Vgl. Meyer, Ursprung, S.622ff.; K.Meyer, Vom eidgenössischen Freiheitswillen, ZSG 23, 1943, S.372ff., 481ff. Im gleichen Sinne Fritz Wernli, Die mittelalterliche Bauernfreiheit, Studien für ma. Verf.gesch. 1, Arbitern a.A. 1959; F.Wernli, Grundbesitz und Gemeinmark im Lande Uri, Mettmenstetten 1960. Meyer, 170 die entstehung der eidgenossenschaft 13.jahrhundert 171 suchte man die Leute zur Besiedlung der unwirtlichen Zonen zu verlocken, wie das in der Geschichte in wechselnden Formen immer wieder bis in die Gegenwart geschieht31. Und so wie die Stadtgründungen durch eine Gruppe von Unternehmern meist zur Bildung von genossenschaftlichen Stadtgemeinden mit starkem Selbständigkeitsdrang geführt haben, haben auch solche Kolonisationsunternehmungen, wie besonders diejenige der Schwyzer gegen Einsiedeln, den Zusammenhalt der Talschaft gestärkt und der Genossenschaftsbildung Auftrieb gegeben32. 13. JAHRHUNDERT In dieser Situation hatte das Aussterben der Zähringer, die fast das ganze Gebiet von Freiburg bis Zürich und bis zum Alpenkamm beherrschten, mit dem Tode des kinderlosen Herzogs Berthold V. im Jahre 1218 die größten Folgen gehabt. Seine Haupterben waren die beiden Schwestermänner Egeno von Urach und Ulrich von Kyburg. Das Erbe wurde so geteilt, daß die Uracher die zähringischen Gebiete nördlich des Rheines erhielten, die Kyburger aber die ganzen großen Besitzungen im Zürich- und Aargau sowie in Burgund, d. h. vor allem auch die Städte Freiburg, Burgdorf und Thun33. Mit einem Schlag waren so die Kyburger zu den mächtigsten Dynasten zwischen Thür und Saane aufgerückt. Kaiser Friedrich II. benützte jedoch diese Gelegenheit zu einer ganz wesentlichen Stärkung seiner Stellung in unsern Gegenden, wie es schon sein Großvater Barbarossa beim Aussterben der Lenzburger getan hatte. Die Reichslehen wurden nicht an die Kyburger weitergegeben. Die Reichsvogtei über Uri kam an Habsburg, die Reichsvogtei Zürich und anderes mehr wurde unter die kleineren Dynasten des zähringischen Anhanges, wie die Regensberger, Eschenbacher und die Kyburger, verteilt. Die genossenschaftliehen Bildungen auf Reichsboden, Städte wie Bern und Zürich und Talschaften wie Hasli im Berner Oberland, fielen ans Reich, d.h. sie wurden praktisch den am Orte führenden kleinen Adligen und reichen Bürgern und Bauern zur Verwaltung überlassen. Dies sollte ein Jahrzehnt später mit der im Zusammenhang mit der zunehmenden Bedeutung des Gotthardpasses erfolgenden Verleihung der Reichsfreiheit an Uri und Schwyz noch deutlicher hervortreten. In allen diesen Fällen traf die Paßpolitik der Staufer, die die Zugänge der großen Alpenstraßen für sich sichern und von starken Machtbildungen freihalten wollten, mit dem Aufwärtsstreben der kleinen Dynasten und Ministerialen, der Städte und Talschaften zusammen. Dieses Aufstreben aber war erst durch die vorangehende Städtegründungs- und Kolonisationswelle und durch das Aussterben der großen Adelsfamilien der I^nzburger und Zähringer möglich geworden. Eine solche Entwicklung mußte damals das Königshaus der Staufer in Ost-, Mittel- und Westschweiz als die überragende Macht erscheinen lassen34. Aber 1239 setzte mit der Bannung Kaiser Fried-Entstehung, S. 174f., stellt fest, daß zwar eine solche Rodungsfreiheit in den Waldstätten wohl möglich, bis jetzt aber nicht nachgewiesen ist und der Quellenlage wegen wahrscheinlich auch nie nachgewiesen werden kann. Die Verhältnisse in Graubünden, in Süddeutschland, ja in ganz Europa, wo man überall auf diese Rodungs- oder Kolonistenfreiheit stößt, machen indessen wahrscheinlich, daß es sie auch in der Innerschweiz gab. " Vgl. Anm.29; F. elsener, Der Hof Benken, 93.Nbl d. Hist.Vereins St.Gallen 1953, S.20ff.j H. Strahm, Stadtluft macht frei, VF 2, 1955, S.106, setzt zu dem «Stadtluft macht frei» ein «Waldluft macht frei» für die Ausbausiedlung in Parallele. " QWI, 1, Nr.34, 104, 552; Meyer, Entstehung, S. 175ff. " Heyck, Herzöge, S.491ff.; H.BÜTTNER, Egino von Urach-Freiburg, der Erbe der Zähringer, Ahnherr des Hauses Fürstenberg, Veröffentlichungen aus dem fürstl. Fürstenbergischen Archiv, Heft 6, 1939. " C. Brun, Geschichte der Grafen von Kyburg bis 1264; m. Feldmann, Die Herrschaft der Grafen von Kyburg im Aaregebiet, GHS 1. - H. E. FEINE, Territorialbildung der Habsburger im richs H. durch Papst Gregor IX. der alles aufspaltende Kampf zwischen Kaiser und Papst im Süden wieder ein, um dann 1245 auch nördlich der Alpen mit großer Heftigkeit auszubrechen. Er führte 1250 mit dem Tode des Kaisers zum Siege der Päpstlichen. Dieser Kampf und sein Ausgang zerstörten die staufischen Aussichten und gaben die Zukunft fürs erste in die Hände der mächtigsten Dynasten unserer Gegend, auf weite Sicht aber in diejenige der Reichsstädte und der zum Reich gekommenen Talgenossenscbaften. Es waren freilich nicht die Kyburger, die bei uns die große Gelegenheit wahrzunehmen vermochten. Schon knapp fünfzig Jahre nach der zähringischen Erbschaft starb das Geschlecht aus, und seine beiden letzten Vertreter, Hartmann der Ältere und der Jüngere, scheinen sich nicht durch besondere Herrscherqualitäten ausgezeichnet zu haben. Noch zu ihren Lebzeiten sollte der Einfluß ihrer nächsten Verwandten dominieren. Hartmann der Ältere wurde 1218 mit Margarete von Savoyen verlobt, der Tochter des Grafen Thomas und Schwester Peters von Savoyen. Im selben Jahre gebar Hartmanns Schwester Heilwig, die Frau des Grafen Albrecht IV. von Habsburg, einen Sohn. Es war Rudolf IV., der spätere König. Die ungewöhnlichen acht Kinder des Grafen von Savoyen verstanden es, sich in ganz Europa von Süditalien bis Flandern und England mächtige Positionen zu verschaffen. Beatrix, die älteste, verheiratete alle ihre vier Töchter mit Königen, und ihre Geschwister wußten diese Beziehungen zu verwerten. Peter, erst zum geistlichen Stande bestimmt, hatte 1238 nach dem Tode seines Bruders Aymo die savoyischen Besitzungen am Genfersee übernommen. Sie reichten vom Unterwallis bis zum Schloß Chillon als äußerstem Vorposten. Von 1241 an weilte er abwechselnd in der Waadt und in England, wo er am Hofe seines Neffen eine einflußreiche Stellung und große Einkünfte gewann. Diese Mittel und der Kampf zwischen Kaiser und Papst erlaubten ihm, in rascher Folge den ganzen waadtländischen Adel von sich abhängig zu machen. Die Verlobung zwischen seiner Schwester Margarete und Hartmann von Kyburg im Jahre 1218 war offensichtlich schon in der beidseitigen Absicht geschlossen worden, engere Beziehungen zwischen den neuen Nachbarn Savoyen und Kyburg herzustellen. Von 1241 an wurde diese Ehe aber immer mehr zu einem Instrument von Peters Ausdehnungsdrang. Fast Jahr für Jahr folgten sich Vergabungen von Gütern und Burgen Hartmanns des Altern an seine Frau Margarete zur Mehrung ihres Wittums, die oft mit auffallenden Sicherungsbestimmungen gegen den Neffen Hartmann den Jüngern versehen wurden. Dieser schlug sich zur staufischen Partei und versuchte vergeblich den Entfremdungen zu wehren. Offensichtlich gedachte Peter von Savoyen auf diesem Umweg einen großen Teil der Güter des kinderlosen Ehepaares an sich zu bringen. Das Interregnum eröffnete ihm dafür noch weitere Möglichkeiten. Im Auftrag des Gegenkönigs Wilhelm von Holland und auf eigenes Ansuchen dieser Gebiete nahm er 1255 das burgundische Reichsgut mit Bern, Murten und Hasli unter seinen Schirm. Wilhelms Nachfolger, Richard von Cornwall, ein Neffe Peters, verlieh ihm 1259 auch noch die letzten Reste dieses Reichsgutes. Als 1263 der jüngere Hartmann starb und nur eine unmündige Tochter Anna hinterließ, überwies König Richard dessen Reichslehen sofort an Peter. 1264 brachten die savoyischen Geschwister Hartmann den Altern kurz vor seinem Tode sogar noch dazu, alle seine Reichslehen, darunter die Landgrafschaft im Thurgau, Zürich und Claras, zugunsten der Margarete aufzugeben. Nach Hartmanns Tod im November 1264 hätte dies alles an Margarete bzw. an Savoyen fallen sollen. Doch nun griff Rudolf von Habsburg, der schon 1259 Hartmann den Jüngern unterstützt hatte, als Vetter und Vormund von dessen Witwe und Tochter ein. Sein Vater Albrecht IV. und sein Onkel Rudolf HI. hatten 1232 nach dem Tode Rudolfs des Alten ihren deutschen Sudwesten, S. 179, 184; Oechsli, Anfänge, S. 137; O. Redlich, Rudolf von Habsburg, S.26ff.; Heyck, Herzöge, S. 491 ff. 172 die entstehung der eidgenossenschaft 13. JAHRHUNDERT 173 Besitz geteilt. Dieser hatte sich seit der lenzburgischen und zähringischen Erbschaft nicht mehr wesentlich vermehrt. Ja, die Reichsvogtei Uri hatte der Kaiser 1231 wieder an sich genommen. Die jüngere Linie Rudolfs III., des Schweigsamen, nannte sich nach ihrem Sitz Habsburg-Laufenburg. Sie hielt sich im Gegensatz zum stets entschieden staufisch gesinnten Rudolf IV. vorwiegend auf die päpstliche Seite. So war die in zwei feindliche Linien geteilte Familie zwar nach Kyburg und Savoyen die mächtigste in unsern Gegenden, konnte sich jedoch mit diesen beiden noch kaum vergleichen. Aber Rudolf IV. übertraf sogar Peter von Savoyen an zielbewußter Berechnung und unaufhörlich zugriffiger Betriebsamkeit. Er führte sein Haus bis zu seinem Tode im Jahre 1291 zu erstaunlichen Erfolgen. 1264 war er auf dem Platz, während Peter von Savoyen sich in England befand, wo Unruhen seine Einkünfte abschnitten und ihm die Hände banden. Ohne irgendwelche Rücksicht auf Privilegien und die Witwe Margarete nahm Rudolf den ganzen kyburgischen Besitz und auch die Reichslehen bis und mit Freiburg für sich und seine Schutzbefohlenen in Besitz. Als Peter 1265 zurückkehrte, war nicht mehr viel zu ändern. Von 1265 bis 1267 kam es allerdings zu verschiedenen kriegerischen Zusammenstößen zwischen Habsburg und Savoyen. Die Waadt konnte Peter halten. Das kyburgische Erbe samt den Reichslehen aber war für ihn verloren. Einiges burgundisches Reichsgut mit Bern, das sich unter Peters Schutz stellte, blieb schwankend zwischen den Parteien. Um das gesamte kyburgische Erbe dem Hause Habsburg noch vollends zu sichern, veranlaßte Rudolf schließlich 1273 seinen Neffen Eberhard von Habsburg-Laufenburg zur Heirat mit seinem Mündel Anna von Kyburg. Er bezahlte dem jungen Paar die großen Schulden, und es hatte ihm dafür alle seine Besitzungen und Rechte von der Aare aufwärts zwischen Reuß und Wigger bis an den Vierwaldstättersee und in den Waldstätten abzutreten, d.h. die Herrschaft über die Gotthardstraße von Sempach bis in die Alpen. Damit war die junge habsburgisch-kyburgische Linie, die sog. Neukyburger, ganz auf die burgundischen Besitzungen an der Aare verwiesen, während Rudolf nun sozusagen alles Gebiet zwischen Aare und Rhein von Säckingen bis zu den Alpen allein beherrschte35. 1273, als Rudolf in einer Fehde gegen den Bischof von Basel die Stadt Basel belagerte, um diesen an der Ausdehnung seiner Herrschaft zu hindern, erreichte ihn die Nachricht, daß ihn die Kurfürsten in Mainz zum König gewählt hätten. Er brach die Belagerung und seine ganze oberdeutsche Tätigkeit ab. Nun folgten seine großen Unternehmungen im Reich und im Osten gegen Ottokar von Böhmen, die ihm die gewaltige Hausmacht von Österreich, Steiermark, Kärnten und Krain eintrugen36. Aber dennoch griff er 1281 nach seiner Rückkehr in den Westen die alte Erwerbspolitik wieder auf und führte sie mit fieberhafter Eile fort. Es galt, neben dem östlichen Besitz für den altern Sohn Albrecht auch den westlichen für den Jüngern Sohn Rudolf zu arrondieren. Rudolf erstrebte nichts weniger, als das staufische Herzogtum Schwaben wieder aufzurichten. Seine Doppelstellung als habsburgischer Landesherr und König bot dabei den Vorteil, daß er nun sowohl über das habsburgische Hausgut als auch über das Reichsgut gebieten konnte. Den stets verschuldeten Äbten von St. Gallen 3S B. Meyer, Studien zum habsburg. Hausrecht IV, Das Ende des Hauses Kiburg, ZSG 27, 1947, s.273 ff.; U. stutz in: Festgabe f.e, Welti, Aarau 1937, Rudolf spielte gegen Margarete das alemannische Recht aus, das der Frau keine Besitz- und Lebensfähigkeit zuerkannte, im Gegensatz zum in Burgund herrschenden westlichen Lehensrecht. L. Wurstemberger, Peter der Zweite, Bern 1856ff., bes. 3, S.25ff.; O.REDLICH, Rudolf von Habsburg, S.18ff., 96ff.; feller, Bern l,S.43ff.; a. Schulte, Geschichte der Habsburger in den ersten drei Jahrhunderten, Innsbruck 1887; B. Meyer, Studien zum habsburg. Hausrecht II, Das Lehen zu gesamter Hand, zsg 27, 1947, handelt S.45ff. über die habsburgische Linientrennung. Vgl. auch B.Meyer, Das Ende des Herzogtums Schwaben auf linksrheinischem Gebiet, SVB 78, 1960. " O, redlich, Rudolf von Habsburg, s.120ff., I36ff., 170fT., 203ff.; th. mayer-edenhauser, Zur Territorialbildung der Bischöfe von Basel, ZGO, nf 52, 1938. kaufte er manchen Besitz ab und erzwang auch die Verleihung sanktgallischer Lehen an seine Söhne. Neben zahlreichen andern kleineren Erwerbungen nahm er 1285 beim Ausstelben der Grafen von Rapperswil die Reichsvogtei Urseren an sich, und 1291 kaufte er die Stadt Luzern vom verschuldeten Abt von Murbach. Daran erkennt man den entschiedenen Willen zur Beherrschung der jungen, rentablen Gotthardroute31. Eine möglichst rationelle Verwaltung sollte die habsburgischen Lande erfassen. Rudolfs Beamte verwalteten österreichischen Besitz und Reichsgut meist in Personalunion. Offenbar bestand die Absicht, diese Personalunion mit der Zeit zur Realunion werden zu lassen. Höchste Beamte in unsern Gegenden waren etwa Hartmann von Baldegg, Burggraf zu Rheinfelden und zugleich Pfleger des Reichs für die obern Lande und Landvogt in Burgund, oder Otto von Ochsenstein, der Reichslandvogt im Elsaß. In Zürich betreuten die Reichsvögte, wie Hermann von Bonnstetten und Ulrich von Reußegg, stets gleichzeitig auch das habsburgische Landrichteramt. Die habsburgischen Besitzungen wurden allmählich in Ämter und Vogteien aufgeteilt, die sich um eine habsburgische Burg als Mittelpunkt gruppierten, wie z. B. die Vogteien Baden, Regensberg, Kyburg, das Amt Zug usw. Dabei scheint Rudolf die eigenen Lande finanziell eher geschont zu haben, während vor allem den Reichsstädten hohe Steuern auferlegt wurden38. Dieses Vorgehen Rudolfs gegen die Reste des Reichsgutes dürfte eine der Hauptursachen dafür gewesen sein, daß sich die Reichsstädte und Reichsländer 1291 bei Rudolfs Tod gegen die Habsburger erhoben. Derart setzte sich die im ll.Jahrhundert begonnene Herrschaftsentwicklung fort. Die Adelsherrschaften suchten durch eine möglichst vollständige Sammlung von Gerichts-, Wirtschafts- und andern Rechten die Herrschaft über ihr Gebiet zu intensivieren und die überall damit sich kreuzenden fremden Rechte allmählich auszuschalten, bis nichts mehr außer der direkten Abhängigkeit vom König zurückblieb. Heiratspolitik, Kauf, Gewalt, Landesausbau und Städtegründung dienten zur räumlichen Ausdehnung und intensiveren Nutzung. Das Lehenswesen ermöglichte den Mächtigen und Erfolgreichen, zahlreiche andere Herren ihrer Einflußzone einzugliedern. In lehensrechtlichen Formen begann sich auch allmählich ein Beamtenwesen auszubilden, zu dem u.a. die Vorsteher der Städte und Talschaften, der Reichsvogteien und der habsburgischen Ämter zu rechnen sind. Dieses Streben nach möglichst ausschließlicher Gewinnung und Intensivierung aller Herrschaftsrechte über ein Gebiet pflegt man als das Streben nach Landeshoheit zu bezeichnen. Am ausgesprochensten zeigte sich diese Tendenz zuerst bei den Zähringern, und man hat denn auch schon vom Flächenstaat der Zähringer gesprochen. Doch mit dem Aussterben der Lenzburger, Pfullen-dorfer, Zähringer und Kyburger zerfielen diese Versuche immer wieder und machten neuen Platz. Schließlich sollten die Habsburger obenausschwingen. Zu Ende des 13. und auch noch im 14.Jahrhundert waren sie nicht mehr weit davon entfernt, eine geschlossene Landesherrschaft im ganzen alten Herzogtum Schwaben zu erlangen. Doch gerade mit der Intensivierung der Herrschaft, den Städtegründungen und dem Landesausbau wurde eine neue Entwicklung geweckt und belebt. Es ist die Tendenz zur zunehmenden Selbständigkeit von städtischen und ländlichen Gemeinden, besonders in der Innerschweiz. Diese begannen ihrerseits nach Reichsunmittelbarkeit und Landeshoheit zu streben35. " O. Redlich, Rudolf von Habsburg, S. 544 ff., 550 ff., 568 ff., 5S5ff.; Schulte, Handel 1, S. 169ff., 179ff.; K.Meyer, Luzern, S.295ff., 302ff. " O. REDLICH, Rudolf von Habsburg, S.5759'.; W. Meyer, Die Verwaltungsorganisation des Reiches und des Hauses Habsburg-Österreich im Gebiete der Osrschwciz, S.9ff., 18ff., 57ff., 65ff.; G. partsch, Die Steuern des habsburg. Urbars 1303-1308, ZSG, Beiheft 4, 1946, S. 135 ff. mit guter Ubersicht über die ältere Lit. »K.S.Bader, Volk, Stamm, Territorium, in: HZ 176, 1953; T.Mayer, Die Ausbildung der 174 DIE ENTSTEHUNG DER EIDGENOSSENSCHAFT VON DEN ANFÄNGEN BIS ZUM BUNDESBRIEF VON 1291 175 DIE EIDGENOSSENSCHAFT DER WALDSTÄTTE VON DEN ANFANGEN BIS ZUM BUNDESBRIEF VON 1291 Aus den Reichsfreien in Oberschwaben und Burgund, welche 1291 und schon vorher in den späten vierziger Jahren, sich für ihre besondere Stellung zu wehren versuchten, entstand das Gerippe der Eidgenossenschaft. Es lassen sich unter ihnen eine burgundische Gruppe mit Bern als Mittelpunkt, eine ostschweizerische mit Zürich, St. Gallen, Konstanz und Schaffhausen und die zentralschweizerische mit Uri und Schwyz erkennen. Der Kern der späteren Eidgenossenschaft und zugleich die verfassungsgeschichtlich merkwürdigsten Gebilde unter den Reichsfreien sind die beiden Reichsländer Uri und Schwyz. Derartige Talgenossenschaften sind im 12. und 13. Jahrhundert an den verschiedensten Stellen der Alpen aufgetreten. Neben den Waldstätten seien hier nur die schon erwähnte Talgemeinde Hasli im Berner Oberland, die verschiedenen Walserkolonien vom Großen Sankt Bernhard bis zum Maggiatal und in Graubünden, die Talgemeinden rund um Briancon am Mont Genevre, die Valsesia hinter Vercelli, Blenio und Leventina im obern Tessin und die Val Camonica nördlich von Brescia genannt. Zwar mögen diese Talgemeinden teilweise eine bis ins Frühmittelalter zurückreichende Wurzel besessen haben, doch im Grunde werden sie kaum viel älter sein als ihre früheste Erwähnung in den Quellen des 12. und 13. Jahrhunderts. Sie erwachten erst durch das Zusammenwirken der Kolonisationsbewegung und der wirtschaftlichen Entwicklung der Alpenpässe mit dem Aussterben oder Absinken der großen Adelsgeschlechter und der Paßpolitik der Staufer zu wirklichem Leben. Von der Tatkommune Val Camonica ist das erste Mal in einer Urkunde Kaiser Friedrichs I. von 1164 die Rede, die er ihr im Zuge seiner Bemühungen zur Sicherung der Alpenpässe verlieh. Die Valsesia erscheint 1218 als selbständige Talgemeinde, da die Grafen von Biandrate durch Erbteilung und den Druck der Städte des südlichen Alpenrandes ihre Herrschaft Uber die Täler des Monte Rosa verloren. In Blenio und Leventina wird sie in den Jahrzehnten um 1200 faßbar, in der Zeit, da der Gotthard aufging und mailändischer und kaiserlicher Einfluß dort um die Vorherrschaft rangen. Die Walserkolonie Rheinwald in Graubünden erscheint 1277. Von den innerschweizerischen Talschaften werden Uri 1231, Schwyz 1240, Hasli im Berner Oberland 1244 und Unterwaiden 1291 als Talkommunen - communitas, universitas, universi homines - genannt40. Aus der Tatsache, daß solche Talgenossenschaften südlich der Alpen Grundlagen des modernen deutschen Staates im hohen Mittelalter, in: HZ 159, 1939. Beide Aufsätze jetzt in: Herrschaft und Staat im Mittelalter, Darmstadt 1956. - A.Gasser, Entstehung und Ausbildung der Landeshoheit im Gebiete der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Aarau 1930. Vgl. dazu das Nachwort von T.Mayer in: H.Hirsch, Die hohe Gerichtsbarkeit im deutschen Mittelalter, 2.A., Graz/Köln 1958. - A.Gasser, Die territoriale Entwicklung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Aarau 1932; B.Meyer, Hochmittelalterliche Grundlagen zur Innerschweizer Verfassungsgeschichte, Gfr.100, 1947, S.23ff.; K.S.Bader, Der deutsche Südwesten in seiner territorialen Entwicklung, Stuttgart 1950. H.Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte 1, Karlsruhe 1954, S.427ff. " B.Meyer, Freiheit und Unfreiheit in der alten Eidgenossenschaft, VF 2, 1955, S.123ff., bes. 126ff.; P. KLÄrn, Genossame, Gemeinde und Mark in der Innerschweiz mit besonderer Berücksichtigung des Landes Uri, VF7, 1964, S. 237ff. - Blenio u. Leventina: K. Meyer, Blenio und Leventina von Barbarossa bis Heinrich VII., Luzern 1911. - Briancon: H. Nabholz, Eine Eidgenossenschaftin derDauphine, Festschrift Heinrich Türler, AHVB 31,1931.-Hasli: FRB 1,S.252, Nr.237. -Val Camonica: H. Büttner, Die Alpenpaßpolitik Friedrich Barbarossas, VF 1, 1955. - Valsesia: früher als auf der Nordseite auftreten, hat man auf eine italienische Beeinflussung geschlossen, doch sind die rechtsgeschichtlichen Parallelen und Verwandtschaften so locker, daß man eher vermuten möchte, ähnliche Voraussetzungen hätten ähnliche Wirkungen hervorgebracht41. Die Bezeichnung Talgenossenschaft darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, daß sie alle, soweit die Quellen sehen lassen, nicht im modernen Sinn demokratische Gemeinschaften darstellten. Von gemeinsamer Willensbildung oder demokratischen Institutionen findet sich in den Quellen jener Zeit noch kaum etwas Greifbares. Nach dem Untergang der Staufer lehnten sie sich an irgendeinen mächtigen Herrn der weitern Umgebung an - die Innerschweiz an die Habsburger, Hasli an die Savoyer - und wurden von einigen wenigen eingesessenen mächtigen Familien angeführt. Von der übrigen Bevölkerung hört man sozusagen nichts. Die großen auswärtigen Schutzherren wurden im 13.und beginnenden 14. Jahrhundert in der Innerschweiz von den dort führenden Familien, in Hasli und in der Valsesia von den benachbarten Städten verdrängt. Die demokratische Welle des 14. Jahrhunderts schwemmte dann ihrerseits in den schweizerischen Talschaften einige der wichtigsten ansässigen Familien weg. Auch in dieser Entwicklung stimmen die Talschaften mit den Städten unserer Region weitgehend überein, die von der Anlehnung an einen Schutzherrn Uber die Herrschaft eines engen Patriziates erst im 14. Jahrhundert zu äußerer Selbständigkeit und einer breiteren Regierungsgrundlage im Innern gelangten. Der ganze Vorgang wurde durch den Kampf der Staufer mit der Kirche und durch ihr Aussterben sowie das Interregnum und die nachfolgenden häufigen Wechsel auf dem Königsthron noch wesentlich gefördert. Von 1218 bis 1231 waren die Habsburger als Landgrafen im Zürich- und Aargau, als Reichsvögte in Uri und als Vögte verschiedener Klöster, welche in der Innerschweiz über Grundbesitz verfügten, wie etwa Wettingen, Muri und Murbach, das einflußreichste Dynasten geschlecht in Uri, Schwyz und Unterwalden42. 1231 erhob jedoch König Heinrich VIL als Statthalter seines Vaters, Friedrichs II., Uri zur reichsfreien Talgemeinde. An ihrer Spitze stand ein einheimischer Ammann, mit dem der König direkt verkehrte. Ob der Ammann die Gerichtsbarkeit allein ausübte oder ob sie zwischen einem Reichsvogt und ihm geteilt war, ist ungewiß43. Es scheint, daß die Habsburger für Uri eine Ablösungssumme C.G.MOr, Carte Valsesiane, Turin 1933, S.83ff. - Walserkolonien: K. Meyer, Über die Anfänge der Walserkolonien in Rätien, bm 1925; K. Meyer, Die Walserkolonie Rheinwald und die Freiherren von Sax-Misox, JHGG 57, 1927, u. in: Aufsätze und Reden, Zürich 1952. Für Parallelen in den Ostalpen vgl. H. Steinacker, Staatswerdung und politische Willensbildung im Alpenraum und Tirols Mittelstellung zwischen westlichen und östlichen Alpenländern, Festschrift H. Wopfner, Schlern-Schriften 52, Innsbruck 1947, S. 271 fF. " G. V.Below, Die Entstehung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, ZSG 3, 1923, S.134ff., gegen K. Meyer, Italienische Einflüsse bei der Entstehung der Eidgenossenschaft, JSG 45, 1920, u. in: Aufsätze und Reden, Zürich 1952. " Oechsli, Anfänge, S.2711., 104ff.; Geschichte der Schweiz 1.S.110; meyer, Ursprung,S.585ff., 605ff.; Meyer, Entstehung, S.1729".; B.Meyer, Hochmittelalterliche Grundlagen zur Innerschweizer Verfassungsgeschichte, Gfr 100, 1947, S.22-40; H.Nabholz und ausgesprochener K.Meyer vertreten die Meinung, Schwyz, Uri und Unterwaiden hätten besondere, von der landgräfftchen Gewalt ausgenommene Vogtcien gebildet. K. Meyer sieht in allen Talschaften ehemalige Hundertschaften, die durch die Habsburger zu allodialen Sondervogteien heruntergedrückt worden seien. Diese Ansicht wird von meyer, Entstehung, s.173ff., abgelehnt. " Oechsli, Anfänge, S.246ff.j Meyer, Ursprung, S.354ff., 6139".; Meyer, Entstehung, S.170rT„ 176f.; K.Meyer, Der Freiheitsbrief von 1231, Hist.Nbl Uri 1916. Text: QW I, 1, Nr.325; F.Gal-latt, Die königlichen Freibriefe für Uri von 1231-1353 in der Überlieferung durch Ägidius Tschudi, SZG 3, 1953. - Hochgerichtsbarkeit: oechsli, Anfänge, S.249; Meyer, Ursprung, S.492ff.; B.Meyer, Die ältesten eidg. Bunde, S.80ff.; B.meyer, Studien zum habsburg. Hausrecht III, ZSG 1927, 1947, S.56; F.Wernli, Zur Frage der Hochgerichtsbarkeit in Uri, SZG 1, 1951, S.293fl'.; 176 die entstehung der eidgenossenschaft von den anfangen bis zum bundesbrief von 1291 177 erhielten, die die Urner nachträglich selbst aufzubringen hatten. Wenn der König an diese einst weltverlassenen Tal ein besonderes Interesse nahm und andrerseits der Wille und die finanzielle Fähigkeit des Tales, zum Reich zu kommen, nicht zu bezweifeln ist, so kann dies nur aus der politischen und wirtschaftlichen Bedeutung des Gotthardpasses erklärt werden Erst die Öffnung dieses Alpenüberganges hat die Zentralschwciz dem Weltverkehr er schlossen, für den in Italien regierenden Stauferkaiser Friedrich II. wertvoll gemacht und ihren Bewohnern beachtlichen Gewinn aus dem Transportgeschäft ermöglicht. Diese Öff nung aber ist mit großer Wahrscheinlichkeit zwischen den letzten Jahren des 12. Jahrhunderts und 1230 erfolgt. Der eigentliche Gotthardpaß zwischen Leventina und Urserental mag schon früher begangen worden sein, doch nicht der entscheidende Abschnitt der Schöllenenschlucht. Die ersten eindeutigen Nachrichten vom durchgehenden Paßverkehr setzen unmittelbar nach 1230 ein und häufen sich rasch44. Zudem ist das Urserental, dieses entscheidende Zwischenglied zwischen Leventina und Uri, bis in die ersten Jahre des 13. Jahrhunderts politisch und wirtschaftlich ganz auf die Verbindung zwischen dem Vorder-rheintal mit Disentis und dem Oberwallis ausgerichtet. Dann aber löst es sich von Disentis das eine schwere Krise erlebt, und wird um 1230 herum eine selbständige Reichsvogtei unter den Rapperswilern45. Die Frage, wer die Öffnung der Schöllenen wirklich durchgeführt hat ist mit den verschiedensten Vermutungen beantwortet worden. Aus der Ferne mögen die Zähringer oder die Staufer diese Verkehrsmöglichkeit bemerkt haben. An Ort und Stelle Werden sich eher die Rapperswiler als Herren von Göschcnen und die verschiedenen kleinen Adelsgeschlechter aus dem Oberwallis und dem Berner Oberland darum bemüht haben. Sie waren ja im Zuge der Walserwanderung um 1200 ins Urseren- und Oberrheintal eingedrungen und hatten schließlich auch enge besitzmäßige und familiäre Beziehungen zu Uri angeknüpft46. Obschon genaue Nachrichten fehlen, kann doch kein Zweifel darüber bestehen, daß die Paßöffnung mit der durch sie veranlaßten Entstehung eines umfassenden Säumer- und Sustwesens, beträchtlichen Einnahmen daraus und dem raschen Zufluß verschiedenster Nachrichten aus aller Welt große Einflüsse und Wandlungen in wirtschaftlicher, sozialer und auch geistiger Hinsicht mit sich brachte. F.wernli, Nochmals Hochgerichtsbarkeit in Uri.o.J. (1953); Meyer, Entstehung, S. 182; P.KLÄÜI, Bildung und Auflösung der Grundherrschaft im Lande Uri. " Gute Übersicht über die Frage der Gotthardöffnung bei Meyer, Entstehung, S. 166ff. K.Meyer war von seiner Dissertation an stets der Ansicht, der Gotthardpaß bzw. die Schöllenen seien um die Mitte des 12. Jahrhunderts geöffnet worden, doch sind die Indizien, auf die er sich stützt (Lcnzburger Reichsvogtei über Uri, Blenio und Leventina, Gründung von Luzcrn etwa 1178) zu unsicher im Vergleich zu den Fakten. K.Meyer, Blenio und Leventina von Barbarossa bis Heinrieh VII., Luzern 1911; K.Meyer, Aufsätze und Reden, Zürich 1952, S.3ff., 179ff.; Meyer, Luzern, S. 191fr". Die auf die ersten Nachrichten vom Paßverkehr gestutzte Ansicht von einer Paßöffnung etwa zwischen 1200 und 1230 vertreten Schulte, Handel 1, S. 169ff.; R.Laur-Belart, Studien zur Eröffnungsgeschichte des Gotthardpasses, Zürich 1924; F.Güterbock, Wann wurde die Gotthardroute erschlossen? ZSG 19, 1939, S. 121ff. Vgl. weiter E. Gruber, Sankt Gotthard, Hospiz und Kult, Gfr 92,1937; F. Stähelin, Die Schweiz in römischer Zeit, 3. A., Basel 1948, S.379; J. escher-Bürkli, Von der alten Gotthardstraße, Zürich 1935; A. Kocher, Der alte St. Gotthardweg, Hist. Nbl Uri 1949/50. " I. Müller, Die Wanderung der Walser Uber Furka-Oberalp und ihr Einfluß auf den Gotthardweg, ZSG 16,1936, S.387ff. I. müller, Zur Besiedlung der Gotthardtäler, Gfr 111,1958; I. Müller, Disentiscr Klostcrgeschichtc 1, S.121ff.; I. Müller, Der Paßverkehr über Furka-Oberalp um 1200, BWG 10, 1950, S. 401 ff. Vermutung, daß die Rapperswiler schon früher in Urseren einrückten, bei P. Kläui, Bildung und Auflösung der Grundherrschaft im Lande Uri, S.23. "Zähringer: H. Büttner, Zur politischen Erfassung der fnnerschweiz, S. 511 ff. - Staufen K. Weller, Zur Organisation des Reichsgutes in der spätem Stauferzeit, Festschrift Dietrich Schäfer jena 1915, S.211fT. - Rapperswiler: meyer, Ursprung, S. 621, Anm. 15, - Walser: Vgl. Anm. 45 u. P.Kläui, Die Meieräintcr der Fraumünsrerabtei in Uri, Hist.Nbl Uri 1955/56, S.ii ff. Für die weitere Entwicklung der Reichsfreiheit der Innerschweiz sollte die 1232 durchgeführte Teilung im Hause Habsburg zwischen der älteren Linie und der jüngeren von Habsburg-Laufenburg, die zu langen Streitigkeiten Anlaß gab, und der 1239 wieder aufflackernde Kampf zwischen Kaiser und Papst entscheidend werden. In Schwyz und Unterwaiden übte Rudolf III. von Habsburg-Laufenburg, der Schweigsame, die landgräfliche Gewalt aus. Er schlug sich 1239 auf die päpstliche Seite, worauf der Kaiser Ende 1240 in einer vor Faenza ausgestellten Urkunde die Leute von Schwyz ans Reich nahm. Da sich die Schwyzer selbst gegen Rudolf von Habsburg-LauFcnburg erhoben und der Kaiser fast gleichzeitig mit diesem Freibrief sich stark um die Sicherung der kaiserlichen Herrschaft über die südliche Zufahrt zum Gotthard bemühte, gingen hier offensichtlich lokales Interesse und kaiserliche Politik Hand in Hand. Eine örtliche Unzufriedenheit mit der Herrschaft wurde vom Kaiser zum weitern Ausbau seiner Stellung an der Nordseite des Gotthards ausgenützt. Auch die Obwaldner beteiligten sich an der schwyzerischen Erhebung gegen Habsburg-Laufenburg, ohne indessen damit Erfolg zu haben. Möglicherweise hat bei diesen Vorgängen der junge Rudolf IV. von der altern habsburgischen Linie seine Hände im Spiel gehabt, um die feindliche jüngere Linie zu schädigen. Er galt ja damals in seiner Staufertreue als ein ausgesprochener Freund der Reichsfreien. Man denke nur an seine Zusammenarbeit mit den Zürchern gegen die Freiherren der Umgebung von Zürich47. Der schwyzerische Erfolg war aber nicht von langer Dauer. Rudolf der Schweigsame wechselte schon bald die Partei, und wenige Jahre später befand sich auch Schwyz wieder in seiner Gewalt. Allerdings erhob es sich schon 1247 ein zweites Mal mit Obwalden zusammen, als Rudolf, der Laufenburger, wieder zu den Päpstlichen hinüberschwenkte. Uri und Nidwaiden hielten sich in diesen Jahren zusammen mit Luzern auf die päpstliche Seite. Bei Uri mag das Interesse an der Offenhaltung des neuen internationalen Handelsweges und der Wille, die erreichte reichsfreie Position durch päpstliche Eingriffe nicht zu gefährden, mitgespielt haben, bei Nidwaiden die Gegnerschaft gegen Obwalden. Überhaupt scheint es damals in der Innerschweiz, wie überall, starke lokale Gegensätze und Fehden gegeben zu haben, die in der Gestalt des Kampfes zwischen Kaiser und Papst neu auflebten. Wenn dann in der einen Talschaft die Päpstlichen, in der andern die Kaiserlichen obenaufschwangen, spielten diese örtlichen Gegensätze wesentlich mit. Der Kampf zwischen Kaiserlichen und Päpstlichen hatte 1239/40 von Italien her gerade erst den unmittelbaren Nordabsatz der Gotthardstraße berührt. 