Beiträge zur Geschichte Nidwaldens Heft 44 Herausgegeben vom Historischen Verein Nidwaiden Redaktion: Hansjakob Achermann, Carl G. Baumann, Marita Haller Das Stanser Verkommnis Ein Kapitel eidgenössischer Geschichte neu untersucht: Die Entstehung des Verkoramnisses von Stans in den Jahren 1477 bis 1481 Ernst Walder Dieses Werk wurde publiziert mit Unterstützung des Regierungsrates Nidwaiden und der Jensen-Stiftung Verlag: Historischer Verein Nidwaiden Stans 1994 Auslieferung: Historischer Verein Nidwaiden, c/o Staatsarchiv 6370 Stans 12 Bericht Der Ablauf der Ereignisse 13 den Zeile verursacht wurde. Im Originaltext ist die Rede von einem «gemeinen, erlichen und zimlichen pund»27. Doch wichtiger als diese Korrektur des Lesefehlers ist etwas anderes. Anlass zur Kritik an der Verwendung der Textstelle gibt vor allem die Tatsache, dass sie völlig losgelöst aus dem Zusammenhang, in dem sie steht, gebraucht wird: losgelöst erstens aus dem Kontext des Dokumentes vom 28. Oktober 1481 und losgelöst zweitens aus dem grösseren Zusammenhang, in welchem dieses selber steht, das heisst den Verhandlungen, die seit Ende 1477 zwischen den Länder- und Städteorten wegen des Burgrechts geführt wurden, Verhandlungen, bei denen es nicht um die grundsätzliche Frage einer Bundesreform ging28, sondern ganz konkret darum, wie der zwischen den drei Ländern Uri, Schwyz, Unterwaiden einerseits und der Stadt Luzern anderseits entstandene Konflikt beigelegt werden solle oder könne (Rechtsverfahren mit Rechtsentscheid oder gütliche Ubereinkunft), schliesslich um eine Ersatzlösung für das vor allem von Bern mit Gründen eines allgemeinen eidgenössischen Interesses verteidigten Burgrechts, um eine allseitig annehmbare Regelung, welche den Ursachen, die zum Abschluss des Burgrechts geführt hatten, Rechnung trug und es so den Städten ermöglichen würde, ihr Sonderbündnis aufzugeben. Dabei ist bei den verschiedenen sich folgenden Vorschlägen je weilen zu fragen, wie weit es sich um ernst gemeinte Alternativen und wie weit um taktische Mittel zur Durchsetzung bestimmter anderer, für den Urheber vorrangiger Ziele handelte. Was mit dem im Abschied vom 28. Oktober 1481 vorgeschlagenen «gemeinen, ehrlichen und ziemlichen Bund» tatsächlich gemeint war und welchen Sinn dieser Vorschlag hatte, ergibt sich allein aus der ganzen, mit dem Saubannerzug 1477 beginnenden Entstehungsgeschichte des Stanser Verkommnisses und des das Ver-kommnis ergänzenden Bundes mit Freiburg und Solothurn. Der Ablauf der Ereignisse von 1477 bis 1481 im einzelnen: Revision überkommener Vorstellungen von den Hauptvorgängen i 1. Der Kolbenpantierzug (sogenannter «Saubannerzug») von 1477 ^ « ... mit einer kolbenpaner... » \ Das Panner, welches die Gesellen vom torechten Leben im Februar 1477 auf , ihrem Kriegszug in die Westschweiz mitführten, soll nach hartnäckig sich ! behauptender Meinung noch erhalten sein, aufbewahrt im Historischen Museum I in Zug. Das «Schweizer Fahnenbuch» gibt eine farbige Reproduktion29, auf wel- che das «Handbuch der Schweizergeschichte» bei Erwähnung des Saubannerzuges verweist30. Sie zeigt einen Narren mit der Narrenrute in der Hand und ihm zugekehrt eine Muttersau mit drei Frischlingen, denen der Narr aus einem Sack j Eicheln hinstreut31. Dieses Panner ist nach den Untersuchungen von Hans Koch bis 1775 Gesellschaftsfahne, Wahrzeichen des «Grossen allmächtigen und unüberwindlichen Rates von Zug» gewesen32. Strittig bliebe nach Hans Koch bezüglich seiner Verwendung im Jahre 1477, «ob das Zuger Saubanner für diesen Auszug extra angefertigt war, oder ob es das Feldzeichen des "Grossen allmächtigen Rathes von Zug" war», was sich nicht genau beweisen lasse33. Doch schon die in Kochs früherer Arbeit über den Grossen allmächtigen Rat veröffendichten Aktenstücke, vor allem Wickarts 1666 verfasste «Historia von dem Wielantz-Pan-r ner, vor altem genannt Kolben-Panner», und die Abbildung des 1591 vom Schrei- ber Paul Stocker gezeichneten Wielants-Panner (mit zwei aufrechtstehenden Sauen) lassen es mehr als zweifelhaft erscheinen, dass jenes in Zug aufbewahrte Saubanner das Feldzeichen der Gesellen vom torechten Leben gewesen ist. Vor ( allem aber widersprechen alle zeitgenössischen Zeugnisse dieser Annahme. Die- bold Schilling, der den Anmarsch der Heerschar auf Bern und ihren Einzug in die Stadt als Augenzeuge miterlebt hat, berichtet darüber, dass sie mit einem Panner gekommen seien, «daran was ein kolben und ouch ein eber gemolet»34. Sechs Illustrationen in der amtlichen Fassung seiner Chronik stellen das Panner entsprechend dar: in der Mitte, senkrecht stehend, eine Keule, vor ihr ein Eber, der Fahnenstange zugewendet, also in Marschrichtung angreifend sich vorwärts bewegend; Keule und Eber weiss auf blauem Grund35. Damit übereinstimmend j beschreibt der Basler Kaplan Johannes Knebel in seinem Diarium das Panner, Vierter Abschnitt des Originals des Berner Abschiedes, zweite und dritte Zeile (STA Bern: Eidgenössische Abschiede B, S. 184). Im Solothurner Abschied des Tages vom 28. Oktober 1481 steht an der betreffenden Stelle unzweideutig «Erheben» (STA Solothurn: Abschiede Band 0, S. 277). Zur Problematik der Eundesreform mit «zentralistischer Tendenz», welche die Städteorte 1477 bis 1481 angestrebt hätten, vgl. die kritischen Ausführungen von Domeisen, Schweizer Verfassungsgeschichte, S. 46ff, Der Interpretation des Dokuments vom 23. Oktober 1481 (S, 53f.) kann nicht in allen Teilen zugestimmt werden. Hinsichtlich der Frage, was mit dem vorgeschlagenen «gemeinen Bund» gemeint war, führt eine sämtliche Verkommnis- und Bundesentwürfe sowie deren Entstehung berücksichtigende Analyse zu einem anderen Ergebnis. Bruckner, Fahnenbuch, Tafel 26. schaufelberger, Spätmittelalter, S. 327. Siehe Dokumentation S. 119, Abb. 12. Sie zeigt das legendäre Saubanner, das im Museum Burg, Zug, aufbewahrt wird. koch, Der «Grosse allmächtige und unüberwindliche Rat», s. 3-24; S. 17f.: «Das Ende des Sau-panners». Koch, Zug, S. 54. Dokumentation s. 117, Uberschrift von Kapitel 338. Dokumentation S. 123ff, Abb. 13, 15, 17, 19, 21, 22: Besammlung der Gesellen vor Zug, Die Gesellen vor Luzern, Einzug in Burgdorf, Einzug in Bern, Vor Freiburg, Heimkehr durch Bern. 14 Beriebt 3 Die Besammlitng der Gesellen im «torechtigen Leben» vor Zug. Detail aus einer Illustration aus der amtlichen Ausgabe der Berner Chronik des Diebold Schilling (Hs. B). f Der Ablauf der Ereignisse 15 allerdings mit umgekehrter Zuordnung der Farben: «[.,.] fecerunt banneriolum album, in quo fuit depictus unus porcellus et fustis, vulgariter ein kolb, glauci , coloris»36. Eine gleichsam amtliche Bestätigung dieser Darstellung des Panners findet sich in den Freiburger Seckeimeisterrechnungen, in denen eine Auslage von 52 Schilling für Jean Giron vermerkt ist, der den bis Lausanne vorauseilenden Gesellen nachgeschickt worden war: «tramis appres les compaignions dez allies, 1 qui menarent lenseignie du puor et de la masse, lequel fust jusqua Lausanne» («puor», in der älteren Bedeutung von sanglier, und «masse», die Matze)37. Schilling nennt die Matze an erster Stelle: «ein kolben und ouch ein eber». Die Keule, mit ihrem Symbolgehalt, war wichtig. Alle Zeugnisse bis ins 16. Jahrhundert spre- 1 chen denn auch nie vom Saubanner, sondern stets nur vom Kolbenpanner38. Seine Bedeutung musste gerade in Bern bekannt und in Erinnerung sein - der Fall des Hänsli Schumacher nämlich, eines Bauern aus Brienz, der 1450/51, kurz nach den Unruhen des «Bösen Bundes» im Oberland, gegen wirklich oder vermeintlich begangenes Unrecht zur Selbsthilfe griff und diese unter dem Zeichen des Kolbens, der Matze organisierte. In einer der Kundschaften wird erzählt, wie Schumacher zum Zeugen, Ueli Schilt, gekommen sei und ihn aufgefordert habe: t «Schilt, ir sond üch zu uns machen und helfen die kolbenbaner uffen, so tund ir recht; tund ir das nüt, so möchtind ir sin wol engelten, und unser ist ein große geselschaft und vil, die die baner wellent uffen und starke hilf darzu tun»39. Auf dem Wege der Selbsthilfe, «mit eigenem gewalt», sich Recht verschaffen i und darüber hinaus begangenes Unrecht kraft eigener Strafgewalt ahnden: beides steht als erklärte Absicht auch hinter dem «Saubannerzug» von 1477. "... das torechte leben...» Diebold Schilling spricht von «jungen mutwilligen lüten», die im Frühjahr 1477 «in dem torechtigen leben uszugen mit einer kolbenpaner». Sein Bericht im dritten Chronikband ist indessen für jene ältere Ausdrucksweise (die Rede vom «torechten Leben», die wir übernehmen) das einzige zeitgenössische Zeugnis; die amtlichen Akten verwenden den Ausdruck nicht, in ihnen gibt es weder einen «Saubannerzug» noch einen Auszug «in dem torechtigen leben». Nach des Chronisten eigener und glaubwürdiger Aussage ist jedoch das «torechtig leben» nicht 36 Johannis Knebel capellani ecclesiae basiliensis diarium, in: Basler Chroniken, Bd. 3, Leipzig 1887, S. 136f. 37 BÜCHI, Freiburger Akten, S. 79. 38 Zum Beispiel auch Kaspar Suter in seiner Zuger Chronik von 1549: «Man seit irem paner, das si uff gwarfen hatten, das Kolben-Panner» (Kaspar Suters Zuger Chronik 1549, ediert von Adolf A. Steiner, Zug 1964, S. 73). - Aufschlussreich ist die Entwicklung in der amtlichen Berner Chroni-stik: Diebold Schilling spricht an allen auf das Panner bezüglichen Stellen vom «kolbenpaner», Valerius Anshelm (nach 1529) bereits vom «kolben-suw-paner» sowie von der «ufrüerischen süw-und kolbenreis», Michael Stettier (1626), obwohl er von Schilling die Beschreibung des Panners übernimmt («darein war ein Eber mit einem Kolben gemahlet»), von der «Sew-Paner», den «Sew-Panerischen Kriegsleuten», der «Rumorischen Sew-Paner». " ToBLER, Nachtrag, S. 572f. 16 Bericht Der Ablauf der Ereignisse 17 ein von ihm geprägter Begriff, um das Wesen oder Unwesen der Freischar zu charakterisieren, sondern eine Bezeichnung, welche sich die 1477 aus den innern Orten ausziehenden jungen Leute selber beigelegt haben. Es geschah dies anlässlich der bei Luzern gemachten Versuche, sie vom Weitermarsch abzuhalten: «Und von wem si gefragt oder angezogen wurden, was ir sachen oder fürnemen were, so gabent si ze antwurt: es were das torechtig leben, darin si züsamen als hoch und türe gelobt und gesworn hetten, das ouch si dem nachkomen [...] oder aber alle darumb sterben wolten»40. Als «iung torecht lüte» bezeichnen sie sich - nicht ohne drohenden Unterton - in den Verhandlungen, die am 24. Februar in der Stadt Bern zwischen dem Grossen Rat und den Hauptleuten der vor den Toren lagernden Streitmacht der Gesellen geführt wurden41. Die Selbstbezeichnung ist so vieldeutig wie das Wort «torecht» im Sprachgehrauch jener Zeit. Im Urner Teilenspiel (im ältesten erhaltenen Druck, 1540/1544) ist der «torecht mann» der Narr, der im Spiel das letzte Wort hat42. Der Gedanke eines Zusammenhangs der Selbstbezeichnung der Gesellen mit dem bewusst provozierenden Narrentreiben bei brauchtümlichen Anlässen drängt sich auf. Denkbar ist deshalb, dass ihr selbstgewählter Name auf den Ursprung ihres Unternehmens zurückgeht, welches nach Schillings Bericht damit seinen Anfang nahm, dass zur Fasnachtszeit in Zug versammelte Gesellen «eine vasnacht angetragen» haben (eine solche verabredet und durch Boten und Briefe zur Teilnahme am geplanten Unternehmen aufgefordert haben). Als eine «in übermütiger Fasnachtslaune begonnene Fahrt» (Dierauer43) ist dieses denn auch in die schweizergeschichtliche Literatur eingegangen, als ein «in toller Fasnachtslaune» unternommener Zug (Nabholz, Gagli-ardf44), als eine «tolle Posse» (Feller45), die in der Darstellung von William Martin in seiner «Histoire de la Suisse» unvorhergesehene Dimensionen annahm: «Plai-santerie monumentale de quelques exaltes, au debut, l'expedition ne tarde pas ä se transformer en un Beutezug contre les villes, qu'on croyait opulentes, et en parti-culier contre Geneve, qui devait de l'argent aux Confederes, ä la suite des guerres de Bourgogne. Tout en avancant ä travers les campagnes de l'Emmenthal, l'expedition entraina peu ä peu, derriere eile, tous les violents et tous les miserables, et eile finit par tourner au pur brigandage»46. Von einer «Horde» oder von «Banden» ist auch in den anderen Darstellungen die Rede. Es handelt sich um eine verbreitete Vorstellung, die sich noch heute gewöhnlich beim Stichwort «Saubannerzug» 40 Dokumentation S. 116f., Text Kapitel 337. " Dokumentation S. 118-120, Text Kapitel 340. 41 «Des Narren beschluss. - Wiewol ich bin ein torecht mann, So wil ich sprach ouch zeigen an» (Das Urner Tellenspiel, in: Quellenwerk zur Entstehung der Schweizerischen Eidgenossenschaft III, Chroniken und Dichtungen 2/1, Aarau 1952, S. 98). 43 DlERAUER, Geschichte der Schweizerischen Eidgenossenschaft 2, S. 317. 44 Nabholz/von Muralt, Geschichte der Schweiz 1, S. 279. - Gagliardi, Geschichte der Schweiz 1, S. 374. 45 FELLER, Geschichte Berns 1,S. 431. 