1245 weitete er sich nach der Bestätigung des Bannes über den Kaiser durch das Konzil von Lyon auf ganz Deutschland aus und so auch auf das ganze Gebiet der heutigen Schweiz. Die Reichsstädte Bern mit den umliegenden kleineren burgundischen Reichsfesten, Zürich, Schaffhausen und Konstanz kämpften zusammen mit einigen staufisch gesinnten Adligen und Rudolf, dem spätem Konig, gegen die Bischöfe und Äbte der Gegend sowie gegen die Kyburger und Habsburg-Laufenburger. Schwyz und Obwalden schlossen sich ihnen an. Es kam zu einer Belagerung " Zur Teilung vgl. Anm.35. - Schwyz: Text: QW I, 1, Nr.422; Oechsli, Anfänge, S.252ff.; Meyer, Ursprung, S. 359 ff.; meyer, Entstehung, S. 170. - Obwalden: Oechsli, Anfänge, S. 265 ff.; Meyer, Ursprung, S.359ff., 376fT.; Meyer, Entstehung, S.170ff. K.Meyer ist der Ansicht, Obwalden hätte mit Schwyz auch schon ein Privileg erhalten, da in Obwalden die gleiche Situation vorlag und Obwalden sich 1309 von Heinrich VII. einen Freibriefseiner Amtsvorgänger bestätigen ließ. Sicherheit besteht also nicht, doch die Vermutung spricht gegen ein Privileg für die Obwaldner von 1240. Ägidius Tschudi, Chronicon 1, S.135, behauptet zudem, die von Uri und Unterwalden hätten 1240 wörtlich gleiche Privilegien erhalten wie Schwyz. Heinrich VII. war jedoch 1309 kaum in der Lage, eine allfällige Behauptung der Obwaldner, sie hätten schon früher Privilegien erhalten, auf ihre Richtigkeit zu prüfen. - B.Meyer, Studien zum habsburg. Hausrecht III, ZSG 27, 1947, S.57L, Anm. 28, 29. Vgl. S. 207. 178 die entstehung der eidgenossenschaft Luzerns durch die ganze kaiserliche Gruppe. Denn Luzern, das als Schlüssel zum Gotthard große Bedeutung hatte, unterstand der Herrschaft des Klosters Murbach und der Vogtei Habsburg-Laufenburg und war zudem innerlich in eine päpstliche und eine kaiserliche Partei gespalten. Diese Kämpfe klangen aber nach dem Tode Kaiser Friedrichs H. 1250 allmählich aus48. 1252 herrschte im großen und ganzen wieder Friede. Die Reichsfreien die ihren Herrn, den Kaiser, verloren hatten, mußten sich wohl oder übel unter den Mächtigen der Gegend einen Schirmherrn suchen, so lange wenigstens, als ein Kaiser fehlte Bern nahm den Grafen von Savoyen als Schirmer, Zürich den Grafen von Habsburg als Helfer, und so erklärt es sich wohl auch, daß wir in den folgenden Jahren Rudolf, den spätem König, als Schiedsrichter über die Fehde der Familien Izzeli und Gruoba im reichsfreien Uri antreffen49. Schwyz und Obwalden anerkannten erneut die Herrschaft von Habsburg-Laufenburg, die allerdings infolge der Verschuldung des Hauses schwach war. Schließlich trat der junge Eberhard von Habsburg-Laufenburg nach seiner Vermählung mit der letzten Kyburgerin 1283 zur Deckung seiner Schulden u.a. auch Schwyz und ganz Unterwaiden an seinen Onkel Rudolf IV. ab. So wurde der spätere König der faktische Alleinherrscher in der Innerschweiz. 1273 zog er aus dem rapperswilerischen Erbe auch noch die Reichs-vogtei Urseren an sich und vervollständigte damit die schon 1273 erlangte Herrschaft über den Nordzugang des Gotthards noch bis zur Paßhöhe hinauF0. Uber die Beziehungen zwischen den Waldstätten und König Rudolf ist nur spurenweise etwas zu vernehmen. Den Urnern garantierte er 1274 die alte Reichsfreiheit, während er das Privileg der Schwyzer, das der von der Kirche gebannte Friedrich II. verliehen hatte, offenbar nicht bestätigte. Er sicherte ihnen jedoch vor 1282 zu, daß ihre Prozesse nur vom Richter des Tales oder dann vom König selbst oder seinen Söhnen entschieden werden sollten. 1289 befanden sich Schwyzer im Heere des Königs in Burgund, wo sie sich bei der Belagerung von Besancon auszeichneten. 1291, einige Monate vor seinem Tode, gewährteer Schwyz schließlich noch das Vorrecht, daß keine Unfreien über sie richten sollten51. In den beiden Ländern führten eingesessene Ammänner ziemlich selbständig die Verwaltung. Am wenigsten weit war diese selbständige Entwicklung in Ob- und Nidwaiden gediehen, die erst im Bundesbrief von 1291 eindeutig als Talgenossenschaften auftraten und die Reichsfreiheit bis dahin nicht erlangt hatten. Habsburgische oder Reichsbeamte griffen in Schwyz und Uri nur gelegentlich ein. So 1275 zur Schlichtung von Streitigkeiten Uris mit dem Kloster Engelberg um Weiden jenseits der urnerischen Wasserscheide und gegen die widerrechtlicheBesteuerung dcsZisterzienserinnenklostersSteinen durch dasLandSchwyz". Man erhält daraus den Gesamteindruck friedlicher Beziehungen zwischen dem König und den Waldstätten, bei denen immerhin gewisse Reibungen nicht fehlten. Das Vorrecht, nicht vor fremde Gerichte gezogen zu werden, verlieh Rudolf zahlreichen Reichs- und auch habs-burgisehen Landstädten, jedoch meistens in Verbindung mit der Einsetzung seiner habs-burgischen Ministerialen als Richter. Wir dürfen deshalb aus der Zusicherung von 1291, '■ Vgl. Anm.47; Oechsli, Anfänge, S.261ff.j Meyer, Ursprung, S.367ff. Er ist S.373 der Ansicht, nur die Obwaldner, nicht aber die Schwyzer, hätten sich zwischen 1240 und 1270 nochmals den Habsburg-Laufenburgern unterworfen. Die einzige Queltenstelle, QW I, 1, Nr. 552, nennt jedoch Schwyz und Obwalden gemeinsam, - Meyer, Luzern, S.255ff. "Feller, Bern, 1, S.43ff.; O.Redlich, Rudolf von Habsburg, S.88; vgl. Anro,43; Oechsli, Anfänge, S.278. - Izzeli und Gruoba, vgl. S. 132. " Vgl. Anin.35; Oechsli, Anfänge, S.280ff.; Meyer, Ursprung, S,398ff., 633ff.; O.Redlich, Rudolf von Habsburg, S. 124ff.; Schulte, Handel 1, S. 169ff. " QW I, 1, Nr.1112, 1360, 1596 u. die dort verzeichnete Lit. 51 QW I, 1, Nr. 1650, 1176, 1155 u. die dort verzeichnete Lit. von den anfängen bis zum bundesbrief von 1291 179 keine unfreien Richter zu verwenden, schließen, daß er auch in Schwyz solche Versuche unternommen, aber wegen der Widerstände der führenden Schwyzer Familien wieder aufgegeben hatte53. Die Übergriffe gegen die Klöster Steinen und Engelberg sind charakteristische Symptome für die zunehmende Festigung der Talgenossenschaften, die keine Ausnahmen von ihrer Gewalt in ihrem Gebiet mehr dulden wollten. Ähnliches ereignete sich damals auch in Städten und Territorien nicht selten54. Widerstände gegen die in stetem Ausbau befindliche habsburgische Reichs- und Territorialverwaltung waren also offensichtlich vorhanden. Dem entspricht es auch, daß sich Schwyz und Uri einige Monate nach dem Tode König Rudolfs, im Oktober 1291, mit Zürich verbanden. Damit schlossen sie sich der habsburgfeindlichen Erhebung an, die alle Reichsunmittelbaren von Bern bis Konstanz und zahlreiche Dynasten, u.a. auch Habsburg-Laufenburg, umfaßte55. Wenige Tage nach dem Tode des Königs ist jener berühmte Bund zwischen Uri, Schwyz und Unterwaiden entstanden, der gemeinhin als die Gründungsurkunde der Eidgenossenschaft gilt. Er beruht auf einem Gedanken, der sich in den unruhigen Zeiten seit 1239 bei uns stark verbreitete, nachdem er im städtereichen Italien, wo die Kaiser selten erschienen, und in Südfrankreich schon gut hundert Jahre früher gewirkt hatte: Infolge des Fehlens eines allgemein anerkannten Herrschers und damit einer allgemeinen, von oben gesicherten Friedensordnung, deren besonders die Städte und ihr Handel bedurften, begann man zur Friedenssicherung durch Vertrag, zu sog. Landfriedensbündnissen zu greifen56. Dies geschah nicht nur zwischen verschiedenen Städten, sondern auch innerhalb der Städte, wo häufig ein von der ganzen Stadtbewohnerschaft beschworener Brief an die Stelle eines vom Stadtherrn erlassenen Stadtrechtes trat57. Im Gebiete der heutigen Schweiz tauchen solche Bündnisse seit den zwanziger Jahren des 13.Jahrhunderts auf und nehmen seit den vierziger Jahren an Häufigkeit rasch zu. Auch darin macht sich der Kampf zwischen Kaiser und Papst bemerkbar58. In Burgund sind neben manchen andern die Verträge zwischen Bern und Freiburg und ihren gemeinsamen Nachbarn hervorzuheben. Bern und Freiburg hatten sich schon zur Zeit der zähringischen Herrschaft vor 1218 im Einverständnis mit dem Herzog verbündet. Sie erneuerten den Vertrag 1243 und auch später wieder. Einmal ging es, wie in allen diesen Verträgen, darum, die Rechtsbeztehungen zwischen den Bürgern der Vertragsparteien zu regeln, namentlich im Hinblick auf den Handel. Schutz vor gegenseitiger willkürlicher Schädigung und Pfändung sowie Regelung des Gerichtsstandes und Schuldwesens, dann etwa Abmachungen über den Zoll und anderes mehr ist ihnen allen gemeinsam. Neben solchen vorwiegend zivilrechtlichen Bestimmungen findet man häufig auch Abmachungen über gegenseitigen Schutz gegen innere oder äußere Störung und Angriffe und den Verzicht auf andere Bündnisse ohne Einverständnis des Vertragspartners. Sehr bezeichnend ist die Bestimmung von 1243, die Bern und Freiburg gegen Streitigkeiten zwischen ihren Herren schützen sollte. Waren sie beim ersten Bündnis noch beide unter zähringischer Herrschaft gewesen, so stand Bern 1243 beim Reich, Freiburg aber unter den Kyburgern. " H.Nabholz, Die neueste Forschung Uber die Entstehung der Eidgenossenschaft, in: Papsttum und Kaisertum, Festschrift p.kehr, München 1926, S.543ff.; meyer, Entstehung, S.204ff. " G. v. Below, Die Entstehung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, ZSG 3, 1923, S.1298"., bes. 147f. " QW I, 1, Nr. 1689. Vgl. S. 184f. " Vgl. die Einleitung zu B. Meyer, Die Sorge für den Landfrieden in der werdenden Eidgenossenschaft, Affoltern 1935. K.S.Bader, Probleme des Landfriedensschutzes im mittelalterlichen Schwaben, Ztsehr.f.württemb.Landesgesch. 3, 1939, S.lff. " Geschworener Brief von Luzern 1252, geschworener Brief von Zürich 1336ff. usw. " K.S. Bader, Eidgenossenschaften in der Rechtsgeschichte, Vortragsreferat, NZZ Nr. 3197, 14.12.1954; Geschichte der Schweiz 1, S. 81 ff. 180 DIE ENTSTEHUNG DER EIDGENOSSENSCHAFT VON DEN ANFANGEN BIS ZUM BUNDESBRIEF VON 1291 181 Der gemeinsame Kontakt war also geblieben, hingegen mußte man nun Schwierigkeiten wegen der verschiedenen Herren befürchten. Die Städte verpflichteten sich darum, Streitie-keiten ihrer Herren nach Möglichkeit zu schlichten. War dem kein Erfolg beschieden so sollte doch die eine Stadt die andere erst nach Ankündigung und einer Wartefrist von 14 Tagen angreifen. Gerade diese Stelle zeigt die Konflikte, die sich aus der Vielfalt der Herr-Schäften ergeben konnten und die zeitweise auch in den Waldstätten bestanden. In der Grenzzone zwischen savoyischem und habsburgischem Einfluß entwickelte sich so unter den Reichsunmittelbaren ein vorerst behelfsmäßiges Vertragssystem, das die Gegensätze mildern sollte. Zwar zerfielen diese Bündnisse in den wechselnden Kämpfen und Parteiungen der Zeit immer wieder, doch alle paar Jahrzehnte griff man wieder auf sie zurück, wenn die Lage es gerade erlaubte. Ganz allmählich entstanden dataus engere Bindungen, aus denen das immer mächtiger werdende Bern im 14,Jahrhundert dann eine Art burgundischer Eidgenossenschaft zusammenfügte59. Ähnliche Bestimmungen findet man auch in der um die Mitte des 13Jahrhunderts einsetzenden Bündnisbewegung der deutschen Städte am Rhein und in Süddeutschland, die ihren Einfluß schließlich bis Zürich und St. Gallen ausübte. Hier überwog gegenüber dem in Burgund üblichen zweiseitigen das mehrgliedrige Bündnis. Mit allen diesen Bündnissen griffen die Städte zur Selbsthilfe, da die durch ihre großen Kämpfe abgehaltene Reichsgewalt und zum Teil auch die Landesherren ihren besondern Bedürfnissen nicht gerecht werden konnten60. Solche Bündnisse zum Schutz des regionalen Friedens wurden von Habsburg nicht unterdrückt, sondern Rudolf erklärte als König ausdrücklich, sie anerkennen zu wollen41. Zu diesen weitverbreiteten Landfriedensbündnissen gehört nun zeitlich und inhaltlich auch das erste, im vollständigen Text uns bekannte Bündnis der Waldstätte von 1291. Anfang August schlossen es die beiden reichsunmittelbaren Talschaften Uri und Schwyz mit Nidwaldcn, während Obwalden sich ihnen wahrscheinlich wenig später anschloß. Nur gut vierzehn Tage nach dem Tode Rudolfs von Habsburg in Speyer entstanden, war es offensichtlich zur Sicherung des lokalen Friedens in einer Zeit bestimmt, in der aller Voraussicht nach die Reichsgewalt umstritten und damit der Friede und vor allem die Reichsunmittelbaren gefährdet sein würden, so wie es bei Bern in den Jahren des Interregnums gewesen war"'. ■" H. Nabholz, Die Bundesbriefe von Bern, Freiburg und Murten des 13.Jahrhunderts, Festschrift R. Durrer, Gfr 82, Stans 1928; H. Strahm, Der älteste schweizerische Buudesbrief, BZG 1944, S.35ff.; B.Meyer, Die Sorge für den Landfrieden, Affoltern 1935, S.50ff.; Feller, Bern 1, S.40; J.-J.joho, Histoire des relalions entre Berne et Fribourg, S.47ff., 55fl'., 68ff. " H. Nabholz, Der Zusammenhang der eidgenössischen Bünde mit der gleichzeitigen deutschen BUndnispolitik, Festschrift G. Meyer v. Knonau, Zürich 1913, S. 261 ff.; B. Meyer, Die Sorge für den Landfrieden, S. 35ff. Vgl. Anm. 59. H. Fehr, Thesen als Grundlage für eine Aussprache über den Bund der Urkantone von 1291, ZSG 9, 1929, S. 335 ff. "Text: QW I, 1, Nr. 1681 mit gutem Kommentar des Herausgebers T. SchieSS. Vgl. auch Nabholz-Kläui, Quellenbuch, S. lff. - Ob das Bündnis von 1291 in seinem Grundcharakter ein Landfriedensbündnis sei oder ein ausgesprochener Abwehrbund gegen einen politischen Gegner, nämlich Habsburg, bildete in den letzten Jahrzehnten eine Hauptfrage der Forschung. - E. M. Lich-nowsky, Geschichte des Hauses Habsburg 1, Wien 1836, S. 64; F. schweizer, JSG 10, 1885; P.Schweizer, Turicensia 1891; Dierauer, I, 4.A., S. 89ff.; H. Bresslau, JSG 20, 1895; Geschichte der Schweiz i, S. 120ff.; H. Fehr, Thesen, ZSG 9, 1929, S. 335ff.; L. Kern, Nores pour servir i un debat sur le pacte de 1291, ZSG 9, 1929, S. 34011'.; T. SChiess, ZSG 11, 1931, S. 154ff.; Th. Mayer, DA 6, 1943, DA 7, 1944; B. Meyer, Entstehung, S. 188; H. Steinacker, Die Habsburger und der Ursprung der Eidgenossenschaft, MIOF.G 61, 1953, um nur die wichtigsten Autoren zu nennen, vertreten die Ansicht, es liege ein Landfriedensbündnis ohne eindeutige außenpolitische Das Bündnis enthält u.a. Bestimmungen über gegenseitige Hilfe gegen Gewalttat in und außerhalb der Länder, über die Schlichtung von Streitigkeiten zwischen den Ländern und über den Gerichtsstand sowie gegen Fehde, Brandstiftung, Raub, Schädigung und willkürliche Pfändung63. Der schuldige Gehorsam derjenigen, die sich durch Eid auf das Bündnis verpflichten, gegen ihre Herren, also z.B. von Unfreien gegen ihre Grund- und Leibherren, vyird ausdrücklich vorbehalten und bewahrt. Aus dieser konservativen Bestimmung geht unverkennbar hervor, daß die alten Bindungen der Unfreiheit ins Wanken geraten waren. Sonst hätte man sie nicht ausdrücklich schützen müssen64. Das Bündnis soll ewig dauern, was allerdings vielleicht nicht mehr bedeutet, als daß seine Geltungsdauer nicht durch einen bestimmten Termin begrenzt ist65. Die zivil- und strafrechtlichen Bestimmungen des Bundes übertreffen ähnliche Verträge ganz wesentlich an Ausführlichkeit und Entschiedenheit. Ja, er steht in dieser Beziehung innerstädtischen Friedenseinungen, namentlich dem sog. geschworenen Brief von Luzern, näher als den uns bekannten zwischenstädtischen Bünden66. Man erhält so den Eindruck eines engen, aber durchaus konservativen Bündnisses. In der Einleitung der Urkunde wird erwähnt, sie stelle die Erneuerung eines älteren Bündnisses dar67. Wahrscheinlich haben sich fast alle erwähnten Bestimmungen schon im älteren Bündnis befunden. 1291 ist in der Hauptsache wohl nur mehr der kurze, aber wichtige Abschnitt beigefügt worden, in dem sich die Bundesgenossen verpflichten, keine Richter, d.h. Ammänner, anzunehmen, die ihr Amt mit Geld erwerben oder nicht im Lande ansässig sind. Dieser sog. Richterartikel läßt, sozusagen als einziger, eine Abwehr gegen Eingriffe Zielsetzung oder doch nur mit beschränkter Zielsetzung vor. - Oechsli, Anfänge, S.304ff.; W. Oechslt, JSG 42,1917, S.92ff., und verschärft K.Meyer, in allen seinen Arbeiten, vor allem in: Zur Interpretation des Bundesbriefes von 1291, ZSG 10, 1930; Meyer, Ursprung, S.285ff„ vertreten dagegen die Ansicht, das Bündnis von 1291 sei vor allem und in erster Linie ein Abwehrbund gegen Habsburg, ja sozusagen der Gründungsakt der schweizerischen Eidgenossenschaft. Die Ansichten K.Meyers werden auch von F.WErnli, Die Wahrung des Friedens in den Bundesbriefen der Urkantone Zürich 1958, F.wernli, Studien zur mittelalterlichen Verfassungsgeschichte, H. 1-5, Zürich 1959-1968, vertreten. Zu dieser Richtung ist auch das merkwürdige, zwischen einigen guten Beobachtungen und viel wilder Phantastik schwankende Buch von W. ab Hohlenstein, Ur-schweizer Bundesbrief 1291, Schwarzenbach 1956, zu rechnen. - Der Autor dieses Kapitels schließt sich im wesentlichen der Auffassung von einem Landfriedensbündnis mit beschränkter politischer Zielsetzung an, da der Wortlaut der zeitgenössischen Quellen ihm keine andere Möglichkeit zu erlauben scheint. Zur Forschungslage in neuerer Zeit vgl. Meyer, Entstehung, S.153ff. Für Einzelheiten vgl. das Folgende. - Bereits die Lesung und Interpretation des Einleitungssatzes des Bündnisses ist zwischen den beiden Richtungen umstritten. Vgl. H. Nabholz, SZG 6,1956, S. 218 ff., und F.Wernli, Die Wahrung des Friedens in den Bundesbriefen der Urkantone, Zürich 1958, S. lff. Man kann allerdings bezweifeln, ob man schon aus den Lesarten pacta, bzw. peracta den weitreichenden Schluß ziehen darf, es handle sich um ein Landfriedens- bzw. Abwehrbündnis. " Die im folgenden angegebenen Nummern sind diejenigen der einzelnen Sätze des Textes nach QW I, 1, Nr. 1681. 1. In Anbetracht der Arglist der Zeit geloben sich die Leute von Uri, Schwyz, Nidwaiden gegenseitige Hilfe gegen Gewalt und Unrecht innerhalb und außerhalb der Täler mit allen Mitteln und allem Können, und zwar in eigenen Kosten, 5. Zwist unter den Verbündeten sollen die angesehensten und weisesten Männer zu schlichten versuchen. Gemeinsames Vorgehen 6. gegen Todschlag, 7. gegen Brandstiftung, 8. gegen Raub, 9. Pfandergreifung und Verhaftung ist nur gegenüber dem Schuldner und seinen Bürgen und nur mit Zustimmung des Richters erlaubt. 10. Jeder soll seinem Richter gehorsam sein. Für aus Ungehorsam entstehenden Schaden ist der Fehlbare haftbar. 11. Wenn bei Streit oder Zwietracht die eine Partei sich einer rechtlichen Beilegung widersetzt, sollen die Unbeteiligten auf die Seite der andern Partei treten. " 3. Jedermann soll entsprechend seinem Stande seinem Herrn die schuldigen Dienste erweisen. " 12. Die Abmachungen sollen ewig dauern. Vgl. dazu L. Kern, ZSG 9, 1929, S. 340ff. "K.S.Bader, Eidgenossenschaften in der Rechtsgeschichte, NZZ, Nr. 3197, 14.12.1954; B. Meyer, Die ältesten eidgenössischen Bünde, S. 28ff., 51ff.; Luzerner Text: QW I, 1, Nr. 667. " 2, Dabei erneuern sie den Wortlaut eines frühern Bündnisses (antiquam confederationis formam) durch das gegenwärtige. 182 die entstehung der eidgenossenschaft von den anfangen bis zum bundesbrief von 1291 183 von außen spüren68. Dem Bündnis von 1291 ging also ein früheres voran, das ausschließlich Vorschriften zum Schutz des innern Friedens der Waldstätte enthielt, demnach ein reines Landfriedensbündnis war69. Wir wissen nicht, wann es geschlossen wurde. In den letzten Jahrzehnten ist sehr viel Scharfsinn darauf verwendet worden, das Datum durch Indizienbeweis herauszufinden. War man früher geneigt, es in die Zeit der Kämpfe zwischen Kaiser und Papst 1239 bis 1250 anzusetzen, so wird seine Entstehungszeit heute eher im Interregnum gesucht. Die Zeit unmittelbar nach dem Tode Friedrichs H, also etwa 1252, hat etwas für sich. Doch es sind auch spätere Zeitpunkte, wie 1273, mit guten Gründen vertreten worden. Man wird die Frage nie mit Sicherheit beantworten können und sich damit bescheiden müssen, daß das älteste Bündnis der Waldstätte zwischen 1239 und 1291 geschlossen worden ist™. Wesentlicher ist die Frage nach den Personen und Ereignissen, die diese beiden ersten Bünde entstehen ließen. Die zahlreichen zivil- und strafrechtlichen Bestimmungen sind offensichtlich, wie in den vielen andern Schwurverbänden jener Zeit, aus dem Bedürfnis nach Friede und Ordnung in den unruhigen Verhältnissen des Kampfes zwischen Kaiser und Papst hervorgegangen, was gerade auch für den Paßverkehr wichtig war. Diese Kämpfe hatten in der Innerschweiz bis in die Dörfer hinein gewütet und den Anlaß zu großen Fehden gegeben, wie jener zwischen den Sippen der Izzeli und Gruoba 1257/58 in Uri. 1291 nach dem Tode König Rudolfs war ein erneuter Ausbruch solcher Unruhen zu befürchten11. Anderes erklärt sich aus der damaligen Zusammensetzung der innerschweizerischen Bevölkerung. Als Schwurbünde, die von jedem Mitglied der Talgenossenschaften persönlich beschworen wurden, beruhten sie formell auf der Gesamtheit der Talbewohner. Diese Talbewohner - Gebirgsbauern und Hirten - besaßen ein starkes, eigenartiges, kriegerisches und fremdenfeindliches Brauchtum, das sie gegen Einflüsse aus der Ebene ablehnend machte. Davon wird im Abschnitt über die chronikalische Tradition noch mehr die Rede sein. Eine solche Grundstimmung war für einen Zusammenschluß gegen Eingriffe von außen, wie sie im Richterartikel spürbar sind, günstig12. " 4. Wir anerkennen keinen Richter, der sein Amt erkauft hat oder der nicht unser Landmann ist. Daß dieser Abschnitt später eingeschoben wurde, hat H. Bresslau dargelegt in: Das älteste Bündnis der Schweizer Urtantone, JSG 20, 1895, S. 3 ff. Er geht von der Beobachtung aus, daß der ganze Bundestext von 1291 objektiv C3. Person plural) gefaßt ist mit der einzigen Ausnahme des sog. Richterartikels, der subjektiv (1. Person phirat) lautet, und deshalb wahrscheinlich ein späterer Zusatz ist. Völlige Sicherheit besteht indessen auch hier nicht, da der Schreiber des Bundesbriefes offensichtlich flüchtig und ungeschickt ist, der Wechsel der Person also auch auf bloße Flüchtigkeit zurückgehen könnte, wie L. Kern, ZSG 9, 1929, S. 340ff., zeigt. Zur Bedeutung dieses sog. Richterartikels vgl. T.Schiess, Der Richterartikel des Bundesbriefes, ZSG 11, 1931, S.154ff.; Meyer, Ursprung, S.492. - Weitere Teile des Bundestextes faßt B.Meyer, Die Sorge für den Landfrieden, Affoltern 1935, S. 157ff., ebenfalls als Zutaten von 1291 auf. " Vgl. Anm. 62. " Vgl. Meyer, Entstehung, S. 178 ff. Im Gefolge von I.E.KOPP, Urkunden, zur Geschichte der eidgenössischen Bünde, Luzern 1835, S.3, setzen Oechsli, Anfänge, S.272, und Dierauer 1, S.83, das Bündnis in die Zeit von 1245 bis 1252. H.Bresslau, JSG 20, 1895, S.35L, hat dagegen gezeigt, daß die Zeit des Interregnums und die erste Königszeit Rudolfs wahrscheinlicher sind. R. Durrer, Die Einheit Unterwaldens, JSG 35, 1910, S.27, setzte den ersten Bund in die Jahre 1240/42. Ihm folgte anfänglich K. Meyer, Aufsätze und Reden, Zürich 1952, S. 9; K. Meyer, Der älteste Schweizerbund, ZSG 4,1924, S. 56, dachte dann an die Zeit kurz vor 1291. K. Meyer, MHVS 36, 1929, S. 162ff., ging auf die Zeit nach 1264 oder 1273 über. Meyer, Ursprung, S.294H'., datierte den Bund schließlich mit Bestimmtheit auf den Sommer 1273. Geschichte der Schweiz 1, S. 122, führt 1252 und 1273 als die wahrscheinlichsten Zeitpunkte an. b. Meyer, Die ältesten eidgenössischen Bunde, S. 51ff., befürwortet 1252. " Fehden Izzeli-Gruoba, QW I, 1, Nr. 825, 833. " Vgl. S. 196. Oft ist in diesem Zusammenhang auch großes Gewicht auf die uralte Freiheit der Innerschweizer gelegt worden, doch hat man deren Bedeutung zweifellos überschätzt. Das zahlenmäßige Verhältnis von Freien und Unfreien in den Waldstätten und die verschiedenen Abstufungen unter ihnen übersieht man nicht ganz klar. Sicher ist aber, daß im 13.Jahrhundert die Freien und die nahezu Freien, wie z.B. die Gotteshausleute der Abtei Zürich in Uri, die große Mehrheit bildeten. Teilweise mag diese Freiheit jahrhundertealt gewesen sein. Teilweise war sie jedoch bestimmt jüngeren Ursprungs. Die Emanzipation von der Unfreiheit, die in der Innerschweiz um die Wende vom 14. zum 15.Jahrhundert ihren Abschluß erreichte, war zur Zeit der ältesten Bünde in vollem Gang13. Die eigentliche Verantwortung für diese ersten Bünde lag jedoch ganz deutlich bei der kleinen Schicht führender Personen und Familien, die an der Spitze der innerschweizerischen Talschaften stand und in den Quellen allein handelnd und bestimmend in Erscheinung tritt. Sie setzte sich aus einigen wenigen ansässigen Dynasten- und Ministerialenfamilien mit großem Grundbesitz zusammen, wie z.B. den Attinghusen und Meier von Silenen in Uri, den Rittern von Malters und den Schrutan von Winkelried in Unterwaiden und aus einer Gruppe von reichen und angesehenen Bauernfamilien, wie z. B. den Ab Yberg und Stauffacher in Schwyz, den Schüpfer und Fürst in Uri und den von Wolfenschießen und Ödisriet in Unterwaiden und anderen mehr. Diese Leute, von denen wir Arnold, den Meier von Silenen, und Konrad Ab Yberg als Landammänner von Uri und Schwyz, Werner von Attinghusen, Burkhard Schüpfer und Konrad, den Meier von Erstfeld, aus Uri, und Rudolf Stauffacher und Konrad Hunn von Schwyz als weitere Genannte im Vertrag mit Zürich vom Oktober 1291 kennenlernen, waren zweifellos auch beim Bundesschluß vom August 1291 entscheidend. Unterwaiden dürften etwa Heinrich von Malters, Heintich Schrutan, Walter von Wolfenschießen und andere vertreten haben14. Sie waren mit der Reichsfreiheit und den unruhigen Jahren zum Zuge gekommen und strebten nun danach, ihre besitzmäßige und politische Machtstellung im Lande auszubauen. Ihr Grundbesitz und die dazugehörigen Unfreien waren ebensosehr wie derjenige auswärtiger Adliger und Klöster durch die Unruhen und die Emanzipation der Unfreien gefährdet. Der Vorbehalt des Gehorsams der Unfreien gegen ihre Herren im Bundestext war also vor allem im Interesse dieser Leute. Andrerseits bildete der Grundbesitz wehrloser geistlicher Stiftungen, wie etwa des Fraumünsters in Zürich, und derjenige auswärtiger Adliger für sie die beste Gelegenheit zur Erweiterung ihres eigenen Besitzes. Diese Gelegenheit haben sie offenbar kräftig ausgenützt. Es heißt z.B. in einem Bericht von 1310, die mächtigen Herren Uris zahlten für die Lehen der Fraumünsterabtei in Zürich keinen Zins mehr. Um die Mitte des H.Jahrhunderts war schon ein guter Teil des fremden Grundbesitzes in den Waldstätten durch Entfremdung und Kauf verschwunden. Eine derartige Machtstellung weniger Familien beruhte darauf, daß der König, wie bisher, Talammänner aus ihren Kreisen berief und sie gewähren ließ, nicht aber etwa habsburgische Herrschaftsbeamte an ihrer Statt als Richter einsetzte. Der 1291 hinzugekommene Richterartikel ist nun die offensichtliche Abwehrreaktion gegen einen solchen Versuch Habsburgs, gleich wie das Richterprivileg König Rudolfs für Schwyz von 128275. " Meyer, Entstehung, S. 172 ff. Vgl. Anm. 29/32. Meyer, Ursprung, S.293, Anm. 12, S. 577/78, betrachtet die Freiheit der Innerschweizer als frühmittelalterlich oder noch älter. - f.kläui, Bildung und Auflösung der Grundherrschaft im Lande Uri. " Oechsli, Anfänge, S.295ff.; A.Gloggner, Die Mitwirkung des Adels bei der Gründung und Festigung der Eidgenossenschaft, Bern 1941. T.Graf, Die Bedeutung des Adels in Nidwaiden vor 1291, BGN 20,1952, Wichtige Erkenntnisse zu dieser Frage vermittelt P.kläui, Die Meierämter der Fraumünsterabtei in Uri, Hist.Nbl. Uri 1955; P. Kläui, Bildung und Auflösung der Grundherrschaft im Lande Uri. " Vgl. Anm. 51,53,68,74. 