46 MARTIN, Histoire de la Suisse, S. 73f. einstellt, die jedoch nicht dem Bild entspricht, das man bei genauerem Studium der überlieferten Akten gewinnt. Im folgenden wird zunächst, auf Grund der erhaltenen Quellen, die Vorgeschichte des Zuges und seine Bildung bis zu dem Zeitpunkt dargestellt, da die Kriegsschar bernisches Gebiet betrat. Neben drei luzernischen Tagsatzungsabschieden sind es fast ausschliesslich Akten der bernischen Kanzlei, die darüber Auskunft geben. Denn früh, schon vor dem erwähnten Zeitpunkt, setzten die Abwehrmassnahmen Berns ein, das sich in besonderem Masse bedroht sah. «... die samnungen, so dann letz in der Eidgnoschaft an geordnigen willen der erberkeiten bescheeben...» Die Verhandlungen, die in den Wochen und Monaten nach der militärischen Entscheidung vom 5. Januar 1477 bei Nancy mit dem Ziel geführt wurden, den Krieg durch eine den Wünschen der Eidgenossen entsprechende Friedensregelung zu beenden, wurden nicht nur dadurch erschwert, dass die einzelnen Orte divergierende Interessen vertraten. Obrigkeiten und Tagsatzung sahen sich auch dauernd mit einem inneren, verfassungspolitischen Problem konfrontiert, das an sich alt war, aber nun in verschärfter Form auftrat und deshalb von den Regierenden viel bewusster als ein solches erfahren wurde. Eben diese Erfahrungen sollten schliesslich zum treibenden Motiv sowohl für den Abschluss des Städteburg-rechts im Sommer 1477 wie auch für das Stanser Verkommnis von 1481 werden. Kurz vor dem Abschluss des Waffenstillstandes, der am 30. Januar auf einem Tag in Neuenburg mit den Vertretern der Freigrafschaft Burgund bis zum 2. März vereinbart wurde47, hatte sich die Tagsatzung in Luzern mit einer Versammlung von eidgenössischen Kriegsknechten zu befassen, die sich aus verschiedenen Orten im luzernischen Weggis zusammengefunden hatten, um einen Zug nach Burgund zu verabreden. Es wurde eine Gesandtschaft an die Gesellen abgeordnet mit dem Auftrag, sie zu ermahnen, von ihrem Vorhaben abzustehen und den Ausgang der Verhandlungen in Neuenburg abzuwarten48. Die nächste Tagsatzung, vom 11. Februar, an welcher neben den VIII Orten auch Freiburg und Solothurn teilnahmen, hatte sich erneut damit auseinanderzusetzen, dass «etlich gesellen understand, sundrig tag ze leisten, oder reisen und anschlag ze tund, als daz ietz beschechen ist an[e] der Eidgnossen und der ritten willen und erlouben»45. Da man vernommen, dass «dieselben knecht zu Artt [im schwyzerischen Arth] aber ein tag leisten», wurde Schwyz schriftlich ersucht, Schritte zu unternehmen, um die Gesellen von ihrem Vorhaben abzubringen (mit ihnen «ze reden, darvon ze stan»)50 Die bernischen Akten zeigen den Rat von Bern in den folgenden Tagen anhaltend bemüht, Genaueres zu erfahren. Am 15. Februar richtete er gleichlau- 47 EAII, S. 646. 4S Luzerner Abschied vom 29. Januar 1477, in: EA II, S. 646 q. w Luzerner Abschied, in: EA II, S. 649; Solothurner Abschied, in: EA II, S. 650. 50 Luzerner Abschied, in: EA II, S. 649. 18 Bericht Der Ablauf der Ereignisse 19 tende Schreiben an Luzern und Schwyz, in deren Gebiet die auf den beiden letzten Tagsatzungen behandelten Treffen der eidgenössischen Knechte stattgefunden, und unter gleichem Datum an Zürich, wohl weil verlautete, dass sich auch zürcherische Angehörige unter den Gesellen befänden oder ihnen zuzuziehen gedächten, vor allem aber weil es Bern von allem Anfang an um ein einheitliches Vorgehen der Städte in dieser Angelegenheit zu tun war. Die Obrigkeiten der drei Orte, die Kenntnis von den Versammlungen hätten, die jetzt in der Eidgenossenschaft «an geordnigen willen der erberkeiten», das heisst ohne Anordnung und Erlaubnis der zuständigen Ortsorgane geschähen, wurden ersucht, nach Bern zu melden, was sie darüber wüssten oder in Erfahrung bringen könnten, und selbst das Nötige vorzukehren5I.Am 18. Februar wusste Bern in einem um Mitternacht mit Eilboten abgesandten Schreiben an Solothurn Näheres zu berichten. Eben habe man vernommen, «das knecht von Zürich, Underwalden, Zug und andern orten in grosser samnung ietz körnenden donstag zu Luzern understan wellen zu ziechen». Auf jenen Donnerstag, den 20. Februar, war eine weitere Tagsatzung nach Luzern einberufen worden. Solothurn wurde von Bern dringend gebeten, den Tag ebenfalls zu beschicken; seine Gesandten könnten sich in Huttwil den dort übernachtenden bernischen Boten, Schultheiss Peter von Wabern, Adrian von Bubenberg und Hans Wanner anschliessen. Wie in Bern weiter bekannt wurde, hatte Luzern seine Stadt wohl besetzt, sei auch willens, jene Knechte wenn möglich mit Güte zu wenden, falls dies aber nicht gelingen sollte, ihnen die Stadt zu öffnen und sie ziehen zu lassen52. Man verharrte also immer noch im Ungewissen. Bestimmtes über Zusammensetzung und Ziel des seit Tagen befürchteten Zuges wurde erst in Luzern in Erfahrung gebracht. Der Tagsatzungsabschied vom 21. Februar enthält darüber folgende Angaben: [1 ■] «Uff disen tag sind die von Ure und Switz mit iren venlinen harkomen und sind daz lüt gewesen, die einen zug on gemeiner Eidgnossen willen und rat ange-sechen, gemeinden für sich selbs hinder den raten besamnet und si ubermeret haben, [2.J und sönd die von Underwalden und dem ussern ampt [Zug] zu inen kommen, [3.] und meinent da gan Jenf [Genf] den brantschatz ze reichen oder anders uff unser vigent fürzenemen, [4.] daz aber dem merenteil der orten nit gevallen hat, us ursach, man mit den Burgundern in tading stat und man zu Nüwenburg [am 30. Januar] inen ein bestand zugeseit hat bitz Reminiscere [2. März], und habend edich ort ir bottschaft, die knecht ze wenden, wollen nahin schicken, aber die von Switz und Ure haben daz nit wollen tun». [5.] Tagsatzungsbeschluss: Der Knechte wegen, die ausgezogen sind und einander zu Freiburg erwarten wollen, soll jedermann die Sache heimbringen, der Eidgenossenschaft Lob und Ehre bedenken und ratschlagen, wie man sie wenden möge, und wie viel allen Orten - derer von Bern und Freiburg wegen, welche deshalb ernstlich geredet haben - an diesen Sachen gelegen sei. Deshalb soll jedermann seine 51 STA Bern: Teutsch Missiven D, S. 67; Dokumentation S. 106f. 5J STA Bern: Teutsch Missiven D, S. 72 f.; Dokumentation S. 107. Botschaft auf Donnerstag Nacht nach Invocavit [27. Februar] zu Bern haben, damit man von da nach Freiburg reite, um die Knechte zu wenden53. « ... und was der Ursprung und anfang am ersten zu Zug... » «... die zwei orter Ure und Switz, die ouch den ersten anfang und uff bruch latent... » Nach Schillings Bericht wurden Richtung und Ziel des Kriegszuges an einer Zusammenkunft jugendlicher Kriegsleute in Zug verabredet: ein Auszug nicht nach Burgund, sondern in die Westschweiz, mit doppelter Zielsetzung. Sie wollten nach eigenen Angaben das Brandschatzgeld holen, zu dessen Zahlung sich die Genfer im Vertrag von Morges am 29. Oktober 1475 verpflichtet hatten, von dem aber der grösste Teil, unter Missachtung der festgesetzten Termine, immer noch ausstand, ferner die Unterhändler und Hauptleute von Bern sowie anderer Orte zur Rechenschaft ziehen, welche seit längerem verdächtigt wurden, durch Annahme von Geschenken sowie von geheimen besonderen Zahlungen daran schuld zu sein, dass die Genfer ihrer Verpflichtung nicht nachkamen. Sie wollten, wie sie selber erklärten, «zu der Eidgnossen Sachen ouch lugen»54. Natürlich war der Gedanke an Beute und Abenteuer dabei mit im Spiel. Doch das war auch bei' den amtlich angeordneten oder genehmigten Auszügen der eidgenössischen Knechte stets der Fall55. Von Zug aus wurde durch Briefe und Botschaften, besonders nach Uri, Schwyz, Unterwaiden und Glarus, aber dazu auch an bestimmte Personen von Zürich und Luzern - bekannte Organisatoren und Führer von Freischaren vermutlich -, für das geplante Unternehmen geworben56. Entscheidend für die Zusammensetzung, den Umfang und Charakter des Zuges war die Wirkung, welche die Aktion in den Ländern hatte. In Uri und Schwyz wurden «hinder den raten», das heisst unter Ausschaltung der für die Einberufung und Leitung einer Landsgemeinde zuständigen Organe - welche sich dem Vorhaben offenbar widersetzt haben - Landsgemeinden veranstaltet und an ihnen die Räte «ubermeret». Die beschlossenen Auszüge sind zwar rechtswidrig entstanden, doch unterschieden sie sich nicht durch eine geringere Zahl beteiligter Kriegsleute von den ordnungsgemässen Auszügen, ja sie wiesen eine erheblich grössere Truppenzahl auf als etwa die Kontingente der beiden Orte beim eidgenössischen Feldzug in die Waadt vom Oktober 1475 oder später in dem von der Tagsatzung im Juli 1480 beschlossenen eidgenössischen Heer in französischem Sold57. Der Auszug erfolgte nicht unter dem Ortspanner, aber «mit iren venlinen», also unter dem Schwyzer und dem Urner Fähnchen. Im Manuskript der urspünglichen Fassung des dritten Bandes der Schilling-Chronik sieht man sie in den vier Illustrationen zum «Saubannerzug» jeweilen an der Spitze des Zuges vorangetragen; nur in den beiden letzten Bildern (Einzug in Bern, Anmarsch auf Freiburg) ist 55 EAII, S. 651 a und e. M Dokumentation S. 105f.: Exkurs «Der Genfer Brandschatz 1475-1477». 55 Vgl. Schaufelberger, Der Alte Schweiler und sein Krieg, S. 168-189: Beute. 56 Dokumentation S. 116: Kapitel 336 von Schillings Chronik. 57 Vgl. S. 20 die Tabelle mit den Truppenkontingenten der «Saubanner»-Orte. 20 Bericht Der Ablauf der Ereignisse 21 Truppenkontingente der «Saubanner-Orte» 1 2 3 4 Oktober 1475 Januar 1477 Februar 1477 August 1480 Ei dg. Feldzug Eidg,Truppen Saubannerzug Eidg. Truppen in die Waadt in lothring. Sold in franz. Sold Gesamtstärke 17 000 - 8 000 1700/1800 - 6000 Truppenkontingente von IM 200 ? 396 200 Schwyz 610 (H) 800 755 500 Unterwaiden 240 (H) 300 210 200 Zug 250 (H) 200 351 200 1 300 1300 1712 1100 + Uri Zum Vergleich Zürich 2 000 CH) 2346 1000 Bern 7 070 (BM) 1137 1000 Luzern 2 120 (H) 1200 800 Frei bürg 2 000 ? 500 Solothurn 1 400 (?,K) 230 500 14 590 4913 3800 + Freiburg Nicht aufgeführt sind für «1», «2» und «4» die Kontingente von Glarus, der Zugewandten Orte und aus den Gemeinen Herrschaften H = Angaben in J. Hochmuths Bericht vom 11. Januar 1477 BM - Berner Mannschaftsrodel K = Angaben aus Knebels Diarium Belege zu den Zahlen: Zu «1»: Bei der Teilung des von Genf bezahlten Brandschatzes, welche die Luzerner Tagsatzung vom 11. März 1478 vornahm, wurde bei der Zuweisung an die verschiedenen Kontingente des Heeres geteilt nach «anzal der hiten, die den gewunnen hallt, und hat man uff iegliche person 1 1/2 gülden geteilt». Aus der im Staatsarchiv Luzern erhaltenen Zusammenstellung der Zuteilungen ergibt sich, dass bei einer Gesamtheeresstärhe von 17 000 Mann Uri 200, Schwyz 610, Unterwaiden 240 und Zug 250 Krieger stellten, die fünf Städte zusammen 14 590. EA III/l, S. 4. Zu «2»: Ein Zürcher Schlachtbericht über Nancy, in: Anzeiger für Schweizerische Geschichte 8 (1898), S. 66-69. tobler Gustav, Die Berner Chronik des Diebold Schilling, 2. Band, Bern 1901, S. 108, Anm. 4. Zu «3»: Gemäss dem Abkommen vom 4. März 1477, welches das Unternehmen der torechten-Gesellen beschloss, hatte Genf zwei Gulden an jeden Teilnehmer des Zuges zu zahlen. 396 Urner, 755 Schwyzer, 210 Unterwaldner und 351 Zuger Hessen sich mit dieser «stur» für ihre Mühen und Kosten von Genf entschädigen. Vgl. Compte rendu des Genfer Syndic Francois Gros, in: Memoires et documents de la Societe d'histoire et d'archeologie de Geneve 8 (1852), S. 425f. Zu «4»: EA iii/l, S. 77. weiter zurück, beide Male vor einem Reitertrupp, das Panner mit dem Eber und dem Kolben zu sehen58 - mit dem Kolben als Symbol der Eigenmacht zur Selbsthilfe und von rechtmässiger eigener Strafgewalt der Gesellen. Mit dem Ausmarsch der Schwyzer und Urner begann das in Zug beschlossene Unternehmen. Bei Luzern stiessen, laut Abschied, «die von Underwalden und dem ussern ampt» zu ihnen. Es kann sich dabei nur um einzelne Unterwaldner und Zuger, höchstens um kleine Gruppen von ihnen gehandelt haben. Der Haupttrupp aus den beiden Orten folgte später und vereinigte sich erst in Freiburg mit der von den Schwyzern und Urnern gebildeten Hauptmacht. Anweisungen des bernischen Rates an den Schultheissen von Thun und den Propst von Interlaken sowie eine Notiz in den Freiburger Rechnungsbüchern weisen darauf hin, dass die Unterwaldner über den Brünig gezogen sind und über Schwarzen-burg nach Freiburg gelangten59. Welchen Weg die Zuger genommen haben, wissen wir nicht. Die Schwyzer und Urner wählten die Route über Willisau, Burgdorf und Bern, um Freiburg zu erreichen60. * ... kament dieselben zwei örter von Ure und Switz viliicht bi sibenhundert mannen in dem von Bern gebiet... » Der Luzerner Tagsatzung war bekannt, dass sich die Kriegsknechte in Freiburg treffen und vereinigen wollten, deshalb beschloss man: ein jeder Ort solle seine Boten am 27. Februar in Bern haben, von wo man nach Freiburg weiterreiten werde, um dort zu versuchen, «die Knechte zu wenden». Man rechnete somit von vornherein mit der Möglichkeit, dass es vorher nicht gelingen würde, sie aufzuhalten, dass sie also ungehindert durch bernisches Gebiet ziehen könnten. Es ist interessant zu verfolgen, wie die bernische Obrigkeit, die von einer kaum 5000 Einwohner zählenden Stadt aus über Zehntausende von Untertanen herrschte, deren Verhalten gegenüber dem Unternehmen der Gesellen ungewiss war, reagierte61. Auf die ersten nach Bern gelangten Nachrichten und Gerüchte über einen beabsichtigten Auszug eidgenössischer Kriegsknechte nahm der Rat Verbindung auf mit den anderen Städten, vorab mit den westlichen Verbündeten Freiburg, Solothurn und Biel. Bereits mit Schreiben vom 14. Februar wurden diese drei Städte um die Entsendung von Boten nach Bern gebeten, um «zu ratslagen, ob der angesechen zug der Eidgnossen knecht nit gewendet wurd, was in und uns darin 5B Dokumentation S.124f£, Abb. 14, 16, 18 und 20. 59 STA Bern: Ratsmanual 21, S. 21,23; Dokumentation S. 108;-OcHSENHEIN, Schlacht von Murten, S. 642: «Item a Jacob Kruter de Schwarzenbourg, tramis jusques icy par les paysans dud.luef., pour signiffier la venue de cellour de Underwalden [...]». STA Freiburg: Freiburger Seckeimeisterrechnungen, 1477, 1. Semester. 60 Bern an Zürich und Luzern am 24. Februar 1477: «[...] das wir [,..] habend zü Burgdorf, Willisow und an andern enden understanden, unser Eidgnossen von Ure und Switz zügehörigen gutlich, ouch mit ersüchung der bunt, zü wenden»; STA Bern: Teutsch Missiven D, S. 77; Dokumentation S. 109f. 61 Zum folgenden vgl. Dokumentation S.106-115. 22 Bericht Der Ablauf der Ereignisse 23 begegnen mocht». Die Beratung fand am 17. Februar statt. Am gleichen Tag erliess der bernische Rat den Befehl an Stadt und Land, gerüstet zu sein und sich bereit zuhalten, bis auf «fürer verkünden», «ane vilgeschreis oderusrüfs». Am 19. Februar, also noch bevor die Gesellen aus Uri und Schwyz mit ihren Fähnlein vor Luzern erschienen, erging das bernische Aufgebot an Stadt und Land: «das si angends herziechen mit der zal inen uffgelegt». Nach der ins Ratsmanual eingetragenen Aushebungsliste wurden 3068 Mann aufgeboten; alle hatten gerüstet «her ZÜ der statt zu ziechen und sich etlicher mäßen mit spiß zu versorgen». Burgdorf musste hundert Mann nach Bern schicken, erhielt aber dazu den Befehl, mit der verbleibenden Mannschaft die eigene Stadt zu schützen. Die fünf Städte im Aargau - Aarburg, Zofingen, Aarau, Lenzburg und Brugg - mussten keine Truppen nach Bern senden. Sie erhielten aber die Weisung, «das si die im zü in[en] in die stett nemen und die mit bruggen und werinen zü rüsten» sowie das, was ihnen begegne, nach Bern zu melden. Auch diejenigen aus dem Amt Schenkenberg hatten keine Mannschaft zu schicken, sondern sollten «zü den von Brugg tniwlichen setzen und ziechen». Mit Ausnahme des Aargaus waren durch die in die Stadt Aufgebotenen alle Teile des bernischen Staatsgebietes vertreten. Die Aushebungsliste verzeichnet insgesamt 71 Kontingente bernischer Landstädte, Landschaften und Herrschaften von recht unterschiedlicher Truppenstärke, zwischen 300 (Obersimmental und Emmental) und 3 Mann (Herrschaft Bremgarten). Doch auch die kleinsten Kontingente waren wichtig, weil sie nicht nur eine militärische Aufgabe zu erfüllen hatten. Dem Aufgebot kam eine doppelte Funktion zu. Es diente einerseits zum Schutz der regierenden Stadt und wirkte anderseits als Ausschuss, politische Vertretung der untertänigen Landschaft, als eine Einrichtung, die es dem bernischen Rat ermöglichte, nach innen und gegen aussen ein geeintes Bern vor Augen zu führen und so den Gesellen im torechten Leben auch politisch, «mit der macht aller unser lantschaft» (um die Formulierung in einem amtlichen Schreiben jener Tage zu verwenden62), in den Verhandlungen begegnen zu können. Der den Gesellen nach Burgdorf entgegengeschickten Gesandtschaft gehörten nicht nur Mitglieder des Grossen Rates, sondern auch, in der Funktion als Vertreter der Landschaft, Hauptieute der aufgebotenen Mannschaft an, wie einer Mitteilung Berns an Freiburg, Solothurn und Biel zu entnehmen ist: «[...] haben wir mit be-slossnem einhelligem rat unsers grossen ratz und unser mit glicher Zustimmung gemeiner unser erbern lüten von Stetten und lendern hoptlüten, so ietz bi uns sind, unser und ir treffenlich bottschaften gen Burgdorf ze vertigen angesechen»63. Die politische Bedeutung des Landschaftsaufgebotes sollte sich noch deutlicher einige Tage später zeigen. Die bernische Gesandtschaft kehrte von Burgdorf zurück, ohne dass es ihr gelungen wäre, die Gesellen umzustimmen. Um tausend Mann stark lagerten w Schreiben Berns an Zürich, Luzern und Solothurn vom 28. Februar 1477; Dokumentation S. 114f. &3 Schreiben Berns vom 23. Februar 1477; Dokumentation S, 108f. diese schliesslich vor den Mauern der Stadt Bern. Der Rat zeigte sich zunächst nicht gesonnen, sie in die Stadt hereinzulassen, wie es von ihm verlangt wurde. Er erklärte sich aber bereit, eine Abordnung - die Hauptleute der Kriegsschar - vor versammeltem Grossen Rat anzuhören. Am 24. Februar fand diese Unterredung statt, deren Inhalt uns allein durch Diebold Schilling, der ja einer der Zweihundert war, überliefert ist64. Die Sprecher der Gesellen verwahrten sich nach seinem Bericht dagegen, dass man sie nicht in die Stadt ziehen lassen wolle, was «under den Eidgnossen nie gewonlichen» gewesen sei, und wiesen die gegen sie erhobenen Anschuldigungen als Verleumdungen zurück. Es sei ihnen nie in den Sinn gekommen, jemandem das Seine zu nehmen oder jemanden zu strafen; denn hätte einer von Berns Hauptleuten oder andere von Bern unrecht getan, Geld oder anderes genommen, dann wären die von Bern fromm und mächtig genug, die Schuldigen zu strafen. Wenn es in ihren Ländern - in Uri, Schwyz - deren gebe, die «miet oder schenkinen» genommen oder anderes getan, was gemeiner Eidgenossenschaft zu Schaden gereiche, «die woltent si ouch straffen, und das vertru-wen zü denen von Bern ouch han». Diese Worte sollten auf die zuhörenden Zweihundert beschwichtigend wirken; es konnte aus ihnen aber auch eine Drohung herausgehört werden für den Fall, dass die Oberen von Bern das von den Gesellen in sie gesetzte Vertrauen enttäuschten, also nicht selber zum rechten sahen. Im weiteren beteuerten die Haupdeute für sich und ihre Gesellen, gute Eidgenossen zu sein, was sie in den letzten Feldzügen gezeigt hätten. Dabei verwiesen sie auch auf den alten Bund der innern Orte mit Bern, den sie lieber wollten «helfen meren dann mindern». Über das eigentliche Ziel ihres Unternehmens hingegen wollten sie keine Verhandlungen führen, bevor sie sich in Freiburg mit dem dort erwarteten Zuzug vereinigt hätten. Dahin möge der Grosse Rat eine Abordnung schik-ken, dieser wollten sie «glimpflich und erlich antwurt geben». Der Rat der Zweihundert entschied sich nach dem Gespräch65 dafür, den Gesellen die Tore zu öffnen - «von der kelte wegen», sagt Schilling, «mit einem Rest eidgenössischen Erbarmens», ergänzt Feller66. Es war wohl so, dass der Grosse Rat die Risiken, die man bei Verweigerung oder bei Gewährung des Einlasses einging, gegeneinander abwog und sich klugerweise für das zweite entschied. Wie später im Hinblick auf Freiburg, so stellt der Chronist auch in bezug auf den Aufenthalt der Gesellen in Bern fest: sie seien wohl aufgenommen worden, man habe ihnen gute Herberge gegeben, sie auch «mit schenkinen und andern dingen gar wol und früntlich gehalten, als dann die fromen Eidgnossen iewelten mit und gein Schilling Kap. 340 «Das man die vorgenanten knecht von der kelte wegen in die statt lies»; Dokumentation S. 118-120. Text der amtlichen Fassung der Chronik, Kap. 341, Schluss des Berichts über die Unterredung zwischen dem Grossen Rat und den Hauptleuten der Gesellen: «Anders mocht man nit von inen bringen und wurden ouch daruf in die statt gelassen und inen gut herberg, darzü win und anders nach notdurft geben». Vgl. WALDER, Das torechte Leben von 1477, S. 85 FELLER, Geschichte Berns 1, S. 431: Die Regierung «schlug ihnen zürnend den Einlass ab, nahm sie aber schliesslich mit einem Rest eidgenössischen Erbarmens der grimmigen Kälte wegen auf». 24 Bericht Der Ahlauf der Ereignisse 25 einandern ze tünde gewont hand». Die Geschenke und die anderen freundlichen Dinge wurden in der amtlichen Ausgabe der Chronik gestrichen67. Schilling weiss zu berichten, dass die Gesellen gedroht hätten, durch die Aare zu waten, wenn ihnen die Stadttore nicht geöffnet würden68. Sie haben es aber nicht getan. Und an diese Feststellung ist eine allgemeine Beobachtung anzuknüpfen: Sowohl in Schillings Chronik wie in den erhaltenen Akten zum «Sau-bannerzug» ist immer wieder die Rede von «Drohworten» der Gesellen, die Schlimmes und Schlimmstes befürchten liessen, aber kein einziges Mal von entsprechenden Handlungen, von wirklich und allgemein begangenen Untaten, die sicher nicht unerwähnt geblieben wären, wenn jene sie wirklich vollbracht hätten. Den Hauptleuten der Gesellen wird es nicht leicht gefallen sein, diese in Zucht zu halten. Gelegentliche Übergriffe einzelner Knechte werden auch nicht ausgeblieben sein. Es wäre ja auch verwunderlich, wenn sie sich alle plötzlich völlig anders verhalten hätten, als man es bei eidgenössischen wie bei anderen Truppen in jenen Zeiten - selbst in befreundetem Land - gewohnt war69. Aber von einem vornehmlich gegen die reichen Städte gerichteten «Beutezug» gewalttätiger Banden, wie William Martin ausführte70, kann man begründeter Weise nicht sprechen. Anderseits ist festzustellen, dass die Stadtobrigkeiten doch Grund zu unmittelbarer Besorgnis hatten: Sie mussten dauernd mit der Möglichkeit rechnen, dass es doch nicht bei den Drohworten bleiben würde, vor allem aber hatten sie an die Gefahr zu denken, dass das «mutwillige», eigenmächtige Vorgehen der Gesellen auf ihre Untertanen ansteckend wirken könnte. So kam es, nachdem die Kriegsschar am 26. Februar die Stadt verlassen hatte, zu jenem Staatsakt, der vom bernischen Grossen Rat am 27. Februar beschlossen und am folgenden Tag durchgeführt wurde. Welche Wichtigkeit man der Sitzung vom 27. Februar beimass, geht daraus hervor, dass im Ratsmanual nicht nur, wie sonst üblich, die anwesenden «Räte», das heisst die Mitglieder des Kleinen Rates, sondern auch die anwesenden «Burger», also die den Kleinen zum Grossen, Rat ergänzenden Mitglieder von der Burgerschaft, namentlich aufgeführt werden, darunter auch «Diebold Schilling, der gerichtschriber». An dieser Sitzung wurde der Wordaut der Eide festgelegt, welche am nächsten Tag in der Stadt Räte und Burger, die Landschaftskontingente und ihre Hauptleute leisten sollten, sowie die neue Formel des Treu- und Gehorsameids festgesetzt, der im bernischen Herrschaftsgebiet von allen männlichen Einwohnern «von vierzechen iaren uff» abgelegt werden sollte71. Räte und Burger 67 Wälder, Das torechte Leben von 1477, S. 83. 68 Schilling, Schluss von Kap. 339: Sie drohten, «wolt man inen also die statt vorbesliessen, so wol-tent si durch die Aren watten, damit si in die statt und von semlicher grosser kelte kement»; Dokumentation S. IIS. 69 Uber Zucht und Ordnung in den eidgenössischen Kriegszügen und über die Freischaren in ihrem Verhältnis zu den obrigkeitlichen Aufgeboten, vgl. schaufelberger, Der Alte Schweizer und sein Krieg, besonders die Beispiele zum Jahr 1475, S. 120f. und S. 158f. 70 Martin, Histoire de la Suisse, S. 73. 71 Dokumentation S. 110-112. schworen am 28. Februar, einander bei ihrer Stadt «recht, friheiten, guldin bullen und alt harkomenheiten» zu schützen. Das war, nach Schillings Kommentar in einem den Zensoren Zum Opfer gefallenen Kapitel seiner Chronik, vor allem gegen die von den Gesellen angemasste Gerichts- und Strafgewalt gerichtet: Räte und Burger erklärten, dass nach den kaiserlichen und königlichen Freiheiten, mit denen die Stadt begnadet ist, diese volle Gewalt habe, in ihrem Herrschaftsgebiet «on aller menglich irrung und Widerrede» zu richten und zu strafen, «Hette iemant der iren in der statt oder uff dem lande unrecht getan, den woltent si nach iren keiserlichen friheiten selber darumb straffen und anders nieman den gewalt lassen»72. Vor allem aber ging es um die Sicherung der obrigkeitlichen Gewalt gegenüber den eigenen Ortsangehörigen. Jedes Mitglied des Grossen. Rates verpflichtete sich durch seinen Eid, falls es von jemandem etwas höre, sehe oder vernehme, «das zü uffruren dient», dies sofort zu melden und wehren zu helfen. Die Eidesleistung der Landschaftskontingente am gleichen Tag geschah laut Ratsmanual «in der lütkilchen in presentia gar vii minr hem der raten». Sie hatten zu schwören, die Stadt Bern bei ihren Rechten und Freiheiten zu schützen, ihren Ordnungen, gegenwärtigen und künftigen, auch ihren Hauptleuten, gehorsam zu sein, «dhein uffrür zü machen, sunder solich getruwlichen verkomen und werren, in dhein reiß noch krieg besunder ietz zü ziechen, mit niemand in noch uswendig der statt dhein gerüm noch vereinung ze tun», und wenn sie solches von jemandem sähen oder vernähmen, «die ab zü wisen und angends an ir houbtlüt zü bringen». Einen entsprechenden Eid hatten darauf in sämtlichen Ämtern alle über dreizehn Jahre alten Landsässen, heimische und fremde, zu schwören, in der Stadt Bern all jene, die nicht dem Grossen Rat angehörten. Den Hauptleuten der Landschaftskontingente in der Stadt wurde noch ein besonderer Eid auferlegt, der sie für das Verhalten der ihnen unterstellten Truppen verantwortlich machte, da man offenbar Widersetzlichkeiten nicht ausschloss. Der Akt im Münster scheint denn auch nicht ganz programmgemäss verlaufen zu sein, wie der folgenden Notiz im Ratsmanual zu entnehmen ist: «Gedenk an die von Inderlappen, der etlich us der kilch sind gangen und nit gesworn haben und meinen ouch nit zü sweren, sunder ee us dem land zü ziechen73. Der von ihnen verlangte Eid verpflichtete sie nicht nur dazu, die in ihm enthaltenen Gebote und Verbote, so das Verbot freien Reislaufens, selber zu halten, sondern auch dazu, Zuwiderhandelnde anzuzeigen. Das Landschaftsaufgebot wurde erst wieder nach Hause entlassen, nachdem die Gesellen von Freiburg über Bern, ohne in der Stadt zu verweilen, heimgekehrt waren. « ... und zerging also das torecht leben » «Schliesslich zerflatterte der Spuk an seiner Haltlosigkeit» - mit diesen Worten beschliesst Richard Feller die Schilderung des Saubannerzugs74. Eine solche For- 72 Schilling Kap. 342 «Das die von Bern in disen dingen gar mit hocher Vernunft umbgingent, damit si semlich Sachen nider tmcktent»; Dokumentation S. 121f. 73 STABern:Ratsmadual21,S. 38. 26 Bericht Der Ablauf der Ereignisse 27 mulierung weckt die Vorstellung von einem kriegerischen Unternehmen, das am Ende zu keinem Ziel geführt hat. Die Gesellen haben indessen mit Recht sagen können, dass der Zug nicht ohne Erfolg war. Es ist dabei nicht an die zwei Gulden zu denken, die von den Genfern jedem Teilnehmer bezahlt werden mussten, oder an die vier Fässer Wein, die ihnen geschenkt wurden. Die Gesellen erreichten mit ihrer Aktion, dass über den Genfer Brandschatz, mit energischer Beteiligung Berns, verhandelt wurde, und schliesslich das in Freiburg ausgehandelte Abkommen der eidgenössischen Orte mit Genf vom 4. März 1477, welches die Zahlung der ausstehenden 24 000 Gulden in drei Raten innert Jahresfrist verbindlich festlegte75. Die von den Genfern als Garantie für die fristgerechte Zahlung zu stellenden acht Bürgen waren auf die Orte Uri, Schwyz, Unterwaiden sowie Zug zu verteilen, auf die vier Länder also, aus denen sich der «Saubannerzug» im wesentlichen rekrutiert hat, und das Geld war nach Uri oder Schwyz — die Zwei Orte, die das Hauptkontingent des Zuges stellten - zu liefern, wo es bis zu der von der Tagsatzung vorzunehmenden Teilung bleiben sollte. Die Verteilung des Brandschatzes unter die am eidgenössischen Feldzug vom Oktober 1475 beteiligten Orte «nach anzal der luten, die den gewannen hant», konnte im März 1478 durchgeführt werden76. Was die Gesellen selber als das Ziel ihres Zuges erklärt hatten, haben sie also erreicht, wenn auch auf etwas andere Weise, als es sich manche von ihnen vorgestellt haben mochten. Wichtiger als dieser Erfolg, den sie zweifellos für sich buchen konnten, ist jedoch die Tatsache, dass sie nach ihrer Heimkehr weiterhin im Sinne ihrer Erklärung, auch zu der Eidgenossen Sachen sehen zu wollen, tätig waren, wie die am 7. März in Bern versammelte Tagsatzung feststellen musste. Sie hatte sich mit Klagen und Forderungen zu befassen, die von Teilnehmern des Zuges vorgebracht wurden. Die Gesellen beklagten sich über das Verhalten der Ortsobrigkeiten ihrem Unternehmen gegenüber: über die zu sofortiger Umkehr auffordernden Mahnschreiben, über die zu Luzern und Bern unternommenen Versuche, den Durchzug der Kriegsschar zu verhindern sowie über die an die Ortsangehörigen gerichteten Verbote, sich am Zug zu beteiligen. Ihre Forderungen betrafen einerseits die Teilung der Burgunderbeute, anderseits die geheimen «schenkinen, mieten und pensionen»77. Das Auftreten der Gesellen an der Berner Tagsatzung zeigt, wie jene nach wie vor der Meinung waren, dass ihr Unternehmen und Vorgehen berechtigt und in Ordnung gewesen sei. Die Ortsobrigkeiten sahen sich veranlasst, dieser hartnäckig vertretenen Ansicht gemeinsam entgegenzutreten: sie bildete den Gegenstand von grundsätzlichen Erörterungen und Beschlüssen der beiden nächsten Tagsatzungen. n Feller, Geschichte Berns 1, S. 431. 