184 die entstehung der eidgenossenschaft vom tode könig rudolfs bis morgarten 185 Die Fremdenfeindlichkeit der Bewohner und die persönlichen Interessen ihrer Anführer haben zur Abwehr gegen die moderne, straffere Territorialverwaltung geführt, wie sie damals König Rudolf in Haus- und Reichsgut aufbaute. Diese Abwehr erklärt es auch, daß sich Uri und Schwyz im Herbst 1291 der Schar der Reichsunmittelbaren anschlossen die sich nach Rudolfs Tod gegen Habsburg erhob. So hatten es ja Schwyz und Obwalden schon 1240 und 1247 getan76. Im Bunde von 1291 hat so der konservative Wille der Waldstätte sich gegen innere Unruhen in der kommenden königslosen Zeit zu schützen und neue Eingriffe von außen abzuwehren, einen besonders stark formulierten Ausdruck gefunden. Das entsprach sicher dem Bedürfnis der gesamten Bevölkerung, doch ebensosehr den persönlichen Herrschaftsinteressen der in den Talschaften führenden Familien. Die meisten der damals so zahlreichen Bündnisse und Eidgenossenschaften sind allmählich wieder verschwunden, und niemand konnte wissen, daß gerade dieses innerschweizerische Bündnis besonders lange dauern und zum Kern eines eigentlichen Staatswesens werden würde. Die Gründungsurkunde der heutigen Eidgenossenschaft ist sie also eigentlich nicht gewesen. vom tode konig rudolfs bis morgarten Nach dem Tode König Rudolfs zeigte sich bei den Kurfürsten bald ein entschiedener Widerstand gegen die Wahl seines Sohnes Albrecht zum König, da sie die erbliche Festsetzung des allzu mächtig gewordenen Hauses Habsburg auf dem Königsthrone verhindern wollten. Aber auch in den eigentlichen habsburgischen Herrschaftsgebieten, im südlichen Schwaben, in Kärnten und Steiermark brach der Aufstand gegen Habsburg aus. Solche Unruhen nach dem Tode eines Herrschers kamen indessen nicht selten vor, und es wäre verfehlt, in den Vorgängen von 1291 etwas Außerordentliches sehen zu wollen. Man benützte den günstigen Augenblick, um lästigen Zwang abzuwerfen, ergab sich jedoch einem Nachfolger, der zeigte, daß er sich durchzusetzen vermochte, verhältnismäßig rasch. Im Westen waren es vor allem die während Rudolfs Königsherrschaft geschädigten Dynasten sowie die Reichsstädte und Reichsländer, die sich aus der Furcht, in den Nachfolgewirren ihre selbständige Stellung noch völlig an die Habsburger zu verlieren, erhoben. Der Anfuhrer war Bischof Rudolf von Konstanz aus dem Hause Habsburg-Laufenburg, das von Rudolf ständig ausgenützt worden war. Abt Wilhelm von St. Gallen aus der Familie der Montfort ergriff die Gelegenheit, um in sein Kloster zurückzukehren, aus dem ihn Rudolf gewaltsam vertrieben hatte. Der Witwe Elisabeth von Homberg-Rapperswil, der unter anderen auch die in der Innerschweiz gelegenen Rechte der Rapperswiler gehörten, hatte Rudolf einen Teil ihrer Besitzungen weggenommen. Ihnen schlossen sich der Graf von Neuenbürg und auch die Grafen von Savoyen, die alten Konkurrenten Habsburgs in Burgund, an. Zu diesen Dynasten kamen die Reichsstädte Zürich und Bern, die schon 1240 dabei gewesen waren, und Luzern, das an der eben erst mit dem Kauf von 1291 aufgerichteten habsburgischen Herrschaft keine Freude fand. Endlich folgten im Herbst 1291 noch Schwyz und Uri. Zum größten Teil waren es also die Anhänger der Staufer von 1240, deren wachsende, vom Grafen Rudolf von Habsburg einst selbst geförderte Selbständigkeit und Macht der König Rudolf dann wieder einzuschränken versucht hatte77. "Meyer, Entstehung, S.187, u. Anm.71. Meyer, Ursprung, S.503ff.; Oechsli, Anfänge, S.314rT. Vgl. Anm.80. " O,Redlich, Rudolf von Habsburg, S.729ff., 737f.; Hessel, Jahrbücher, S. 24ff.; Oechsli, Anfänge, S.308ff.; Meyer, Entstehung, S. 186 ff,; Meyer, Ursprung, S.508ff. Es ist bezeichnend für diese unruhige Situation, daß Bern sich, wie schon 1250, wieder in den Schirm Savoyens begab, solange kein neuer König ins Land käme. Zürich ließ seine Bürger schwören, nur denjenigen als König anzuerkennen, den auch die Gesamtbürgergemeinde als solchen anerkennen würde78. Die übrigen Adligen, Städte und Länder im Südwesten des Reiches blieben ruhig. In Steiermark und Kärnten erhob sich der Adel mit Unterstützung des Bischofs von Salzburg, und es soll auch zu direkten Kontakten zwischen den Aufständischen im Osten und im Westen gekommen sein. Herzog Albrecht warf jedoch den östlichen Aufstand rasch nieder und gewann die Besiegten durch kluges Entgegenkommen bald für sich7'. Dann wandte er sich nach Westen, wo die Königswahl im Gange war. Inzwischen hatten aber die Kurfürsten den niederrheinischen Grafen Adolf von Nassau zum König gewählt, da sie in ihm ein gefügiges Werkzeug, namentlich auch gegen Habsburg, gefunden zu haben glaubten. Als Albrecht dies erfuhr, schwenkte er nach Süden in seine Herrschaftsgebiete ab. Ende Mai 1292 erschien er im Gebiete der Schweiz, und der Aufstand brach zusammen. Noch im April hatten die Zürcher das österreichische Winter-thur angegriffen, aber eine schwere Niederlage erlitten. Luzern unterwarf sich, Bern und Savoyen hielten sich zurück. Zürich wurde vom Herzog zwar vergeblich belagert, doch die Neuenbürg und Wil fielen. Im August schlossen der Bischof von Konstanz und Zürich Frieden mit dem Herzog. Auch hier folgte dem raschen Zugriff ein ausgesprochen milder Friede. Zwischen Habsburg und der Innerschweiz scheint allerdings der latente Kriegszustand mit Blockademaßnahmen Habsburgs und gelegentlichen Raubzügen der Innerschweizer ins Flachland noch einige Zeit weitergedauert zu haben80. Nachdem die Gebiete im Südwesten auf diese Weise einigermaßen beruhigt und gesichert waren, zog Albrecht König Adolf nach Hagenau entgegen, huldigte ihm, empfing seine Lehen und lieferte die auf der Kyburg verwahrten Reichskleinodien aus. Dies bedeutete allerdings nur einen vorläufigen Waffenstillstand. Im Februar kam auch Adolf ins Gebiet der Schweiz, wo er die Vorrechte von Zürich, Bern und Konstanz bestätigte. Anschließend ließ er sich in St. Gallen den Treueid schwören. Von einer Bestätigung der innerschweizerischen Privilegien ist jedoch nirgends die Rede. Wir wissen nicht, ob die Länder Uri und Schwyz wegen der noch andauernden Feindschaft gegen Habsburg nicht beim König erscheinen konnten oder ob Adolf eine Bestätigung dieser Urkunden vermied, damit sein Streit mit Albrecht nicht sofort wieder ausbreche81. Im folgenden Jahr 1294 setzte die Landsgemeinde von Schwyz Bestimmungen fest, die in der Hauptsache den Zweck hatten, den Übergang von Grund und Boden an Klöster zu verhindern und die Klöster im eigenen Land zur Steuerzahlung zu verpflichten. Es sind Dinge, die damals die Städte allgemein erstrebten, und Albrecht hat als Landesherr wie auch später als König in seinen Städteprivilegien das Landkaufsverbot für die Geistlichkeit immer wieder bestätigt. Denn die Geistlichkeit zahlte im allgemeinen keine Steuern und anerkannte die weltliche Gerichtshoheit nicht. Deshalb bedeutete ihr Landerwerb einen wesentlichen Verlust an Hoheitsrechten für die Städte und indirekt auch für den Fürsten. Ist das Landkaufsverbot also an sich nicht besonders auffällig, so sticht doch der Steuerzwang und die Tatsache, daß die Schwyzer ihn von sich aus festsetzten, in die Augen. Die zunehmende Eigenmächtigkeit ist nicht zu verkennen82. " QW i, 2, Nr. 1679, 1682. " Hessel, Jahrbücher, S.28ff. " Hessel, Jahrbücher, S.34ff.; Oechsli, Anfänge, S.312fl".; Meyer, Ursprung, S.521ff.; meyer, Entstehung, S.187; F.Wernli, Die Wahrung des Friedens in den Bundesbriefen der Urkantone, Zürich 1958, S.15ff. " Hessel, Jahrbücher, S.36; R.Durrer, in: Schweiz. Kriegsgeschichte 1, S.64f.; Geschichte der Schweiz 1, S. 124; Meyer, Ursprung, S.521ff. " Hessel, Jahrbücher, S.197, 213; QW I, 2, Nr.89; B.Meyer, Die ältesten Bünde, S.66, zeigt, 186 die entstehung der eidgenossenschaft Von 1294 an bereiteten Adolf und Albrecht sich immer mehr für eine gegenseitige Auseinandersetzung vor. Für Adolf wandten sich jedoch die Dinge 1296 zum Schlechten. Viele Parteigänger fielen von ihm ab, da er sich mit dem Versuch, eine eigene große Hausmacht in Mittel- und Ostdeutschland aufzubauen, bei einigen Kurfürsten unbeliebt gemacht hatte Albrecht dagegen gewann geschickt neue Anhänger und arbeitete auch mit König Philipp dem Schönen von Frankreich zusammen. Im Herbst 1297 erwartete Adolf bereits einen Angriff Albrechts und hatte ein Heer von Habsburg-Gegnern bei sich versammelt, zu dem u.a. auch die Laufenburgcr, Montfort und der Abt von St.Gallen gehörten. Die gewaltsame Auseinandersetzung war nur noch eine Frage der Zeit. Erst in dieser ausgesprochen habs-burgfeindlichen Umgebung und angesichts der drohenden Entscheidung hat Adolf die Reichsfreiheit der Schwyzer und Urner offen anerkannt. Sein Freibrief für Schwyz lautete gleich wie 1240. Vom Urnerbrief haben wir keine sichere Kunde83. Doch war mit den Urkunden für die Waldstätte nicht viel erreicht, weil Adolf schon nach wenigen Monaten in der Entscheidungsschlacht gegen Albrecht bei Göllheim fiel. Einige Wochen nach Göllheim wurde Albrecht zum König gekrönt. Aus den zehn Jahren seiner Königsherrschaft wissen wir wenig über die Innerschweiz und ihre Beziehungen zum König. Im ganzen scheinen friedliche Zustände geherrscht zu haben. Güterkäufe und andere Geschäfte spielten sich reibungslos ab. Die gleichen Leute und Familien wie bisher standen an der Spitze der Länder. Albrecht bestätigte zwar die alten Privilegien offenbar nicht, doch verkehrte er direkt ohne Zwischenbeamte mit den Landammännern von Uri und Schwyz. Er suchte sie von einer Besteuerung der Besitzungen des Klosters Wettingen in Uri und des Frauenklösterleins Steinen in Schwyz abzuhalten. Das Rechtsverhältnis zwischen Uri, Schwyz und dem König ist also unklar, ja wurde vielleicht von beiden Seiten in unklarer Schwebe gelassen, um keine Unruhe zu stiften und die Zeit wirken zu lassen. Unterwaiden hat in jenen Jahren allmählich eine etwas festere Form gefunden. Zu Beginn des M.Jahrhunderts ist nicht mehr bloß von den beiden Kirch- und Gerichtsgemeinden zu Samen und Stans die Rede, sondern von einem Land Unterwaiden mit Rudolf von Ödisriet als Landammann84. Daß Albrecht sich, wie schon sein Vater, auch um den ertragreichen Gotthardzoll bekümmerte, zeigt die 1299 von ihm angeordnete Verlegung des Zolls der Herren von Chä-lons-Arlay aus Jougne im Jura an der Straße Lausanne-Besancon nach Luzern. Wir wissen allerdings nicht, ob damit etwa ein vergeblicher Versuch, den Italienhandel der Westschweiz auf die Gotthardstraße hinüberzuziehen, oder lediglich irgendeine Entschädigung des mit Albrecht verwandten Herrn von Chälons-Arlay verbunden war85. In den letzten Jahren von Albrechts Regierung setzte eine umfassende und überaus genaue Inventarisierung aller habs-burgischen Einkünfte und Rechte in unsern Gegenden ein, wie es damals allgemein Brauch wurde. Das berühmte habsburgische Urbar entstand, das für die finanztüchtige Regierungsweise Rudolfs und Albrechts typisch und für uns als historische Quelle sehr wertvoll ist. Es führt jedoch leider nur bis an die Grenzen der Innerschweiz und nicht in sie hinein, obschon die Habsburger auch dort viele Rechte besessen hatten. Wahrscheinlich enthielt das Urbar auch einen die Waldstätte betreffenden Teil, der nach 1415 von den Eidgenossen bei der Eroberung von Baden und des dort liegenden österreichischen Archivs zerstört wurde. Immerhin ist in einem 1307 entstandenen Abschnitt des Urbars über verlorengegangene, daß dieses Verbot von 1294 eine Neuerung und nicht die Wiederaufnahme älterer Satzungen ist. Vgl. Anm.51. " Hessel, Jahrbücher, S.39ff., 47ff.; Oechsli, Anfänge, S.317f,; QW I, 2, Nr.159. "oechsli, Anfänge, S.319ff.; Meyer, Ursprung, S.531; R.Durrer, in: Schweiz. Kriegsgeschichte 1, S.65f.; R.Durrer, Artikel Unterwaiden, in: HBLS 7, S. 128ff. ■■ QW I, 2, Nr. 217. vom tode konig rudolfs bis morgarten 187 aber wiederherzustellende Rechte ausdrücklich von den Schwyzer Gütern auf Einsiedler Boden die Rede. Es wird bemerkt, die Schwyzer hätten zum Nachteil des Klosters und seiner Leute Alpen in Besitz genommen, aus deren Ertrag die Klosterleute 30 Pfund mehr Steuer geben könnten, welche nun der habsburgischen Kastvogtei entgingen80. Die bis ins ^.Jahrhundert zurückreichende Schädigung des Klosters, die für Habsburg eine Einnahmenminderung darstellte, wurde also vermerkt für den Fall, daß sich einmal eine Gelegenheit zur Wiederherstellung bieten sollte. Und in der Tat müssen zu Beginn des 14.Jahrhunderts die Schwyzer Übergriffe und Besetzungen von Land und Höfen auf Einsiedler Boden wieder neu begonnen haben, vielleicht 1308 als Reaktion auf die Nachricht vom Tode Albrechts. Sie brachen bis 1311 nicht mehr ab. Hier reifte der Konflikt heran, der schließlich 1315 die große Auseinandersetzung um die habsburgischen Rechte in der Innerschweiz überhaupt auslösen sollte. Am 1. Mai 1308 ist Albrecht von seinem Neffen Johannes, dem der Onkel das Erbe nicht herausgeben wollte, und von einigen Freiherren der Ostschweiz bei Königsfelden ermordet worden, ohne daß der König die innerschweizerischen Fragen einer Lösung hätte zuführen können81. Nach seinem Tode sehen wir die Innerschweiz wieder in gespanntem Verhältnis zu Habsburg, ja in einem mottenden Kleinkrieg. Es ist begreiflich, wenn der Nachfolger, Heinrich VII. von Luxemburg, diese Lage nach Kräften ausnützte. Zum dritten Mal seit 1273 wählten die Kurfürsten 1308 in dem Grafen von Luxemburg einen kleineren Dynasten zum König, in der Hoffnung, er werde nicht zu selbständig. Und zum dritten Mal sollten sie enttäuscht werden. Denn auch er hat in einer eigenartigen Mischung von romantisch aufgefaßter großer Reichspolitik und sehr gewandter Diplomatie verstanden, sich in Böhmen eine Hausmacht aufzubauen. Zwar versprach er unmittelbar nach seiner Krönung, alle Rechte der Söhne Albrechts, der Herzöge Leopold und Friedrich, zu bewahren. Doch als er im Juni 1309 nach Konstanz kam, bestätigte er die alten Freiheiten für Uri und Schwyz, die Albrecht nicht und Rudolf nur für Uri anerkannt hatte. Auch Unterwaiden erhielt nun die gleiche reichsrechtliche Stellung wie die beiden andern Länder. Alle drei befreite er zudem ausdrücklich von jedem auswärtigen Gerichte außer seinem eigenen und demjenigen eines Reichspflegers oder Reichsvogtes, der über die drei Waldstätte gesetzt werden sollte98. Für dieses Amt bestimmte er Graf Werner von Homberg, den Erben des Rapperswiler Besitzes in der Innerschweiz, dessen Mutter sich 1291 an der Erhebung gegen Habsburg beteiligt hatte89. In der Folge erhielt der Homberger die angestammte Reichsvogtei über Urseren und die Leventina und die Hälfte des wertvollen Zolles zu Flüelen, der wohl vom österreichischen zu Luzern abgetrennt wurde. So ließ hier Heinrich Vü. unter Graf Werner die Paßherrschaft neu erstehen, die schon Rudolf von Habsburg aufgebaut hatte. Eine derartige Machtstellung mußte allerdings früher oder später den Widerstand der in den Ländern führenden Geschlechter hervorrufen90. Auf diese Weise war nicht nur zum ersten Mal die Freiheit aller drei Länder, sondern auch ihre Zusammengehörigkeit in reichsrechtlicher Form anerkannt. Ähnlich hatte Heinrich VII. " QW I, 2, Nr,426; Habsburgisches Urbar II, 1, S. 475; Oechsli, Anfänge, S.326f.; R,durrer, in: Schweiz. Kriegsgeschichte 1, S. 68. Vgl, oben S. 168, Anm. 27. " Hessel, Jahrbücher, S. 222 9".; B. meyer, Studien zum habsburgischen Hausrecht, I, Die Ermordung Albrechts in Windisch, ZSG 25, 1945, S. 153 ff. •« QW I, 2, Nr. 479/81. " QW I, 2, Nr. 483. *° Die andere Hälfte des Zolles von Flüelen ging an Johann von Habsburg-Laufenburg, den Halbbruder Werners von Homberg. QW I, 2, Nr. 661; K. Meyer, Blenio und Leventina, S. 233ff.; P.Kläui, Bildung und Auflösung der Grundherrschaft im Lande Uri, Gfr 1, S.14ff. Anders MOMM-sen, Eidgenossen, S,142f, Die Frage des Zolles von Flüelen ist noch in vielen Punkten unklar. 188 die entstehung der eidgenossenschaft vom tode könig rudolfs bis morgarten 189 schon vorher Berns Privilegien reichlich bestätigt. Doch er verpfändete all das kleine Reichsgut in Berns Umgebung an verschiedene Adelsfamilien der Gegend und schadete damit Bern eigentlich mehr, als er ihm nützte. Indem er Habsburg die Verfolgung der Königsmörder erlaubte, gestattete er ihm auch die Einziehung der Besitzungen dieser kleinen Dynasten. Das bedeutete erneuten Verlust von Reichs- und Dynastenbesitz im Berner Oberland und an der Reuß". Als die habsburgischen Herzöge 1309 die Brechung der Schnabelburg auf dem Albis vorbereiteten, die dem Königsmörder Walter von Eschenbach gehörte, befürchteten sie einen Angriff Werner von Hombergs und der Waldstätte, Die Zürcher mußten sich verpflichten den Waldstätten in einem solchen Falle die Verpflegung zu sperren92. Der Kleinkrieg in der Innerschweiz dauerte also an, und auch zwischen den Waldstätten und dem österreichischen Luzern gab es stets wieder Mißhelligkeiten. Gegen Ende des Jahres kam wenigstens ein Friede der Waldstätte mit Luzern zustande, der offensichtlich zur Sicherung des Gotthardverkehrs bestimmt war9S. Die Herzoge von Österreich verfolgten jedoch mit großer Hartnäckigkeit das Ziel, die Waldstätte wieder in ihre Gewalt zu bekommen. Sie beteiligten sich am Romzug Heinrichs und erreichten 1311 vor Brescia, daß der König eine Untersuchung über die den Habsbur-gern zustehenden Rechte in den Waldstätten anordnete. Doch bis zum vorzeitigen Tode Heinrichs VII. im Jahre 1313 bei Siena geschah in der Sache nichts Entscheidendes mehr, obwohl sein Sohn, König Johann von Böhmen, noch im Sommer 1312 versprochen hatte, die Untersuchung zu beschleunigen94. Neben dieser Versteifung der juristischen Fronten -hier Reichsfreiheit, dort habsburgische Ansprüche - ging der Streit mit Einsiedeln mit zunehmender Heftigkeit weiter. Ein geistlicher Prozeß, den Einsiedeln anstrengte, führte schließlich zur Verhängung des Interdiktes über Schwyz95. Im März 1311 machten beide Parteien den Versuch, den Streit durch ein Schiedsgericht in Zürich aus der Welt zu schaffen. Die Klageschrift läßt erkennen, daß die Schwyzer seit Jahren immer wieder neu in klösterliches Gebiet eingedrungen waren, Heuschober ausraubten, Vieh wegführten, eigene Häuser errichteten, ihr Vieh weiden ließen und neue Marksteine setzten, kurz Schritt für Schritt das Gebiet in Besitz nahmen. Auf einer Wallfahrt nach Einsiedeln sollen sich die Schwyzer wild aufgeführt, gottesdienstliches Gerät entwendet und zuviel getrunken haben. Das Schiedsgericht befahl den Schwyzern die Rückgabe der Güter, doch Schwyz verweigerte das. Einsiedeln griff auf die Zürcher Bürgen des Schiedsvertrages zurück, und beinahe wäre es deswegen zum Streit zwischen Zürich und Schwyz gekommen. Schließlich unterwarfen sich die Schwyzer 1313 einem Schiedsentscheid des kaiserlichen Vertreters, Eberhard von Bürglen, und entschädigten die Zürcher, doch das Einsiedler Land gaben sie nicht mehr heraus9*. Ja, 1314 schlugen sie zurück, mit einem letzten großen Überfall auf das Kloster. Der nächtliche Überfall unter Führung des Landammanns Werner Stauffacher, die Gefangennahme der verängstigten Mönche, der Einbruch in Kirche und Kammern und der Raub aller möglichen Dinge, die überreichliche Erquickung am Klosterwein und die Wegführung der Gefangenen nach Schwyz sowie das dortige Leben sind mit einem Anflug unfreiwilligen Humors vom Schulmeister Rudolf von Radegg, der das selbst alles hatte mitmachen müssen, anschaulich geschildert worden. Es war eine formvollendete nächtliche Heimsuche- •■ Vgl. S, 220. " QW I, 2, Nr. 490. " QW I, 2, Nr. 512; Meyer, Luzern, S. 366, 581, Anm. 12. " QW i, 2, Nr.598, 642; mommsen, Eidgenossen, S.108. *' QW I, 2, Nr. 499, 552. " QW i, 2, Nr. 578, 579, 600, 610, 676, 696. Fehde, wie sie dem damaligen Brauchtum und Recht der Innerschweiz entsprach97. Offenbar befürchtete man in den Waldstätten und besonders in Schwyz schon seit einigen Jahren wegen dieser Streitigkeiten einen Angriff Habsburgs. Denn seit 1310 wurden da und dort, auf der Altmatt beim heutigen Rothenturm, bei Arth und am Ufer des Vierwaldstättersees, Mauern (Letzinen), Gräben und Palisaden errichtet, und so auch in Unterwaiden, z. B. bei Stansstad99. Die schlicßliche gewaltsame Auseinandersetzung mit Habsburg ist jedoch nur vor dem Hintergrund des Thronstreites von 1314/15 verständlich. Die Kurfürsten vermochten sich trotz langen Verhandlungen nicht zu einigen. Die habsburgische Partei wählte Herzog Friedrich den Schönen, hinter dem als treibende Kraft sein jüngerer und energischer Bruder Leopold stand. Die luxemburgische Partei erkor in Ermangelung eines geeigneten Luxemburgers Herzog Ludwig von Oberbayern99. Herzog Friedrich fand in Schwaben offene Aufnahme. In Zürich bestätigte er den meisten Reichsunmittelbaren ihre Privilegien. Schon vorher hatte er Werner von Homberg alle seine Rechte bestätigt. Dieser hatte die bisherige Opposition seiner Familie gegen Habsburg verlassen. Bei seinem Frontwechsel hat zweifellos die Abneigung der großen innerschweizerischen Geschlechter, namentlich der Attinghusen, gegen diesen Konkurrenten in Grundherrschaft und Zollrechten mitgespielt. Die Waldstätte allein blieben habsburgfeindlich und erhielten dementsprechend freundliche Briefe des Bayern, mit der Aufforderung durchzuhalten, bis er ihnen helfen könne. Friedrich der Schöne aber belegte sie mit der Reichsacht und hat sie wohl kurzweg als habsburgischen Besitz beansprucht, Ludwig hob zwar diese Acht wieder auf, vermochte jedoch nichts Wirksames zu tun. Der Kleinkrieg belebte sich von neuem. Gotthardstraße und Luzerner Markt waren gesperrt. Die Luzerner griffen die Ufer der Waldstätte von Schiffen aus an, und sowohl im Gebiete des Urnerbodens am Klausenpaß wie auch am Brünig kam es zu Plänkeleien. Im Sommer 1315 bereitete Herzog Leopold, der neben der blassen Erscheinung König Friedrichs das eigentliche Haupt Habsburgs war, die gewaltsame Durchsetzung der Reichsacht und der Anerkennung des habsburgischen Königtums in den Waldstätten vor. Nach einer Verzögerung des Unternehmens durch einen Feldzug in Schwaben kam es dann im November zur Durchführung100. Herzog Leopold griff mit der Hauptmacht von Zug her an, Graf Otto von Straßberg aus dem Berner Oberland gegen den Brünig, also auf zwei Fronten mit dem Schwerpunkt gegen Schwyz und einer Ablenkung gegen das mit Schwyz verbündete Unterwaiden. Die Schwyzer scheinen den Angriff vorerst bei Arth erwartet, aber dann noch rechtzeitig erfahren zu haben, daß der Herzog den noch nicht gesperrten Weg durch das Tal des Ägerisees wählte. Am frühen Morgen des 15. Novembers kam es südlich des obern Endes des Ägerisees und weit südlich des heutigen Schlachtendenkmales zur berühmten Schlacht am Morgarten, dort wo der sumpfige Talgrund durch die Figlenfluh abgeschlossen wird. Unsere Kenntnisse der Schlacht sind recht mangelhaft. Das Zahlenverhältnis scheint etwa zwei- bis dreitausend " QW I, 2, Nr. 699, teilweise gedruckt in: Gfr 10, 1854, S. 205/26; B. Meyer, Friede und Fehde im ältesten Bunde der Waldstätte, Melanges Charles Gilliard, Lausanne 1944, S.205rT.; Wackernagel, Freiheitskämpfe, SAV 46, 1950, S.67rT., u. in: Altes Volkstum der Schweiz; A.Riggenbach, Der Marchenstreit zwischen Schwyz und Einsiedeln und die Entstehung der Eidgenossenschaft, Zürich 1965. Vgl. S. 196, »" R. Durrer in: Schweiz. Kriegsgeschichte 1, S. 72ff. " Bock, Reichsidee, S.147fF., der trotz gelegentlichen zeitbedingten Übersteigerungen eine gute Übersicht über das Zeitalter Ludwigs des Bayern bietet. Vortrefflich ist: mommsen, Eidgenossen, passim. QW I, 2, Nr.747ff., 756, 758, 769, 775, 778, 785fT., 788/800. Oechsli, Anfänge, S.338ff. Vgl. Anm. 98. 190 die entstehung der eidgenossenschaft vom tode könig rudolfs bis morgarten 191 Mann auf österreichischer Seite gegen tausend auf schwyzerischer gewesen zu sein. Die Schwyzer hatten Zuzug von ihren Verbündeten erhalten. Was die Schlacht so plötzlich entschied, sind die typischen Eigenschaften fast aller frühen eidgenössischen Schlachten, nämlich Unterschätzung der bergbäuerlichen Kampftüchtigkeit durch die Ritter, Ausnützung der bessern Geländekenntnis der Schwyzer zur Überrumpelung des Gegners und wildwütiges Dreinschlagen der lediglich mit Hellebarden bewaffneten Eidgenossen. Von Wegsperren in einem Hohlweg her, die den Vormarsch aufhielten, erfolgte der Angriff frontal und gleichzeitig von den Seiten und vor allem vom östlichen Hange her. Eine bei Wart aufgestellte Vorhut stieß der langen Reiterkolonne in die Flanke. Der plötzliche Steinhagel der Vorhut brachte Verwirrung unter die Pferde auf dem Weg zwischen Berg und sumpfigem Talboden, Der sofort nachfolgende stürmische Angriff nützte dies aus. Die seitwärts und rückwärts ausweichenden Reiter gerieten in den Sumpf oder brachten Verwirrung in die eigene Kolonne. Weitere Stöße mögen Leute des rückwärts stehenden österreichischen Fußvolkes in den See getrieben haben. Ein beträchtlicher Teil des österreichischen Heeres kam um. Die andern, so auch der Herzog, entrannen mit knapper Not. Der Vorstoß Otto von Straßbergs nach Obwalden war nach anfänglichen Erfolgen zurückgeschlagen und der Angreifer bis gegen Interlaken hin verfolgt worden101. Im österreichisch gesinnten Flachland empfand man das Ereignis als eine Katastrophe, wie wir aus dem Zeugnis des Franziskaners Johannes von Winterthur wissen, der als kleiner Knabe und Sohn eines Teilnehmers an der Schlacht die Ankunft des entmutigten und erschöpften Herzogs in Winterthur erlebte. In den Waldstätten aber beging man von nun an feierlich den Jahrestag der Schlacht und empfand den Sieg als göttliche Gnade102. Drei Wochen später, am 9. Dezember 1315, wurde der Bund von 1291 erneuert. Die neue Fassung ist eine nahezu wörtliche Übersetzung des lateinisch abgefaßten Briefes von 1291 ins Deutsche, doch mit einigen wenigen wesentlichen Erweiterungen: Keines der drei Länder soll ohne Zustimmung der andern einen Herrn anerkennen. Keines soll ohne die andern irgendwelche Verhandlungen mit auswärtigen Mächten pflegen oder mit ihnen Verträge schließen. Wer diese Bestimmungen übertritt oder gar verräterische Beziehungen anknüpft, soll Leib und Gut verlieren. Die alte Garantie bestehender grund- und leibherrlicher Rechte wurde nun auch wieder übernommen, aber gegenüber solchen Herren, die die Länder mit Gewalt angreifen, bis zu einem Friedensschluß ausdrücklich aufgehoben. Hier tritt die gemeinsame Opposition gegen Habsburg erstmals ganz eindeutig hervor. Aus einer internen Friedensordnung des Interregnums ist in der stets weitergehenden Auseinandersetzung mit drei Generationen von Habsburgern, Rudolf, Albrecht, Friedrich und Leopold, schließlich ein betonter Abwehrbund gegen Habsburg geworden103. Im März 1316 fanden diese Ereignisse auch bei König Ludwig von Bayern ihr Echo. Er anerkannte in umfassender Weise alle Rechte und Privilegien der Eidgenossen und erklärte die Besitzungen der Herzoge von Österreich im Gebiet der drei Waldstätte für konfisziert und an das Reich gefallen, weil die Herzoge Majestätsverbrecher seien104. 101 Zur Schlacht gibt heute die beste Übersicht, welche Streitfragen und Lit. sorgfältig berücksichtigt, C. Amgwerd, Die Schlacht und das Schlachtfeld am Morgarten, MHVS 49, 1951, und B. Meyer, Die Schlacht am Morgarten, SZG 16, 1966; QW I, 2, Nr. 803. Vgl. auch N.Halder, in: Festgabe Otto Mittler, Aarau 1960, S. 299ff. 102 Für Morgarcens Bewertung im größern politischen und kriegsgeschichtlichen Zusammenhang vgl. E. Dürr, Die Bedeutung der Schlacht bei Morgarten, ASG 15,1917, S. 157ff.; R. Henggeler, Das Schlachtcnjahrzeit der Eidgenossen, QSG, NF ii, 3, Basel 1940, S.8, 64ff., 198; Die Chronik Johanns von Winterthur, hg. v. F. Baethgen, Berlin 1924, S. 80. QW I, 2, Nr.B07, 865; B.Meyer, Die ältesten eidgenössischen Bünde, S.95f.; Meyer, Entstehung, S.190; nabholz-kläui, Quellenbuch, S.5. QW I, 2, Nr. 830, 832. Herzog Leopold verfolgte jedoch sein Ziel auch jetzt noch hartnäckig und traf immer wieder neue Vorbereitungen für einen Feldzug ins «Gebirge». Der Kleinkrieg dauerte an mit Vorstößen der Schwyzer ins Gaster und der Unterwaldner gegen das Berner Oberland105. Pie Waldstätte hingegen suchten ihre Positionen nach allen Seiten auszubauen. Mit Thun schlossen sie einen lokalen Frieden. In Urseren wurde der österreichisch gesinnte Ammann Heinrich von Hospental in Übereinstimmung mit König Ludwig 1317 durch Konrad von Moos ersetzt, der die Reichsvogtei erhielt. Damit war auch hier eine der mächtigen, führenden Familien Uris zur Herrschaft gekommen. Dieselbe Funktion erhielt Konrad von Moos der Form nach in der Leventina. Schon um 1290 hatten die Urner einen Aufstand in der Leventina gegen Mailand unterstützt, und seitdem kam es alle paar Jahre wieder zu neuen Vorstößen der Urner, erst mit Hilfe Heinrichs VII., nun mit Unterstützung Ludwigs des Bayern, bis zu dem großen Einfall der Waldstätte von 1331. Er endete mit einem Schiedsspruch des Johannes von Attinghusen von Uri und des Franchino Rusca, des Beherrschers von Como, über die hängigen Zoll- und Grenzstreitigkeiten. Die Moossche Reichsvogtei in der Leventina scheint also mehr Anspruch als Wirklichkeit gewesen zu sein, doch in der ganzen Tendenz kommt schon sehr deutlich das große paßpolitische Interesse der Waldstätte am Südzugang des Gotthards zum Ausdruck108. Wahrscheinlich, weil es Ludwig mißlang, gegen Südwesten hin vorzudringen, schlossen die sich selbst überlassenen Waldstättc mit Österreich 1318 einen Waffenstillstand, der alle paar Jahre wieder erneuert wurde; doch brachen die Vorbereitungen und Bemühungen Habsburgs um eine Rückgewinnung der Waldstätte nie ganz ab107. Von 1322 an, als König Friedrich in der Schlacht bei Mühldorf unterlag und in die Gefangenschaft König Ludwigs des Bayern geriet, fanden die Waldstätte in unsern Gegenden wieder mehr Rückhalt. Bern näherte sich Ludwig dem Bayern und knüpfte auch die alten Beziehungen mit den Waldstätten 1323 in einem vorsichtig verklausulierten, kurzfristigen Bündnis wieder an. Diese Wendung Berns zu Ludwig und zu den Waldstätten hin erklärt sich daraus, daß es damals gegen den Willen Habsburgs das kyburgische Thun kaufte und immer mehr ins vorwiegend habsburgische Berner Oberland ausgriff, 1323 anerkannten die drei Länder den Grafen Johann von Aarberg als vom König gesetzten Landvogt und Nachfolger Werner von Hombergs. Sie behielten sich aber, wohl nach den Erfahrungen mit dem Homberger, ihre Befreiung von fremden Gerichten ausdrücklich vor. 1324 forderte König Ludwig die Waldstätte geradezu auf, den Waffenstillstand mit Österreich zu kündigen. Gleichzeitig bestätigte und verschärfte er noch sein Urteil über die österreichischen Rechte in den Waldstätten von 1316. Leopold dagegen ließ sich bei Verhandlungen mit König Karl IV. von Frankreich für den Fall, daß dieser zum deutschen König gewählt würde, die Rückgabe von Schwyz und Unterwaiden zusichern. Wie unsicher die Lage der Waldstätte trotz allem blieb, zeigt sich daran, daß Ludwig die Waldstätte 1326, unmittelbar nach seiner Aussöhnung mit Österreich, ein erstes Mal preisgab und Friedrich der Schöne Uri und anderes Reichsgut seinem Bruder Leopold verpfänden konnte. Wohl um sich gegen solche Wechselwirkungen des Thronstreites zu sichern, traten die Waldstätte durch Vermittlung von Zürich und Bern 1327 dem großen Landfriedensbündnis der Reichsstädte bei. Im selben Jahr, zu Beginn seines Romzuges, bestätigte Ludwig in Como nochmals die Freiheiten der Innerschweizer, weil er den Gotthardpaß für seine Truppen brauchte, und nahm sie bei seiner Rückkehr im "' Vgl. u.a. QW I, 2, Nr.926, 953, 954; Winteler, Glarus 1, S.88; Feller, Bern 1, S.109f. Vgl. Anm. 106. QW 1,2, Nr. 875, 876,906, 908/09, 1458, 1584. Vgl. Mommsen, Eidgenossen, S.173, Anm. 270. QW I, 2, Nr. 937. Vgl. Anm. 105. 192 die entstehung der eidgenossenschaft vom tode könig rudolfs bis morgarten 193 Juni 1329 in Pavia gegen Übergriffe eines Reichsvogts in Schutz108. Mit dem Tode des Gegenkönigs Friedrich im Januar 1330 schwand der Gegensatz zwischen Ludwig und Habsburg wieder, und damit auch für einige Zeit Ludwigs Interesse an den Waldstätten. Im November wurde erneut über die Stellung der Waldstätte zu Habsburg verhandelt. Noch einmal bestätigte Ludwig 1331 die Freiheiten, doch hat er dann 1334 Schwyz und Untcrwalden wieder in aller Form den Herzogen von Österreich zugesprochen109. Das neue Zusammengehen von Kaiser und Österreich stellte die Rcichsfreiheit der Waldstätte in Frage, die weitgehend auf dein Gegensatz dieser beiden Mächte beruht hatte. Diese Lage erklärt es, daß sich in den folgenden Jahren die Verbindungen zwischen Kaiser und Eidgenossen lockerten - in den 1330er Jahren hören wir zum letzten Mal von einem Reichslandvogt der Waldstätte - und daß die Eidgenossen verschiedene neue und folgenschwere Bündnisse eingingen. So bieten uns die spärlichen sichern Nachrichten das Bild einer sehr allmählichen Entstehung der Waldstätte als eines verhältnismäßig selbständigen Gebildes innerhalb des Reiches, einer sog. Reichsvogtei, die schließlich praktisch ohne Reichsvogt bestand. Ein abgelegenes, vom Gebirge eingeschlossenes Gebiet war durch die Zunahme seiner Bevölkerung und die Eröffnung des Gotthardpasses für Kaiser, Zähringer und Habsburger interessant geworden. Diese trachteten deshalb einem allgemeinen Zug jener Zeit gemäß darnach, es straffer in die Hände zu bekommen. Die mit der Reichsfreiheit in den Ländern ans Ruder gelangten führenden Familien suchten aber ihre beherrschende Stellung zu verstärken und die auswärtigen Mächte auszuschalten. Und auch die von alters her an eine fernliegende, wenig intensive Herrschaft gewöhnte Bergbevölkerung mit ihrer kämpferischen, fremdenfeindlichen Hirten- und Bergbauernkultur war der neuen Herrschaftstechnik der Habsburger abgeneigt. Dieser Abneigung kamen die Ereignisse wesentlich zu Hilfe. Zuerst der Streit zwischen Guel-fen und Ghibellinen, dann die Konkurrenz zwischen den Königsfamilien Habsburg, Nassau, Luxemburg und Bayern verhinderten die Ausbildung fester Herrschaftsverhältnisse und konsequente, während Jahren fortgesetzte Unterwerfungsversuche, die den Waldstätten auf die Dauer vielleicht doch hätten gefährlich werden können. Eine geschickte Ausnützung der rasch wechselnden Machtverhältnisse ist den Waldstätten von den verschiedenen Königen geradezu aufgedrängt worden. Die Wirkungen des Wechselspieles sind ja auch daran deutlich zu erkennen, daß die Waldstätte immer dann Bünde unter sich oder mit andern schlossen, wenn ein König fehlte oder später ein Habsburger oder Habsburger-Freund König war und sie so keine Privilegien erhalten konnten. Die Bünde sind bis zu einem gewissen Grade der selbst hergestellte Ersatz für den fehlenden Königsschutz. Versuche einer raschen militärischen Überwältigung wie Morgarten scheiterten an der damals in Europa vom Norden bis ans Mittelmeer ganz allgemeinen militärischen Überlegenheit der Bergbevölkerungen innerhalb ihres angestammten Geländes. Das alles wurde verschärft durch die stetige Zunahme der Bevölkerung, der nur durch die gewaltsame Erwerbung benachbarten Landes und den Auszug der jungen Leute auf Kriegszüge, seien es solche in fremdem Dienst oder eigene, abgeholfen werden konnte. Bei dieser allmählichen, aus der Natur der Dinge sich ergebenden Entwicklung, die abgesehen vom schließlichcn Ergebnis nicht etwa einzigartig dasteht, sondern sich durchaus im Rahmen der damaligen Entwicklung mit ihrer fort- '•• QW I, 2, Nr.1166, 1175, 1198, 1199, 1217, 1377, 1378, 1382, 1469, 1572. - Wir wissen nicht, ob die Übergriffe von Reichslandvogt Johann von Aarberg oder von Albrccht von Werdenberg ausgingen. Feller, Bern 1, S.109ff. Vgl. auch SSR, Berner Stadtrechtc 3, S.73; MommseN, Eid-genossen, S. 108 ff. QW I, 2, Nr.1556,1, 3, Nr.58/64; bock, Reichsidee, S.221, Für das Folgende vgl. Mommsen, Eidgenossen, passim. I schreitenden Auflösung des Reiches in Territorien bewegt, kann man denn auch weder von f J291 noch von 1315 sagen, hier sei im Wortsinne die Eidgenossenschaft als eigener Staat l- gegründet worden. Denn dazu bedarf es vor allem des klaren Bewußtseins der eigenen b Besonderheit und Unabhängigkeit. Dieses hat sich aber erst in einer langen Auseinandersetzung mit den Ansprüchen Habsburgs und mit dem Gedanken des alles überwölbenden Reiches bis in die Neuzeit hinein ausgebildet. ■f die chronikalische überlieferung Hr Diesem Bilde, wie es die kritische Forschung der letzten hundert Jahre entwickelt hat, ■j steht auf den ersten Blick schroff das altbekannte Bild der Tradition gegenüber, wie es fp Schillers «Wilhelm Teil» in klassischer Form darstellt. Schillers Vorstellung läßt sich über B die großen Schweizer Geschichtsschreiber Johannes von Müller um 1800 und Ägidius Tschudi H im 16.Jahrhundert auf einige chronikalische Werke des 15.Jahrhunderts zurückführen. Diese Wg. selbst scheinen auch wieder ihre Vorläufer gehabt zu haben, doch sind solche nicht mehr JE vorhanden und nur noch vermutungsweise zu erschließen110. Ä Am Anfang der faßbaren Überlieferung stehen eine Stelle des Berner Chronisten Justinger, Ä dann Berichte des Zürcher Propstes Felix Hemmerli, weiter das nach seinem weißen Perga- ■M menteinband benannte Weiße Buch von Sarnen und das Tellenlied. Justinger schrieb um JK 1420, Hemmerli zur Zeit des Alten Zürichkrieges. Das Weiße Buch ist in der vorliegenden l|| Form etwa 1474 abgefaßt worden. Und auch das Teilenlied fällt in die zweite Hälfte des Ipt; 15.Jahrhundertsm. 8j; Justinger berichtet in seiner ruhigen, klaren Weise, Uri habe sich mit den unter habsbur-jflt gischer Herrschaft stehenden Ländern Schwyz und Unterwaiden verbunden. Es sei dann zu H langen Kriegen gegen Habsburg gekommen, da die habsburgischen Vögte neue Ansprüche JK über ihre alten Rechte hinaus stellten und mit den Frauen und Töchtern des Landes ihren it: Mutwillen trieben, bis man es nicht mehr ertragen konnte. Schwyz suchte Hilfe beim Reich, » von dem es an Habsburg verpfändet war. Als die Herrschaft von Habsburg, unter der Justin-Se ger offensichtlich Habsburg-Laufenburg versteht, dieser ewigen Kriege müde war, verkaufte m> sie ihre Rechte an Habsburg-Österreich. Das dauerte eine Weile, doch dann erhob sich neuer JB Streit, da die Amtleute wieder neue ungewohnte Zumutungen stellten. Die drei Waldstättc Ä',' setzten sich zur Wehr, ohne daß ihnen jemand geholfen hätte. Österreich wollte sie aber mit III Gewalt bezwingen, und so kam es zur großen Niederlage Österreichs bei Morgarten. Justin-ft gers Erzählung stimmt insofern mit unsern urkundlichen Kenntnissen überein, als es ja in III der Tat zur Zeit Habsburg-Laufenburgs um 1239/47 zu Kämpfen in der Innerschweiz kam mm- und später wiederum zwischen 1291 und 1315. Daß die Ursachen dafür beide Male der Mutig; willen und die neuen Forderungen der herrschaftlichen Vögte gewesen sei, ist zwar aus den 9k "' Übersicht bei Meyer, Entstehung, S. 190/200. Über Tschudi als Quelle Schillers vgl. Schillers v§k Brief an Cotta vom 16. März 1802. Über die Werke des 15. Jahrhunderts vgl. unten, über ihre nicht HH mehr vorhandenen, aber zu vermutenden Vorläufer vgl. K. Meyer, Urschweizer Befreiungstradition Sr S.103ff., und das Schema bei M.WehrlI, Das Lied von der Entstehung der Eidgenossenschaft, QW II HI, 2, S.32. B. Meyer, Weißes Buch und Wilhelm Teil, Gfr. 112, 1959. ä Berner Chronik des Conrad Justinger, hg. v. G. Studer, Bern 1871; Felix Hemmerli, |||. Dialogus de nobilitate et rusticitate, Auszüge in: Thesaurus Historiae Helvetiae, Zürich 1775, X u. in: B. Reber, Felix Hemmcrlin von Zürich, Zürich 1846. Das Weiße Buch von Sarnen, hg v. Wk_ H.G. Wirz, QW III, 1, Aarau 1947. Teilenlied, hg. v. M. Wehrli, QW III, 2, Aarau 1952. Zur jre- generellen Orientierung immer noch gut G. v. Wyss, Geschichte der Historiographie der Schweiz, W: S. 109 ff. 194 die entstehung der eidgenossenschaft Urkunden nicht zu erfahren, doch lassen ja wenigstens verschiedene Nachrichten aus der Zeit seit 1275, wie wir gesehen haben, mit Sicherheit auf steigende Ansprüche Habsburgs schlie ßen, gegen die sich die Waldstätte zur Wehr setzten. So besteht denn zwischen Justinger und der urkundlichen Überlieferung kein unvereinbarer Gegensatz112. Der Zürcher Propst und Anhänger Österreichs Felix Hemmerli berichtet um 1450, der Amtmann von Habsburg, der auf einer Burg im Lauerzersee saß, habe sich angeblich an einer Schwyzerin vergangen und sei dafür von deren Brüdern getötet worden. In Sarnen zerstörten die Unterwaldner die Burg des Vogtes. Schwyz und Unterwaiden verbündeten sich Andere Orte, wie Uri, schlossen sich später an113. Etwas anders verhält es sich mit dem Weißen Buch von Sarnen. Vom einflußreichen Landschreiber von Obwalden, Hans Schriber, etwa 1474 niedergeschrieben, enthält es einen Bericht über die Entwicklung der Eidgenossenschaft von den Anfängen bis zum Beginn des 15.Jahrhunderts und eine Abschriftensammlung der wichtigsten Unterwaldner Landesurkunden vom 13.Jahrhundert bis 1474, die später von andern noch weitergeführt wurde. Es macht so durchaus den Eindruck eines für praktische juristische Zwecke, wie sie die Geschäfte einer Landesregierung mit sich bringen, dienenden Kanzleihandbuches. Dies wird man auch bei der dem Urkundenteil vorangesetzten Chronik nicht aus dem Auge lassen dürfen. Die Frage, ob Schwyz und Unterwaiden zu Habsburg oder zum Reich gehörten, war ja eine juristische Streitfrage. Über sie wurde am Hofe Heinrichs VII., Ludwigs des Bayern und auch später verhandelt, und sie war seit Friedrichs III. erneuten Rückgewinnungsversuchen im Alten Zürichkrieg wieder aktuell geworden. Es handelt sich also bei der Chronik offensichtlich um eine prononcierte Darstellung des obwaldnerischen bzw. eidgenössischen Standpunktes, die, wie jede Prozeßschrift, die eigenen Stärken herausstreicht, die eigenen Schwächen aber verschweigt114. Bis zu einem gewissen Grade ist diese Eigenschaft einer Prozeßschrift der ganzen schweizerischen Chronistik von den Anfängen bis in die Neuzeit gemeinsam, galt es doch über die österreichischen Ansprüche hinaus den Vorwurf abzuwehren, die Eidgenossen seien Rebellen wider die rechte Obrigkeit gewesen. Und dies war in einer Epoche, da die Monarchie in Theorie und Praxis den Normalfall bildete, für Republiken besonders schwierig. Das Weiße Buch erzählt, Uri und Unterwatden seien von Römern besiedelt worden, Schwyz von Einwanderern aus Schweden, und alle diese Leute hätten vom Reiche das Recht erhalten, in den Tälern zu roden und zu wohnen. Sie hätten in der neuen Heimat unabhängig und in Ruhe gelebt, bis es König Rudolf von Habsburg gelang, sie durch Bitten gegen eine bescheidene Steuer in den Schirm des Reichs aufzunehmen und ihnen fremde Vögte zu geben. Dies ging zu Rudolfs Lebzeiten gut, doch nach seinem Tode wurden die Vögte hochmütig und streng. Nach dem Aussterben der Habsburger und dem Übergang ihres Erbes an die Grafen von Tirol erwarben ehrgeizige Edelleute aus dem Aargau und Thurgau die Vogteien in den Tälern. Sie trieben, was sie wollten, versuchten die Vogteien dem Reich zu entfremden und allein über sie zu verfügen. Sie bauten in den Ländern große Burgen, stellten hübschen Frauen und Töchtern nach und belegten vorlaute Leute mit schweren Bußen. In Obwalden ließ Vogt Landenberg von Sarnen dem Bauer im Melchi ein Ochsenpaar wegnehmen. Der Sohn, der sich zur Wehr setzte, mußte entfliehen, und der Vater wurde in der Burg von Sarnen gefangengesetzt und geblendet. Ein Mann zu Altsellen erschlug den Vogt, der seine Braut zwingen wollte, mit ihm 113 JuSTrNGER, S.45ff., 339ff. "•Vgl. Anm. 111. "* Vgl. für alle Meinungen über das Weiße Buch die Einleitung in: QW III, 1. Geschichte der Schweiz 1, S.146; K.Meyer, Urschweizer Befreiungstradition, S.97B".; MommSEN, Eidgenossen, S.39ff., 64ff. EA 2, S. 313ff., Nr, 493, vom 2. Mai 1461, und Hans Knebels Tagebuch, BasC 2, S. 5. die chronikalische uberlieferung 195 • jjad zu nehmen und ihm zu Gefallen zu sein. In Schwyz fragte Vogt Geßler den Stauffacher, der ein Haus aus Stein besaß, wem dieses hübsche Haus gehöre. Stauffacher fühlte aus diesen Worten die drohende Gefahr heraus und beschloß auf den Rat seiner Frau, nach Uri und Unterwaiden zu gehen, um dort mit den führenden Leuten, wie Fürst und Der Frauen, zu ratschlagen. So fanden sich dann Stauflacher, Fürst und der junge Bauer aus dem Melchi. Sie zogen noch andere Leute ins Vertrauen, schlossen einen geheimen Bund und kamen je-weilen nachts auf dem Rütli zu Beratungen zusammen. Hierauf folgt die Geschichte vom Teil in Uri. Sie beginnt mit dem Hut auf der Stange, den Teil, ein Mitglied des Stauffacher-schen Schwurbundes, nicht grüßt, und wickelt sich dann in der bekannten Weise mit dem Apfelschuß, der Fahrt zur Tellsplatte und der Tötung Geßlers in der Hohlen Gasse ab. Nach dieser Tat wurde die Staufiachersche Gesellschaft immer mächtiger und begann die Burgen der Vögte, wie Zwinguri, Schwanau, Schwyz und Stans.zu brechen. Die besonders starke Burg von Sarnen konnte nur mit Hilfe einer List genommen werden. Die Untertanen, die dem Vogt an Weihnachten Geschenke zu bringen pflegten, kamen in besonders großer Anzahl in die Burg und öffneten dann überraschend die Tore für den in der Nähe verborgenen Überfalltrupp. Hernach schlossen die drei Länder ihren Bund. An diese Schilderung fügen sich kurze Berichte über die Bundeseintritte von Lurern, Zürich, Zug, Glarus und Hern sowie über die Appenzellerkriege und den Walliser Raronhandel im 15.Jahrhundert115. Überblickt man Justinger, Hemmerli und das Weiße Buch, so kann man nicht mehr daran zweifeln, daß es eine innerschweizerische Tradition über die Befreiung gegeben hat. Ob diese drei uns nach bekannten Zeugnisse untereinander selbst abhängig sind oder von andern, uns nicht mehr bekannten Werken oder auch mündlicher Tradition abhängen, ist eine schwierige, heute kaum mehr abzuklärende Frage. So einfach, wie man im W.Jahrhundert meinte, nämlich daß der jüngere Verfasser den kürzeren älteren jeweilen ausgeschrieben und noch einiges hinzuerfunden habe, liegen die Dinge jedenfalls nicht116. Die Behauptung von der ursprünglichen, völligen Unabhängigkeit der Waldstätte und ihrer Besiedlung durch Römer und Schweden ist sicher unrichtig. Sie waren immer Glieder des Reichs. Die Herkunft aus Rom und aus Schweden gehört zu den gelehrten Erfindungen, an denen die spätmittelalterliche und frühhumanistische Chronistik so reich ist117. Die Erwähnung des Rechtes zu roden und zu siedeln aber könnte insofern einen geschichtlichen Kern haben, als ja zweifellos die Rodungssiedlung in den Waldstätten mindestens im ^.Jahrhundert eine nicht unbedeutende Rolle gespielt haben muß. Die ganze phantasiereiche Einleitung erklärt sich weitgehend aus dem Bestreben, die eigene Unabhängigkeit herauszustreichen und damit den schwächsten Punkt der eidgenössischen Rechtsstellung, die unsichere Reichsfreiheit von Schwyz und Unterwaiden, zu verdecken. Die Behauptung von der Beerbung der Habsburger durch die Grafen von Tirol ist jedoch aus der nur mehr ungenauen Kenntnis der Geschichte der Habsburger entstanden, die 1363 die Grafschaft Tirol erwarben118. Die Geschichte von den Untaten der Vögte und ihrer Vertreibung, von der wir zwar aus den Urkunden der Zeit nichts wissen, ist mit zutreffenden Orts- und Personenkenntnissen sowie mit richtigen Zügen des damaligen Kulturzustandes der Innerschweiz des 13. und 14.Jahrhunderts durchsetzt. Stauffacher, Fürst, Der Frauen waren führende "' QW ni, 1, S. 1/41. K. Meyer, Urschweizer Befreiungstradition, S. 63/68. Schema bei M, Wehrli in: QW III, 2, S. 32. 111 Uber die Sage von.der Herkunft der Innerschweizer aus Rom und aus Schweden, die auf die Schrift «Vom Herkommen der Schwyzer» eines umstrittenen Verfassers zurückgeht, und ihre Bedeutung vgl. QW III, 2, 2, S.9ff. "• Geschichte der Schweiz 1, S. 146. 196 die entstehung der eidgenossenschaft die chronikalische überlieferung 197 Geschlechter jener Zeit; Bauern im Mclchi gab es. Das Rüth war in der Tat ein für geheime Zusammenkünfte aus den drei Ländern sehr geeigneter Ort. Die Burgen Schwanau, Zwing, uri, Landenberg bei Samen usw. haben existiert. Zudem hat die Ausgrabung der unter-waldnerischen Burgen Landenberg und Rotzberg durch Robert Durrer erwiesen, daß sie Dimensionen hatten, wie sie ein Einheimischer nicht zu bauen vermochte, und daß sie gewaltsam zerstört wurden11*. Die historische Volkskunde weist darauf hin, daß die scharfe Ablehnung von Beziehungen auswärtiger Männer zu Frauen und Töchtern des Landes, die Geheimbünde, die gewaltsame, aber auftallenderweise ohne Blutvergießen an bestimmten Festtagen durchgeführte Zerstörung der Burgen und Vertreibung der Vögte, wie auch verschiedene Züge des Teil, ganz spezifische Eigenschaften der Rechts- und Gesellschaftsauffassungen der damaligen Innerschweiz, ihrer Bergler- oder Hirtenkultur darstellen. Noch starkes Sippenbewußtsein, nur mühsam unterdrückte Blutrache, kriegerischer Totenkult und unheimliche Wildheit im Kampfe gehen da Hand in Hand. Kultische Männerbünde, ^3 deren Nachfahren in unsern Gebirgsgegenden bis zum heutigen Tag die sog. Knabenschaften^1 sind, überwachen eifersüchtig die Beziehungen zwischen jungen Männern und Frauen. Fremde sind ausgeschlossen. Auch Rachezüge gegen auswärtige Feinde werden oft von solchen Bünden unter Beobachtung ganz bestimmter Gebräuche durchgeführt. Sowohl der historische Zug gegen Einsiedeln als auch der von den Chroniken berichtete Burgenbruch passen genau in diesen Rahmen. Nächtlicher Überfall an einem hohen Feiertag, kein Blutvergießen, großes Gelage auf Kosten des Überfallenen sind alles typische Eigenschaften solcher heimsucheartigen Unternehmungen. Deshalb hält es auch bei beträchtlicher Skepsis schwer, diese Berichte als völlig freie Erfindung ohne irgendwelchen historischen Kern zu betrachten120. Schwieriger liegt die Frage nach Wirklichkeit oder Sage bei Teil. Ist doch das Motiv des kühnen Jägers, der einen Gegenstand vom Haupte eines ihm nahe verwandten Knaben schießen muß und nach dem Schuß gesteht, wenn er gefehlt hätte, hätte er den Herrscher getötet, im Mittelalter auch in Norwegen, Dänemark, Schottland, Deutschland und anderswo verbreitet. Auf auswärtige, der Befreiungssage ursprünglich fremde Herkunft weist auch das sicher vor dem Weißen Buch entstandene Tellenlied hin, in dem die Tellengeschichte vom Apfelschuß bis zur Festnahme Teils ohne die Vorgeschichte mit dem Hut auf der Stange und ohne das Ende mit Tellsplatte und Hohler Gasse ganz unvermittelt in den Aufstand des Volkes ausmündet. Die Tellengeschichte macht so ausgesprochen den Eindruck eines Fremdkörpers. Demgegenüber ist die Tellengeschichte im Weißen Buch schon mehr und geschickter mit dem Bericht von der Befreiung verflochten. Auffallend ist jedoch wieder die volks-. kundliche Beobachtung, daß diese Jägersage vor allem bei einander ähnlichen Gebirgs- und Jägervölkern, wie in Norwegen, Schottland und der Schweiz, lebhaft aufgenommen wurde und ja auch den bei diesen Völkern damals so aktuellen Gegensatz gegen die sich straffende Staatsgewalt des Flachlandes schildert121. Es ist deshalb immerhin mit der Möglichkeit zu rechnen, daß sich eine kühne Jägertat tatsächlich ereignete, die dann einen Liederdichter "* Vgl. Anmerkungen und Register von QW IL", 1; R. Durrer, Die Kunst- und Architekturdenkmäler Unterwaldens, S. 449ff., 546ff., 996ff.; L. Birchler, KDM Schwyz 2, S. 73ff., 342ff.; B. Meyer, Entstehung, S, 193. Wackernagel, Freiheitskämpfe, S. 67/89, u. in: Altes Volkstum der Schweiz. Vgl. auch ch. Padrutt, Dündner Burgenbruch, BasZG 65, 1965, S. 77ff. 111 Helmut de Boor, Die nordischen, englischen und deutschen Darstellungen des Apfelschuß-motives, QW in, 1, Anhang III; M.Wehrli, in: QW III, 2, S.25ff.; Wackernagel, Freiheitskämpfe, S. 88/89. H. G.Wackernagel, Bemerkungen zur alteren Schweizer Geschichte in volkskundlicher Sicht, SAV 56, 1960. Zum Weiterwirken der Teilsage vgl. F. Ernst, Wilhelm Teil, Blätter aus seiner Ruhmesgeschichte, Zürich 1936. R.Labhardt, Wilhelm Teil als Patriot und Reve- rs, oder Chronisten zur Übernahme des fremden Sagenstoffes anregte. Solche literarischen Kunstgriffe waren damals nicht selten. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist also die Erzählung erst im 14- oder 15.Jahrhundert durch gelehrte Schriften und vielleicht auch Lieder in der Schweiz bekannt und verwertet worden122. Die ganze Gründungsgeschichte, wie sie uns aus dem ij.Jahrhundert überliefert ist, bildet also ein höchst eigenartiges Gemisch von Wahrheit und Dichtung, in dem die Grenzen schwer erkennbar sind. Es ist weder aus Fälscherwillen noch aus überbordender Phantasie zu erklären, sondern aus dem Bestreben, die bruchstückhafte Kenntnis, die man von der eigenen Vergangenheit hatte, möglichst einleuchtend und wirkungsvoll zu gestalten, wie es noch heute jedem wahren Historiker eigen ist123. Schwierigkeiten bereitet indessen die chronologische Einordnung der Erzählung, da sie selbst nur ganz vage Zeitangaben enthält. Die urkundlich unterbaute Zeitgeschichte, wie wir sie oben zu geben versuchten, weiß ja nichts von all den in der Chronik geschilderten Ereignissen, Angesichts der doch recht bruchstückhaften urkundlichen Nachrichten bildet dies allerdings kein Argument gegen die Chronik. Erstaunlicher ist, daß die Chronik keine Kenntnis von Morgarten hat. Dachte man ursprünglich, es könnte sich um Ereignisse aus der Zeit der Kämpfe zwischen Guelfen und Ghibellinen gehandelt haben, so stehen sich heute vor allem die beiden Thesen gegenüber, es sei die Vorgeschichte des Bundes von 1291 oder aber von 1315. Gegen 1291 spricht hauptsächlich das Fehlen einer uns bekannten Gegenaktion und Österreich-feindlicher Bestimmungen im Bündnistext, während die gespannte Lage jener Zeit eher dafür ins Gewicht fällt. Gegen 1315 spricht die Tatsache, daß die Chronisten Morgarten nicht erwähnen. Auch ist schon die Möglichkeit erwogen worden, daß eine Vielzahl verschiedener, zeitlich auseinanderliegender Ereignisse in der Befreiungsgeschichte dramatisch zusammengeballt worden sei. Man muß eingestehen, daß einfach keine Sicherheit zu erlangen ist124. Je nach regionaler Herkunft und zur Verfügung stehenden Vorlagen hat die Gründungsgeschichte noch verschiedene, leicht voneinander abweichende Ausprägungen erhalten, bis ihr Ägidius Tschudi dann die endgültige Form verlieh. Mit Hilfe gründlichen Quellenstudiums, Umfragen und Besuchen in der Innerschweiz, geschickter Kombination und hervorragender Schilderung von urkundlich sichern Fakten und chronikalischen Berichten zusammen mit freien, aber stets wohlüberlegten Erfindungen, schuf er ein unangreifbar scheinendes Gebilde, in dem falsch und echt kaum mehr zu trennen sind. Das ist ja eine der schriftstellerischen Haupteigenschaften dieses großen Historikers der Schweiz im Übergang vom Humanismus zum Barock. Die ganze Handlung legte er in allmählicher Steigerung zwischen die Jahre 1304 und 1308 und gab den einzelnen Ereignissen, besonders den Un- lutionär, Bas Beitr. 27, Basel 1947. Vgl. auch F. Heinemann, Teilbibliographie, Bern 1907, F.Heine-mann, Tell-Iconographie, Luzern 1902. "'Vgl. Anm.121. Meyer, Entstehung, S.114ff., und noch ausgesprochener B.Meyer, Weißes Buch und Wilhelm Teil, Gfr 112, 1959 und selbständig Weinfelden 1963, vertritt die Ansicht, der Apfelschuß sei von einem Vogt veranstaltet worden, der die nordische Sage kannte. M.Wehrli, QW III, 2, S. 25ff., bezweifelt dies wohl mit Recht, da sich im Tellenlied kein einziger Zug findet, der nicht schon in der nordischen Sage vorhanden wäre. K. Meyer, Urschweizer Befreiungstradition, S. 246ff. 124 K.Meyer hat mit großem Material und Scharfsinn nachzuweisen versucht, daß die Chroniken die Vorgeschichte des Bundes von 1291 wiedergeben. Vgl. K. Meyer, Urschweizer Befreiungstradition, S. 145 ff.; Meyer, Ursprung, S. 638 ff. Erzeigt indessen nicht mehr als eine wahrscheinliche Möglichkeit auf. Die Ansicht, es handle sich um die Vorgeschichte von 1315, wird schon seit langem vertreten. Vgl. K.Meyer, Urschweizer Befreiungstradition, S.145n*. Neuerdings wieder Meyer, Entstehung, S. 198(F. Die These der ZusammenrafTung vertritt R. Durrer, Artikel Unterwaiden, in: HBLS 7, S. 129. Vgl. zu den einzelnen Chronisten jetzt R. Feller, E. Bonjour, Geschichtsschreibung der Schweiz 2, Basel 1962, S. 544f., 559f., 628ff. u. passim. 198 die entstehung der eidgenossenschaft habsburg und die waldstätte im 14.jahrhundert 199 taten der Vögte, eine packende Ausmalung. Die Erzählung endet denn auch wirkungsvoll mit dem Burgenbruch am Neujahr 1308, dem darauf folgenden Bundesschluß und der Ermordung des zum eigentlichen Bösewicht gestempelten Königs Albrecht im Frühling 1308125 Erst die von der Aufklärung des 18.Jahrhunderts neubelebte nationale Geschichtsforschung begann Zweifel an dieser klassisch gewordenen Auflassung zu äußern.(l76o)irn Jahre der Gründung der Helvetischen Gesellschaft, publizierten der Basler Johann Heinrich Gleser erstmals den Text des Bundesbriefes von 1291 und die Berner Uriel Freudenberger und Gottlieb Emmanuel von Haller die Abhandlung «Wilhelm Teil, ein dänisches Mährgen». Johannes von Müller aber schloß sich in seinem nationalen Pathos wieder ganz an dieäite" Konzeption Tschudis an. Unmittelbar nachher hat sie jedoch der konservative Luzerner Joseph Eutych Kopp im Kerne erschüttert. Er hielt sich ausschließlich an die Urkunden verwarf die Chroniken völlig, deckte die Kunstgriffe Tschudis zum Teil auf und lehnte Johannes von Müller ab. Er gelangte in seinem Streben nach Objektivität gegenüber der vaterländischen Geschichte zu einer eigentlichen Ehrenrettung, ja vielleicht Überwertung der Habsburger. Ein anschauliches Bild an die Stelle des zerstörten zu setzen, gelang ihm jedoch nicht. Manche Unsicherheit blieb. Und seit ihm bemüht sich die Geschichtsschreibung, die Kluft zwischen Urkunden und Chroniken zu überwinden, ohne bis zum heutigen Tag zu einer völlig befriedigenden Lösung gelangt zu sein126. Hat im Gefolge Kopps die kritische Schule, als deren Schlußstein man Dierauers gewaltiges Werk betrachten darf, die Chronikberichte mit einem gewissen Rationalistenhochrnutsils Produkt der frei schaffenden Phantasie des Volkes abgetan, so hat dann Karl MeyerM927)in genialem Wurf mit seiner<£ «Urschweizer Befreiungstradition» einen eigentlichen Antt-T&ipp gegeben127. Sein bleibendes Verdienst ist es, den Chroniken des IS.Jahrhunderts und ihren Verfassern wieder ganz entschieden Ernsthaftigkeit und Eigenbedeutung zugebilligt zu haben. Er selbst gestand ein, die Neubewertung werde wohl nicht ohne Irrtümer gelingen, und er ist denn auch der kritischen Schule gegenüber ins andere Extrem verfallen, Einzelzüge der chronikalischen Berichte mit riskierten Konstruktionen wahrmachen zu wollen128. Die jüngere Generation"™ versucht von den beiden Extremen das Gute zu nehmen unter Beizug von Rechts- und Literaturgeschichte sowie der Volkskunde129. ^_I VON DER EIDGENOSSENSCHAFT DER WALDSTÄTTE ZUR EIDGENOSSENSCHAFT DER ACHT ORTE habsburg und die waldstatte im 14. jahrhundert Nach dem Tode Friedrichs des Schönen im Jahre 1330 ging die Leitung des habsburgischen Hauses an seinen Bruder Albrecht II. über. Diesem zur Seite stand der jüngste Bruder, Herzog Otto der Fröhliche, der schon 1339 starb. Von da an herrschte Albrecht II. bis zu seinem Tode im Jahre 1358 allein. Durch eine Lähmung, die ihm den Beinamen «der Lahme» einbrachte, an eigenhändiger Kriegführung verhindert, verlegte er sich auf eine vorsichtige, '" Aegidius Tschudi, Chronicon Helveticum 1, hg. v. P. Stadler, B. Stettler, QSG, NF, I, VII/1, Bern 1968. K. meyer, Urschweizer Befreiungstradition, passim; m. Wehret, Aegidius Tschudi, Geschichtsforscher und Erzähler, SZG 6, 1956; M.Beck, in: Festschrift Anton Largiader, Zürich 1958, S.235ff.; Dierauer, 1, S.127ff.; G.v.Wyss, Geschichte der Historiographie in der Schweiz,S.196E 'sehen den drei Hauptmächten des Reiches - Wittelsbacher, Luxemburger und Habs-huraer - vermittelnde, aber nichtsdestoweniger zielbewußt den Ausbau der habsburgischen Herrschaft verfolgende Politik. Seine Söhne Rudolf IV. undLeopoldDI. führten sie mit weniger Geschick und weniger Erfolg weiter. In den Vorlanden ist Albrecht II. von seiner Schwester, der ungarischen Königinwitwe Agnes, die in Königsfelden ihren Witwensitz hatte, klug unterstützt worden. Sie stand fast allen wichtigeren politischen Schiedsgerichten im Gebiete I der Schweiz zwischen 1330 und 1350 vor und hat stets für die Erhaltung des Friedens, aber auch für die Durchsetzung der habsburgischen Rechte gewirkt130. Trotz den großen Mißerfolgen Habsburgs von 1308, 1315 und 1322 war im Jahre 1330 seine Lage in den Vorlanden durchaus nicht schlecht. Nach der Versöhnung von 1330 legte Ludwig der Bayer den Bemühungen Habsburgs um immer weiter gehende Zusammenfassung ganz Schwabens in seiner Hand keine Schwierigkeiten mehr in den Weg. Und auch mit seinem Nachfolger, dem Luxemburger Kaiser Karl IV. aus Böhmen, stand wenigstens Albrccht II. stets in einem relativ guten Verhältnis, während dann die forschere Gangart Herzog Rudolfs IV. bald zu Reibungen mit seinem kaiserlichen Schwiegervater führte. Hartnäckig hielt Habsburg vor allem an der Absicht auf die oberdeutschen Reichsstädte von Breisach bis Konstanz und die Reichsländer der Waldstätte fest. So, wie sie sich Leopold 1324 vom französischen König hatte versprechen und 1326 von seinem königlichen Bruder Friedrich hatte verpfänden lassen, so ließ sich auch Albrecht 1330 die Reichsstädte von Ludwig dem Bayern verpfänden und 1334 die Waldstätte zusprechen. Noch einmal hat dann 1351 die Königin Agnes in ihrem Schiedsspruch die gräflichen Rechte Habsburgs in Schwyz und Unterwaiden geltend gemacht, doch Karl IV. nahm 1353 in der gleichen Frage eine vorsichtig vermittelnde Haltung ein. Von den Verpfändungen von 1330 gelangen nur diejenigen Rheinfeldens, Schaffhausens und Steins, während Zürich und St. Gallen sich sofort wieder auslösten. Der letzte Versuch Rudolfs IV., der sich 1358 von seinem Schwiegervater Karl IV. die Reichsvogtei über Zürich, St. Gallen, Bern und Solothurn verleihen ließ, setzte sich nicht durch. Wenn auch die so hartnäckig erstrebte Erwerbung dieser Städte nicht gelang, so mußten sich Zürich und St. Gallen 1333 doch dem großen österreichischen Landfriedensbündnis anschließen, und 1356 ist Zürich trotz seinem Bunde mit den Eidgenossen ein Bündnis mit Österreich eingegangen. 1357 kam ein Bündnis Österreichs mit dem Bischof von Konstanz zustande, 1358 mit demjenigen von Chur, der 1360 gar sein Bistum den Herzogen für acht Jahre übergab. 1363 fiel Tirol, dessen Herrschaftsverhältnisse immer stark nach Graubünden und damit auch auf die Waldstätte ausstrahlten, an Habsburg. Vorher hatte es 1330 bis 1341 unter luxemburgischem und 1341 bis 1363 unter bayrischem Einfluß ■"R. Feller, Die Schweiz. Geschichtsschreibung im 19. Jahrhundert, Zürich 1938, S. 86ff.; R. Feller, Hundert Jahre Schweiz. Geschichtsforschung, in: Festbericht Uber die Jahrhundertfeier der AGGS, Bern 1941; K. Meyer, Urschweizer Befreiungstradition, passim; Meyer, Entstehung, S.190E Vgl. Anm. 125. Die Beurteilung des Buches von K. Meyer, Urschweizer Befreiungstradition als Anti-Kopp stammt von H. Fehr, Die Entstehung der Schweiz. Eidgenossenschaft, Bern 1929. "•Möglichkeit von Irrtümern: K. meyer, Urschweizer Befreiungstradition, S.205ff. Eine solche sehr riskierte Konstruktion, die unseres Erachtens abzulehnen ist, ist u.a. K. Meyers Identifizierung der Namen Geßler und Tillendorf (S. 213BV). "• Meyer, Entstehung, S.190ff. Die Volkskunde zur Erklärung dieser Probleme beigezogen zu haben, ist das große Verdienst H. G.Wackernagels, der seine bisherigen Ergebnisse zusammengefaßt hat in: Wackernagel, Freiheitskämpfe. '" Einen guten kurzen Überblick über das Haus Habsburg gibt A. Wandruszka, Das Haus Habsburg, Stuttgart 1956, S. 75ff. - Zu Königin Agnes vgl. A. lüthi, Wirtschafts- und Verfassungsgeschichte des Klosters Königsfelden, Zürcher Diss., Zürich 1947, S. 50ff. - E. Usteri, Das öffentlich-rechtliche Schiedsgericht in der Schweiz. Eidgenossenschaft, S. 200ff. 200 die entstehung der eidgenossenschaft habsburg und die waldstätte im 14.jahrhundert 201 gestanden. Habsburg versuchte nun sofort, sich auch im Vorarlberg und im Rheintal festzusetzen. Im Aaregebiet übte Österreich von seinem Stützpunkt Freiburg i. Ü. großen Einfluß aus. Solothurn war mit ihm verbündet. Berns Verhältnis zu ihm änderte sich trotz seinem 1353 geschlossenen Bunde mit den Eidgenossen vorerst nicht. So ständen um 1360 neben dem Elsaß, Breisgau und Schwarzwald beträchtliche Teile des Berner Oberlandes Freiburg i. Ü., die ganze Aarezone von Biel an abwärts, der Aargau bis nach Luzern, die ganze Umgebung Zürichs, der Thurgau, das Walenseegebiet mit Rapperswil, Gaster und Glarus, das Rheintal und Graubünden in habsburgischem Besitz oder doch unter starkem habsburgischem Einfluß. Trotz diesen Erfolgen hatte Habsburg indessen in seinen ganzen westlichen Besitzungen mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen, die stets wieder zu Rückschlägen, u.a. denjenigen gegenüber den Reichsstädten und den Waldstätten, führten. Das Schwergewicht Habsburgs befand sich im Osten, wo die Herzoge meistens weilten. Ohne persönliche Anwesenheit eines Herzogs war aber damals kein größeres militärisches Unternehmen möglich. Die militärischen Anstrengungen, z.B. für den Morgartenkrieg, und die Gebietskäufe überstiegen die aus den laufenden Einnahmen des Hauses zur Verfügung stehenden Mittel beträchtlich. Dies zwang zur Verpfändung von Einkünften, Burgen, Höfen, wie auch gelegentlich von ganzen Besitzkomplexen. Oft konnten die Pfänder nicht mehr ausgelöst werden, so daß sie zeitweise oder auch dauernd verlorengingen. Die Reichsstädte, wie Basel, Bern, Zürich, Konstanz, St. Gallen, und die Reichsländer der Waldstätte haben stets ihre alte Sonderstellung zu bewahren versucht, wenn sie auch gelegentlich eng mit Österreich zusammengehen mochten. Ähnlich verhielt es sich mit dem Adel und auch mit den österreichischen Städten und Gebieten, die überall im Südwesten des Reiches jede Gelegenheit ergriffen, um irgendwelche Sonderrechte zu erwerben131. Hier lagen die Möglichkeiten der Waldstätte und der mit ihnen verbündeten Städte, doch müssen angesichts der Kleinheit ihres Gebietes und der Lockerheit ihrer Bünde einerseits, der hartnäckigen Zielbewußtheit Österreichs anderseits die Chancen Habsburg-Österreichs in unsern Gegenden damals sehr viel günstiger ausgesehen haben, als sie heute dem rückblickenden Betrachter erscheinen mögen. Denn ein einigermaßen fester Zusammenhalt und eine entschiedene Ablehnung der habsburgischen Ansprüche bestand ja nur innerhalb der drei Länder seit Morgarten. Deshalb hatten sie sich von Kaiser Ludwig entfernt, solange er mit Österreich zusammenging. Als Ludwigs Sohn 1341 durch die Heirat mit der Erbin Tirols, Margarete Maultasch, dieses Land erwarb, entzweiten sich Ludwig und Österreich von neuem, während die Waldstätte sich ihm wieder näherten und offenbar bis zu seinem Tode 1347 auf seiner Seite blieben. Auch gegenüber seinem Nachfolger, dem Luxemburger Kaiser Karl IV., verhielten sich die Eidgenossen so lange vorsichtig zurückhaltend, als er zwischen Bayern und Österreich lavierte. Erst 1360, als Karls Beziehungen zu Österreich immer schlechter wurden, schlossen die Eidgenossen mit Karl einen Vertrag. Die Bündnisse, die sie in diesen Jahrzehnten mit benachbarten Städten und Gebieten abschlossen, waren lediglich lockere, aus den stets wechselnden Machtverhältnissen zwischen Wittelsbach, Luxemburg und Habsburg im Reich einerseits und den lokalen Mächten unserer Gegend andererseits sich ergebende Verträge, deren Ewigkeitsklausel man nicht überschätzen darf. Deshalb gingen die neuen Verbündeten der Waldstätte immer wieder auch noch andere Bindungen, selbst mit Österreich, ein. "l Vgl. folgende Abschnitte und E. Dürr in: Schweiz. Kriegsgeschichte 2, S. 24ff.; H.E. Feine, Die Territorialbildung der Habsburger im deutschen Südwesten, S. 176ff., 23211".; W. meyer, Die Verwaltungsorganisation des Reiches und des Hauses Habsburg-Österreich im Gebiete der Ostschweiz 1264-1460, passim. Vgl. auch Mommsen, Eidgenossen, passim. íJgSL Darüber kann auch die Tatsache nicht hinwegtäuschen, daß wir über die neuen Bundes-enossen, die Städte des Mittellandes, und ihre innern Verhältnisse viel reichere Nachrichten besitzen als über die Waldstätte. Diese sind gewissermaßen der stetige, aber stumme Mittelpunkt der werdenden Eidgenossenschaft. Das hängt nicht bloß damit zusammen, daß die Bauern der Innerschweiz damals noch kaum schriftliche Zeugnisse von sich gaben, sondern eher damit, daß Landesbehörden weitgehend fehlten und man sich noch ganz der Führung durch die Ammänner aus den wenigen mächtigen Familien anvertraute. Diese, die Stauffacher und Ab Yberg in Schwyz, die Attinghusen, Meier von Silenen und von Moos in Uri, die Hunwil und Waitersberg in Obwalden und die Wolfenschießen in Nidwaiden, erhielten, wie wir gesehen haben,mit der seitdem ausgehenden 13.Jahrhundert immer größer werdenden Unabhängigkeit der Waldstätte fast unbeschränkten Einfluß. Als Beispiel dafür seien nur die Attinghusen angeführt, die es auf diesem Weg am weitesten brachten, darüber iber auch zuerst stürzten. Das aus dem Emmental stammende Dynastengeschlecht, das zur Zeit der Zähringer nach Uri gekommen war und hier über großen Grundbesitz verfügte, stellte mit Werner den Landammann von 1291. Sein Sohn Johannes, der bis 1357 Landammann war, erwarb 1337/47 den Zoll zu Flüelen. 