75 EA II, S. 654-656. 7i EAIII/1.S.4. P EAII.S. 658 k. «iung mutwillig lüte» und «erberkeit» In Schillings Darstellung wird hervorgehoben, dass es mutwillige «iung lüte» gewesen seien, die unter dem Kolbenpanner ausgezogen waren. Dies sei ohne «ir obern und besunder der alten und erberkeit wissen und willen» geschehen, und es sei ihr Unternehmen auch «merenteils aller erberkeit in allen Eidgnossen leid» gewesen78. Auch in den amtlichen Akten, in den Missiven Berns ist immer wieder von der «Ehrbarkeit» als dem allgemeinen Widerpart der Gesellen die Rede (so im Schreiben an Zürich, Luzern und Solothurn vom 28. Februar: «Wie swär solichs aller erberkeit si, ist wol zu bedenken»7'). Der Ausdruck steht meist synonym für «oberkeit» — die Ortsobrigkeit —, doch schwingt eine weitere, allgemeinere Bedeutung bei der Verwendung des Begriffs stets mit, nämlich: all jene, die durch Amt, Würden und Besitz eine übergeordnete Stellung einnehmen und zu behaupten haben. In diesem Sinne gab es überall unter der Ortsobrigkeit (in den Städten, den Ländern und den Untertanengebieten) eine «Ehrbarkeit», mit ihrer besonderen Interessenlage, von wechselnder Einstellung, bald auf Ruhe und Ordnung bedacht, wie zum Beispiel 1514 bei den Unruhen in den luzernischen Ämtern80, bald in den Auseinandersetzungen mit der Obrigkeit die Führung übernehmend, wie Peter Amstalden im Entlebucher Komplott von 147881. Mit dem stets latent vorhandenen Gegensatz von «Ehrbarkeit» auf der einen und übrigen Ortsangehörigen auf der anderen Seite verband sich naturgemäss der Gegensatz von «alt» und «jung», weil die Jungmannschaft, von denen die Quellen berichten, im allgemeinen noch keine Amter bekleidete und deshalb auch keine damit verbundene Verantwortung trug. Eine besondere Stellung nahmen unter diesem Jungvolk die eben erst oder noch nicht lange dem Kindesalter entwachsenen, mit 14 Jahren politisch und militärisch volljährig gewordenen Jugendlichen ein. Dass sich die Kriegsschar der über tausend Urner und Schwyzer im «Saubannerzug» aber ausschliesslich oder auch nur zur Mehrheit aus solchem Jungvolk zusammengesetzt habe, ist indessen schwer vorstellbar. Es ist ja bereits darauf hingewiesen worden, wie sich die von beiden Orten gestellten Kontingente in der Zusammensetzung nicht wesentlich von denjenigen bei anderen Auszügen unterschieden haben. Wenn sich aber die Zusammensetzung der Mannschaft im «Saubannerzug» nicht von derjenigen in früheren oder späteren Ausmärschen unterschied, dann stellt sich die Frage, warum Diebold Schilling solche Betonung darauf legt, dass es sich bei den Teilnehmern im Februar 1477 um «iung lüte» gehandelt habe. Einen ersten Hinweis enthält das Tagebuch von Johannes Knebel, der im Dezember 1476 in Basel die jeweilige Ankunft der verschiedenen Kontingente des eidgenössischen Heeres im Sold des Herzogs von Lothringen eintrug. Er stellte beim Einzug der Solothurner " Schilling, Chronik Kap. 401 und 342; Dokumentation S. 94f. und 121f. n Dokumentation S. 115. 80 EA HI/2, S. S41, Tagsatzungsabschied vom 22. November 1514: Jeder Bote wisse, dass «die erberkeit» aus allen Ämtern gebeten habe, «si ze ruwen zu setzen, und wer unruwig sie ze straffen». 81 Liebenau, Der Hochverratsprozess des Peter Amstalden. 28 Beriebt Der Ablauf der Ereignisse 29 fest: «[...] Solodrenses venerunt cum 230 viris iuvenibus et ad prelium non aptis neque expertis»85. Es scheint, dass nicht nur das solothurnische Aufgebot, sondern auch die Kontingente der anderen Orte eine grosse Zahl von nicht kampferfahrenen und deshalb als wenig tauglich erachteten Jugendlichen aufgewiesen haben, da der Herzog, laut Abschied der Luzerner Tagsatzung vom 24. Dezember 1476, an die Orte das Begehren stellte, man möge ihm noch 2000 der «alten» zuschicken, und «ob man im mit den alten züziecht», ihm von den andern diesmal keine mehr zulaufen lassen solle83. Mit den «alten» waren natürlich nicht Männer bestandenen Alters gemeint, sondern an Stelle von Neulingen im Feld kampferprobte Kriegsknechte aus dem noch nicht ausgeschöpften Reservoir der für den Solddienst in erster Linie in Frage kommenden Jungmannschaft der Orte. Nach der Schlacht von Nancy wurden mit den andern eidgenössischen Soldkriegern auch die vom Herzog so wenig geschätzten «iuvenes» entlassen. Daheim werden sie nach neuen Zielen für ihre nun einmal geweckte Unternehmungslust ausgeschaut haben. Deshalb darf angenommen werden, dass sie bei der Entstehung und Bildung des «Saubannerzuges» eine recht bedeutende Rolle gespielt haben. Die vergleichsweise hohe Truppenzahl der Kontingente aus den vier Ländern würde ihre Erklärung darin finden, dass sie in Scharen mitgezogen sind. «sundrig gemeinden» und «rdtt, so noch bishar nit übel geregiert» Was den Ortsobrigkeiten und der Tagsatzung zu schaffen machte und für sie zum Problem wurde, war nicht das jugendliche Alter zahlreicher Zugsteilnehmer, sondern das durch die Gesellen für die Ortsangehörigen beanspruchte Recht, sich ohne obrigkeitliche Aufforderung oder Erlaubnis zu versammeln, Rat zu halten und Beschlüsse zu fassen, in der Meinung, auch zu ihren und der Eidgenossen Sachen sehen zu dürfen. Das bezog sich zunächst auf die Länderorce mit ihren souveränen Landleuten, betraf aber grundsätzlich auch die Städteorte mit ihren ausgedehnten untertänigen Landgebieten. Die Luzerner Tagsatzung vom 11. März befasste sich mit den eigenmächtigen Versammlungen und Auszügen eidgenössischer Knechte, die sich in letzter Zeit ereignet hatten. Sie stellte fest, dass sich nach dem Sieg über den Herzog von Burgund und der Aufnahme von Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen die Orte gegenseitig verpflichtet hätten, nur gemeinsam, «mit rat gemeiner Eid-gnossen», vorzugehen, was nun durch jenes «besondere Tagen» von Angehörigen der Orte durchkreuzt worden sei. Die eidgenössischen Boten beschlossen auf Heimbringen, dass gemeinsame Vorkehrungen getroffen werden sollen, damit in Zukunft, wenn «die ritt, so noch bishar nit übel geregiert, etwas durch der Eid-gnossen nutz, lob und eren willen fürnemen und mit ratt handeln, daz sömlichs nit ane ratt und Vernunft geendert und somlich sundrig tag hinder den ritten nit 82 Johannis Knebel capellani ecclesiae basiliensis diarium, in: Basler Chroniken, Bd. 3, Leipzig 1887, S. 85. 81 EAII, S. 638. geleist, sunder waz gemein Eidgnossen mit einandern sich einen, daz ouch daz nit geendert werd dann mit ratt gemeiner Eidgnossen»84. Der darauf, an der Tagsatzung vom 21. März, auf Grund übereinstimmender Instruktionen gefasste Beschluss verpflichtete jeden Ort, dafür zu sorgen, dass künftig «hinder den ritten nit sundrig gemeinden gesammelt noch fürgenommen» werden. Zuwiderhandelnde sollten der zuständigen Obrigkeit oder der Tagsatzung angezeigt und nach Verdienen bestraft werden85. Der Beschluss zeigte keine Wirkung. Er konnte die «eigens willens» beschlossenen Auszüge eidgenössischer Kriegsknechte (also das freie Reislaufen wie auch die um irgendwelcher Ansprachen willen unternommenen Fehdezüge) nicht unterbinden, die ihnen vorausgehenden Versammlungen und dabei getroffenen Verabredungen nicht verhindern. Bern beschritt in dieser Situation eigene Wege gemeinsamen Handelns der Orte. Es war zu sehen, wie bereits während des «Saubannerzuges» der Rat bemüht war, die Städte zu einer einheitlichen Front gegenüber dem «mutwilligen» Unterfangen der Gesellen zusammenzuschliessen -gegenüber dem anarchisch-demokratischen Prinzip, das von den Ländern her in das Gebiet der Städteorte Luzem, Bern und Freiburg hereinbrach. Der Abschluss des Ewigen Burgrechts zwischen Zürich, Bern, Luzern, Freiburg und Solothurn, das im Mai 1477 vereinbart und im August endgültig bereinigt wurde, entsprach der konsequenten Fortsetzung dieser bernischen Politik. 2. Das Ewige Burgrecht der fünf Städte von 1477 Als der eigentliche Initiant und hauptsächliche Verfechter des Burgrechts erscheint in den Akten Bern. Es waren, wie auch Diebold Schilling bezeugt, das Erlebnis und die Erfahrung des Kolbenpannerzuges, welche den unmittelbaren Anstoss zu seinem Abschluss gaben: «Und beschach das allein darumb [...], das man nü fürwerthin zü ewigen ziten semlichem mutwilligen gewalt und bösen Sachen, ob die künfticlichen fürrer understanden wurden, widerstand tun [...] mochte», und sich so die Ereignisse vom Februar 1477 nicht wiederholten, als «die stule uff die benke gestigen warent»86. Das Burgrecht wurde am 23. Mai auf einem Tag der fünf Städte Zürich, Bern, Luzern, Freiburg und Solothurn in St. Urban vereinbart - die Burgrechte, muss ^ man genauer sagen: Die fünf Städte nahmen, mit je einem Brief und Gegenbrief von gleichem Inhalt, die Burger der anderen Stadt zu Mitbürgern an87. Dies bedeutete nach dem Vertragstext, dass die Burger der einen Stadt die Burger der 8* EAIL.S.659. 85 EAII.S.661. } 8& Schilling, Schlussabschnitt von Kap. 343 (in der amtlichen Fassung gestrichen); Dokumentation S. ?2f. 87 Das Staatsarchiv Bern bewahrt noch die Originale der Burgrechtsbriefe von Luzern, Zürich und Solothurn für Bern, das Staatsarchiv Solothurn das Original der Erstausfertigung des Gegenbriefes von Bern für Solothurn. 30 Bericht Der Ablauf der Ereignisse 31 •«^•»4«3^:- «HU '"ft« *f ^ fsfif'f •' *, i, '»aü> C*»»v««LsÄ*is».^ ^,»»4R^*«-H<^fi>* v^*»^*«»t«^V«j#S». Der Burgrecbtsbrief Zürichs für Bern, endgültige Fassung, August 1477. 32 Bericht Der Ablauf der Ereignisse 33 anderen, «die iren und das ir», für alle Zeit «wie und als dick das zü schulden kumpt, als ander unser ingesessen burger und mitburger mit ganzen guten trüwen schirmen und hanthaben sollen und wollend, nach irem und unserm nutz, lob und ere». Weitere Bestimmungen über diese allgemeine Verpflichtung hinaus enthält das Burgrecht nicht88. Uber Zweck und Sinn des Burgrechts hat sich Bern mehrfach geäussert, in Mis-siven und öffentlichen Erklärungen, so Anfang Januar 1478 im Schreiben an Stadt und Land, als es das Burgrecht in seinen Gebieten bekanntmachen liess89, und am 4. April 1478 in einer feierlichen Erklärung von Schultheiss, Rät und Burgern, in welcher der Wille bekräftigt wurde, für alle Zeiten am Burgrecht festzuhalten, welches deshalb von nun an jeden Ostermontag zusammen mit andern Satzungen beschworen werden sollte90. Der Tenor ist stets der gleiche: Das Burgrecht sei aller Ehrbarkeit zu Trost und gemeiner Eidgenossenschaft zu Lob abgeschlossen worden, «damit vil mutwilliger Übungen» verhindert werden, «so dann leider wider die oberkeiten us ungehorsamer bewegnüssen taglichs entspringen und dadurch unser und ander land und lüt krieg, kostfen] und beswarung wachsen»91. Die Gesandten für die nächste Tagsatzung in Luzern sollten gemäss Instruktion den Länderboten zu verstehen geben, dass das Burgrecht nicht den Ländern zuwider abgeschlossen worden sei, «sunder si es irn erberkeiten ouch trost, nutz und gut92. Ihren Ehrbarkeiten: das hiess jenen, die in den Ländern für Gericht, Verwaltung und Regierung zuständig und verantwortlich waren, all denen also, die durch Amt, Würden und Besitz an geordneten Verhältnissen interessiert sein mussten. Es gab auch in den Länderorten Bestrebungen, den ausserhalb der verfassungsmässigen Ordnung agierenden anarchischen Kräften entgegenzutreten93. Doch in den Landsgemeinde-Demokratien war die Stellung der Magistraten vergleichsweise schwach. Die Festigung des obrigkeitlichen Prinzips, das mit dem Burgrecht der Städte erfolgte beziehungsweise beabsichtigt war, konnte darum durchaus auch in ihrem Interesse liegen. 88 Zu den drei Fassungen des Vertragstextes und zu den erhaltenen Abschriften und originalen Ausfertigungen der Burgrechtsbriefe in den drei Fassungen vgl. Dokumentation S. 133-137, 89 STA Bern: Ratsmanual 23, S. 133, Sitzung vom 9. Januar 1478: Solothum ist mit Schreiben aufzufordern, Berns Beispiel zu folgen: « [...]wie dann min herren die irn allenthalben des burgrechten bericht haben, das si SÖliches ouch tun». - Zum Schreiben des bernischen Rates an Stadt und Land vom 5. Januar siehe Anm. 91. 90 Erklärung des Grossen Rates vom 4. April; Dokumentation S. 139. 