1331 führte er einen gewaltsamen Vorstoß der Waldstätte in die Leventina an und erreichte 1335 von den Rusca, den Herren Comos, und später von den Visconti weitere Zoll vorteile auf der Südseite des Gotthards. Von Ludwig dem Bayern ließ er sich den Titel eines Rector Vallesiae verleihen und machte damit Ansprüche auf das Oberwallis geltend. Durch seinen Schwager, Johannes von Simpelen, reichte sein Arm bis an den Simplon. Sein Vetter Thüring von Attinghusen-Schweinsberg war erst Konventuale von Einsiedeln und dann Abt von Disentis. Im Kampf der Abtei gegen Donat von Vaz, der es auf ihre Besitzungen abgesehen hatte und als Anhänger Ludwigs des Bayern auch einen starken Zuzug der Waldstätte mobilisieren konnte, vermochte Thüring schließlich 1333 dank seinen Familienbeziehungen zum Urner Landammann einen günstigen Frieden zu erlangen. Thüring ist es auch gewesen, der 1350 die endgültige Beilegung des Marchenstreites zwischen Schwyz und Einsiedeln vermittelte. Die 1344 eingegangene Verpflichtung, dem König mit zwanzig Bewaffneten Heerfolge zu leisten, und das Bündnis mit Zürich von 1351 zeigt Johannes in einer mächtigen, ja geradezu monarchischen Stellung. Diese Familien haben während der gut hundert Jahre ihrer Herrschaft und wohl besonders seit 1315 ihre grundherrschaftlichen Positionen systematisch ausgebaut. Gerade diese Zunahme an Macht durch Anhäufung wirtschaftlicher und staatlicher Rechte scheint aber der Grund für ihren Sturz gewesen zu sein. Nach 1357 ist Johannes von Attinghusen gestürzt und der Grund- und Zollbesitz seiner Familie ziemlich gewaltsam an das Land Uri gezogen worden. 1367 erhoben sich die Untertanen der Abtei Disentis. Der Abt Jacob von Buchhorn wurde ermordet. 1381 folgte der Sturz der Landammannsgeschlechter von Hunwil und von Waltersberg in Ob- und Nidwaiden. Leider fehlen uns genauere Nachrichten über diese Ereignisse. Wahrscheinlich ist jedoch das Selbstbewußtsein der Bevölkerung mit den kriegerischen Erfolgen gestiegen, und zweifellos bestand bei Leuten wie Attinghusen die Gefahr, daß sie eine ebenso straffe Herrschaft errichteten, wie man sie mit den Kämpfen gegen Habsburg zu verhindern gesucht hatte132. In allen drei Waldstätten ist seit dieser Zeit, seit etwa 1360, der restliche Grundbesitz fremder Kirchen und Herren Schritt um Schritt von den Ländern aufgekauft und kommunalisiert worden. Damit ist wohl überhaupt erst der große, kommunale Grundbesitz der '" Vgl. Anm. 74 u. die Artikel über die betr. Familien des HBLS. R. Dürrer, Die Freiherren von Ringgenberg, JSG 21, 1896, S.197E; BGN 19, Stans 1949, S. 19ff.; 28,1963, S. 30ff.; MHVS 27, 1919; Gfr 32, 1877, S. 112ff.; I. müller, Disentiser Klostergeschichte 1, S. 144E, 160ff.; K.Meyer in: Schweiz. Kriegsgeschichte 1, 3, S.38ff.; Mommsen, Eidgenossen, S.125f. 202 die entstehung der eidgenossenschaft luzern 203 drei Länder entstanden133. In derselben Linie liegt es, daß die Landsgemeinde als Organ der gemeinsamen Willensbildung in den Waldstätten erst im Laufe des 14.Jahrhunderts richtig faßbar wird. Vorher fehlt jede unzweifelhafte Spur von ihr134. Hier, in den Jahrzehnten, da fast ganz Europa von einer meist kurzlebigen demokratischen Welle erschüttert wurde liegen die Anfänge der ungestümen, kriegerisch-demokratischen Bewegung in der Innerschweiz. Sie wird am Morgarten faßbar und hat mit Sempach, den Appenzellerkriegen und schließlich mit dem Alten Zürichkrieg die Eidgenossenschaft erst recht eigentlich begründet und befestigt. Die Gründer der ältesten eidgenössischen Bünde vom 13. bis in die Mitte des 14.Jahrhunderts und damit der achtortigen Eidgenossenschaft waren aber zweifellos jene Oligarchen. Das erste unter den vielen Bündnissen und Verträgen, die die Eidgenossen stets von neuem mit ihren Nachbarn schlossen, das die Zeit überdauern sollte, war dasjenige mit Luzern. Auch ihm dürfte allerdings zur Zeit des Abschlusses kaum jemand außerordentliche Bedeutung und Dauer zugemessen haben135. Der Kern, um den sich der neue Bundesgenosse gebildet hatte, war das Kloster Luzern, das wohl im 8.Jahrhundert von den Karolingern gegründet und um die Mitte des 9.Jahrhunderts dem großen elsässischen Kloster Murbach einverleibt worden war136. Es war die älteste Kirche und zugleich der Mittelpunkt des reichen Güterbesitzes von Murbach in der Gegend des Vierwaldstättersees. Die Vogtei über Luzern und Murbach besaßen seit 1135 oder schon früher die Habsburger. Von diesen beiden Klöstern aus ging die Gründung der Stadt Luzern. Die Gründer waren vielleicht jene beiden Brüder von Eschenbach, die zu Ende des 12.Jahrhunderts die Abtwürde von Murbach und das Amt des Propstes von Luzern innehatten. Jedenfalls ist es eine gegründete und keine gewachsene Stadt, wie Karl Meyer einleuchtend gezeigt hat. Ob die Gründung allerdings um 1180 oder um 1200 geschah, bleibt umstritten137. P. KlÄui, Bildung und Auflösung der Grundherrschaft im Lande Uri; L. Weisz, Die alten Eidgenossen, S. 104ff. '" J.J. Blumer, Staats- und Rechtsgeschichte der schweizerischen Demokratien 1, St.Gallen 1850, S. 265ff.; H. rtffel, Die Schweiz. Landsgemeinden, Zürich 1903; M. Reichlin, Die schwyzerische Oberallmende, Schwyz 1908; R. Benz, Der Landammann in den schweizerischen Demokratien, Zürich 1917; F. Nager, Die Landsgemeinde von Uri, Zürich 1923; J. M. Schuler, Das schwyzerische Stimmrecht, Bern 1930; Wemteler, Glarus 1, S.125L; H.W.ackermann, Beiträge zur Verfassungsgeschichte des Appenzellerlandes, Diss, Bern, Herisau 1953, S. 101; F. elsener, Der Hof Benken, St.Gallen 1953, S.24ff. 155 Diesem Abschnitt liegt überall, wo nichts anderes vermerkt ist, die hinsichtlich Forschung und Darstellung meisterhafte Arbeit zu Grunde: Karl Meyer, Die Stadt Luzern von den Anfängen bis zum eidgenössischen Bund, in: Geschichte des Kantons Luzern von der Urzeit bis zum Jahre 1500, Luzern 1932, S. 161/620, mit reicher Lit. -v Meyer, Luzern. P. KLÄUI, Die Anfänge des Klosters Luzern und ihre politische Bedeutung, ZSG 25, 1945, S. 1/21. Vgl. oben S. 120, 124. "' Daruber ist vor allem zwischen K.Meyer und F.Guterbock diskutiert worden: Meyer, Luzern, S. 199ff., 514ff.; K. Meyer, Uber die Gründung der Stadt Luzern, in: Aufsätze und Reden, S. 179ff. Er sucht die Gründung scharfsinnig auf 1178 festzulegen; F. Güterbock, Wann wurde die Gotthardroute erschlossen?, ZSG 19, 1939, S. 121 ff.; F.Guterbock, Über die Erschließung der Schöllenen, die Entstehung der Stadt Luzern und den Freiheitsbrief Uris, 1JH 1939, S. 122ff., setzt die Gründung knapp vor 1226 an. Beide Thesen hangen wesentlich von der Frage der Öffnung des Gotthardpasses ab. Vgl. dazu S. 176. Es ist zudem nicht bewiesen, daß die Gründung Luzerns erst nach der Paßöffhung erfolgte. Es kann ebensogut unabhängig vom Gotthard als Verwaltungszentrum und Wirtschaftsmittelpunkt des Mittellandes gegründet worden sein. Vgl. Meyer, Ent- Ihre Bedeutung erhielt die neue Stadt von ihrer Lage am Ausfluß des Vierwaldstättersees, a]s Brückenstadt, als Verwaltungszentrum ihrer Umgebung und als wichtiger Umschlag-nlatz an der neu aufgehenden Gotthardroute. Sie muß sich dementsprechend rasch entwik-kelt haben, denn schon um 1250 hatte sie nahezu die Größe des 19.Jahrhunderts erreicht. Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts erscheint in den Quellen auch bereits die städtische Selbstverwaltung mit Rat und Bürgerversammlung fertig vor uns. Die Gotthardstraße beeinflußte schon damals die junge Stadt in ihrer politischen Stellungnahme, wie sie denn überhaupt je und je die Politik dieser Stadt bestimmen sollte. In den großen Kämpfen zwischen Friedrich II. und dem Papst von 1239 bis 1250 blieben allein Uri und Luzern stets auf der Seite des Papstes, offensichtlich weil das am besten mit der Offenhaltung der Paßstraße und dem ungestörten Verkehr der Fernkaufleute harmonierte. 1247/48 kam es zu einer eigentlichen Belagerung dieser zentralen päpstlichen Stellung durch die kaiserlichen Adligen und die Reichsstädte des Mittellandes, wie Zürich und Bern. Sie mußte jedoch erfolglos abgebrochen werden, und 1251 nach dem Tode Friedrichs und dem Sieg des Papstes klang dieser Gegensatz aus. Immerhin war es wohl auch in Luzern zu einer scharfen Auseinandersetzung zwischen päpstlicher und kaiserlicher Partei gekommen. Denn 1247 drohte Papst Innozenz IV. der Stadt für den Fall eines Frontwechsels mit dem Banne138, Und in der folgenden kaiserlosen Zeit hat man in Luzern den Wiederausbruch solcher Kämpfe genau so befürchtet wie in den andern Städten zwischen Aare und Rhein und in den Waldstätten. Auch die Sicherung gegen solche Unruhen erfolgte in ähnlicher Weise. 1252 beschwor die Luzerner Bürgerschaft den sog. geschworenen Brief, einen Stadtfrieden, der mit dem ältesten Bund der Waldstätte manches gemeinsam hat. Die bisherigen Parteiungen in der Stadt wurden verboten und Gewalttaten und Anfeindungen aller Art mit schweren Strafen bedroht. Wenn in den Waldstätten Streitigkeiten ausbrechen würden, sollten die Luzerner, die dahin fuhren, auf Frieden hinwirken. In andere Gegenden, wo Streitigkeiten herrschten, sollten sie überhaupt nicht gehen. Kritik am Rat wurde verboten. Die Erblichkeit der Lehen und Ämter in den Händen von Bürgern wurde geschützt. Die Stadt suchte sich also gegen die großen damaligen Parteikämpfe und die damit verbundenen Gewalttaten zu schützen, genau wie es im ältesten Bundesbriefe der Waldstätte geschah. Gleichzeitig erkennt man auch das hesondere Interesse Luzerns an der Beruhigung der Fehden in den Waldstätten, weil dadurch der luzernische Handel auf der Gotthardstraße und die luzernischen Besitzungen in der Innerschweiz geschädigt wurden. Aus den Bestimmungen über den Rat und die Lehenserblichkeit spricht der Wille des patrizischen Rates zum Schutze seiner Autorität und seiner erblichen Vorrechte13'. König Rudolf behandelte die Klosterstadt unter habsburgischer Vogtei milde und verbriefte ihr 1281, daß die österreichischen Vögte die selbstgegebenen Satzungen der Bürgerschaft ungestört zu lassen hätten. Gleichzeitig ließ er jedoch die umliegenden Gebiete systematisch aufkaufen, und 1291, kurze Zeit vor seinem Tode, gelang es ihm schließlieh auch, die Stadt Luzern von dem schwer verschuldeten Abt von Murbach zu ersteigern140. Nun war Luzern eine habsburgische Landstadt, was ein großer Teil der Bürgerschaft sicher nicht gerne sah. In den Kämpfen nach Rudolfs Tod schloß sich Luzern denn auch der Partei stehung, S. 167, Anm.26. Man kann den Zeitpunkt der Gründung nicht genauer bestimmen als zwischen ca. 1178 und 1210/30, d.h. zwischen dem Zeitpunkt, von dem an sie möglich ist, und der ersten sichern Nennung der Stadt. '" QW I, 1, Nr. 552. "»QW I, 1, Nr. 667 und die dort verzeichnete Lit. Zur komplizierten Textgeschichte des geschworenen Briefes vgl. B. Meyer, Die ältesten eidgenössischen Bünde, S. 28 ff. '"QW i, 2, Nr. 1638, 1663, 1666, 1671, 1673. 204 die entstehung der eidgenossenschaft 205 der Gegner Österreichs an, um sich allerdings, wie die andern, im Mai 1292 König Albrecht kampflos zu ergeben. Albrecht und seine Nachfolger suchten nun die Stadt stärker in die Verwaltung der Vorlande einzubeziehen und wirtschaftlich zu fördern. Luzern trat 1293 dem österreichischen Landfrieden bei, und es wurde auch zur Teilnahme an der Wirtschaftssperre gegen die Innerschweiz verpflichtet. Dafür erließ man der Stadt den Besuch der österreichischen Lajjdtage und schützte sie gegen Übergriffe der habsburgischen Beamten. Das Schultheißenamt, das sich bisher erblich in der Luzerner Familie der Hunwil befunden hatte, wurde von nun an Leuten verliehen, die der Herrschaft genehm waren. Die Steuern wurden erhöht. Luzern und die österreichischen Gebiete am Vierwaldstättersee unterstellte man der neugeschaffenen Vogtei Rotenburg, die ihrerseits wieder dem Landvogt im Aargau unterstand. Anderseits wurden die gesamten Zölle der Gotthardstraße von Hospental bis Reiden in Luzern zusammengefaßt, was für die Wirtschaft der Stadt bestimmt von großem Nutzen war. Es gingen damals wohl einige tausend Ballen Ware pro Jahr durch Luzern. Dieses Wirken der österreichischen Herrschaft muß jedoch Luzern in den folgenden Jahren auch mancherlei Schwierigkeiten gebracht haben, denn die Beziehungen Österreichs zu den Waldstätten waren unter Albrecht mindestens zeitweise gespannt und verschlechterten sich 1308, nach seinem Tode, rasch. Damals ist wohl der Zoll von Flüelen von demjenigen von Luzern abgespalten worden und erst in die Hände von Homberg und Habsburg-Laufenburg, dann in diejenigen der urnerischen Attinghusen übergegangen. In dieser Lage suchten die Herzoge Luzern durch Vergünstigungen treu zu erhalten. Herzog Leopold bestätigte der Stadt alle Rechte und Gnaden, die sie von Murbach erhalten hatte, und nach Morgarten ließ er die Eingemeindung der luzernischen Vorstädte zu. Der Morgartenkrieg, den Luzern für Österreich namentlich auf dem See führte, hat der Stadt und ihren Fernkaufleuten wirtschaftlich wohl wiederum geschadet. Der Herzog scheint deshalb Luzern eine gewisse Freiheit im Verkehr mit den Waldstätten und z.B. die gelegentliche Durchbrechung der österreichischen Lebensmittelsperre erlaubt zu haben. Bei den wiederholten Verlängerungen des Waffenstillstandes zwischen den Waldstätten und Österreich erscheint auch Luzern als Siegler, und für das Schiedsverfahren zwischen den Waldstätten und Einsiedeln war Luzern mit andern als Schiedsrichter vorgesehen. Immer wieder zeigte sich so das große Interesse Luzerns an den Waldstätten, ja beinahe eine Art Mittlerstellung zwischen ihnen und Österreich141. Mit dem großen Rückschläge, den die habsburgische Macht durch den Tod Herzag Leopolds 1326 erlitt, begannen sich auch die Reichsfreien und die Österreich-Gegner wieder zu regen. Innerhalb des Rates von Luzern bildete sich eine Schwurgenossenschaft von 26 der 36 Räte, «um die Rechte der Stadt bei zweifelhafter Lage und Landesabwesenheit der Herzoge zu schützen». Es war offensichtlich eine Partei gegen Österreich und besonders gegen den damaligen Vogt zu Rotenburg, den habsburgischen Ministerialen Hartmann von Ruoda. Die Verschworenen gehörten ausnahmslos zu den reichen Patrizierfamilien. Als 1330 Österreich sich mit Ludwig dem Bayern wieder aussöhnte und deshalb die Herrschaft in den Vorlanden wieder straffen konnte, ist sogar der ganze Rat geschlossen der Einung von 1328 beigetreten, d.h. die österreichfreundlichen Räte wurden damals ausgeschaltet. Schließlich beschwor im Oktober die ganze Bürgerschaft diese Einung, und im November 1330 erreichte eine luzernische Gesandtschaft beim Herzog wesentliche Zugeständnisse. Den Schultheißen durfte er fortan nur noch aus den in der Stadt wohnhaften 1,1 Gute Übersicht über die habsburgische Herrschaft im Luzernischen bei F. Schaffer, Die Geschichte der luzernischen Terrirorialpolitik bis 1500, Gfr 95,1940/41, S.126ff.; W. schnyder, Reich und Arm im spätmittelalterlichen Luzern, Gfr 120, 1967. Bürgern ernennen, und bei der jährlichen Selbstergänzung des Rates konnte der Vogt nur mehr sein Veto gegen ihm nicht passende Vorschläge einlegen. 1331, als der Böhmenkönig in Österreich einfiel, erschien eine luzernische Viererdelegation beim Herzog im Osten und versuchte, wohl unter Ausnützung seiner bedrängten Lage, weitere Zugeständnisse zu erhalten. Dem Herzog gelang es aber, diese Delegation auf seine Seite hinüberzuziehen. Luzern hat darauf die vier Abgesandten kurzerhand aus der Stadt verbannt. Einen letzten Versuch, bei der Herrschaft weitere Vergünstigungen zu erlangen, beantwortete der Vogt 1332 mit dem Verbot der Schwurgemeinschaft. Luzern reagierte darauf mit der Androhung von Vermögenskonfiskation und Todesstrafe für Schädigung des Schwurverbandes. In diesem Augenblick, der einerseits durch den sich rasch verschärfenden Konflikt zwischen dem Autonomiestreben der Stadt und den steigenden Ansprüchen der österreichischen Herrschaft, andrerseits durch eine sehr starke, auch von den Reichsstädten anerkannte Stellung Österreichs in den ganzen Vorlanden gekennzeichnet ist, erfolgte der Bundesschluß zwischen Luzern und den Waldstätten. Diese waren damals offensichtlich die einzige Luzern nahegelegene Macht, die als Rückendeckung gegen Österreich in Frage kam. Umgekehrt dürfte auch den Waldstetten ein Bündnis mit der Stadt, die für sie den Zugang zum Mittelland und den Hauptmarkt bedeutete, höchst willkommen gewesen sein. Das auf ewig, d.h. unbefristet, geschlossene Bündnis enthält einen Vorbehalt der Rechte des Kaisers auf Seiten der Waldstättej der Rechte Österreichs auf Seiten Luzerns, jedoch mit der vorsichtigen Einschränkung «nach altem Herkommen». Neue Ausdehnungen der Rechte der Herrschaft, wie sie gerade Luzern in jenen Jahren erlebt hatte, waren also nicht geschützt. Den Hauptbestandteil bildete das gegenseitige Hilfsversprechen bei äußerer oder innerer Gefahr. Die Mehrheit des Hilfe heischenden Teils mußte schwören, daß ihm Unrecht geschehen sei, womit man sich gegen leichtfertige Hilfsforderungen zu schützen suchte. Doch der helfende Teil hatte seine Kosten selbst zu tragen, und zeitliche oder räumliche Beschränkung der Hilfe durch Fristen oder einen näher umschriebenen Hilfskreis, wie im Bündnis mit Bern und im Zürcher Bund, war nicht vorgesehen. Das Hilfsversprechen ging also recht weit. Wie schon im Morgartenbund wurden den Bundesgenossen weitere Bündnisse unter sich oder mit andern ohne Einverständnis der übrigen Bundesgenossen verboten. Für Streitfälle war ein Schiedsgerichtsverfahren vorgesehen, und für den Fall von Zwistigkeiten unter den drei Länderorten hatte sich Luzern der Mehrheit anzuschließen, damit der Zusammenhalt des Bundes gesichert sei. Der Luzerner Bund stimmte also im großen ganzen mit den außenpolitischen Teilen des Morgartenbundes übercin. Ein entscheidender Unterschied aber liegt darin, daß der ganze Strafrechtskatalog und damit der Einungscharakter des Dreiländerbundes fehlt. Insofern ist der Luzerner Bund, wie auch alle späteren eidgenössischen Bünde, viel lockerer als der älteste Bund. Es ist ein Vertrag zwischen ganz selbständigen Partnern, wie die Mehrzahl der damals in unserer Gegend existierenden Bündnisse. Dem I.uzerner Bunde haben sich bald nachher als weitere selbständige Vertragsparteien auch noch die beiden kleinen habsburgischen Vogteien Weggis und Gersau angeschlossen, die als Nachbarn der innern Orte am Vierwaldstättersee sich in einer ganz ähnlichen Lage wie Luzern befanden142. Daß Luzern mit diesem Bündnis ein fragwürdiges Glied der österreichischen Herrschaft geworden war, erkennt man daran, daß in dem großen Landfrieden unter österreichischer Ägide von 1333 von allen Reichsstädten, habsburgischen Landstädten und Adligen unserer Gegend nur die Waldstätte, Glarus und Luzern fehlten. Österreich versuchte es indessen wiederum durch Entgegenkommen zu gewinnen. 1334, im selben Jahre, da Ludwig der "» QW I, 2, Nr. 1638 mit reicher Lit. 206 die entstehung der eidgenossenschaft zürich, glarus und zug 207 Bayer seine Privilegien für die Waldstätte widerrief und so Österreich stark entgegenkam gewährte Herzog Otto Luzern ein neues Privileg, das dem Vogt jeden Einfluß auf die Wahl des Rates nahm und denjenigen auf die Ernennung des Schultheißen stark einschränkte Luzern wählte jedoch einen ausgesprochenen Österreichgegner zum Schultheißen und lehnte die Einführung der Zofinger Münze, die Österreich damals in der ganzen Gegend durchzusetzen suchte, ab. Darüber kam es 1335 zum Ausbruch offener Feindseligkeiten zwischen Österreich einerseits, Luzern und den Waldstätten andrerseits. 1336 hat sie ein Schiedsgericht aus Bürgern von Basel, Bern und Zürich beigelegt. Luzern unterwarf sich einem Schiedssprüche, der im wesentlichen det Herrschaft Recht gab. Die Zofinger Münze mußte angenommen, die vier Geächteten von 1331 wieder in die Stadt aufgenommen und konfiszierte Güter wieder zurückgegeben werden143. Diesen Spruch scheint der patrizische Rat anerkannt zu haben, aber im breiten Stadtvolk regte sich die Opposition. Sie dürfte ein schwacher Reflex der damals überall vom Niederrhein bis in die Schweiz sich erhebenden Zunftbewegung gewesen sein. Mit der Einführung eines Rates der Dreihundert, d.h. einer Art verkleinerter Bürgerversammlung, kam der Rat dieser Opposition entgegen, tat aber in der Folge alles, um seine Autorität zu stärken: Kritik am Rate wurde streng verboten und ebenso erneut jede Parteibildung. Der Haupterfolg der Unruhen scheint eine Verstärkung der eidgenössischen Partei gewesen zu sein, die offensichtlich im Volke viele Anhänger hatte. Ein letzter Versuch, diese Partei von der Herrschaft zu vertreiben, muß die Verschwörung von 1343 gewesen sein. Sieben vornehme und reiche Bürger taten sich zu einem Umsturzversuch zusammen, der aber rasch niedergeworfen werden konnte. Der Rat traf sofort die schärfsten Gegenmaßnahmen und erweiterte noch die Bestimmungen des geschworenen Briefes. Mit diesem Ereignis ist wohl die sagenhafte Erzählung von der Luzerner Mordnacht und dem Knaben, der den Anschlag dem Ofen erzählte, in Zusammenhang zu bringen. Aus den folgenden Jahrzehnten der luzernischen Geschichte wissen wir beinahe nichts. Es wäre jedoch ein Irrtum zu glauben, Luzern sei von nun an konsequent österreichfeindlich gewesen. Zwar blieben die Verbindungen locker, doch von einzelnen Ereignissen, wie dem Guglerkrieg, wissen wir, daß die Stadt wiederum mit Österreich zusammengearbeitet hat. Erst mit dem Sempacherkricg ist diese Verbindung endgültig zerrissen worden. zürich, glarus und zug Ganz ähnlich wie Luzern ist auch Zürich, zwanzig Jahre später, nach früheren kurzen Kontakten, im Zuge einer fast verwirrenden, nach allen Seiten hin reichenden Bündnispolitik, zu einem Bunde mit den Waldstätten gelangt. Auch hier hat sicher niemand dessen weitreichende Folgen vorausgesehen. Zürich ist in Anlehnung an den seit römischer Zeit befestigten, zwischen Limmat, Sihl und Seenähe gelegenen Lindenhofhügel allmählich entstanden. Dort befand sich seit karo-lingischer Zeit eine Königspfalz, die ihrer günstigen Lage wegen an der Wasserstraße zu den Bündner Pässen und damit nach Italien stets beträchtliche Bedeutung besaß144, Ihr zu Füßen lag das 853 von Ludwig dem Deutschen gegründete hochadlige Damenstift, das Fraumünster. '"H.Ammann, Die Zofinger Münze, in: Festschrift E. Tatarinoff, Solothurn 1938; QW i, 3, Nr. 128; mommsen, Eidgenossen, s. 1411. "* Largiader, Zürich 1, S.20fT.; E.VOGT, Der Lindeahof in Zürich, Zürich 1948. - Vgl. neben Largiader, Zürich, auch die ältere Gesamtdarstellung K.DÄndliker, Geschichte der Stadt und des Kantons Zürich, Zürich 1908. £s scheint in seinen Anfängen mit dem rechts der Limmat beim Märtyrergrab von Felix und Regula gelegenen Chorherrenstift Großmünster verbunden gewesen zu sein, dann sich aber von ihm abgespalten zu haben145. Im lO.Jahrhundert wurde Zürich Stadt genannt. Es bestand damals bereits ein beträchtlicher Markt, wohl beidseitig der Limmat, mit dem Recht, Zoll zu erheben und Münzen zu schlagen. Die günstige Straßenlage und die Italienzüge der Ottonenkaiser haben ihre Wirkung getan146. Aus dem 11.Jahrhundert gibt es sozusagen keine Nachrichten über die Stadt, doch wissen wir, daß die salischen Kaiser häufig hier residierten, besonders, wenn sie italienische Angelegenheiten zu regeln hatten. Die Reichsvogtci über die beiden geistlichen Stifte und die zwischen ihnen erwachsende Stadt, die die Grafen von Lenzburg und teilweise die Herzoge von Zähringen innegehabt hatten, ging beim Aussterben der Lenzburger 1173 ganz an die Zähringer über. Unter ihrer Herrschaft muß sich Zürich stark entwickelt haben. Denn zu ihrer Zeit taucht in den Quellen alle paar Jahre ein neuer Stadtteil auf141. Ebenso scheinen sie die innere Entwicklung der Stadt begünstigt zu haben. Der Einfluß der Stifte wurde zurückgedrängt. Eine kleine Gruppe von Ministerialen und Kaufleuten hatte damals besondern Einfluß auf die Bürgerschaft und bildete einen Vorläufer des im 13.Jahrhundert erscheinenden Rates. Vielleicht ist auch schon zur Zeit der letzten Zähringer die Kaiserburg auf dem Lindenhof zerstört worden. 1218, beim Aussterben der Zähringer, war es denn auch nicht die Äbtissin des von innern Konflikten zerrissenen Fraumünsters, die als Reichsfürstin die Herrschaft übernahm, sondern die Bürgerschaft148. Jedenfalls hat von nun an bis zur Königswahl Rudolfs von Habsburg stets ein Bürger die Reichsvogtei verwaltet. Im ersten Viertel des 13.Jahrhunderts iflBI nahm der sich selbst ergänzende Rat feste Gestalt an, und die größte und letzte Stadt-tjHL befestigung Zürichs im Mittelalter entstand. Nun begann die Stadt auch eine deutlich faßbare, selbständige Politik zu führen. Wirtschaftlich muß es eine Blütezeit gewesen sein. Das Wollen-, Leinen- und Gerbergewerbe, besonders aber die Seidenschleierweberei fand bis weit nach Norddeutschland, Italien, Ungarn und Polen großen Absatz149. In den Kämpfen zwischen Friedrich II. und dem Papst 1239 bis 1250 stand Zürich, wie alle Reichsfreien, auf kaiserlicher Seite. Die Stadt hat damals während längerer Zeit das Interdikt auf sich genommen und die dem Papst anhangende Geistlichkeit samt der Äbtissin aus der Stadt verbannt. 1267 arbeitete sie eng mit dem Grafen von Habsburg zusammen in der Fehde gegen die Herren von Regensberg und andere Adlige. Für Zürich ging es vor allem darum, die seinen Handel einengenden Burgstadtanlagen von Glanzenberg an der Limmat, von Uznach an der Linth usw. zu zerstören. Der Graf aber strebte darnach, den vom Rhein bis ins Toggenburg reichenden Gürtel von Besitzungen kleinerer Herren '*• largiader, Zürich 1, S.20ff. Vgl. S. 125. - Über die Entstehung von Frau- und Großmünster ist durch die anregende, stellenweise aber über das Ziel schießende Dissertation E.egloffs, Der Standort des Monasteriums Ludwigs des Deutschen, Zürich 1949, eine lebhafte Diskussion ausgelöst worden. Vgl. u.a. P. Kläui, Zur Frage des Zürcher Monasteriums, SZG 2,1952, S. 396ff. -Über die Grabungen E. Vogts, die den karolingischen Ursprung des Fraumünsters erweisen, vgl. NZZ Nr. 1372, 11.5.1957. "»Largiader, Zürich 1, S.30f.; H.Ammann, Untersuchungen Uber die Wirtschaftsstellung Zürichs 1, S.317L H. BÜTTNER, Die Anfänge der Stadt Zürich, SZG 1,1951, S. 529IT.; O. Walser, Der älteste Zürcher Stadtgrundriß, ZT 1958, S. 10ff. '*• P. Kläui, Zürich und die letzten Zähringer, Festschrift Th. Mayer 2, Konstanz 1955, S. 93/ 104. Hinsichtlich der Zerstörung der Pfalz tendierte die ältere Forschung eher auf 1262. Vgl. Largiader, Zürich 1, S.85. Largiader, Zürich 1, S.127L; H.Ammann, Untersuchungen über die Wirtschaftsstellung Zürichs 1, S.318ff.; O.Walser, in: ZT 1958, S.18ff. 208 die entstehung der eidgenossenschaft zürich, glarus und zug 209 zu durchbrechen, um seine Besitzungen in der Aaregegend mit denjenigen in der Ostschweiz zu verbinden. Diese Fehden bildeten im Grunde den Auftakt zu der von seinen Nachfolgern weitergeführten, um 1350 fast vollkommenen Einkreisung Zürichs durch Habsburg15». Als König hat Rudolf indessen nicht mehr die reichsfreienfreundliche Politik seiner Grafenzeit weiterverfolgt. Offenbar in der Absicht, auch die Reichsfreien seinem fieberhaft ausgebauten Hausbesitz einzugliedern, hat er sie meist seinen habsburgischen Hausbeamten unterstellt, schwer besteuert und auch anderweitig eingeschränkt. Zwar erhielt die Stadt von König Rudolf noch das wichtige Privileg des eigenen Gerichtsstandes, das Jus de non evocando, doch statt der bisherigen Zürcher Bürger ernannte er als Reichsvögte der Stadt auswärtige Adlige in österreichischen Diensten. Nur so ist es zu erklären, daß Zürich ein führendes Mitglied der großen Koalition der reichsfreien Städte und Länder wurde, die sich 1291 nach König Rudolfs Tod gegen Habsburg erhob. Damals, im Herbst 1291, schloß es ja ein erstes Hilfsbündnis mit Uri und Schwyz. Zürichs Angriff auf das habsburgische Win-terthur mißlang indessen, und die alsbald von Rudolfs Sohn und Nachfolger Albrecht selbst eingeschlossene Stadt mußte sich ergeben151. In Zürich führte dieser Mißerfolg zu einer eigentlichen politischen Wende. Bis in die Zeiten Bruns blieb nun die Stadt, wie nahezu alle Reichsunmittelbaren der Gegend mit Ausnahme der Waldstätte, stets österreichfreundlich. Es ist wohl auch nicht zufällig, daß nach dieser Niederlage der Zürcher Rat, der sich bis dahin ungefähr hälftig aus Rittern und Kauflcutcn zusammengesetzt hatte, eine Mehrheit von Kaufleuten aufwies. Von 1324 an war es ständig eine Zweidritteismehrheit. Es scheint sich damals ein ziemlich geschlossenes Kauflcutepatriziat gebildet zu haben. Diese Jahre sind vor allem durch die scharfe Unterdrückung jedes Versuches der Handwerker, selbständige Zünfte zu bilden, gekennzeichnet, wie sich aus den strengen Verboten des um 1300 entstandenen Stadtgesetzbuches, des sog. Richtebriefes, ergibt. Sein reicher Inhalt zeigt übrigens auch, daß Zürich eine fast völlige Freiheit der eigenen Verwaltung erreicht hatte152. Nach außen hin scheint dieses Patriziat eine vorsichtige Politik getrieben zu haben. Wie wir oben bemerkten, war vor allem die erste Hälfte des H.Jahrhunderts von einer verwirrend mannigfaltigen Bündnispolitik der Reichsstädte unserer Gegend erfüllt, der auch Zürich folgte. Stets wenn kein eindeutig übermächtiger Herrscher im Lande weilte oder der Kaiser sich habsburgfeindlich zeigte, bildete sich eine ähnliche Gruppierung der Reichsstädte, gelegentlich in Verbindung mit den Waldstätten. Sie trat wieder in den Hintergrund oder löste sich ganz auf, wenn der österreichische Einfluß überwog. Solche österreichische Perioden sind die Zeiträume von 1315 bis 1322 und von 1326 bis tief in die dreißiger Jahre. Im zweiten Zeitabschnitt ist jedoch die österreichische Macht so gewichtig geworden, daß lokale Gegenstöße nicht ausblieben. Das alte habsburgische Ziel der völligen Erfassung Südschwabens schien nahe, als Ludwig der Bayer 1330 im Zuge der Aussöhnung mit Habsburg den Herzogen von Österreich Zürich, St. Gallen, Schaff hausen und Rheinfelden verpfändete. Zürich und St. Gallen vermochten sich zwar wieder von der Verpfändung zu lä° Largiader, Zürich 1,S.85; H.E.Feine, Die Territorialbildung der Habsburger im deutschen Südwesten, S. 206 ff., 239 ff.; o. Redlich, Rudolf von Habsburg, S. 108 ff. "' Vgl. Anm. 150 u. S. 179, 183. Largiader, Zürich 1, S.87ff.; H.Ammann, Untersuchungen Uber die Wirtschaftsstellung Zürichs 1, S.322f. - Eine moderne Ausgabe des Zürcher Richtebriefes fehlt. Vgl. F. ott, Der Richtebrief der Burger von Zürich, ASG 5, 1847; H.G.Wirz, Eine unbekannte Redaktion des Zürcher Richtebriefs, Festschrift G.Meyer von Knonau, Zürich 1913. Den jüngsten Forschungsstand, auch zum Zürcher Richtebrief, gibt W.H.Ruoff, Der Richtebrief von Zürich und sein Verhältnis zur Richtebriefgruppe Konst,mz-St. Gallen-Schaffhausen, BVGSch 43, 1966, wieder. Ii' II 18 lösen und die Reichsunmittelbarkeit zu bewahren. Doch auch sie hatten sich 1333 dem österreichischen Landfriedensbund einzufügen. Unterdessen war das österreichische Netz rund um Zürich immer dichter geworden. Die Regensberger hatten ihren Besitz um Zürich an Österreich verkauft. Ähnlich war es den Eschenbachern ergangen, die schließlich noch die letzten Besitzrechte wegen der Ermordung König Albrechts verloren. Besonders schwer wog aber, daß die Habsburg-Laufenburger zu Rapperswil 1330 ihre Rechte und Besitzungen jn der March und im Wäggital von Österreich zu Lehen nahmen. Damit'war der für Zürich lebenswichtige Zugang zu den Bündnerpässen in österreichische Hände übergegangen153. Wenn wir diese Zusammenhänge übersehen und uns an die Lage Luzerns in jenen Jahren erinnern, so liegt es nahe, beim Umsturz in Zürich von 1336 einerseits soziale Spannungen und die im Mittelalter stets so wichtigen persönlich-sippenhaften Gegensätze zu vermuten, dann aber auch solche politischer Art. In Luzern und auch sonst nicht selten war ja das breite Volk damals kaiser- bzw. eidgenossen- und bettelordenfreundlich, während das Patriziat sich zu Österreich und zur hohen Geistlichkeit hielt154. Die Zunftbewegung hatte sich schon seit Jahrzehnten in den Städten am Rhein bemerkbar gemacht. 