91 Schreiben an Brugg, Lenzburg, Aarau, Schenkenberg, Zofingen und Aarburg vom 5. Januar 1478; Dokumentation S. 137f. 92 Beschluss des Grossen Rates vom 4. April; Dokumentation S. 138f. 93 Vgl. S. 35. Der säkulare, zwischen 1200 und 1400 in der Innerschweiz sich vollziehende Prozess der Überwindung anarchisch-gewalttätiger Erscheinungen - Blutrache, Fehde und Fehderecht, eigenmächtige Selbsthilfe - durch die Herstellung friedesichernder Ordnungen im Rahmen der «kommunalen Bewegung» wird eindrücklich dargestellt durch Peter Blickle in seinem wichtigen Beitrag: BLICKLE, Friede und Verfassung. Der Prozess war im 15. Jahrhundert noch nicht abgeschlossen, wie unsere Untersuchung der Vorgeschichte des Stanser Verkommnisses zeigt. Eine gemeinsame Front gegen «mutwilligen gewalt», also gegen die gegenüber den verfassungsmässigen Behörden in Privatfehden, Freischarenzügen und Akten der Selbstjustiz angemasste Eigengewalt, die nicht nur die innere Ordnung, sondern auch die Beziehung der Orte nach aussen, ihre auswärtige Politik störte - die Bildung einer solchen gemeinsamen Front gegen «mutwillige Gewalt» in all ihren Formen, das war die eine Funktion, welche dem Burgrecht zugedacht war. Für Bern hatte es aber noch eine andere Bedeutung. Es ist anzuknüpfen an die gegensätzliche Gruppierung unter den Orten, die sich im Frühjahr und Sommer 1475 ergab, als Bern für die kriegerisch-aggresive, vor allem gegen die savoyische Waadt gerichtete Politik die Unterstützung und Mitwirkung der Städte Freiburg, Soiothurn und Luzern fand, während die fünf Länderorte im Verein mit Zürich nicht nur eine Beteiligung an dieser ausgreifenden Westpolitik ablehnten, sondern auch auf Sondertagsatzungen ihre entgegengesetzte Politik koordinierten und schliesslich in spezielle Verhandlungen mit Savoyen traten. Ihre kollektive Sonderpolitik - die Tatsache, dass sie sich mehrfach «heimlich underredt», «verkomniß mit einandern gemacht», wie ihnen die Gegenseite später vorwarf-verteidigten sie mitdem Hinweis, sie hätten sich wohl untereinander besprochen und dabei ein gemeinsames Vorgehen vereinbart, aber «dhein vereinung gemacht», «dhein gelüpt noch verbüntnis zusaroengetan», dass sie also nicht daran gedacht hätten, für die Dauer einen Sonderbund unter den Orten zu bilden'14. Die unmittelbare Bedrohung durch die burgundische Macht und der Entscheidungskampf gegen sie, 1476, führten die Orte wieder zusammen. Nach dem Sturz Karls des Kühnen aber setzte ungehemmt das Spiel der divergierenden Interessen und Kräfte in der Eidgenossenschaft wieder ein. In den Wochen während und nach dem «Saubannerzug» gelang es Bern, das 1475 mit den Ländern zusammengehende Zürich in die Front der Städte einzureihen, es zu gewinnen für das Zusammenstehen und gemeinsame Vorgehen der Städte gegen die für Bestand und Zusammenhalt der eidgenössischen Orte drohenden Gefahren, die das Unternehmen der Gesellen vom torechten Leben ins Licht gesetzt hatte95. Die Entente der vier Städte von 1475 wurde auf veränderter Grundlage erneuert und zum Fünf-Städte-Verband erweitert. Anders gegenüber 1475 war erstens, dass die neue Gruppierung zum konfliktträchtigen Gegenüber von Städteorten auf der einen und Länderorten auf der anderen Seite wurde, und zweitens, dass jetzt die Städte unter sich eine für dauernd gedachte besondere Verbindung eingingen, also das taten, was die sechs Stände 1475 nach ihrer eigenen Erklärung bewusst vermieden hatten. Das Fünf-Städte-Burgrecht stellte auch etwas ganz anderes dar als das als Gegenstück dazu gerne zitierte sogenannte Landrecht der fünf Länder mit dem Fürstbischof von Konstanz vom Januar 1477, das in Wirklichkeit kein Landrecht 51 EA II, S. 538f., 544, 550f., 553, 554, 555, 557f. und 563. 95 Vgl. das Schreiben Berns an Zürich vom 28. Februar 1477; Dokumentation S. Il4f. 34 Bericht Der Ablauf der Ereignisse 35 war und in der Zeit selbst auch nicht als solches bezeichnet wurde96. Es war ein Bündnisvertrag der fünf Länder mit einem geistlichen Fürsten, in welchem diesem für bestimmte Gegenleistungen die Hilfe bei allfälligen Angriffen Dritter zugesagt wurde, also nichts umstürzend Neues in der Eidgenossenschaft - Sonderpolitik der Orte mit Sonderabkommen, wie sie vorher und nachher mehrfach abgeschlossen worden sind. Der grundlegende Unterschied zum Städte-Burgrecht besteht darin, dass das Abkommen der Länderorte nicht ein Vertrag war, durch den sich diese, wie die Städte in ihren Burgrechtsbriefen, auf ewig und ohne jeden Vorbehalt der alten Bünde zu gegenseitigem Schutz gegen jedermann verpflichteten. Um es auf eine kurze Formel zu bringen: Das Abkommen vom 12. Januar 1477 war kein Sonderbund zwischen den fünf Ländern, sondern ein Sonderbündnis mit einem auswärtigen Herrn. Im ganzen Burgrechtsstreit spielte es eine geringe Rolle. Das im Mai 1477 vereinbarte Burgrecht der Städte wurde erst im August endgültig bereinigt und besiegelt, nachdem ein von Bern geforderter Zusatz in den Vertragstext aufgenommen worden war. Bern verlangte darin, das beschlossene Burgrecht solle allen künftigen Burg- oder Landrechten der fünf Städte, «mit wem das were», vorangehen97. Eine Begründung für diesen von Bern beantragten Zusatz findet sich in den Akten nicht. Doch ist an einen später von Seite einer Minderheit der fünf Städte, wahrscheinlich von Solothurn, gemachten Vorschlag zu denken, den Streit um das Burgrecht dadurch aus der Welt zu schaffen, dass Städte und Länder sich gegenseitig in ihr Burg- und Landrecht aufnahmen98. Vielleicht wurde bereits 1477 über eine solche Möglichkeit gesprochen. Die von Bern durchgesetzte Ergänzung würde dann besagen, dass durch den allfälligen Abschluss weiterer Burg- und Landrechte unter den Eidgenossen die im Mai 1477 beschlossene besondere Verbindung zwischen den fünf Städten nicht aufgehoben wäre und immer Vorrang besässe. Jedenfalls betrachtete Bern das Burgrecht als eine dauernde, bleibende Institution, die es ihm ermöglichte, mit verstärktem Gewicht in eidgenössischen Angelegenheiten zu sprechen und zu handeln. Auf diese Funktion des Burgrechts, auf seine Bedeutung als politisches Instrument der fünf Städte, hatte bereits Philipp Anton von Segesser in seiner grundlegenden Schrift über das Stanser Verkommnis mit der Feststellung hingewiesen, dass sich die im Burgrecht begriffenen Städte über gemeineidgenössische Sachen von grösserer Bedeutung auf besonderen Konferenzen zum voraus geeinigt und dann auf den gemeinsamen Tagen durch die Ubereinstimmung ihrer Instruktionen den übrigen Orten gegenüber ohne Zweifel einen erhöhten Einfluss auf die Entscheidungen ausübten99. Man versteht, dass die Länderorte eine solche Neuerung im eidgenössischen Bündnissystem, welche die politischen Gewichte zu ihren Ungunsten entscheidend verschob, nicht einfach hinnehmen wollten und deshalb das Burgrecht erbittert bekämpften. 3. Der erste Verkommnisentwurf vom Juli 1478 und der erste Entwurf eines Bundes der VIII Orte mit Freiburg und Solothurn vom August 1478 Erste Auseinandersetzungen um das Burgrecht Beim sogenannten Burgrechtsstreit ging es um Grundfragen des eidgenössischen Verfassungslebens, letztlich um die Doppelfrage der politischen Assoziation und Integration. Sie stellte sich in zweifacher Hinsicht: sie betraf einerseits die Verbindung zwischen den Orten, ihre Stellung im eidgenössischen Verband sowie die Ausdehnung ihrer Verbindung auf weitere Bündnispartner, und anderseits die Verbindung zwischen den Ortsangehörigen, ihre Assoziation und Integration im politischen Verband des einzelnen Ortes, das Verhältnis zwischen ihnen und ihrer Obrigkeit. Dass es sich bei diesem Verhältnis um ein Problem handelte, das sich nicht nur in den Städteorten stellte und nicht nur die Untertanengebiete betraf, sondern mit dem sich auch die Länderorte mit den souveränen Landleuten konfrontiert sahen, zeigt ein Obwaldner Landsgemeindebeschluss aus jener Zeit (von 1473 oder 1478), welcher das In-den-Krieg-Laufen ohne Erlaubnis von Landammann, Rat und Landsgemeinde sowie eigenmächtige Strafaktionen von Landleuten verbot; Zuwiderhandelnde sollten als meineid gelten und entsprechend bestraft werden100. Die Verkommnisentwürfe sprechen denn auch in ihren Artikeln, in den Bestimmungen über strafbare Handlungen, stets in allgemeiner Weise Text in EA II, Beilage 59, S. 924-926, Vereinigung der fünf Länder mit Otto, dem erwählten Bischof von Konstanz, 12. Januar 1477. — Zur Bezeichnung des Vertrages vgl. den Schluss des Ver-kommnisentwurfs der fünf Burgrechtsstädte von Anfang November 1481: «Item und so verr dise artikel von allen teilen angenomen werdent und also beschlossen, demnach und damit so sol das gemacht burgrecht mit den Stetten und ouch der pund mit dem bischoff von Constenz ganz hin, tod und ab sin»; vgl. ferner denTagsatzungsbeschluss vom 22. Dezember 1481: «Item dewil nu die Sachen von des burgrechten wegen betragen und gericht und man der geschriften eines worden sint, so sol damit daz burgrecht zwischent den Stetten und ouch die einig zwischent den V orten und mim herren von Costenz hin, tod und ab sin, und damit so sol man die brief darumb gemacht zu tagen bringen und die bin und abtun» (EA III/1, S. 110). STA Bern: Ratsmanual 22, S. 90, Ratssitzung vom S. August 1477; Dokumentation S. 136, Anm. 58. Abschied des Tages der fünf Burgrechtsstädte zu Zofingen vom 20. August 1481; Dokumentation S.151-153. SeGESSER, Beiträge zur Geschichte des Stanser Verkommnisses, S. 56. STA Obwalden, Ältestes Landbuch (1524/25), S. 10. Es ist einer der wenigen datierten Landsgemeindebeschlüsse im Landbuch: «uff sant Dorotheen tag im Ixxiij iar» = am 6. Februar 1473. Ohne zeitliche Angabe wurde dieser Beschluss auch ins Landbuch von 1635 übernommen. Das «Ixxiij iar» könnte beim Eintrag in das Landbuch von 1524/25 verschrieben worden sein für «lxxviij», da der Beschluss eigentlich besser in den Februar 1478 passen würde. Er lautet: «Aber uff sant Dorotheen tag im Ixxiij iar hat ein grosse gmeind gmacht und uffgesetzt, als dann etlich knecht vor etwas zit in krieg geloufen sind und darbi grett worden ist, niiw gmeinden an zu tragen oder lütt zu straffen an eines ammans und lantlüten wussen und willen, ist nun also gemacht, wer der ist, der nun hie für in dhein krieg lüft an eins ammans oder einer gmeind ratt, wiissen und willen, das wir den und dieselben, die selichs ubersechend und nit hieltend, wellend wir für meineidig han, als vil der werend, die selichs tertend. - Wer ouch der ist, der eine nüwe gmeind antreit oder antrög hie für hin, iemen ze straffen an eines ammans und einer gmeind wussen und willen, 36 Bericht Der Ablauf der Ereignisse 37 von den Angehörigen der Örter der Eidgenossenschaft, von Handlungen, die von einem Ort oder «den Seinen» - den Burgern, Landleuten, Untertanen - begangen wurden. Es handelte sich um allgemeine, in Städte- und Länderorten auftretende Krisenerscheinungen im Prozess der Staatsbildung auf eidgenössischem Gebiet, die Gegenstand der seit 1478 geführten Verhandlungen über ein eidgenössisches Verkommnis waren. Vordergründig begann die Auseinandersetzung um das Burgrecht als ein Rechtsstreit zwischen Luzern und den Ländern Uri, Schwyz und Unterwaiden. Unter Berufung auf die Bestimmung im Bundesbrief von 1332101, dass keiner der Vertragspartner sich ohne Wissen und Willen der andern mit «sunderlichen eiden» oder mit «sunderlicher gelübt» mit andern verbinden dürfe, verlangten die Länder von Luzern, dass es von dem ohne ihr Wissen und gegen ihren Willen abgeschlossenen Burgrecht zurücktrete. Luzern bestritt, dass die angerufene Bestimmung auf sein Burgrecht mit den vier Städten Anwendung finden könne. Für einen Konflikt unter den Bündnispartnern, wie er hier vorlag, sah der Bundesbrief vor, dass «die besten und die witzigosten» aus den vier Orten zusammentreten sollten, um den Streit zu schlichten, «nach minnen oder nach rechte». Tatsächlich wurden vier Anläufe unternommen, um das im Bundesbrief vorgeschriebene Schiedsverfahren durchzuführen: Ende 1477, im Herbst 1478, im Frühjahr 1481 und zum letzten Mal Anfang November 1481102. Doch zur eigentlichen Durchführung des Verfahrens mit Entscheid nach Minne oder Recht kam es nie. Ausserhalb und an Stelle des bundesgemässen Rechtsvorgehens wurde von Anfang an der Weg der Verhandlungen beschritten, unter Beteiligung der übrigen Orte samt Freiburg und Solothurn, zunächst mit dem Ziel, die Gegenseite zur Aufgabe ihres Standpunktes und zum Verzicht auf das behauptete Recht zu bewegen, im weiteren Verlauf immer mehr mit dem Ziel, eine für beide Seiten annehmbare gemeineidgenössische Regelung als Ersatz für das Burgrecht zu finden. Das endliche Ergebnis, nach vier Jahren, bildeten das Stanser Verkommnis und der Bund mit Freiburg und Solothurn vom Dezember 1481. Dass sich das bundesgemässe Schiedsverfahren als undurchführbar erwies und zwangsläufig der Weg der Verhandlungen und gütlichen Vereinbarung beschritten wurde, hat verschiedene Gründe. Zuerst musste man sich, bevor auf den eigentlichen Streitfall eingegangen werden konnte, über die Vorfrage einigen, wie das Verfahren durchzuführen sei, das Schiedsgericht zusammengesetzt werden solle, da der Bundesbrief darüber nichts aussagte. Man konnte sich Zwar im Frühjahr 1481 über die Zahl der «Zusätze», der Schiedsleute, einigen (Luzern eben soviele wie die drei Länder zusammen)103, aber die Frage des Obmannes blieb ungeklärt und war auch kaum zu lösen. Als besondere Schwierigkeit kam hinzu, dass es und an ir rett, als vil deren werend, die wend wir ouch han für meineid, und soll diß bestan und gehalten werden unz das es ein grosse gmeind abspricht, endert, mindert oder meret». 101 Nabholz/Kläui, Quellenbuch zur Verfassungsgeschichte, S. 10. 102 Siehe den Überblick in: Dokumentation S. 200-202. 103 EA HUI, S. 93, und Beilage 10, S. 692-694 (11. April 1481). unter den am Rechtsstreit nicht unmittelbar beteiligten vier Orten keinen gab, der sowohl von Luzern als auch von Uri, Schwyz und Unterwaiden als unparteiischer Vermittler anerkannt worden wäre: Zürich und Bern standen auf der Seite Lu-zerns, Zug und Glarus auf der Seite der Länder. Doch der Hauptgrund, weshalb an Stelle einer Fortsetzung des Rechtsverfahrens immer wieder der Weg der Verhandlung gewählt wurde, bildete die Einsicht auf beiden Seiten, dass unter den gegebenen Verhältnissen jeder auf dem Rechtswege gefällte Entscheid die Gefahr des Krieges in sich barg. Die Chance für einen schliesslichen Erfolg der Verhandlungen bestand darin, dass weder die fünf Städte noch die fünf Länder einen in sich geschlossenen einheitlichen Block darstellten und auch im einzelnen Ort die Meinungen darüber geteilt waren, ob und wie weit man festbleiben oder entgegenkommen solle. Der luzernischen Ratsbotschaft, die im Dezember 1477 in die innern Länder entsandt wurde, um diese von der Rechtmässigkeit des ihnen ungefährlichen Burgrechts zu überzeugen, ist «von den von Underwalden ob dem Wald gütige, aber von den übrigen ruche antwurt worden», wie im Berner Ratsmanual vom 23. Dezember vermerkt wurde104. Doch der weitere Verlauf der Dinge offenbarte, dass man gerade in Obwalden nicht einheitlicher Ansicht darüber war, wie man Luzern begegnen solle. Einer verständigungsbereiten Partei, deren Exponent Ammann Heinzli war, stand eine militant-unnachgiebige unter Führung von Landammann Heinrich Bürgler gegenüber, die Luzern durch Druckausübung zur Aufgabe des Burgrechts zwingen wollte, indem nun der Versuch gemacht wurde, die luzernischen Ämter gegen die Stadt zu mobilisieren, wofür das Entlebuch mit seinem Selbständigkeitsstreben den günstigen Ansatzpunkt bildete. Die von Liebenau publizierten Akten über den Amstaldenprozess lassen erkennen, dass diese Versuche bereits Anfang 1478 einsetzten105. Doch gleichzeitig mit ihnen begannen auch die Bemühungen um eine Entschärfung der Lage durch gegenseitige Kontaktnahme und das Gespräch. Der im Dezember von Seiten der Länder bekundeten Absicht, Luzern ins Recht zu fassen, wurde keine Folge gegeben. Die Januar-Tagsatzung in Zürich beschloss statt dessen, dass auf den 15. Februar Uri, Schwyz und Unterwaiden je zwei Vertreter nach Bern zu einer Aussprache über das Burgrecht abordnen und Glarus sowie Zug mit je einem Boten dabei sein sollten106. Für die Woche vor dem angesetzten Tag vermerkt das Luzerner Umgeld-buch Botschaften der Luzerner nach Unterwaiden und der Unterwaldner nach Luzern107. Und in diese Zeit, Anfang Januar bis Mitte Februar 1478, fallen auch die ersten Zeugnisse eines offiziellen Verkehrs zwischen der luzernischen Regierung und dem Eremiten Nikiaus von Flüe. In der ersten Januarwoche wurde laut Umgeldbuch der Ratsherr Peter Tammann und Ende des Monats Tammann zusammen mit dem Ratsherrn Petermann von Meggen in den Ranft geschickt. Für m STA Bern: Ratsmanual 23, S. 116 105 Liebenau, Der Hochverratsprozess des Peter Amstalden, S. 85ff. "* EA HI/1, S. 1. 