1332 erhielten die Zünfte in Straßburg einen Anteil am Stadtregiment. 1337 folgte Basel und 1342 Konstanz. In Bern sind Versuche dazu in den folgenden Jahrzehnten unterdrückt worden. Das unmittelbare, sehr weitgehend befolgte Vorbild für Zürich gab Straßburg ab, doch der Durchbruch selbst war einem bestimmten Manne, dem Ritter Rudolf Brun, zu verdanken155. Er gehörte der seit 1292 politisch immer mehr zurückgedrängten und auch wirtschaftlich ins Hintertreffen geratenen Ritterschicht Zürichs an, die er seit einigen Jahren im Rate vertrat. Die Zunftbewegung benützte er für sich und seine Standesgenossen als Mittel, um wieder zur Macht zu kommen156. Offenbar nach sorgfältigen, geheimen Vorbereitungen Bruns und seiner Anhänger stürmte die Einwohnerschaft Zürichs Anfang Juni 1336 das Rathaus, wo eben der Rat tagte. Mit knapper Not konnten die Räte entfliehen. Unmittelbar nachher beschloß die versammelte Bürgerschaft, die alte Regierung abzusetzen und Brun zum Bürgermeister und Hauptmann auf Lebenszeit zu erheben. Man schwor ihm Gehorsam bis zu seinem Tode. Aus vier angesehenen Rittern sollte dann sein Nachfolger gewählt werden. Von den 36 alten Räten wurden 12 aus der Stadt verbannt und 10 als ratsunfähig bezeichnet. Schon einen Monat später wurde die neue Verfassung, der sog. geschworene Brief, aufgerichtet. An der Spitze des Gemeinwesens stand nun der mit monarchischen Vorrechten ausgestattete Rudolf Brun. Der Rat setzte sich aus 26 Mitgliedern zusammen, 13 stellte die Konstaffel, die Gesellschaft der Ritter und Großkaufleute. Von ihnen mußten 7, d. h. gut die Hälfte, Ritter sein. Die andern 13 Räte waren die Zunftmeister der 13 Handwerkerzünfte. Die Zünfte, ein Gemeingut jener Zeit, haben Brun überlebt. Die außergewöhnliche Stellung des Bürgermeisters und der starke Anteil der Ritter am neuen Rat aber waren das beson- A. Largiader, Zürichs ewiger Bund mit den Waldstätten vom l.Mai 1351, Zürich 1951, S.4ff. Gründliche Darlegung mit reicher Lit. Etwas allgemeiner gefaßt H.Nabholz, Der Zürcher Bündesbrief vom 1. Mai 1351, Zürich 1951; H.G.Wirz, Zürichs BUndnispolitik im Rahmen der Zeitgeschichte 1291-1353, MAGZ, 36, 3, Zürich 1955, S.4ff, Diese interessante Arbeit beruht z.T. auf der älteren Untersuchung: H.G.Wirz, Zürich und Konstanz im Kampf zwischen Ludwig dem Bayern und dem Papsttum, Zürich 1912. H.G.wirz, Zürich und Konstanz, S.10, 15, 27, 41ff.; Mommsen, Eidgenossen, S.131. Vgl. S. 206. ■" largiader, Brun, S.30ff., 51ff. Gründliche Monographie über Brun, Vgl. auch PH.DOLLIN-GEr, Le patriciat des villes du Rhin superieur et ses dissensions internes dans la premiere moitie" du XIV siecle, SZG 3, 1953, S.248ff. "* Largiader, Brun, S.33ff.; H. Ammann, Untersuchungen zur Wirtschaftsstellung Zürichs 1, S. 323 ff. 210 die entstehung der eidgenossenschaft zürich, glarus und zug 211 dere, künstliche Werk Bruns, das fast gleichzeitig mit ihm wieder verschwand. Die ungewöhnliche Position Bruns gemahnt an die Stadttyrannen Italiens, wie auch die folgenden heftigen Parteikämpfe um sein System mit Innen- und Außenpartei schon von den Zeitgel nossen als italienisch empfunden wurden157. Die Verbannten wandten sich sogleich an den für Zürich wohl empfindlichsten Punkt nach Rapperswil, zu dem Grafen Johann von Habsburg-Rapperswil. Dieser war seit 1330 ganz von Österreich abhängig, war aber auch Zürich gegenüber schwer verschuldet. Hier bildeten sie unter Graf Johanns Führung das äußere Zürich, das dem innern Zürich Bruns gegenüberstand. Brun suchte sofort seine neue Stellung zu sichern, indem er sich im Frühling 1337 von Kaiser Ludwig dem Bayern die neue Verfassung in zwei Privilegien ausdrücklich gewährleisten ließ. Dann ging er zum Angriff gegen die Verbannten in Rapperswil über. Nach umsichtigen Vorbereitungen mit Gesandtschaften an alle Nachbarn, nach Rüstungen und Söldnetwerbungen, ließ er die Burg Grinau an der Linth in der March angreifen. Die Zürcher siegten nur knapp, doch Graf Johann von Rapperswil, der Anführer der Feinde Bruns, fiel. Nun griff aber Österreich ein, Herzog Albrecht II. übernahm die Vormundschaft für die Söhne des Grafen und stellte sich damit deutlich auf die Seite Rapperswils. Das hat wohl Brun zum Einlenken veranlaßt. Im November vermittelten Kaiser Ludwig und Herzog Albrecht den Frieden. Zwar mußte damals Zürich seine Pfandrechte auf den rapperswileri-schen Besitz aufgeben, doch schon bald nachher verpflichteten sich die jungen Grafen, keine Gebiete ohne Zürichs Einverständnis zu verkaufen. Und schon 1342 konnte der Bruder Rudolf Bruns von den geldbedürftigen Grafen die Höfe Pfäffikon, Wollerau und Bach am linken obern Seeufer erwerben. Herzog Otto war gestorben und Herzog Albrecht lange Zeit im Osten aufgehalten. Deshalb vermochte sich Zürichs Vormacht wieder ungestört geltend zu machen. Fast gleichzeitig hatte Zürich auch ein Burgrecht mit dem Johanniterkomtur von Wädenswil geschlossen. Damit befand sich das ganze linke obere Ufer des Zürichsees in Zürcher Hand. Der Zugang zu den Bündner Pässen war gesichert. Ja, 1343 kam gar ein enges Bündnis Zürichs mit den Rapperswiler Grafen zustande, in dem sich die Parteien im Gebiet zwischen Einsiedeln und dem Rhein, der Thür und der Aare Hilfe ^versprachen. Die Grafen mußten ihre Zürcher Schulden ausdrücklich anerkennen und die Brunsche Verfassung in Zürich garantieren158. In den folgenden Jahren suchte Brun das Erreichte durch Erneuerung alter und durch neue Bündnisse nach allen Seiten hin zu sichern, wobei er mit Vorliebe eine Garantie seiner revolutionären Verfassung in den Text einsetzte. So geschah es mit den Reichsstädten Konstanz, St. Gallen, Schaffhausen und Basel. 1347/48 scheint sogar ein Bündnis mit dem Statthalter Herzog Albrechts zustande gekommen zu sein. Der Tod Ludwigs des Bayern und die allgemeine Anerkennung König Karls IV. aus dem Hause Luxemburg brachte Zürich, Konstanz und St. Gallen schließlich auch den Frieden mit der Kirche und alsbald auch ein Privileg Karls IV. mit der Garantie der Brunschen Verfassung159. Trotz diesen Bemühungen und Erfolgen konnte aber die Außenpartei der Gegner Bruns nicht beseitigt werden. Ja, ihre Anhänger nahmen noch zu. Die Gegner Bruns außerhalb und innerhalb Zürichs traten miteinander in geheimen Kontakt, und wiederum gelang es ihnen, einen der jungen Grafen von Rapperswil, Johann, für sich zu gewinnen. Gegen das Versprechen, man würde ihn von *" Largiader, Brun, S.30ff., 47ff., 60; H.ammann, Untersuchungen zur Wirtschaftsstellung Zürichs 2, ZSG 30, 1950, S.530ff., 3, SZG 2, 1952, S.335ff. Largiader, Brun, S.64ff., 68/76; A.Largiader, Zürichs ewiger Bund mit den Waldstätten, S.8ff. "» H.G. WIRZ, Zürichs BUndnispolitik, S. 38ff., 42/44; P. Klaut, Rudolf Bruns Bündnispolitik, NZZ Nr.492, 7.3.1951; mommsen, Eidgenossen, S.150f. seinen Schulden befreien, beteiligte er sich an den geheimen Vorbereitungen für einen Handstreich auf Zürich. Diese Umtriebe wurden jedoch Brun hinterbracht. Er konnte sich auf das Ereignis vorbereiten und in der Nacht vom 23. auf den 24. Februar 1350 den Anschlag der Gegner rasch niederwerfen. Graf Johann wurde neben vielen andern Verschworenen gefangengenommen. Wie schon 1336/37, so schlug Rudolf Brun auch diesmal sofort wieder zurück, griff den Unruheherd Rapperswil an, nahm die Stadt ein und gedachte sie wohl als Pfand für den Friedensschluß zu behalten160. Doch die Grafen weigerten sich, einen Frieden zu schließen, und die Vermittlungsbemühungen der Königin Agnes in Königsfelden scheiterten. Gleichzeitig war Zürich auch aus nicht ganz durchsichtigen Gründen in eine Fehde mit Basel und Straßburg verwickelt, die ebenfalls zu einem Krieg führen konnte. Hier allerdings vermittelte Agnes mit Erfolg. In dieser nach anfänglichem Gelingen rasch sehr prekär gewordenen Lage Bruns mußte er sich nach Unterstützung umsehen. So kam es zu erneuten Verhandlungen mit den Vögten und Pflegern Österreichs und zu einem Bündnisentwurf, der hinsichtlich Hilfskreis, Hilfs-■ abmachungen und den Garantien für Brun und seine Verfassung stark den Bünden mit den benachbarten Reichsstädten der vorangegangenen Jahre glich. Doch die Bündnisfreiheit und damit die Beweglichkeit Zürichs wurde darin wesentlich eingeschränkt. Der Stadt wurde verboten, bei einer Reichs vakanz ein Bündnis einzugehen oder einen Herrn zu nehmen. Dabei waren ja gerade die Reichsvakanzen stets die Momente, die Bündnisse oder die Anrufung eines Schirmherrn überhaupt nötig machten. Zudem wurde Zürich das Verbot auferlegt, Ausburger aufzunehmen, womit das beste Mittel für Zürichs territoriale Ausdehnung getroffen wurde. Angesichts dieser Punkte und der Tatsache, daß der Entwurf von österreichischer Hand geschrieben ist, muß es ungewiß bleiben, wer diesen Bündnisschluß schließlich abgelehnt hat. War es Österreich, um von Zürich in seiner bedrängten Lage noch mehr zu erreichen, oder war es Zürich, weil ihm diese Bedingungen zu schwer waren? Gegenüber der ganzen bisherigen Literatur möchte man mit H. G. Wirz doch das zweite vermuten, da der nachfolgende Bund mit den Eidgenossen für Zürich viel günstiger war161. Jedenfalls wurde der Kampf gegen Rapperswil, der ja nicht bloß den Gegnern Bruns, sondern auch dem wichtigen Tor nach dem Süden galt, im September wieder aufgenommen. Man zerstörte Alt-Rapperswil am linken Seeufer und zwang die Bewohner der untern March, Zürich Gehorsam zu schwören. Schließlich folgte im Dezember, nach mißlungenen Vermittlungsversuchen, auch die Zerstörung von Neu-Rapperswil am rechten Seeufer, offenbar in der Meinung, damit sei das Problem ein für allemal erledigt. Mit dieser fast vollständigen Unterwerfung des Besitzes der Rapperswiler Grafen, die Lehensleute von Österreich waren, unter Zürich wurde jedoch Herzog Albrecht wieder auf den Plan gerufen. Eine so schwere Verletzung seiner Rechte nach dem Mißlingen des Bündnisses mit Zürich mußte fast mit Sicherheit zum Kriege führen. In diesem Augenblick galt es für Zürich, rasch einen andern, starken Bundesgenossen zu finden. Dafür kamen nur mehr die seit Jahrzehnten österreichfeindlichen Waldstätte in Frage, für die die guten Beziehungen zwischen Albrecht und Karl IV. ebensowenig erwünscht sein konnten wie für Zürich. Auch mußten sie ein Interesse daran haben, die wichtige Reichsstadt für sich zu gewinnen und den ungestümen Expansionsdrang Bruns, der gerade in der March dem nahen Schwyz nicht gelegen sein konnte, unter eine gewisse Kontrolle zu bringen. So ist es auf Antrieb Bruns am l.Mai 1351, vermutlich nach langen Verhandlungen, zum Bündnisschluß gekommen162. Man wird sich dabei vor Largiader, Brun, S.82H"., A.Largiader, Zürichs ewiger Bund, S. 13ff. Largiader, Brun, S.95ff.; A.Largiader, Zürichs ewiger Bund, S.15ff.; H.G.Wirz, Zürichs Bündnispolitik, S.33ff. A. Largiader, Zürichs ewiger Bund, S. 19ff., 26 ff.; H.E. Feine, in: ZRG, GA, 67, 1950, S. 240. 212 die entstehung der eidgenossenschaft der etwa von Dändüker vertretenen Annahme hüten müssen, der Zürcher Diktator habe sich nach Mißlingen aller andern Versuche, gewissermaßen in der Verzweiflung, den ihm an sich wesensfremden innerschweizerischen Demokratien in die Arme geworfen. Im Gegenteil der Regierungsaufbau der Waldstätte hatte ja damals viel Ähnlichkeit mit dem Brunschen Zürich. Und bei dem Schultheißen von Gundeldingen in Luzern dürfte es auch nicht viel anders gewesen sein10. Der Bündnistext unterscheidet sich vom Bund der Waldstätte und entspricht mehr dem damals in unserer Gegend allgemein üblichen Bündnistyp. Er ist wie alle andern ein auf eine momentane Situation zugeschnittenes Werk. Die ganze Form verrät den geübten Bündnisjuristen. Es war vermutlich der Stadtschreiber von Zürich. Der Zürcher Bund ist denn auch für alte späteren eidgenössischen Bünde zum Vorbild geworden. Das gegenseitige Hilfsversprechen wurde durch einen Hilfskreis beschränkt, der sich von der Grimsel der Aare entlang zum Rhein, dann rheinaufwärts bis zur Thür und ihr entlang bis ins Toggenburg, dann durch Graubünden über Truns und den Lukmanier bis zum Monte Piottino, der Talsperre oberhalb Faido, und von dort über das Goms bis wieder zur Grimsel erstreckte. Er entsprach ungefähr dem Zürcher Münzkreis, im großen und ganzen aber auch schon der Ausdehnung der spätem achtörtigen Eidgenossenschaft. Im Süden ist deutlich der Interessenkreis der Attinghusen und Uris zu erkennen, der ja nach Disentis, in die Leventina und ins Goms reichte. Gegenüber dem nicht zustande gekommenen österreichischen Projekt war der Hilfskreis immerhin wesentlich kleiner und sah ganz von den für Österreich wichtigen Westgebieten bis ins Elsaß ab. Der hilferufende Teil hatte, wie schon im Luzerner Bund, die Notwendigkeit einer Hilfe unter Eid zu bezeugen. Die Hilfe hatte auf Kosten des Hilfeleistenden zu geschehen. Bei Belagerungen, die ja den Eidgenossen militärisch wesensfremd waren, gingen die Belagerungsmaschinen auf Kosten des hilferufendenTeiles. Vor größern Unternehmungen hatten Unterhandlungen in Einsiedeln stattzufinden, wo auch die Schiedsgerichte bei Streitigkeiten zwischen den Vertragspartnern abgehalten werden sollten. Damit ist erstmals in einem Bunde ein fester Tagungsort für eidgenössische Angelegenheiten, die Grundlage für regelmäßige Konsultationen, «Tagsatzungen», bestimmt. Das Schiedsgerichtsverfahren ist im Gegensatz zum Luzerner und zum Dreiländerbund genau geregelt. Es ist das Vorbild für alle eidgenössischen Schiedsgerichte geworden. Jede Partei hatte zwei Richter zu stellen, die ihrerseits einen Obmann zu berufen hatten, wenn die Gefahr von Stimmengleichheit bestand. Auch die üblichen Bestimmungen über Geldschulden, Pfandsachen und Verbrechensverfolgung fehlten nicht. Besonders für Brun war wesentlich, daß beide Partner die Freiheit, weitere Bündnisse zu schließen, behielten und daß, wie schon in manchen Bünden Zürichs, die Brunsche Verfassung und der gegenseitige Besitzstand garantiert wurden. Zürich behielt sich das Reich und seine andern Bünde vor, die Waldstätte das Reich «nach altem Herkommen», wie es schon im Luzerner Bund geheißen hatte, und Luzern seine Herrschaft Österreich. Im ganzen steht so der Zürcher Bund dem Luzerner Bund näher als dem Dreiländerbund, ist jedoch gegenüber dem Luzerner juristisch feiner und klarer gefaßt und schließlich durch die besonderen Rücksichten auf Rudolf Brun gekennzeichnet. Diese Rücksichten allerdings sind dann in den Neufassungen des 15.Jahrhunderts fallengelassen worden164. zürich, glarus und zug 213 Die Sicherung gegen den drohenden Angriff Österreichs, die der Bund von 1351 im Grunde war, sollte sich alsbald bewähren müssen. Denn das Bündnis mit den Eidgenossen, den Feinden Österreichs, ließ zweifellos Maßnahmen gegen Zürich noch nötiger erscheinen als schon die Angriffe gegen Rapperswil. Herzog Albrecht erschien im Sommer 1351 wieder in den Vorlanden und verlangte in Brugg von den zürcherischen Gesandten die Rückgabe der March und Alt-Rapperswils. Da die Gesandten das ablehnten, kam es im September zu einer Demonstration starker österreichischer Truppen in der Umgebung Zürichs^ an der unter anderen auch verschiedene Reichsstädte, wie Bern, Basel, Straßburg, auf österreichischer Seite teilnahmen und wohl auch eidgenössische Scharen auf Seiten Zürichs. Diese Unternehmung, die keine eigentliche Belagerung darstellte, endete mit einem ersten Vermittlungsversuch durch Bern, Basel und die Königin Agnes. Rudolf Brun erklärte von vornherein seine Bereitschaft, sich dem Schiedsspruch zu unterwerfen, auch wenn die Eidgenossen dies nicht tun würden, und stellte dem Herzog sogar Geiseln. Offenbar muß die Lage für Zürich sehr bedrohlich ausgesehen haben. Die österreichische Hälfte des Schiedsgerichtes und Königin Agnes als Obmann gelangten zum Schlüsse, Zürich habe die March und Alt-Rapperswil wieder zurückzugeben, alle österreichischen Untertanen aus dem Bürgerrecht zu entlassen und keine solchen mehr zu Bürgern zu machen. Dasselbe wurde auch für Luzern bestimmt, welches zudem verpflichtet wurde, die umstrittene Zofinger Münze anzuerkennen. Die drei Länder schließlich sollten die österreichischen Güter in ihrem Gebiet unversehrt lassen, keine Vorstöße nach Zug, Ägeri oder ins Entlebuch unternehmen, die gräflichen Hoheitsrechte der Herzoge in Schwyz und Unterwaiden anerkennen, sich nie mehr mit österreichischen Untertanen und Gebieten verbünden und ebenfalls die Zofinger Münze annehmen. Die Verknüpfung der durchaus rechtmäßigen Ansprüche Österreichs an Zürich und Luzern mit den seit mehr als vierzig Jahren umstrittenen, faktisch längst verlorenen Rechtsansprüchen auf die Innerschweiz mußte diesen Entscheid für die drei Länder von vornherein unannehmbar machen165. Die Verhandlungen scheiterten, aber in diesem höchst kritischen Augenblick verschaffte ein Zufall den Eidgenossen Erleichterung in der Bedrängnis: Herzog Albrecht wurde durch die Nachricht vom Tode seiner Frau nach Wien gerufen. Die österreichischen Aktionen erlahmten, während sich auf der Gegenseite sofort wieder neuer Unternehmungsgeist zeigte166. Zürich und die Eidgenossen gingen gegen Ende des Jahres gegen Glarus vor, das schon lange in Kontakt mit den Nachbarn Uri und Schwyz stand und die Gelegenheit benutzte, um die österreichische Herrschaft abzuwerfen. An Weihnachten folgte ein Zug gegen Basel hin, gegen den Frühling 1352 ein Raubzug nach Schanis und einer nach Sursee. Ein österreichischer Vorstoß gegen Glarus wurde abgewiesen. Ein Angriff von Schwyz auf das österreichische Zug, das wie ein Keil zwischen Zürich und der Innerschweiz lag, mißlang fürs erste, während die Luzerner die österreichische Neu-Habsburg bei Meggen am Vierwald-stattersee zerstörten. Gekrönt wurden alle diese Unternehmungen durch den Bundesschluß mit Glarus und die Überwältigung Zugs, der alsbald auch ein Bündnis folgte. Das Land Glarus, das zum großen Teil dem Kloster Säckingen gehörte, hatte im ll.Jahr-hundert unter der Vogtei der Grafen von Lenzburg gestanden und war nach ihrem Aus- '« K. dändliker, Geschichte der Stadt und des Kantons Zürich 1, S. 147; A. largiader, Zürichs ewiger Bund, S. 27ff., 119ff. Vgl. auch A. Gloggner, Die Mitwirkung des Adels bei der Gründung und Festigung der Eidgenossenschaft, Bern 1941. A. Largiader, Zürichs ewiger Bund, S. 31 ff., 103ff.; A. Largiader, Zürichs Bund mit den vier Waldstätten vom l.Mai 1351, Zürich 1954, Faksimile-Ausgabe mit Transkription und Kommentar. Die seit Tschudi immer wieder vorgebrachte These, Konigin Agnes habe listig, gewissermaßen unbemerkt die österreichischen Vorrechte in den Vertrag schmuggeln wollen (vgl. K. dändliker, Geschichte der Stadt und des Kantons Zürich 1, S. 149f.; j. Dierauer I, S. 242), will nicht recht einleuchten. Entweder handelt es sich um ein starres Festhalten am vermeintlichen Rechtsstandpunkt oder um eine absichtliche Überspannung der Forderungen, um Zürich von den Eidgenossen zu trennen. A.Largiader, Zürichs ewiger Bund, S.46IT; mommsen, Eidgenossen, S. 153ff. A. Largiader, Zürichs ewiger Bund, S. S8ff. Vgl. S. 200. 214 die entstehung der eidgenossenschaft zürich, glarus und zug 215 sterben im Jahre 1173 offenbar in eine Reichsvogtei für Otto von Burgund, einen Sohn Kaiser Friedrich Barbarossas, umgewandelt worden. Mit dem Tode Ottos muß sie in kyburgischen Besitz übergegangen sein und fiel 1264 an Rudolf von Habsburg. Rudolf ist es gelungen seinen Söhnen zudem das Amt des säckingischen Meiers in Glarus zu verschaffen und damit die ganze Gerichtsbarkeit über das Tal in seiner Familie zu vereinigen. Die Talschaft Gla rus, welche 1289 erstmals als Gemeinschaft der Landleute von Glarus mit eigenem Siegel belegt ist, zeigteerst im 14.Jahrhundert ein politisches Eigenleben. Gegen Ende des ^.Jahrhunderts wurde Glarus mit Gaster und March zum Amt Glarus vereinigt. Im Frühsommer 1315 kämpfte noch das ganze Amt einen ziemlich heftigen Grenzstreit mit Uri durch. Es war ein mit dem Überfall der Schwyzer auf das Kloster Einsiedeln verwandtes Präludium zum Morgartenkrieg. An der Schlacht am Morgarten nahm aber nur noch das untere Amt mit Gaster und March auf österreichischer Seite teil, während das eigentliche Glarus ihr fernblieb. 1323 hören wir davon, daß Glarus zusammen mit Schwyz im Krieg gegen Habsburg stehe, und 1333 fehlte Glarus im großen österreichischen Landfriedensbunde. Es ist also in diesen Jahren erstmals zu Schwyz übergegangen. Darauf anerkannte es die habsbur-gische Herrschaft wieder eine Zeitlang, ging mit dem Bündnisschluß von 1352 ein zweites Mal zu den Waldstätten über und schloß sich ihnen im Sempacherkrieg zum dritten Mal an1". Die Stadt Zug ist eine Gründung der Kyburger aus der Zeit um 1200. Ihre Bedeutung beruhte auf dem Güterumschlag an der Straße von Zürich zum Gotthard. Die unter mannigfache geistliche und weltliche Besitzer aufgeteilte Umgebung der Stadt wurde gegen Ende des 13.Jahrhunderts von den Habsburgern mit der Stadt zum Amte Zug vereinigt. Während im Amte, besonders in der Gegend von Ägeri, wahrscheinlich Sympathien für die Waldstätte vorhanden waren, ist die Stadt im 14.Jahrhundert eher durch Feindschaft gegen Schwyz gekennzeichnet. Sie hatte offenbar verschiedene Male unter schwyzerischen Raubzügen zu leiden. 1351/52 kam es zu einem Scharmützel zwischen den Leuten von Zug und Arth. Die Stadt hat sich jedoch erst nach einer mehrtägigen Belagerung den Zürchern und Schwy-zern ergeben ws. Während das von Zürich, Schwyz und Luzern fast ganz umfaßte Zug eine nahezu wörtliche Replik des Zürcher Briefes als Bündnis erhielt, mußte das exponierte Glarus einen wesentlich ungünstigeren Vertrag annehmen. Der unter Führung Rudolf Bruns und Johanns von Attinghusen geschlossene Bund verpflichtete Glarus, überall dann und dort zu helfen, wo seine Bundesgenossen es wünschten. Glarus wurde aber nur innerhalb seiner Grenzen geholfen, wenn es die Partner für richtig hielten. Zudem war Glarus fest an diese Bestimmungen gebunden, während die andern den Vertrag nach ihrem Beheben ändern konnten. Ein Vorbehalt zugunsten der österreichischen Herrschaft fehlt169. Im Juni 1352 erschien Herzog Albrecht wieder in den Vorlanden und nahm erneut die Vorbereitungen zum Kriege gegen Zürich und seine Eidgenossen auf. Er stellte beträchtliche Mittel bereit und gewann große Adlige, wie Graf Eberhard von Württemberg, Amadeus WlNTELER, Glarus 1, S.36/91; F.stucki, Die Glarner Bundesbriefe, 1952, s.9ff. ••• R. Hoppeler, Die Anfange der Stadt Zug, ASG, NF 11, 1910; H. Koch, Die Stadt Zug und das Haus Habsburg, Zuger NW 1941, Zug 1941; H. KOCH, Das Land Zug und das Haus Habsburg, Zuger Nbl 1942; A. Renner, Zug im Bund der acht alten Orte, in: Das Buch vom Lande Zug, Zug 1952; Urkundenbuch von Stadt und Amt Zug, vom Eintritt in den Bund bis zum Ausgang des Mittelalters 1352-1528, Zug 1952ff. a.a.STEINER, Legitimität und Demokratie im alten Stande Zug, Zürcher Diss., Stans 1960, bes. S. 89ff. E.Gruber, Die Beziehungen zwischen Zug und Schwyz im 14. und 15.]ahrhundert, MHVS 53, 1959. Bundesbriefe Zug und Glarus: Nabholz/Kläui, Quellenbuch, S.19f. von Savoyen und schließlich auch Markgraf Ludwig von Brandenburg, den Sohn Kaiser Ludwigs des Bayern, den Herrn von Tirol, für das Unternehmen. Wiederum nahmen auch Konstanz, Basel, Straßburg, Bern und Solothurn am Feldzuge teil. Nochmals standen die Truppen in der Umgebung Zürichs, gelangten jedoch auch diesmal nicht zu einem entscheidenden Angriff. Streitigkeiten zwischen den Anführern hatten die allmähliche Auflösung des Heeres zur Folge, ohne daß der körperlich behinderte Herzog Albrecht etwas dagegen hatte tun können. Markgraf Ludwig suchte zwischen den Parteien zu vermitteln. Nach längern Verhandlungen wurde am 1.September in Luzern der Friedensvertrag geschlossen. Man nennt ihn nach dem Vermittler den Brandenburger Frieden. Er entspricht im wesentlichen dem Schiedsentscheid der Königin Agnes, läßt aber die nicht mehr haltbaren Ansprüche Österreichs auf gräfliche Rechte in Schwyz und Unterwaiden fallen. Jede Partei verpflichtete sich, dem Gegner während des Krieges weggenommenes Gut zurückzugeben und für zerstörtes Gut Entschädigung zu leisten. Luzern anerkannte Österreich als seine Herrschaft. Schwyz und Unterwaiden anerkannten die grundherrlichen Rechte Österreichs in ihrem Gebiet. Luzern und Zürich hatten die österreichischen Pfahlbürger zu entlassen und keine neuen Bürger mehr aufzunehmen, die zu Österreich gehörten. Die fünf eidgenössischen Orte wurden zudem verpflichtet, gemeinsam für die Respektierung des Vertrages durch die Orte und ihre Angehörigen besorgt zu sein. Der Luzerner Bund wurde von Österreich ausdrücklich anerkannt, Glarus und Zug wurden aber nicht erwähnt, womit offenbar stillschweigend ihre Bünde als dahingefallen und sie wieder als unter österreichischer Herrschaft stehend betrachtet wurden. Bis gegen Ende des Herbstes 1352 war der Vertrag durchgeführt, Rapperswil und die March an Österreich zurückgegeben, Glarus und Zug aus dem Bunde entlassen. Im März 1353 aber schloß Bern seinen Bund mit den drei Ländern. Der Brandenburger Friede wurde jedoch nicht richtig gehalten. Weder Zürich noch Luzern gaben ihre Ausburger auf, und auch Albrecht suchte einen neuen Weg, um die alten österreichischen Rechtsansprüche zu verwirklichen. König Karl IV., der sich eben mit ihm verbündet hatte, sollte sich der Sache annehmen. Er erschien im Oktober 1353 in feierlichem Aufzuge in Zürich, um mit der Stadt und den Waldstätten über ihre Rechtslage zu verhandeln. Während die österreichischen Gesandten die alten Ansprüche auf Luzern, Schwyz und Unterwaiden erhoben, legten die Eidgenossen ihre kaiserlichen Privilegien vor und wünschten deren Bestätigung. Der König anerkannte nur die unbestrittene Reichsfreiheit von Uri und Zürich, suchte jedoch im übrigen andauernd zu vermitteln. Im Frühling 1354 erschien er von neuem in Zürich, doch die Fronten blieben fest. Schließlich erklärte auch der König-den Eidgenossen den Krieg, hat ihn jedoch in der Folge auffallend lässig geführt. Im Juli begann Albrecht die Feindseligkeiten mit Verwüstungszügen, und im August erschien auch König Karl mit Truppen in der Gegend von Zürich. Es kam wieder nicht zur Entscheidung. Karl IV., dieser überaus gewandte Luxemburger, dessen Hausmacht in Böhmen lag, konnte an einer Niederwerfung der Eidgenossen und entscheidenden Stärkung Österreichs im Grunde kein Interesse haben, sondern viel eher daran, die Sache hinzuziehen und schließlich zugunsten seines geplanten Romzuges abzubrechen. Er und seine Reichstruppen zogen denn auch im September von Zürich ab, als dieses, wohl nach geheimen Verhandlungen, zum Zeichen seiner Königstreue die Reichsfahne aufgezogen hatte. Der Herzog und sein Sohn Rudolf führten aber den ergebnislosen Kleinkrieg weiter, bis schließlich Kaiser Karl im Frühsommer 1355 nach seiner Rückkehr aus Italien in Regensburg einen endgültigen Frieden vermittelte. Der Regensburger Frieden bestätigte den Brandenburger Frieden, doch mußte Zürich sich verpflichten, seine Eidgenossen wenn nötig auch mit Gewalt zur Einhaltung des Friedens zu zwingen. Der vierjährige Krieg war praktisch dort zu Ende gegangen, wo er begonnen hatte, mit der einen großen Ausnahme, daß Brun seine 216 die entstehung der eidgenossenschaft Herrschaft und sein Bündnis mit den Eidgenossen, das ein Hauptgrund für den Kampf ge wesen war, erfolgreich halten konnte. Doch war Brun dennoch keine Ruhe beschieden. Schon am 29. April 1356 schloß er mit Österreich ein Bündnis, das dem Bund mit den Eidgenossen von 1351 weitgehend entsprach dessen Hilfskreis aber vom Genfersee über den Gotthard bis zum Arlberg und von dort bis nach Straßburg reichte, also weitgehend österreichischen Bedürfnissen angepaßt war. Wiederum enthielt der Vertrag eine Garantie für die Brunsche Herrschaft. Er und andere Rittergeschlechter Zürichs, namentlich die Mülner, traten zudem noch in ein engeres Verhältnis zur österreichischen Herrschaft. Brun erhielt 1359 von Österreich ein Jahrgeld von tausend Gulden, das es aus den glarnerischen Einkünften bestritt, und Gottfried Mülner wurde zum österreichischen Vogt in Glarus erhoben. Österreich verband also geschickt das materielle Interesse dieser Herren mit der Bewahrung der stets von den Eidgenossen bedrohten österreichischen Herrschaft in Glarus. Überhaupt war Österreich damals wieder eifrig und mit Erfolg bestrebt, seine Herrschaft allenthalben zu festigen1™. Diese letzte Wendung Bruns vor seinem Tode am 17.September 1360 ist wohl nur daraus zu verstehen, daß sich damals die demokratische Bewegung auch in der Eidgenossenschaft geltend zu machen begann und Schlag auf Schlag die Herrschaft jener Magnatengeschlechter zerstörte, die den Dreiländerbund und seine Erweiterungen aufgebaut, nun aber sich überlebt hatten. Nach 1360 ist die Sonderstellung des Bürgermeisters von Zürich rasch abgebaut, und 1371 sind die Söhne Bruns aus Zürich verbannt worden. Angesichts dieser für Brun höchst gefährlichen Tendenzen und der wieder neu sich festigenden Macht Österreichs blieb Brun im Interesse Zürichs und der Erhaltung seiner Herrschaft nur diese Wendung übrig. In ihr kommt das unausweichliche Lavieren zwischen den Mächten zum Ausdruck, wie es keiner Reichsstadt unserer Gegend erspart blieb. Der Bund Berns mit den Eidgenossen von 1353 ist wohl noch mehr als derjenige Zürichs aus der momentanen politischen Lage und den momentanen Bedürfnissen der beiden im Grunde sich durchaus fremden Parteien entstanden. Es blieb denn auch jahrzehntelang bei einer überaus lockeren Verbindung, der auf beiden Seiten zahlreiche gewichtigere Verträge gegenüberstanden. In engeren Kontakt mit den Waldstätten ist Bern erst durch die Eroberung des Aargaus und die Walliser Wirren im 15.Jahrhundert gekommen. Nichtsdestoweniger war im Moment für die Eidgenossen die Rückendeckung und der Flankenschutz durch die mächtigste Stadt zwischen Waadt und Luzern gegen die österreichische Bedrohung, für Bern die Sicherung des Oberlandes, das ihm nur von der Innerschweiz her streitig gemacht werden konnte, von beträchtlicher Bedeutung171. Bern ist, wie wir gesehen haben, eine Gründung der Zähringer. An hervorragender Schutzlage in einer Aareschlinge, im Zentrum des mittleren Aaregebietes und am einzigen alten Übergang Uber die damals schiffbare Aare zwischen Thunersee und Seeland gelegen, besaß diese Stadt große Entwicklungschancen. Bern ist nicht, wie die Sage berichtet, im Leeren gegründet worden, sondern auf Reichsboden im Anschluß an die ältere Reichsburg "* A.Largiader, Zürichs ewiger Bund, S.64ff.; Mommsen, Eidgenossen, S.156ff. ■" Vgl. S. 200. Für den ganzen Abschnitt sei auf das hervorragende Werk von FeiXER, Bern I, verwiesen und auf die große Stadtchronik K. Justtngers aus dem beginnenden 15. Jahrhundert, die erste größere erzählende Quelle Berns, 217 und Burgstadt Nidegg, die ihrerseits schon römische und keltische Siedlungen zu Vorgängern hatte. Der Name Bern scheint denn auch keltischen Ursprungs zu sein. Wahrscheinlich ist der Bau der Zähringer-Stadt in mehreren Etappen vor sich gegangen. Hans Strahm setzt die erste Etappe in die Gründungszeit Freiburgs i.