107 Dürrer, Bruder Klaus 1, S. 76, Anm. 8: Auszüge aus dem Umgeldbuch post Nativitatis 1478. 38 Bericht Der Ablauf der Ereignisse 39 die Woche vom 8. bis 14. Februar enthält das Umgeldbuch den Eintrag: 5 Pfund, sechs Schilling «dem seckelmeister [Peterraann von Meggen], als er bi brüder Clausen, zu Ure, Switz und Zug gewesen ist»108. Mitte März stellten Uri und Schwyz in zwei erhaltenen Schreiben das Begehren an Luzern, auf den 25. März seine Räte, die Hundert «und darzü die ganzen gemeinde inderhalb und ussert-halb» der Stadt versammelt zu halten, um eine Abordnung aus den fünf Ländern des Burgrechts wegen anzuhören109. Im Mai, in Ausführung eines Beschlusses der fünf Burgrechtsstädte vom 8. April110 und des Beschlusses der eidgenössischen Tagsatzung vom 1. Mai111, bereiste eine Gesandtschaft, bestehend aus je zwei Abgeordneten von jeder Stadt, die Länder und sprach vor ihren Landsgemeinden. Der erste Verkommnisentwurf vom Juli 1478 Auf beiden Seiten blieben die Standpunkte im Grundsätzlichen unverändert: die Städte hielten am Burgrecht fest, die Länder verlangten seine Auflösung. Es war schliesslich dank einer Initiative von Seiten der Länderorte, dass man den entscheidenden Schritt weiterkam. Es geschah dies auf einem Tag der VIII Orte mit Freiburg und Solothurn in Luzern vom 8. Juli 1478, der auf Wunsch der Länder abgehalten wurde, um «etwas witer und nützlicher von disen Sachen ze reden»112. Die Städtevertreter erklärten, dass ihre Herren und Oberen willens seien, «unab-leßlich» beim Burgrecht zu bleiben «und Hb und gut darzü ze setzen», doch wollten sie gerne anhören, was die Länderorte zu sagen und vorzuschlagen hätten. «Uff daz» - heisst es im Luzerner Abschied weiter - «hand die lender mit erzel-lung mengerlei ursach begert, daz man inen zusage, solich burgrecht dannen ze tund, und wen daz beschech, so si ein brief, der dann vor ziten, als der strit zu Sempach beschach, gemacht und von uns allen gesworn, darin dann Solotorn und Friburg begriffen sien, über den wollend si mit den Stetten sitzen, und ob darin etwaz ze endren oder zu bessren sie, sol an inen nit erwinden, wann si ir bünde redlich an uns halten und lib und gut zü uns setzen wollend». Der Vorschlag der Länder ging also dahin, dass die Städte auf ihr Burgrecht verzichten würden, dafür der Sempacherbrief von 1393 revidiert und mit Präzisierungen sowie Ergänzungen verbessert würde, die den Zeiterscheinungen Rechnung trugen, welche die Städte nach eigenen Aussagen zum Abschluss ihres Burgrechts veranlasst hatten; dabei sollte neben den VIII Orten und Solothurn, das bereits im Brief von 1393 beteiligt gewesen war, auch Freiburg ins erneuerte Verkommnis einbezogen sein. Die Städtevertreter erklärten sich bereit, obwohl dies ihre Instruktionen überschritt, auf die Idee der Länder einzutreten. Der Sempacherbrief wurde verlesen. 108 Siehe Dokumentation S. 205. lot segesser, Beiträge zur Geschichte des Stanser Verkommnisses, Urkundliche Beilagen 6 und 7, S. 138f. 110 EA III/l, S. 5. - Den Anstoss zu diesem Beschluss scheint Bern gegeben zu haben. Vgl. den Beschluss des Grossen Rates vom 4. April 1478; Dokumentation S. 138f. '« EA III/l, S. 8. 112 STA Luzern: Luzerner Abschiede B, 113r-113v; Dokumentation S. 147f. Auf Vorschlag der Städte beschloss man darauf, durch zwei bis drei Ausgeschossene von jeder Seite das Projekt weiterverfolgen zu lassen. «Dis ist beslossen, und davon etwas meinung uffgestelt, als der zedel inhaltet». Die hier genannte Beilage zum Abschied hat sich erhalten, zwar nicht in ihrer ursprünglichen Gestalt, als der erwähnte «Zedel», aber in dem im Luzemer Staatsarchiv aufbewahrten undatierten Schriftstück, das den Vermerk «Burgrecht die Artikel» trägt113. Dass dieses auf die Verhandlungen der Luzerner Tagsatzung vom 8. Juli 1478 zurückgeht, darauf weisen unzweifelhaft die Sätze am Schluss des Dokuments hin, die mit dem Ende des Tagsatzungsabschiedes beinahe wörtlich übereinstimmen114. Wenn auch nicht ganz auszuschliessen ist, dass der vorliegende Text bereits eine Bearbeitung des Konzepts vom 8. Juli durch die Ausgeschossenen darstellt, so ist es doch der erste Entwurf zu einem Verkommnis115, von dem alle späteren Entwürfe ausgehen, also das Grundkonzept, aus dem sich das im Dezember 1481 endgültig beschlossene eidgenössische Verkommnis, das Stanser Verkommnis, entwickelt hat116. Der Entwurf vom Juli 1478 war als Diskussionsgrundlage für weitere Verhandlungen gedacht. Die aufgesetzten Artikel wollen nicht den Sempacherbrief ersetzen, aber seine Bestimmungen genauer fassen und ergänzen. Sempacher- und Pfaffenbrief sollen, wie ausdrücklich gesagt wird, «bi creften bliben», weshalb man künftig, «wann man eim burgermeister, eim schultheissen ald eim amman swert», beide Verkommnisse «vor den gemeinden lesen und ze halten sweren» soll. Von den vorgeschlagenen präzisierenden und ergänzenden Artikeln beziehen sich nur zwei - knapp ein Achtel des Textes - auf die Feldordnung, das Verhalten im Krieg, woran man beim Sempacherbrief gewöhnlich in erster Linie denkt. Der eine besagt, dass die Kriegsartikel nicht nur beim Auszug unter dem Panner Anwendung finden sollen: «Und nachdem in dem brief, so nach dem Sempach-strit gemacht, begriffen ist, wie man sich in kriegen halten [soll], wann man mit panern zücht, daz darzü gesetzt [werd] mit panern und venlinen, alles glich gestimpt». Nach der Auslegung von Durrer wäre der Sinn dieser Ergänzung, «dass man das Kriegsrecht auch auf die kleinen Fehden und auf Reisen mit Freifahnen anwenden wollte»117. Der andere Artikel betrifft die Teilung der Kriegsbeute; es sollen darüber genauere Bestimmungen aufgesetzt werden: «Item in dem 113 STA Luzern: URK 45/969, abgedruckt als erstes Projekt des Stanser Verkommnisses in: segesser, Beiträge z.ur Geschichte des Stanser Verkommnisses, S. 1391., mit dem Datum «1478, 18. und 19. Augstmonat», und bei Durrer, Bruder Klaus 1, S. 129-131, mit Datum «vom 10. März 1478». ,H Abschied vom 8. Juli 1478: «Und sol man das heimbringen und darumb mir voller gewah wider hie zü Lucern sin uff zinstag ze nacht nach unser frowen tag in ougsten [= 18. Augusc], die sachen van des burgrechten wegen ze handien als davon ist gerett». - Schriftstück «Burgrecht, die Artikel»: «Dis Sachen sol man heimbringen und uff zinstag nach unser lieben frowen tag im ougsten widerumb ze Lucern sin und dann uf morndes mittwochen völlig antwurt geben und in den dingen mit vollem gewalt handien, als davor gerett ist». 115 Abdruck des Textes: Dokumentation S. 148f. 116 Vgl. die Synopsis S. 168-175. 117 Durrer, Bruder Klaus 1, S. 129, Anmerkung 4. 40 Bericht Der Abtauf der Ereignisse 41 brief, so nach dem Sempachstrit gemacht ist, sol man den artikel, so da wist von dem erobreten güts wegen teilen, ouch bessren und lütrer setzen». Der Hauptteil des Entwurfs aber behandelt andere Fragen. Der erste Artikel erneuert das Gebot in Artikel 1 des Sempacherbriefs118, sich jeder Gewalthandlung gegen Eidgenossen und die, welche zu ihnen gehören, in Krieg und Frieden zu enthalten. Durch die Beifügung von Strafbestimmungen im Fall einer Missachtung wurde ihm nun der erforderliche Nachdruck verliehen. Anknüpfend an die Bestimmung von 1393, dass bei einem Verstoss gegen die Vorschriften des Sempacherbriefes die Obrigkeit des Missetäters für dessen Aburteilung zuständig sein soll, wird - jene Anordnung erweiternd und verallgemeinernd - im zweiten Artikel des Verkommnisentwurfs erklärt: Wenn jemand in der Eidgenossenschaft angeklagt wird, «umb Sachen, so unser stett und lender berüren, als umb was sach daz were, so unrecht getan», dann soll niemand den oder die Beschuldigten «an[e] recht noch mit gewalt straffen», sondern es sollen diese «von iren herren und obren mit recht» nach ihrem Verdienen abgeurteilt werden. Der Artikel verbietet die eigenmächtigen Strafaktionen, gegen welche sich auch der schon erwähnte Obwaldner Landsgemeindebeschluss gewandt hat. Die Erinnerung an die von den Gesellen des torechten Lebens angemasste Strafgewalt wird bei der Ausformulierung nicht ohne Einfluss gewesen sein. Dass der Artikel in den zwei letzten Entwürfen und im Stanser Verkommnis nicht mehr erscheint, hat besondere Gründe, die sich freilich nur vermuten lassen. Die Streichung steht wohl im Zusammenhang mit der Nachgeschichte des Amstaldenhan-dels, das heisst mit dem unerledigten und über Jahre sich hinziehenden Streit um die Frage der gerichtlichen Instanz, vor welcher sich die der Komplizenschaft in der Entlebucher Verschwörung, ja der Anstiftung zum Komplott beschuldigten Obwaldner Notablen Bürgler und Künegger verantworten sollten. Es wurde im Verkommnis, von seinem fünften Entwurf an, allem Anschein nach eine Frage ausgeklammert, zu welcher im konkreten Fall keine Lösung oder baldige Einigung in Sicht war, die vielmehr bei weiterer Beratung zu neuen Spannungen führen konnte und somit dem Bemühen um eine allgemeine Übereinkunft im Wege stand119. Im Entwurf folgen die bereits erwähnte Ausdehnung der Vorschriften des Sempacherbriefes auf Kriegszüge unter dem Fähnlein und dann, als vierter Artikel, das auch in allen weiteren Entwürfen vorkommende nachdrückliche Verbot für die Ortsangehörigen, sich ohne Wissen und Erlaubnis der Obrigkeit Zu Gemeinden 118 Zu diesem und den folgenden Artikeln des ersten Verkommniscntwurfes in ihrem Verhältnis zu den Bestimmungen des Sempacherbriefes vgl. Dokumentation, Synopsis S.168-175. Zur historischen Einordnung und Bedeutung des Sempacherbriefes vgl. StetTLER, Sempacherbrief. 1,9 Über das «Nachspiel» des Amstaldenhandels vgl. SUTER-SCHMID, Koller-, Mötteli- und Amstal-denhandel, S. 103-112. -S. Ulf.: «Das Beispiel Obwaldens mochte nur allzu deutlich zeigen, wie unzulänglich die Bestimmung, verleumdete Leute an ihrem Heimatort zu richten, dann sein konnte, wenn die Richter des Ortes nicht in der Lage waren oder befunden wurden, ein gerechtes und befriedigendes Urteil zu fällen. Eine neutrale Instanz, wie sie etwa die Ewige Richrung für Konflikte Zwischen Eidgenossen und Osterreich vorsah, wäre zur Beurteilung solcher Fälle das zu versammeln und eigenmächtig Beschlüsse zu fassen («sunderbar gemeind sam-len» und «antrag tun») - eine der bekanntesten Bestimmungen des Stanser Ver-kommnisses. Zu ihrem richtigen Verständnis ist hier die Entwicklungslinie nachzuzeichnen, die vom Sempacherbrief über spätere eidgenössische Verordnungen zu den Verkommnisentwürfen und schliesslich zum Stanser Verkommnis geführt hat. Den Ausgangspunkt bildet der letzte Artikel im Sempacherbrief120, mit seiner Erklärung, dass keine Stadt und kein Land, aber auch keiner ihrer Angehörigen von sich aus mutwillig ohne Ursache einen Krieg anfangen solle (ihn beginnen «unerkennet nach wisunge der geswornen briefe», das heisst, ohne dass vorher gemäss Vorschrift der Bünde eine «Erkenntnis» des zuständigen Ortsorgans darüber ergangen wäre). Diese Bestimmung wurde in einem Verkommnis von sieben Orten im Juni 1397 bestätigt und präzisiert: Es solle in Städten und Ländern der Eidgenossenschaft keiner mehr einen Angriff tun ohne Wissen und Willen des Rats seiner Stadt beziehungsweise - in den Ländern - des Landammanns und der Landleute121. 1401 wurde diese Ordnung mit dem Zusatz erneuert, dass nicht allein «einen angriff tun» (das heisst eine Fehdehandlung beginnen), sondern auch «in einen krieg loufen» (das Reislaufen) verboten sein soll, wenn es ohne Wissen und Willen der Obrigkeit geschieht122. Das eigenmächtige In-den-Krieg-Ziehen wurde im Laufe des 15. Jahrhunderts, vor allem in seiner zweiten Hälfte, immer mehr zu einer Hauptsorge der Ortsobrigkeiten wie der Tagsatzung. Im Hinblick auf den in Frage stehenden Artikel des Verkommnisentwurfs ist besonders aufschlussreich der Tagsatzungsbeschluss vom 18. Juni 1471, gemäss dem jeder Ort gebieten und dafür sorgen sollte, dass keiner «one siner herren wissen, willen und urloub» in einen Krieg laufe, «noch nieman uffwiggle». Wenn es geschehe, dass sich derer «etwa besampten und in solh krieg enweg ziehen wolten», dann sollte der Ort, dahin «dieselben ungehorsamen komment», volle Gewalt «von aller Eid-gnossen wegen» haben, «dieselben knecht ze wenden», sie zu veranlassen, wieder heimzukehren und «iren herren gehorsam ze sind»123. Es war wohl die immer wieder zutage tretende Ohnmacht der einzelnen Ortsobrigkeiten gegenüber diesen von ihnen verbotenen Besammlungen und den dort gefassten Beschlüssen, was dazu geführt hat, den Artikel des ersten Verkommnisentwurfs mit dem Satz zu beschliessen: «Und wir sollen ouch einandern trüwhch beholfen und beraten sin, damit semlich lüt gestrafft werden an dem ende und von denen, da denn semlich antreg bescheen und uffgelüffen sind». Eine solche Hilfsverpflichtung hätte nun allerdings ein Ansatzpunkt zu unerwünschten Einmischungen in die inneren Angelegenheiten eines Ortes sein können, berührte somit die eifersüchtig gehüte- einzig richtige gewesen; doch eine entsprechende Regelung konnte offensichtlich nicht gefunden werden, was für Bürgler und Künegger zur Folge hatte, dass sie nie verurteilt oder rehabilitiert wurden». 120 Synopsis S. 170. 121 EA I, S. 91. 122 EA I, S. 99. 123 EA II, S. 421. 