Ü,, also zwischen 1150 und 1170, und die zweite ins Jahr 1191, das von den Chronisten gemeldete Gründungsjahr, Es bildet den Abschluß der zähringischen Gründungsperiode, Die Zähringer-Stadt reichte bis zum Zeitglockenturm. Um die Mitte des 13. und des 14.Jahrhunderts wurden noch zwei Stadterweiterungen angefügt. Der zähringische Stadtteil zeichnet sich bis heute durch außergewöhnliche Regelmäßigkeit aus, die die ursprüngliche Hofstätteneinteilung gut erkennen laß'172- Einen Einblick in die Verhältnisse der jungen Stadt bietet das anscheinend 1218 beim Übergang Berns vom letzten Zähringer an das Reich von Friedrich II. verliehene Stadtrecht, die sog. Berner Handfeste. Der 1860 einsetzende Gelehrtenstreit um die Echtheit der Handfeste ließ es schließlich als sicher scheinen, die Handfeste sei eine Fälschung aus der 2. Hälfte des 13.Jahrhunderts. Ein neuer, scharfsinniger Versuch, die Echtheit nachzuweisen, ist im Endergebnis wohl doch mißlungen. Es scheint immerhin, daß Bern zwar nach dem klassischen Zähringer Stadtrecht von Freiburg i.B. gegründet wurde, aber schon früh ungewöhnlich weitgehende Freiheiten genoß173. Das frühe Bern hatte vor allem als Festung und regionales Zentrum Bedeutung. Der Handel kann anfänglich nicht sehr wichtig gewesen sein, denn im zähringischen Stadtgrundriß fehlt ein Marktplatz, und die Straße von Aarburg über Bern und Freiburg an den Genfersee ist erst im 14. und 15.Jahrhundert für die Kaufleute wichtig geworden174. Das Oberhaupt der Stadt, der Schultheiß, ist im 13,Jahrhundert und noch lange nachher fast immer aus den Adelsfamilien der Stadt gewählt worden, wie den Bubenberg und Ägerten, die vielleicht schon an der zähringischen Gründung bestimmenden Anteil genommen und dafür gewisse Vorrechte erhalten hatten175. Bern, das im Gegensatz zu Freiburg nach dem Aussterben der Zähringer 1218 nicht an die Kyburgcr kam, sondern ans Reich fiel, ist rasch zum eigentlichen Vertreter der Reichsinteressen und Führer der Reichsfreien im mittleren Aaregebiet geworden. 1224 ubertrug ^ H. Strahm, Studien zur Gründungsgeschichte der Stadt Bern, Bern 1935, wollte in Bern nicht mehr die 1191 gegründete, sondern eine seit früherer Zeit gewachsene Stadt sehen. Einige seiner damaligen Hauptargumente sind von M. Beck in: ZGO 51, 1937, S. 64ff,; U. Stutz in: ZRG, GA 56, 1936, S. 588ff.; P. de Zürich, ZSK 30, 1936, S. 153ff., Uberzeugend abgelehnt worden. In seinen neuern Arbeiten, namentlich in H.Strahm, Der zähringische Gründungsplan der Stadt Bern, AVB 39, 1948, S.361/90, hat er indessen einleuchtend gezeigt, daß bei Bern eine Gründung in mehreren Etappen anzunehmen ist. HAS, Karten 5, 6, 15,17. Vgl. auch P.Hofer, Ausgrabungen in Bern, Burg und Stadt im 12. Jahrhundert, NZZ Nr. 3447, 9.10.1960. - Zum Namen Bern F. Vetter in: BT 1870; F. Vetter, in: BBG 4, 1908; F.E. Weltt, in: ASG 7, 1897; P. Hofer, in: BBG 3, 1907; F. Güterbock, Zur Entstehung Freiburgs i. B., mit Seitenblicken auf Bern, Burgdorf und Freiburg i.Ü., ZSG 22, 1942, S. 185 ff. . t,J Zur ganzen Handfestenfrage vgl. die Einleitungen von F.E. welti zu Berner Stadtrechte 1 u. 2; H. Rennefahrt, Grundzüge der bernäschen Rechtsgeschichte 1, Bern 1928, u. bes. H. Strahm, Die Berner Handfeste, Bern 1953. Vgl. zu der an dieses Buch anschließenden Diskussion K.S.Bader, in: ZRG, GA 72, 1955, s. 194ff.; SZG 6, 1956; P. Zinsmaier, Zur Kritik der Berner Handfeste, ZGO 111, 1963. l"HAS, Karte 17; H. ammann, Freiburg, Bern und die Genfer Messen, Diss. Zürich 1921, S.70ff.; E. Audetat, Verkehrsstraßen und Handelsbeziehungen Berns im Mittelalter, Diss. Bern 1921; B. Baumann, Das bernische Straßenwesen bis 1798, Diss. Bern 1924, S. llff.; J.J. Joho, Histoire des relations entre Berne et Fribourg, Diss. Bern, Neuchatel 1955, S. 13ff. "• H. Strahm in: AVB 39, 1948, S. 36111. 218 die ENTSTEHUNG DER EIDGENOSSENSCHAFT bern 219 ihm Heinrich, der Sohn und Statthalter Friedrichs n., den Schutz über das Kloster Interlaken Dies ist der Anfang der politischen Beziehungen Berns zum Berner Oberland. Durch das Kloster mit seinem großen Grundbesitz wurde Bern in die Konflikte des Adels im Oberland hineingeführt und gelangte so im Laufe der folgenden hundert Jahre zur Herrschaft über das Oberland. Im Streit um das Haus Köniz, dem die Stadtkirche Bern unterstand, zwischen Augustinern und Papst einerseits, Deutschordensrittern und dem Kaiser anderseits nahm Bern von 1226 an entschieden für den Deutschen Orden Stellung. Im Kampf zwischen Kaiser und Papst seit 1239 und 1245 stand Bern naturgemäß auf kaiserlicher Seite. Das brachte die Stadt in Konflikt mit der Hauptmacht der Gegend, den Kyburgern176. In dieser Lage erneuerte Bern 1243 ein älteres, noch aus zähringischer Zeit stammendes Bündnis mit der Schwesterstadt Freiburg. Es galt offensichtlich, die gemeinsamen Interessen der beiden Städte zu wahren angesichts der seit 1218 verschiedenen, ja gegensätzlichen Herrschaft von Reich und Kyburg. Es heißt im Bündnis, wenn die eine Stadt mit der Herrschaft der andern einen Streit habe, solle die andere Stadt vermitteln. Noch stand der gemeinsame Gegensatz der Städte gegen Adel und Herrschaft im Vordergrund. Aber schon zu Ende des Jahrhunderts sollte er von der Konkurrenz der Städte um den vorherrschenden Einfluß abgelöst werden. Auch mit Avenches und Murten, dessen Bundesvertrag mit Frei-burg von 1245 noch erhalten ist, dürfte Bern ähnliche Verträge abgeschlossen haben. Bei der erfolglosen Belagerung des päpstlichen Luzern durch die Reichsunmittelbaren der Ostschweiz und aus Burgund 1250/51 erschien Bern an der Spitze seiner «Eidgenossen im Burgund». Dies sind die ersten Spuren der sog. burgundischen Eidgenossenschaft, eines lockeren Netzes von Bündnissen zwischen den Städten im Gebiete von Freiburg bis Solothurn, das in den folgenden zwei Jahrhunderten oft zerfiel und ebensooft wieder erneuert wurde. Es zeigt schon früh den Grundriß der künftigen bernischen Einflußzone177. In den Jahren des beginnenden Interregnums vermochte jedoch Bern nur mit Mühe seine Reichsfreiheit zu erhalten. 1253/54 sind die nahegelegenen Reichsfesten Laupen und Grasburg an die Kyburger gefallen. Bern, das offenbar mit den Kyburgern im Kampfe stand, nahm sich zu seinem Schutze den Landgrafen in Kleinburgund, Peter von Buchegg, zum Schultheißen und ließ sich von Wilhelm von Holland versprechen, Bern würde nie dem Reiche entfremdet. Doch das reichte nicht aus. 1255 mußten Bern und die kleine Reichsstadt Murten wie auch das Reichsland Hasli Peter von Savoyen zum Schutzherrn nehmen, und zwar für so lange, als kein Reichsherrscher mit Macht nach Basel komme178. Vor der Gefahr, von den Kyburgern überwältigt zu werden, hatte sich Bern in savoyischen Schutz geflüchtet und ist dort bis zu Peters Tod im Jahre 1268 geblieben. Ja, 1259/60 unterstützte es die savoyischen Vorstöße ins Unterwallis und ins Berner Oberland. Daß das Selbstbewußtsein der Gemeinde dabei nicht unterging, darf man daraus schließen, daß die Berner unmittelbar nach Peters Tod die Burg Nidegg, in der eine savoyische Besatzung lag, zerstörten. Doch 1263 griff Rudolf von Habsburg in den kyburgischen Erbschaftsstreit ein und beseitigte in den Kämpfen von 1265 an den savoyischen Einfluß in Kleinburgund. An die Stelle eines übermächtigen savoyischen Schutzes trat die Gefahr einer überragenden habsbur-gischen Macht. 1273 gelang es Rudolf zudem, die kyburgische Erbin Anna mit seinem Vetter Berner Stadtrechte 3, Nr. 2-4. Berner Stadtrechte 3, Nr. 5-7. Zum ganzen Bündniswesen Berns vgl. H. rennefahrt, Uber Herkunft und Inhalt älterer Schweiz. Bünde, insbesondere der älteren Bünde der Stadt Bern, ZSR, NF 64, 2, S. 173ff.; H. v. Greyerz, Nation und Geschichte im bernischen Denken, Bern 1953, S, 15ff.; H. Nabholz, Die Bundesbriefe von Bern, Freiburg und Murten, in: Aus Geschichte und Kunst, Festschrift r. Durrer, Gfr 82, Stans 1928; H. Strahm in: BGZ 1934, S. 35ff. *" J.-J. Joho, Histoire des relations entre Berne et Fribourg, S. 91 ff. Vgl. auch Anm. 180. Eberhard von Habsburg-Laufenburg zu verheiraten. Damit begründete er das von Anfang an schwache und verschuldete, auf das burgundische Gebiet beschränkte Haus Neu-Kyburg, das stark von ihm abhängig war. Noch im selben Jahr ist Rudolf König geworden. Als er 1274 nach Basel kam, hat sich Bern zwar, wie es im Vertrag mit Savoyen vorgesehen war, die Reichsfreiheit bestätigen lassen17'. Doch hat Rudolf seinen Einfluß in Burgund 1277 mit dem Kauf Freiburgs von dem Neu-Kyburger ungemein verstärkt. Er wie seine Nachfolger förderten in der Folge ihre Stadt Freiburg. Sie erhielt die Reichsburgen Laupen und Gümminen. Trotz allen noch kommenden Parteienwechseln scheint hier doch der Anfang der Rivalität zwischen Bern und Freiburg zu liegen. 1281/83 haben bernische Truppen noch an den Feldzügen Rudolfs in Burgund teilgenommen, doch in Bern wurde die habsburg-feindliche Partei immer stärker. Als Rudolf schließlich 1285 Bern und andern Reichsstädten eine stark erhöhte Steuer auflegte, verweigerte es die Bezahlung und leistete 1288 gegen zwei Belagerungen des Königs Widerstand180. Aber im folgenden Frühling gelang es dem Sohne Rudolfs, Rudolf von Schwaben, die Stadt durch eine List einzunehmen. Eine schwere Brandschatzung folgte. So nur ist es verständlich, daß sich Bern nach Rudolfs Tod sogleich der großen habsburgfeindlichen Koalition anschloß und auch den Schutzvertrag mit Savoyen wieder erneuerte. Dieser wird allerdings mit der Bestätigung und Erweiterung der Reichsfreiheit durch König Adolf von Nassau 1293 in Zürich wieder dahingefallen sein181. In jenen Jahren kam es in Bern offenbar zu innern Konflikten. Die Familie Bubenberg verschwand für längere Zeit aus dem Schultheißenamt. Vorerst trat der kyburgische Dienstmann Jakob von Kienberg an ihre Stelle. Neben dem bisher sich selbst ergänzenden Rat wurde der Rat der Zweihundert und das Wahlkollegium der Sechzehner geschaffen. Hinter diesen Vorgängen dürften ähnliche Auseinandersetzungen wie im damaligen Zürich gestanden haben, d.h. Zurückdrängung der Adelsfamilien zugunsten der großen Finanzleute und Unterdrückung des Strebens der Zünfte nach politischer Macht. Es ist einer der seltenen Momente, wo die frühe bernische Geschichte wenigstens spurenhafte Einblicke ins innere Geschehen erlaubt. Der seit dem 14.Jahrhundert immer mehr sich ausprägende Vorrang der Außenpolitik hat in Bern zur Unterdrückung nahezu jeder inneren Unruhe sowohl in der Wirklichkeit als auch in der Geschichtsschreibung und zur Kanalisierung der unruhigen Kräfte nach außen geführt182. Die schwache Herrschaft Adolfs von Nassau veranlaßte Bern, sich wieder nach allen Seiten zu sichern. 1295 wurde ein erstes Bündnis mit Solothurn geschlossen, dasjenige mit Hasli und das Burgrecht mit dem Bischof von Sitten, die als Rückhalt gegen die oberländischen Barone dienten, erneuert. Ebenso ging Bern 1297 ein Burgrecht mit Savoyen ein183. Doch kaum war Albrecht von Habsburg 1297 König geworden, gingen Freiburg, Savoyen und der ganze burgundische Adel zu ihm über. Zwar erhielt Bern seine Privilegien bestätigt, doch kam es zu neuen Feindseligkeiten gegen die Stadt, die sie anscheinend erfolgreich abwehrte. Im Frühling 1298 schloß Freiburg mit Bern einen Waffenstillstand. Damals machte Bern mit Bremgarten und dem Worblental seine ersten territorialen Erwerbungen. Da Albrecht nie in Burgund erschien, Savoyen seit 1285 in die Hauptlinie Savoyen und die Nebenlinie "• Vgl. S. 171ff.; Berner Stadtrechte 3, Nr. 10,13,15; J.-J. Joho, Berne et Fribourg, S.96ff. "• Berner Stadtrechte 3, Nr. 14, 16, 17. Über das Reichsland Hasli vgl. A. Mühlemann, Studien zur Geschichte der Landschaft Hasli, AVB 14, 1895; H. rennefahrt, Die Freiheit der Landleute im Berner Oberland, BZ, Beiheft 1, 1939, S. 54 ff. Vgl. dazu S. 174, 222. ■" Berner Stadtrechte 3, Nr. 19. 1,3 Feller, Bern I, S. 65 ff. Berner Stadtrechte 3, Nr. 20-22. Zum Bündnis mit Solothurn vgl. H. Sigrist, Solothurn und die acht alten Orte, Diss. Bern, Solothurn 1944, S. 12ff. 220 die entstehung der eidgenossenschaft bern 221 Waadt gespalten war und das Haus Kyburg nur aus zwei minderjährigen Knaben bestand blieb Bern für einige Jahre ungestört. Im April 1301 schloß Anna, die Witwe von Neu! Kyburg, für ihre Söhne mit Bern einen zehnjährigen Schutzvertrag, im Mai folgte ein neues Bündnis Berns mit Laupen, und im Oktober wurde der alte Bund mit Biel erneuert'8' Nachteilig für Bern war es zwar, daß der schwer verschuldete Walter von Eschenbach 1306 den Großteil seiner oberländischen Besitzungen und auch die Vogtei über Interlaken an König Albrecht hatte verkaufen müssen. Doch mit der Ermordung Albrechts am 1. Mai 1308 wurde Berns Handlungsfreiheit noch größer. Am 18, Mai folgte die Erneuerung des Vertrages mit Hasli, in den nun auch die Herren von Ringgenberg eingeschlossen wurden. Im September 1308 erneuerte Bern sein Bündnis mit Solothurn, dessen Geltung zwar schon 1295 abgelaufen war, das zu erneuern man aber offenbar zu Albrechts Zeiten nicht gewagt oder nicht für nötig befunden hatte. Es war ein relativ enger Vertrag mit sozusagen unbeschränkter gegenseitiger Hilfsverpflichtung. Der neue Herrscher, Heinrich VIL, kam Bern mit der Bestätigung seiner Privilegien und seinem festliehen Einzug in der Stadt am 30. April 1309 scheinbar sehr entgegen, doch in seinem Entgegenkommen nach allen Seiten und seinem steten Geldbedarf hat er Bern mehr geschadet als genützt. So war es ja eigentlich auch den Waldstätten ergangen. Er gestattete Herzog Leopold von Österreich die unbeschränkte Verfolgung der Königsmörder. Das hatte zur Folge, daß sich Habsburg auch noch der restlichen Güter des Eschenbachers und derjenigen Rudolfs von Balm im Oberland bemächtigte. 1310 verpfändete der König das Reichsland Hasli an die Freiherren von Weißenburg, Laupen an Otto von Grandson, Murten und die Grasburg an Savoyen. Diese Verstärkung des österreichischen Einflusses im Oberland mag Bern veranlaßt haben, 1311 mit den jungen Neu-Kyburgern ein enges Bündnis zu schließen. Darin verpflichteten sie sich, ohne den Rat Berns keinen Krieg zu beginnen. Kurz nachher brachen die Berner die österreichischen Ministerialenburgen Münsingen und Balm- egg18S Parallel zu diesem steten Ausbau der Bündnisverbindungen und zu den gewaltsamen Vorstößen gingen auf der privaten Ebene die unablässigen Erwerbungen von Gütern, Herrschaften, Rechten und Schuldbriefen in der nähern und weitern Umgebung der Stadt durch die führenden Adels- und Kaufmannsfamilien Berns. Diese im Laufe des H.Jahrhunderts immer deutlicher werdende Form des Gebietserwerbs war für die Entstehung des bernischen Herrschaftsgebietes von ganz besonderer Bedeutung. Ja, die privaten Vorstöße pflegten denjenigen der Stadtgemeinde fast immer voranzugehen. Schon im 13.Jahrhundert standen einige reiche Bürgerfamilien, wie die MUnzer, Wattenwil und von Krauchtal, zu denen sich später noch bedeutende Lombardenfamilien, wie die Guttueri, gesellten, nahezu gleichberechtigt neben dem Adel der Stadt. Die beiden Schichten waren durch zahlreiche Heiraten verbunden, und auch die Adligen warfen sich damals auf das für Bern so wichtige und wohl einträglichste Geschäft der Darlehen an Adlige und des Handels mit Grundstücken und Herrschaftsrechten. So bildete sich die Macht Berns zu einem guten Teil aus den Herrschaftserwerbungen seiner Rats geschlechter heran. Mit dem Aufkommen eines neuen Begriffes von Staatlichkeit im 15.Jahrhundert sollte dies dann allerdings zu schweren Konflikten, zum sog. Twingherrenstreit, führen186. Als 1313 Herzog Leopold von Österreich vom mißlungenen Romzuge Heinrichs VII. aus Italien zurückkehrte, wurde die Lage für Bern wieder schlechter. Die jungen Neu-Kyburger '■' Berncr Stadtrechte 3, Nr. 23-29. '*' Feller, Bern I, S. 10411.; Berner Stadtrechte 3, Nr. 30-36, FRB 4, Nr. 318/19. Feller, Bern i, S. 113 ff. suchten sofort wieder Anlehnung bei ihm. Bern und Solothurn verhielten sich deshalb im nunmehr beginnenden Thronstreit zwischen Ludwig dem Bayern und Friedrich dem Schönen vorsichtig neutral. Ebenso blieben sie dem Morgartenkrieg fern. Das Kloster Interlaken aber war so unvorsichtig, trotz einem Schutzvertrag mit Obwalden seine Untertanen mit Otto von Straßberg gegen die Waldstätte ausziehen zu lassen. Die Folge waren wilde Raubund Plünderungszüge der Obwaldner in die Gebiete Interlakens, die bis? 1317 andauerten. Aus dem selben Grunde schloß Bern 1318 zu seiner Sicherung einen Landfrieden mit Freiburg, Murten, Biel und Solothurn auf fünf Jahre ab. Er sollte wohl einen Rückhalt gegen die kriegerische Betriebsamkeit Leopolds bilden, der im Aargau und im Berner Oberland fortwährend an neuen Kriegsvorbereitungen gegen die Waldstätte arbeitete. Man konnte nie wissen, wen Leopold angreifen würde. Er hat ja dann auch mit der kurz nach Abschluß dieses Landfriedens begonnenen, aber bald wieder erfolglos abgebrochenen Belagerung Solo-thurns diese Koalition zu treffen versucht. Schließlich hat Bern, das 1319 mit Johann dem Altern wieder einen Bubenberg zum Schultheißen erhob und dieser Familie mit kurzen Unterbrechungen bis 1393 treu blieb, 1322 doch noch Friedrich den Schönen als König anerkannt187. Aber schon im Herbst wendete sich das Blatt wieder mit der Niederlage der Habsburger in der Schlacht bei Mühldorf. Sie hatte für Bern die bedeutsamsten Folgen. Die Brüder aus dem Hause Neu-Kyburg lagen miteinander im Streit. Die verwitwete Mutter mit ihren Liebhabern, der zur Herrschaft bestimmte Hartmann und auch der für eine geistliche Laufbahn vorgesehene Eberhard hatten alle weit über ihre Verhälthisse gelebt. Obschon die Herrschaft nicht mehr zwei Herren zu tragen vermochte, scheint der ernsthafte, gebildete Eberhard mit fortschreitenden Jahren am geistlichen Leben immer weniger Geschmack gefunden zu haben. Hartmann und die hinter ihm stehende mächtige österreichische Verwandtschaft wollten nun den mit Bern verburgrechteten Bruder mit Gewalt in die geistliche Laufbahn und zum endgültigen Verzicht auf seine Herrschaftsrechte zwingen. Dies hätte wohl den endgültigen Übergang Neu-Kyburgs und damit der ganzen weitern Umgebung Berns an Österreich bedeutet. Bei einem Besuch auf dem Schlosse Landshut wurde der Ahnungslose gefangengenommen und ihm der Verzicht mit Unterstützung Herzog Leopolds gewaltsam abgepreßt. Als die beiden Brüder etwas später, im Oktober 1322, d. h. nach der Schlacht bei Mühldorf vom 22. September, auf dem Schlosse Thun über die endgültige Fassung des Verzichtes unterhandelten, kam es zwischen den beiden zu einem heftigen Wortwechsel. Eberhard griff schließlich zur Waffe und verwundete den Bruder, worauf Eberhards Gefolgsleute Hartmann in den Schloßgraben stürzten. Die Bevölkerung Thuns belagerte Eberhard im Schloß, doch Berner Truppen haben ihn noch am selben Abend befreit und in seine Herrschaft eingesetzt. Sowohl der Brudermord als auch das entschiedene Eingreifen Berns für Eberhard gegen Habsburg-Österreich aber wäre ohne die Entscheidung von Mühldorf undenkbar gewesen. Ludwig der Bayer hat denn auch Eberhard nachdrücklich unterstützt188. Bern kaufte Eberhard Thun, Steffisburg und Sigriswil ab und gab sie ihm wieder zu Lehen. Nach diesem kühnen Griff nach dem Schlüssel zum Berner Oberland bedurfte aber Bern wiederum einer Rückendeckung gegen Österreich und einer Sicherung gegen allfällige Schwierigkeiten im Berner Oberland, die in erster Linie von den Obwaldnern herkommen konnten. Diese fand es schon unmittelbar vor Abschluß des Kaufes von Thun im ersten Bündnis mit den dtei Waldstätten vom Sommer 1323. Daß es sich um ein Bündnis für gegen- *" Berner Stadtrechte 3, Nr. 38/39; mommsen, Eidgenossen, S. 113 ff. »" B. Meyer, Der Bruderstreit auf dem Schloß Thun, ZSG 29, 1949, S. 449ff., mit reichen Literaturangaben. 222 die entstehung der eidgenossenschaft bern 223 seitige Hilfe handelte, steht fest, doch sein genauer Inhalt ist nicht überliefert. 1324 ergab sich zudem die Gelegenheit, die Pfandschaft über Laupen zu erwerben. Es war ja von Heinrich VH. an Otto von Grandson und von diesem an die Herren von Thun verpfändet worden von denen es nun Bern kaufte. Die Reichsburg Laupen wurde damit zur ersten Vogtei Berns Der Gegenzug Friedrichs des Schönen, die Herrschaft Neu-Kyburg nach dem Brudermord für ledig zu erklären und seinen eigenen Brüdern, also auch Leopold, zu verleihen, hätte Eür Eberhard und Bern sehr gefährlich werden können. Doch schon kurz nachher starb Herzog Leopold, der ja damals die treibende Kraft im Hause Habsburg-Österreich war. Der kränkliche König Friedrich allein aber bildete keine Gefahr. Nun trat Bern 1327 in den großen rheinischen Städtebund und zog auch Eberhard mit sich. Damit haben sich beidewieder mehr Ludwig dem Bayern genähert, wenn Bern ihn auch nie ausdrücklich als Kaiser anerkannt hat189. Nach Friedrichs des Schönen Tod wurde jedoch die schon lang angebahnte Versöhnung Ludwigs mit Österreich Wirklichkeit. Dies spürte man sofort auch in Berns Umgebung. Eberhard von Kyburg suchte nun wieder bei Österreich Anlehnung und schloß 1331 mit Albrecht II. von Österreich einen Sühnevertrag. Er wurde vom Herzog anerkannt, mußte sich aber zum Dienst an Österreich verpflichten. Auch schloß er ein Burgrecht mit dem österreichischen Freiburg i.Ü. Trotz diesen neuen Gefahren hat Bern seine Erwerbungen konsequent weitergeführt, und das weist deutlich auf seine zunehmende Erstarkung hin. Schuldverpflichtungen der Oberländer Herren von Weißenburg und von Thum an Berner Bürger führten zur Besetzung der Burg Mülenen und das wieder zum Krieg mit Freiburg, welches diese Adligen im Berner Oberland unterstützte. Bern mußte zwar den Vorstoß fürs erste abbrechen und einen Schiedsspruch der Königin Agnes annehmen, der alles beim alten ließ. Ja, Bern trat dem österreichischen Landfrieden bei. Aber schon 1334 wurde der alte Plan wieder aufgenommen. Im Frühling erhielt Thun seine Freiheiten bestätigt, und die Buben-berger nahmen die Feste Spiez von den verarmenden Herren von Strättligen zu Lehen. Im Frühsommer stürmten die Berner Wimmis und brachen ins weißenburgische Simmental ein. Im Juni mußten die Weißenburger Frieden schließen, die Reichspfandschaft über Hasli an Bern abtreten und in Bern Burgrecht nehmen. Hasli hatte von nun an Reichssteuer und Heerfolge an Bern zu entrichten, und Bern ernannte den Ammann von Hasli aus Leuten des Tales. Dies ist bis 1798 so geblieben. In den folgenden Jahren nahmen auch verschiedene Herren aus dem Westen der Stadt in Bern Burgrecht, so der Graf von Buchegg, der Graf von Nidau und der Freiherr von Brandis180. Es ist begreiflich, daß diese häufigen und trotz momentanen Rückschlägen erfolgreichen Unternehmungen nach allen Seiten die zahlreichen großen und kleinen Herren von Freiburg bis Solothurn in Unruhe versetzen mußten. Zudem plante damals Ludwig der Bayer im Einverständnis mit dem englischen König einen Feldzug nach Burgund gegen den ihm feindlichen Papst in Avignon, Ein Haupthindernis für diesen Zug bildete aber das starke, streng päpstlich gesinnte Bern. Die Grafen der Waadt, vonGreyerz, von Kyburg, von Neuenburg, von Nidau, die Herren von Thum, von Montenach und andere mehr taten sich zusammen. Auch die Bischöfe von Basel und Lausanne nahmen teil. Freiburg i. Ü., das als Nachbar und Schwesterstadt die Konkurrenz Berns besonders stark empfinden mußte, bildete das Zentrum der Koalition. Englische Hilfsgelder taten ihre Wirkung, und Ludwig der Bayer gab dem Unternehmen den Rechtsgrund, indem er den Grafen von Neuenburg-Valangin ""Berner Stadtrechte 3, Nr. 40-43. Vgl. auch P. Anderegg, Die Entwicklung der Stadt Thun unter bernischer Herrschaft, Thun 1964. Berner Stadtrechte 3, Nr.44-59. Vgl. Anro. 180. die Reichssteuer von Bern und Solothurn mit der Anweisung verpfändete, er solle sie nöti-r/enfalls mit Gewalt eintreiben. Nach vergeblichen Verständigungsversuchen entschieden sich die Gegner Berns im Frühling 1339 zum Krieg. Valangin begann ihn mit Raubzügen en gern. Sehr bald konzentrierten sich beide Parteien auf die Burgstadt Laupen. Bern legte eine Besatzung dorthin und ließ die Befestigung verstärken. Im Juni begannen die Feinde die Belagerung. Der Entsatz drängte. Bern führte diesen Kampf, der indirekt gegen den von der Kirche gebannten Ludwig den Bayern gerichtet war, unter Leitung seines Stadtpfarrers Diebold Baselwind mit religiöser Inbrunst. Das Entsatzheer, das sich aus Bernern und starken Zuzügen aus dem Oberland und bündnisgemäß aus den Waldstätten zusammensetzte, war mit weißen Kreuzen gekennzeichnet. Am 21.Juni, dem 10000-Ritter-Tag, zog man aus, und Baselwind ging dem Heer mit der Hostie voran. Gegen Abend kam es vor Laupen zur Schlacht. Vor dem Angriff der Ritter zogen sich die Bürger und Bauern an einen Abhang zurück. Hier empfingen sie die angreifenden Herren erst mit einem Steinhagel, um sie dann alsbald im wilden Sturm bergabwärts zu überfallen und nach schwerem Kampf zu schlagen. In der Grundanlage stimmt Laupen mit mancher früheidgenössischen Schlacht überein. Die Verluste scheinen auf beiden Seiten nicht gering gewesen zu sein151. Doch zeigte sich kein unmittelbarer Erfolg nach diesem Sieg. Erst nach langem Kleinkrieg kam durch die Vermittlung der Königin Agnes der Friede zustande, der alles beim alten ließ. Aber Berns einmal errungene Stellung war doch unerschüttert geblieben. Es ist sehr bezeichnend für das vorsichtige Vorwärtsschreiten Berns, daß es in den folgenden Jahren nicht allein das Bündnis mit den Eidgenossen verlängerte, sondern auch ein neues Bündnis mit Österreich schloß und alle seine Burgrechte und Bündnisse mit den Städten der Umgebung erneuerte. Es sicherte sich nach allen Seiten, um desto energischer im kleinen durch systematische Verschuldung adliger Herren und den Grunderwerb seiner führenden Bürger seine Macht zu erweitern. Nach dem Tode Ludwigs des Bayern anerkannte sein Gegner und Nachfolger Karl IV, sofort Berns Privilegien. Das gab neuen Rückhalt. Eine wohl von Obwalden her angezettelte Erhebung der Untertanen des Klosters Interlaken wurde 1348 von Bern als Schutzherrin rasch niedergeworfen. Die Klosterleute mußten sich verpflichten, keine Bündnisse mehr mit andern zu schließen. 1349 unternahm Bern einen erfolgreichen Angriff auf den Grafen von Greyerz, und 1350 wurde mit den Grafen der Waadt und dem Bischof von Lausanne ein Landfriedensvertrag geschlossen192. Von 1350 bis 1352 verschlechterte sich die Lage wieder. Die Belagerungen von Zürich, an denen Bern als Verbündete Österreichs teilnehmen mußte, brachten die Gefahr eines Konfliktes mit den Waldstätten und obwaldnerischer Unruhestiftung im Berner Oberland. Zudem machten sich auch im Innern Schwierigkeiten bemerkbar. Der Sturz Johanns von Bubenberg, des Schultheißen aus der Zeit von Laupen, und seine Ersetzung durch Peter von Balm im Jahre 1350 deutet darauf hin, daß wieder die großen Geschäftsleute das Übergewicht erhielten. Da aus den folgenden Jahren wiederholte scharfe Bestimmungen gegen Unruhen vorliegen, darf man annehmen, daß das Kaufmannspatriziat damals, wie schon in den 1290er Jahren, ein zweites Mal eine Zunftbewegung unterdrückte. Die latente Gefahr im Berner Oberland und im Innern mußten das Bedürfnis nach einer vertraglichen Sicherung nach Osten hin, wie man sie mit den Städtebündnissen im Westen erstrebte, noch stärker als bisher werden lassen. Umgekehrt dürften damals, zur Zeit der österreichi- ■•• F. Moser, Der Laupenkrieg, AVB 35, 1939, S. 1-174, erschöpfende Studie mit QueUen-beilagen. Populärer gefaßt ist H. MarKWALDer, Der Laupenkrieg 1339, Bern 1939. Berner Stadtrechte 3, Nr. 60; Mommsen, Eidgenossen, S. 132ff. Vgl. auch unten Anm. 206. Berner Stadtrechte 3, Nr. 61-74. 224 die entstehung der eidgenossenschaft die wirtschaftlichen verhältnisse vom 12. bis zum 14.jahrhundert 225 sehen Angriffe auf Zürich und der schwankenden Haltung Karls IV., auch die Waldstätte den Wunsch nach einem Schutz ihrer Flanke gehabt haben. So kam es nach Verhandlungen in Luzern am 6. März 1353 zu einer Verständigung und Befestigung des alten Vertrages mit den drei Waldstätten. Es wurde ein eigentliches Bündnis daraus. Auch hier geht es vor allem um Hilfspflicht und Schiedsgericht. Bei Mahnungen zur Hilfe sollten erst Verhandlungen im Kienholz bei Brienz stattfinden. Die Hilfeleistung hatten beide Parteien bis Unterseen-Interlaken auf eigene Kosten zu besorgen. Bei Zügen darüber hinaus war ein Sold von einer Turnose pro Mann und Tag zu entrichten. Bei gemeinsamer Gefahr und bei Hilfsunternehmen für Zürich und Luzern sollte jeder seine Kosten auf sich nehmen. Auch das gemeinsame Schiedsgericht tagte im Kienholz. Es bestand, wie bei den Eidgenossen üblich, aus je zwei Parteivertretern und einem Obmann, der in diesem Fall nach burgundischer Art vom Kläger zu wählen war. Ein eigentlicher Hilfskreis fehlte, und jeder Partner war ausdrücklich befugt, weitere Bündnisse abzuschließen. Die Hilfeleistung, das Schiedsgericht und der bestimmte Verhandlungsort sind im wesentlichen dem Bündnis der Eidgenossen mit Zürich entnommen. Die mangelnde Umschreibung eines Hilfskreises mit Ausnahme des Berner Oberlandes, wo die Hilfe vor allem für Bern nützlich war, und das Fehlen Zürichs und Luzerns, deren Teilnahme Bern wegen seines österreichischen Bündnisses Schwierigkeiten bereitet hätten, deuten auf eine starke Verhandlungs-stellung Berns hin. Es konnte Wesentliches erreichen, ohne allzuviel herzugeben. Immerhin sind am folgenden Tag durch drei Beibriefe zum Vertrag Zürich und Luzern wenigstens indirekt doch noch in den Bund aufgenommen worden. Die drei Waldstätte verpflichteten sich, auf entsprechende Mahnung Berns hin auch Zürich und Luzern oder auf Mahnung Zürichs und Luzerns auch Bern zur Hilfe aufzufordern. Jedenfalls hat Bern keine größeren Verpflichtungen auf sich genommen als durch die Bünde mit Österreich, Freiburg, Solothurn und den übrigen burgundischen Städten. Diese andern Bünde waren damals für Bern mindestens ebenso wichtig, wenn nicht noch wichtiger. Im früheidgenössischen Bündnisgefüge darf der Berner Bund als das direkte westliche Pendant zum Zürcher Bund gelten. Allerdings hat Bern sich die viel größere Aktionsfreiheit zu wahren gewußt als Zürich, was schon aus dem Schicksal der umstrittenen Gebiete-hier Berner Oberland, dort Rapperswil, Gaster, March und Glarus - hervorgeht. Ob Bern trotz den Beibriefen des Bündnisses 1354 an der Belagerung Zürichs auf der Seite Karls IV. teilgenommen hat, ist mindestens zweifelhaft193. Die ersten zwei Jahrhunderte bernischer Geschichte lassen trotz dem ungeheuer wechselreichen Geschehen deutlich erkennen, wie Bern dank seiner Randlage, seinem vorsichtigen Lavieren und nötigenfalls auch seiner militärischen Leistungsfähigkeit dem endgültigen Abgleiten in savoyische oder habsburgische Herrschaft entgangen ist. Der lange Thronstreit hat ihm durch wechselseitiges Abstützen auf die großen Mächte und seine wichtigsten Nachbarn erlaubt, im kleinen eine konsequente Erwerbs- und Ausdehnungspolitik zu treiben. Das Bündnis mit den Eidgenossen bildete auf Jahrzehnte hinaus nur einen Stein in diesem Spiel. Es ist schließlich geblieben, während die meisten andern bei der fortwährenden Ausdehnung der bernischen Macht sich entweder in Abhängigkeitsverhältnisse umwandelten, wie dasjenige mit Hasli, oder aber sich faktisch auflösten, weil sich der Partner aus Furcht vor Bern immer mehr an Österreich anschloß, wie Freiburg und Solothurn. ■M Berner Stadtrechte 3, Nr.75; Nabholz/Kläui, Qucllenbuch, S.24; H.Rennefahrt, Die rechtliche Bedeutung des Bundes mit Bern, AVB 42, 1953, S.7ff.; H.v.Greyerz, Nation und Geschichte im bernischen Denken, S.16ff.; E.Usteri, Das öffentlich-rechtliche Schiedsgericht in der Schweiz. Eidgenossenschaft, S.66. DIE WIRTSCHAFTLICHEN VERHÄLTNISSE IM GEBIETE DER SCHWEIZ VOM 12. BIS ZUM 14. JAHRHUNDERT Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Schweiz vor dem 15.Jahrhundert sind der spärlichen I Quellen wegen nur schwer zu erfassen. Einige wesentliche Grundzüge für die Zeit vom 12. W- bis zur zweiten Hälfte des 14.Jahrhunderts treten indessen unverkennbar hervor. 