42 Bericht Der Ablauf der Ereignisse 43 te örtliche Autonomie. Bereits im dritten Verkommnisentwurf vom August 1481 ist der Satz denn auch gestrichen worden, und er erscheint auch in den folgenden Entwürfen sowie im Stanser Verkommnis nicht mehr. Der Artikel 7 ist der einzige des Entwurfs, für den sich weder im Sempacher-bnef noch in späteren eidgenössischen Vereinbarungen eine Entsprechung findet. Er begegnet uns dagegen, fast wörtlich gleich, im Stanser Verkommnis. Im Entwurf vom Juli 1478 hat er folgenden Wortlaut: «Das ouch hinfür niemand dem andern die sinen uffwisen, wider sin herrn ze sind ald ungehorsam ze wesen, inen die ouch nit abzüchen noch widerwertig ze machen, sunder ob iemant die sinen widerwertig wurdent und nit gehorsam wesen wolten, die helfen gehorsam machen nach lut und sag der geswornen buntbrieven». Der Text verbietet also den Ständen, die Angehörigen eines andern Ortes aufzuwiegeln oder abtrünnig zu machen, verpflichtet sie vielmehr, der Obrigkeit bei Ungehorsam, Widersetzlichkeit und offener Auflehnung zu helfen, die Aufrührerischen wieder gehorsam zu machen. Den Hintergrund des Artikels bilden zunächst die wirklichen wie die angeblichen Pläne der gegen die Stadt Luzern konspirierenden Entlebucher und ihrer Hintermänner in Obwalden, wovon die Luzemer Regierung gerüchteweise und durch erste Kundschaften wohl bereits im Juli 1478 Kenntnis erhielt, im weiteren aber auch die früheren sowie die für die Zukunft befürchteten Unruhen, Widerstände und Selbständigkeitsbestrebungen in den verschiedenen Herrschaftsgebieten, welche die seit der Jahrhundertmitte intensivierten Versuche der Ortsobrigkeiten, ihre Herrschaft zur Landeshoheit mit gesteigerten Ansprüchen gegenüber ihren Angehörigen weiterzuentwickeln, begleitet haben124. Der Text des Artikels findet sich inhaltlich und zum Teil wörtlich gleich in allen folgenden Entwürfen, auch in jenem vom 2. September 1481, welcher als Gegenentwurf zu einem Projekt der Städteorte zustande kam. Es handelt sich hier, so scheint es, um jene Bestimmung, die zwischen den Orten, das heisst den sie vertretenden Ratsboten und Magistraten, am wenigsten umstritten war. Die Existenz und die Rechtmässigkeit von Untertanenverhältnissen wurden grundsätzlich von keiner Seite in Frage gestellt. Eine andere Haltung einzunehmen und sie zu begründen, wäre auch schwer gefallen, nachdem sämtliche VIII Orte {zusammen mit Solothum) in ihrer im Oktober 1477 und dann im Januar 1478 abgeschlossenen Erbeinigung mit Herzog Sigmund von Österreich dem Vertragspartner nicht nur Hilfe gegen Gegner von aussen, sondern auch gegen unbotmässige Untertanen zugesagt hatten: Falls die Untertanen des Herzogs und seiner Erben «nicht wolten gehorsam, sonder widerspennig sein, wer die weren, dieselben sollen wir Eid-gnossen und unser nachkomen» dem Herzog und seinen Erben, «wenn ir gnad das erfordert und begert, mit guten trewen helfen gehorsam machen mit hilf und in der maß, als darvor geschriben steet»125. 124 Vgl. dazu DÜRR, Die Politik der Eidgenossen im 14. und 15. Jahrhundert, S. 331-436, und SCHAU-felb erger, Spätmittelalter, S. 328-335. 125 EA II, S. 944-946 (Beilage 66): Erbeinigung zwischen Zürich, Bern, Luzern Uri und Solothurn und dem Herzog Sigmund von Österreich vom 13. Oktober 1477. - EA III/l, S. 665-667 (Bei- Der erste Bündnisentwurf vom August 1478 Der letzte Artikel des Verkommnisentwurfs vom Juli 1478 betrifft das Verhältnis zu den Städten Freiburg und Solothurn: «Item heimbringen, daz die von Fri-burg und Soloturn ouch in dis brieve begriffen und gesteh werden». Im zweiten Verkommnisentwurf, vom April 1481, lautet der entsprechende Passus: «Item und das ouch die von Friburg und Solloturn in diß brief gestellt und begriffen werden sond in glichen rechten als die acht ort», mit dem Zusatz in einem weiteren Abschnitt (als ergänzender oder als alternativer Vorschlag): «Und das ouch ieder bott heimbring, wie man die von Friburg und Solloturn in die büntnüß well nemen, sol man rätslagen und därumb antwurten uff den nechsten tag». Durch das ewige Burgrecht wurden Freiburg und Solothurn in eine dauernde Verbindung mit den drei Städten der achtörtigen Eidgenossenschaft gebracht. Eine Auflösung des Burgrechts, wie dies von den Ländern verlangt wurde, warf die Frage nach der künftigen Stellung der beiden Städte in der Eidgenossenschaft auf. Die von den Länderorten für einen Verzicht auf das Burgrecht angebotene Gegenleistung bestand darin, dass man in einer eidgenössischen Vereinbarung die Probleme, die nach Aussage der Städte Anlass zum Abschluss des Burgrechts gegeben hatten, regelte und an diesem Verkommnis neben Solothurn auch Freiburg beteiligte. Innerhalb der Städtegruppe gingen bezüglich der Frage, wie die beiden Weststädte in die Eidgenossenschaft der VIII Orte zu integrieren wären, die Interessen auseinander, auch wenn nach aussen Einigkeit demonstriert wurde. Hans Sigrist hat dies vor allem mit Blick auf Solothum eindrücklich dargetan126. Das Bestreben Freiburgs und Solothurns musste darin liegen, mit allen VIII Orten in eine dauernde Verbindung in der Weise zu gelangen, wie sie zwischen diesen durch die alten Bünde hergestellt wurde. Freiburg hat 1476, noch vor seiner endgültigen Lösung aus dem savoyischen Herrschaftsverband, denn auch in aller Form ein entsprechendes Gesuch um Aufnahme gestellt, über das im Winter an Tagsatzungen verhandelt wurde127. Für Bern hatte der Fünf-Städte-Verb and, in dem es unbestritten die Führung besass, vorrangige Bedeutung. Es unterstützte das Anliegen seiner beiden westlichen Verbündeten, weil es für seine Politik auf ihre Unterstützung angewiesen war, benutzte aber gleichzeitig ihr Streben nach der Stellung eines eidgenössischen Orts als taktisches Druckmittel, in den Verhandlungen mit den Länderorten. An der am 19. August 1478 in Luzern eröffneten Tagsatzung, an der auch Freiburg und Solothurn teilnahmen, wurde nicht nur das in einem ersten Entwurf vorliegende Verkommnis besprochen, sondern auch auf die Frage einer engeren läge 3): Erbeinigung zwischen Schwyz, Unterwaiden, Zug und Glarus und dem Herzog von Österreich vom 26. Januar 1478. Die beiden Verträge sind inhaltlich gleich. ai SlGRIST, Solothurn und die VIII alten Orte, S. 130ff. 127 EA II, S. 604, 619, 636, 643 (Tagsatzung in Luzern, 20. Januar 1477: «[...] denen von Lucern ist gewalt geben, ein zimlich geschrift büntnis zestellen zwüschend den Eitgnossen und denen von Friburg, daz wirt denn iederman heimbringen und denen von Friburg antwurt geben.») und 646 (Tagsatzung in Luzern, 29, Januar 1477). - Text des von Luzern ausgearbeiteten Bündnisentwurfes: Segesser, Beiträge zur Geschichte des Stanser Verkommnisses, S. 134f. (Beilage 2). 44 Bericht Der Ahlauf der Ereignisse 45 Verbindung der beiden Weststädte mit den VIII Orten eingegangen. Es waren «etlich artikel der von Friburg und Solotorn halb gesetzt», wie im Abschied festgehalten wird; es solle « iederman heimbringen als davon gerett ist und uff sant Mauriciestag [22. September] ze nacht wider zu Luzern sin, dorumb völlig ant-wurt ze geben und die Sachen entlich ze besliessen»128. Die am Schluss auf den 21. August 1478 datierten Artikel sind in drei Exemplaren in den Staatsarchiven Luzern und Solothurn erhalten geblieben. Es handelt sich bei ihnen um den ersten jener Entwürfe zu einem Bündnis mit Freiburg und Solothurn - zu denen auch der im Oktober 1481 vorgeschlagene «gemeine, ehrliche und ziemliche Bund» gehört! —, die in der Folge gleichzeitig mit dem Verkommnisentwürfen zur Diskussion gestellt wurden12'. Die Vorschläge kamen von städtischer Seite, und den Anstoss dazu gaben wahrscheinlich immer wieder die beiden Weststädte; bei zwei Projekten lässt sich sogar mit Sicherheit sagen, dass sie in Freiburg (und Solothurn) entstanden sind130. Verkommnis- und Bündnisfrage waren unauflöslich miteinander verknüpft, und es war die zweite Frage, nämlich wie Freiburg und Solothurn in die Eidgenossenschaft der VIII Orte einzubeziehen seien, welche die Einigung erschwerte und es immer wieder verunmöglichte, mit den Ländern zu einer Ubereinkunft zu gelangen. Die Jahre 1479 and 1480 Auf der September-Tagsatzung von 1478 in Luzern131 gelang es nicht, «die Sachen entlich ze besliessen», wie man es sich im August vorgenommen hatte. In der Folge gelangten die Vertragsverhandlungen bald einmal an einen toten Punkt, sodass man, in einem zweiten Anlauf, wieder den Weg des Rechts beschreiten wollte. Laut Abschied vom 31. Oktober wurde Luzern von den Ländern auf den 18. November 1478 «zu recht gen Beggenriett nach ir pünden sag» gemahnt132. Doch zur Durchführung des Schiedsverfahrens kam es auch jetzt nicht. Auf der gleichen Tagsatzung von Ende Oktober erklärte nämlich Uri, dass es zum Krieg gegen Mailand entschlossen sei. Der Ausbruch des »Bellenzerkrieges» leitete eine zweijährige Phase des Stillstandes in den Auseinandersetzungen um das Burgrecht ein, das nun gegenüber andern Fragen der innern und auswärtigen Politik in den Hintergrund trat. Doch schwelte der Konflikt während dieser beiden Jahre weiter. Einem Eintrag im Luzerner Ratsbuch vom November 1479 ist zu entnehmen, dass die drei Länder nach der Herstellung des Friedens mit Mailand133 die m STA Bern: Eidgenössische Abschiede A, S. 133; Dokumentation S. 177. ,2' Vgl. Dokumentation S. 177-199. 130 Entwürfe 4a und 4b; Dokumentation S. 183-186. Vgl. dazu SlGRIST, Solothurn und die VIII alten Orte,S. U2f, 131 Luzerner Abschied vom 24. September 1478, in: EA III/l, S. 15f. 132 STA Bern: Eidgenössische Abschiede A, S. 137; vgl. auch EA III/l, S. 17-19. 133 Der Abschluss des Bellenzerkrieges: 29. September 1479 Friedensvertrag mit Mailand, vermittelt durch den französischen Gesandten Bertrand de Brossa; 3. März 1480 Nachtrag zu dem Vertrag durch den französischen Unterhändler; 5. März 1480 Ratifikation des Friedensvertrages durch Mailand. Stadt neuerdings nach Beckenried ins Recht gemahnt hätten134. Die Forderung Luzerns, im Schiedsgericht gleichviel Vertreter zu stellen wie die drei Länder zusammen, scheint die Durchführung des Verfahrens verhindert zu haben. - Der nächste den Burgrechtsstreit betreffende Eintrag im Luzerner Ratsbuch ist vom 25. November 1480. Aus ihm erfährt man, wie die drei Länder zusammen mit Zug und Glarus an Luzern das Ansuchen gestellt hätten - «mit früntlicher meinung und guten Worten» -, es möchte vom Burgrecht mit den vier Städten zurücktreten, und wie der Rat sich auf folgende Antwort an die fünf Länder geeinigt habe: Weil das Burgrecht, wie ihnen schon oft erklärt worden sei, «zu nutz und fromen unser gemeinen Eitgnoschaft und zu gut der erberkeit», niemandem zu Trotz oder Widerwärtigkeit, abgeschlossen worden sei, könne ihrem Begehren nicht entsprochen werden; doch sei man bereit, die durch den Krieg unterbrochenen Verhandlungen um einen Vergleich, sofern sie es wünschten, wieder aufzunehmen und gerne anzuhören, was sie vorzuschlagen hätten135. Doch auf einer Tagung der vier Waldstätte in Luzern entschied man sich, laut Abschied vom 29. Dezember 1480, für den Weg des Rechts: «Des burgrechten halb sollent min herren an eim und die andern Waldstet am andern teilen das recht wider mit einandern anfachen wie das vormalen vor dem Bellenzer krieg gelassen ist; und söllent beid teil bescheiden vernünftig lütt dazu ordnen, damit die ding dester früntlicher Zugängen und sol iederman deshalben mit gewalt und sinen zügesatzten uff mentag nechst nach unser frowen liechtmess [5. Februar 1481] zu früger ratszit ze Stans sin, und das recht volziehen»136. Rechtstage in Stans Dreimal kamen in den ersten Monaten des Jahres 1481 die Bevollmächtigten der vier Waldstätte in Stans zusammen, um - assistiert von den Boten der übrigen Orte - im Burgrechtsstreit, wie Ende 1480 beschlossen, «das Recht zu vollziehen»137. Die Orte Glarus und Zug waren wieder, wie Anfang 1478 durch Boten 151 STA Luzern: Luzerner Ratsbuch 5b, 482r. Text abgedruckt in: SEGESSER, Beiträge zur Geschichte des Stanser Verkommnisses, S. 56: «Uff mittwuchen nach sant Martins tag anno bmx [17. November 1479] sol man zu Beggenried sin von des burgrechten wegen, als uns die lender dahin ze tagen gemant hant; und wollen die von Ure, Swiz und Underwalden ieglichs land fünf botten dahin senden, so wollen wir auch fünfzehn senden; die sollen gewalt han, ob daz not wirt, us inen ein glichen züsatz zu erwelen, und ist beslossen, daz wir an unserm teil als vil personen als die drü lender an irem teil zu denselben Sachen setzen sollen». 135 STA Luzern: Luzerner Ratsbuch 5a, 516r. Text abgedruckt in: Segesser, Beiträge zur Geschichte des Stanser Verkommnisses, S, 57f.: «Sider und aber, wie vorgemeldet ist, man vormalen in den Sachen von etwaz mittelwegen gehandelt und red gehept hat und die ding der inrissenden kriegen halb erwunden und bishar still gestanden sind, ob dann dieselben unser getruwen lieben eitgnos-sen noch hütbitag fruchtbar bedunken und inen zu gevallen sin wil, witter von solichen mittein red ze haben und si das anbringent, darzü wollen wir unsers teils gern losen und nach unserm ver-mügen das darin fürdern, daz sich zu ruw und gutem der dingen ziechen mag». 136 Luzerner Abschied, in: EA III/l, S. 89f. 137 Tagsatzungen in Stans vom 5. Februar (STA Bern: Eidgenössische Abschiede B, S. 144; EA III/l, S. 91), 19. März (STA Bern: Eidgenössische Abschiede B, S. 145; EA III/l, S. 92f.) und 11. April 1481 (STA Bern: Eidgenössische Abschiede B, S. 151; EA III/l, S. 93). 46 Bericht Der Ablauf der Ereignisse 47 vor dem bernischen Rat, vermittelnd tätig138. Und einer Notiz im Luzerner Rechnungsbuch ist zu entnehmen, dass man von Luzern aus wieder darum bemüht war, über Bruder Klaus auf dessen Landsleute einzuwirken13'. Tatsächlich kam es zu einem Einlenken der Länder in der Vorfrage, wie das Schiedsgericht zusammengesetzt sein sollte. Sie wurde durch den Vertrag vom 11. April 1481 im Sinne der Luzerner entschieden. Darin hat man festgelegt, dass für alle Zukunft bei Konflikten zwischen der Stadt und den drei Ländern der Grundsatz gleicher l Zusätze im Schiedsverfahren gelten solle140. Weil man sich aber über die Wahl des Obmanns nicht einigen konnte, kam es statt zur Weiterführung des Rechtsverfahrens erneut zur Wiederaufnahme von Vergleichsverhandlungen. Wahrscheinlich haben diese bereits vor dem 11. April eingesetzt und wohl von Anfang an die Verhandlungen um die Zusammensetzung des Schiedsgerichts begleitet141. Man griff in ihnen auf die früheren Bemühungen für die Beilegung des Konflikts zurück: der * im April 1481 vorliegende zweite Verkommnisentwurf stimmt in Aufbau, Inhalt [ und Formulierung weitgehend mit dem ersten Projekt vom Juli 1478 überein142. 4. Verkommnisentwürfe und Bundesprojekte im Jahre 1481: Von der Wiederaufnahme der Ausgleichsverhandlungen im Frühjahr bis zu den i entscheidenden Tagsatzungen vom November und Dezember in Stans Als bestimmend für den weiteren Verlauf sollte sich das Verhalten von Bern ! und Luzern erweisen. Bern, der Initiant des Burgrechts, hat sich an den Verhand- i lungen über ein eidgenössisches Verkommnis, mit welchem die Länder das Burgrecht ersetzen wollten, zwar beteiligt, gleichzeitig aber immer wieder bis in den Sommer 1481 hinein seine Entschlossenheit bekundet, am Burgrecht festzuhalten. Für diese Haltung waren vornehmlich zwei Gründe ausschlaggebend. Zum ersten f hatte sich die bernische Regierung durch öffentliche Erklärungen und durch Ratsbeschlüsse selber die Hände gebunden und dadurch einen allfälligen Rückzug IJS Ratssitzung vom 17. Januar 14S1 (STA Bern: Ratsmanual 31, S. 36). Abschied der Berner Tagsatzung von Mitte Januar 1481 (STA Bern: Eidgenössische Abschiede B, S. 144;EAIII/I, 90f.). n* Sendung von Schultheiss Fehr zu Bruder Klaus, zwischen 18. und 31. März. Vgl. Dokumentation S.205. ™ EA III/l, S. 692-694 (Beilage 10). 141 gTA Bern: Eidgenössische Abschiede B, S. 144 (zur Aktion von Glarus und Zug Mitte Januar in Bern): «Item als der länder Zug und Glarus bottschaft einen rat zu Bern haben gebetten, nachdem die statt Luzern von den ländern Urc, Switz und Underwalden ietz rechtlichen angezogen werden des burgrechts halb, daran zü sind, das es mit fridentlichen mittein hingelegt werd, ist in geant-wurt, sölich burgrecht si in dem besten zu nutz und frommen der Eidgnoschaft angesechen und wüssten dehein besser mittel, dann das si mit den drien lindern gütlich reden, ein statt Luzern darin unersucht zu lassen. Das wellen min herren gar mit gutem willen verdienen». - STA Bern: Ratsmanual 31, S. 36: «Und als die botten von Zug und Glarus gebetten haben, als ein statt Luzern und die landet Ure, Switz und Unterwaiden in recht komen sien, daran zü sind, das sölichs gemit-telt und itti besten hingelegt werd, ist inen geantwurt, sölich burgrecht si im besten der Eidgnoschaft zu gut angesechen und gebür sich nit ändrung gegen iemand furzünamen». 142 Vgl Jen Text der beiden Entwürfe: Dokumentation S. 148-151 und 168-175. i Der Tagsatzungwn Stans im Dr Jahrhundert. Illustration am: Schweizer Bilder-Cbromk des Luzerner Drehold Schilling. 48 Bericht Der Ablauf der Ereignisse 49 erschwert143. Noch im Sommer 1481 begründete sie ihr Festhalten am Burgrecht mit dem Hinweis, dass dieses «mit gehebtem bedank aller der unsern von Stetten und lendern» vollzogen worden sei. Für die bernische Obrigkeit stellte sich somit die Frage, wie eine Preisgabe ohne Gesichtsverlust und Einbusse an Autorität möglich sei. Ein zweiter Hauptgrund für das Festhalten am Burgrecht war der, dass dieses neben dem öffentlich erklärten Zweck, ein Bollwerk gegen die verschiedenen Formen anarchischer Gewalt zu sein, für Bern vor allem eine politische Einrichtung war, die es ihm ermöglichte, mit verstärktem Gewicht auf eidgenössische Angelegenheiten einzuwirken144 - ein wertvolles politisches Instrument, wofür das von den Ländern vorgeschlagene neue Verkommnis keinen Ersatz bot. Verhandlungen über eine gemeineidgenössische Ordnung gegen ange-masste Gewalt: ja; Aufgabe des Burgrechts: nein - so lässt sich Berns bisheriges Verhalten in der Auseinandersetzung um den städtischen Sonderbund zusammenfassend umschreiben. Die Wende erfolgte im Sommer 1481, als sich abzuzeichnen begann, dass sich die einheitliche Front der Städte den Ländern gegenüber auf der von Bern verfolgten Linie nicht halten liess. Herbeigeführt wurde sie durch zwei luzernische Gesandtschaften, vom 16. und 22. Juli, die Bern über die Neigung Luzerns in Kenntnis setzten, im Burgrechtsstreit nachgeben, auf die Forderungen der Länder eingehen und sich mit ihnen auf der Grundlage des im April zu Stans besprochenen zweiten Verkommnisentwurfes145 verständigen zu wollen: «[...] das zu vermi-dung vil unrüwen und unglimpf s fügelich und gut were, etwas mittein, so uff dem tag zü Stans angezeigt und dargetan sind, gutlich zu losen und denen mit zimli-chem begegnen statt ze geben». Der Bescheid, den der bernische Grosse Rat der ersten Gesandtschaft erteilte, war entschieden ablehnend: Bern werde beim Burgrecht, das «zü lob, nutz und er gemeiner unser Eidgnoschaft und enthaltung aller erberkeit» abgeschlossen worden sei, bleiben und sich «durch kein ander anzei-gung oder weg» davon abbringen lassen146. Doch nach der zweiten Gesandtschaft aus Luzern lenkte Bern ein147. Die Instruktion für die Tagsatzungsboten vom 23. Juli schrieb vor, dass die bernischen Boten «bi der antwurt des burgrechten halb, dabi zü beliben, sollen verharren, es si dann das ander stett,die in dem burgrecht vergriffen sind, von mittein wellen reden lassen». In diesem Fall sollten die bernischen Boten «ouch losen» und sich an den Verhandlungen über die vorgeschla- 143 Vgl, S. 32f. und Dokumentation S. 137-139. 141 Vgl. S. 33-35. 145 Dieser stimmte in den Hauptzügen mit dem ersten von 1478 überein. Vgl. Synopsis S. 168-175. l4e STA Bern: Ratsmanual 33, S. 35, Sitzung vom 16. Juli 1481: Schultheiss und Räte «und darzü gemein burger, von der von Luzern und des burgrechts wegen [...], und ward einhellenklich be-slossen und den von Luzern geantwurt, das min herren dabi bliben und sich durch kein mittel davon wellen lassen wisen». - Schreiben an Zürich vom 16. Juü über die Verhandlungen mit der luzernischen Ratsbotschaft in Bern; Dokumentation S. 140. 147 STA Bern: Ratsmanual 33, S, 42, Sitzung vom 22. Juli 1481: Schultheiss und Rare «und darzü gemein burger mit der gloggen versamnet der von Luzern bottschaft zü verhören des burgrecht halb». genen «Mittel» (Vergleichsvorschläge, welche den Städten den Verzicht auf das Burgrecht ermöglichen würden) beteiligen148. Die Tagsatzung von Ende Juli in Stans beschloss, an der auf Anfang September nach Zug einberufenen Tagsatzung über das Burgrecht weiter zu verhandeln. An dem am 20. August 1481 zu Zofingen abgehaltenen Tag der fünf Städte einigten sich deren Boten auf den Vergleichsvorschlag, welcher den Ländern an dieser nächsten Zusammenkunft unterbreitet werden sollte. Dieser dritte Verkommnisentwurf149 knüpft an die zwei vorausgehenden Entwürfe an, enthält aber einige wesentliche Neuerungen, die sich allerdings in den folgenden Verhandlungen mit den Ländern nur zum Teil haben durchsetzen lassen. Am 26. August genehmigte der Grosse Rat von Bern den m Zofingen vereinbarten Text150, Damit war - stillschweigend - auch von Bern das Burgrecht aufgegeben worden. Die Bestimmungen dieses von den Städten vorgeschlagenen Verkommnisses betrafen zur Hauptsache - neben Fragen der Kriegsordnung und der Teilung der Kriegsbeute und von Eroberungen an Land und Herrschaftsrechten - wie in den früheren Entwürfen die Abwehr mutwilliger Gewalt. Der in den beiden vorangegangenen Entwürfen gleichlautende erste Artikel, der jegliche Gewalthandlung gegenüber Eidgenossen und Zugehörigen in Krieg wie Frieden verbot, wurde jetzt durch die ausdrückliche Erklärung ergänzt, dass auch Ubergriffe eines Ortes gegenüber einem andern Ort zu unterlassen und die Orte gesamthaft verpflichtet seien, jenem, «so also gewaltiget wird», beizustehen, während es in den früheren Entwürfen bloss allgemein und ganz unbestimmt heisst, dass «nieman» mit Frevel oder Gewalt gegen andere vorgehen solle. Dieser Zusatz ist auf Begehren Luzerns in den Text aufgenommen worden151; es ist darin wohl ein Nachwirken des 1478 im Entlebuch aufgedeckten Komplotts zu sehen, in welches bekanndich Obwaldner Magistratspersonen verwickelt gewesen sind («Staatlich» und «privat», das heisst Unternehmen eines Orts «durch sich selbs» und solche «sundriger personen» waren gerade in den Landsgemeindeorten schwer voneinander zu trennen). Während sich die von Luzern verlangte Erweiterung durchgesetzt hat, war dem neuen Verkommnisartikel, der auf Begehren Berns in den Zofingerenrwurf aufgenommen wurde, kein solcher Erfolg beschieden. Darin ist verlangt worden, dass sich die Orte gegenseitig ihren gegenwärtigen Besitzstand an Gebieten und Herrschaftsrechten garantieren. Die Aufnahme dieses Artikels war eine der von Bern gestellten Bedingungen für sein Einlenken: «Wo die andern vier stett von mittein wellen lassen reden, das dann miner herren botten des ouch gewalt haben, und darin lütern: was iemand ietz inhab, das er dabi "s STA Bern: Ratsmanual 33, S. 43. Tera: Dokumentation S. 151-153. 150 STA Bern: Ratsmanual 33, S. 84, Sitzung vom 26. August 1481: Schultheiss und Räte «und darzü gemein burger mit der glocken versamnet von des burgrechten und tags wegen Zofingen [...]. Wird zugesagt der abscheid von Zofingen wie der an im selbs gestellt ist». 151 Betreffend «die artickel, so die statt Lucern dargeben wirt» (Abschied des Tages der fünf Burgrechtsstädte in Zofingen vom 28. Oktober 1481) vgl. WEBER, Die Hülfsverpflichtungen der XIII Orte, S. 351-353. 50 Bericht Der Ahlauf der Ereignisse 51 ietz und hinfur belib und iegklich parti den anderen also hanthab, schütz und schirm»152. Den Hintergrund bildete, wie schon Hans Sigrist festgestellt hat, der Streit zwischen den Orten um die Eroberungen im Waadtland153. Da in dieser Frage die Interessen der Orte, auch der Städte, auseinandergingen154, mangelte Bern die Unterstützung, deren es bedurft hätte, um den Text endgültig ins Ver-kommnis einzubringen. Er fehlt im vierten Entwurf von Anfang September, der sich als ein Gegenentwurf zum Städteprojekt erweist155, kommt aber auch in den folgenden Entwürfen nicht mehr vor. Der fünfte Entwurf156 war ein auf der Grundlage des dritten und vierten Projekts ausgearbeiteter Kompromiss Vorschlag der fünf Städte, den sie in gleichsam ultimativer Form der Zuger Tagsatzung von Anfang November vorlegten. Man kam zu keiner Einigung. Die Vergleichsverhandlungen scheiterten - endgültig, schien es. Man musste sich wieder auf den Weg des Rechts begeben, obwohl auf beiden Seiten die Einsicht vorhanden war, dass jeder auf dem Wege des Rechts gefällte Entscheid die Gefahr eines Krieges in sich barg. Am 25. November sollte das Schiedsgericht in Stans zusammentreten15'. Da geschah das Unerwartete - und man ist angesichts der monatelangen intensiven und schliesslich doch gescheiterten Verhandlungen versucht zu sagen: das Wunder. Statt zu dem in Zug beschlossenen Rechtstag kam es in Stans, unter Beteiligung aller Orte samt Freiburg und Solothurn, zu einem Tag der Vermittlung und des Ausgleichs, auf dem mit den Verkommnis- und Bündnisentwürfen vom 30. November der entscheidende Durchbruch gelang. Der sechste Ver-kommnisentwurf folgte weitgehend dem von den Städten in Zug vorgelegten fünften Projekt, berücksichtigte jedoch die Hauptforderungen der Länder; der sechste Bündnisentwurf hingegen war ganz das Werk der Stanser November-Tagsatzung. Alle waren überzeugt, nun auf dem Weg zur endgültigen Beilegung des jahrelangen Streits zu sein. Der Abschied vom 30. November setzte fest, dass die eidgenössischen Boten an der auf den 18. Dezember wiederum nach Stans einbe- rufenen Tagsatzung mit den nötigen Vollmachten erscheinen sollten, damit ohne weiteres «Hintersichbringen» (Rückfragen an die Obern zwecks neuer Instruktion) Beschluss gefasst und das Vertragswerk besiegelt werden konnte158. Zwischen dem 30. November und dem 18. Dezember fanden in den zehn Orten die Beratungen über die beiden Entwürfe statt. Auf der Stanser Tagsatzung vom 18. bis 22. Dezember 1481 kam es nochmals zu einer akuten Verhandlungskrise, die aber dank dem vermittelnden Eingreifen von Bruder Klaus und durch Sonderverhandlungen des solothurnischen Gesandten Hans vom Stall mit den Länderboten überwunden werden konnte. Die Einigung führte zu den beiden Vertragsabschlüssen vom 22. Dezember: zum Stanser Verkommnis, das abgesehen von der gekürzten Präambel inhaldich gleich lautet wie der sechste Entwurf, und zum Bundesvertrag der VIII Orte mit Freiburg und Solothurn, der den Text des sechsten Bündnisentwurfs mit zwei Zusätzen enthält. Es sind nun die Entwicklungen in den beiden letzten Monaten des Jahres näher ins Auge zu fassen; dabei ist besonders nach dem Anteil von Bruder Klaus am Geschehen zu fragen sowie Art und Bedeutung seines in der Uberlieferung hagio-graphisch verklärten, aber als Faktum in den Quellen eindeutig bezeugten Mitwirkens bei der Einigung in Stans herauszuarbeiten. 153 STA Bern: Ratsmanual 33, S. 73, Sitzung vom 19. August 1481: Instruktion für die bernischen Boten auf den Tag zu Zofingen. 153 SlGBIST, Solothurn und die VIII alten Orte, S. 157: *Von einer solchen Bestimmung hatten die andern One anscheinend bis jetzt nichts wissen wollen, da sie noch immer nicht auf ihren Anteil an den waadtländischen Eroberungen verzichtet hatten, und deshalb verwarf Bern alle Verkomm-nisentwürfe, die keinen derartigen Artikel enthielten, und beharrte auf den Burgrechten, in deren weitgefassten Rahmen auch die Garantie für die Herrschaften hineingelesen werden konnte*. — Zu den Auseinandersetzungen über die Eroberungen im Waadtland vgl. Tobleb., Der Streit unter der Eidgnossen Über die Eroberungen im waadtlande. ,M Zürich, Luzetn und Solothurn vertraten mit den Ländern die gleiche Ansicht gegen die Städte Bern und Freiburg. 155 Text: Dokumentation S. 153-155. 156 Text; Dokumentation S. 156-158. 15? «Item des burgrecht halb hat man tag angesetzt zu recht uff sunnentag vor sant Andres tag [25. November] ze nacht zu Stans an der herberg zu sind und da gütlich ieder teil dem andren recht umb recht ze geben». Abschied der Zuger Tagsatzung vom 4. November 1481, letzter Abschnitt; Dokumentation S. 158. Text des Abschieds vom 30. November 1481: Dokumentation S. 162f. Der erste Abschnitt im Berner Exemplar: «Uff zinstag vor sant Thomas tag [18. Dezember] sollen gemeiner Eidgnossen botten mit sampt Friburg und Solottren zü nacht wider zu Stans sin mit vollem gewalt, die ver-komnüß, ouch die einig ze beschliessen, wie das angesechen ist, ane alles hindersichbringen, und die botten, so ietz uff dem tag zü Stans gewesen sind, sollen wider uff den obgestimpten tag gen Stans komen».