1 Im Vordergrund steht die Welle der Städtegründungen, die in der zweiten Hälfte des 1 12.Jahrhunderts mit den Städten der Zähringer begann, ihren Höhepunkt im 13.Jahrhundert erreichte und mit den beiden Habsburgerstädtchen Elgg und Bulach um 1380 ausklang. Neben den Städten aus römischer Zeit, wie Genf, Lausanne, Basel und Konstanz, und den im Laufe des Früh- und Hochmittelalters aufgekommenen Marktorten, wie Zürich, Schaffhausen, Rorschach, Solothurn, Fayerne, Vevey u.a. m., sind vom 12. bis zum 14.Jahrhundert gegen zweihundert neue Städte entstanden. Naturgemäß hatten die alten Städte und die frühesten der Gründungswelle die geographisch günstigsten Plätze vorweggenommen und damit auch die besten Entwicklungschancen. So kommt es, daß nur wenige und meist nur frühe Gründungsstädte, wie Freiburg i. Ü., Bern und Luzern, den Rahmen einer Kleinstadt sprengten. Der Großteil blieb klein, und viele von ihnen sind heute zu Dörfern herabgesunken, ja fast ein Drittel ist überhaupt wieder verschwunden. Sie lagen zu nahe beieinander und verfügten deshalb nicht über das nötige Hinterland. Es ist auffallend, daß im Alpengebiet die Städte fast völlig fehlen, obschon die offenen Marktflecken wie Glarus, Schwyz, Altdorf, Samen usw. durchaus die Größe einer Kleinstadt gehabt hätten, und daß nach 1380 bei uns keine neuen Städte mehr entstanden sind, im Gegensatz etwa zu Bayern und Württemberg. Ein Hauptgrund für beides liegt ohne Zweifel darin, daß das wehrhafte Gebirgs-bauerntum die befestigte Siedlung im eigenen Gebiet als unnötig und wesensfremd empfand, sie im Mittelland aber nach 1380 wegen der Gefahr der Verstärkung des städtischen Elementes in der Eidgenossenschaft ablehnte. Zudem hatten nach 1380 auch die führenden Stadtorte alles Interesse daran, ihre eigene Vorzugsstellung zu festigen und die Kleinstädte zurückzudrängen oder mindestens keine neuen mehr aufkommen zu lassen194. Allerdings dürfte dabei auch die gesamte wirtschaftliche Lage, wie sie im innern Leben der Städte zum Ausdruck kommt, mitgespielt haben. Nicht allein die Zahl der Städte ist im ausgehenden Mittelalter nicht mehr gewachsen, sondern mit wenigen Ausnahmen auch die Größe der einzelnen Stadt. Eine Großstadt im mittelalterlichen Sinne, d.h. eine Stadt mit 10000 und mehr Einwohnern, war im H.Jahrhundert lediglich Basel, das um 1350 die 10000 Einwohner knapp erreichte, bald aber wieder zurückfiel. Zürich, Konstanz, Bern und Freiburg haben im 14.Jahrhundert zeitweise 5000 Einwohner gezählt und gehörten damit zu den großen Mittelstädten. Daneben gab es nur wenige, die 2000 Seelen erreichten, und viele, die unter 500 Einwohnern blieben. Bei der Stagnation der Bevölkerung hat u.a. auch die Pest von 1349 mitgespielt, die stellenweise nahezu die Hälfte aller Bewohner einer Stadt ve'nichtet haben soll. Im ganzen wird man für das Gebiet der Schweiz um 1400 eine Be- 1,4 Die beste Übersicht bietet H.AMMANN, Das schweizerische Städtewesen des Mittelalters in seiner wirtschaftlichen und sozialen Ausprägung, in: Recueils de la Societe' Jean Bodin 7, La ville, 2" partie, Bruxellcs 1956, -»■ AMANN, Städtewesen; HAS, Karte 15. Vgl. auch die weitern zahlreichen Abhandlungen zur mittelalterlichen Wirtschafts- und Städtegeschichte der Schweiz von H.AM- mann. 226 die entstehung der eidgenossenschaft wohnerzahl von etwa 600000 bis 650000 Seelen annehmen dürfen und eine Dichte von etwa 25 pro Quadratkilometer im Mittelland und 10-15 in den Bergen19s. Auch was wir von der wirtschaftlichen Tätigkeit der Städte wissen, deutet in vielen Fällen auf einen Rückschritt um die Mitte oder gegen das Ende des 14.Jahrhunderts nach einem steilen Aufstieg im 12. und 13.Jahrhundert. In Schaffhausen verschwand im H.Jahrhundert das mit einem weitgespannten Fernhandel verbundene Leinwandexportgewerbe. In Zürich hat der private Reichtum in den Brunschen Wirren schweren Schaden gelitten, und das bis nach Polen und Südfrankreich exportierende Seidengewerbe ist gegen Ende des M.Jahrhunderts zurückgegangen. Ähnliches scheint sich im internationalen Handel der Stadt Basel ereignet zu haben. Im Zusammenhang mit der Pest stehen die Verfolgungen der Juden denen man den Ausbruch der Seuche zur Last legte. Mit diesen Verfolgungen begannen die damals in unsern Städten verbreiteten Wechseljuden zu verschwinden, und nur wenig später folgten ihnen auch die lombardischen Geldwechsler196. Der Aufstieg der Zünfte, d.h. der Organisationen der Handwerker mit all ihren Vorschriften für Kontrolle und Beschränkung von Produktion und Konkurrenz, zur politischen Macht und die Zurückdrängung des Kaufmannspatriziates in vielen Städten der Schweiz um die Mitte des 14.Jahrhunderts ist, wirtschaftlich gesehen, auch ein Symptom für Schwierigkeiten und für den Rückgang des internationalen Handels. Die Zünfte dürfen allerdings nicht allein wirtschaftlich verstanden werden. Es fällt z.B. auf, wie unterschiedlich die Zunftbewegung in verschiedenen Regionen auftritt. In der ganzen Nord- und Ostschweiz von Basel bis Zürich und St. Gallen ist es zur eigentlichen, vollgültigen Zunftverfassung gekommen, in Freiburg und Bern blieben die Zünfte wirtschaftlich-militärische Gebilde ohne politischen Einfluß. Die Westschweiz kannte bloß die kirchlich wohltätigen Handwerksbrüderschaften, Dieses Gesamtbild eines Aufschwunges im 12. und 13.Jahrhundert und allerlei Schwierigkeiten im 14. und noch im 15.Jahrhundert ist nicht etwa eine schweizerische Besonderheit, sondern eine Gesamterscheinung der europäischen Wirtschaftsgeschichte197. Auch in der Landwirtschaft spielten sich beträchtliche Veränderungen ab. In den Berggebieten gab es zwar schon seit frühester Zeit allenthalben Vieh- und Alpwirtschaft mit Kühen, Ziegen und Schafen, mit Zieger- und Käseherstellung. Doch nahm daneben der Ackerbau eine bedeutende Stellung ein. Im 13. und 14.Jahrhundert wurde gerade in der Innerschweiz noch bis in große Höhen hinauf Getreidebau betrieben. Diese auf Selbstversorgung eingestellte Landwirtschaft wandelte sich im Laufe des 14- und 15-Jahrhunderts zur immer einseitigeren Graswirtschaft mit Alpbetrieb, starkem Viehexport und entsprechend zunehmender Getreideeinfuhr um. Die aufkommende Geldwirtschaft und die Verbesserung der Verkehrs- und Absatzmöglichkeiten erlaubten es den Berggebieten, von der Selbstversorgung zu der ihrem Boden und Klima am besten angepaßten Bewirtschaftung überzugehen. Erst in dieser Zeit begann das «Schweizer Hirtenland» zu entstehen, das von Ammann, Städtewesen; W.Bichel, Bevölkerungsgeschichte der Schweiz, S,39ff.; HBLS 5, S.401, Artikel «Pest». Mustergültige Untersuchungen über die Bevölkerung der mittelalterlichen Schweiz sind W.Schnyder, Die Bevölkerung der Stadt und Landschaft Zürich vom 14. bis 17.Jahr-hundert, Zürich 1925, u. H. Ammann, Die Bevölkerung der Westschweiz im ausgehenden Mittelalter, Festschrift F.E.Welti, Aarau 1937. Ammann,Städtewesen; H.Ammann, Schaffhauser Wirtschaftim Mittelalter,Thayngen 1949, S.221, 314ff.; H. ammann, in: ZSG 29, 1949, S.320E; A.BÜK-KLI-Meyer, Geschichte der Zürcher Seidenindustrie, Zürich 1884; T.Geering, Handel und Industrie der Stadt Basel, Basel 1886, S.218ff.; H.Nabholz, Die Anfänge des Bankwesens in Zürich, in: Festgabe für Gottlieb Bachmann, Zürich 1944; H. ammann, Die Judengeschäfte im Konstanzer Ammann-Gerichtsbuch 1423-1434, SVB 71, 1952. Ammann, Städtewesen-. die wirtschaftlichen verhältnisse vom 12. bis zum 14.jahrhundert 227 ze]l yber die Innerschweiz bis nach Freiburg i. Ü. reichte. Mit dieser Entwicklung zum Hirtenland trat natürlich auch der Typus des kampffreudigen Hirten immer mehr in den Vordergrund, der als Krieger und Söldner der Geschichte der Schweiz seit Morgarten zunehmend seinen Stempel aufdrückte198. Im Flachland wurde die Dreifelderwirtschaft, die sich in St. Gallen schon im 9.Jahrhundert nkündigte, im 14.Jahrhundert von den selbständiger werdenden Dorfgemeinden vollends durchgesetzt. Auf dem Grundbesitz der Klöster begannen im 13.Jahrhundert die Frondienste zu verschwinden. Das bisher mit Hilfe der Fronden bewirtschaftete Land wurde eeeen Natural- und Geldzinse an die Bauern ausgegeben199. Mit der in Stadt und Land immer stärker eindringenden Geldwirtschaftwurde auch die allmähliche Geldentwertung spürbar. Im 14.Jahrhundert läßt sie sich bei uns deutlich erkennen. Der Wert des Silbergeldes nahm im Verhältnis zum Goldgulden langsam, aber dauernd ab wie man etwa in Schaffhausen und Zürich sehen kann. Aber auch die Kaufkraft des Goldguldens ging zurück. Die Warenpreise in den Städten und die Land- und Viehpreise in den Bergen, wie z.B. im Berner Oberland, stiegen ständig. Gleichzeitig stiegen aber auch die Ansprüche in der Lebenshaltung. Das hat auch bei uns zur Verarmung des Adels, der seine Einnahmen zum guten Teil in festen Geldzinsen bezog, und zu seiner Verschuldung gegenüber städtischen Geschäftsleuten, ja schließlich zum Verkauf seiner Güter an solche Stadtbürger geführt. Dieser Prozeß förderte die Entstehung eines von den Städten abhängigen Hinterlandes und hat wohl auch beim Verschwinden der großen geistlichen und adligen Grundherrschaften in den Waldstätten mitgespielt200. Neben dieser allgemeinen Entwicklung fielen indessen auch gewisse regionale Verschiebungen ins Gewicht. So war das städtische Leben in unsern Gegenden bis ins ^.Jahrhundert an die beiden einzigen großen Verkehrsadern gebunden, d.h. im Osten an die Zufahrt zu den Bündner Pässen mit Basel, Zürich, Schaffhausen, Konstanz, Rorschach und St. Gallen, im Westen an jene zu den Walliser Pässen mit Solothurn, Bern, Freiburg, Moudon, Vevey usw. Die Zentralschweiz von Basel bis Luzern hat erst von der Eröffnung des Gotthardpasses um 1200 kräftigen wirtschaftlichen Auftrieb erhalten. Mit dem Zerfall der großen Handelsmessen in der Champagne, der Verlegung der Papstresidenz von Rom nach Avignon und dem wirtschaftlichen Aufstieg des europäischen Ostens und Spaniens im 14.Jahrhundert erhielt die europäische Nordost-Südwest-Verbindung von Polen über Nürnberg und die Schweiz bis nach Südfrankreich und Spanien immer größere Bedeutung, während der Große St.Bernhard zurückfiel. Damit zusammen hängen der Aufstieg Genfs zur internationalen Messestadt, die Anfänge der Messen von Zurzach und die Belebung der Straße über Ölten, Bern und Freiburg. l" R.Bircher, Wirtschaft und Lebenshaltung im schweizerischen Hirtenland am Ende des 18.Jahrhunderts, Zürcher Diss., Lachen 1938, S.16ff.; A.Marty, Die Viehwirtschaft der Urschweiz und Luzern, insbesondere der Welschlandhandel 1500-1798, Zürcher Diss., Lachen 1951; A. Hauser, Schweiz. Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Zürich 1961, S.12fl'., 36ff.; R.weiss, Volkskunde der Schweiz, Zürich 1946, S. 104ff. Eher nur skizzenhaft ist W. Röllin, Siedlungs- und wirtschaftspolitische Aspekte der mittelalterlichen Urschweiz. Diss. Zürich 1969. Vgl. oben S. 133. o. Howald, Die Dreifelderwirtschaft im Kanton Aargau, Bern 1927, S.6ff.; M.BronhOfer, Die ausgehende Dreizelgenwirtschaft in der Nordostschweiz, Mttt.d.natutf.Ges. Schaffhausen 26, 1955-1958. Zur Dorfentwicklung allgemein vgl. K.S.Bader, Das mittelalterliche Dorf als Friedens- und Rechtsbereich, Weimar 1957, S.lff. H.Bikel, Die Wirtschaftsverhältnisse des Klosters St.Gallen, Freiburg i.B. 1914, S. 168ff.; E.Schudel, Der Grundbesitz des Klosters Allerheiligen in Schaffhausen, Zürcher Diss., Schieitheim 1936, S.96ff, 105ff. ""H. Ammann, Schaffhauser Wirtschaft im Mittelalter, S. 250L; W.Schnyder, Quellen zur Zürcher Wirtschaftsgeschichte 2, S. 1038; H. Rennefahrt, Die Freiheit der Landleute im Berner 228 die entstehung der eidgenossenschaft kulturelles leben 229 Das Ausmaß des Verkehrs über die verschiedenen Pässe festzustellen, ist in dieser Zeit noch kaum möglich. Doch weiß man wenigstens, daß die habsburgischen Zolle an den Zu fahrten zum Gotthard im 13Jahrhundert einen weit höheren Ertrag abwarfen als alle andern habsburgischen Zollstätten in unserer Gegend. Auch ist es auffällig, wie sehr sich die Bischöfe von Chur und Sitten seit dem Ende des 13.Jahrhunderts um die Verbesserung des Verkehrs über die Bündner und Walliser Pässe bemühten. Es ist anzunehmen, daß die Konkurrenz des Gotthardpasses fühlbar wurde201. In den Städten lebte neben einer kleinen Oberschicht von reichen Adligen und Kaufleuten, die stets, auch unter der Zunftverfassung, das Heft in den Händen hatte, ein überaus mannigfaltiges Gewerbe, das in der Regel den Bedürfnissen der nähern Umgebung diente Nur einige wenige Städte besaßen ein eigentliches Exportgewerbe oder internationale Handelsbeziehungen. SchafThausen und St. Gallen spielten eine gewisse Rolle im Leinwandgewerbe und Leinwandexport des Bodenseegebietes. Zürich hatte seine Seidenschleierweberei. Freiburg baute im 14.Jahrhundert eine weit herum bekannte Grautucherei auf an der die ganze Stadt teilhatte. Basel und Bern trieben weiten Fernhandel. An bedeutenden ländlichen Gewerben ist lediglich der Flachsanbau und die Flachsspinnerei und -Weberei der Bauern in der Ostschweiz zu erwähnen. Sie lieferten das Material nach Konstanz und St. Gallen, das dort gefärbt, ausgerüstet und ins Ausland exportiert wurde. Im Alpengebiet züchtete man Vieh und stellte man Käseund Leder her. Auch dieseProdukte wurden ausgeführt. Schon im 13. und 14.Jahrhundert dürfte es in den schweizerischen Städten kaum eigentliche Habenichtse, aber auch keine ganz großen Vermögen gegeben haben. So bietet die Schweiz in wirtschaftlicher Hinsicht zwar ein buntes, mannigfaltiges Bild, doch große Spannungen fehlen202. KULTURELLES LEBEN Wie in Politik und Wirtschaft ist die Epoche des 12., 13. und 14.Jahrhunderts auch in geistiger Hinsicht eine Zeit des Überganges. Gewisse Parallelen zur politischen und zur Wirtschaftsgeschichte, die allmähliche Herausbildung von Besonderheiten der schweizerischen Region, sind unverkennbar. In den bildenden Künsten allerdings wird eine derartige Entwicklung erst während des 15.Jahrhunderts deutlich. Das geistige Leben des Hochmittelalters wurde im ganzen Abendlande von der Kirche beherrscht. Bei uns war es damals das Kloster St. Gallen und das ganze Bodenseegebiet, welche das überragende geistige Zentrum bildeten und in ihren Ausstrahlungen noch weit bis ins Spätmittelalter hinüberwirkten. Zwar versiegten die großen künstlerischen und wissenschaftlichen Leistungen um 1100, doch lebte die Geschichtsschreibung und die Schreibschule des Klosters noch bis ins 14.Jahrhundert weiter. Zudem war die ganze weitere Umgebung Oberland, Bern 1939, S. 51ff.; p. Kläui, Bildung und Auflösung der Grundherrschaft im Lande Uri. Vgl. auch S. 183, 201f. Ammann, Städtewesen; H, Ammann, Die deutschen und schweizerischen Messen des Mittelalters, Recueils de la Societe Jean Bodin 5, La foire, Bruxellcs 1953; SCHULTE, Handel 1, S.169ff., 207ff. V. chomel, J, Ebersolt, Cinq siecles de circulation internationale vue de Jougne, Paris 1951. - Zurzach: H. Ammann, in: Taschenbuch der hist. Gesellschaft des Kt. Aargau 1923, 1929. Arg. 48, 1936. - Genf: F.Borel, Les foires de Geneve; H.Ammann, Freiburg und Bern und die Genfer Messen, Diss. Zürich, Langensalza 1921; J.F.Bergier, Geneve et l'economie europeenne de la Renaissance, Paris 1963. Ammann, Städtewesen. des Bodensees bis in den Aargau noch im 13.Jahrhundert von einem dichterischen Leben erfüllt wie sonst keine schweizerische Landschaft. Die drei heute maßgeblichen Handschriften des Nibelungenliedes sind im 13.Jahrhundert entstanden und stammen aus dem Besitz der Grafen von Montfort-Werdenberg im Rheintal, was für eine höchst lebhafte Teilnahme an der ritterlichen Epik jener Zeit zeugt. Rudolf von Ems, der gewandte und weit herum beliebte Epiker der ersten Hälfte des 13.Jahrhunderts, war ein Dienstmann der Montfort-Werdenberg. Er schrieb umfangreiche Epen über deutsche, französische und klassische Themen. Seine für den Stauferkönig Konrad IV. in Versen verfaßte Weltchronik, die mit 36000 Versen bis Salomons Tod gelangte, ist zu einem der beliebtesten Geschichtsbücher des Mittelalters geworden. Einer etwas älteren Generation gehörte der mit Rudolf von Ems bekannte Ulrich von Zatzikofen (Zezikon im Kanton Thurgau) an, ein Kleriker, von dem Jas weitschweifige Epos « Lancelet» nach englischem Thema erhalten ist. Auch ein guter Teil der Minnesänger unserer Gegend zwischen 1200 und 1350 entstammte dem Thurgau, z.B. Rudolf von Singenberg, Heinrich von Sax, Kraft von Toggenburg u.a.m. Ihre Lieder sind fast alle Werke guten Mittelmaßes. Hartmann von Aue aber, der Klassiker des Artusromans und der ritterlichen Legende um 1200, war möglicherweise im nördlichen Kanton Zürich zu Hause. Neben dieser alten Kulturprovinz im südlichen Schwaben traten im Laufe des 13.Jahrhunderts die beiden Städte Basel und Zürich hervor. Vom Verfasser des anmutigen Gedichtes «Flore und Blanchefleur», Konrad Fleck, der um 1220 lebte, wird vermutet, er stamme aus dem Bistum Basel. Mit einer Baslerin verheiratet, lebte in jener Stadt um 1250 Konrad von Würzburg, der zahlreiche Epen und einige Novellen und Legenden von hoher Formkunst schrieb. In Zürich sammelte sich im 13.Jahrhundert um die Ritterfamilie Manesse ein Kreis von Minnesängern, dessen letzter, liebenswürdiger Vertreter Hadlaub ist. Aus diesem Kreis gingen die prachtvollen Liedersammlungen von Heidelberg und Weingarten hervor. Dem gleichen Geiste verdanken wir offenbar auch die verschiedenen prächtigen Wappenwandmalereien des damaligen Zürich. Die Westschweiz hat in dieser Epoche, abgesehen von der provenzalisch beeinflußten Lyrik des Grafen Rudolf von Neuenburg und der schon in ein bürgerliches Zeitalter hinüberweisenden Spruchdichtung des Berners Johannes von Ringgenberg und des Fabeldichters Ulrich Boner mit seinem «Edelstein», kaum nennenswerte geistige Leistungen hervorgebracht203. Auch die kirchliche Kultur des 13.Jahrhunderts zeigt ausgesprochene Formen des Uberganges. Die klösterlichen Schreibschulen von St. Gallen und diejenigen von Einsiedeln, Allerheiligen und Engelberg, die im 12.Jahrhundert eine Blüte erlebten, sind im 13.Jahrhun-dert erloschen oder haben ihre Eigenart verloren. An religiöser Dichtung aus dem 12., 13. und beginnenden 14,Jahrhundert sind die Mariensequenz von Muri, die Marienlegende des Walter von Rheinau, das Osterspiel von Muri, welches das älteste Drama in durchgehend deutscher Sprache ist, und das mit ihm stilistisch verwandte Weihnachtsspiel aus St. Gallen zu nennen. Etwas Neues brachten nun aber die Zisterzienser im 12. und vor allem die Bettelorden der Franziskaner und Dominikaner im 13.Jahrhundert, nämlich die Mystik und ihre Pflege in der Muttersprache. Im Bestreben, die breiten Volksschichten der Städte zu errei- "3 J. BaecMtold, Geschichte der deutschen Literatur in der Schweiz, Frauenfeld 1892; S.Singer, Die mittelalterliche Literatur der deutschen Schweiz, Frauenfeld 1930; Die Manessische Liederhandschrift, Faksimile Ausgabe, Leipzig 1925/29; G.Ehrismann, Geschichte der deutschen Literatur bis zum Ausgang des Mittelalters, 2.A., München 1932ff.; P. Rück, Zur Basler Bildungs-geschichtc im 12.Jahrhundert, FG 52, 1963/64. - Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasser-lexikon, Berlin 1933-1955. 230 DIE ENTSTEHUNG DER EIDGENOSSENSCHAFT KULTURELLES LEBEN 231 chen, predigten die Bettelmönche deutsch, und für die unter ihrer Obhut stehenden zahlreichen Frauenklöster übersetzten sie die kirchlichen Texte. Denn die Klosterfrauen aus adligen und immer mehr auch aus bürgerlichen Familien waren zum größten Teil des Lateins unkundig. Mit einem kaum mehr vorstellbaren Erfolg hielt der Franziskaner Berthold von Regensburg im Gebiete der Schweiz 1255/56 seine Volkspredigten in deutscher Sprache, Eine deutsche Übersetzung der Benediktinerregel ist für das zu Engelberg gehörende Fraueti-kloster entstanden. In den Frauenklöstern der Bettelorden, namentlich bei den Dominikanerinnen von Katharinental bei Dießenhofen am Rhein, von Töß bei Winterthur und von Ötenbach bei Zürich las man Texte mystischer Frömmigkeit auf deutsch, sang man deutsche geistliche Lieder und tat man sich auch durch eigene literarische Leistungen hervor. Die Tößer Nonne Elsbeth Stagel, die Tochter eines Zürcher Ratsherrn, verfaßte gegen 1350 die schwärmerische Biographie ihres geistlichen Beraters, des Konstanzer Predigers Heinrich Suso, und eine höchst interessante Sammlung von Lebensbeschreibungen von Tößer Schwestern aus den Jahren 1250 bis 1350. Sie berichtet eindrücklich von den schweren Kasteiungen und der mystischen Verzückung der Schwestern. Sie selbst gehörte schon einer milderen, sentimentaleren Generation an. Verwandt damit, doch weniger lebensnah sind die Schilderungen von Klosterfrauen aus Katharinental. In Basel wirkte damals Johannes Tauler (gest. 1361), der bedeutendste Schüler Meister Eckharts, ein Prediger von mächtiger Wirkung. Seine Mystik hatte für die Laienfrömmigkeit große Bedeutung. Auch Nikolaus von Flüe stand noch unter ihrer Wirkung204. Es sind im wesentlichen dieselben Kreise, die bei uns seit der 2. Hälfte des 13.Jahrhunderts das Deutsche als Urkundensprache an der Stelle des Lateins zunehmend zu verwenden begannen: die Klöster der Bettelorden in den Städten, die Frauenklöster und dann immer mehr auch die städtischen Kanzleien. Mit dem Aufstieg der neuen bürgerlichen Schichten, die des Lateins unkundig waren, mußten auch die Rechtsgeschäfte auf deutsch niedergeschrieben werden205. Die Chronistik des 12., 13. und beginnenden 14.Jahrhunderts gehört noch ganz der Welt der Klöster an und denkt im großen Rahmen von Reich, Kirche und habsburgischen Fürsten, neben denen gerade noch etwa die nächstliegenden Ereignisse der Gegend zur Sprache kommen. Die Cappella Heremitarum, die Geschichte Einsiedeins in Versform, die der Konventuale Rudolf von Radegg um 1320 verfaßte, stammt aus diesem Bereich. Für uns ist das Werk deshalb besonders interessant, weil Rudolf den Überfall der Schwyzer von 1314 anschaulich beschreibt. In der Geschichtsschreibung des 14-Jahrhunderts überwiegen sonst die Bettelmönche und fürstlichen Hof beamten. Im Rahmen einer Weltchronik schildert in der sog. oberrheinischen Chronik vermutlich ein Basler Weltgeistlicher eine überquellende Fülle von Einzelereignissen aus unserer Gegend. So tut es auch der Franziskaner Johannes von Winterthur, der Chronist der Schlacht am Morgarten, zu Beginn des 14.Jahrhunderts. Das eigentliche große Thema der hochmittelalterlichen Geschichtsschreibung ist bei ihm schon verblaßt, und noch ordnet kein neues Thema, wie etwa die Geschichte einer Stadt, den Stoff. Ähnlich verhält es "* Vgl, Anm.201. A. Bruckner, Scriptoria mcdiiaevi helvetica, Textbände 3,5,6,8, Genf 1938(F.; H.Grundmann, Religiöse Bewegungen im Mittelalter, Berlin 1934; H.Grundmann, Neue Beiträge zur Geschichte der religiösen Bewegungen ini Mittelalter, AKG 37, 1955; W.Muschg, Die Mystik in der Schweiz 1200-1500, Frauenfeld 1935. J" J. BOESCH, Das Aufkommen der deutschen Urkundensprache in der Schweiz und seine sozialen Bedingungen, Diss., Zürich 1943; R. Newald, Das erste Auftreten der deutschen Urkunde in der Schweiz, ZSG 22, 1942, S. 489ff.; B. Boesch, Untersuchungen zur alemannischen Urkundensprache des 13. Jahrhunderts,' Bern 1946, S. 23/32. sich mit Mathias von Neuenburg, einem Beamten der Bischöfe von Basel und Straßburg, dessen um die Mitte des 14. Jahrhunderts verfaßte Chronik vorwiegend um Basel und Straßburg kreist, So steht es auch bei Heinrich von Dießenhofen, einem Geistlichen aus der engsten Umgebung der österreichischen Herzoge, der 1376 starb. Aus seinem Plan, dj» Weltchronik desTolomeo von Lucca weiterzuführen, wurden unversehens bunte, formlose Annalen über die Vorgänge am Papsthof zu Avignon und die Tätigkeit des habsburgischen Hauses in den Vorlanden. Nun begann man sich aber in den eidgenössischen Orten angesichts der eigenen Erfolge auch zunehmend auf sich selbst zu besinnen. In Zürich ist es die im Auftrag Schultheiß Mülners um 1380 geschriebene kurze Geschichte der Herrschaft Rudolf Bruns, in der Brun als ein göttliches Werkzeug zu Nutz und Ehren Zürichs erscheint. Hier liegen erste Keime der Geschichtsschreibung der eidgenössischen Orte, die dann im ausgehenden 15.Jahr-luindert ihre höchste Blüte erleben sollte206. Das deutlichste Zeichen eines Umbruches, einer neuen Zeit, gibt aber die politische Dichtung. Die frühesten politischen Volkslieder aus unserer Gegend sind wohl diejenigen über das Verhältnis von Freiburg und Bern aus der Mitte des 14.Jahrhunderts, Das eine vergleicht die beiden Städte mit zwei einträchtiglich pflügenden Ochsen, so wie es im 13.Jahrhundert gewesen war. Das andere entspricht der veränderten Situation von 1331/32, als Bern und Freiburg im Gümmenenkrieg zusammenstießen. Es schildert die Freiburger als Jäger, die den Adel wie bissige Hunde auf den Berner Bären hetzen. Schon über unsern Zeitraum hinaus reichen das Näfelser Schlachtlied und die starke Entwicklung des politischen Volksliedes nach der Schlacht bei Sempach207. Natürlich erhebt sich auch die Frage nach den kulturellen Leistungen der Innerschweiz. Und da stoßen wir, abgesehen von den Klöstern, auf die ganz andere Welt der Hirten und Ciebirgsbauern. Ihr Feld ist die Sage und das Brauchtum. Andere Leistungen sind hier vor der Mitte des 15.Jahrhunderts kaum zu erkennen. Heimsuchezüge, Mummenschanz und Totenkult sind da zu Hause, wie es uns Rudolf von Radegg angesichts des Schwyzer Zuges gegen Einsiedeln erstmals schildert. Hier lebt die altdeutsche Heldendichtung fort, wie etwa das Näfelser Schlachtlied und anderes mehr zeigt. Hier blühen aber auch die unzähligen Sagen, welche nur gute Bauern und böse Hexren, besonders Zwingherren auf Burgen, und viele Dämonen und Geister kennen. Vom Staat und von Behörden ist in ihnen kaum die Rede, höchstens von angesehenen Geschlechtern, die die Bauern in ihren kriegerischen Unternehmungen anführen208. So wie in der politischen Geschichte werden also im 13. und 14.Jahrhundert auch auf dem Gebiete des Geistes die großen Gebilde und Grundformen des Hochmittelalters in eine bunte Mannigfaltigkeit aufgelöst, die bei uns erst von der Mitte des 14.Jahrhunderts an von den einzelnen, an Selbstbewußtsein zunehmenden eidgenössischen Orten her wieder ein Leitmotiv vorwiegend politischer Art erhalten. a0Q Vgl. die in den Literatur-Übersichten genannten Chroniken. G. v. WYSS, Geschichte der Historiographie in der Schweiz, S. 73ff.; R. Feller, F.. Bonjour, Geschichtsschreibung der Schweiz 1, Basel 1962; H. v. Greyerz, Nation und Geschichte im bernischen Denken, S. 26ff. Vgl. dazu auch Eidgenossen, Kaiser und Reich, S. 64 ff. Hieher würde auch der Bericht über die Schlacht bei Laupen, «Conflictus apud Loupon», gehören, der bisher als bernisches Werk des 14.Jahrhunderts galt, neuerdings aber als Entlehnung aus Justinger von 1475 aufgefaßt wird. Vgl. H. strahm, in: Festgabe Hans von Greyerz, Bern 1967, S. 101 ff. H.v.Greyerz, Nation und Geschichte im bernischen Denken, S.34L Vgl. Anm.206. M.Wehrli, Das Lied von der Schlacht bei Näfels, SZG 9, 1959, S.206A'. H.fehr, Das Recht in den Sagen der Schweiz, Frauenfeld 1953; H.G.Wackernagel, Altes Volkstum der Schweiz, Hasel 1956. V. Schlumpf, Die frumen edlen puren, Diss. Zürich 1969. 232 DIE ENTSTEHUNG DER EIDGENOSSENSCHAFT DIE EIDGENOSSENSCHAFT UM DIE MITTE DES 14.JAHRHUNDERTS 233 DIE EIDGENOSSENSCHAFT UM DIE MITTE DES 14. JAHRHUNDERTS Wenn man sich Rechenschaft darüber ablegen will, was die Eidgenossenschaft um die Mitte des 14.Jahrhunderts eigentlich war, hat man sein Augenmerk vor allem auf jene Zeit selbst zu richten und von der späteren Entwicklung abzusehen, die damals niemand voraussehen konnte. Die werdende Eidgenossenschaft gehört in die Welt der Städtebünde und Bündnisgruppen des Spätmittelalters, die in jener Zeit schwindender Königsgewalt und rasch wechselnder Herrscherfamilien, der großen wirtschaftlichen und geistigen Wandlungen, zum Selbstschutz und zur Sicherung des Friedens häufig entstanden und auch wieder untergingen, wie die oberrheinischen Städtebünde, oder sich in Abhängigkeitsverhältnisse umwandelten, wie die burgundische Bündnisgruppe um Bern. Die frühe Eidgenossenschaft bildete ein lockeres Bündnisgeflecht ohne besonderen eigenen Namen. Ihr Hauptziel, wie das anderer Bündnisse jener Zeit, war vorerst die innere Friedenssicherung und die Bewahrung der noch jungen, gefährdeten Reichsfreiheit der Partner. Schon mit der Angliederung von Unterwaiden und dann vor allem mit derjenigen von Luzern, Glarus und Zug hat sie aber auch auf österreichischen Besitz übergegriffen. Darin kündigt sich wohl doch schon das später so entscheidend werdende aggressive, ja revolutionäre Element an. Ihre Besonderheit gegenüber allen andern derartigen Bündnisgruppen beruhte auf der gleichberechtigten Verbindung von Gebirgsland und Stadt, darauf, daß ihr Kern das besonders enge, einungs-artige Bündnis der drei Reichsländer in den Alpen bildete, um das die viel lockereren Bünde mit den Städten sich reihten. Die konsequente Ablehnung der habsburgischen Ansprüche durch die Waldstätte und ihre im Flachland noch kaum beachtete, alle paar Jahre stoßweise zum Ausbruch kommende militärische Kraft stellten den festen Pol inmitten der von Moment zu Moment wechselnden Interessen der Städte dar209. Die Geltung in der Welt erhielt diese Bündnisgruppe aber durch das Ansehen und das wirtschaftliche und territoriale Gewicht der Städte Luzern, Zürich und Bern, hat doch z.B. Johannes von Winterthur die Eidgenossenschaft beim Eintritt Luzerns, Mathias von Neuenburg erst beim Eintritt Zürichs als Confederati richtig wahrgenommen und erwähnt210. Überall sonst endeten Bündnisse zwischen Städten und Landgebieten mit der Unterwerfung des Landes unter die Stadt, z.B. bei Bern und Hasli, bei der Valsesia und Vercelli oder bei den Tessintälern und Como und Mailand. Wenn sich in diesem einzigen Beispiele das Gleichgewicht zwischen den beiden Gruppen erhielt, so sollte es doch schwersten Belastungsproben unterworfen werden, ja nach Jahrhunderten schließlich vom Übergewicht der Städte abgelöst werden. Es ist wohl weniger die Verschiedenheit der Staatsform, die damals zwischen Stadt und Bergtal trennend gewirkt hat, als die Unterschiede in Brauchtum und Kultur. Das demokratische Element, das von der zweiten Hälfte des M.Jahrhunderts an so entscheidend werden sollte, trat vorher, abgesehen von der Zünftebewegung in einigen Städten, nur schwach in Erscheinung. Die Eidgenossenschaft dieser Frühzeit ist im W-r nteil sowohl in den Städten als auch in den Ländern durch die oligarchische Herrschaft ■ ' er Gruppe führender Familien, ja zum Teil durch die geradezu monarchische Stellung ^inzelner Personen gekennzeichnet, die seit der Mitte des 13.Jahrhunderts die Politik der 'vteenössischen Orte bestimmt haben. Hier brachten erst die Ereignisse seit 1360 eine Wand-T a Viel mehr dürfte sich die ritterliche und kaufmännische Kultur der Städte von dem rauhen, urtümlich-kriegerischen Hiltenbrauchtum der Bergtäler unterschieden haben. Nicht umsonst hat ein gelehrter Städter, wie Felix Hemmerli zu Anfang des 15.Jahrhunderts, die Innerschweizer als wilde Barbaren empfunden. Zur Festigung des vorerst so lockern Zusammenhanges der Orte trugen vor allem die eemeinsamen Gegner und die häufigen Schiedsgerichte über gemeinsame Streitfragen bei, die ja oft an fest bestimmten Tagungsorten wie Einsiedeln oder Kienholz zusammentraten. Sie sind der Keim der spätem Tagsatzungen211. Von einer Loslösung vom Reiche ist noch keine Rede. Von der Reichsfreiheit ausgehend, bildeten sich die eidgenössischen Orte im ständigen Gegensatz zu Habsburg allmählich zu einer Gruppe von winzigen Territorialstaaten aus, d. h. von Staatsgebilden, wie sie damals im Reiche allgemein entstanden. Ihre Entstehung lockerte den Reichsverband, doch sprengte sie ihn nicht. Auch die eidgenössischen Orte haben trotz ihren eigenen politischen Zielen und ihren Schwenkungen zum Kaiser hin und vom Kaiser weg nicht etwa auf die Vorstellung vom Reich als eines großen christlichen Überstaates und vom Kaiser als des obersten Schirmherrn der Christenheit, von dem alles Recht ausging, verzichtet, und sie haben ihre eigene, sich entwickelnde Staatlichkeit immer wieder und noch auf lange hinaus durch kaiserliche Privilegien legitimieren lassen212. »" E. Usteri, Das öffentl.-rechtl. Schiedsgericht in der Schweiz, S. 326 rT. Mommsen, Eidgenossen, passim. Über die innere Struktur der Waldstätte und ihres Bundes vgl. S. 192. B. Meyer, Freiheit und Unfreiheit in der alten Eidgenossenschaft, VF 2, 1953, S. 123ff. 310 Mathias v. Neuenburg, hg. v. A.Hofmeister, S.461; Joh. v. Winterthur, hg. v. f.baethgen, S.126. 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